Felicitas Becker / Jigal Beez (Hg.): Der Maji-Maji-Krieg ... - Sehepunkte
Felicitas Becker / Jigal Beez (Hg.): Der Maji-Maji-Krieg ... - Sehepunkte
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<strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> / <strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong> (<strong>Hg</strong>.): <strong>Der</strong> <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong> in Deutsch-<br />
Ostafrika 1905-1907, Berlin: Christoph Links Verlag 2005, 235 S.,<br />
ISBN 978-3-86153-358-0, EUR 22,90<br />
Rezensiert von:<br />
Dirk Sasse<br />
Münster<br />
Nur kurz nach dem von Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller<br />
herausgegebenen Buch über den Hererokrieg in Namibia [1] legte der<br />
ambitionierte Christoph Links Verlag mit einem reich bebilderten<br />
Sammelband über den <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong> in Deutsch-Ostafrika (heute<br />
Tansania) nach. Das aus der Afrikanistin <strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> und dem<br />
Ethnologen <strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong> bestehende Herausgeberteam beschränkt sich<br />
allerdings nicht nur auf die militärgeschichtliche Komponente des <strong>Maji</strong>-<br />
<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong>es, sondern versammelt in seinem Band ein internationales<br />
Autorenensemble, das den Konflikt in 17 Aufsätzen aus<br />
fachübergreifenden Gesichtspunkten beleuchtet. Dies spiegelt auch der<br />
Aufbau des Buches in die vier Hauptabschnitte "<strong>Der</strong> Weg in den <strong>Krieg</strong>",<br />
"<strong>Der</strong> <strong>Krieg</strong>", "Darstellungen des <strong>Krieg</strong>es" und "Die Folgen des <strong>Krieg</strong>es"<br />
wider.<br />
Zwar ist der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong> international recht gut erforscht, hierzulande<br />
ist "dieses wenig rühmliche Kapitel deutscher Geschichte" (12) aber<br />
trotzdem kaum bekannt. Dass aber auch Fachleute zu relativierenden<br />
Interpretationsweisen neigen können, bewies zuletzt ein im November<br />
2005 veranstaltetes Symposium zum "<strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Aufstand im ehemaligen<br />
Deutsch-Ostafrika vor 100 Jahren". [2] Schon der Begriff "Aufstand"<br />
jedoch, so <strong>Becker</strong> und <strong>Beez</strong>, entstamme "einer kolonialen Terminologie,<br />
die von Überlegenheitsgefühlen und Herablassung gegenüber Afrikanern<br />
durchsetzt war" (12). In jüngeren Forschungen wird wegen der mit dem<br />
Wort "Aufstand" verbundenen Konnotationen der Begriff "<strong>Krieg</strong>"<br />
bevorzugt.<br />
<strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong> verweist in seinem einleitenden Aufsatz darauf, dass die<br />
Grundlagen für den Erfolg des afrikanischen Widerstands im 19.<br />
Jahrhundert gelegt wurden. Die durch das Vordringen der Ngoni und aus<br />
Angst vor Sklavenhändlern militarisierten Bevölkerungsgruppen im Süden<br />
Tansanias hatten durch neue Handels-Netzwerke Zugang zu aus Sansibar<br />
stammenden Feuerwaffen gefunden.<br />
Zwischen 1891 und 1897 kam es allein zu 67 größeren militärischen<br />
Operationen der "Kaiserlichen Schutztruppe Deutsch-Ostafrika" im Inland.<br />
Reinhard Klein-Arendt erklärt, wie die Mentalitätswelten der deutschen<br />
Kolonialisten wesentlich mit zum Ausbruch des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong>es<br />
beitrugen. Willkür, Herablassung gegenüber den Afrikanern,
Landenteignung, Prügelstrafen, Zwangsarbeit und immer neue Formen<br />
der Besteuerung schürten Hass gegenüber der Kolonialmacht.<br />
Dennoch bedurfte es der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Botschaft des Heilers Kinjikitile,<br />
derzufolge die Deutschen mit einem Wasser (<strong>Maji</strong>) als <strong>Krieg</strong>smedizin zu<br />
besiegen seien, um etwa 20 verschiedene und oft untereinander<br />
zerstrittene Bevölkerungsgruppen zu einer bisher beispiellosen<br />
antikolonialen Erhebung zu vereinen. Wiederum <strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong> verdeutlicht,<br />
dass die sich rasch und weitläufig vernetzende religiöse Bewegung ebenso<br />
"zu einer moralischen Erneuerung der Gesellschaften Ostafrikas" (66)<br />
führen sollte.<br />
Nach der Verhaftung Kinjikitiles am 16.7.1905 begannen seine<br />
Gefolgsleute vier Tage später, die schon lange gehegten <strong>Krieg</strong>spläne<br />
umzusetzen. Offene Feldschlachten mit katastrophalem Ausgang<br />
veranlassten die <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Anhänger, nach und nach zu einer<br />
Guerillataktik zu wechseln. Die Folge war, wie <strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> in ihrer<br />
Analyse des <strong>Krieg</strong>sverlaufs feststellt, dass die "Schutztruppe" zu einer<br />
Strategie der verbrannten Erde überging, die für die Bevölkerung<br />
verheerende Folgen hatte. Die Schätzungen für die Anzahl der Todesopfer<br />
gehen weit auseinander. Ludger Wimmelbücker geht in seinem Artikel<br />
von 180.000 Afrikanern aus, die im Zuge dieses Kolonialkrieges und der<br />
durch ihn ausgelösten Hungersnot ums Leben kamen.<br />
Die Deutsche Kolonialzeitung bezifferte die Verluste der Europäer auf 23<br />
Personen, worunter sich allerdings auch zwei ertrunkene Soldaten und<br />
sechs an Krankheiten verstorbene Marineangehörige befanden. Dies<br />
erklärt vielleicht, dass <strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> und Hans-Joachim Niesel die Zahl<br />
der europäischen Opfer auf 15 reduzieren. Sieben dieser Opfer waren<br />
Missionare, die zum Teil äußerst brutal ermordet worden waren. Niesel<br />
erklärt dies damit, dass Missionen und Kolonialverwaltung zu eng<br />
miteinander verwoben waren ("Für Kreuz und Krone"). <strong>Becker</strong> schätzt die<br />
Zahl der afrikanischen Toten in der deutschen Kolonialtruppe auf 1000.<br />
Ingrid Laurien zitiert in ihrem Beitrag afrikanische Zeitzeugen, die die<br />
Gewalt der Kolonialherren, aber auch die brutalen<br />
Rekrutierungsmethoden der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Bewegung sehr anschaulich<br />
aufzeigen. Es existieren nur wenige schriftliche afrikanische Zeugnisse<br />
aus dieser Zeit. Wie der Bürgermeister von Songea Mzee bin Ramazani<br />
sich mithilfe einer prokolonialen Proklamation seine hervorgehobene<br />
Stellung zu sichern versuchte, dokumentiert Ludger Wimmelbücker in<br />
seinem zweiten Beitrag. Eine ambivalente Haltung gegenüber den<br />
Kämpfern - sowohl Verständnis als auch Ablehnung - kommt im<br />
zeitgenössischen <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Gedicht des Swahili-Dichters Abdul Karim<br />
Jamaliddini zum Ausdruck. Damit wollte der Dichter womöglich<br />
versuchen, sowohl den misstrauischen Kolonialherren als auch den<br />
unzufriedenen Kolonisierten gerecht zu werden, vermutet José Arturo<br />
Saavedra Casco.<br />
Einen der spannendsten und am besten geschriebenen Artikel liefert P.
Werner Lange über Hans Paasche, dessen Erlebnisse als junger Offizier im<br />
<strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong> wesentlich zu seiner späteren pazifistischen<br />
Grundeinstellung beitrugen. Letztlich verzweifelte er aber an der<br />
<strong>Krieg</strong>strunkenheit und der durch die Zerstreuungsindustrie bedingten<br />
Gleichgültigkeit seiner Landsleute.<br />
Im Vorfeld der Unabhängigkeit Tansanias im Jahre 1961 versuchte Julius<br />
Nyerere, den <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong> in den nation-building-Prozess einzubinden.<br />
Dennoch ist der <strong>Krieg</strong> schon damals nicht zum Nationalmythos geworden,<br />
denn die Niederlage der beteiligten Völker war zu verheerend und die<br />
Erinnerung noch zu frisch, wie <strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> und der tansanische<br />
Lehrer Alfred Fuko übereinstimmend feststellen.<br />
Die direkten und indirekten Folgen des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong>es sind neben<br />
anderen Ursachen bis heute im Südosten Tansanias spürbar. <strong>Becker</strong>s<br />
Analyse zufolge gibt es drei Grundprobleme: eine geringe<br />
Bevölkerungsdichte mit schlechter gesundheitlicher Versorgung, eine<br />
unzureichende infrastrukturelle Erschließung und ein mangelhaftes<br />
Bildungssystem. Ähnlich wie im Falle des Herero-<strong>Krieg</strong>es stellt sich auch<br />
hier die Schuldfrage für Deutschland. Isack Majura, in Tansania geboren,<br />
beantwortet sie mit nein und plädiert für Vergebung, ohne die<br />
Kolonialverbrechen zu vergessen.<br />
<strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong>s und <strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong>' Sammelband ist für Laien wie für<br />
Fachleute gleichermaßen interessant und hat aufgrund der solide<br />
recherchierten und mehrere Wissenschaftsdisziplinen übergreifenden<br />
Artikel das Potenzial zum Standardwerk. Und eines zeigt das Buch sehr<br />
deutlich: Es handelte sich um einen <strong>Krieg</strong> und nicht um einen Aufstand.<br />
Anmerkungen:<br />
[1] Jürgen Zimmerer / Joachim Zeller (<strong>Hg</strong>.): Völkermord in Deutsch-<br />
Südwestafrika. <strong>Der</strong> Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine<br />
Folgen, Berlin 2003; s. hierzu die Rezension von Inga-Dorothee Rost, in:<br />
sehepunkte 5 (2005), Nr. 6, URL: http://www.sehepunkte.<br />
de/2005/06/4195.html<br />
[2] Mit Zauberwasser gegen Gewehrkugeln. <strong>Der</strong> <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-Aufstand im<br />
ehemaligen Deutsch-Ostafrika vor 100 Jahren. Symposium des Berliner<br />
Missionswerkes, der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte und des<br />
Deutschen Historischen Museums am 11./12. November 2005, Deutsches<br />
Historisches Museum, Berlin, hg. v. Hans-Martin Hinz / Hans-Joachim<br />
Niesel / Almut Nothnagle (Beiheft der Zeitschrift für Mission, 7), Frankfurt<br />
am Main 2006.<br />
Redaktionelle Betreuung: Nikolaus Buschmann<br />
Empfohlene Zitierweise:
Dirk Sasse: Rezension von: <strong>Felicitas</strong> <strong>Becker</strong> / <strong>Jigal</strong> <strong>Beez</strong> (<strong>Hg</strong>.): <strong>Der</strong> <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong>-<strong>Krieg</strong><br />
in Deutsch-Ostafrika 1905-1907, Berlin: Christoph Links Verlag 2005, in:<br />
sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: <br />
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