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Grenzdoc 8 Niemansland.pdf - Sed-opfer-hilfe.de

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Leichenfun<strong>de</strong> in Grenzgewässern und im „Niemandsland“<br />

Buchseite 482/3<br />

„Tagesmeldungen <strong>de</strong>r DDR-Grenztruppen, <strong>de</strong>r Ost-Berliner und Potsdamer Volkspolizeien<br />

sowie <strong>de</strong>r Westberliner Polizei dokumentieren zahlreiche Leic henfun<strong>de</strong><br />

in Grenzgewässern und im sogenannten Niemandsland auf <strong>de</strong>r Westseite vor <strong>de</strong>r<br />

Mauer. Auch wenn im Fall von Wasserleichen Fund -und To<strong>de</strong>sort häufig nicht<br />

übereinstimmen, zumal dann, wenn zwischen <strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r<br />

Bergung längere Zeit verstrichen ist, besteht aufgrund <strong>de</strong>s örtlichen Zusammen -<br />

hangs zu Grenze und Sperranlagen in diesen Fällen grundsätzlich <strong>de</strong>r Verdacht,<br />

dass es sich um Opfer <strong>de</strong>s DDR-Grenzregimes han<strong>de</strong>ln könnte. Daher wur<strong>de</strong>n alle<br />

Leichenfun<strong>de</strong> in Grenzgewässern und im Grenzgebiet untersucht, die in Archiven<br />

und publizierten Opferlisten ermittelt wer<strong>de</strong>n konnten. In einigen Fällen hat sich<br />

<strong>de</strong>r Verdacht bestätigt, dass die Toten Flüchtlinge waren. In an<strong>de</strong>ren Fällen hat sich<br />

hingegen gezeigt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>s<br />

To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>m DDR-Grenzregimes nicht besteht. So haben nachweislich sowohl<br />

Ost- als auch West-Berliner in Gewässern im Zentrum und am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stadt<br />

Suizi<strong>de</strong> begangen o<strong>de</strong>r tödliche Unfälle erlitten, die sich nicht auf Sperranlagen<br />

zurückführen lassen“.<br />

„Es gibt allerdings auch eine Reihe von Wasserfundleichen, in <strong>de</strong>nen sich die Hintergrün<strong>de</strong> nicht,<br />

noch nicht o<strong>de</strong>r nicht mehr hinreichend klären lassen. Hinzu kommen schließlich mehrere Fälle<br />

von West-Berlinern, die tot im sogenannten Niemandsland aufgefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. Dieses, <strong>de</strong>n<br />

eigentlichen Sperranlagen vorgelagerte Terrain auf <strong>de</strong>r West-Berliner Seite konnte von westlicher<br />

Seite zumeist ohne große Schwierigkeiten betreten wer<strong>de</strong>n. Insgesamt sind nicht weniger<br />

als 53 Leichenfun<strong>de</strong> im „Niemandsland“ und in Grenzgewässern dokumentiert. Manche dieser<br />

Fälle wer<strong>de</strong>n auf Opferlisten <strong>de</strong>r „Arbeitsgemeinschaft 13.August“ und an<strong>de</strong>rer Autoren genannt,<br />

an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n hier zum ersten Mal dargestellt. Zu zahlreichen Fällen konnte auf zeitgenössische<br />

Ermittlungsunterlagen sowie auf Vorermittlungs-und Ermittlungsakten aus <strong>de</strong>n 1990er<br />

Jahren zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. Wie diese Akten zeigen, han<strong>de</strong>lt es sich zwar durchweg um<br />

Gewaltakte, die in eine strafrechtliche Verfolgung mün<strong>de</strong>ten. Dennoch haben die Mitarbeiter <strong>de</strong>r<br />

Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs-und Vereinigungskriminalität (ZERV) aufschlussreiche<br />

Ergebnisse zutage geför<strong>de</strong>rt. Anfragen bei <strong>de</strong>r BStU verliefen hingegen zumeist ohne<br />

Erfolg“.<br />

Wasserleichen in Berliner Grenzgewässern Buchseite 483-486<br />

„Aus einem Monatsbericht <strong>de</strong>r Ost-Berliner Wasserschutzinspektion geht hervor, dass am<br />

30.Jan.1979 ein Ost-Berliner namens Günter H. tot aus <strong>de</strong>r Spree geborgen wur<strong>de</strong>. Der Mann war<br />

seit <strong>de</strong>m Vor-abend vermisst wor<strong>de</strong>n. Spuren <strong>de</strong>uteten darauf hin, dass er auf <strong>de</strong>r Halbinsel<br />

Stralau am Liegeplatz eines Eisbrechers ins Wasser gefallen war. Johannes T. wie<strong>de</strong>rum war ein<br />

74-jähriger Ost-Berliner, <strong>de</strong>r im Stadtbezirk Treptow im Grenzgebiet wohnte, wo er am 18.Jan.<br />

1975 in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Kiefholzstrasse in einem Wassergraben tot aufgefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Ein<br />

Fluchtversuch ist in seinem Fall unwahrscheinlich, da er als Rentner die Möglichkeit hatte, nach<br />

West-Berlin zu reisen.<br />

Kurt H. wur<strong>de</strong> am 4.Nov.1967 im Westteil <strong>de</strong>r Stadt aus <strong>de</strong>m Teltowkanal geborgen. Er war<br />

West-Berliner und hatte, wie sich herausstellte, Blausäure getrunken, bevor er ins Wasser ging.<br />

Am 7. August 1969 wur<strong>de</strong> Bernhard J. auch er ein Einwohner von Westberlin, durch die Ost-<br />

Berliner Wasserschutzinspektion in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Kreuzbergers Gröbenufers tot aus <strong>de</strong>r Spree<br />

geborgen. Laut Ost-Berliner Sektionsbericht war <strong>de</strong>r 34-jährige am selben Tag unter erheblichen<br />

Alkoholeinfluss ertrunken. Auch Luise M. die am 16.April 1963 von DDR-Grenzsoldaten bei<br />

Reinigungsarbeiten in einer am Teltowkanal errichteten Unterwassersperre zunächst als<br />

unbekannte Wasserleiche ent<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>, stammte aus West-Berlin. Sie soll Suizid begangen


-2-<br />

haben. Ismet C. ein türkischer Staatsbürger, <strong>de</strong>r in West-Berlin lebte, wollte offenbar wegen<br />

seiner schweren Krankheit aus <strong>de</strong>m Leben schei<strong>de</strong>n, als er im Mai 1963 ins Wasser ging. In<br />

einem an<strong>de</strong>ren Fall wur<strong>de</strong> eine DDR-Bürgerin als unbekannte Wasserleiche am Westberliner<br />

Ufer aus <strong>de</strong>m Nie<strong>de</strong>rneuendorfer See geborgen. Da die Tote einen Brief bei sich trug, konnte man<br />

sie am 20.März 1966, als man sie fand, ihre I<strong>de</strong>ntität ermitteln. Gertrud W. geboren am 27.Juli<br />

1899 in Königsberg wohnte zuletzt in Birkenwer<strong>de</strong>r und wur<strong>de</strong> schon seit <strong>de</strong>m 9.Jan.1966<br />

vermisst. Sie soll gegenüber ihren Sohn sich über Selbstmordabsichten geäußert haben, weil <strong>de</strong>r<br />

Mann sie verlassen hatte. Ein Fluchtversuch kann auch hier ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, weil sie<br />

bereits im Rentenalter war und in <strong>de</strong>n Westen fahren könnte. Ein polnischer total betrunkener<br />

Binnenschiffer ertrank ebenfalls, ohne politische Hintergrün<strong>de</strong>.<br />

Während es sich in diesen Fällen und zahlreichen an<strong>de</strong>ren Fällen nachweislich nicht um Opfer<br />

<strong>de</strong>s DDR-Grenzregime han<strong>de</strong>lt, kann ein Zusammenhang in manchen Fällen we<strong>de</strong>r ausgeschlossen<br />

noch nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Wasserleichen gaben und geben Behör<strong>de</strong>n oftmals Rätsel<br />

auf.Selbst wenn bei <strong>de</strong>r Obduktion keine Anzeichen für ein Fremdverschul<strong>de</strong>n festgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, lässt sich im Nachhinein nicht immer klären, unter welchen Umstän<strong>de</strong>n jemand ins<br />

Wasser gelangte und ob es sich um Suizid, einen Unfall o<strong>de</strong>r ein Verbrechen han<strong>de</strong>lt.So wur<strong>de</strong><br />

die Bergung einer Wasserleiche, die am 8.Juli 1965 unterhalb <strong>de</strong>r Schillingbrücke in <strong>de</strong>r Spree<br />

gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, seinerzeit auch auf West-Berliner registriert. Da es sich um stark verweste<br />

Leichenteile gehan<strong>de</strong>lt haben soll, stellten die West-Berliner Behör<strong>de</strong>n sogleich einen Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s unbekannten Flüchtling her, <strong>de</strong>r am 19. Jan. 1965 an eben dieser<br />

Stelle ertrunken war. Bis heute kann dieser Verdacht we<strong>de</strong>r bestätigt und ausgeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch Westberliner Behör<strong>de</strong>n haben ihre Erkenntnisse über Wasserleichenfun<strong>de</strong> keineswegs<br />

lückenlos überliefert. So gehört zu <strong>de</strong>n bislang ungelösten Fällen auch eine unbekannte<br />

Wasserleiche, die am 15.Sept. 1963 auf <strong>de</strong>r West-Berliner Seite <strong>de</strong>r Sektorengrenze aus <strong>de</strong>m<br />

Landwehrkanal geborgen wur<strong>de</strong>.<br />

Gera<strong>de</strong> wenn junge Leute plötzlich verschwan<strong>de</strong>n und später in einem Grenzgewässer tot aufgefun<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>n, neigten sowohl Behör<strong>de</strong>n als auch Angehörige zu <strong>de</strong>r Annahme, sie könnten bei<br />

Fluchtversuchen umgekommen sein. Der Verdacht dass Klaus D. am 18.Juli 1970 im Berliner<br />

Stadbezirk Mitte tot aus <strong>de</strong>r Spree geborgen wur<strong>de</strong> erhärtete sich bei <strong>de</strong>n Eltern als<br />

Fluchtversuch. Auch im Fall <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s 20 Jahre alten Wilfried M. ist zweifellos ein Verdacht<br />

gegeben, dass er bei einem Fluchtversuch ums Leben gekommen sein könnte. Denn als seine<br />

Leiche am 30.Mai 1972 an <strong>de</strong>r Elsenbrücke und somit ebenfalls in einiger Entfernung von <strong>de</strong>r<br />

Sektorengrenze, aus <strong>de</strong>r Spree geborgen wur<strong>de</strong>, stand <strong>de</strong>r Unteroffizier <strong>de</strong>r DDR-Grenztruppen<br />

wegen <strong>de</strong>s Verdachts <strong>de</strong>r Fahnenflucht bereits in Dauerfahndung. Wilfried gehörte <strong>de</strong>m Ost-<br />

Berliner Stadtbezirk Treptow stationierten Grenzregiment 33 an und hatte sich am Tag zuvor<br />

unerlaubt von seiner Einheit entfernt. Wo er sich danach aufhielt und wie er zu To<strong>de</strong> kam, liegt<br />

bis heute im Dunkeln. Auch er stand unter erheblichen Alkoholeinfluss als er ertrank.<br />

An <strong>de</strong>r Elsenbrücke im Ost-Berliner Stadtbezirk Treptow wur<strong>de</strong> einem Bericht <strong>de</strong>r Ost-Berliner<br />

Wasserschutzinspektion zufolge am 17.März 1978 auch die Leiche von Thomas B. aus <strong>de</strong>r Spree<br />

geborgen. Der 20 Jährige Ost-Berliner galt seit Wochen als vermisst. Im Streit mit seinen Eltern<br />

hatte er die Wohnung im angetrunkenen Zustand verlassen. Ob Thomas B. an jenem Abend<br />

freiwillig aus <strong>de</strong>m Leben schied o<strong>de</strong>r versuchen wollte, nach West-Berlin zu entfliehen, bleibt<br />

ungewiss.<br />

Ungeklärt ist auch das Schicksal <strong>de</strong>r 18 Jahre alten Barbara B. aus <strong>de</strong>m Ostberliner Stadtbezirk<br />

Mitte. Als die begabte Turmspringerin am Abend <strong>de</strong>s 12. Jan. 1962 vom Training nicht nach<br />

Hause kam, waren die Eltern besorgt und wollten ungehend Vermisstenanzeige erstatten. Die<br />

Volkspolizei schöpfte hingegen <strong>de</strong>n Verdacht, Barabara habe die DDR illegal verlassen. Viele<br />

Wochen vergingen, bis endlich im April 1962 die Leiche aus <strong>de</strong>r Spree, unweit <strong>de</strong>r Sektorengrenze,<br />

geborgen wur<strong>de</strong>“.


-3-<br />

Leichenfun<strong>de</strong> im „Niemandsland“ Buchseite 486-488<br />

„Der West-Berliner Christian T. <strong>de</strong>r an Depressionen gelitten haben soll, begab sich am 16.März<br />

1982 am westlichen Stadtrand auf ein <strong>de</strong>r Mauer vorgelagertes Stück „Niemandsland“, begoss<br />

sich mit Spiritus und zün<strong>de</strong>te sich an. Seine Selbsttötung erinnert zwar an Protestaktionen gegen<br />

das kommunistsiche System; ob und inwieweit sein Tod jedoch politisch motiviert war, geht aus<br />

<strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Berichten nicht hervor. Wie Christian wur<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens acht West-Berliner<br />

tot im „Niemandsland“ aufgefun<strong>de</strong>n. Da es sich um Hoheitsgebiet <strong>de</strong>r DDR han<strong>de</strong>lte, wur<strong>de</strong>n die<br />

Toten von Grenztruppenangehörigen geborgen. Nur im Fall von Rudolf W. einem Patienten <strong>de</strong>r<br />

Nervenklinik Spandau, <strong>de</strong>r am 12.August 1989 an <strong>de</strong>r Grenze zum DDR-Kreis Nauen tot aufgefun<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>, gab die DDR-Seite <strong>de</strong>r Bitte statt, die Leiche durch die Westberliner Feuerwehr<br />

bergen zu dürfen. In allen an<strong>de</strong>ren Fällen oblagen die Ermittlungen <strong>de</strong>m MfS. Sofern <strong>de</strong>r Fund<br />

und die Bergung <strong>de</strong>r Leiche im Westen unbemerkt blieben, verfügte die Stasi die Geheimhaltung<br />

<strong>de</strong>s Geschehens, so dass vier To<strong>de</strong>sfälle erst nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r DDR aufge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n<br />

konnten. Die übrigen Fälle sorgten schon darmals für Schlagzeilen. Dazu gehört <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>r 78<br />

Jahre alten Anna Kirste. Ihre Leiche wur<strong>de</strong> am 8. Nov. 1974 am Ufer <strong>de</strong>s Landwehrkanals von<br />

zwei West-Berliner Kin<strong>de</strong>rn ent<strong>de</strong>ckt. Noch bevor in Westberlin eine Bergung eingeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n konnte, wur<strong>de</strong> die Leiche auf Veranlassung durch das MfS in <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Nacht<br />

abtransportiert. Dem Obduktionsbericht zufolge war Anna Kirste bereits Wochen zuvor ohne<br />

Frem<strong>de</strong>inwirkung gestorben. Bei <strong>de</strong>r Toten wur<strong>de</strong> eine Herzschwäche festgestellt, die einen<br />

Zusammenbruch bewirkt und auf diese Weise dazu geführt haben könnte, dass sie in <strong>de</strong>r Kälte<br />

erfroren ist. Wie die alte Dame von Kreuzberg in das zu Treptow gehörige „Niemandsland“<br />

gelangt war, blieb ungeklärt. Allerdings ergaben die Westberliner Ermittlungen eine traurige<br />

Vor-geschichte zu <strong>de</strong>m spektakulären Vorfall. Die alleinstehen<strong>de</strong> Rentnerin habe kurz vor ihrem<br />

Tod ihre Wohung in <strong>de</strong>r Kreuzberger Falkensteinstrasse aufgelöst, um zu ihrer in Ost-Berlin<br />

leben<strong>de</strong>n Tochter zu ziehen, sei aber von DDR - Behör<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r nach West-Berlin abgeschoben<br />

wor<strong>de</strong>n. Daraufhin habe <strong>de</strong>r in West<strong>de</strong>utschland leben<strong>de</strong> Sohn seine Mutter in einem Wohnheim<br />

<strong>de</strong>s DRK untergebracht. Kurz darauf sei sie spurlos verschwun<strong>de</strong>n. Ob sich die einsame Frau aus<br />

Verzweiflung das Leben nahm o<strong>de</strong>r durch die Grenzsperren zu ihrer Tochter nach Ost-Berlin<br />

wollte, bleibt vorerst ungeklärt.<br />

Auch <strong>de</strong>r Tod von Peter U. gibt bis heute Rätsel auf. Stasi-Akten zufolge wur<strong>de</strong> sein Leichnam am<br />

18. Nov.1987 von einer Streife <strong>de</strong>s Grenzregimes 44 in einem Waldgebiet bei Potsdam –<br />

Babelsberg ent-<strong>de</strong>ckt, 150 m von <strong>de</strong>r damals stillgelegten S-Bahn Strecke zwischen Bln-Wannsee<br />

und Potsdam entfernt. Nach Einschätzung <strong>de</strong>r Stasi lag <strong>de</strong>r Tote bereits 5 Wochen am Fundort.<br />

Anzeichen von Gewalteinwirkung konnten nicht festgestellt wer<strong>de</strong>n. Peter U. hatte Personalausweis<br />

und Führerschein bei sich und <strong>de</strong>mnach zuletzt in Bln-Wedding gewohnt. Am 17.August<br />

1958 im australischen A<strong>de</strong>rlai<strong>de</strong> geboren, muss er zum Zeitpunkt seines To<strong>de</strong>s 29 Jahre alt<br />

gewesen sein.<br />

Auch im Hinblick auf die Leichenfun<strong>de</strong> im „Niemandsland“ bleibt eine Dunkelziffer. So lässt sich<br />

nicht grundsätzlich ausschließen, dass ungelöste Fälle neue Erkenntnisse doch noch aufgeklärt<br />

o<strong>de</strong>r weitere Verdachtsfälle ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Anhaltspunkte für eine gezielte „Legendierung“<br />

o<strong>de</strong>r für „Ab<strong>de</strong>ckungsmaßnahmen“ seitens <strong>de</strong>s MfS gab es hinsichtlich <strong>de</strong>r hier geschil<strong>de</strong>rten<br />

Leichenfun<strong>de</strong> nicht“.<br />

Tödliche Unfälle und To<strong>de</strong>sfälle außerhalb <strong>de</strong>s Grenzgebietes<br />

Buchseite 488/9<br />

Bei 14 Fälle stellte sich im Ergebnis <strong>de</strong>r Recherche heraus, dass <strong>de</strong>r Tod nicht im Grenzgebiet,<br />

zumin<strong>de</strong>st nicht an <strong>de</strong>r Berliner Mauer eingetreten ist. Entgegen <strong>de</strong>m ursprünglichen Verdacht<br />

besteht in allen diesen Fällen we<strong>de</strong>r ein räumlicher noch ursächlicher Zusammenhang zwischen<br />

<strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Berliner Mauer. Dazu gehören vier To<strong>de</strong>sfälle, die auf Waffengewalt<br />

zurückzuführen sind, sich aber nicht an <strong>de</strong>r Mauer zugetragen haben. Die vier als<br />

Verdachtsfälle aufgenommenen Toten stammen von <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r „Arbeitsgemeinschaft 13.<br />

August“. Einer von ihnen war Angehöriger <strong>de</strong>r VP und wur<strong>de</strong> am 15.Sept.1964 an <strong>de</strong>r tschechos-


-4-<br />

lowakischen Grenze von zwei CSSR-Soldaten erschossen, die sich auf <strong>de</strong>r Flucht nach West-<br />

Berlin o<strong>de</strong>r West<strong>de</strong>utschland befan<strong>de</strong>n. Die Grenzsoldaten Günter M. und A. wur<strong>de</strong>n nach<br />

Auskunft <strong>de</strong>r behör<strong>de</strong> BStU am 24.Dez.1971 von einem fahnenflüchtigen NVA-Angehörigen an<br />

<strong>de</strong>r inner<strong>de</strong>utschen Grenze erschossen. Auch Horst H. war entgegen an<strong>de</strong>rslauten<strong>de</strong>r Behauptungen<br />

kein Grenzer, son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> am 3.August 1989 in Stendal von einem sowjetischen<br />

Wachposten erschossen, als er in betrunkenem Zustand ein Objekt <strong>de</strong>r sowjetischen Streitkräfte<br />

betrat.<br />

In <strong>de</strong>n übrigen Fällen han<strong>de</strong>lt es sich zumeist um tödliche Unfälle. Zwei Unfälle ereigneten sich<br />

auf U-und S-Bahn Strecken auf Ost-Berliner Gebiet. Paul G. war offenbar betrunken, als er am<br />

25.August 1972 zwischen <strong>de</strong>n Bahnhöfen Rosenthaler Platz und Bernauer Strasse aus <strong>de</strong>r<br />

fahren<strong>de</strong>n U-Bahn stürzte und sich dabei tödlich verletzte. Auch <strong>de</strong>r 23-jährige Rolf Peter B.<br />

stand wohl unter Alkoholeinfluss, als er am 16.April 1988 zwischen <strong>de</strong>n Bahnhöfen<br />

Friedrichstrasse und Humboldthain aus <strong>de</strong>r S-Bahn fiel.<br />

Zwei weitere Unfälle betrafen NVA-Angehörige, von <strong>de</strong>nen lange Zeit angenommen wor<strong>de</strong>n war,<br />

sie seien bei Fluchtversuchen zu To<strong>de</strong> gekommen. So heißt es über Axel B. in einer westdt.<br />

Broschüre aus <strong>de</strong>m Jahr 1962: „<strong>de</strong>r etwa 27 jährige Axel B. aus Güterglück, Kr. Zerbst<br />

(Sowjetzone) soll, wie durch Verwandte bekannt wur<strong>de</strong>, En<strong>de</strong> September 61 bei einem<br />

Fluchtversuch nach Berlin West in <strong>de</strong>r Sowjetzone erschossen wor<strong>de</strong>n sein. Diese Angaben<br />

waren falsch. Richtig ist, dass Axel B. <strong>de</strong>r seinerzeit einem NVA-Nachrichtenregiment<br />

angehörte,kam am 27.Sept.1961 in <strong>de</strong>r Nähe von Strauss-berg bei einem schweren Unfall ums<br />

Leben.Der Wagen prallte mit überhöhter Geschwindigkeit in einer Kurve gegen einen Baum.<br />

Dabei kam auch <strong>de</strong>r Fahrer <strong>de</strong>s Wagens ums Leben, zwei weitere Insassen wur<strong>de</strong>n verletzt. Der<br />

Unteroffizier Hans-Joachim R. wie<strong>de</strong>rum verletzte sich am 2.September 1961, wie es heißt, beim<br />

Umgang mit einer Kleinkaliberpistole, durch vermutliche Unvorsichtigkeit tödlich. Er erlitt<br />

diesen Unfall auf seiner Dienststelle bei einer Flakeinheit <strong>de</strong>r NVA, die in <strong>de</strong>r Stadt Bran<strong>de</strong>nburg<br />

stationiert war. Die Angehörigen waren jedoch gegenüber <strong>de</strong>n offiziellen Angaben misstrauisch.<br />

Seine Mutter glaubte zeitlebens, er sei <strong>de</strong>r damals unbekannt gebliebene Flüchtling gewesen, <strong>de</strong>r<br />

am 29.Aug.1961 im Teltowkanal erschossen wur<strong>de</strong>“.<br />

Unlösbare Fälle Buchseite 494/5<br />

„Bei 16 Verdachtsfällen war nicht zu klären, ob es sich um To<strong>de</strong>s<strong>opfer</strong> an <strong>de</strong>r Mauer han<strong>de</strong>lt<br />

o<strong>de</strong>r dies auszuschließen ist. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei ausschließlich um Wasserleichen, die in<br />

Grenzgewässern aufgefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. In allen Fällen stellte die ZERV bzw. die Staatsanwaltschaft<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Ermittlungen zu Gewaltakten an Mauer und Grenze fest, dass es keine<br />

Anhaltspunkte auf ein Gewaltverbrechen o<strong>de</strong>r einen Bezug <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s zum Grenzregime gibt.<br />

Deshalb wur<strong>de</strong>n diese Ermittlungen eingestellt. In unserem Zusammenhang war jedoch zu<br />

prüfen, ob sich Hinweise auf einen Fluchtversuch o<strong>de</strong>r einen Unfal im Grenzgebiet mit<br />

unterlassener Hilfeleistung ergeben und die Betroffenen vor diesem Hintergrund als To<strong>de</strong>s<strong>opfer</strong><br />

<strong>de</strong>r Mauer anzunehmen sind. Namentlich bekannt sind sieben dieser Toten, alle an<strong>de</strong>ren<br />

konnten nicht i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n. Häufig wur<strong>de</strong>n die Leichen erst Wochen o<strong>de</strong>r Monate nach<br />

ihrem Tod aufgefun<strong>de</strong>n. In einigen Fällen waren die Körper durch die lange Liegezeit im Wasser<br />

stark verwest o<strong>de</strong>r durch Schiffsschrauben bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, so dass nicht<br />

einmal mehr feststellbar war, ob es sich um eine männliche o<strong>de</strong>r weibliche Leiche han<strong>de</strong>lte.<br />

Teilweise war nicht zu klären, ob sie West-o<strong>de</strong>r Ost-Berliner waren, ob die Fun<strong>de</strong> sogar zwei<br />

Personen betrafen, Verwechslungen und Vermischungen waren dadurch möglich. So listet die<br />

„Arbeitsgemeinschaft 13.August“ <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s unbekannten 18-jährigen DDR-Bürgers, <strong>de</strong>r am<br />

16. April 1989 im Teltowkanal ertrunken sein soll. Der etwa 40 jährige Tote, <strong>de</strong>r am 17.April<br />

1989 aus <strong>de</strong>m Teltowkanal geborgen wur<strong>de</strong>, stammt aus Erkenntnissen <strong>de</strong>s MfS aus West-<br />

Berlin. Vermutlich liegt hier eine Verwechslung mit einem Fluchtversuch zweier Jugendlicher<br />

vor, <strong>de</strong>r am selben Tag in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Reichstags durch die Spree erfolgte. Während es Andreas<br />

K. gelang, unbescha<strong>de</strong>t West-Berlin zu erreichen, scheiterte <strong>de</strong>r Fluchtversuch von Heiko F.Er<br />

en<strong>de</strong>te jedoch nicht tödlich. Dennoch kann für die an<strong>de</strong>ren To<strong>de</strong>sfälle am Teltowkanal nicht<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, dass er in Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Grenzgerime steht.


-5-<br />

Für <strong>de</strong>n 19.Juni 1964 wur<strong>de</strong> die Ent<strong>de</strong>ckung einer weiblichen Wasserleiche am Außenring von<br />

Berlin in unmittelbarer Nähe <strong>de</strong>r Grenzanlagen <strong>de</strong>s Griebnitzsee von <strong>de</strong>n Grenztruppen<br />

gemel<strong>de</strong>t. Die Bergung erfolgte durch das Volkspolizeikreisamt Potsdam. Auch hier war nicht<br />

erkennbar, ob es sich um einen Fluchtversuch han<strong>de</strong>lte. Ebenso soll am 31.März 1968 im Britzer<br />

Zweigkanal eine weibliche Person gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n sein.Die Meldungen über Wasserleichen in<br />

West-Berlin für diesen Zeitraum betrafen jedoch die Selbsttötung einer Frau aus <strong>de</strong>m Wedding<br />

im Plötzensee und die eines Schönebergers im Landwehrkanal. Auch hier scheint keine<br />

Beziehung zwischen <strong>de</strong>n Fällen zu bestehen.<br />

Gelegentlich sind ursprünglich möglicherweise Akten bereits vernichtet or<strong>de</strong>n bzw. nicht mehr<br />

auffind-bar, wie im Fall <strong>de</strong>r männlichen Leiche, die die West-Berliner Feuerwehr am 16.Sept.<br />

1963 aus <strong>de</strong>m Landwehrkanal am Schlesischen Busch barg. Nach Auskunft <strong>de</strong>r Berufsfeuerwache<br />

von 1995 an die ermitteln<strong>de</strong> Staatsanwaltschaft wur<strong>de</strong>n Ersatzunterlagen lediglich fünf<br />

Jahre aufbewahrt. Auch in <strong>de</strong>r Presse fan<strong>de</strong>n sich keine Anhaltspunkte, so musste auch dieser<br />

Fall offenbleiben, ob es sich um ein Mauertoten gehan<strong>de</strong>lt hat o<strong>de</strong>r ob dies auszuschließen ist.In<br />

ähnlicher Weise wur<strong>de</strong> in allen unklaren Fällen nach weiteren Quellen gesucht, um eine<br />

Entscheidung treffen zu können. Für Otto M; Barabara B; Klaus Sch.; Wilfried M; Thomas B;<br />

Christian G; Carsten DG; und die neuen aus <strong>de</strong>n Grenzgewässern geborgenen unbekannten<br />

Toten war dies nicht möglich“. Zitaten<strong>de</strong><br />

Quelle/Autoren:Titel: „Die To<strong>de</strong>s<strong>opfer</strong> an <strong>de</strong>r Berliner Mauer“ 1961–<br />

1989 Ein biographisches Handbuch <strong>de</strong>r ZpB, November 2009 von<br />

Hans-Herrmann Hertle und Maria Nooke Buch 524 Seiten vgl.LINK<br />

http://www.zzfpdm.<strong>de</strong>/Portals/_Rainbow/documents/2011_07_20_Hertle_Nooke_Berliner_Mauer_To<strong>de</strong>s<strong>opfer</strong>_<br />

TEXT.<strong>pdf</strong><br />

o<strong>de</strong>r www.chronik-<strong>de</strong>r-mauer.<strong>de</strong><br />

ZpB –Zentrale für politische Bildung www.lpd.sachsen-anhalt.<strong>de</strong><br />

Zusammengestellt zum Ge<strong>de</strong>nken an die Opfer <strong>de</strong>s DDR-Unrechtsregime von sed-<strong>opfer</strong>-<strong>hilfe</strong>.<strong>de</strong>;<br />

Auszüge aus Buch 482/3, 483-486, 486-488, 488/9, 494/5 und zur politischen Unterrichtung an<br />

künftige Generationen

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