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INFO<br />

2/2005<br />

34. Jahrgang<br />

INFORMATIONEN<br />

FÜR RELIGIONS-<br />

LEHRERINNEN UND<br />

RELIGIONSLEHRER<br />

BISTUM LIMBURG<br />

Freu<strong>de</strong> am Lernen<br />

51. Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r KED<br />

15.-17. April 2005<br />

In Kooperation mit:<br />

Heft 42 <strong>de</strong>r KED-Schriftenreihe


EDITORIAL<br />

Freu<strong>de</strong> am Lernen zu lernen und das im „System“ Schule, die vermutlich<br />

nicht je<strong>de</strong>r Schüler und je<strong>de</strong> Schülerin immer freudig besuchen – wie geht das<br />

zusammen? Mit pädagogisch gut gemeinten Appellen nach <strong>de</strong>m Motto:<br />

„Kin<strong>de</strong>r, nun freut euch mal!“, ist es sicher nicht getan.<br />

Wer die Freu<strong>de</strong> am Lernen entfesseln will, muss selbst fesseln können. Freu<strong>de</strong><br />

am Lernen und Freu<strong>de</strong> am Lehren bedingen einan<strong>de</strong>r. Das scheint unmittelbar<br />

einzuleuchten. Nur ein inspirierter Lehrer kann seine Schülerinnen und Schüler<br />

inspirieren, mit Freu<strong>de</strong> zu lernen. Aber reicht ein begeisterter Lehrer hierfür<br />

schon? Ist <strong>de</strong>r Schlüssel zur Freu<strong>de</strong> am Lernen wirklich in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s<br />

Lehrers zu suchen? Ja und Nein. Ein Lehrer wäre ein schlechter Lehrer, wenn<br />

er Schülerinnen und Schüler so an seine Person fesselte, dass man unweigerlich<br />

an Gefolgschaft <strong>de</strong>nken müsste. Ein Lehrer ist ein guter Lehrer – und erst<br />

recht eine Lehrerin –, wenn ihnen anzumerken ist, dass sie von <strong>de</strong>r Sache, die sie<br />

vermitteln, selbst begeistert sind, <strong>als</strong>o mit Herz und Verstand ganz bei ihrer Sache<br />

sind, die sie zur Sache <strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler machen möchten. Und<br />

ist die „Sache“ <strong>de</strong>s Religionslehrers und <strong>de</strong>r Religionslehrerin nicht selbst schon<br />

tremendum und fascinosum? Es geht <strong>als</strong>o beim Lehren und beim Lernen um<br />

eine solche aufgela<strong>de</strong>ne Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Sache, an<strong>de</strong>rnfalls wird das Unterrichten<br />

für alle Beteiligten zur reinsten Qual und sicher nicht zur Quelle <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>.<br />

„Hörclub“ in <strong>de</strong>r Grundschule © epd-bild<br />

Die „Sache“ <strong>de</strong>s Religionslehrers ist sein Glaube und <strong>de</strong>r Glaube <strong>de</strong>r Kirche,<br />

<strong>de</strong>r nicht nur für <strong>de</strong>n Religionsunterricht eine bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft zu sein beansprucht.<br />

Glaube und Bildung. Ein ungleiches Paar? Bei Rainer Hank, Wirtschaftsredakteur<br />

<strong>de</strong>r Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, habe ich kürzlich<br />

einen unzeitgemäß-zeitgemäßen Gedanken gefun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n ich Ihnen nicht<br />

vorenthalten möchte. Er schreibt im „Merkur“: „An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> die Aufklärer aller<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rte meinten, gibt es eine positive<br />

Korrelation zwischen Glaube und Bildung.<br />

Intellektuelle Erziehung führt nicht zur<br />

Abkehr vom ‘Kin<strong>de</strong>rglauben’, son<strong>de</strong>rn löst im<br />

Gegenteil eine Hinwendung zur Religion aus.<br />

Dafür gibt es eine raffinierte Erklärung: An<strong>de</strong>rs<br />

<strong>als</strong> die Religionskritiker meinten, ist Religion<br />

alles an<strong>de</strong>re <strong>als</strong> naiv. Sie ist mit Theologie<br />

bela<strong>de</strong>n, wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>m Common sense<br />

und aller politischen und moralischen<br />

Korrektheit. Um sie zu verstehen, bedarf es<br />

erheblicher intellektueller Anstrengung. Wer<br />

glaubt, gibt <strong>de</strong>n Verstand am Eingang <strong>de</strong>r<br />

Kirche nicht ab, son<strong>de</strong>rn gebraucht ihn gera<strong>de</strong><br />

da, wo <strong>de</strong>r Glaube konventioneller Weisheit<br />

und Vernunft wi<strong>de</strong>rspricht. Kein Wun<strong>de</strong>r,<br />

dass Bildung Religiosität beför<strong>de</strong>rt und nicht<br />

behin<strong>de</strong>rt.“ Und kein Wun<strong>de</strong>r, so ließe sich ergänzen, dass ein solcher Glaube<br />

zur Quelle <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> im Religionsunterricht <strong>de</strong>r Schule wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Mit <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>m Limburger Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r Katholischen Elternschaft<br />

Deutschlands hervorgegangenen Themenheft „Freu<strong>de</strong> am Lernen“ möchte<br />

das Dezernat Schule und Hochschule zusammen mit <strong>de</strong>r KED einige Funken<br />

schlagen, um freu<strong>de</strong>rfülltes Lernen in unseren Schulen zu entzün<strong>de</strong>n.<br />

Martin W. Ramb<br />

– Schriftleiter –


Impressum<br />

BEITRÄGE<br />

Ein Introitus ins Freie / Eckhard Nordhofen 76<br />

Beiträge <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skongresses <strong>de</strong>r KED:<br />

Die Freu<strong>de</strong> am Lernen lernen – Gedanken aus <strong>de</strong>n Grußworten 78<br />

Lernen / Walter Eykmann 80<br />

Was freut die Eltern und <strong>de</strong>n lieben Gott? – Über die Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Schule und beim Lernen / Eckhard Nordhofen 82<br />

Wie man richtig in <strong>de</strong>r Schule lernt / Volker La<strong>de</strong>nthin 90<br />

Freu<strong>de</strong> am Lernen o<strong>de</strong>r Spaß in <strong>de</strong>r Schule? – Anmerkungen zu<br />

einer pädagogischen Verirrung / Konrad Adam 99<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

Rezensionen 104<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

Zur Person 112<br />

Konfessioneller Religionsunterricht – Warum Religion konfessionell<br />

unterrichten? / Andreas Verhülsdonk 113<br />

Werteunterricht von Staats wegen? / Bischof Franz Kamphaus 118<br />

Vorsicht bei Kopien und Vi<strong>de</strong>os 119<br />

„Allen Völkern Sein Heil. Missionarisch leben heute“ –<br />

Unterrichtsmaterialien zum Bischofswort erschienen 120<br />

Stiftung DEY 121<br />

INFO Einzelheftbestellung 122<br />

Veranstaltungen 123<br />

SONSTIGES<br />

Unsere Autorinnen und Autoren / Rezensentinnen und Rezensenten 125<br />

Dezernat Schule und Hochschule, Bistum Limburg 126<br />

Ämter für Katholische Religionspädagogik in <strong>de</strong>n Bezirken 127<br />

Verlag:<br />

Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats<br />

Limburg<br />

Roßmarkt 12, 65549 Limburg<br />

Herausgeber:<br />

Dezernat Schule und Hochschule im<br />

Bischöflichen Ordinariat Limburg<br />

Roßmarkt 12, 65549 Limburg<br />

Fon 06431/295-235<br />

Fax 06431/295-237<br />

www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Schriftleitung:<br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />

m.ramb@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Redaktion:<br />

Franz-Josef Arthen, Christa Kuch,<br />

Bernhard Merten, Martin E. Musch-<br />

Himmerich, Martin W. Ramb, Franz-<br />

Günther Weyrich<br />

Offizielle Äußerungen <strong>de</strong>s Dezernates Schule<br />

und Hochschule wer<strong>de</strong>n <strong>als</strong> solche gekennzeichnet.<br />

Alle übrigen Beiträge drücken die<br />

persönliche Meinung <strong>de</strong>r Verfasser/-innen aus.<br />

Nachdruck, elektronische o<strong>de</strong>r photomechanische<br />

Vervielfältigung nur mit beson<strong>de</strong>rer<br />

Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion.<br />

Bei Abbildungen und Texten, <strong>de</strong>ren Urheber<br />

wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um<br />

Nachricht zwecks Gebührenerstattung.<br />

Buchbesprechungen:<br />

Rezensionsexemplare bitte direkt an<br />

die Redaktion sen<strong>de</strong>n. Besprechung<br />

und Rücksendung nicht verlangter<br />

Bücher kann nicht zugesagt wer<strong>de</strong>n.<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Bernhard Merten, Altheimstraße 18<br />

60431 Frankfurt am Main<br />

Fon 069/515057<br />

Layout:<br />

Ute Stotz, Kommunikations-Design,<br />

Westerwaldstr. 14, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />

Fon 0 26 20 / 95 35 39<br />

Druck:<br />

JVA Diez, Limburger Straße 122<br />

65582 Diez<br />

Fon 06432 /609 -3 40, Fax -3 43<br />

INFO erscheint vierteljährlich und kostet<br />

8.00 EUR im Jahr (zzgl. Versandkosten),<br />

Einzelheft: 2.00 EUR (zzgl. Versandkosten).<br />

Religionslehrer/-innen, Pastorale Mitarbeiter/-innen<br />

und Geistliche, die im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Diözese Limburg arbeiten, erhalten<br />

INFO kostenlos zugesandt.<br />

Beilagenhinweis:<br />

Der Gesamtauflage sind ein Prospekt<br />

<strong>de</strong>s Katholischen Bibelwerkes, ein<br />

Flyer <strong>de</strong>s DKV und eine Info <strong>de</strong>r Debeka<br />

beigefügt.<br />

Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />

Titelbild:<br />

© „Hörclub“, epd-bild<br />

© Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats,<br />

Limburg/Lahn 2005<br />

ISBN 3-921221-33-1<br />

ISSN 0937-8162 (print)<br />

ISSN 1617-9234 (online)<br />

INHALT


Benedikt XVI.<br />

Ein Introitus ins Freie<br />

Rinks und lechts kann man nicht velwechsern.<br />

Werch ein Illtum!<br />

Ernst Jandl<br />

E<br />

rnst Jandl ist ein Prophet gewesen, und die Zeiten <strong>de</strong>s<br />

Rechts-, Links-Denkens in <strong>de</strong>r Kirche sind offenbar vorbei.<br />

Was in Rom in diesen Tagen geschah – dazu gehört auch die<br />

Art und Weise, wie die Medien damit umgegangen sind – ist<br />

noch lange nicht verstan<strong>de</strong>n.<br />

Dazu wird<br />

es noch einige Zeit<br />

brauchen. Erstaunlich<br />

ist aber schon,<br />

dass die ein<strong>de</strong>utige<br />

Zuordnung <strong>de</strong>s Kardin<strong>als</strong><br />

Ratzinger, bei<br />

<strong>de</strong>m kaum jemand<br />

vergessen hat zu erwähnen,<br />

dass seine<br />

Behör<strong>de</strong>, die Glaubenskongregation,<br />

früher auf <strong>de</strong>n Namen<br />

Inquisition hörte,<br />

ins Wanken geraten<br />

ist. Er konnte<br />

sich von <strong>de</strong>m Stempel<br />

freimachen, ein<br />

rückwärtsgewandter<br />

Bremser zu sein. Zu interessant sind die Stichworte, die er für<br />

die Zukunft <strong>de</strong>r Kirche genannt hat: Die Kirche ist jung, sie<br />

ist lebendig, und sie ist erkennbar.<br />

Als hätte er das Kernproblem <strong>de</strong>s Streits um <strong>de</strong>n Berliner<br />

Werteunterricht auf <strong>de</strong>n Punkt bringen wollen: In <strong>de</strong>r letzten<br />

Predigt, die er vor seiner Wahl vor <strong>de</strong>n Kardinälen gehalten<br />

hat, hat er von <strong>de</strong>r „Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus“ gesprochen.<br />

Wenn es um die letzten Dinge geht, die Frage nach Gott, Freiheit<br />

und Unsterblichkeit (Kant), dann gibt es keinen Standpunkt<br />

oberhalb <strong>de</strong>r Standpunkte. Ein Werteunterricht von<br />

Staats wegen wäre ein Einfallstor für postreligiöse I<strong>de</strong>ologen.<br />

Die Berliner Frage ist offen, offen ist aber auch die Zukunft<br />

<strong>de</strong>r ganzen Kirche. Derselbe Papst Benedikt XVI., <strong>de</strong>r<br />

Profil zeigen will, hat aber auch zu Erkennen gegeben, wie<br />

viel ihm am Dialog und an <strong>de</strong>r Ökumene liegt. Die interessanten<br />

Köpfe <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Protestantismus haben <strong>de</strong>nn<br />

auch <strong>de</strong>n neuen Papst, <strong>de</strong>r sie <strong>als</strong> Präfekt <strong>de</strong>r Glaubenskongregation<br />

noch durch „Dominus Jesus“ geärgert hatte, in sehr<br />

beachtenswerten und klugen Stellungnahmen begrüßt. Eberhardt<br />

Jüngel, ein Theologe von Format, möchte mit <strong>de</strong>m führen<strong>de</strong>n<br />

Kopf <strong>de</strong>r Katholischen Theologie, <strong>de</strong>m Mitglied <strong>de</strong>r<br />

Aka<strong>de</strong>mie Française auf Augenhöhe bleiben. Guten Stil hat<br />

auch Bischof Wolfgang Huber, <strong>de</strong>r Ratsvorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

EKD, bewiesen. Natürlich gibt es Konfliktpunkte, aber die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Stichworte, die ihm von Journalisten angeboten<br />

wur<strong>de</strong>n, hat er souverän ignoriert in <strong>de</strong>r sicheren Einschätzung<br />

<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utsamkeit, welche die römischen Ereignisse<br />

für die gesamte Christenheit hatten. Viele evangelische<br />

Christen, auch im<br />

näheren Bekanntenkreis,<br />

nehmen mit<br />

Respekt und Nostalgie<br />

die römische Stilsicherheit<br />

wahr, die<br />

mehr ist <strong>als</strong> nur eine<br />

Frage <strong>de</strong>r Ästhetik.<br />

Zwar stimmt alles,<br />

was man über <strong>de</strong>n<br />

professionell inszenierten<br />

Bil<strong>de</strong>rzauber<br />

lesen konnte:<br />

Der Mix aus jungen<br />

Gesichtern und kleinen<br />

Szenen vom Petersplatz,<br />

die Bil<strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>r Via <strong>de</strong>lla<br />

Conciliazione und<br />

© dpa / picture-alliance<br />

die panoramatischen<br />

Kameraschwenks, welche die Umarmung <strong>de</strong>r Massen durch<br />

die Arka<strong>de</strong>n Berninis zeigten, darüber <strong>de</strong>r römische Himmel,<br />

die Peterskuppel – und alles fokussiert auf die liturgische<br />

Form. Gerhard Stadlmaier, eine <strong>de</strong>r besten Fe<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r F.A.Z.,<br />

Theaterkritiker und Fachmann für Inszenierungen, hat die<br />

klügste Analyse geboten: Papst Johannes Paul II., <strong>de</strong>n man<br />

<strong>als</strong> Medienstar gefeiert hat, war das Gegenteil eines Inszenators.<br />

Zwar wird er intelligent genug gewesen sein, um zu wissen,<br />

dass alle Kameras auf ihn gerichtet waren, das Geheimnis<br />

seiner Faszination bestand aber nach Stadlmaier darin,<br />

dass alle wussten: Er zieht keine Show ab. Das Dargestellte<br />

und das Darzustellen<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>n eine Einheit. Die Koinzi<strong>de</strong>nz<br />

von Schein und Sein war es, was die Glaubwürdigkeit Johannes<br />

Pauls II. ausmachte.<br />

Bei Kardinal Ratzinger war es die Form <strong>de</strong>r Liturgie, von<br />

<strong>de</strong>r er sich schon beim Requiem für seinen Vorgänger tragen<br />

ließ. Benedikt XVI. lieferte in <strong>de</strong>r Art, wie er die großen Gottesdienste<br />

zelebrierte, ein Lehrstück dafür, wie gera<strong>de</strong> durch<br />

die Füllung <strong>de</strong>r vorgegebenen Form höchste Authentizität<br />

und Präsenz möglich wird. Benedikt XVI. zeigt, wie das benediktinische<br />

Prinzip <strong>de</strong>r erfüllten Form Individualität und<br />

Allgemeingültigkeit verbin<strong>de</strong>n kann. Sein Auftritt begann<br />

mit <strong>de</strong>m Abstieg in die Gruft <strong>de</strong>s Petrus. Die Freilegung <strong>de</strong>r<br />

Wurzeln aus <strong>de</strong>r Väterzeit, symbolisiert durch das Pallium in


einer Gestalt, die <strong>de</strong>n römischen Bischof mit <strong>de</strong>n Mitbrü<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r Orthodoxie verbin<strong>de</strong>t, war ein bemerkenswertes Indiz.<br />

Dann ein Introitus ins Freie: Was für eine Passage! Da öffnet<br />

sich die Tür, und wir sind in <strong>de</strong>r Medienpräsenz Zeuge <strong>de</strong>r<br />

ersten Begegnung mit<br />

<strong>de</strong>m Volk Gottes auf<br />

<strong>de</strong>m Petersplatz. Leicht<br />

überblen<strong>de</strong>t und übersteuert<br />

vom Glanz <strong>de</strong>r<br />

Sonne, vibriert <strong>de</strong>r neue<br />

Papst vor Ergriffenheit,<br />

ohne jedoch die Contenance<br />

zu verlieren. Das<br />

Amt trägt ihn voran und gibt ihm, <strong>de</strong>m Schüchternen, Sicherheit<br />

und Mut. Das beflügelt ihn zu ungewohnten Gesten.<br />

Kardinal Ratzinger hatte ich nie mit hochgereckten Armen<br />

gesehen. Die Menschen weinen, sie weinen über einen<br />

scharfsinnigen Rationalisten, einen, <strong>de</strong>r die genauen Begriffe<br />

liebt, <strong>de</strong>ssen flinke Äuglein hin und her schweifen, sich<br />

dann aber konzentrieren. In <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Höhepunkten<br />

<strong>de</strong>r Eucharistiefeier wird alles langsam und gemessen.<br />

Wenn Jochen Hörisch und an<strong>de</strong>re Medientheoretiker<br />

von <strong>de</strong>r Realpräsenz und von <strong>de</strong>r raum- und zeitaufheben<strong>de</strong>n<br />

Qualität <strong>de</strong>r Fernsehübertragung, von virtueller Realität,<br />

<strong>de</strong>ren Virtualität langsam verschwin<strong>de</strong>t und zur primären<br />

Realität wird, schwafelten, habe ich dies immer für verstiegene<br />

Überzeichnungen gehalten. Aber es ist schon etwas<br />

dran, dass es Momente gibt, in <strong>de</strong>nen wir vergessen können,<br />

dass wir die Endverbraucher einer gekonnten Zubereitung<br />

von Bil<strong>de</strong>rn sind. Stadlmaiers Einsicht aber überzeugt mich:<br />

Eine Inszenierung ist erst dann perfekt, wenn wir davon<br />

überzeugt sind, dass das, was wir sehen, nicht inszeniert,<br />

son<strong>de</strong>rn echt ist.<br />

Was war das für eine<br />

Geste? Da wird ein<br />

alter Mann im geistlichen<br />

Gewand im Rollstuhl<br />

auf <strong>de</strong>n Kardinal<br />

zugefahren, <strong>de</strong>r reicht<br />

ihm die Kommunion.<br />

Im Wegdrehen streicht<br />

<strong>de</strong>r alte Mann <strong>de</strong>m<br />

Kardinal liebkosend<br />

über <strong>de</strong>n Arm, <strong>als</strong> wolle<br />

er sich bedanken.<br />

wirklich auferstan<strong>de</strong>n ist.<br />

Roger Schutz, aus Taizé – ist er katholisch gewor<strong>de</strong>n? Später<br />

wird Benedikt XVI. programmatische Bemerkungen machen,<br />

mit <strong>de</strong>nen er große Erwartungen für die Ökumene<br />

weckt.<br />

Fast genauso bemerkenswert wie die Ereignisse ist das<br />

Echo in <strong>de</strong>n Medien. Catholic is beautiful! Wer ist nicht<br />

plötzlich alles katholisch? Wer unterschreibt nicht alles <strong>de</strong>n<br />

Aufruf zugunsten eines halbwegs kirchlichen Religionsunterrichts<br />

in Berlin?<br />

Ein krasses, blasses Kontrastprogramm bietet die innerkirchliche<br />

Szene. Hier ist nichts passiert. In <strong>de</strong>n Gremiensitzungen<br />

wird die Tagesordnung abgearbeitet, die römische<br />

Massenbegeisterung wirkt hier nicht ansteckend, sie wird im<br />

freundlichen Fall mit<br />

Popkonzerten, im unfreundlichen<br />

mit NS-<br />

Parteitagen verglichen.<br />

Wenn <strong>de</strong>nn schon vom<br />

neuen Papst die Re<strong>de</strong><br />

Benedikt XVI. sein muss, dann verbin<strong>de</strong>t<br />

man die Hoffnung<br />

mit ihm, dass er an seine<br />

Jugendzeiten <strong>als</strong> Kirchenreformer anknüpfen möge.<br />

In <strong>de</strong>r Tat, wenn sich ein roter Fa<strong>de</strong>n durch die Schriften<br />

<strong>de</strong>s neuen Papstes zieht, dann läuft diese Spur entlang <strong>de</strong>r<br />

aufklärerischen Traditionen, die sich aus <strong>de</strong>r biblischen Anthropologie<br />

erschließen lassen. Der geistbegabte, vom göttlichen<br />

Atem inspirierte Adam steht <strong>als</strong> Gottesgehilfe neben<br />

<strong>de</strong>m Schöpfer. Der Gottesgeist macht ihn frei und gibt ihm<br />

die Qualitäten, die die neuzeitliche Philosophie mit <strong>de</strong>m Begriff<br />

Subjekt verbin<strong>de</strong>t. Er ist <strong>de</strong>r Aufklärer, <strong>de</strong>r die selbst gemachten<br />

Götter entlarvt und sich selbst von Gott kritisieren<br />

lässt, zwischen Ermächtigung durch Gna<strong>de</strong> und Entmächtigung<br />

durch <strong>de</strong>n eschatologischen Vorbehalt seinen Weg<br />

sucht. Das intensive Studium <strong>de</strong>r Väter, welche die philosophischen<br />

Standards <strong>de</strong>r Spätantike mit <strong>de</strong>n biblischen Geschichten<br />

in eine fruchtbare Berührung bringen, das sind Wi<strong>de</strong>rlager,<br />

die das christliche Denken auch für die Neuzeit in<br />

<strong>de</strong>n Stand setzen, sich zu mo<strong>de</strong>rnisieren. Die ältere biblische<br />

Aufklärung mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s „Siècle <strong>de</strong> lumières“ zu verbin<strong>de</strong>n,<br />

das ist für Benedikt XVI. Programm. Die Stärke Johannes<br />

Pauls II. war die Entbindung<br />

einer charismatischen<br />

Emotionalität.<br />

Auch er war gelernter<br />

Philosoph und doch <strong>de</strong>r<br />

Papst mit Herz. Benedikt<br />

XVI. ist gewiss<br />

ganz an<strong>de</strong>rs und doch in<br />

dieser Hinsicht vergleichbar.<br />

Der zurückhalten<strong>de</strong><br />

Gelehrte mit <strong>de</strong>r hohen<br />

Benedikt XVI.<br />

Stimme hat im Glauben<br />

an die Kraft, die ihm<br />

sein Amt gibt, ganz neue Choreographien vorgezeigt. Viele<br />

in Deutschland sind gespannt auf die nächsten Schritte. Vor<br />

allem auf <strong>de</strong>n Weltjugendtag in Köln, das Fest im Vaterland<br />

<strong>de</strong>r Skepsis, in Deutschland, <strong>de</strong>m Land einer alten Schuld<br />

und <strong>de</strong>r neuen Schul<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Land ohne Kin<strong>de</strong>r, einem<br />

Land, in <strong>de</strong>m es darauf ankommt, ob die Christen sich auf<br />

ihre Seelenkraft besinnen, die sie brauchen, um sich vom<br />

Ist-Zustand abzustoßen, sich aufzurichten und sich auszustrecken.<br />

Eckhard Nordhofen<br />

» Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und<br />

er gibt alles. Wer sich ihm gibt, <strong>de</strong>r erhält alles hun<strong>de</strong>rtfach<br />

zurück. Ja, aprite, spalancate le porte per Cristo –<br />

dann fin<strong>de</strong>t Ihr das wirkliche Leben.<br />

» Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt<br />

die Zukunft <strong>de</strong>r Welt in sich und zeigt daher auch je<strong>de</strong>m<br />

einzelnen <strong>de</strong>n Weg in die Zukunft. Die Kirche<br />

lebt – wir sehen es, und wir spüren die Freu<strong>de</strong>, die<br />

<strong>de</strong>r Auferstan<strong>de</strong>ne <strong>de</strong>n Seinen verheißen hat. Die<br />

Kirche lebt – sie lebt, weil Christus lebt, weil er


Die Freu<strong>de</strong> am Lernen lernen<br />

BEITRÄGE<br />

78<br />

Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard<br />

Gedanken aus <strong>de</strong>n Grußworten von<br />

Staatssekretär Professor Dr. Joachim-<br />

Felix Leonhard, Staatssekretär im Hessischen<br />

Ministerium für Wissenschaft<br />

und Kunst, und Dr. Siegfried Däschler-<br />

Seiler, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung<br />

Evangelischer Eltern und Erzieher.<br />

Joachim-Felix Leonhard<br />

Besser und zugleich optimistischer<br />

<strong>als</strong> ihr Tagungsthema.: „Freu<strong>de</strong> am<br />

Lernen“ – kann man die Zielsetzung eines<br />

Kongresses, <strong>de</strong>r sich mit unserem<br />

<strong>de</strong>utschen Bildungssystem befasst, gar<br />

nicht formulieren. Wäre unser Bildungssystem<br />

auf allen Stufen durch „Freu<strong>de</strong><br />

am Lernen“ charakterisiert, wäre auch<br />

die „Freu<strong>de</strong> am Lehren, am Unterricht,<br />

Freu<strong>de</strong> an Erziehung“ in unserem Bildungswesen<br />

Realität und nicht nur vielfach<br />

eingeklagte For<strong>de</strong>rung.<br />

In <strong>de</strong>n die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />

Bildungssysteme vergleichen<strong>de</strong>n Studien<br />

ist <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Bildungswesen,<br />

um im Bil<strong>de</strong> zu bleiben, ein äußerst<br />

schlechtes Zeugnis ausgestellt wor<strong>de</strong>n.<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

Sicherlich gibt es in unserem Bildungssystem<br />

viele Kin<strong>de</strong>r, viele Schülerinnen<br />

und Schüler, die mit Freu<strong>de</strong> lernen<br />

und die Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen<br />

und Erzieher erleben, die mit<br />

Freu<strong>de</strong> ihrem Beruf nachgehen. Gleichwohl<br />

können wir angesichts <strong>de</strong>r negativen<br />

Befun<strong>de</strong> dieser Studien und an<strong>de</strong>ren<br />

Untersuchungen die Augen davor<br />

nicht verschließen, dass das schlechte<br />

Leistungsprofil unseres Bildungswesens<br />

notwendigerweise einhergeht mit<br />

enttäuschten Schülerinnen und Schülern<br />

und an ihrer Aufgabe und ihrer Berufung<br />

zweifeln<strong>de</strong>n Fachkräften <strong>de</strong>s<br />

Erziehungswesens.<br />

Die Ursachen sind vielfältig. Ich vermisse<br />

an dieser Diskussion in unserem<br />

Land die notwendige Offenheit. So vielschichtige<br />

Analysen wie die international<br />

vergleichen<strong>de</strong>n Studien lassen natürlich<br />

vielfältige Interpretationen zu.<br />

Je<strong>de</strong>r scheint angeblich auf gesicherter<br />

wissenschaftlicher Basis für seine spezifische<br />

Position Argumente fin<strong>de</strong>n zu<br />

können.<br />

Ich will zu diesen Fragen hier gar<br />

keine eigene Antwort versuchen. Ich<br />

will nur auf eine grundlegen<strong>de</strong> Einsicht<br />

verweisen: Der Mensch ist von seiner<br />

Geburt an lern- und bildungsfähig. Vergegenwärtigen<br />

wir uns, was ein junger<br />

Mensch – und ich meine die erste Bildungsphase<br />

bis zum Eintritt in das<br />

Schulwesen – alles lernt, wie rasch er<br />

es tut und welche komplexen Sachverhalte<br />

wie etwa die Muttersprache er<br />

sich in dieser kurz bemessenen Zeit aneignet.<br />

Dies verweist auf ein Entwicklungspotential,<br />

dass durch gute Erziehung<br />

geför<strong>de</strong>rt und durch fehlen<strong>de</strong> und<br />

schlechte Erziehung in höchstem Maße<br />

gefähr<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Ich bin <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Meinung, dass<br />

man über <strong>de</strong>n PISA-Schock in Deutschland<br />

nicht nur schulfachlich re<strong>de</strong>n kann<br />

und darf, son<strong>de</strong>rn dass man wesentlich<br />

früher ansetzen muss. Die Bildungsphase<br />

muss <strong>als</strong>o bis zum Eintritt in die<br />

Schule in <strong>de</strong>r Tat auch <strong>als</strong> eine <strong>de</strong>r wesentlichen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Neugestaltung<br />

und Weiterentwicklung unseres<br />

Bildungswesens angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Kin<strong>de</strong>r sind schon in <strong>de</strong>n frühesten<br />

Jahren neugierig und wissbegierig, sie<br />

sind kreativ, sie wollen sich ihre Welt<br />

erobern, wollen eigene I<strong>de</strong>en entwickeln,<br />

wollen sich mit an<strong>de</strong>ren auseinan<strong>de</strong>rsetzen<br />

und spielerisch messen.<br />

<strong>Diese</strong>s Bild <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ist kein optimistisches,<br />

son<strong>de</strong>rn ein realistisches,<br />

ein anthroprologisch wie psychologisch<br />

begrün<strong>de</strong>tes Bild. So richtet sich<br />

z.B. unser geplanter hessischer Bildungs-<br />

und Erziehungsplan für Kin<strong>de</strong>r<br />

von 0 bis 10 Jahren nicht nur an die Bildungsinstitutionen,<br />

son<strong>de</strong>rn gleichermaßen<br />

an die Familien, an die gesellschaftlichen<br />

Institutionen, an alle, die<br />

am Bildungs- und Erziehungsprozess<br />

beteiligt sind.<br />

Je<strong>de</strong> Gesellschaft muss letzten En<strong>de</strong>s<br />

darüber entschei<strong>de</strong>n, wie viel ihr<br />

<strong>de</strong>r verantwortungsvolle Beruf <strong>de</strong>s Erziehers<br />

und <strong>de</strong>r Erzieherin, <strong>de</strong>s Lehrers<br />

und <strong>de</strong>r Lehrerin wirklich wert ist. Wir<br />

müssen lei<strong>de</strong>r feststellen, dass diese<br />

Berufe gesellschaftlich nicht sehr hoch<br />

angesehen, vielmehr vielfältiger Kritik<br />

INFO 34 · 2/2005


ausgesetzt sind. <strong>Diese</strong> Kritik ist ohne<br />

Zweifel überzogen und ungerecht, aber<br />

es resultiert daraus eine verhängnisvolle<br />

Entwicklung, dass nämlich geringes<br />

gesellschaftliches Ansehen eines Berufes<br />

gera<strong>de</strong> Leistungswillige und Leistungsbereite<br />

von ihm abschreckt. Eines<br />

<strong>de</strong>r Erfolgsgeheimnisse von Finnland,<br />

das bei <strong>de</strong>n PISA-Vergleichen hervorragend<br />

abschnei<strong>de</strong>t, liegt sicherlich auch<br />

darin, dass <strong>de</strong>r Beruf eines Lehrers o<strong>de</strong>r<br />

einer Lehrerin zu <strong>de</strong>n gesellschaftlich<br />

mit am höchsten angesehenen gehört.<br />

Ich wünsche und hoffe, dass von<br />

dieser Tagung wirklich „Freu<strong>de</strong> am<br />

Lernen“, Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Arbeit in unserem<br />

Bildungs- und Erziehungssystem,<br />

ausgeht. Kaum eine Aufgabe ist wichtiger<br />

<strong>als</strong> diese und in kaum einem gesellschaftlichen<br />

System ist es wichtiger,<br />

dass in <strong>de</strong>r Tat Freu<strong>de</strong>, eine positive<br />

Grun<strong>de</strong>instellung, Bildung und Erziehung<br />

bestimmen.<br />

Siegfried Däschler-Seiler:<br />

Wir christlichen Eltern haben die<br />

Erziehung unserer Kin<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />

im Blick. Daher sehen wir das <strong>als</strong> eine<br />

Aufgabe, ja <strong>als</strong> eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

an, in<strong>de</strong>m wir die Sorgen und die Anliegen<br />

von Eltern sehen, die Kin<strong>de</strong>r erziehen<br />

und in <strong>de</strong>r Schule haben. Wir <strong>als</strong><br />

Christen bieten ihnen ein Forum, wo<br />

diese Anliegen Raum fin<strong>de</strong>n und ausgesprochen<br />

wer<strong>de</strong>n können. Hier treffen<br />

sie an<strong>de</strong>re Menschen, die auch inspiriert<br />

sind vom Wort Gottes und es<br />

weitersagen wollen. Sie fin<strong>de</strong>n hier<br />

Anregung, Gemeinschaft und Stärkung.<br />

Und das alles geschieht<br />

hier wie dort, in<br />

<strong>de</strong>r KED und in <strong>de</strong>r<br />

BEE in Gesprächen, im<br />

Gottesdienst und im<br />

Gebet.<br />

Ihr Tagungsthema:<br />

„Freu<strong>de</strong> am Lernen“ ist<br />

ein großes Thema. Ist es<br />

nicht so, dass viele Eltern<br />

lei<strong>de</strong>n, weil ihre<br />

Kin<strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />

lustlos lernen? Weil sie<br />

dauernd unterstützt, geschoben<br />

und angetrieben<br />

wer<strong>de</strong>n müssen? Der<br />

schulische Erfolg hat<br />

eine solch immense Be<strong>de</strong>utung<br />

erlangt, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r schon in <strong>de</strong>r<br />

Grundschule durch einen<br />

starken Konkurrenzkampf<br />

psychisch belastet<br />

sind. Wer mit Grundschullehrerinnen<br />

im Gespräch<br />

ist, weiß, was sich heute in vierten<br />

Klassen abspielt. Freu<strong>de</strong> am Lernen?<br />

Es ist so vertrackt.<br />

Die ehemalige ba<strong>de</strong>n-württembergische<br />

Kultusministerin Schultz-Hector<br />

hat einmal gesagt, Schule solle Spaß<br />

machen. Sie hat damit gemeint, Schule<br />

solle Kin<strong>de</strong>r nicht nur verbiestert zum<br />

Lernen anhalten.<br />

Aber mir ist das zu wenig. Freu<strong>de</strong><br />

am Lernen reicht weiter, ist tiefer angelegt<br />

<strong>als</strong> nur Spaß haben. Spaß haben,<br />

Zerstreuung suchen, das entspricht sozusagen<br />

<strong>de</strong>m Lebensstil unserer Zeit,<br />

und es wird uns allenthalben angeboten.<br />

Freu<strong>de</strong> reicht tiefer, sie erfasst uns<br />

Dr. Siegfried Däschler-Seiler<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

ganz <strong>als</strong> Menschen und lässt uns optimistisch<br />

in die Zukunft blicken. Wir<br />

nehmen die Welt und <strong>de</strong>n Mitmenschen<br />

an<strong>de</strong>rs wahr, wenn wir in einer<br />

freudigen Stimmung sind. Und da sollen<br />

wir beim Lernen Freu<strong>de</strong> empfin<strong>de</strong>n?<br />

Lernen ist nach meinem Verständnis<br />

eine ganz faszinieren<strong>de</strong> Art und<br />

Weise, sich mit <strong>de</strong>r Welt auseinan<strong>de</strong>r zu<br />

setzen. Dort, wo Lernen wirklich geschieht,<br />

hat es einen überschießen<strong>de</strong>n<br />

Sinn. Ich lerne nicht nur für die Klassenarbeit,<br />

ich ordne mich nicht nur <strong>de</strong>n<br />

schulischen Pflichten unter, es öffnen<br />

sich mir neue Räume, Strukturen wer<strong>de</strong>n<br />

umgebaut, und ich sehe die Welt an<strong>de</strong>rs.<br />

BEITRÄGE<br />

79<br />

INFO 34 · 2/2005


Lernen<br />

Walter Eykmann<br />

BEITRÄGE<br />

80<br />

Ein aggressives bis böses Wort an<br />

<strong>de</strong>n Anfang dieser Miszelle! George<br />

Bernard Shaw (1856-1950) meinte:<br />

„Wenn du einen Menschen etwas lehren<br />

willst, wird er es niem<strong>als</strong> lernen.“<br />

Mit diesem Dictum vor <strong>de</strong>n Augen und<br />

im Kopf könnten wir eigentlich <strong>de</strong>n<br />

„Griffel“ sofort wie<strong>de</strong>r „fallen lassen“<br />

und je<strong>de</strong>n grundsätzlichen Gedanken<br />

über das Lernen verscheuchen. Wir tun<br />

es nicht! Allerdings versagen wir uns<br />

auch, <strong>de</strong>n schwierigen Aphorismus<br />

Shaw’s zu hinterfragen und zu <strong>de</strong>uten.<br />

In ihm steckt sicherlich eine Fülle an<br />

guten und be<strong>de</strong>nkenswerten Gedanken,<br />

aber eben auch Kritisches bis – nur auf<br />

<strong>de</strong>n ersten Blick –Unverständliches .<br />

Trotz Shaw: „Lernen“ gehört neben<br />

Erziehung, Bildung, Sozialisation, Personalisation<br />

und Individuation zu <strong>de</strong>n<br />

Grundbegriffen <strong>de</strong>r Allgemeinen, <strong>de</strong>r<br />

Systematischen Pädagogik und darf<br />

nicht, wie es im Alltags<strong>de</strong>nken oft geschieht,<br />

nur in <strong>de</strong>r Psychologie „abgelegt“<br />

wer<strong>de</strong>n. Denn Pädagogik hat es<br />

unbestreitbar mit <strong>de</strong>m Menschen zu<br />

tun, ich formuliere exakter, mit <strong>de</strong>m<br />

lernen<strong>de</strong>n Menschen <strong>als</strong> Person, seiner<br />

Erziehung und Bildung. Das „Lernen“<br />

tritt jedoch, wie man aus <strong>de</strong>r Verhaltens-<br />

und Evolutionsforschung weiß,<br />

auch schon bei Tieren auf. Außer <strong>de</strong>n<br />

bei Mensch und Tier gemeinsam vorkommen<strong>de</strong>n<br />

Lernarten gibt es spezifische<br />

menschliche Lernformen. <strong>Diese</strong><br />

im Beson<strong>de</strong>ren „menschlichen“ und<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Lernprozesse sind es, die in<br />

<strong>de</strong>r abendländischen Kultur <strong>als</strong> vorrangig<br />

gelten und pädagogisch primär interessieren.<br />

Damit ist für die Pädagogik<br />

die wichtige Frage gestellt, wie das<br />

Lernen in bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Absicht geschehen<br />

kann, d. h. wie Lernen zum Mündigwer<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Menschen beiträgt.<br />

In <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s europäischen<br />

Denkens prägten sich recht früh zwei<br />

konkurrieren<strong>de</strong> Auffassungen vom Lernen<br />

aus. Platon, <strong>de</strong>r die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Prof. Dr. Walter Eykmann<br />

Überlegungen Sokrates in <strong>de</strong>n Mund<br />

legt, meint, dass Lernen ein Wie<strong>de</strong>rerinnern<br />

sei, wörtlich: „Denn das Suchen<br />

und Lernen ist <strong>de</strong>mnach ganz und gar<br />

Erinnerung.“ (Platon: Menon, 81d)<br />

(Nur <strong>als</strong> Randbemerkung: Das Lehren<br />

nach Sokrates ist nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> die<br />

Hebammenkunst, die Maieutik.) Die<br />

anthropologische Voraussetzung ist für<br />

Sokrates in <strong>de</strong>r vorgeburtlichen Schau<br />

<strong>de</strong>r ewigen I<strong>de</strong>en durch die Seele gegeben,<br />

die <strong>de</strong>shalb auch <strong>als</strong> unsterblich<br />

gelten muss. <strong>Diese</strong> Auffassung vom<br />

Lernen hat ihre Wirkungsgeschichte<br />

über Augustinus, Gottfried Wilhelm<br />

Leibniz, <strong>de</strong>n Deutschen I<strong>de</strong>alismus bis<br />

zur Theorie vom Lernen <strong>als</strong> Einsicht.<br />

Für Aristoteles, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re (klassische)<br />

Strang, ist die Seele eine tabula<br />

rasa, auf die Sinneseindrücke eingetragen<br />

wer<strong>de</strong>n. Lernen be<strong>de</strong>utet in dieser<br />

Sichtweise Aufnahme und Speichern<br />

von Sinnesdaten. Die Wirkungsgeschichte<br />

dieser Analyse läuft über John<br />

Locke und David Hume bis in die Gegenwart<br />

zum Behaviorismus und <strong>de</strong>n<br />

Konditionierungstheorien.<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

Im ersten Fall meint Lernen vorwiegend<br />

das theoretisch-kontemplative<br />

Bemühen um Selbsterkenntnis, im zweiten<br />

Fall technisch-praktisches Verarbeiten<br />

und Nutzen von Informationen.<br />

– All dieses zusammengefasst in einer<br />

wissenschaftlichen Definition von heute:<br />

„Mit Lernen meint man beim Menschen<br />

das auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r genetischevolutionären<br />

und kulturellen Voraussetzungen<br />

erfolgen<strong>de</strong> Insgesamt <strong>de</strong>r<br />

dispositionellen (im Gedächtnis) verankerten<br />

und wie<strong>de</strong>r abrufbaren, relativ<br />

andauern<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen seines Verhaltens<br />

und Wissens, Han<strong>de</strong>lns und Erlebens<br />

durch Erfahrung (Informationsverarbeitung)<br />

infolge von adaptiven<br />

Reaktionen <strong>de</strong>s Organismus auf Umwelteinflüsse<br />

und von produktiven Interaktionen<br />

<strong>de</strong>s Subjekts mit <strong>de</strong>r<br />

Welt.“ 1 Konkretisieren und typisieren<br />

wir diese Aussage ein wenig, so fällt einem<br />

unter <strong>de</strong>m Stichwort “Lernen” dies<br />

(und an<strong>de</strong>ren natürlich noch viel an<strong>de</strong>res<br />

mehr) ein: Schuhe bin<strong>de</strong>n, lesen, Rad<br />

fahren, eine frem<strong>de</strong> Sprache lernen, rationales<br />

Argumentieren, aber auch<br />

INFO 34 · 2/2005


Vorurteile, Einstellungen, Werte, Normen<br />

u. a.. Wir sind <strong>als</strong>o in <strong>de</strong>r Jetztzeit<br />

angekommen, und da gilt es nun zu fragen,<br />

wie die gegenwärtige Bildungspolitik<br />

das „Lernen“ sieht.<br />

Mit Spaß lernen (= Spaßpädagogik)<br />

ist das Wort, ist das Intonieren, mit <strong>de</strong>m<br />

heute für das harte Mühen mit <strong>de</strong>m Lernen<br />

geworben wird. Didaktische Hexenmeister<br />

und flinke Vermittler erheben<br />

die an sich notwendige Kindgemäßheit<br />

zur pädagogischen Ikone. Unterrichtsräume<br />

und Unterrichtsmittel,<br />

Sitzordnung und Sprache, alles hat<br />

kindgemäß zu sein. Objektive For<strong>de</strong>rungen<br />

an Argumentation haben da zurückzustehen.<br />

Kin<strong>de</strong>rtümeln<strong>de</strong> Kumpanei<br />

steht ganz oben. Hilfe zur Entfaltung<br />

<strong>de</strong>r kindlichen Kreativität und die<br />

Unbefangenheit <strong>de</strong>s Verhaltens rücken<br />

in <strong>de</strong>n Hintergrund. Natürlich muss <strong>de</strong>r<br />

Lehrer die individuelle Situation seiner<br />

Kin<strong>de</strong>r zu treffen versuchen. Dafür<br />

aber gibt es kein Rezept und kein Mo<strong>de</strong>ll,<br />

<strong>de</strong>nnoch hat <strong>de</strong>r Lehrer an <strong>de</strong>r<br />

Universität in <strong>de</strong>r ersten Lehrbildungsphase<br />

erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche<br />

Studien betrieben<br />

und gelernt, was Erziehung, Bildung<br />

und Anthropologie u. a. be<strong>de</strong>utet und<br />

für die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen wichtig<br />

ist. Und daher ist es auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Seite umso schlimmer, wenn in <strong>de</strong>m<br />

ansonsten so hoch gelobten Bildungsland<br />

und <strong>de</strong>utschen PISA-Sieger Bayern<br />

<strong>de</strong>r Versuch gestartet wird, z. B.<br />

Förster, Vermessungsingenieure und<br />

Lebensmittelkontrolleure <strong>als</strong> Biologie-,<br />

Mathematiker- o<strong>de</strong>r Chemielehrer in<br />

allen Schularten – nach einem nur<br />

zweijährigen Son<strong>de</strong>rkurs – einzusetzen.<br />

Und ein zweiter aktueller Gegenwartsbezug:<br />

Von <strong>de</strong>n Befürwortern<br />

modisch-mo<strong>de</strong>rner Didaktiken wird<br />

häufig die soziale Lage <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen aus gestörten Familien<br />

mit beson<strong>de</strong>rer sozialer Bedürftigkeit<br />

betont. Die Palette <strong>de</strong>r Beobachtungen<br />

geht vom Rauschmittelmissbrauch mit<br />

niedrigerem Einstiegsalter, Vandalismus<br />

und aggressivem Verhalten innerhalb<br />

und außerhalb <strong>de</strong>r Schule bis hin<br />

zu <strong>de</strong>m Konsum von Vi<strong>de</strong>ofilmen mit<br />

gewalttätigem, pornographischem o<strong>de</strong>r<br />

sonst wie gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Inhalt. Schule<br />

und Unterricht sollen nun diese sozialen<br />

Fehlformen beseitigen. Das ist für<br />

einen <strong>de</strong>mokratischen Staat selbstverständlich.<br />

Aber gera<strong>de</strong> diese For<strong>de</strong>rung<br />

nach Ausgleich <strong>de</strong>r sozialen Benachteiligungen<br />

und <strong>de</strong>r richtigen For<strong>de</strong>rung<br />

nach Chancengleichheit in <strong>de</strong>r<br />

Bildung wird dann vertan, wenn im<br />

Unterricht Schülern die Möglichkeit<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Lernens vorenthalten wird;<br />

wenn Einsicht nicht geför<strong>de</strong>rt, weil<br />

nicht gefor<strong>de</strong>rt wird. Nieman<strong>de</strong>m ist<br />

geholfen, wenn er nicht das Argumentieren,<br />

d. h. das Denken lernt. Der Wiener<br />

Erziehungswissenschaftler Marian<br />

Heitger bringt es auf <strong>de</strong>n Punkt: „Es ist<br />

eine Groteske, allen Bildung zu versprechen<br />

und diese gera<strong>de</strong> dann abzuschaffen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Zugang zu ihr allen<br />

offensteht.“<br />

Wir kommen zum Schluss: So anstrengend<br />

und mühsam Lernen sein<br />

mag, keiner <strong>de</strong>r Eltern noch <strong>de</strong>r Lehrer,<br />

um die ersten und be<strong>de</strong>utsamsten Menschen<br />

für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche zu<br />

nennen, ist gut beraten, Lernen zu verharmlosen<br />

o<strong>de</strong>r gar für nutzlos zu erklären.<br />

Auch wäre es Verrat an <strong>de</strong>n jungen<br />

Menschen, wenn man es ihnen<br />

nicht sagte und sie es nicht spüren ließe,<br />

dass je<strong>de</strong>r Mensch lernen muss. Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

Lernen entspricht <strong>de</strong>n Leitvorstellungen<br />

und Erfor<strong>de</strong>rnissen je<strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft dieser Welt. Historisch<br />

und soziologisch variabel hat es in je<strong>de</strong>r<br />

Kultur einen überzeitlichen Kern.<br />

Lernen ist ein humaner und pädagogischer<br />

Terminus <strong>de</strong>r Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft. Mit <strong>de</strong>n Worten<br />

<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Schriftstellers,<br />

Zeichners und Malers Wilhelm Busch<br />

(1832-1908) – lockerer formuliert –:<br />

„Also lautet <strong>de</strong>r Beschluss: Dass <strong>de</strong>r<br />

Mensch was lernen muss.“<br />

Anmerkung<br />

1<br />

Erich Weber: Grundfragen und Grundbegriffe, Bd. I<br />

Teil 3, Donauwörth 81999, S. 41.<br />

Prof. Dr. Walter Eykmann MdL, ist Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Katholischen Elternschaft<br />

Deutschlands.<br />

BEITRÄGE<br />

81<br />

RZ_1111_PB_0032_AnzIFRR_55x123 31.05.2005<br />

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INFO 34 · 2/2005


Was freut die Eltern und <strong>de</strong>n lieben Gott?<br />

Über die Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Schule und beim Lernen<br />

Eckhard Nordhofen<br />

BEITRÄGE<br />

82<br />

Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r guten Schulmeister,<br />

von <strong>de</strong>nen viel zu wenig die<br />

Re<strong>de</strong> ist, gehört <strong>de</strong>r Spruch: „In je<strong>de</strong>r<br />

Stun<strong>de</strong> muss wenigstens einmal herzhaft<br />

gelacht wer<strong>de</strong>n!“ <strong>Diese</strong> guten<br />

Schulmeister, an die wir gerne zurück<strong>de</strong>nken,<br />

sind allerdings alles an<strong>de</strong>re <strong>als</strong><br />

Verfechter <strong>de</strong>r Spaßschule gewesen.<br />

Wer lacht nicht gerne? Und wenn Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche nichts zu lachen<br />

haben, dann ist in <strong>de</strong>r Tat etwas faul.<br />

Sie lachen natürlich auch über ihre<br />

Lehrer, und ich muss zugeben, dass ich<br />

in meiner eigenen Schulmeisterei mir<br />

ganz bewusst die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Angewohnheit<br />

o<strong>de</strong>r Schrulle zugelegt hatte,<br />

damit die Schüler auch etwas zu kichern<br />

und zu frotzeln, o<strong>de</strong>r tatsächlich<br />

auch zum Lachen haben konnten. Natürlich<br />

darf man das nicht übertreiben.<br />

Wer sich zum Trottel macht und zur lächerlichen<br />

Figur, wird von <strong>de</strong>n Schülern<br />

nicht respektiert. Machen Sie doch<br />

selbst einmal die Probe und erinnern<br />

Sie sich an die Lehrer, die Ihnen wirklich<br />

etwas be<strong>de</strong>utet haben. Meistens<br />

hatten sie Humor, aber sie wussten<br />

auch sehr gut, wann es zur Sache gehen<br />

musste. Interessanterweise, aber bei<br />

genauerem Nach<strong>de</strong>nken überaus verständlich,<br />

zählen zu <strong>de</strong>n Lehrerpersönlichkeiten,<br />

die wir beson<strong>de</strong>rs schätzten<br />

und respektierten,<br />

diejenigen, die von<br />

uns etwas for<strong>de</strong>rten.<br />

Und wenn wir dann<br />

selbst das Gefühl haben konnten, dass<br />

wir nicht nur, um <strong>de</strong>m Lehrer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Lehrerin zu gefallen, son<strong>de</strong>rn weil wir<br />

uns selbst damit etwas Gutes taten, auf<br />

eine Leistung zurückblicken konnten,<br />

dann waren wir froh und unsere Eltern<br />

erst recht.<br />

<strong>Diese</strong>r Lernprozess hat die Grammatik<br />

<strong>de</strong>s Futur II. „Wir wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

» Freu<strong>de</strong> hat mit Erfolg zu<br />

tun, Erfolg mit Arbeit.<br />

Test bestan<strong>de</strong>n haben“, „Wir wer<strong>de</strong>n<br />

Englisch gelernt haben und dann wer<strong>de</strong>n<br />

wir etwas können“. Am Anfang<br />

steht <strong>als</strong>o eine Erfahrung, die man <strong>als</strong><br />

Metalernen <strong>de</strong>uten kann. Ein Lernen,<br />

in <strong>de</strong>m wir über das Lernen etwas lernen<br />

und zwar durch die Erfahrung, dass<br />

Vokabeln lernen, Merksätze und Regeln<br />

pauken, lauter Tätigkeiten, die mit<br />

lebhafter Unlust verbun<strong>de</strong>n sein dürften,<br />

am En<strong>de</strong> die Voraussetzungen für<br />

die Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r erbrachten Leistung,<br />

die Freu<strong>de</strong> am Können gewesen sind.<br />

Wer das einmal im Grundsatz begriffen<br />

hat, wird nicht mehr fluchen über sinnlos<br />

vergossenen Schweiß etc.<br />

<strong>Diese</strong> Erfahrungen, die zu einer<br />

Haltung, zu einem habituellen Grundwissen<br />

über Lernprozesse führen, muss<br />

je<strong>de</strong>s Kind und je<strong>de</strong>r Jugendliche selbst<br />

einmal, zweimal, dreimal machen, bevor<br />

sie sich gefestigt haben. Damit wir<br />

uns nicht f<strong>als</strong>ch verstehen: Es geht<br />

nicht darum, ö<strong>de</strong> Paukerei zu propagieren<br />

und zu verkün<strong>de</strong>n: Es ist so schön,<br />

wenn <strong>de</strong>r Schmerz nachlässt, aber es ist<br />

doch ein Erlebnis, wenn am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Erfolg bescheinigt wird, und da kommt<br />

Freu<strong>de</strong> auf. <strong>Diese</strong> pädagogischen Selbstverständlichkeiten<br />

rufe ich nur in Erinnerung,<br />

weil manchmal so getan wird,<br />

<strong>als</strong> müssten nur die richtigen Medien<br />

und Metho<strong>de</strong>n eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, damit<br />

die Schule eine<br />

einzige Folge von<br />

Events und Happenings wird, eine Veranstaltung<br />

bei <strong>de</strong>r man sich nie langweilen<br />

muss, in <strong>de</strong>r die Stun<strong>de</strong>n methodisch<br />

so perfekt durchgestylt sind, die<br />

Lernziele so transparent gemacht sind,<br />

dass sich alle wie selbstverständlich<br />

zusammentun, um dieses heitere Spiel<br />

zu spielen, bei <strong>de</strong>m man ganz nebenbei<br />

auch noch etwas lernt. Freu<strong>de</strong> hat mit<br />

Erfolg zu tun, Erfolg mit Arbeit.<br />

Wir haben die allgemeine Schulpflicht,<br />

und je<strong>de</strong>r war einmal Schülerin<br />

o<strong>de</strong>r Schüler, so dass je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r am<br />

En<strong>de</strong> mitre<strong>de</strong>n kann. Wir kennen das<br />

vom Fußball: Auch da wissen Millionen<br />

Bun<strong>de</strong>strainer immer, wie es eigentlich<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n müsste. In manchen<br />

„Expertenkommentaren“ in <strong>de</strong>r<br />

gegenwärtigen Bildungs<strong>de</strong>batte klingt<br />

eine Anspruchshaltung durch, wie wir<br />

sie aus <strong>de</strong>r Mediendramaturgie kennen,<br />

wo das seriöse Nachrichtenwesen durch<br />

Infotainment ersetzt wird. Übertragen<br />

auf die Schule heißt das, dass die Qualität<br />

<strong>de</strong>s Unterrichtsgeschehens auf die<br />

Frage reduziert wird: „Wie war die Inszenierung?“<br />

Hat <strong>de</strong>r Lehrer bzw. <strong>de</strong>r<br />

Animateur alle Register gezogen, das<br />

Metho<strong>de</strong>n- und Medienspektrum voll<br />

ausgeschöpft? In <strong>de</strong>r gegenwärtigen<br />

Hochkonjunktur <strong>de</strong>r Bildungsreform<br />

wirkt sich das fatal aus. Die KMK hat<br />

in ihren Grundsatzbeschlüssen die Weichen<br />

gestellt. Die Reformhektik, die<br />

nach <strong>de</strong>m PISA-Fieber ausgebrochen<br />

ist, führt in Hessen und auch an<strong>de</strong>rswo<br />

dazu, dass in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

Lehr- und Lerntechniken sich in einer<br />

Weise in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund drängen,<br />

dass das Interesse an <strong>de</strong>n Inhalten, um<br />

die es ja am En<strong>de</strong> doch immer geht,<br />

kaum mehr eine Rolle zu spielen<br />

scheint. Die McLuhan’sche Krankheit<br />

grassiert.<br />

Marshall McLuhan hatte die so verblüffen<strong>de</strong><br />

wie bei näherem Zusehen<br />

schwachsinnige Parole ausgegeben:<br />

„The medium is the message!“<br />

In Frankfurt kennt man schon lange<br />

folgen<strong>de</strong>n Witz: Ein Mann fragt auf <strong>de</strong>r<br />

Zeil einen Passanten: „Können Sie mir<br />

<strong>de</strong>n Weg zum Bahnhof zeigen?“ „Sie<br />

wollen <strong>als</strong>o zum Bahnhof?“ „Jawohl,<br />

zum Bahnhof!“ „Ja ja, da muss man<br />

pünktlich sein. Und wann geht <strong>de</strong>nn ihr<br />

Zug?“ Antwort: „In 20 Minuten.“ „Und<br />

INFO 34 · 2/2005


wo muss ich jetzt entlanggehen?“ „Das<br />

kann ich Ihnen lei<strong>de</strong>r nicht sagen, ich<br />

bin selber fremd hier, aber es ist doch<br />

gut, dass wir mal drüber gesprochen<br />

haben“. The medium is the message.<br />

Als Fachleiter habe ich oft Lehrproben<br />

gesehen, da war alles drin: Overheadprojektor,<br />

Tafelanschrieb, hektographierte<br />

Arbeitsblätter,<br />

Stillarbeit,<br />

Gruppenarbeit, Plenum,<br />

Interaktionsphase.<br />

Und am En<strong>de</strong> kam die Frage:<br />

„Und was haben die Schüler <strong>de</strong>nn in<br />

dieser Stun<strong>de</strong> gelernt?“. Als Resultat<br />

sollte dann gelten: „Es haben sich so<br />

und so viele Schüler beteiligt, sie haben<br />

einan<strong>de</strong>r zugehört, es wur<strong>de</strong>n abwechslungsreiche<br />

Medien eingesetzt und es<br />

hat eine heiße Interaktionsphase gegeben,<br />

und damit könne man doch sehr<br />

zufrie<strong>de</strong>n sein.“ The medium is the<br />

message!<br />

Natürlich gehört zur Schule auch,<br />

das Lernen zu lernen. Methodik und<br />

Didaktik gehören ohne Zweifel zum<br />

Handwerkszeug <strong>de</strong>s Lehrers, übrigens<br />

auch zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Schüler. Aber eine<br />

Schulreform, die die Inhalte klein<br />

schreibt, von <strong>de</strong>r können wir nichts Gutes<br />

erwarten. Spaß und Abwechslung,<br />

Metho<strong>de</strong>nrezepturen organisieren, das<br />

ist eine gute Sache, wenn sie <strong>de</strong>m Lernen<br />

von Inhalten und <strong>de</strong>m Erreichen<br />

von Zielen zugeordnet sind. Sie sind<br />

aber nicht selbst ein Ziel.<br />

Wenn die zweite Phase <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

unter einem Übergewicht<br />

<strong>de</strong>r jetzt neuerdings<br />

so genannten Bildungswissenschaften<br />

zu Lasten <strong>de</strong>r<br />

Fachlichkeit geht,<br />

dann wer<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />

auch im internationalen Vergleich<br />

gewiss nicht besser wer<strong>de</strong>n.<br />

Freu<strong>de</strong> am Lernen hat mit <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong><br />

an Ergebnissen und Ergebnisse mit Inhalten<br />

zu tun. Es ist die Freu<strong>de</strong>, die je<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r etwas geleistet hat, an seinem<br />

Erfolg hat. Und ist es nicht eine tiefgehen<strong>de</strong><br />

Entmündigung und Verachtung<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler, wenn<br />

» Die McLuhan’sche Krankheit<br />

grassiert.<br />

» Freu<strong>de</strong> am Lernen hat mit<br />

<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> an Ergebnissen<br />

und Ergebnisse mit Inhalten<br />

zu tun.<br />

man ihnen nicht mehr zutraut, dass sie<br />

für die Inhalte ihrer jeweiligen Fächer<br />

begeistert wer<strong>de</strong>n können? Was sind<br />

das für Subjekte, bei <strong>de</strong>nen es nur darauf<br />

ankommt, wie man sie unterhält,<br />

stimuliert und konditioniert, damit sie<br />

das gewünschte Ergebnis zeigen? Ich<br />

wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Verdacht nicht los, dass es<br />

jenes behaviouristische<br />

Menschenbild<br />

ist, das auf stimulus<br />

and response setzt.<br />

Der richtige Input programmiert <strong>de</strong>n<br />

richtigen Output vor. Eigentlich könnten<br />

wir bei <strong>de</strong>r Vorstellung, die <strong>de</strong>n<br />

Schüler in dieser Weise konditionieren<br />

will, gar nicht wirklich von einer Subjektorientierung<br />

sprechen. Steckt hinter<br />

<strong>de</strong>r Vorstellung, dass es nur auf die<br />

richtigen Stimuli und Rezepte ankommt,<br />

damit <strong>de</strong>r Schüler das gewünschte<br />

Ergebnis zeigt, nicht eine<br />

subtile pädagogische<br />

Allmachtsfantasie?<br />

Du musst nur die Menschenbild<br />

richtige Methodik<br />

und Didaktik ansetzen,<br />

dann wird das<br />

Ergebnis in je<strong>de</strong>m<br />

Fall erreicht. Wer<br />

so <strong>de</strong>nkt, rechnet<br />

nicht mit <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Schüler.<br />

Eine am christlichen Menschenbild<br />

orientierte Pädagogik weiß aber, dass<br />

eine wirkliche Orientierung am Schülersubjekt<br />

mit <strong>de</strong>r Freiheit und <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

rechnen muss. Natürlich ist<br />

auch bei <strong>de</strong>n Behaviouristen viel vom<br />

mündigen Schüler und <strong>de</strong>r mündigen<br />

» Eine am christlichen<br />

orientierte<br />

Pädagogik weiß aber, dass<br />

eine wirkliche Orientierung<br />

am Schülersubjekt mit <strong>de</strong>r<br />

Freiheit und <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

rechnen muss.<br />

Schülerin die Re<strong>de</strong>.<br />

Da die Lernziele<br />

aber in je<strong>de</strong>m Fall<br />

operationalisierbar<br />

sein müssen, läuft<br />

das Verfahren oft<br />

genug darauf hinaus, messbare und<br />

evaluierbare Verhaltensweisen zu produzieren,<br />

die <strong>als</strong> Indices für Mündigkeit<br />

gelten. Eine Art Mündigkeitsdressur<br />

<strong>als</strong>o. Die Dressur zu Sprüchen und<br />

Parolen, die Bürgersinn, Nonkonformismus<br />

und Quer<strong>de</strong>nkertum und wie<br />

die Parolen alle heißen, anzeigen sollen,<br />

produzieren nur Nonkonformismus<br />

<strong>als</strong> Massenphänomen, einen Konformismus<br />

höherer Art <strong>als</strong>o.<br />

Woran <strong>de</strong>r liebe Gott seine Freu<strong>de</strong><br />

hat – so wollte ich fragen. Ich <strong>de</strong>nke,<br />

Sie sind einverstan<strong>de</strong>n, wenn wir <strong>de</strong>n<br />

maßstäblichen Lehrer und seine Art zu<br />

lehren anschauen. Tatsächlich war ja<br />

Jesus Lehrer, und er ist auch von seinen<br />

Schülern/Jüngern immer wie<strong>de</strong>r so angere<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n: „Didaskale“. Er lehrte<br />

sie, und es lohnt sich, Inhalt und Metho<strong>de</strong><br />

seiner Lehre einmal zu vergleichen.<br />

Ein jüdischer Lehrer war zur Zeit<br />

Jesu automatisch ein Lehrer <strong>de</strong>s Gesetzes.<br />

Weil die Schrift im Ju<strong>de</strong>ntum gleichsam<br />

<strong>de</strong>r Ort Gottes war, kam es auch<br />

auf <strong>de</strong>n Buchstaben <strong>de</strong>r Schrift an. Deshalb<br />

waren die Schriftgelehrten eigentlich<br />

nur fromme Ju<strong>de</strong>n, die es ernst<br />

meinten mit <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>s göttlichen<br />

Willens, <strong>de</strong>n sie im Gesetz meinten,<br />

unmittelbar greifen<br />

zu können. Auch<br />

Jesus schätzt die<br />

Schrift sehr hoch<br />

ein. In <strong>de</strong>r Bergpredigt<br />

in Matthäus 5<br />

schärft er die genaue<br />

Lektüre ein:<br />

„Kein Jota soll vom<br />

Gesetz und von <strong>de</strong>n Propheten weggenommen<br />

wer<strong>de</strong>n“. Dann aber folgt ein<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Satz: „Wenn aber eure<br />

Gerechtigkeit nicht größer ist <strong>als</strong> die<br />

<strong>de</strong>r Schriftgelehrten und Pharisäer, dann<br />

wer<strong>de</strong>t ihr nicht in das Himmelreich<br />

kommen.“ Das Gesetz ist gut, aber das<br />

Gesetz ist offenbar nicht alles. Ist es<br />

möglich, das gute Leben – und im<br />

Neuen Testament heißt das gute Leben<br />

„basileia tou theou“, Reich Gottes,<br />

– ist es möglich, das Reich Gottes<br />

durch die Schrift und ihre möglichst<br />

pünktliche und genaue Befolgung in<br />

<strong>de</strong>r Manier einer Gebrauchsanweisung<br />

gleichsam herzustellen? Jesus sagt<br />

ein<strong>de</strong>utig nein, die Gerechtigkeit muss<br />

größer sein <strong>als</strong> die <strong>de</strong>r Schriftgelehrten.<br />

Daher kommt es darauf an, die<br />

Schrift zu lehren und zu lernen, aber<br />

auch, wie man mit ihr richtig umgeht,<br />

das heißt: Wie man „größer ist“ <strong>als</strong> die<br />

Schrift.<br />

BEITRÄGE<br />

83<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

84<br />

Nahezu alle Gleichnisse Jesu haben<br />

eine bestimmte Struktur. Sie gehen<br />

von einem Schema aus, das <strong>als</strong> solches<br />

gut und nützlich ist, das aber,<br />

wenn es absolut gesetzt wird, hinter<br />

<strong>de</strong>m Willen Gottes weit zurückbleibt,<br />

um es vorsichtig zu sagen, und in bestimmten<br />

Situation ihm gera<strong>de</strong>zu zuwi<strong>de</strong>r<br />

läuft. Sie kennen die Beispiele: Im<br />

Sabbatgebot steckt die Vorschrift, o<strong>de</strong>r,<br />

wie ich jetzt sage, das Schema, keine<br />

Arbeit zu tun. Die Jünger rupfen am<br />

Sabbat Ähren, und Jesus verteidigt das:<br />

„Der Sabbat ist für <strong>de</strong>n Menschen da,<br />

und nicht <strong>de</strong>r Mensch für <strong>de</strong>n Sabbat“.<br />

Das Grundschema unserer Wirtschaft<br />

und unseres zwischenmenschlichen<br />

Verkehrs ist das Tauschprinzip:<br />

Ware gegen gleichwertige Ware, Ware<br />

gegen Geld, Ware gegen Arbeit, Arbeit<br />

gegen Geld. Das Gleichnis von <strong>de</strong>n Arbeitern<br />

im Weinberg schafft nicht das<br />

Schema Arbeit gegen Geld ab, aber das<br />

Schema wird überboten. Diejenigen,<br />

die <strong>de</strong>n ganzen Tag gearbeitet haben,<br />

bekommen einen Denar genauso, wie<br />

die, die nur eine Stun<strong>de</strong> gearbeitet haben.<br />

Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />

steht die Überbietung, das Geschenk<br />

o<strong>de</strong>r, fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />

Der jüngere von zwei Söhnen hat<br />

sein Erbteil erhalten. Dass <strong>de</strong>r Vater<br />

<strong>de</strong>m verlorenen Sohn bei <strong>de</strong>r Rückkehr<br />

das Mastkalb schlachtet und damit <strong>de</strong>n<br />

Neid <strong>de</strong>s älteren und braven Bru<strong>de</strong>rs<br />

erregt, ist ein offener<br />

und kalkulierter<br />

Verstoß gegen das<br />

Tauschprinzip <strong>de</strong>r<br />

Gerechtigkeit. Dass<br />

Jesus bei Zachäus,<br />

<strong>de</strong>r es gera<strong>de</strong> nicht verdient hat, einkehrt<br />

und ihm die Ehre seiner Gastfreundschaft<br />

schenkt, ist ein Verstoß<br />

gegen die For<strong>de</strong>rung, das Wohlverhalten<br />

zu belohnen usw.<br />

Sie haben bemerkt, dass das letzte<br />

Beispiel kein Gleichnis ist, <strong>als</strong>o keine<br />

Geschichte von Jesus. Son<strong>de</strong>rn eine<br />

Geschichte über Jesus: Sie hat aber dieselbe<br />

Struktur wie die Gleichnisse. Ein<br />

Schema, das <strong>als</strong> solches nicht in Frage<br />

gestellt wird, wird transzendiert. Das<br />

ist kein Zufall. Und es gibt noch mehr<br />

» Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />

steht die Überbietung,<br />

das Geschenk o<strong>de</strong>r,<br />

fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />

Beispiele. Die überführte Ehebrecherin<br />

in Johannes 8 wird von Schriftgelehrten<br />

eigens <strong>als</strong> Testfall für die Anwendbarkeit<br />

<strong>de</strong>s Steinigungsgesetzes bei Ehebruch<br />

herbeigeschleppt. Es geht um die<br />

Frage: Ist <strong>de</strong>r Wille Gottes in <strong>de</strong>r<br />

Schrift enthalten, müssen wir ihn nur<br />

noch umsetzen? O<strong>de</strong>r müssen wir aus<br />

<strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r Gottes mit <strong>de</strong>m<br />

Gesetz frei umgehen?<br />

Die erwischte Ehebrecherin steht<br />

<strong>als</strong>o da, und <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Gesetzesparagraph<br />

wird aufgerufen. Was tut<br />

Jesus? Er schreibt mit<br />

<strong>de</strong>m Finger auf die<br />

Er<strong>de</strong>. Er inszeniert<br />

Schrift. Er schreibt<br />

Gegenschrift. Es gibt<br />

gute Argumente, dass Johannes sich<br />

bei <strong>de</strong>m Finger Jesu, <strong>de</strong>r für ihn <strong>de</strong>r<br />

Finger <strong>de</strong>s fleischgewor<strong>de</strong>nen Logos<br />

ist, etwas gedacht hat. Schließlich war<br />

es ja auch <strong>de</strong>r Finger Gottes, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Exodus-Geschichte das Gesetz für Mose<br />

auf die steinernen Tafeln geschrieben<br />

hatte. <strong>Diese</strong> Demonstration, wo die<br />

Schrift eine Gegenschrift setzt, wird<br />

freilich von <strong>de</strong>n Schriftgelehrten nicht<br />

<strong>als</strong> solche erkannt, <strong>de</strong>swegen fragen sie<br />

hartnäckig weiter und Jesus sagt jenen<br />

wun<strong>de</strong>rbaren Satz: „Wer ohne Sün<strong>de</strong><br />

ist, werfe <strong>de</strong>n ersten Stein. Dann bückte<br />

er sich und schrieb weiter mit <strong>de</strong>m Finger<br />

auf die Er<strong>de</strong>.“ Der schreiben<strong>de</strong> Finger<br />

Jesu, und mit Johannes gelesen ist<br />

das <strong>de</strong>r schreiben<strong>de</strong><br />

Finger Gottes, rahmt<br />

<strong>als</strong>o diesen Satz ein.<br />

Wir erfahren keineswegs,<br />

was da geschrieben<br />

wur<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn nur dass da geschrieben wur<strong>de</strong>.<br />

Jesus macht eine Art Lehr-Performance<br />

und zeigt, wie man mit <strong>de</strong>r<br />

Schrift, in <strong>de</strong>r alle Verhaltensschemata<br />

aufgeschrieben sind, umgehen muss.<br />

Den Gegensatz von Inhalt und Metho<strong>de</strong><br />

gibt es bei Jesus offensichtlich nicht.<br />

Seine Metho<strong>de</strong> ist das Transzendieren<br />

von Schemata, und das genau<br />

ist es auch, was er predigt. Er tut das,<br />

was er lehrt. Er macht es vor, und er<br />

ver<strong>de</strong>utlicht seine Handlung durch sein<br />

» Freiheit ist die Voraussetzung,<br />

um Schemata<br />

zu transzendieren.<br />

Re<strong>de</strong>n und durch seine Gleichnisse.<br />

<strong>Diese</strong> Einheit von Medium und Inhalt<br />

hat aber nichts zu tun mit methodischem<br />

Schnickschnack. Es hat aber etwas<br />

zu tun mit Freiheit. Freiheit ist die<br />

Voraussetzung, um Schemata zu transzendieren.<br />

Die Schemata sind nicht an<br />

sich schlecht, wir brauchen sie, um unser<br />

Leben zu meistern. Sie helfen uns,<br />

die Komplexität <strong>de</strong>s Lebens zu reduzieren.<br />

90 o<strong>de</strong>r 99 Prozent aller Probleme<br />

<strong>de</strong>s Alltags können wir nach bestimmten<br />

Vorbil<strong>de</strong>rn und Mustern lösen,<br />

wenn wir sie<br />

gelernt haben. Das<br />

macht uns und <strong>de</strong>m<br />

lieben Gott Freu<strong>de</strong>.<br />

Es ist wie<strong>de</strong>r dieselbe<br />

Freu<strong>de</strong> am Erfolg, von <strong>de</strong>r ich<br />

schon am Anfang gesprochen habe. Ich<br />

nenne sie einmal die Freu<strong>de</strong> Nr. 1, die<br />

Freu<strong>de</strong>, die wir empfin<strong>de</strong>n, wenn wir<br />

die Anfor<strong>de</strong>rungen, die das Schema an<br />

uns stellt, erfüllt haben und dafür auch<br />

<strong>de</strong>n Lohn bekommen. Nun gibt es aber<br />

eine an<strong>de</strong>re Freu<strong>de</strong>, die ich von dieser<br />

Freu<strong>de</strong> Nr. 1 unterschei<strong>de</strong>n möchte und<br />

die ich folglich Freu<strong>de</strong> Nr. 2 nenne.<br />

<strong>Diese</strong> Freu<strong>de</strong> kommt aber erst auf,<br />

wenn wir, die Nachkommen Adams,<br />

<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r göttliche Atem eingespeist<br />

ist und die wir nach <strong>de</strong>m Bild Gottes<br />

geschaffen sind, <strong>als</strong> kleine Mitschöpfer<br />

kreativ sein dürfen und die Schemata<br />

transzendieren. Was macht – so hatte<br />

ich gefragt – <strong>de</strong>n Eltern und <strong>de</strong>m lieben<br />

Gott Freu<strong>de</strong>? Sollte man das auseinan<strong>de</strong>r<br />

dividieren? Natürlich nicht! Was<br />

<strong>de</strong>m lieben Gott Freu<strong>de</strong> macht, müsste<br />

eigentlich auch uns Eltern Freu<strong>de</strong> machen.<br />

Das wür<strong>de</strong> in dieser allgemeinen<br />

Formulierung sicher je<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong> von<br />

uns unterschreiben. Aber ist das auch<br />

so? Akzeptieren wir tatsächlich die<br />

göttliche Perspektive? Ich stelle die<br />

Frage noch einen Moment zurück und<br />

versuche erst noch einmal, etwas genauer<br />

zu verstehen, wann die göttliche<br />

Freu<strong>de</strong> ausbricht. Was sagt <strong>de</strong>r Lehrer?<br />

Ich meine natürlich immer noch <strong>de</strong>n<br />

Lehrer Jesus. Wer freut sich in <strong>de</strong>n<br />

Gleichnissen Jesu?<br />

Es freut sich natürlich – darüber<br />

gibt es überhaupt keinen Zweifel – <strong>de</strong>r<br />

INFO 34 · 2/2005


Dr. Eckhard Nordhofen<br />

Vater <strong>de</strong>s verlorenen Sohnes. Er sieht<br />

ihn von weitem und läuft ihm entgegen,<br />

er nimmt ihn in die Arme. Eine rühren<strong>de</strong><br />

Szene. Natürlich freut sich auch <strong>de</strong>r<br />

Sohn. Er hat ja auch allen Grund; <strong>de</strong>nn<br />

wenn es nach <strong>de</strong>m Schema gegangen<br />

wäre, in diesem Fall nach <strong>de</strong>m, was<br />

ihm nach <strong>de</strong>m Erbrecht zusteht, hätte er<br />

keinerlei Ansprüche geltend machen<br />

können. Seine Hoffnung war ja auch<br />

recht beschei<strong>de</strong>n. Wenn er gera<strong>de</strong> so<br />

gehalten wür<strong>de</strong> wie die Knechte seines<br />

Vaters, dann hätte er es immerhin besser<br />

gehabt <strong>als</strong> dort, wo er mit <strong>de</strong>n<br />

Schweinen, <strong>de</strong>n unreinen Tieren, aus<br />

einem Trog hatte essen müssen. Aber<br />

<strong>de</strong>r Vater hält sich nicht an das Schema,<br />

er transzendiert es, und es wird ein<br />

Fest gefeiert, das Mastkalb geschlachtet.<br />

Es herrscht Freu<strong>de</strong>, weil das strenge<br />

Tauschprinzip, die Waage in unserem<br />

Kopf, das Symbol einer bestimmten<br />

nahezu mechanischen Gerechtigkeit,<br />

Wohlverhalten gegen Wohlergehen, je<strong>de</strong>r<br />

bekommt das, was er verdient, weil<br />

diese Waage außer Kraft gesetzt ist.<br />

Das Geschenk o<strong>de</strong>r die Gna<strong>de</strong> geht vor<br />

diesem Recht. Gna<strong>de</strong> vor Recht – das<br />

macht Freu<strong>de</strong>, das macht göttliche<br />

Freu<strong>de</strong>. Und zwar bei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Vater<br />

und <strong>de</strong>m Sohn, <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r schenkt, und<br />

<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r das Geschenk empfängt, das,<br />

worauf er keinerlei Anspruch hat. Das<br />

ist Luxus, das ist eine Überschreitung,<br />

eine Transzendierung, so geht es zu im<br />

Reich Gottes. Genauso haben sich auch<br />

die Kurzarbeiter gefreut, die für nur eine<br />

Stun<strong>de</strong> Arbeit <strong>de</strong>n Lohn eines ganzen<br />

Tages bekommen haben. Und natürlich<br />

hat sich auch Zachäus gefreut,<br />

<strong>de</strong>r <strong>als</strong> stadtbekannter Kollaborateur<br />

mit <strong>de</strong>r steuererheben<strong>de</strong>n Besatzungsmacht<br />

ein notorischer Sün<strong>de</strong>r war. Und<br />

wie wird sich erst die Frau gefreut haben,<br />

die beim Ehebruch erwischt wor<strong>de</strong>n<br />

war, die, wenn es nach <strong>de</strong>m Schema,<br />

nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>s Mose gegangen<br />

wäre, ihrer „gerechten“ Strafe, gerecht<br />

je<strong>de</strong>nfalls im Sinne einer Gesetzesgerechtigkeit,<br />

so wie sie manche<br />

Schriftgelehrten verstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n qualvollen<br />

Tod durch Steinigen hätte erlei<strong>de</strong>n<br />

müssen. In allen diesen Geschichten,<br />

es sind wie gesagt sowohl Geschichten,<br />

die Jesus selber erzählt, <strong>als</strong><br />

auch Geschichten, die über ihn erzählt<br />

wer<strong>de</strong>n, wird ganz ein<strong>de</strong>utig zunächst<br />

einmal etwas f<strong>als</strong>ch gemacht. Es wird<br />

eine Norm unterschritten. Damit das<br />

klar ist, dass hier nicht die Norm außer<br />

Kraft gesetzt wer<strong>de</strong>n soll, wird es am<br />

<strong>de</strong>utlichsten wohl in <strong>de</strong>r Geschichte<br />

von <strong>de</strong>r Ehebrecherin auch noch einmal<br />

ausdrücklich betont: Jesus ist natürlich<br />

kein Befürworter <strong>de</strong>s Ehebruchs,<br />

das wird unmissverständlich<br />

dargestellt. Er sagt: „Geh hin und sündige<br />

nicht mehr“. Eigentlich versteht es<br />

sich von selbst. Wer sich so verhält wie<br />

<strong>de</strong>r leichtsinnige Sohn, <strong>de</strong>n bestraft das<br />

Leben schon selbst. Er wird ja nicht dafür<br />

belohnt, dass er das Erbteil verprasst<br />

hat. Er wird überhaupt nicht belohnt,<br />

<strong>de</strong>nn Lohn erhält man für eine<br />

Arbeit. Der Lohn steht einem zu. Er<br />

hingegen wird beschenkt. Und das ist<br />

es, worüber die göttliche Freu<strong>de</strong> aufkommt.<br />

Freu<strong>de</strong> herrscht im Himmel<br />

mehr über einen Sün<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r umkehrt,<br />

<strong>als</strong> über die Menge <strong>de</strong>r Gerechten. Das<br />

spricht nicht gegen die Gerechtigkeit<br />

und nicht gegen die Norm. Der Arbeiter<br />

ist seines Lohnes wert. Selbstverständlich<br />

soll er bekommen, was ihm<br />

zusteht, dann muss er, dann darf er aber<br />

auch zufrie<strong>de</strong>n sein. Und sicher wer<strong>de</strong>n<br />

die Ganztagsarbeiter, die die Last und<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

Hitze <strong>de</strong>s Tages getragen haben, wenn<br />

alles nach <strong>de</strong>m Schema, nach <strong>de</strong>r Norm<br />

gegangen wäre, durchaus zufrie<strong>de</strong>n mit<br />

ihrem Denar nach Hause gegangen<br />

sein. So ist es aber nicht. Zusehen, wie<br />

an<strong>de</strong>re etwas geschenkt bekommen, da<br />

opponiert etwas in uns. Ich erinnere<br />

mich sehr gut, dass immer dann, wenn<br />

ich das Gleichnis von <strong>de</strong>n Arbeitern im<br />

Weinberg in <strong>de</strong>r Schule, gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

unteren Klassen besprochen habe, regelmäßig<br />

<strong>de</strong>r Ruf ertönte: „Ungerecht!“<br />

Dass es in <strong>de</strong>r Schule, vor allen Dingen<br />

bei <strong>de</strong>r Notengebung und überhaupt gerecht<br />

zugeht, das ist ein hohes Gut, das<br />

die Schüler immer einfor<strong>de</strong>rn. Kaum<br />

ein Vorwurf, <strong>de</strong>n Schüler gegen Lehrer<br />

erheben, wird mit mehr Entrüstung und<br />

Empörung vorgetragen <strong>als</strong> wenn es<br />

heißt: „Das ist aber ungerecht!“<br />

Das Tauschprinzip sitzt sehr tief<br />

und es ist auch die Norm, nach <strong>de</strong>r wir<br />

unser Leben organisieren. Es ist das<br />

Schema überhaupt. Es ist auch das Schema<br />

unserer gesamten Wirtschaft und<br />

Ökonomie. <strong>Diese</strong>r Grundmechanismus<br />

gehört zum kleinen Einmaleins <strong>de</strong>r<br />

Volkswirtschaftslehre – ich habe ihn<br />

schon erwähnt – Ware gegen Ware,<br />

Dienstleistung gegen Ware, Ware gegen<br />

Geld. Geld, das ist die kulturhistorisch<br />

höchst be<strong>de</strong>utsame Erfindung <strong>de</strong>s<br />

BEITRÄGE<br />

85<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

86<br />

Mediums, das die Äquivalenz zwischen<br />

all diesen Größen herstellen<br />

kann. Geld ist das Medium <strong>de</strong>s Äquivalententauschs.<br />

Wenn die Waage im<br />

Gleichgewicht ist, dann ist Äquivalenz<br />

hergestellt. Und wann das <strong>de</strong>r Fall ist,<br />

wissen wir auch. Das hängt von Angebot<br />

und Nachfrage ab. Das knappe Gut<br />

ist viel wert. Was es im Überfluss gibt,<br />

kostet nicht viel. <strong>Diese</strong> Kategorie <strong>de</strong>s<br />

Äquivalententauschs haben wir so sehr<br />

verinnerlicht, dass sie weit über die reine<br />

Sphäre <strong>de</strong>s Wirtschaftens hinausreicht.<br />

Freundlichkeiten und Unfreundlichkeiten<br />

im zwischenmenschlichen<br />

Verkehr funktionieren nach <strong>de</strong>m Schema<br />

<strong>de</strong>s Äquivalententauschs. Wir lieben<br />

unsere Freun<strong>de</strong>, weil sie uns lieben.<br />

Wenn einer uns etwas Böses tut, dann<br />

rächen wir uns. Verräterisch ist <strong>de</strong>r<br />

Satz, <strong>de</strong>r oft nach einem netten Abend<br />

mit Gästen zu hören ist: „Da müssen<br />

wir uns aber <strong>de</strong>mnächst revanchieren,<br />

<strong>als</strong> nächstes kommen Sie aber auch mal<br />

zu uns!“ Seien wir ehrlich, die Tauschgerechtigkeit<br />

ist eine Sache, die uns tatsächlich<br />

im Normalfall auch sehr weit<br />

bringt. Es ist ja ein Mechanismus, auf<br />

<strong>de</strong>n man setzen und bauen kann. Da<br />

weiß man doch, woran man ist. Auf<br />

diese Weise kommt man doch recht gut<br />

durch das Leben. Denn immerhin kann<br />

ich doch die Bedingungen für mein<br />

Wohlergehen selbst herstellen, durch<br />

Arbeit. Das habe ich selbst in <strong>de</strong>r Hand,<br />

das ist normal, und das ist durchaus gut<br />

so. Und so ist das Leben. Es ist das ein<strong>de</strong>utig<br />

nachparadiesische Leben, in <strong>de</strong>m<br />

wir im Schweiße unseres Angesichts<br />

unser Brot essen, das wir uns mit unserer<br />

Hän<strong>de</strong> Arbeit verdient haben. Ist<br />

das ein Quell <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>? Vielleicht!<br />

Allenfalls aber Freu<strong>de</strong> Nr. 1, eine Freu<strong>de</strong><br />

über <strong>de</strong>n Erfolg. Im Grun<strong>de</strong> wür<strong>de</strong><br />

ich aber hier <strong>de</strong>n Begriff einer Befriedigung<br />

o<strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit vorziehen. Je<strong>de</strong>r<br />

ist seines Glückes Schmied, und von<br />

nichts kommt nichts. Halten wir noch<br />

einmal fest: Der Äquivalententausch ist<br />

das Grundprinzip unserer Ökonomie.<br />

Damit bin ich bei <strong>de</strong>m heimlichen<br />

Oberkriterium, das in Begriff ist, nach<br />

und nach alle unsere Lebensbereiche<br />

zu durchdringen. Das Neue ist, dass das<br />

ökonomische, funktionalistische Denken<br />

auch in Lebensbereiche eindringt,<br />

in <strong>de</strong>nen es gar nicht primär um return<br />

on investment geht. Der Äquivalententausch,<br />

die grundlegen<strong>de</strong> ökonomistische<br />

Kategorie, kann im privatesten<br />

Kern unserer zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen angetroffen wer<strong>de</strong>n, zum<br />

Beispiel dort, wo eine Partnerschaft an<br />

<strong>de</strong>r Frage zerbricht: „Was habe ich davon?“<br />

In <strong>de</strong>r Wirtschaft ist es je<strong>de</strong>nfalls<br />

nach meinem Dafürhalten in Ordnung,<br />

wenn das System von <strong>de</strong>m Oberkriterium<br />

return on investment regiert wird.<br />

Aber die Qualität <strong>de</strong>s Familienlebens<br />

einer Eltern-Kind-Beziehung, einer Beziehung<br />

zwischen Eheleuten, ist doch<br />

davon abhängig, dass gera<strong>de</strong> nicht das<br />

Nutzenkalkül regiert. Leo O’Donovan,<br />

<strong>de</strong>r sich über das Verhältnis <strong>de</strong>s funktionalistischen<br />

ökonomischen Denkens<br />

zum Bildungsgedanken beispielhaft geäußert<br />

hat, spricht von einem Übersprungeffekt,<br />

wenn das funktionalistische<br />

Denken und funktionalistische<br />

Vorgehens- und Optimierungsmetho<strong>de</strong>n<br />

unbesehen in das Bildungswesen<br />

eindringen. Genau dies ist aber nach<br />

PISA <strong>de</strong>r Fall. Wir können sogar rekonstruieren,<br />

wie es dahin gekommen<br />

ist. Es ist unübersehbar, dass das politische<br />

Gewicht, das <strong>de</strong>m Thema Bildung<br />

inzwischen zukommt, ganz ein<strong>de</strong>utig<br />

darauf zurückgeht, dass Bildung von<br />

<strong>de</strong>n Ökonomen und <strong>de</strong>n Politikern <strong>als</strong><br />

Primärressource i<strong>de</strong>ntifiziert wor<strong>de</strong>n<br />

ist. Dass Wissen Macht ist und dass für<br />

<strong>de</strong>n wirtschaftlichen Erfolg bestimmte<br />

Schlüsselqualifikationen wie Lesen,<br />

Schreiben und Rechnen eine Voraussetzung<br />

bil<strong>de</strong>n, das hat man immer<br />

schon gewusst. Für das Beschäftigungssystem<br />

und <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Ökonomie<br />

brauchte es immer schon einen Vorlauf,<br />

das Ausbildungssystem. <strong>Diese</strong><br />

Grundfertigkeiten und Fähigkeiten waren<br />

nötig, um Ressourcen zu erschließen,<br />

aber Bildung war selber noch nicht<br />

selbst <strong>als</strong> Produktionsmittel, <strong>als</strong> Primarressource,<br />

im Blick. Inzwischen<br />

aber kommt keine Grundsatzre<strong>de</strong> ohne<br />

die immer noch <strong>als</strong> frisch gewonnene<br />

Erkenntnis verkün<strong>de</strong>te Botschaft aus:<br />

„Bildung, das ist <strong>de</strong>r neue Bo<strong>de</strong>nschatz“.<br />

Vor allem für Län<strong>de</strong>r wie<br />

Deutschland, die arm an Bo<strong>de</strong>nschätzen<br />

sind, brauchen wir Bildung <strong>als</strong> Primärressource<br />

und Quelle von Innovation,<br />

Produktivität etc. In allen Sonntagsre<strong>de</strong>n<br />

über Bildung und ihre Reform<br />

wer<strong>de</strong>n Sie diesen Topos fin<strong>de</strong>n,<br />

und <strong>de</strong>swegen ist die For<strong>de</strong>rung nach<br />

einer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bildung inzwischen<br />

inflationär gewor<strong>de</strong>n. Umso größer<br />

ist das Rätsel, das man darin sehen<br />

muss, dass in das Bildungssystem nicht<br />

konsequent kraftvoll investiert wird.<br />

Zu <strong>de</strong>r Bildungs<strong>de</strong>batte gibt es einen<br />

sehr weitgehen<strong>de</strong>n Konsens darüber,<br />

dass diese Reform <strong>de</strong>shalb nötig ist<br />

und forciert wer<strong>de</strong>n muss, damit es mit<br />

<strong>de</strong>r kränkeln<strong>de</strong>n Wirtschaft und allem,<br />

was damit zusammenhängt, Arbeitsplätze<br />

etc., wie<strong>de</strong>r aufwärts geht. Ist es<br />

in Ordnung, dass wir diese Bildungs<strong>de</strong>batte<br />

nach diesem heimlichen Oberkriterium<br />

ausrichten? Ich habe die Klagen<br />

bestimmter Ökonomen und Manager<br />

im Ohr, die for<strong>de</strong>rn: „Das Ausbildungssystem<br />

muss das Beschäftigungssystem<br />

endlich so beliefern, wie dieses Beschäftigungssystem<br />

es braucht.“ Kürzlich<br />

ging die Klage <strong>de</strong>s BDI wie<strong>de</strong>r einmal<br />

durch die Presse: So und so viel<br />

Prozent <strong>de</strong>r Schulabgänger sind nicht<br />

<strong>als</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> brauchbar, 10 % haben<br />

überhaupt keinen Abschluss. Daher<br />

muss die Lehrerausbildung mit Betriebspraktika<br />

kombiniert wer<strong>de</strong>n, die<br />

Bezogenheit auf Schulformen muss aufgegeben<br />

wer<strong>de</strong>n etc. Natürlich hat die<br />

GEW auf dieses Stichwort sofort begeistert<br />

reagiert. Wenn schon die Wirtschaft<br />

das geglie<strong>de</strong>rte Schulwesen aufgeben<br />

will, dann haben wir auf <strong>de</strong>m<br />

Weg zur Gesamtschule einen neuen<br />

Bun<strong>de</strong>sgenossen.<br />

Ich lasse mich jetzt sehr bewusst<br />

einmal auf das Kriterium <strong>de</strong>s Tausches<br />

ein und akzeptiere die Frage, „Was ist<br />

<strong>de</strong>nn gut für die Wirtschaft?“, auch<br />

<strong>de</strong>shalb, weil ich an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> manche<br />

Globalisierungskritiker eine Marktwirtschaft,<br />

wenn sie <strong>de</strong>nn sozial bleibt,<br />

nicht für <strong>de</strong>n altbösen Feind, son<strong>de</strong>rn<br />

für das Mittel <strong>de</strong>r Wahl halte. Welche<br />

INFO 34 · 2/2005


Bildung aber nützt <strong>de</strong>r Wirtschaft langfristig?<br />

Ist das, was wir <strong>de</strong>rzeit auf <strong>de</strong>r<br />

Ebene <strong>de</strong>r KMK und auch in <strong>de</strong>n Umsetzungsstrategien<br />

<strong>de</strong>r Kultusministerien<br />

erleben, wirklich <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />

nützlich? Was erleben wir <strong>de</strong>nn? Wir<br />

erleben eine beispiellose Reformhektik,<br />

wie sie eintritt, wenn in einem Profit-Unternehmen<br />

eine Zielvereinbarung<br />

gemacht wird, ein Zeitfenster ausgemessen<br />

wird und zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r messbare Erfolg vorgezeigt<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Was wir <strong>de</strong>rzeit in<br />

Hessen erleben, sieht mir ganz danach<br />

aus, <strong>als</strong> habe <strong>de</strong>r Ministerpräsi<strong>de</strong>nt das<br />

Thema Bildung zur Chefsache gemacht<br />

und <strong>de</strong>r Kultusministerin vorgegeben:<br />

Kurz vor <strong>de</strong>r nächsten Wahl sind folgen<strong>de</strong><br />

Reformen durchgezogen:<br />

1. Umstellung einer Inputsteuerung auf<br />

Outputsteuerung, d. h. Umstellung<br />

<strong>de</strong>s Systems <strong>de</strong>r Lehrpläne auf ein<br />

System von Bildungsstandards.<br />

2. Ein neues Evaluationssystem, das<br />

Bildungsstandards einführt, wird<br />

etabliert: Es wer<strong>de</strong>n standardisierte<br />

Vergleichsarbeiten geschrieben.<br />

3. Ausschöpfung <strong>de</strong>r Ressourcen im<br />

Elementarbereich. Der Hirnforscher<br />

Wolf Singer behauptet, es gäbe im<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenalter ein nur für kurze<br />

Frist geöffnetes Fenster, in <strong>de</strong>m die<br />

Kin<strong>de</strong>r spielend eine Fremdsprache<br />

lernen können. Wir können es uns<br />

nicht leisten, diese Ressource im<br />

Kin<strong>de</strong>rgarten zu verspielen, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

muss zur „école maternelle“<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n: Wir machen<br />

einen Plan, Schule von 0 bis 10.<br />

4. Das Zentralabitur wird eingeführt.<br />

5. Verkürzung <strong>de</strong>r Gymnasialzeit von<br />

9 auf 8 Jahre.<br />

6. Grundlegen<strong>de</strong> Neuorganisation <strong>de</strong>r<br />

Lehrerfortbildung. Dabei gilt folgen<strong>de</strong><br />

Sicht: Ich, <strong>de</strong>r Staat, kaufe auf<br />

<strong>de</strong>m Markt Lehrer ein, die mir bestimmte<br />

Qualifikationen und Kompetenzen<br />

vorhalten müssen, nämlich<br />

Fachkompetenz, Metho<strong>de</strong>nkompetenz<br />

etc. <strong>Diese</strong> Gegenleistung<br />

ist das, was ich ihm über sein<br />

Gehalt bezahle, und für das, was er<br />

mir anbietet, ist er selbst verantwortlich:<br />

Er muss sich <strong>als</strong>o ausbil<strong>de</strong>n<br />

und fortbil<strong>de</strong>n, und zwar auf<br />

seine Kosten. Darüber führt er ein<br />

Portfolio und muss mir das nach einem<br />

bestimmten Evaluationssystem<br />

auch nachweisen. Das ist für<br />

das Land auf je<strong>de</strong>n Fall billiger <strong>als</strong><br />

<strong>de</strong>r Unterhalt eines eigenen Fortbildungsinstituts!<br />

7. Damit zusammen hängt die Neuordnung<br />

<strong>de</strong>r Lehrerausbildung. Das<br />

Studium wird neu nach <strong>de</strong>m Bachelor-<br />

und Mastersystem in Modulen<br />

strukturiert, die erste und die zweite<br />

Phase <strong>de</strong>r Lehrerausbildung wer<strong>de</strong>n<br />

verschränkt, die Anteile von allgemeiner<br />

Pädagogik, Didaktik und<br />

Methodik während <strong>de</strong>s Studiums<br />

wer<strong>de</strong>n vergrößert.<br />

8. Verschie<strong>de</strong>ne Varianten von Ganztagsschulen<br />

wer<strong>de</strong>n etabliert.<br />

9. Die Schulen sollen durch Budgetierung<br />

eigene Spielräume erhalten,<br />

die sie durch jeweilige Schulprofile<br />

und pädagogische Schulprogramme<br />

im Sinne eines Wettbewerbs untereinan<strong>de</strong>r<br />

ausnützen können.<br />

Wenn ich richtig mitgezählt habe,<br />

sind das 9 Baustellen, die wir in Hessen,<br />

und zwar alle gleichzeitig, bearbeiten.<br />

Keiner dieser Reformeinsätze<br />

ist von vorne herein unsinnig, alle sind<br />

interessant und wert, untersucht und erprobt<br />

zu wer<strong>de</strong>n. Aber ist es klug, alle<br />

diese Reformen gleichzeitig durchzuführen,<br />

nur um vor <strong>de</strong>r nächsten Wahl<br />

dann plakatieren zu können: Hessen,<br />

Bildungsland Nr. 1. Inzwischen ist <strong>de</strong>r<br />

Unmut <strong>de</strong>r Betroffenen über das angerichtete<br />

Chaos in <strong>de</strong>n<br />

» Eine Bildungsreform, die<br />

sich auf das konzentriert,<br />

was vor<strong>de</strong>rgründig und<br />

scheinbar <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />

nützt, ist<br />

langfristig gera<strong>de</strong> nicht erfolgreich.<br />

Schulen und Ausbildungssystemen<br />

erheblich.<br />

Ich habe erhebliche<br />

Zweifel, ob<br />

die Rechnung <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

aufgeht und <strong>de</strong>r<br />

Wähler dieses Vorgehen<br />

honoriert. Es wür<strong>de</strong> mich nicht<br />

wun<strong>de</strong>rn, wenn <strong>de</strong>r Schuss nach hinten<br />

losgeht. Es wäre nicht die erste hessische<br />

Lan<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>ren Wie<strong>de</strong>rwahl<br />

an einer f<strong>als</strong>chen Bildungsreformpolitik<br />

scheiterte. Dabei gibt es, wenn<br />

man einmal von speziellen Fragestellungen<br />

in Schleswig-Holstein absieht,<br />

kaum erkennbare Politikunterschie<strong>de</strong><br />

nach A- und B-Län<strong>de</strong>rn. Es geht mir<br />

hier auch nicht um das Wohlergehen<br />

von Lan<strong>de</strong>sregierungen, son<strong>de</strong>rn um die<br />

Frage, ob tatsächlich diese mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger fantasielos aus <strong>de</strong>m Produktionssektor<br />

und <strong>de</strong>m Profit-Bereich übertragenen<br />

Metho<strong>de</strong>n und Ansätze wirklich<br />

die Ziele erreichen, die man sich<br />

erhofft. Die KMK hat Beschlüsse gefasst,<br />

die zeigen, dass es unabhängig<br />

von <strong>de</strong>r politischen Farbe diese Übersprungeffekte<br />

gibt. Ich nenne das <strong>de</strong>n<br />

PISA-Effekt.<br />

Wir haben sehr früh hier bei einem<br />

Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik im Bistum<br />

Limburg die Frage gestellt: „Was ist<br />

schief an PISA?“ und festgestellt, dass<br />

tatsächlich eine Bildungsreform, die<br />

sich auf das konzentriert, was vor<strong>de</strong>rgründig<br />

und scheinbar <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />

nützt, langfristig gera<strong>de</strong><br />

nicht erfolgreich ist. Der PISA-Effekt<br />

son<strong>de</strong>rt nämlich die so genannten harten<br />

von <strong>de</strong>n weichen Fächern ab. Dann<br />

liegt die Ten<strong>de</strong>nz nah, die weichen Fächer<br />

und Inhalte aus <strong>de</strong>m Bildungskonzept<br />

<strong>de</strong>r Schule herauszukürzen. Die<br />

vor<strong>de</strong>rgründige Plausibilität sagt, was<br />

<strong>de</strong>r Wirtschaft und <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />

nützt: <strong>als</strong>o Deutsch abzüglich<br />

Lyrik, Belletristik, Literatur,<br />

<strong>als</strong>o Lesekompetenz, Textverstehen und<br />

Reproduzieren können; Mathematik,<br />

Denken in Strukturen und Zahlen und<br />

damit hantieren können; Fremdsprachen<br />

und Naturwissenschaften, daneben<br />

das Fach Wirtschaft,<br />

<strong>de</strong>nn natürlich<br />

nützt „Wirtschaft“<br />

<strong>de</strong>r Wirtschaft.<br />

Alle an<strong>de</strong>ren<br />

Fächer sind im Grun<strong>de</strong><br />

entbehrlich. Für<br />

die Freizeit wird die<br />

Menschheit schon<br />

selbst sorgen. Künstlerische, literarische,<br />

musische, religiöse Bildung, das<br />

sind Luxusunternehmungen, für die<br />

wir we<strong>de</strong>r Zeit noch Geld haben. Das<br />

klingt zunächst sehr plausibel, ist aber<br />

BEITRÄGE<br />

87<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

88<br />

eine Strategie, die ich <strong>als</strong> die ein<strong>de</strong>utig<br />

zweitintelligenteste bezeichnen wür<strong>de</strong>.<br />

Für die weitaus intelligentere Lösung<br />

halte ich die These, die Leo O’Donovan,<br />

Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Georgetown-Universität<br />

– ich hatte ihn schon erwähnt –<br />

im Jahre 2000 auf <strong>de</strong>m Tempi-Kongress<br />

<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kirchen zur Bildungsreform<br />

aufgestellt hat, nämlich die<br />

These von <strong>de</strong>r Nützlichkeit <strong>de</strong>s Übernützlichen.<br />

Leo O’Donovan, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt einer<br />

amerikanischen Eliteuniversität,<br />

die sich beson<strong>de</strong>rs auf ökonomischen<br />

Gebiet <strong>de</strong>s allerbesten Rufs erfreut,<br />

macht dies am Sabbat-Gedanken klar.<br />

Ich darf <strong>de</strong>njenigen unter Ihnen, die die<br />

Tempi-Thesen noch nicht kennen, die<br />

Argumentation kurz in Erinnerung rufen;<br />

dann wer<strong>de</strong>n Sie auch merken, warum<br />

ich Sie so gründlich an <strong>de</strong>n Lehrer<br />

Jesus erinnert hatte und an <strong>de</strong>n roten<br />

Fa<strong>de</strong>n seiner Lehre: Immer wie<strong>de</strong>r hat<br />

Jesus Schemata selbst transzendiert<br />

und in seinen Geschichten Beispiele<br />

dafür gegeben, wie man die Gerechtigkeit<br />

<strong>de</strong>s Äquivalententauschs, das, was<br />

nützlich und funktional ist, zu überspringen,<br />

kurz: das Nützliche durch das<br />

Übernützliche zu ersetzen. Dabei war<br />

es ihm weiß Gott nicht um das grundsätzliche<br />

<strong>de</strong>struktive Verletzen <strong>de</strong>r<br />

Schemata gegangen, son<strong>de</strong>rn um das<br />

Reich Gottes. Wenn das Schema <strong>de</strong>m<br />

Reich Gottes dient, dann ist es gut. So<br />

wie das Gesetz gut ist. Auch <strong>de</strong>r Sabbat<br />

ist gut. Aber er ist für <strong>de</strong>n Menschen da.<br />

Der Sabbat ist für Leo O’Donovan das<br />

alttestamentliche Beispiel dafür, wie<br />

nützlich es sein kann, einen Zeitraum<br />

zu haben, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> nicht vom Nutzenkalkül<br />

regiert wird. Arbeit heißt ja,<br />

Nutzen verfolgen. Wir setzen uns Ziele<br />

und bemühen uns, diese Ziele zu erreichen.<br />

Am Sabbat aber, so sagt die Tora,<br />

sollst du keinerlei Arbeit tun. Das<br />

heißt, an diesem Tag herrscht göttliche<br />

Ruhe. Es ist <strong>de</strong>r siebte Tag, das Schöpfungswerk<br />

ist getan, und Gott ruhte.<br />

Weil Adam <strong>de</strong>n göttlichen Atem eingeblasen<br />

bekam, <strong>de</strong>r ihm das Leben gab,<br />

darf er zum Mitschöpfer, zum Mitarbeiter<br />

Gottes wer<strong>de</strong>n. Er steht neben<br />

Gott, <strong>als</strong> es darum geht, <strong>de</strong>n Tieren Namen<br />

zu geben. So wie er sie benannte,<br />

so sollten sie heißen. Adam ist ein kleiner<br />

Mitschöpfer, er ist belebt durch<br />

göttlichen Atem. Deswegen darf er teilnehmen<br />

an <strong>de</strong>r göttlichen Ruhe. Ich zitiere<br />

Leo O’Donovan: „Arbeiten heißt<br />

Zwecke verfolgen. Der ‚Tag <strong>de</strong>s Herrn’<br />

aber ist <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r großen Aussparung<br />

aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s Funktionalismus. Er<br />

ist herausgesprengt aus <strong>de</strong>m Kontinuum<br />

<strong>de</strong>r Zeit und <strong>de</strong>r Zwecke. All dies<br />

gilt auch für <strong>de</strong>n Sonntag, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Sabbat<br />

<strong>de</strong>s Alten Testaments beerbt… Es<br />

lohnt sich, unsere Erfahrungen damit<br />

etwas näher zu untersuchen: Was tun<br />

wir eigentlich, wenn wir nicht arbeiten?<br />

Wir spielen, feiern, genießen… Streng<br />

genommen können wir niem<strong>als</strong> wirklich<br />

nichts tun. Was aber geschieht konkret,<br />

wenn wir nicht arbeiten, aber auch<br />

nicht nichts tun können? Der kurze Horizont<br />

<strong>de</strong>s gebückten Arbeiters weitet<br />

sich zum Gesichtsfeld <strong>de</strong>s Müßigen,<br />

<strong>de</strong>r nun Zeit hat, sich und seine Sachen<br />

zu be<strong>de</strong>nken. Der Sabbat ist <strong>de</strong>r Tag<br />

<strong>de</strong>r Nach<strong>de</strong>nklichkeit. Nach<strong>de</strong>nken: Im<br />

Geist die Ereignisse <strong>de</strong>r vergangenen<br />

Woche, die Geschehnisse <strong>de</strong>r verstrichenen<br />

Zeit nachfahren, diese Erfahrungen<br />

beurteilen und verwerten. Zusammenhänge<br />

wer<strong>de</strong>n oft nur erkennbar,<br />

wenn man auf Abstand geht. So<br />

entsteht eine parteiliche memoria. Wir<br />

bewerten unsere Taten ... Der Sabbat ist<br />

die Zeit <strong>de</strong>s Nach<strong>de</strong>nkens und eine Zeit<br />

<strong>de</strong>r großen Fragen: Woher komme ich?<br />

Woher kommen wir? Wie hat alles angefangen?<br />

So blicken wir zurück. Dann<br />

aber drehen wir <strong>de</strong>n<br />

» Weil wir <strong>de</strong>m Übernützlichen<br />

Raum geben, <strong>de</strong>swegen<br />

wer<strong>de</strong>n wir innovativ.<br />

Blick und schauen<br />

nach vorne. Jetzt<br />

sollte ich besser vom<br />

Sonntag re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m<br />

ersten Tag <strong>de</strong>r Woche, an <strong>de</strong>m alles in<br />

österliches Licht getaucht ist. Es ist <strong>de</strong>r<br />

Tag <strong>de</strong>r Auferstehung, <strong>de</strong>r prospektive<br />

Feiertag <strong>de</strong>r Zukunft. Jetzt fragen wir<br />

uns nach <strong>de</strong>n Zielen, <strong>de</strong>m großen Ziel<br />

unseres Lebens, und nach <strong>de</strong>n kleinen<br />

<strong>de</strong>r nächsten Woche. Bestimmte Fehler<br />

wer<strong>de</strong>n wir nicht mehr machen. Aber<br />

da sind Probleme zu lösen. Auf die Lösungen<br />

wären wir gewiss nicht gekommen,<br />

wenn wir nicht aus <strong>de</strong>r Umzingelung<br />

pausenloser Arbeit befreit wor<strong>de</strong>n<br />

wären. Für die Lösung brauchen wir<br />

Abstand, <strong>de</strong>n freien Kopf. Der Sabbat<br />

und <strong>de</strong>r Sonntag sind die Tage, an <strong>de</strong>nen<br />

sich gute I<strong>de</strong>en einstellen: Tag <strong>de</strong>r<br />

Innovation.“<br />

Der Sabbat hat <strong>als</strong>o einen paradoxen<br />

Effekt, <strong>de</strong>n O’Donovan das „Sabbatparadox“<br />

nennt. Gera<strong>de</strong> weil wir für<br />

eine Zeit das Nützliche suspendieren,<br />

weil wir <strong>de</strong>m Übernützlichen Raum geben,<br />

<strong>de</strong>swegen wer<strong>de</strong>n wir innovativ.<br />

Es ist kein Zufall, dass es die Hemisphäre<br />

<strong>de</strong>s monotheistischen, d. h. jüdisch-christlichen<br />

Kulturkreises gewesen<br />

ist, in <strong>de</strong>m schließlich maßstäblich<br />

auch <strong>de</strong>r technische Fortschritt, <strong>de</strong>r ja<br />

ohne Innovation, ohne Erfindung und<br />

ohne das Überspringen <strong>de</strong>r Schemata<br />

nicht möglich wäre, in Gang gekommen<br />

ist. Es gibt die These, dass das<br />

Christentum, weil die Christen sich<br />

vom Ist-Zustand abstoßen, so sehr daran<br />

gewöhnt ist und darauf geeicht ist,<br />

die Schemata zu transzendieren, dass<br />

es kein Wun<strong>de</strong>r ist, dass es in <strong>de</strong>r Kultur,<br />

die durch das Christentum und sein<br />

kontrafaktisches Denken imprägniert<br />

ist, auch <strong>de</strong>r zivilisatorische Fortschritt<br />

in Gang gekommen ist. Wenn wir die<br />

Predigt Jesu hören, wer<strong>de</strong>n die Schemata<br />

vor allem <strong>de</strong>swegen transzendiert,<br />

damit wir dahin kommen, die<br />

Liebe Gottes auf unsere Mitmenschen<br />

zu übertragen, sie nicht nach <strong>de</strong>m<br />

Tauschprinzip abzuurteilen, ihnen entgegenzugehen<br />

wie <strong>de</strong>r barmherzige Vater,<br />

ein Schema<br />

transzendieren <strong>als</strong>o<br />

im moralischen<br />

Sinn. Aber es ist<br />

nicht unplausibel,<br />

<strong>als</strong> Nebenfolge auch das gute Leben<br />

dadurch zu beför<strong>de</strong>rn, dass man die Natur<br />

immer besser kultiviert, so dass <strong>de</strong>r<br />

Hunger besiegt wer<strong>de</strong>n kann, dass man<br />

sich immer bessere Häuser baut und<br />

dass man intelligent daran arbeitet,<br />

<strong>de</strong>m Reich Gottes jetzt schon näher zu<br />

kommen und nicht zu warten, bis man<br />

gestorben ist. In diesem Sinn könnte<br />

das Christentum <strong>als</strong> eine Religion <strong>de</strong>s<br />

Fortschritts bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Ich<br />

INFO 34 · 2/2005


markiere nur das Problem, dass wir inzwischen<br />

auch die Skepsis gegen <strong>de</strong>n<br />

Fortschritt kennen, vor allem dort, wo<br />

sich die Verselbständigungen breit machen.<br />

Adam Smith spricht von <strong>de</strong>r „unsichtbaren<br />

Hand <strong>de</strong>s Marktes“. Er vertraut<br />

darauf, dass das freie Spiel von<br />

Angebot und Nachfrage, <strong>de</strong>r Wettbewerb,<br />

wie von selbst das gute Leben<br />

hervorzaubern müsste. Aber – so wie<strong>de</strong>r<br />

Leo O’Donovan – diese unsichtbare<br />

Hand <strong>de</strong>r Marktwirtschaft ist nicht<br />

automatisch die<br />

Hand Gottes. Nur<br />

zu gut kennen wir<br />

inzwischen die unsozialen<br />

Nebenfolgen eines entfesselten<br />

Liberalismus. Daher muss das<br />

System <strong>de</strong>s Marktes eine begleiten<strong>de</strong><br />

Außensteuerung erfahren. Es gibt gute<br />

Grün<strong>de</strong>, in unseren Flugzeugen neben<br />

<strong>de</strong>m „automatischen Piloten“ noch einen<br />

Menschen aus Fleisch und Blut sitzen zu<br />

haben, <strong>de</strong>r von Zeit zu Zeit <strong>de</strong>n Steuerknüppel<br />

selbst in die Hand nimmt.<br />

Was bringt uns die biblische Botschaft<br />

von <strong>de</strong>r Nützlichkeit <strong>de</strong>s Übernützlichen,<br />

die Lehre vom Sabbatparadox?<br />

Sie lehrt uns, in <strong>de</strong>r gegenwärtigen<br />

Hochkonjunktur <strong>de</strong>r Bildungsreform<br />

nicht blind auf die Mechanismen<br />

<strong>de</strong>s Marktes im Bildungswesen zu vertrauen.<br />

Unsere Schulen und Universitäten<br />

sind nicht dazu da, Geld zu verdienen.<br />

Sie können es sich leisten, im Interesse<br />

einer intelligenteren, weil langfristig<br />

klügeren und innovativen Strategie,<br />

Sabbatinseln vorzuhalten. Sie sind<br />

gera<strong>de</strong>zu verpflichtet, die so genannten<br />

weichen Fächer zu <strong>de</strong>n harten zu machen.<br />

Die harten Fächer setzen sich mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger schon von selbst durch, sie<br />

gehorchen <strong>de</strong>m automatischen Piloten.<br />

Wir, und da darf ich Sie <strong>als</strong> die Eltern,<br />

die ja über ihre Mitspracherechte<br />

eine große Mitverantwortung für unser<br />

Bildungssystem haben, direkt ansprechen<br />

und an Sie appellieren: Machen<br />

» Machen Sie das Übernützliche<br />

stark!<br />

Sie das Übernützliche stark! Es gibt gute<br />

Argumente, die Nützlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Übernützlichen zu betonen. Wer alles<br />

nur nach <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>rgründigen funktionalistischen<br />

Nutzen <strong>de</strong>s Beschäftigungssystems<br />

ausrichtet, wird am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Wirtschaft auch nicht helfen. Die<br />

Wirtschaft hat nämlich ein <strong>de</strong>utlich<br />

markierbares Problem. Es ist das Problem<br />

<strong>de</strong>r langen und <strong>de</strong>r kurzen Zeit.<br />

Es ist eine Tatsache, dass die Kapitalumlaufzeiten<br />

immer kürzer wer<strong>de</strong>n. In<br />

<strong>de</strong>n USA muss das<br />

Management schon<br />

nach einem viertel<br />

Jahr schwarze Zahlen<br />

schreiben, sonst bekommt es ein<br />

Problem. Wer nur in kurzen Fristen<br />

<strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r verspeist auch schon mal<br />

sein Saatgut. Auch die Produktionszyklen<br />

und <strong>de</strong>r Warenumlauf wer<strong>de</strong>n immer<br />

kürzer. Weil <strong>de</strong>r Grundmotor allen<br />

Wirtschaftens, <strong>de</strong>r Wettbewerb, <strong>de</strong>n<br />

Schnellsten belohnt, hat das System <strong>de</strong>r<br />

Marktwirtschaft hier eine Schwachstelle,<br />

sie belohnt nicht Nachhaltigkeit.<br />

Unsere Kin<strong>de</strong>r brauchen aber nun mal<br />

ihre 18, 19, 20 Jahre, manche brauchen<br />

noch sehr viel länger, bis sie erwachsen<br />

wer<strong>de</strong>n. Wir können zwar die Gymnasialzeit<br />

um ein Jahr verkürzen, aber beliebig<br />

ist die Schulzeit nicht zu verknappen.<br />

Wenn wir in <strong>de</strong>r Pubertät und<br />

danach unsere Kin<strong>de</strong>r in das Beschäftigungssystem<br />

schubsen und meinen, damit<br />

die Ausbildung grundlegend zu verbessern,<br />

dann kann es sein, dass am En<strong>de</strong><br />

ihrer Schulzeit, und erst Recht nach<br />

<strong>de</strong>m Studium, das Beschäftigungssystem<br />

bei <strong>de</strong>r enormen Verän<strong>de</strong>rungsgeschwindigkeit,<br />

<strong>de</strong>r es unterliegt, schon<br />

wie<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>rs aussieht. Deswegen<br />

muss die Schule auf nachhaltige Qualifikationen<br />

drängen, und <strong>de</strong>swegen muss<br />

sie Nachhaltigkeit anstreben und damit<br />

eine Schwachstelle <strong>de</strong>s ökonomischen<br />

Systems auszugleichen suchen. Als katholische<br />

Eltern wird Sie nicht stören –<br />

im Gegenteil, es müsste Sie eigentlich<br />

freuen – wenn das, worüber sich <strong>de</strong>r liebe<br />

Gott freut, nämlich die Annäherung an<br />

das Reich Gottes, vorankommt. Ein menschenfreundlicher<br />

Gott freut sich auch<br />

über die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen. Wenn wir<br />

bei Jesus lernen können, wie nützlich das<br />

kreative Überspringen <strong>de</strong>r Schemata sein<br />

kann, dann wer<strong>de</strong>n wir uns auch daran erinnern,<br />

dass <strong>de</strong>r so erzeugte technische<br />

Fortschritt, von <strong>de</strong>m ich behaupte, dass er<br />

mit <strong>de</strong>m Sabbatparadox zusammenhängt,<br />

auch unseren Mitmenschen nützt.<br />

Von Jesus haben wir gehört: „Der Sabbat<br />

ist für <strong>de</strong>n Menschen da.“<br />

Dr. Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s<br />

Dezernats Schule und Hochschule im<br />

Bischöflichen Ordinariat <strong>de</strong>s Bistums<br />

Limburg.<br />

Veröffentlichungen<br />

Nordhofen, Eckhard: Die Mädchen, <strong>de</strong>r Lehrer und <strong>de</strong>r<br />

liebe Gott. Roman. (UB 18022). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />

Reclam. 1999. 232 S. (ISBN 3-15-018022-8)<br />

Nordhofen, Eckhard (Hg.): Bil<strong>de</strong>rverbot. Die Sichtbarkeit<br />

<strong>de</strong>s Unsichtbaren. – Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh.<br />

2001. 192 S. (ISBN 3-506-73784-8)<br />

Nordhofen, Eckhard (Hg.): Erlebte Religion. Biographische<br />

Skizzen. – Frankfurt: Verlag Josef Knecht. 2003.<br />

135 S. (ISBN 3-7820-0873-1)<br />

Nordhofen, Eckhard/Oesterreich, Peter L./Eckert, Michael:<br />

Religion und Rationalität. – Würzburg: Verlag Königshausen<br />

& Neumann. 2000. 162 S. (ISBN 3-8260-<br />

1781-1)<br />

Nordhofen, Eckhard/Schimmöller, Klaus/Sternberg, Thomas<br />

(Hg.): Das Bildungspotenzial <strong>de</strong>s Religionsunterrichts.<br />

(Material aus <strong>de</strong>m Franz Hitze Haus; 37) – Münster:<br />

Katholisch-Soziale Aka<strong>de</strong>mie Franz Hitze Haus.<br />

1999. 80 S. (ISBN 3-930322-19-6)<br />

Nordhofen, Eckhard/Schimmöller, Klaus/Sternberg, Thomas<br />

(Hg.): Religionsunterricht macht Schule stark. Qualität<br />

entwickeln in Schule und Religionsunterricht (Material<br />

aus <strong>de</strong>m Franz Hitze Haus; 47) – Münster: Katholisch-Soziale<br />

Aka<strong>de</strong>mie Franz Hitze Haus. 2001. 57 S.<br />

(ISBN 3-930322-37-4)<br />

Martens, E./Nordhofen, E./Siebert, J. (Hg.): Philosophische<br />

Meisterstücke I (UB 9735). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />

Reclam. 168 S. (ISBN 3-15-009735-5)<br />

Martens, E./Nordhofen, E./Siebert, J. (Hg.): Philosophische<br />

Meisterstücke II (UB 18152). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />

Reclam. 212 S. (ISBN 3-15-018152-6)<br />

BEITRÄGE<br />

89<br />

INFO 34 · 2/2005


Wie man richtig in <strong>de</strong>r Schule lernt<br />

Volker La<strong>de</strong>nthin<br />

BEITRÄGE<br />

90<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n soll nicht allgemein<br />

über das Lernen gesprochen wer<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn über bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen und<br />

über Lernen in <strong>de</strong>r Schule, über Lernen<br />

aus pädagogischer Sicht. 1 Es geht <strong>als</strong>o<br />

nicht darum zu beschreiben, wie jemand<br />

irgendwo irgen<strong>de</strong>twas lernt, son<strong>de</strong>rn<br />

wie Jugendliche in <strong>de</strong>r Institution<br />

Schule so lernen, dass dies zu ihrer Bildung<br />

beiträgt. 2<br />

1. Was heißt „Lernen“ –<br />

aus laienhafter Perspektive?<br />

Im Alltag versteht man unter „Lernen“<br />

„Auswendiglernen“, Memorieren.<br />

Zu<strong>de</strong>m versteht man ausschließlich<br />

„Kenntnisse“ <strong>als</strong> Ergebnis <strong>de</strong>s Lernens.<br />

Und man verwechselt Lehren mit<br />

Dozieren. Man glaubt, bei <strong>de</strong>r Lehre<br />

sei <strong>de</strong>r Lehrer aktiv und <strong>de</strong>r Schüler<br />

passiv. Die unzureichen<strong>de</strong> Kenntnis<br />

über das Lernen führt zu Empfehlungen,<br />

die ihrerseits unzureichend sind<br />

und dann nach ein paar Jahren genau<br />

gegenteilige Empfehlungen – und daher<br />

wie<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong> – aufkommen<br />

lassen: Weil man merkt, dass<br />

man mit auswendig gelerntem Wissen<br />

keine unbekannten Probleme lösen<br />

kann, verfällt man darauf, die Metho<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Problemlösens zu lehren. Freilich<br />

kann man dies nur lernen, in<strong>de</strong>m<br />

man Probleme löst – und diese sind<br />

fachlicher Natur und bedürfen <strong>de</strong>r Präsenz<br />

<strong>de</strong>s Wissens, um überhaupt erkannt<br />

zu wer<strong>de</strong>n. Also wie<strong>de</strong>r: Auswendig<br />

lernen! Aber man merkt, dass<br />

man beim Auswendiglernen nicht<br />

lernt, das zu tun, was man gelernt hat.<br />

Also erfin<strong>de</strong>t man das handlungsorientierte<br />

Lernen, das implizite Lernen.<br />

Aber wenn man gar nicht weiß, was<br />

man weiß – dann muss man wie<strong>de</strong>r<br />

auswendig lernen und so weiter. Man<br />

gerät in <strong>de</strong>n Teufelskreis f<strong>als</strong>cher<br />

Lerntheorien.<br />

Der Teufelskreis <strong>de</strong>s f<strong>als</strong>chen<br />

Lernens<br />

beiläufig<br />

lernen<br />

V<br />

V<br />

Inhalte lernen<br />

Metho<strong>de</strong>n lernen<br />

auswendig<br />

lernen<br />

Immer glaubt man, in einer dieser<br />

Richtungen das letzte Heil zu fin<strong>de</strong>n:<br />

Dabei weiß je<strong>de</strong>r Lehrer,<br />

– dass man Metho<strong>de</strong>n nur an Inhalten<br />

lernen kann,<br />

– dass man Inhalte nur durch Metho<strong>de</strong>n<br />

erschließt,<br />

– dass das Auswendiglernen von Inhalten<br />

nicht einmal ausreicht, um<br />

schlichte Alltagsprobleme zu lösen:<br />

Man wür<strong>de</strong> nicht einmal nach Hause<br />

fin<strong>de</strong>n, wenn eine Straße, die<br />

man gewöhnlich fährt, gesperrt ist.<br />

– Und wir wissen, dass wir mehr lernen<br />

müssen, <strong>als</strong> wir anwen<strong>de</strong>n können<br />

– allein schon <strong>de</strong>shalb, damit<br />

wir die jeweils beste Lösung auswählen<br />

können.<br />

Als Lösung wird dann häufig empfohlen,<br />

das Lernen zu lernen. <strong>Diese</strong><br />

Empfehlung ist recht unbedacht – <strong>de</strong>nn<br />

um das Lernen zu lernen, muss man<br />

schon lernen können: Die Empfehlung<br />

for<strong>de</strong>rt auf, etwas zu lernen, was man<br />

schon kann: das Lernen.<br />

Sieht man sich dann die Literatur<br />

zum Themen „Lernen <strong>de</strong>s Lernens“ an,<br />

merkt man schnell, dass auch gar nicht<br />

das Lernen gelehrt wird, son<strong>de</strong>rn bestimmte<br />

Lerntechniken, Hantierungen:<br />

V<br />

V<br />

Karteikästen zum Vokabel-Lernen, Vortragstechniken,<br />

Memoriertechniken,<br />

Mindmaps, das Anfertigen von Exzerpten<br />

o<strong>de</strong>r Mitschriften.<br />

Nur: All diese schönen und nützlichen<br />

Dinge begleiten nur <strong>de</strong>n eigentlichen<br />

Lernvorgang, ersetzen ihn nicht:<br />

Der Besitz <strong>de</strong>s Karteikasten ersetzt<br />

nicht <strong>de</strong>n gedanklichen Lernvorgang.<br />

Lernen meint das Herausfin<strong>de</strong>n einer<br />

bisher unbekannten Wahrheit, meint<br />

die Prüfung eines Sachverhalts, meint<br />

die Frage nach Ursachen und Konsequenzen,<br />

nach <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>kommen,<br />

nach <strong>de</strong>r Reichweite, <strong>de</strong>m Gewicht einer<br />

Aussage, nach <strong>de</strong>m Zentrum <strong>de</strong>r Aussage,<br />

nach <strong>de</strong>n gültigen Argumenten.<br />

All das sind Inhalte <strong>de</strong>s Denkens,<br />

die man nicht durch Techniken <strong>de</strong>s<br />

Sortierens ersetzen kann. Das Lernen<br />

kann man nicht lernen – weil man es<br />

immer schon kann. Könnte man es<br />

nicht immer schon, dann könnte man es<br />

auch nicht lernen.<br />

2. Erfahrungsorientiertes Lernen<br />

Ausgehen möchte ich vom beiläufigen<br />

Lernen im Alltag. <strong>Diese</strong>s Lernen<br />

ist sehr erfolgreich: Wenn man sich vor<br />

einer Urlaubsreise auf <strong>de</strong>n Besuch einer<br />

Touristenattraktion vorbereitet, dann<br />

lernt man etwa die Sehenswürdigkeiten<br />

nicht auswendig und lässt sie vom Ehepartner<br />

abfragen. Man liest vielmehr<br />

einen Reiseführer, mehrere Reiseführer<br />

– und ohne dass man eigens tätig<br />

wird, weiß man nun, was man sehen<br />

will. Man macht einen kleinen Spickzettel,<br />

um zeitsparend, bequem und<br />

kostengünstig auf kürzestem Weg von<br />

einer Sehenswürdigkeit zur an<strong>de</strong>ren zu<br />

gelangen – und man nimmt <strong>de</strong>n Reiseführer<br />

unterwegs mit, um vor Ort Details<br />

nachzulesen.<br />

Man merkt gar nicht, dass man<br />

lernt. Man lernt nicht systematisch aus-<br />

INFO 34 · 2/2005


wendig, son<strong>de</strong>rn es interessiert einen<br />

etwas, und <strong>de</strong>shalb hat man es geistig<br />

präsent. Das so erworbene Wissen ist<br />

sogar recht geordnet – und selbst wenn<br />

man nach einer Stadttour völlig erschöpft<br />

ist, hat man behalten, wie einen<br />

die bei<strong>de</strong>n Japanerinnen auf Englisch<br />

darum baten, sie vor <strong>de</strong>m Bran<strong>de</strong>nburger<br />

Tor zu fotografieren. Selbst bei Müdigkeit<br />

lernt man weiter und behält Dinge<br />

gut. Man lernt, weil einem wichtig<br />

ist, was man lernen will, weil das, womit<br />

man sich beschäftigt, mit einem<br />

selbst zu tun hat. Es geht dabei um die<br />

eigenen Ziele, um das eigene Leben. Es<br />

geht um die eigene Zeit, die man sinnvoll<br />

nutzen will. Genau <strong>de</strong>swegen ist<br />

Lernen im Alltag so erfolgreich.<br />

Dies ist alles Lernen – nur eben unterschie<strong>de</strong>n<br />

vom schulischen Lernen.<br />

Was aber ist schulisches Lernen?<br />

3. Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Schule<br />

3.1 Was heißt „Lernen“ – aus bildungstheoretischer<br />

Perspektive?<br />

In <strong>de</strong>r Schule geht es um Bildung.<br />

Darunter versteht man ein gültiges<br />

sachliches und sittliches Umgehen mit<br />

<strong>de</strong>r Welt, <strong>de</strong>n Mitmenschen und sich<br />

selber, damit das Leben gelingen kann.<br />

Das, was wir in <strong>de</strong>r Schule lernen<br />

lassen, muss richtig und wichtig sein.<br />

Alles, was diesen bei<strong>de</strong>n Ansprüchen<br />

nicht genügt, gehört nicht in die Schule.<br />

Man muss es nicht lernen. Warum<br />

soll man etwas lernen, was nicht zum<br />

Gelingen <strong>de</strong>s Lebens beiträgt?<br />

<strong>Diese</strong> bei<strong>de</strong>n Aspekte (richtig und<br />

wichtig) haben aber umgekehrt für das<br />

Lehren eine ungeheuere Be<strong>de</strong>utung:<br />

Was wir in <strong>de</strong>r Schule lehren, muss<br />

nicht nur richtig sein, wir müssen es<br />

auch so lehren, dass <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s<br />

Gelernten zum Gelingen <strong>de</strong>s Lebens<br />

<strong>de</strong>utlich wird. Wenn die Schüler in <strong>de</strong>r<br />

Schule das lernen sollen, was zum Gelingen<br />

<strong>de</strong>s Lebens beiträgt, dann müssen<br />

die Lehrer aber auch alles so lehren,<br />

dass <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s Gelernten zum Gelingen<br />

<strong>de</strong>s Lebens vom einzelnen Schüler<br />

erkannt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In manchen Fächern<br />

ist das einfach: Man<br />

muss die Fußballregeln<br />

kennen, damit man fair<br />

Fußball spielen kann.<br />

Das Spiel gelingt nur,<br />

wenn man die Regeln<br />

kennt. Und Fußball gehört<br />

– zumin<strong>de</strong>st für<br />

Männer – zum Leben.<br />

Auch in <strong>de</strong>n Fremdsprachen<br />

ist <strong>de</strong>r Anspruch<br />

an die Lehre recht einfach<br />

zu erfüllen: Die populäre<br />

Musik, die Computersprache,<br />

die Verkehrssprachen<br />

in vielen<br />

Berufen sind fremdsprachlich<br />

mitbestimmt<br />

– und man wür<strong>de</strong> sich<br />

einfach in unserer Umwelt<br />

nicht zurechtfin<strong>de</strong>n,<br />

wenn man kein<br />

Wort Englisch könnte.<br />

Und wenn man keine<br />

Ahnung von physikalischen<br />

Gesetzmäßigkeiten hätte, glaubte<br />

man vielleicht, durch mehrfaches<br />

Ein- und Ausschalten <strong>de</strong>s Fernsehers<br />

könnte man einen Defekt in <strong>de</strong>r Elektronik<br />

beseitigen. Kurz: Wir lernen, damit<br />

das Leben gelingt.<br />

Aber das Problem liegt woan<strong>de</strong>rs:<br />

Schulisches Lernen ist Vorratslernen:<br />

Man lernt für eine Situation, die man<br />

noch nicht kennt, die man noch nicht<br />

kennen kann, weil man noch nicht im<br />

Berufsleben steht. Und genau hier liegt<br />

das Problem: Niemand liest jetzt einen<br />

Reiseführer von New York, wenn er<br />

weiß, dass er vielleicht in sechs, sieben<br />

Jahren einmal dorthin fahren könnte.<br />

Von unseren Schülern verlangen wir<br />

aber genau dies. Sie sollen jetzt lernen,<br />

was sie vielleicht in ein, zwei, ja fünf<br />

o<strong>de</strong>r sechs Jahren gebrauchen können.<br />

Und was passiert? Das Unwahrscheinliche<br />

geschieht: Die meisten<br />

Schüler lernen, was sie im Augenblick<br />

gar nicht brauchen. Sie machen dies,<br />

weil sie Vertrauen in die schulische<br />

Lehre haben: Sie haben ein starkes<br />

Vertrauen darauf, dass das, was sie da<br />

lernen, auch dann einen Sinn für sie<br />

Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

hat, wenn sie selbst diesen Sinn nicht<br />

kennen o<strong>de</strong>r einsehen.<br />

Nun darf man dieses Vertrauen nicht<br />

missbrauchen! Und man muss diesem<br />

Vertrauen gerecht wer<strong>de</strong>n. So ist vor<br />

allem Unterricht je<strong>de</strong>s Mal die Frage zu<br />

stellen: Brauchen die Kin<strong>de</strong>r das, was<br />

gelehrt wer<strong>de</strong>n soll, damit ihr Leben<br />

gelingt? Und es muss so unterrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n, dass Schüler spüren, dass sie<br />

dieses Vertrauen haben dürfen, dass sie<br />

<strong>de</strong>m Lehrer, <strong>de</strong>r Schule zu Recht vertrauen.<br />

Schulisches, auf Bildung bezogenes<br />

Lernen heißt <strong>als</strong>o: Vorratslernen<br />

im Vertrauen darauf, dass das, was man<br />

zu lernen bekommt, einst be<strong>de</strong>utsam<br />

für <strong>de</strong>n Lerner sein wird.<br />

Lernen in <strong>de</strong>r Schule heißt: Etwas<br />

zu lernen, was Sinn macht. <strong>Diese</strong>r Sinn<br />

muss einsehbar sein, er muss nicht nur<br />

prinzipiell eingesehen wer<strong>de</strong>n können,<br />

er muss aktuell auch eingesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Lernen geschieht im Vertrauen darauf,<br />

dass auch das für das Gelingen<br />

<strong>de</strong>s Lebens sinnvoll ist, was nicht unmittelbar<br />

sinnvoll erscheint. Die Berechtigung<br />

zu diesem Vertrauen muss beim<br />

Lernen gezeigt o<strong>de</strong>r gespürt wer<strong>de</strong>n.<br />

BEITRÄGE<br />

91<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

92<br />

3.2 Was heißt „Lernen“ – aus<br />

schultheoretischer Perspektive?<br />

Nun gilt diese Min<strong>de</strong>stbestimmung<br />

für bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen auch für das Lernen<br />

im Elternhaus. Die Kin<strong>de</strong>r vertrauen<br />

darauf, dass das, was die Eltern erklären,<br />

be<strong>de</strong>utsam für das eigene Leben<br />

ist. Das Spezifikum von Schule ist noch<br />

nicht erreicht. Schulen sollen nicht <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart dienen, son<strong>de</strong>rn auf die Zukunft<br />

vorbereiten. Schulen sollen nicht<br />

auf einen speziellen Beruf vorbereiten,<br />

son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Einzelnen zu je<strong>de</strong>m Beruf<br />

befähigen (d.h. ihn befähigen, einen<br />

Beruf seiner Wahl, eines seinen individuellen<br />

Möglichkeiten gemäß begrenzten<br />

Angebots selbst zu wählen und<br />

sinnvoll auszuüben). Das Lernen muss<br />

<strong>als</strong>o zukunftsorientiert und zugleich offen<br />

sein. Eine gute Schule tut nicht so,<br />

<strong>als</strong> wüsste sie, was die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Zukunft erwartet – und bereitet sie auf<br />

diese angeblich bekannte Zukunft vor.<br />

Eine gute Schule befähigt vielmehr ihre<br />

Schüler, diese Zukunft selbst gestalten<br />

zu können. 3<br />

Das hat Folgen für die Lerninhalte:<br />

Das, was man in <strong>de</strong>r Schule gelernt hat,<br />

muss nämlich systemoffen sein: Es<br />

muss ergänzt, revidiert, verbessert wer<strong>de</strong>n<br />

können. Es muss anwendungsoffen<br />

sein: Es muss für alle Zwecke verwendbar<br />

sein. Und es muss umgangsoffen<br />

sein: Es muss sittlich bewertet<br />

wer<strong>de</strong>n können. Nur wenn diese Ansprüche<br />

erfüllt sind, wird die Schule ihrer<br />

Aufgabe gerecht, nur dann bil<strong>de</strong>t die<br />

Schule dafür aus, möglichst viele Optionen<br />

bei <strong>de</strong>r Berufswahl offen zu halten.<br />

<strong>Diese</strong>s Ziel erreicht man, wenn das<br />

Lernen systematisch aufgebaut wird,<br />

fundamental, exemplarisch und elementar<br />

ausgerichtet ist und sich seines<br />

methodischen Charakters bewusst ist.<br />

3.3 Was heißt „Lernen“ – aus wissenstheoretischer<br />

Perspektive?<br />

<strong>Diese</strong>s soeben beschriebene Lernen<br />

unterschei<strong>de</strong>t sich vom Lernen in an<strong>de</strong>ren<br />

Epochen (<strong>de</strong>shalb ist es auch f<strong>als</strong>ch,<br />

vom Lernen an sich zu re<strong>de</strong>n). In früheren<br />

Zeiten bestand Wissen in <strong>de</strong>r Übernahme<br />

von Überliefertem. Der Schuster<br />

blieb bei seinen Leisten und nähte<br />

die Schuhe genau so, wie er es vom<br />

Meister abgeschaut hatte. Wer es an<strong>de</strong>rs<br />

machte, wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Handwerkergil<strong>de</strong><br />

ausgeschlossen.<br />

Mo<strong>de</strong>rnes Wissen ist ganz an<strong>de</strong>rs:<br />

Es ist bis in <strong>de</strong>n Alltag hinein wissenschaftlich<br />

bestimmt. Das hat Konsequenzen<br />

für das Lernen selbst. Das Lernen<br />

eines mittelalterlichen Handwerkes<br />

lief an<strong>de</strong>rs ab <strong>als</strong> das Lernen eines<br />

mo<strong>de</strong>rnen Fachmanns.<br />

Für uns mo<strong>de</strong>rne Menschen gilt nur<br />

<strong>als</strong> wahr, was vernünftig ist. Vernünftig<br />

ist etwas, wenn es mit überprüfbaren<br />

Metho<strong>de</strong>n <strong>als</strong> nachvollziehbar erwiesen<br />

wur<strong>de</strong>: Wir glauben nicht, dass<br />

es eine Erdanziehungskraft gibt, die auf<br />

alle Gegenstän<strong>de</strong> gleich stark einwirkt<br />

– son<strong>de</strong>rn man hat es überprüft. Man<br />

weiß es auf Grund methodischer Forschung.<br />

Kein Schriftgelehrter ordnet<br />

an, wie ein Gedicht zu verstehen ist,<br />

son<strong>de</strong>rn wir verstehen es, in<strong>de</strong>m wir es<br />

selbst lesen und dann unseren eigenen<br />

Verstand bemühen.<br />

Etwas gilt nur dann <strong>als</strong> wahr und<br />

gültig – wenn wir es selbst gedacht haben<br />

o<strong>de</strong>r prinzipiell <strong>de</strong>nken bzw. nach<strong>de</strong>nken<br />

könnten. Garant für die Vernünftigkeit<br />

(und damit Geltung) ist eine<br />

nachprüfbare Metho<strong>de</strong>. Wissen in<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne ist <strong>als</strong>o immer methodisch<br />

arbeiten<strong>de</strong>s Erkennen.<br />

Lernen in <strong>de</strong>r Schule ist immer mit<br />

einer Metho<strong>de</strong> verbun<strong>de</strong>n. Ein unmethodisches<br />

Lernen wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Anspruch<br />

von Schule auf intersubjektives<br />

Weltverständnis nicht gerecht. Es wür<strong>de</strong><br />

Kin<strong>de</strong>r nicht für die mo<strong>de</strong>rne Gegenwart<br />

vorbereiten. Wir wollen doch nicht,<br />

dass unsere Kin<strong>de</strong>r glauben, dass Wasser<br />

aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht:<br />

Wir wollen, dass sie es wissen. Das<br />

Aneignen <strong>de</strong>s Wissens – je<strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen<br />

Wissens – ist <strong>als</strong>o ein Erkenntnisakt.<br />

Lernen heißt dann: vernünftig erkennen.<br />

Lernen heißt: durch <strong>de</strong>n Verstand<br />

nach Regeln einsehen und selbsttätig<br />

ausführen können. Lernen heißt:<br />

eine Sache methodisch <strong>de</strong>nken können.<br />

Der methodisch reflektierte Zugang,<br />

zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Lehrer anleitet und<br />

auffor<strong>de</strong>rt, sichert, dass Schüler für je<strong>de</strong><br />

Art Zukunft gerüstet sind: Denn sie<br />

lernen in <strong>de</strong>r Schule (und nur in <strong>de</strong>r<br />

Schule), die Welt zu <strong>de</strong>nken. Sie lernen<br />

nicht die bekannte Welt auswendig,<br />

son<strong>de</strong>rn sie lernen, mit welchen Metho<strong>de</strong>n<br />

man die Welt verstehen und gestalten<br />

kann.<br />

Schulisches Lernen heißt: eine Sache<br />

systematisch und methodisch selbst<br />

<strong>de</strong>nken. Eine gute Schule ist die, in <strong>de</strong>r<br />

die Lehren<strong>de</strong>n die Lernen<strong>de</strong>n mit in die<br />

Metho<strong>de</strong> eines Faches nehmen und in<br />

dieser Metho<strong>de</strong> ihr Denken anstoßen,<br />

auslösen, för<strong>de</strong>rn, weiterführen.<br />

3.4 Was heißt „Lernen“ – aus unterrichtsmethodischer<br />

Perspektive?<br />

Es gibt <strong>als</strong>o min<strong>de</strong>stens zwei Metho<strong>de</strong>n<br />

im Unterricht, die für das Lernen<br />

be<strong>de</strong>utsam sind: Die Fachmetho<strong>de</strong><br />

– <strong>als</strong>o die Metho<strong>de</strong>, mittels <strong>de</strong>rer Schüler<br />

und Lehrer gemeinsam <strong>de</strong>n Gegenstand<br />

<strong>de</strong>nken. Mit dieser Metho<strong>de</strong> wird<br />

<strong>de</strong>r Gegenstand gelernt. Und die Unterrichtsmetho<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Lehrers, <strong>als</strong>o die<br />

Metho<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r er diesen methodischen<br />

Zugang zur Welt arrangiert.<br />

Das Lernen ist <strong>als</strong>o immer fachspezifisch:<br />

Um Geschichte zu <strong>de</strong>nken, muss<br />

man Überreste o<strong>de</strong>r Quellen unter einer<br />

Fragestellung bearbeiten, um Antworten<br />

zu bekommen. Um die Welt physikalisch<br />

zu verstehen, muss man eine<br />

Frage entwickeln, die Natur nötigen,<br />

auf diese Frage zu antworten (<strong>als</strong>o ein<br />

Experiment aufbauen), um dann die<br />

Antwort zu formulieren. Um ein Gedicht<br />

zu verstehen, müssen wir die Differenz<br />

zwischen faktisch und fiktional<br />

kennen, müssen Textgenres kennen,<br />

über die Be<strong>de</strong>utungsvielfalt von Metaphern<br />

Bescheid wissen und <strong>de</strong>n Text<br />

immer wie<strong>de</strong>r unter vielerlei Fragestellungen<br />

aufnehmen. Das Lernen geschieht<br />

in je<strong>de</strong>m Fach an<strong>de</strong>rs: Es gibt<br />

kein Lernen an sich, son<strong>de</strong>rn nur eine<br />

methodische Bearbeitung <strong>de</strong>r Welt.<br />

<strong>Diese</strong> Metho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Fächern<br />

und nur dort entwickelt. Es gibt<br />

keine fachübergreifen<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n.<br />

Auch das Lesen ist z.B. keine fachübergreifen<strong>de</strong><br />

Kompetenz: Denn schon das<br />

INFO 34 · 2/2005


Lesen eines Gedichts unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

vom Lesen eines Textes, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Versuchsaufbau in <strong>de</strong>r Physik beschrieben<br />

wird.<br />

Um das Lernen im Unterricht angemessen<br />

und optimal zu gestalten, muss<br />

man <strong>als</strong>o diejenigen Fachmetho<strong>de</strong>n bestimmen,<br />

<strong>de</strong>ren Anwendung zum vernünftigen<br />

Denken <strong>de</strong>r Inhalte <strong>de</strong>s Faches<br />

führen. Man kann in <strong>de</strong>r Gegenüberstellung<br />

f<strong>als</strong>cher und richtiger Metho<strong>de</strong>n<br />

f<strong>als</strong>ches und richtiges Lernen<br />

voneinan<strong>de</strong>r abgrenzen:<br />

– Man lernt nicht religiös zu <strong>de</strong>nken,<br />

wenn man einen Text aus <strong>de</strong>m Religionsbuch<br />

zusammenfasst.<br />

Man lernt religiös zu <strong>de</strong>nken,<br />

wenn man die Welt <strong>de</strong>s Lebens und<br />

<strong>de</strong>s Wissens unter spezifischen Aspekten<br />

– z.B. <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>r<br />

Endlichkeit <strong>de</strong>s Menschen o<strong>de</strong>r<br />

nach <strong>de</strong>n Antworten <strong>de</strong>r Offenbarung<br />

– betrachtet und Antworten zu<br />

<strong>de</strong>n Fragen selbsttätig formulieren<br />

kann.<br />

– Man lernt nicht eine Sprache, wenn<br />

man einen Text aus <strong>de</strong>r Grammatik<br />

liest und Regeln auswendig lernt.<br />

Man lernt eine Sprache vielmehr,<br />

wenn man Sätze in dieser<br />

Sprache hört und liest, die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />

herausfin<strong>de</strong>t und beschreibt,<br />

sie <strong>als</strong> Regel formuliert,<br />

um dann selbst Sätze analog zu diesen<br />

Beispielen nach diesen Regeln<br />

zu formulieren und immer wie<strong>de</strong>r<br />

anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

3.5 Was heißt „Lernen“ – aus didaktischer<br />

Perspektive?<br />

Lernen ist das systematische Erkennen<br />

<strong>de</strong>r Welt. Das heißt aber nicht, dass<br />

<strong>de</strong>r zeitliche Ablauf <strong>de</strong>s Lernens <strong>de</strong>r<br />

Logik einer Sachsystematik folgt. Dann<br />

nämlich müsste man im Biologieunterricht<br />

im ersten Schuljahr <strong>de</strong>r Grundschule<br />

mit <strong>de</strong>r Zelle beginnen: Aus ihr<br />

setzt sich bekanntlich alles Leben zusammen.<br />

Der wissenschaftsorientierte Unterricht<br />

hat diesen Fehler gemacht: In <strong>de</strong>r<br />

Verwechslung von gegenstandskonstituieren<strong>de</strong>r<br />

Fachmetho<strong>de</strong> und Lernmetho<strong>de</strong><br />

glaubte er, <strong>de</strong>n Unterricht nach<br />

<strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r Wissenschaft gestalten<br />

zu müssen. Es war grundf<strong>als</strong>ch, <strong>als</strong> man<br />

versuchte, Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n durch<br />

fachwissenschaftliche Metho<strong>de</strong>n zu ersetzen.<br />

Pädagogisch gestaltet sich Lernen<br />

an<strong>de</strong>rs: Ausgehend vom Vorwissen stellt<br />

<strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> die methodisch notwendigen<br />

Fragen im Horizont seiner ganz<br />

speziellen Schülerklientel.<br />

Im Lehrgang wer<strong>de</strong>n dabei die geschichtlichen<br />

Erfahrungen <strong>de</strong>r Menschen<br />

mit einem entsprechen<strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

so konzentriert, dass man, was<br />

in <strong>de</strong>r Geschichte viele Jahre gedauert<br />

hat, in wenigen Minuten lernen kann:<br />

Die Er<strong>de</strong> dreht sich um die Sonne.<br />

Gleichwohl muss auch Schule Erfahrungslernen<br />

selbst zulassen – schon allein<br />

<strong>de</strong>shalb, damit sich <strong>de</strong>r Schüler<br />

beim Umgang mit Erfahrungen kennen<br />

lernt, erproben und verbessern kann. 4<br />

Bei<strong>de</strong>s gehört <strong>als</strong>o in die Schule:<br />

das Lernen im Lehrgang und die Möglichkeit,<br />

das Lernen <strong>als</strong> Erfahrung zu<br />

verarbeiten. 5<br />

– Natürlich wird man im Chemieunterricht<br />

Experimente so auswählen<br />

und inszenieren, dass das gewünschte<br />

Ergebnis erkannt, d.h. gelernt wer<strong>de</strong>n<br />

kann.<br />

– Es muss aber zugleich möglich<br />

sein, dass Schüler sich selbst auf die<br />

schwierige Suche nach einem passen<strong>de</strong>n<br />

Experiment begeben, die Irrwege<br />

gehen und Irrtümer einsehen<br />

– und so die Be<strong>de</strong>utung erkennen, die<br />

in vorstrukturiertem Lernen liegt.<br />

Die Differenz von Erfahrung und<br />

schulischem Lernen muss Gegenstand<br />

schulischen Lernens sein.<br />

3.6 Was heißt „Lernen“ – aus<br />

hermeneutischer Perspektive?<br />

Nach<strong>de</strong>m ich nun das Ziel schulischen<br />

Lernens beschrieben habe, möchte<br />

ich <strong>de</strong>n Lernvorgang noch genauer<br />

betrachten. Was heißt es, wenn man<br />

sagt, man hat ein Gedicht verstan<strong>de</strong>n?<br />

Was heißt es, wenn man sagt, man habe<br />

eine mathematische Formel verstan<strong>de</strong>n?<br />

Wann versteht man Newtons Gesetze?<br />

Nun sicherlich nicht, wenn man<br />

die Dinge auswendig gelernt hat. Wir<br />

können nämlich sinnentleert re<strong>de</strong>n. Verstan<strong>de</strong>n<br />

haben wir eine Sache aber auch<br />

nicht, wenn wir das, was ein Lehren<strong>de</strong>r<br />

vormacht, nachmachen können. Son<strong>de</strong>rn<br />

verstan<strong>de</strong>n haben wir eine Sache,<br />

wenn wir sie eigenständig rekonstruieren<br />

können. Nur wenn uns jemand das<br />

Gedicht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Versuchsaufbau in<br />

eigenen Worten erklären kann, dann<br />

können wir sagen: Er hat die Sache verstan<strong>de</strong>n.<br />

Verstan<strong>de</strong>n hat <strong>als</strong>o jemand eine<br />

Sache, wenn er sie selber <strong>de</strong>nkt. Man<br />

hat verstan<strong>de</strong>n, wie man einen Lebenslauf<br />

schreibt, wenn man einen Lebenslauf<br />

allein schreiben kann. Man fin<strong>de</strong>t<br />

sich in Deutschland zurecht, wenn man<br />

die nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsche Tiefebene von <strong>de</strong>r<br />

Mittelgebirgsregion und diese von <strong>de</strong>r<br />

Hochgebirgsregion unterschei<strong>de</strong>n kann<br />

und grob in einer Skizze eigenhändig<br />

lokalisieren kann. Man hat <strong>als</strong>o nicht<br />

einfach eine „Sache“ im geistigen Besitz<br />

– das geht gar nicht: Son<strong>de</strong>rn man<br />

muss eine Sache <strong>de</strong>nken – <strong>de</strong>nn diese<br />

Sache ist uns ja nie unmittelbar gegeben.<br />

Wir <strong>de</strong>nken sie ja ausschließlich.<br />

Wir kennen eine Sache <strong>als</strong>o immer nur<br />

unter <strong>de</strong>r Art und Weise, wie wir uns<br />

ihr nähern.<br />

Wir kennen eine Sache <strong>als</strong>o immer<br />

so weit, wie wir uns ihr nähern. Eine<br />

Sache besteht für uns immer nur aus<br />

<strong>de</strong>m, wie wir etwas konstruieren. Für<br />

das Denken <strong>de</strong>r Neuzeit gilt, was ich<br />

bei <strong>de</strong>r Zielangabe gesagt habe: Eine<br />

Sache ist nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> das Ergebnis<br />

einer Metho<strong>de</strong>. Die Gültigkeit einer<br />

Sache entsteht für uns erst in einer Metho<strong>de</strong>.<br />

Die Gültigkeit einer Sache entsteht<br />

für uns erst aus <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>.<br />

Bezugspunkt <strong>de</strong>s Unterrichts sind<br />

<strong>als</strong>o nicht die Dinge, son<strong>de</strong>rn nur die<br />

Dinge <strong>als</strong> Produkt ihrer jeweiligen Metho<strong>de</strong>n.<br />

Wir lehren nicht die Umschreibung<br />

mit to do, son<strong>de</strong>rn wir for<strong>de</strong>rn<br />

Lerner auf, einen methodischen Weg<br />

zu fin<strong>de</strong>n, wie im Englischen Fragen<br />

formuliert wer<strong>de</strong>n. Gegenstand <strong>de</strong>s<br />

BEITRÄGE<br />

93<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

94<br />

Unterrichts ist das Denken <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s.<br />

Sofern dieses Denken intersubjektiv<br />

und nachvollziehbar ist, nennen<br />

wir es Metho<strong>de</strong>.<br />

Unterricht heißt <strong>als</strong>o: Den Lerner<br />

auf methodische Weise dazu auffor<strong>de</strong>rn,<br />

methodisch zu <strong>de</strong>nken. Wir müssen<br />

uns immer bewusst machen, dass<br />

wir Lernern nicht Wissen vermitteln,<br />

son<strong>de</strong>rn „Das Denken von Etwas“.<br />

Schulische Bildung ist <strong>als</strong>o immer<br />

<strong>als</strong> Weg zum Wissen zu <strong>de</strong>nken. Was<br />

wir nicht selbst <strong>de</strong>nken, was wir nicht<br />

mitgedacht haben – was wir nur gepaukt,<br />

auswendig gelernt haben, das<br />

haben wir nach 14 Tagen wie<strong>de</strong>r vergessen.<br />

Wir müssen das zu Lernen<strong>de</strong> so<br />

mitteilen, dass <strong>de</strong>r Lerner es selber<br />

nicht nur <strong>de</strong>nkt, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> Produkt<br />

seines Denkens erkennt. Er muss merken,<br />

dass er etwas gelernt hat. Daraus<br />

folgt, dass je<strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> immer nur<br />

soweit lehren darf, wie <strong>de</strong>r Lerner<br />

selbsttätig folgen kann.<br />

Gleiche Lehre hat bekanntermaßen<br />

nicht gleiche Folgen. Lehre wirkt nicht<br />

kausal. Die unterschiedlichen Noten in<br />

einer Klasse spiegeln dies allzu <strong>de</strong>utlich<br />

– gleicher Unterricht führt zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen. Gott sei<br />

Dank, möchte ich sagen, <strong>de</strong>nn es geht<br />

in Bildungsprozessen um das Individuum,<br />

<strong>de</strong>n Einzelnen.<br />

Wir alle haben unterschiedliche Vorkenntnisse,<br />

haben unterschiedliche Erfahrungen<br />

mit Wörtern und Begriffen gemacht,<br />

wir alle wollen Unterschiedliches<br />

– richten <strong>als</strong>o unsere Aufmerksamkeit<br />

auf verschie<strong>de</strong>ne Aspekte: Also nehmen<br />

wir auch aus gleichen Situationen Unterschiedliches<br />

mit. Das Vorwissen steuert<br />

die Aufnahme von neuem Wissen.<br />

Auch geht niemand, <strong>de</strong>r ein wenig<br />

sensibel ist, davon aus, dass Sprechen<br />

und Verstehen 1:1 geschieht: Wir müssen<br />

das, was <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re sagt, interpretieren;<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re löst mit seinen Worten<br />

Vorstellungen in uns aus; ob es die<br />

gleichen Vorstellungen sind, die <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re hatte, klären wir in Nachfragen,<br />

Rückfragen – eben im Gespräch. Die<br />

Vorstellungen <strong>de</strong>r Menschen sind und<br />

bleiben unterschiedlich, auch wenn sie<br />

gleiche Worte sagen.<br />

Erfolgreiches Lernen ist nie „Eintrichtern“<br />

o<strong>de</strong>r „Abrichten“, son<strong>de</strong>rn<br />

ein selbsttätiger Akt. Der Lerner wird<br />

angeleitet, selbst etwas einzusehen. Er<br />

kommt selbst drauf. Er kommt nicht allein<br />

drauf, aber eben selbst. Der Lehren<strong>de</strong><br />

leitet <strong>de</strong>n Lerner an, selbst zur<br />

Einsicht zu kommen.<br />

Lehren ist <strong>als</strong>o die Auffor<strong>de</strong>rung<br />

zur Selbsttätigkeit. Und Lernen ist diese<br />

Selbsttätigkeit. Man <strong>de</strong>nkt unter Anleitung<br />

die Sache. Und Denken kann<br />

man immer nur selbst.<br />

Wo er seinen Lerner zu Wissen<br />

bringt, dass dieser nicht selbsttätig mit<strong>de</strong>nkt,<br />

indoktriniert er; lehrt er totes<br />

Buchwissen; Paukstoff – von <strong>de</strong>m dann<br />

nur zu hoffen ist, dass er bald vergessen<br />

wird. In diesem Sinne gilt: Wahr ist<br />

nur, was ich <strong>de</strong>nken kann.<br />

Schulisches Lernen besteht aus<br />

vielerlei Tätigkeiten: etwas beobachten,<br />

hören, lesen, etwas vergleichen,<br />

zusammensetzen, auseinan<strong>de</strong>r nehmen.<br />

Argumente fin<strong>de</strong>n und formulieren;<br />

Beispiele suchen. Hypothesen bil<strong>de</strong>n,<br />

überprüfen, verwerfen. Worte für einen<br />

Sachverhalt fin<strong>de</strong>n, unpassen<strong>de</strong> Worte<br />

verwerfen und neue Worte suchen,<br />

wie<strong>de</strong>r verwerfen und bessere suchen.<br />

Das Durchstreichen von Worten, das<br />

Verbessern ist ein ganz zentraler<br />

Selbstlernvorgang. Es geht beim<br />

schulischen Lernen darum, die Gültigkeit<br />

einer Sache zu erweisen o<strong>de</strong>r<br />

zu verstehen. Dazu sind vielerlei allgemeingedankliche<br />

und fachspezifische<br />

Operationen notwendig. <strong>Diese</strong>s<br />

Lernen geschieht immer <strong>als</strong> Eigenaktivität.<br />

Es kann vom Lehrer nur ausgelöst,<br />

angeregt wer<strong>de</strong>n. Über das Lernen<br />

entschei<strong>de</strong>t <strong>als</strong>o letztlich <strong>de</strong>r Lerner.<br />

Lernen heißt, etwas methodisch<br />

selbst zu <strong>de</strong>nken, was Be<strong>de</strong>utung für<br />

das Gelingen meines jetzigen o<strong>de</strong>r zukünftigen<br />

Lebens hat. Und Lehren<br />

heißt: zu einem solchen methodischen<br />

und sinnorientierten Denken auffor<strong>de</strong>rn!<br />

Unterricht:<br />

Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />

so zu <strong>de</strong>nken, dass sie Sinn macht.<br />

4. Was heißt „Lernen“ – aus erziehungstheoretischer<br />

Perspektive?<br />

Ich hatte nun Bildung eingangs <strong>als</strong><br />

sachliches und sittlich gültiges Verhältnis<br />

zur Welt bestimmt. Über ein<br />

sachlich gültiges Verhältnis habe ich gesprochen<br />

– und auch darüber, wie man<br />

es lernt: nämlich durch Denken, d.h.<br />

durch selbsttätige Anwendung sachangemessener<br />

Metho<strong>de</strong>n.<br />

Aber es ist auch Aufgabe <strong>de</strong>r Schule,<br />

die Schüler zum Erlernen eines sittlich<br />

angemessenen Verhältnisses zur<br />

Welt aufzufor<strong>de</strong>rn. Hierfür gelten erst<br />

einmal die gleichen Regeln pädagogischen<br />

Lernens: Lernen muss Sinn machen,<br />

Lernen geschieht durch Einsicht.<br />

D.h. Lernen ist das Fin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verstehen<br />

einer Antwort auf eine <strong>als</strong> sinnvoll<br />

anerkannte Frage. Lernen heißt im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Erziehung, eine moralische<br />

Frage methodisch zu beantworten. 6<br />

Erziehung ist <strong>als</strong>o nicht Einfor<strong>de</strong>rn<br />

von Verhaltensregeln, Einüben von Verhaltensregeln,<br />

Strafen bei Missachtung<br />

<strong>de</strong>r Verhaltensregeln: Alle diese Maßnahmen<br />

mögen nötig sein; aber sie betreffen<br />

die Disziplin, nicht die Erziehung.<br />

Wann lernen wir, sittlich zu han<strong>de</strong>ln?<br />

Wir han<strong>de</strong>ln sittlich, wenn wir<br />

<strong>de</strong>n Wert bei unserem Han<strong>de</strong>ln bevorzugen,<br />

<strong>de</strong>r menschlich ist und zum Gelingen<br />

<strong>de</strong>s Lebens beiträgt.<br />

Schwarzarbeit schont zwar unsere private<br />

Geldbörse, schädigt aber die öffentliche<br />

Organisation <strong>de</strong>r Versorgung<br />

und die Möglichkeit <strong>de</strong>s Staates, Geld<br />

zu investieren. Wür<strong>de</strong>n alle Bürger<br />

schwarzarbeiten lassen, dann gäbe es<br />

am En<strong>de</strong> keine öffentliche Hand<br />

mehr, die unser Leben organisiert. Wir<br />

müssten viel mehr Geld bezahlen, um<br />

unseren Alltag zu organisieren.<br />

Wir werten:<br />

Schwarzarbeit ➜kurzfristiger Nutzen.<br />

Steuern bezahlen ➜langfristiger Nutzen.<br />

Wir be<strong>de</strong>nken die Folgen: Wenn wir<br />

human leben wollen, dann müssen wir<br />

unsere Welt zukunftssicher und lang-<br />

INFO 34 · 2/2005


fristig planen. Und: Unser Leben macht<br />

Sinn, wenn wir human leben.<br />

Moralischen Entscheidungen liegen<br />

vernünftige, d.h. methodische und<br />

d.h. lernbare Gedankenschritte zu Grun<strong>de</strong>:<br />

Man beschreibt min<strong>de</strong>stens zwei<br />

Handlungen, fragt nach <strong>de</strong>m Nutzen je<strong>de</strong>r<br />

dieser Handlungen, fragt, welcher<br />

Nutzen einem humanen Leben dient.<br />

Man fragt, ob dieser Aspekt <strong>de</strong>s humanen<br />

Lebens <strong>de</strong>r eigenen Vorstellung von<br />

einem sinnerfüllten Leben gerecht wird.<br />

Moralisches Lernen geschieht <strong>als</strong>o<br />

<strong>als</strong> ganz methodisches Denken. Man<br />

lernt Moralität, in<strong>de</strong>m man die aufgezeigte<br />

Metho<strong>de</strong> anwen<strong>de</strong>t. Moralisches<br />

Lernen ist „vernunftkausal“: D.h. durch<br />

das regelhafte, methodische Anwen<strong>de</strong>n<br />

von Vernunft kommen wir zu allgemeingültigen<br />

Aussagen.<br />

Nun kann man einwen<strong>de</strong>n: Die Kin<strong>de</strong>r<br />

wissen das, aber sie han<strong>de</strong>ln nicht<br />

danach. Das stimmt: Das ist bei Kin<strong>de</strong>rn<br />

nicht an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> bei uns selbst.<br />

<strong>Diese</strong>s Missverhältnis zwischen Wissen<br />

und Tun hängt damit zusammen,<br />

dass <strong>de</strong>r Entschluss, gemäß <strong>de</strong>r eigenen<br />

Einsicht zu han<strong>de</strong>ln, nicht schon mit<br />

<strong>de</strong>r Einsicht gegeben ist. Wir bedürfen<br />

eines Grun<strong>de</strong>s, warum wir <strong>de</strong>nn moralisch<br />

han<strong>de</strong>ln sollten. Wir bedürfen einer<br />

Haltung zu unserer vernünftigen<br />

Einsicht.<br />

Haltungen lernt man nur zum Teil<br />

„vernunftkausal“. <strong>Diese</strong> Haltung kann<br />

man nicht völlig durch Einsicht lernen,<br />

weil ja gera<strong>de</strong> die Bindung an das, was<br />

wir eingesehen haben, gelernt wer<strong>de</strong>n<br />

soll. Gleichwohl müssen wir eine Haltung<br />

erlernen – wir haben sie ja nicht<br />

angeboren. (Wäre sie angeboren, dann<br />

gäbe es keine Moral: Wenn Moral von<br />

<strong>de</strong>r genetischen Ausstattung abhängt,<br />

dann kann es keine Erziehung, aber<br />

auch keine Sittlichkeit geben, son<strong>de</strong>rn<br />

nur die Herrschaft <strong>de</strong>r Gruppe mit Moral<br />

über die an<strong>de</strong>re Gruppe ohne Moral<br />

– o<strong>de</strong>r umgekehrt.)<br />

Wie erlernen wir Haltungen? In<strong>de</strong>m<br />

wir Vorbil<strong>de</strong>rn nacheifern; in<strong>de</strong>m<br />

wir immer wie<strong>de</strong>r moralische Entscheidungen<br />

treffen; in<strong>de</strong>m wir an unseren<br />

kleinen moralischen Entscheidungen<br />

Gefallen fin<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir von<br />

einer Überzeugung, z.B. <strong>de</strong>r Religion,<br />

stimuliert wer<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir unseren<br />

eigenen Verstand so achten, dass wir<br />

uns an ihn bin<strong>de</strong>n.<br />

Wir erlernen Haltungen, in<strong>de</strong>m wir<br />

moralisch relevante Geschichten lesen<br />

und über sie sprechen; in<strong>de</strong>m wir anhand<br />

von Erzählungen, Geschichten aus <strong>de</strong>m<br />

Alltag über Motive <strong>de</strong>r Personen sprechen,<br />

in<strong>de</strong>m wir darüber sprechen, ob<br />

es eine Gerechtigkeit gibt – auch wenn<br />

sie in <strong>de</strong>r Welt je kaum zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />

An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> das Lernen mit Vernunftgrün<strong>de</strong>n<br />

ist dieses Lernen nicht<br />

vernunftkausal. Wir haben keine Garantie<br />

für <strong>de</strong>n Erfolg. Wir können <strong>de</strong>n<br />

Erfolg nicht mal messen: Denn über die<br />

Moralität o<strong>de</strong>r Sinnhaftigkeit einer Entscheidung<br />

weiß letztlich in vollem Umfang<br />

nur <strong>de</strong>r selbst Betroffene Bescheid.<br />

Das Re<strong>de</strong>n über moralische Entscheidungen<br />

ist gleichwohl nicht sinnlos.<br />

Im Gegenteil: Erst das Re<strong>de</strong>n über<br />

<strong>de</strong>n Sinn unseres Han<strong>de</strong>lns fin<strong>de</strong>t ja einen<br />

Grund für unser Han<strong>de</strong>ln. <strong>Diese</strong>r<br />

merkwürdige Bereich nichtkausalen<br />

Lernens hat für das vernunftkausale<br />

Lernen höchste Be<strong>de</strong>utung.<br />

Ich will es an einem Beispiel erklären:<br />

Wenn wir unser Lebensglück darin<br />

sehen, gut zu essen, zu trinken und Spaß<br />

zu haben, dann hat für uns alles das<br />

Sinn und höchste Priorität, was zu diesem<br />

Ziel führt, was diesem Lebensziel<br />

dient. Man wird für dieses Ziel hart arbeiten,<br />

notfalls Überstun<strong>de</strong>n machen,<br />

auf an<strong>de</strong>res Schönes verzichten.<br />

Abstrakt formuliert: Die Qualität<br />

vernunftkausalen Lernens hängt von<br />

<strong>de</strong>r Qualität ab, in <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Lebenssinn<br />

o<strong>de</strong>r sogar nach <strong>de</strong>m Weltensinn<br />

gefragt wird. Wer an etwas glaubt<br />

– sei es an Güter, sei es an sich o<strong>de</strong>r an<br />

eine ewige Gerechtigkeit –, wird an<strong>de</strong>rs<br />

leben, an<strong>de</strong>rs lernen und arbeiten<br />

<strong>als</strong> <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m die Welt gleichgültig ist,<br />

<strong>de</strong>r an nichts Vergnügen hat und <strong>de</strong>r<br />

sich schließlich selbst gleichgültig ist.<br />

<strong>Diese</strong>s Wissen um die Be<strong>de</strong>utung<br />

von Sinnfestlegungen für das Han<strong>de</strong>ln<br />

<strong>de</strong>s Menschen hat Be<strong>de</strong>utung für das<br />

Lernen: Wenn es <strong>de</strong>m Unterricht gelingt,<br />

die Frage nach <strong>de</strong>m Handlungssinn<br />

authentisch im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Schüler zu stellen, und wenn uns<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>n Schülern Antworten<br />

gelingen, dann optimieren wir das<br />

Lernen wirklich.<br />

„Erziehung“ ist <strong>de</strong>swegen kein Luxus,<br />

etwas, was kommt, nach<strong>de</strong>m man<br />

Kompetenzen abgeprüft hat. Erziehung<br />

ist vielmehr Bedingung optimalen Lernens.<br />

Die gegenwärtige Schulpolitik<br />

scheint diesen Zusammenhang von Lernen<br />

und Sinn völlig vergessen zu haben:<br />

Sie setzt auf Zwang (Standards)<br />

und Überprüfung – wobei je<strong>de</strong>r von uns<br />

weiß, wie ungern man bei Zwang und<br />

Kontrolle überhaupt etwas tut. Erst<br />

wenn wir einen Sinn in <strong>de</strong>r Sache sehen,<br />

han<strong>de</strong>ln wir optimal.<br />

Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung erfolgt<br />

dann, wenn es <strong>de</strong>n Schulen gelingt, etwas<br />

zu lehren, das für das Gelingen <strong>de</strong>s<br />

Lebens be<strong>de</strong>utsam ist. Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung<br />

erfolgt dann, wenn sie hilft,<br />

dass Schüler so lernen, dass es für <strong>de</strong>n<br />

Sinn ihres Lernens be<strong>de</strong>utsam ist – und<br />

wenn sie sich an diesen Sinn gebun<strong>de</strong>n<br />

fühlen. In dieser Hinsicht wäre es für<br />

mich interessant, <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />

von Religiosität und Lernerfolg einmal<br />

zu thematisieren.<br />

Unterricht:<br />

Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />

so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />

Sinn macht.<br />

Erziehung:<br />

Lernen heißt, die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />

im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Schüler zu stellen und gemeinsam<br />

mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />

Antworten zu suchen.<br />

Ich möchte auch hier die Konsequenzen<br />

für die Schule aufzeigen: Dem<br />

Lehrgangslernen muss ein erfahrungsanaloges<br />

Lernen zugesellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Denn hier stellt sich die Frage: Was be<strong>de</strong>utet<br />

das Gelernte, das zu Lernen<strong>de</strong><br />

für meine Lebenswelt?<br />

– Methodisch muss das Lehrgangslernen<br />

durch ein erfahrungsorien-<br />

BEITRÄGE<br />

95<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

96<br />

tiertes Lernen ergänzt wer<strong>de</strong>n: Es<br />

muss bei Anerkennung <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />

zeitsparen<strong>de</strong>r Lehrverfahren<br />

Raum und Zeit geben, damit<br />

Schüler so lernen, wie wir lernen,<br />

wenn wir Erfahrungen machen.<br />

– Curricular muss das Lehrgangslernen<br />

durch die Frage nach <strong>de</strong>m Sinn<br />

<strong>de</strong>s Lernens neu dimensioniert wer<strong>de</strong>n:<br />

Nur das darf in <strong>de</strong>n Lehrplan,<br />

was für <strong>de</strong>n Schüler Sinn macht –<br />

und nicht etwa nur das, was sich beson<strong>de</strong>rs<br />

gut abprüfen und quantifizieren<br />

lässt.<br />

– Institutionell darf die Schule nicht<br />

auf eine Ausbildungsanstalt reduziert<br />

wer<strong>de</strong>n, wie es einige Kollegen<br />

vorschlagen. Die Schule ist ein<br />

Ort ganzheitlicher Bildung: Sie muss<br />

durch Fächerkanon, Stun<strong>de</strong>ntafel,<br />

Lehrplan und Schulleben so ausgestattet<br />

sein, dass die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Sinn schulischen Lernens Gegenstand<br />

schulischen Lernens ist.<br />

5. Was heißt „Lernen“ – aus<br />

pragmatischer Perspektive?<br />

Bisher haben vielleicht zwei Formulierungen<br />

gestört: Die moralische<br />

Entscheidung – sagte ich – sei we<strong>de</strong>r<br />

überprüfbar noch zu erzwingen. Und:<br />

Lernen sei Selbsttätigkeit; allein <strong>de</strong>r<br />

Lerner sei verantwortlich für das, was<br />

er gelernt hat – nicht <strong>de</strong>r Lehrer.<br />

Es hat vielleicht gestört, dass ich<br />

das Lernen <strong>als</strong> Denken, ja <strong>als</strong> Erkennen<br />

einer Sache verstan<strong>de</strong>n habe. Gibt es<br />

<strong>de</strong>nn keinen Unterschied zwischen wissenschaftlichem<br />

Erkennen und schulischem<br />

Lernen? Hat man eine Vokabel,<br />

die man erkannt hat, auch schon<br />

gelernt?<br />

Nun kann man sagen, dass man eine<br />

Vokabel nur gelernt hat, wenn man sie<br />

versteht, <strong>als</strong>o erkannt hat. Und wenn<br />

man etwas verstan<strong>de</strong>n hat, braucht man<br />

es nicht noch einmal in einem geson<strong>de</strong>rten<br />

Akt zu lernen. Wenn man jeman<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>n Weg zum Bahnhof erklärt,<br />

dann setzt sich die Person doch<br />

nicht hin, und lernt ihn auswendig! Zu<strong>de</strong>m:<br />

Was wir uns je<strong>de</strong>s Mal neu durch<br />

Denken erschließen können, lernen wir<br />

auch nicht – und brauchen wir auch<br />

nicht zu lernen: Wir haben doch nicht<br />

auswendig gelernt, was 4572 plus 9781<br />

sind, son<strong>de</strong>rn wir <strong>de</strong>nken uns <strong>de</strong>n Inhalt<br />

je<strong>de</strong>s Mal neu.<br />

Allerdings ist zu fragen: Muss man<br />

die binomischen Formeln nicht einfach<br />

auswendig lernen – schon allein<br />

<strong>de</strong>shalb, weil es zu lange dauerte, wür<strong>de</strong><br />

man sie je<strong>de</strong>s Mal wie<strong>de</strong>r herleiten?<br />

Muss man Vokabeln nicht einfach auswendig<br />

lernen? Es gibt <strong>als</strong>o Wissensund<br />

Handlungsgebiete, die lernt man<br />

nicht vernunftkausal, <strong>als</strong>o durch Verstan<strong>de</strong>sschlüsse,<br />

son<strong>de</strong>rn durch Memorieren<br />

und Übung. Ein Kunstspringer<br />

lernt seine Drehungen und eine<br />

Eiskunstläuferin ihre Pirouetten nicht<br />

durch Einsicht. Bei<strong>de</strong> müssen das, was<br />

sie wollen, tun, und zwar immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Ein Schauspieler kann sich seine<br />

Monologe nicht aus<strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r gedanklich<br />

rekonstruieren – son<strong>de</strong>rn er<br />

muss die Worte so setzen, wie sie vorgeschrieben<br />

wur<strong>de</strong>n. Ein Musiker fügt<br />

bei<strong>de</strong>s zusammen: Er muss die Noten<br />

so spielen, wie Beethoven das gewollt<br />

hat, und muss sich womöglich ohne<br />

Partitur daran erinnern, und er muss<br />

die Triller in <strong>de</strong>r rechten Hand immer<br />

wie<strong>de</strong>r üben, damit sie leicht von <strong>de</strong>r<br />

Hand gehen.<br />

Es gibt <strong>als</strong>o ein Lernen, das die<br />

Möglichkeiten unseres Verstan<strong>de</strong>s<br />

zugleich unterbietet wie überbietet.<br />

<strong>Diese</strong>s Lernen unterbietet die Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>s Verstan<strong>de</strong>s, weil wir<br />

auch dann etwas lernen können, wenn<br />

wir es nicht verstan<strong>de</strong>n haben: die<br />

Nummer <strong>de</strong>r Bankkarte, das Autokennzeichen<br />

usw. Die Daten haben<br />

keinen Sinn – nur das Behalten macht<br />

Sinn. <strong>Diese</strong>s Lernen überbietet aber<br />

auch unseren Verstand, weil Klavierspieler<br />

und Kunstspringer, weil Zauberkünstler<br />

o<strong>de</strong>r Zahnärzte etwas<br />

können – was sich einstellt, ohne dass<br />

man es willentlich herbeiführt. Wer<br />

ein Instrument spielt o<strong>de</strong>r eine technisch<br />

komplizierte Sportart wie<br />

Skateboardfahren ausübt, weiß wovon<br />

ich spreche: Immer hakt man an<br />

einer bestimmten Stelle in einer Sonate.<br />

Man spielt dann die Stelle ganz<br />

langsam, wird schneller – und eines<br />

Tages kann man es, ohne dass man es<br />

vernunftkausal steuert. Skateboardfahrer<br />

lernen nicht durch Vernunftschlüsse,<br />

son<strong>de</strong>rn dadurch, dass sie<br />

bestimmte Bewegungen immer wie<strong>de</strong>r<br />

zu machen versuchen: Bis sie die<br />

Stufen vor <strong>de</strong>m Rathaus ohne Probleme<br />

runterrutschen und über die Halfpipe<br />

hinausfliegen und wie<strong>de</strong>r sicher<br />

lan<strong>de</strong>n.<br />

Zwei Einsichten kann man gewinnen:<br />

1. Üben kann Spaß machen!<br />

2. Gewisse Operationen beherrscht man<br />

nur, wenn man sie übt.<br />

Dazu gehören Sprachmuster. Dazu<br />

gehören Vokabeln. Dazu gehören mathematische<br />

o<strong>de</strong>r physikalische Formeln<br />

und ihre Anwendung. Dazu gehört<br />

das Lösen von Rechenaufgaben.<br />

Dazu gehört das Lesen, das Schreiben.<br />

Dazu gehört die Aussprache im Englischen.<br />

Dazu gehören Handlungsabläufe<br />

im Sportunterricht.<br />

All dies muss man üben – schlicht<br />

üben 7 , d.h. immer wie<strong>de</strong>r machen – solange,<br />

bis es sich selbst macht. Hier besteht<br />

das Lernen im Üben – und da sich<br />

weltberühmte Pianisten nicht zu scha<strong>de</strong><br />

sind, tagtäglich mehrere Stun<strong>de</strong>n zu<br />

üben, sollten wir es unseren Kin<strong>de</strong>rn<br />

nicht ersparen wollen. In all diesen Fällen<br />

geschieht das Lernen durch Üben.<br />

Man kann Vokabeln, grammatische Regeln,<br />

man kann Lesen und Schreiben<br />

nicht an<strong>de</strong>rs lernen <strong>als</strong> durch Üben. Das<br />

mag die Intelligenz unterfor<strong>de</strong>rn; aber<br />

das Ergebnis übersteigt alles, was wir<br />

uns <strong>de</strong>nken können: O<strong>de</strong>r sind wir nicht<br />

fasziniert von <strong>de</strong>n Kunststücken <strong>de</strong>r Akrobaten<br />

im Zirkus, von Gitarren- o<strong>de</strong>r<br />

Violinvirtuosen? Wir sind überrascht, weil<br />

sie etwas können, was wir mit Verstan<strong>de</strong>sarbeit<br />

nicht erreichen können.<br />

Da das Üben eine Form <strong>de</strong>s systematischen<br />

Lernens ist, gehört es an<br />

<strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>s systematischen Lernens:<br />

in die Schule. Und hier nun muss man<br />

auf Versäumnisse hinweisen: Unsere<br />

Kin<strong>de</strong>r üben in <strong>de</strong>r Schule zu wenig.<br />

Viele Lehrer glauben, das Üben gehö-<br />

INFO 34 · 2/2005


e nicht in <strong>de</strong>n Unterricht – und das ist<br />

f<strong>als</strong>ch. Üben in diesem Sinne ist Unterricht,<br />

wichtiger Unterricht. Üben<br />

lassen will gelernt sein. Beim Üben<br />

muss man aufpassen, dass richtig geübt<br />

wird. Üben muss man begleiten,<br />

man muss ermuntern und dauernd<br />

kontrollieren. Eine gute Übungsstun<strong>de</strong><br />

zu planen, ist genau so schwierig,<br />

wie eine problemorientierte Stun<strong>de</strong> zu<br />

planen. Und völlig f<strong>als</strong>ch ist es, das<br />

Üben in die Hausaufgaben zu verlegen.<br />

Welcher Trugschluss! Das Wichtigste<br />

(das Lernen) soll nicht in <strong>de</strong>r<br />

Schule stattfin<strong>de</strong>n und von Personen<br />

begleitet wer<strong>de</strong>n, die davon nur laienhafte<br />

Ahnung haben? Üben ist Lernen<br />

– es gehört in die Institution, die zum<br />

Lernen geschaffen wur<strong>de</strong> – in die<br />

Schule.<br />

Alles, was ich über das Üben gesagt<br />

habe, kann ich auch über das Auswendiglernen<br />

sagen: Das Auswendiglernen<br />

sichert uns eine riesige Repertoirebreite<br />

an Handlungsmöglichkeiten. Wir können<br />

Routinen entwickeln, zeitsparend<br />

Entscheidungen treffen. Wir sind uns<br />

unserer selbst sicher. Wir sind selbst sicher.<br />

Wir gewinnen Sicherheit in Handlungssituationen.<br />

Man muss eben nicht<br />

nur wissen, wo etwas steht: Man muss<br />

es wirklich selbst wissen, wenn man<br />

schnell han<strong>de</strong>ln will. Beim Auswendiglernen<br />

haben wir sekun<strong>de</strong>nschnell<br />

parat, was wir an<strong>de</strong>rnfalls zeitraubend<br />

er<strong>de</strong>nken müssten. Und auch hier gilt:<br />

Das Auswendiglernen muss man üben;<br />

man kann es lehren – da gibt es nun<br />

wirklich allerhand Techniken.<br />

Unterricht:<br />

Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />

so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />

Sinn macht.<br />

Erziehung:<br />

Lernen heißt, die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />

im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Schüler zu stellen und gemeinsam<br />

mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />

Antworten zu suchen.<br />

Pragmatische Aspekte:<br />

Üben überbietet unseren Verstand,<br />

weil man etwas beherrscht,<br />

was man nicht willentlich<br />

herbeiführen kann.<br />

Auswendiglernen sichert uns<br />

ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten,<br />

auf Grund <strong>de</strong>rer<br />

wir zeitsparend Entscheidungen<br />

treffen.<br />

6. Was heißt „Lernen“ – aus<br />

disziplinarischer Perspektive?<br />

Ich hatte gesagt, dass moralische<br />

Entscheidungen we<strong>de</strong>r überprüfbar noch<br />

zu erzwingen wären. <strong>Diese</strong> Sätze waren<br />

auf die Sittlichkeit <strong>de</strong>r Schüler bezogen.<br />

Aber nicht je<strong>de</strong> Handlung bedarf<br />

schon einer sittlichen Begründung!<br />

Unser Han<strong>de</strong>ln unterliegt z.B.<br />

institutionellen Gegebenheiten – die<br />

zwar letztlich sittlich begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, aber nicht je<strong>de</strong>rzeit in Frage<br />

gestellt und diskutiert wer<strong>de</strong>n können.<br />

8 Die Schule ist eine solche Institution,<br />

die <strong>als</strong> Institution nur dann funktioniert,<br />

wenn sich alle an die für diese<br />

Schule notwendigen Regeln halten.<br />

<strong>Diese</strong> Regeln müssen eingehalten wer<strong>de</strong>n,<br />

auch wenn sie aktuell nicht begrün<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n – und man sie nicht<br />

einsieht.<br />

Allerdings müssen auch diese Regeln<br />

gelernt wer<strong>de</strong>n. Wir haben hier einen<br />

vierten Lerntypus: Hier geht es<br />

nicht um vernunftkausales Verstehen,<br />

um für be<strong>de</strong>utsam gehaltene Sinnoptionen,<br />

nicht um pragmatisches Auswendiglernen<br />

und Üben, son<strong>de</strong>rn um Befolgen.<br />

Natürlich befolgt man Regeln<br />

besser, wenn man sie versteht – aber<br />

man darf sie nicht erst dann befolgen,<br />

wenn man versteht. Das Lernen von<br />

Disziplin hat <strong>als</strong>o sicherlich auch kognitive<br />

– <strong>als</strong>o vernunftkausale – Anteile:<br />

Wann genau beginnt die Schule? Wie<br />

genau lauten die Regeln für eine sinnvolle<br />

Diskussion, usw.? Aber Disziplin<br />

lernt sich an<strong>de</strong>rs. Disziplin lernt sich<br />

sehr gut, in<strong>de</strong>m man etwas mitmacht,<br />

in<strong>de</strong>m man sich an etwas gewöhnt.<br />

– Je mehr <strong>als</strong>o eine Schule Üblichkeiten,<br />

Gewohnheiten, Rituale konsequent<br />

festlegt und einhält, <strong>de</strong>sto<br />

einfacher und schneller lernen die<br />

Schüler sie.<br />

– Sobald eine Schule verhaltenszielunsicher<br />

ist, lernen die Schüler das<br />

gewünschte Verhaltensziel nicht.<br />

Demonstriert <strong>als</strong>o eine Schule sicher<br />

die von ihr gewünschten Verhaltensziele,<br />

<strong>als</strong>o klare Regeln, klare<br />

Sanktionen, klare Verhaltensweisen (ohne<br />

Ausnahmen), einheitliche Verhaltensweisen<br />

in allen Klassen, bei allen<br />

Lehrern, durch stützen<strong>de</strong> Rituale ... Demonstriert<br />

<strong>als</strong>o eine Schule sicher die<br />

von ihr gewünschten Verhaltensziele,<br />

dann haben die Schüler die besten<br />

Chancen, sie auch zu lernen.<br />

Unterricht:<br />

Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />

so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />

Sinn macht.<br />

Erziehung:<br />

Lernen heißt, die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />

im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Schüler zu stellen und gemeinsam<br />

mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />

Antworten zu suchen.<br />

Pragmatische Aspekte:<br />

Üben überbietet unseren Verstand,<br />

weil man etwas beherrscht,<br />

was man nicht willentlich<br />

herbeiführen kann.<br />

Auswendiglernen sichert uns<br />

ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten,<br />

auf Grund <strong>de</strong>rer<br />

wir zeitsparend Entscheidungen<br />

treffen.<br />

Disziplin:<br />

Lernen geschieht durch das<br />

Mittun in sinnvollen und festen<br />

Handlungsabläufen.<br />

Ich möchte Ihnen nun, <strong>als</strong> Abschluss,<br />

einen Kreislauf richtigen Ler-<br />

BEITRÄGE<br />

97<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

98<br />

nens vorstellen: Sie können sich an je<strong>de</strong>r<br />

Stelle in <strong>de</strong>n Kreislauf begeben. Sie<br />

können sogleich anfangen.<br />

Der Kreislauf richtigen Lernens<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Koch, Lutz: Logik <strong>de</strong>s Lernens. In: Geissler, Harald<br />

(Hg.): Arbeit, Lernen und Organisation. Ein Handbuch.<br />

Weinheim 1996. S. 79-95.<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

<strong>de</strong>n Lösungsweg<br />

eigenständig<br />

gehen („üben“)<br />

V<br />

V<br />

Be<strong>de</strong>utsamkeit<br />

herstellen<br />

<strong>de</strong>n Lösungsweg<br />

eigentätig gehen<br />

Fragehaltung<br />

entwickeln<br />

und verstehen<br />

Ruhloff, Jörg: Art.: Lernen In: Staatslexikon in 5 Bän<strong>de</strong>n.<br />

Recht. Wirtschaft. Gesellschaft. Hg. v. d. Görres-<br />

Gesellschaft. 7., völlig neu bearbeitete Auflage. Bd.<br />

III. Freiburg-Basel-Wien 1987. Sp. 907-916.<br />

Vgl. La<strong>de</strong>nthin, Volker: Zukunft und Bildung. Entwürfe<br />

und Kritiken. Frankfurt/M. et al. 2004.<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker: Erfahrungsanaloger Unterricht in<br />

<strong>de</strong>r Re<strong>als</strong>chule. Zur Be<strong>de</strong>utung von Erfahrung und<br />

Wissenschaft für bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen. In: Rekus, Jürgen<br />

(Hg.): Die Re<strong>als</strong>chule. Alltag, Reform, Geschichte,<br />

Theorie. Weinheim-München 1999. S. 103-124.<br />

Regenbrecht, Aloysius/Pöppel, Karl Gerhard (Hg.):<br />

Erfahrung und schulisches Lernen. Münster 1995.<br />

V<br />

V<br />

6<br />

7<br />

8<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker: Ethik und Bildung in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gesellschaft. Würzburg 2002.<br />

Voss, Jens: Zu wenig geübt. Rheinische Post 4.5.04<br />

(o. S. = Wissenschaft und Bildung).<br />

Wenger-Hadwig, Angelika (Hg.): Schule zwischen<br />

Disziplin und Freiheit. Innsbruck-Wien 2000.<br />

Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin ist Professor<br />

für Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft<br />

an <strong>de</strong>r Rheinschen<br />

Friedrich-Wilhelms-Universität<br />

Bonn.<br />

Veröffentlichungen<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker: Mo<strong>de</strong>rne Literatur und Bildung. Zur<br />

Bestimmung <strong>de</strong>s spezifischen Bildungsbeitrages mo<strong>de</strong>rner<br />

Literatur. – Hil<strong>de</strong>sheim: Verlag G. Olms. 1991. 416 S.<br />

(ISBN 3-487-09504-1)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker: Ethik und Bildung in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gesellschaft. Erziehen<strong>de</strong>r Unterricht <strong>als</strong> Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

Schule. – Würzburg: Ergon Verlag. 2002. 124 S. (ISBN 3-<br />

935556-96-9)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker: Zukunft und Bildung. Entwürfe und<br />

Kritiken. – Frankfurt u.a.: Verlag Peter Lang. 2004. 142 S.<br />

(ISBN 3-631-52583-4)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker (Hg.): Religion und Bildung im Pluralismus.<br />

(Münstersche Gespräche zu Themen <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />

Pädagogik; Heft 19) – Münster: Verlag<br />

Aschendorff. 2003. 128 S. (ISBN 3-402-04730-6)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker (Hg.): Die Ganztagsschule. Alltag, Reform,<br />

Geschichte, Theorie. – Weinheim: Juventa Verlag.<br />

2005. 376 S. (ISBN 3-7799-1527-8)<br />

Rekus, Jürgen/La<strong>de</strong>nthin, Volker/Hintz, Dieter: Die Hauptschule.<br />

Alltag, Reform, Geschichte, Theorie. – Weinheim:<br />

Juventa Verlag. 1998. 325 S. (ISBN 3-7799-0359-8)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker/Schilmöller, Reinhard (Hg.): Ethik <strong>als</strong><br />

pädagogisches Projekt. Grundfragen schulischer Werterziehung.<br />

– Leverkusen: VS. Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

1999. 267 S. (ISBN 3-8100-2266-7)<br />

La<strong>de</strong>nthin, Volker/Martial, Ingbert von: Medien im Unterricht.<br />

Grundlagen und Praxis <strong>de</strong>r Mediendidaktik. –<br />

Baltmannsweiler: Schnei<strong>de</strong>r Verlag Hohengehren. 2002.<br />

400 S. (ISBN 3-89676-594-9)<br />

Hünermann, Peter/La<strong>de</strong>nthin, Volker/Schwan, Gesine<br />

(Hg.): Nachhaltige Bildung. Hochschule und Wissenschaft<br />

im Zeitalter <strong>de</strong>r Ökonomisierung. – Bielefeld: Verlag<br />

W. Bertelsmann. 2005. 180 S. (ISBN 3-7639-31871-2)<br />

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www.koesel.<strong>de</strong><br />

Kösel-Verlag München, e-mail: info@koesel.<strong>de</strong><br />

Jetzt bitte schon vormerken!<br />

47. Limburger Kreuzwoche<br />

Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2005<br />

Dienstag, 13. September 2005<br />

Bald mehr unter: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Arbeiten an ungeliebten Bibeltexten<br />

Ansätze zur Befreiung <strong>de</strong>r Exegese aus <strong>de</strong>r Schm<strong>als</strong>pur<br />

Referent: Prof. Dr. Klaus Berger, Hei<strong>de</strong>lberg<br />

INFO 34 · 2/2005


Freu<strong>de</strong> am Lernen o<strong>de</strong>r Spaß in <strong>de</strong>r Schule?<br />

Anmerkungen zu einer pädagogischen Verirrung<br />

Der eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re von Ihnen<br />

mag sich noch an die Anzeige erinnern,<br />

in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Wolfgang<br />

Thierse neulich die Frage stellte, ob es<br />

so etwas wie ein Recht auf Glück <strong>de</strong>nn<br />

wirklich gibt. Die Formulierung klingt<br />

vertraut, für <strong>de</strong>utsche Ohren je<strong>de</strong>nfalls,<br />

weil sie die tausend Rechtsansprüche,<br />

mit <strong>de</strong>nen uns die Politiker tagaus tagein<br />

<strong>de</strong>n Kopf verdrehen, um einen weiteren<br />

bereichert. Dass Ansprüche, bevor<br />

sie an an<strong>de</strong>re gerichtet wer<strong>de</strong>n, Ansprüche<br />

an sich selbst voraussetzen,<br />

geht dabei regelmäßig verloren. Vor allem<br />

darin unterschei<strong>de</strong>t sich die <strong>de</strong>utsche<br />

Art, das Glück zu behan<strong>de</strong>ln, von<br />

<strong>de</strong>m in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn und Kulturen<br />

üblichen Stil. In <strong>de</strong>r<br />

amerikanischen Unabhängigkeitserklärung<br />

klingt es ganz<br />

an<strong>de</strong>rs: Sie spricht<br />

zwar auch vom<br />

Glück, macht daraus<br />

aber keinen Anspruch an an<strong>de</strong>re, son<strong>de</strong>rn<br />

ein Freiheitsrecht <strong>de</strong>s Einzelnen<br />

und damit einen Anspruch an sich<br />

selbst. Denn nicht das Glück, son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r Verfolg <strong>de</strong>s Glückes, <strong>de</strong>r vielzitierte<br />

pursuit of happiness, wird dort <strong>als</strong><br />

Grundrecht aller Menschen proklamiert.<br />

Pursuit of happiness, das heißt:<br />

Das Glück wird euch, <strong>de</strong>n Bürgern,<br />

nicht geschenkt. Es wird euch nur dann<br />

zuteil wer<strong>de</strong>n, wenn ihr euch selbst dafür<br />

einsetzt, selbst etwas riskiert und<br />

selbst etwas tut. Wo es sich einstellt, ist<br />

es das Ergebnis individueller, nicht<br />

kollektiver Anstrengungen und Opfer.<br />

Die <strong>de</strong>utsche Art, <strong>de</strong>n Menschen<br />

das Glück <strong>als</strong> ein Geschenk zu überreichen,<br />

hat, wie Sie wissen, längst <strong>de</strong>n<br />

Unterricht erreicht. Und zwar in seiner<br />

unverwechselbar <strong>de</strong>utschen Form, <strong>als</strong><br />

das Versprechen eines passiv genossenen,<br />

nicht eines aktiv erworbenen<br />

»Die <strong>de</strong>utsche Art, <strong>de</strong>n<br />

Menschen das Glück <strong>als</strong> ein<br />

Geschenk zu überreichen,<br />

hat, wie Sie wissen, längst<br />

<strong>de</strong>n Unterricht erreicht.<br />

Glücks. Wie f<strong>als</strong>ch das war und ist, haben<br />

urteilsfähige Leute von Anfang an<br />

erkannt und <strong>de</strong>utlich ausgesprochen.<br />

Ich <strong>de</strong>nke an <strong>de</strong>n Kongress „Mut zur<br />

Erziehung“, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n siebziger Jahren<br />

in Bonn zusammengekommen war und<br />

die Mo<strong>de</strong>torheiten <strong>de</strong>r dam<strong>als</strong> aufblühen<strong>de</strong>n<br />

Reformpädagogik angeprangert,<br />

wenn auch wohl nicht verhin<strong>de</strong>rt<br />

hat. In <strong>de</strong>n abschließend formulierten<br />

neun Thesen, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Kongress<br />

zu En<strong>de</strong> ging, hieß es unter an<strong>de</strong>rem:<br />

„Wir wen<strong>de</strong>n uns gegen <strong>de</strong>n Irrtum, die<br />

Schule könne Kin<strong>de</strong>r lehren, glücklich<br />

zu wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m sie sie ermuntert,<br />

Glücksansprüche zu stellen. In Wahrheit<br />

hintertreibt die Schule damit das<br />

Glück <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

und neurotisiert sie.<br />

Denn Glück folgt<br />

nicht aus <strong>de</strong>r Befriedigung<br />

von Ansprüchen,<br />

son<strong>de</strong>rn<br />

stellt im Tun <strong>de</strong>s<br />

Rechten sich ein“. Das traf ins Schwarze,<br />

weil es an das erinnerte, was je<strong>de</strong>r<br />

von uns aus Erfahrung weiß: dass sich<br />

das Glücksgefühl um so heftiger und<br />

nachhaltiger bemerkbar zu machen<br />

pflegt, je intensiver die Mühen und die<br />

Entbehrungen waren, die ihm vorangingen.<br />

Glücklich ist man am Ziel eines<br />

langen Marsches, auf <strong>de</strong>m Gipfel eines<br />

hohen Berges, am<br />

En<strong>de</strong> eines arbeitsreichen<br />

Tages. Das<br />

schnell und leicht errungene<br />

Glück wird<br />

<strong>als</strong> illegitim empfun<strong>de</strong>n<br />

und instinktiv verschmäht.<br />

Auf solche Erfahrungen hat die progressive<br />

Pädagogik – ob sie sich weiß,<br />

schwarz o<strong>de</strong>r Anti-Pädagogik nennt,<br />

macht keinen großen Unterschied – auf<br />

ihre Weise reagiert, <strong>als</strong> sie das Wort<br />

Glück durch <strong>de</strong>n Begriff Spaß ersetzte.<br />

»Das schnell und leicht errungene<br />

Glück wird <strong>als</strong> illegitim<br />

empfun<strong>de</strong>n und instinktiv<br />

verschmäht.<br />

Konrad Adam<br />

Mit <strong>de</strong>m Spaß, schreibt einer <strong>de</strong>r vielen<br />

f<strong>als</strong>chen Propheten, die sich in Deutschland<br />

<strong>de</strong>r Erziehung angenommen haben,<br />

<strong>de</strong>r Münchner Soziologe Ulrich<br />

Beck, hätten die jungen Menschen endlich<br />

etwas aufgestöbert, womit sie die<br />

Erwachsenen in Panik setzen könnten,<br />

und nennt <strong>als</strong> Beispiele <strong>de</strong>n Spaß-<br />

Sport, die Spaß-Musik, <strong>de</strong>n Spaß-Konsum<br />

und, <strong>de</strong>utsch und gründlich, wie er<br />

ist, das Spaß-Leben. Von allen <strong>de</strong>nkbaren<br />

Begriffen hat Beck mit sicherem<br />

Griff <strong>de</strong>n anspruchlosesten, <strong>de</strong>n blassesten<br />

und ban<strong>als</strong>ten gewählt: nicht<br />

Freu<strong>de</strong>, nicht Vergnügen, nicht Genuss,<br />

nicht einmal Lust und schon gar nicht<br />

Glück, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nichts voraussetzt,<br />

nichts verlangt und garantiert folgenlos<br />

bleibt. Der Spaß bezeichnet dasjenige<br />

Gefühl, das ganz und gar in <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart aufgeht, sich im Augenblick<br />

erschöpft, im Nu vorbei ist. Den<br />

Spaß kann man nicht planen, von ihm<br />

bleibt nichts zurück, und wenn er überhaupt<br />

etwas bewirkt, dann nur <strong>de</strong>n<br />

ziemlich trivialen Wunsch, <strong>de</strong>n Kick<br />

noch einmal auszukosten. Nicht Eudämonismus,<br />

das Streben nach Glück, son<strong>de</strong>rn<br />

Hedonismus, Spaß-Leben, heißt die<br />

Botschaft <strong>de</strong>r Spaßpädagogen.<br />

Ihr Hedonismus ist ein Vorgriff auf<br />

die Zukunft, die sie sich nach <strong>de</strong>m<br />

Muster <strong>de</strong>s Schlaraffenlan<strong>de</strong>s ausmalen,<br />

<strong>als</strong> Überflussgesellschaft,<br />

die je<strong>de</strong>m<br />

alles bietet.<br />

Jürgen Habermas<br />

hat sie vor <strong>de</strong>n Vereinigten<br />

Stu<strong>de</strong>nten<br />

entworfen und ausgemalt, <strong>als</strong> er ihnen<br />

1967, kurz vor <strong>de</strong>m Ausbruch <strong>de</strong>r Revolte,<br />

erzählte, dass die Zeit <strong>de</strong>r ökonomischen<br />

Zwänge <strong>de</strong>finitiv vorüber sei.<br />

Auf die bekannten Tugen<strong>de</strong>n und Opfer,<br />

die im bürgerlichen Zeitalter üblich<br />

gewesen seien, könne man in Zukunft<br />

BEITRÄGE<br />

99<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

100<br />

verzichten. Der gesellschaftliche Reichtum<br />

habe dazu geführt, dass das Leistungsprinzip<br />

seine Funktion <strong>als</strong> Maßstab<br />

für die Verteilung von Lohn und<br />

Strafe verloren habe. Da brach noch<br />

einmal Lenins alter Traum von einer<br />

Gesellschaft auf, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m einzelnen<br />

nicht nach seinen Fähigkeiten gegeben<br />

wird, son<strong>de</strong>rn sich je<strong>de</strong>r nach Maßgabe<br />

seiner Bedürfnisse bedienen darf. Wie<br />

weit dieser Kin<strong>de</strong>rglaube seinerzeit verbreitet<br />

war, lässt <strong>de</strong>r Strukturplan ermessen,<br />

mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Deutsche Bildungsrat<br />

die Schule auf die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Zeit führen wollte. Dort heißt es wörtlich:<br />

„Das Leistungsprinzip, wie es im<br />

gesellschaftlichen Wettbewerb gilt,<br />

kann nicht auf <strong>de</strong>n Bildungsprozess <strong>de</strong>r<br />

Jugendlichen o<strong>de</strong>r gar Kin<strong>de</strong>r übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n“. Die naheliegen<strong>de</strong> Frage,<br />

was <strong>de</strong>nn an seine Stelle treten sollte,<br />

haben die Strukturplaner nicht mehr aufgeworfen,<br />

geschweige <strong>de</strong>nn beantwortet.<br />

Tatsächlich sind die Alternativen ja<br />

auch überaus spärlich und allesamt<br />

nicht attraktiv. Soll man, um nicht nach<br />

Leistung gehen zu müssen, nach Herkunft,<br />

Stand, Gesinnung o<strong>de</strong>r was weiß<br />

ich urteilen, auswählen und zuteilen?<br />

Die Antwort heißt, dass es zur Leistung<br />

keine gangbare, keine <strong>de</strong>mokratisch<br />

akzeptable Alternative<br />

gibt. Diejenigen,<br />

die es an<strong>de</strong>rs<br />

wollten und<br />

an<strong>de</strong>rs versprochen<br />

hatten, haben die Jugend<br />

gleich doppelt<br />

geprellt. Zunächst natürlich um die<br />

Chance, in <strong>de</strong>r Schule all das zu lernen,<br />

was sie brauchen, um im Leben zurechtzukommen,<br />

<strong>als</strong>o selbstverantwortlich<br />

statt abhängig zu leben und an<strong>de</strong>ren <strong>als</strong><br />

Zuwendungsempfänger nicht dauerhaft<br />

auf <strong>de</strong>r Tasche zu liegen. Sie haben<br />

sie aber auch um etwas ganz an<strong>de</strong>res<br />

betrogen, und das wiegt min<strong>de</strong>stens genauso<br />

schwer, um die Freu<strong>de</strong> nämlich,<br />

die das Lernen zwar nicht selbst bereitet,<br />

die sich allerdings einstellt, wenn<br />

man mit <strong>de</strong>m Lernen fertig ist, wenn<br />

man ausgelernt hat, etwas beherrscht<br />

und nun wirklich kann. Der Wahlenglän<strong>de</strong>r<br />

Joseph Conrad hat das sehr<br />

Dr. Konrad Adam<br />

» Nicht Eudämonismus, das<br />

Streben nach Glück, son<strong>de</strong>rn<br />

Hedonismus, Spaß-<br />

Leben, heißt die Botschaft<br />

<strong>de</strong>r Spaßpädagogen.<br />

schön beschrieben, <strong>als</strong> er sich über die<br />

von <strong>de</strong>n Sozialisten betriebene Arbeitsvergötzung<br />

lustig machte: „Nein, Arbeit<br />

mag ich nicht“, bekannte er, „viel lieber<br />

hätte ich herumgefaulenzt und mir<br />

allerlei feine Sachen ausgedacht. Arbeit<br />

mag ich nicht, kein Mensch mag<br />

Arbeit – doch ich mag, was in <strong>de</strong>r Arbeit<br />

steckt, die Möglichkeit, zu sich<br />

selbst zu fin<strong>de</strong>n, zur eigenen Wirklichkeit<br />

vorzustoßen, <strong>de</strong>r<br />

Wirklichkeit, wie<br />

man sie selbst sieht,<br />

nicht, wie an<strong>de</strong>re sie<br />

sehen, und so zu erfahren,<br />

was kein an<strong>de</strong>rer<br />

erfahren kann“.<br />

Selbstverwirklichung <strong>als</strong>o, Selbsterfahrung<br />

und wie die Begriffe sonst<br />

noch heißen: all das, was dam<strong>als</strong>, vor<br />

30 Jahren, allenthalben propagiert, aber,<br />

wie man inzwischen wohl erkennt,<br />

gründlich missverstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />

Was Conrad von <strong>de</strong>r Arbeit sagt,<br />

lässt sich auch von <strong>de</strong>r Schule behaupten,<br />

die ihren Namen ja nicht zufällig<br />

von <strong>de</strong>r scholé, <strong>de</strong>r Muße im antiken<br />

Sinne, herleitet. Muße in dieser Be<strong>de</strong>utung<br />

meint gera<strong>de</strong> nicht die Untätigkeit,<br />

<strong>de</strong>n Urlaub o<strong>de</strong>r die Faulenzerei –<br />

die fremdbestimmte Arbeit natürlich<br />

ebensowenig –, son<strong>de</strong>rn das, was zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n liegt: die frei bestimmte<br />

© Foto: Ossenkamp<br />

Tätigkeit, die ihren Lohn in sich trägt,<br />

weil sie dazu befähigt, das Leben nach<br />

eigenen Maßstäben einzurichten. Die<br />

Anstrengung, die dazu nötig ist, treibt<br />

das Gefühl <strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit, <strong>de</strong>s Stolzes<br />

und <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> am En<strong>de</strong> aus sich<br />

selbst hervor. Man scheut sich fast, so<br />

abgestan<strong>de</strong>ne Weisheiten zu wie<strong>de</strong>rholen,<br />

kommt darum aber nicht herum,<br />

weil sich die Spaßpädagogik darin gefallen<br />

hat, alles Gewohnte und Vertraute<br />

auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen und <strong>de</strong>r Erfahrung<br />

kräftig ins Gesicht zu schlagen.<br />

Recht haben ihre Anhänger doch<br />

nur darin, dass Lernen – im Unterschied<br />

zum Wissen und zum Können –<br />

mit Unlust verbun<strong>de</strong>n ist. Das wusste<br />

und sagte schon Aristoteles. An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong><br />

unsere Spaßpädagogen wusste er aber<br />

auch, dass erfolgreiches Lernen in Freu<strong>de</strong><br />

mün<strong>de</strong>t: „Das Endziel“, heißt es im<br />

achten Buch <strong>de</strong>r Politik, „trägt <strong>de</strong>n Genuss<br />

in sich“. <strong>Diese</strong>n Satz scheinen die<br />

Spaßlehrer und Spaßforscher übersehen<br />

zu haben; bestreiten lässt er sich ja<br />

kaum. Sie wollen <strong>de</strong>n leichten Sieg,<br />

<strong>de</strong>n Genuss ohne Mühe, und täuschen<br />

damit sich und ihre Schüler.<br />

Das müssen sie wohl auch, <strong>de</strong>nn ihre<br />

Absichten sind trübe. Die Älteren<br />

unter Ihnen wer<strong>de</strong>n sich vielleicht noch<br />

an die so genannten Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong> erinnern,<br />

die vor 30 Jahren, in <strong>de</strong>r Sturm-<br />

INFO 34 · 2/2005


und Drangphase <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bildungsreform,<br />

mit einem Kin<strong>de</strong>rmanifest<br />

hervortraten, das – wenn Sie mir<br />

die wi<strong>de</strong>rsprüchliche Wendung nachsehen<br />

– mit <strong>de</strong>m Spaß Ernst machte:<br />

Ernst für die Kin<strong>de</strong>r,<br />

und Spaß für<br />

die Erwachsenen. Es<br />

proklamierte allerlei<br />

Kin<strong>de</strong>rrechte, unter<br />

an<strong>de</strong>ren das<br />

Recht, sich selbst<br />

einen Namen zu geben,<br />

das Recht, sich<br />

von alten Lebenspartnern<br />

– das waren<br />

die Eltern – zu<br />

trennen und neue zu<br />

suchen, das Recht,<br />

über Lernen und<br />

Üben selbst zu entschei<strong>de</strong>n, das Recht,<br />

<strong>de</strong>n Aufenthaltsort frei zu wählen, Verträge<br />

abzuschließen, Nahrungs- und<br />

Genussmittel nach eigenem Ermessen<br />

zu konsumieren, schließlich auch noch<br />

das Recht, das Sexualleben selbst zu<br />

bestimmen und Nachkommen zu zeugen.<br />

Womit man endlich wohl beim<br />

Kern <strong>de</strong>r Sache wäre, <strong>de</strong>nn Kin<strong>de</strong>rfreundschaft<br />

ist das <strong>de</strong>utsche Wort für<br />

Pädophilie. Man sage nicht, das sei ja<br />

alles längst vorbei und niem<strong>als</strong> so gemeint<br />

gewesen. Schließlich hat Daniel<br />

Cohn-Bendit, <strong>de</strong>r bis heute <strong>als</strong> Abgeordneter<br />

<strong>de</strong>r Grünen im Europäischen<br />

Parlament sitzt, selbst von <strong>de</strong>n einschlägigen<br />

Erfahrungen und Experimenten<br />

berichtet, die er in einem Frankfurter<br />

Kin<strong>de</strong>rla<strong>de</strong>n gemacht hat. In Frankreich<br />

hat man ihm das übelgenommen,<br />

in Deutschland offenbar nicht.<br />

Über die hohe Zeit dieser Verirrungen<br />

sind wir glücklicherweise hinaus;<br />

ihre Nachwirkungen machen uns aber<br />

immer noch zu schaffen. Die Marotte,<br />

das Gewohnte und Vertraute gera<strong>de</strong><br />

dort in Zweifel zu ziehen, zu erschüttern<br />

und auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen, wo alles<br />

auf Gewohnheit und Vertrauen ankommt,<br />

ist immer noch weit verbreitet.<br />

Ein flüchtiger Blick in je<strong>de</strong>s Bildungspapier,<br />

je<strong>de</strong>s Bildungskonzept, je<strong>de</strong>s<br />

Bildungsprogramm reicht aus, um das<br />

zu erkennen. Auch in <strong>de</strong>r Erziehung<br />

» Muße in dieser Be<strong>de</strong>utung<br />

meint gera<strong>de</strong> nicht<br />

die Untätigkeit, <strong>de</strong>n Urlaub<br />

o<strong>de</strong>r die Faulenzerei – die<br />

fremdbestimmte Arbeit natürlich<br />

ebensowenig –, son<strong>de</strong>rn<br />

das, was zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n liegt: die frei bestimmte<br />

Tätigkeit, die ihren<br />

Lohn in sich trägt, weil sie<br />

dazu befähigt, das Leben<br />

nach eigenen Maßstäben<br />

einzurichten.<br />

hält man sich an das Vorbild unseres<br />

Außenministers und will alle möglichen<br />

Fehler erst einmal selber machen,<br />

ehe man anschließend aus ihnen das<br />

lernt, was alle an<strong>de</strong>ren schon wissen.<br />

Die süßen Kö<strong>de</strong>r,<br />

die die Spaßpädagogen<br />

seinerzeit ausgelegt<br />

hatten, sind<br />

nur zu gern verschlungen<br />

wor<strong>de</strong>n;<br />

mit Folgen für einen<br />

selbst und die<br />

Gesellschaft insgesamt,<br />

die man so<br />

schnell nicht wie<strong>de</strong>r<br />

los wird. <strong>Diese</strong><br />

Leute haben je<strong>de</strong>r<br />

ernsthaften Erziehung<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

in <strong>de</strong>n Weg gelegt, die zu umgehen<br />

o<strong>de</strong>r zu beseitigen das ohnehin schon<br />

schwierige Erziehungsgeschäft für uns,<br />

die Eltern, noch schwerer macht. Sich<br />

gegen die riesige Zahl <strong>de</strong>r geheimen –<br />

und durchweg unerwünschten! – Miterzieher<br />

zur Wehr zu setzen, ist zeitraubend<br />

und kräftezehrend genug. Aber<br />

statt uns bei dieser Arbeit zu helfen,<br />

machen sich ein paar Leute, die Pädagogen<br />

zu nennen ich mich scheue, einen<br />

Spaß daraus, uns Knüppel zwischen<br />

die Füße zu werfen. Wenn wir<br />

Zeit und Kraft darauf verwen<strong>de</strong>n, unsere<br />

Kin<strong>de</strong>r pünktlich zur Schule zu bringen,<br />

gesund zu ernähren und zeitig zu<br />

Bett zu schicken, dann fährt uns Katharina<br />

Rutschky mit<br />

<strong>de</strong>m Ruf in die Para<strong>de</strong>:<br />

Lasst doch <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn ihr Fernsehen!<br />

Immerhin war<br />

Frau Rutschky, diese<br />

begna<strong>de</strong>te Anti-Pädagogin, so konsequent,<br />

auf eigene Kin<strong>de</strong>r zu verzichten.<br />

Doch gibt ihr das das Recht, an<br />

frem<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn auszuprobieren, was<br />

ihren eigen erspart geblieben ist?<br />

Die Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong>, die allen alles<br />

versprechen – und selbstverständlich<br />

subito! – sind gar keine. Sie wissen o<strong>de</strong>r<br />

ahnen je<strong>de</strong>nfalls, dass absolute Freiheit<br />

die Vorbedingung ist für absolute Manipulation,<br />

und man tut ihnen gewiss<br />

» Die süßen Kö<strong>de</strong>r, die die<br />

Spaßpädagogen seinerzeit<br />

ausgelegt hatten, sind nur<br />

zu gern verschlungen wor<strong>de</strong>n.<br />

kein Unrecht mit <strong>de</strong>r Vermutung, dass<br />

es genau das ist, was sie wollen. Sie haben<br />

ihr eigenes Wohl im Auge, nicht<br />

das <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r. Um Grundsätze zu ruinieren<br />

und Erfahrungen zu diskreditieren,<br />

ist die gezielte Überfor<strong>de</strong>rung schon<br />

immer wirksamer gewesen <strong>als</strong> <strong>de</strong>r frontale<br />

Angriff. So auch hier: Um morgen<br />

möglichst unumschränkt zu herrschen,<br />

verspricht man heute möglichst unumschränkte<br />

Freiheit. Wer Kin<strong>de</strong>r an seine<br />

Hand o<strong>de</strong>r in seine Gewalt bringen<br />

will, gibt sich am besten liebevoll, nicht<br />

streng; tolerant statt autoritär; nicht interessiert,<br />

son<strong>de</strong>rn objektiv und möglichst<br />

wissenschaftlich. Viele Wege führen<br />

auch hier ins Ziel, über das sich Pädagogen<br />

und Anti-Pädagogen weitgehend<br />

einig sind. Der bewusst überzogene<br />

Freiheitsbegriff <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong><br />

läuft auf dasselbe hinaus, was einem<br />

Technokraten wie <strong>de</strong>m Informatikprofessor<br />

Karl Steinbuch vorschwebte: Bei<strong>de</strong><br />

betrachten <strong>de</strong>n Menschen <strong>als</strong> eine<br />

tabula rasa, <strong>als</strong> einen Automaten, <strong>de</strong>n<br />

man, wie Steinbuch sich ausdrückt,<br />

ganz nach Belieben füttern o<strong>de</strong>r programmieren<br />

kann. Mag es auch nicht<br />

die Absicht solcher Theorien sein, die<br />

Kin<strong>de</strong>r abhängig zu machen: die Folge<br />

ist es allemal.<br />

Wir wollen diese Folge nicht. Wir<br />

wissen, dass Kin<strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r unbeschriebene<br />

Blätter noch fertige Menschen<br />

sind, son<strong>de</strong>rn Geschenke, Angebote o<strong>de</strong>r<br />

Versprechungen, die erst noch wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, was sie sind. Und wir haben<br />

mächtige Verbün<strong>de</strong>te<br />

im Kampf für<br />

unsere Rechte und<br />

Pflichten <strong>als</strong> Eltern,<br />

allen voran die mo<strong>de</strong>rne<br />

Hirnforschung.<br />

Sie bestätigt uns in <strong>de</strong>m, was wir zwar<br />

nie exakt gewusst, aber doch geahnt<br />

und gefühlt und gewollt und instinktiv<br />

richtig gemacht haben. Um ihrem Kind<br />

beim Stillen in die Augen zu blicken<br />

und ihm das Sprechen dadurch beizubringen,<br />

dass sie ihm dieselben, kurzen<br />

und einfachen Wortbruchstücke immer<br />

wie<strong>de</strong>r vorsingt, braucht eine Mutter<br />

nicht die Wissenschaft, dazu genügt ihr<br />

das Gefühl. Erziehung, sagt <strong>de</strong>r soge-<br />

BEITRÄGE<br />

101<br />

INFO 34 · 2/2005


BEITRÄGE<br />

102<br />

nannte Kin<strong>de</strong>rvater Friedrich Fröbel,<br />

Erziehung ist Beispiel und Liebe. Und<br />

er fügt ausdrücklich hinzu: sonst nichts!<br />

Uns braucht man das nicht zu erklären,<br />

<strong>de</strong>n Pädagogen o<strong>de</strong>r Anti-Pädagogen<br />

muss man es aber wohl. Es ist noch gar<br />

nicht lange her, dass <strong>de</strong>r Amerikaner<br />

Uri Bronfenbrenner die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung<br />

<strong>de</strong>s Vorbil<strong>de</strong>s <strong>als</strong> die größte Errungenschaft<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Erziehungswissenschaft<br />

feiern konnte; schön für<br />

ihn und seine Leute,<br />

überflüssig für uns.<br />

Das Beste, was man<br />

von <strong>de</strong>n Erzeugnissen<br />

dieser überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Forschungsindustrie<br />

sagen kann,<br />

ist doch, dass sie uns<br />

ab und an in <strong>de</strong>m<br />

bestätigt, was uns auch ohne sie geläufig<br />

ist. In diesen Fällen wollen wir sie<br />

<strong>als</strong> Bun<strong>de</strong>sgenossin begrüßen und willkommen<br />

heißen; aber auch nur dann!<br />

Eine solche Verbün<strong>de</strong>te haben wir<br />

in <strong>de</strong>r schon erwähnten Hirnforschung<br />

gefun<strong>de</strong>n. Sie hat vor allem Dreierlei<br />

klipp- und klargemacht:<br />

Erstens: Dass in <strong>de</strong>r Erziehung alle<br />

wichtigen Entscheidungen früh fallen,<br />

sehr früh sogar. Früh genug zumin<strong>de</strong>st,<br />

um später, im Alter von drei o<strong>de</strong>r mehr<br />

Jahren, wenn <strong>de</strong>r Staat mit seinem Zugriff<br />

beginnt, nur noch geringe Korrekturen<br />

zu erlauben, weil alles Wesentliche<br />

festgelegt ist, so o<strong>de</strong>r so. Schon<br />

<strong>de</strong>shalb ist <strong>de</strong>r Ruf nach einem flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />

Angebot von Betreuungseinrichtungen<br />

für Kin<strong>de</strong>r „von null bis<br />

drei Jahren“, wie es im Wahlprogramm<br />

<strong>de</strong>r Grünen heißt, im besten Falle naiv,<br />

im schlimmsten ein Experiment an leben<strong>de</strong>n<br />

Objekten, gegen das die Grünen<br />

aber nur dann Einwän<strong>de</strong> zu haben<br />

scheinen, wenn es an Tieren stattfin<strong>de</strong>t<br />

o<strong>de</strong>r mit gentechnisch verän<strong>de</strong>rtem<br />

Mais. Klar ist bei <strong>de</strong>r von ihnen favorisierten<br />

Betreuungspolitik doch nur, dass<br />

wir, die Eltern, zurückgedrängt wer<strong>de</strong>n<br />

sollen. Wer sich davon Gewinn verspricht,<br />

sollte doch immerhin so fair<br />

und so ehrlich sein, auch die Verluste<br />

zu überschlagen, die bei diesem Geschäft<br />

auftreten können; von <strong>de</strong>nen<br />

»Wir wissen, dass Kin<strong>de</strong>r<br />

we<strong>de</strong>r unbeschriebene Blätter<br />

noch fertige Menschen<br />

sind, son<strong>de</strong>rn Geschenke,<br />

Angebote o<strong>de</strong>r Versprechungen,<br />

die erst noch wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, was sie sind.<br />

aber hört man nichts. Eltern und Elternhaus<br />

wer<strong>de</strong>n nur noch <strong>als</strong> Risikofaktoren<br />

wahrgenommen, <strong>de</strong>ren be<strong>de</strong>nklicher<br />

Einfluss durch <strong>de</strong>n Eingriff <strong>de</strong>r Staatsgewalt<br />

in Schach gehalten wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Zweitens hat uns die Hirnforschung<br />

beigebracht, dass <strong>de</strong>r uralte Streit zwischen<br />

Erbe und Umwelt und das relative<br />

Gewicht, das <strong>de</strong>m einen und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

für die Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen<br />

zukommt, gegenstandslos ist. Innen<br />

und Außen, nature<br />

und nurture, wie<br />

es im Englischen<br />

plastisch heißt, sind<br />

so eng miteinan<strong>de</strong>r<br />

verwoben, dass es<br />

pure Willkür wäre,<br />

das Eine vom An<strong>de</strong>ren<br />

trennen, prozentual<br />

aufschlüsseln und gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

abwägen zu wollen. Das Hirn <strong>de</strong>s<br />

Neugeborenen enthält ein überaus reiches,<br />

im Einzelnen aber noch nicht festgelegtes<br />

Angebot von Verschaltungen,<br />

die durch Außenreize aktiviert und festgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n, meist endgültig und unwi<strong>de</strong>rruflich:<br />

Eine Erkenntnis, die alle<br />

Eltern darin bestärken sollte, <strong>de</strong>n ihnen<br />

von <strong>de</strong>r Natur überkommenen Auftrag<br />

ernst zu nehmen und sich für das Zusammensein<br />

mit ihren Kin<strong>de</strong>rn Zeit<br />

und Kraft zu nehmen. Es ist die beste<br />

Art, sie auf <strong>de</strong>n sogenannten Ernst <strong>de</strong>s<br />

Lebens vorzubereiten.<br />

Drittens und letztens hat uns die<br />

Hirnforschung darin bestätigt, dass wir<br />

nicht durch Belehrung klug wer<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn durch Han<strong>de</strong>ln. Zuschauen und<br />

Zuhören reicht nicht,<br />

sagt Wolf Singer,<br />

Direktor <strong>de</strong>s Max-<br />

Planck-Instituts für<br />

Hirnforschung in<br />

Frankfurt, Selbermachen<br />

entschei<strong>de</strong>t.<br />

Daher die kaum zu überschätzen<strong>de</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Spiels, über <strong>de</strong>ssen<br />

Wert wir im Schiller-Jahr nicht lang<br />

und breit zu re<strong>de</strong>n haben sollten, da<br />

niemand das Spiel so einfühlsam gewürdigt<br />

hat wie er. Spielen, das meint<br />

we<strong>de</strong>r die Lieblosigkeit, mit <strong>de</strong>r die<br />

Spaßpädagogen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zurufen:<br />

» Wir haben mächtige Verbün<strong>de</strong>te<br />

im Kampf für unsere<br />

Rechte und Pflichten<br />

<strong>als</strong> Eltern, allen voran die<br />

mo<strong>de</strong>rne Hirnforschung.<br />

„Macht, was ihr wollt!“, noch <strong>de</strong>n<br />

Lehr- und Lernfuror, <strong>de</strong>r <strong>als</strong> Antwort<br />

auf <strong>de</strong>n Exzess in die eine Richtung <strong>de</strong>n<br />

Exzess in die an<strong>de</strong>re predigt. Nach<strong>de</strong>m<br />

die Kin<strong>de</strong>rgärten unter <strong>de</strong>m Kommando<br />

<strong>de</strong>r GEW zu Wärmestuben ausgebaut<br />

wor<strong>de</strong>n waren, sollen sie jetzt unter<br />

Aufsicht <strong>de</strong>s BDI zu Lernfabriken umgerüstet<br />

wer<strong>de</strong>n: Offenbar sind die mit<br />

Bildungspolitik befassten Stellen konstitutionell<br />

unfähig, <strong>de</strong>n Weg durch die<br />

Mitte zu fin<strong>de</strong>n und zu nehmen. Wir<br />

Eltern sind das keineswegs. Wir kennen<br />

<strong>de</strong>n Weg; weshalb wir auch nicht<br />

unbeschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r überheblich sind,<br />

wenn wir <strong>de</strong>n Staat und seine Ei<strong>de</strong>shelfer<br />

in <strong>de</strong>r Wissenschaft darum bitten,<br />

sich in einem Geschäft zurückzuhalten,<br />

das wir besser beherrschen <strong>als</strong> sie.<br />

Über richtige und f<strong>als</strong>che, über gelungene<br />

und misslungene Erziehung<br />

lässt sich nun einmal nicht viel Neues<br />

sagen, seit zweieinhalb Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />

nicht. Es bleibt bei <strong>de</strong>m, was Lessing in<br />

seinem Aufsatz über die Erziehung <strong>de</strong>s<br />

Menschgeschlechtes geschrieben hatte:<br />

„Erziehung gibt <strong>de</strong>m Menschen nichts,<br />

was er nicht auch aus sich selbst haben<br />

könnte; sie gibt ihm das, was er aus sich<br />

selber haben könnte, nur geschwin<strong>de</strong>r<br />

und leichter“. Der Pädagoge, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rführer,<br />

wie ihn die Griechen genannt<br />

und damit einem ganzen Berufsstand<br />

<strong>de</strong>n Namen gegeben haben, hatte<br />

die Aufgabe, die Kin<strong>de</strong>r zu begleiten<br />

und dafür zu sorgen, dass ihnen außer<br />

Hause nichts Böses zustieß. Das ist ein<br />

Auftrag, <strong>de</strong>r mit Kuschelecken und<br />

Computerprogrammen zunächst einmal<br />

wenig, mit <strong>de</strong>r<br />

Frage, wie ich ein<br />

Kind davor bewahre,<br />

sich von <strong>de</strong>r<br />

Hand zu reißen und<br />

über die Straße zu<br />

rennen, aber ziemlich<br />

viel zu tun hat. Ob sich einer <strong>de</strong>r<br />

vielen Ratgeber, die uns dazu einla<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>m Kind seinen Willen zu lassen,<br />

schon einmal überlegt hat, was es unter<br />

<strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s heutigen Straßenverkehrs<br />

be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>, dieser<br />

Empfehlung zu folgen? Wahrscheinlich<br />

nicht. <strong>Diese</strong>n Teil <strong>de</strong>r Erziehung,<br />

INFO 34 · 2/2005


<strong>de</strong>r lästig, aber buchstäblich lebenswichtig<br />

ist, überlassen sie uns, <strong>de</strong>n Eltern.<br />

Warum <strong>de</strong>n Rest nicht auch?<br />

Natürlich sollen sich die Kin<strong>de</strong>r<br />

freuen, so viel und so oft wie möglich.<br />

Sie sollen sich aber nicht nur freuen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch, wie Aristoteles im Zuge<br />

seiner längeren Ausführungen über <strong>de</strong>n<br />

erzieherischen Wert <strong>de</strong>r Musik bemerkt,<br />

sich auf die richtige Weise und<br />

an <strong>de</strong>n richtigen Dingen freuen. Nach<br />

seiner Überzeugung besitzt die Musik<br />

die Kraft, „ähnlich wie die Gymnastik<br />

<strong>de</strong>m Körper, so <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>s<br />

Menschen eine bestimmte Form aufzuprägen“.<br />

Zu diesem Zwecke eigne sich<br />

die Musik vor allem <strong>de</strong>shalb, weil sich<br />

die Jugend dank ihrer Jugendlichkeit<br />

freiwillig mit nichts abgeben wer<strong>de</strong>,<br />

was nicht zugleich<br />

Ȇber richtige und f<strong>als</strong>che,<br />

über gelungene und misslungene<br />

Erziehung lässt<br />

sich nun einmal nicht viel<br />

Neues sagen, seit zweieinhalb<br />

Jahrtausen<strong>de</strong>n nicht.<br />

Vergnügen macht.<br />

Und da die Musik<br />

zu <strong>de</strong>n angenehmen<br />

Dingen zählt,<br />

sei sie in beson<strong>de</strong>rer<br />

Weise dazu geeignet,<br />

„<strong>de</strong>n jungen<br />

Menschen die richtige Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n<br />

richtigen Hass (auch <strong>de</strong>n!) einzupflanzen“.<br />

Nichts sei durch Unterricht und<br />

durch Gewöhnung sorgfältiger auszubil<strong>de</strong>n<br />

<strong>als</strong> das richtige Urteil über und<br />

die richtige Freu<strong>de</strong> an schönen Charakteren<br />

und anspruchsvollen Handlungen;<br />

und, umgekehrt, die Abneigung gegen<br />

alles Gewöhnliche und Gemeine.<br />

Ihm stand <strong>de</strong>r Unterschied noch klar<br />

vor Augen – uns auch? Geben wir uns<br />

noch Mühe, die Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n richtigen<br />

Rhythmen und <strong>de</strong>n richtigen Melodien<br />

bekannt zu machen und ihnen damit Abbil<strong>de</strong>r<br />

für Empfindungen und Verhaltensweisen<br />

vor die Seele zu stellen, die<br />

wir <strong>als</strong> vorbildlich betrachten? Wir können<br />

es versuchen, und viele von uns wer<strong>de</strong>n<br />

das auch tun; aber mit welchem Erfolg<br />

in einer Welt, in <strong>de</strong>r es üblich gewor<strong>de</strong>n<br />

ist, die Jugend mit einer Musik vollzudröhnen,<br />

die alles mögliche bewirken<br />

kann, nur keine Ruhe und Besinnung.<br />

Noch je<strong>de</strong>s Mal, wenn irgen<strong>de</strong>in jugendlicher<br />

Amokläufer seinen Mitschülern<br />

o<strong>de</strong>r Lehrern an die Gurgel gegangen<br />

war, hat man zunächst einmal seine Plattensammlung<br />

durchsucht und ist dabei in<br />

aller Regel fündig gewor<strong>de</strong>n. Sobald das<br />

ruchbar wur<strong>de</strong>, beeilten sich die Interessenten,<br />

die Fachleute für Rock und Pop,<br />

die aufkeimen<strong>de</strong> Debatte in <strong>de</strong>n Griff zu<br />

bekommen und in ihrem Sinne zu steuern.<br />

Was meistens auch gelang mit <strong>de</strong>r<br />

Folge, dass alles so bleib, wie es war, weil<br />

man <strong>de</strong>r Jugend ihre Freiheit lassen wollte.<br />

Die alles entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage nach<br />

<strong>de</strong>r richtigen Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r richtigen<br />

Abneigung wird <strong>als</strong> unzulässig empfun<strong>de</strong>n<br />

und gar nicht mehr gestellt.<br />

Wir sollten uns dadurch nicht irre<br />

machen lassen, genauso wenig wie<br />

durch die vielen an<strong>de</strong>ren, leichtfertigen<br />

o<strong>de</strong>r törichten Ratschläge <strong>de</strong>r unerwünschten<br />

Miterzieher. Der Leiter <strong>de</strong>r<br />

Schule Salem, Bernhard Bueb, hat offensichtlich<br />

Recht,<br />

wenn er das Fernsehen,<br />

das Handy und<br />

die Computerspiele<br />

die größten Fein<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Jugend nennt,<br />

weil sie zum schnellen,<br />

<strong>als</strong>o f<strong>als</strong>chen<br />

Glück verführen, und dafür eintritt, die<br />

Medien an die Kandare zu nehmen und<br />

das Diskothekenwesen zu reglementieren.<br />

Nur dass es dabei, bei <strong>de</strong>r Warnung<br />

und beim Reglement, nicht bleiben darf.<br />

Wir müssen etwas<br />

an<strong>de</strong>res, Besseres<br />

und Verlocken<strong>de</strong>res<br />

dagegen setzen, und<br />

sind darum ja keineswegs<br />

verlegen.<br />

Auch hier gibt es<br />

nicht viel Neues zu ent<strong>de</strong>cken. Ich berufe<br />

mich auf die Forkel´sche Bach-<br />

Biografie, in <strong>de</strong>r man über <strong>de</strong>n Meister<br />

und sein Wohltemperiertes Klavier folgen<strong>de</strong>s<br />

liest: „Das Kind, das diese Stücke<br />

einmal geübt hat, – mag es auch noch<br />

so mechanisch dabei zugegangen sein –,<br />

hat eine Anschauung von Stimmführung<br />

bekommen, die nicht mehr verwischt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Instinktiv wird es in je<strong>de</strong>m<br />

Tonstück eine ähnlich souveräne Bewegung<br />

<strong>de</strong>r klanglichen Linien suchen und<br />

ihr Fehlen <strong>als</strong> Armut empfin<strong>de</strong>n. Wer<br />

diese Stücke“, fährt Forkel dann fort,<br />

„vollends unter einem tüchtigen Lehrer<br />

»Wir müssen etwas an<strong>de</strong>res,<br />

Besseres und Verlocken<strong>de</strong>res<br />

dagegen setzen,<br />

und sind darum ja keineswegs<br />

verlegen.<br />

auch nach <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r formalen und ästhetischen<br />

Eigenschaften durchgegangen<br />

hat, trägt von da an die Maßstäbe <strong>de</strong>r<br />

wahren Tonkunst in sich“. Die aller<br />

wahren Freu<strong>de</strong> auch, möchte ich hinzusetzen.<br />

Ich habe das zitiert, um Ihnen Mut zu<br />

machen, die Erziehung Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />

selbst in die Hand zu nehmen und nach<br />

Ihren eigenen Maßstäben zu gestalten.<br />

Denn die geborenen Erzieher Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />

sind Sie. Die an<strong>de</strong>ren, die sich mit<br />

diesem Titel so gern schmücken, die Bildungsplaner,<br />

Bildungsforscher und Bildungspolitiker,<br />

kommen, wenn überhaupt,<br />

erst viel, viel später. Das Grundgesetz<br />

ist ein<strong>de</strong>utig, wenn es Pflege und<br />

Erziehung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r das Recht <strong>de</strong>r Eltern<br />

nennt und die zuvör<strong>de</strong>rst ihnen obliegen<strong>de</strong><br />

Pflicht; ein Satz, <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>r in<br />

Vergessenheit geraten ist, zu unser aller<br />

Scha<strong>de</strong>n. Das Zweite Vaticanum schließt<br />

sich <strong>de</strong>m an, in<strong>de</strong>m es die Eltern, die ihren<br />

Kin<strong>de</strong>rn das Leben geschenkt haben,<br />

auch <strong>de</strong>ren erste und wichtigste Erzieher<br />

nennt. Die ersten und wichtigsten, möchte<br />

ich ergänzen, die einzigen aber nicht.<br />

Wir sind auf Hilfe angewiesen, und wir<br />

sind dankbar, wenn diese Hilfe nicht immer<br />

nur von <strong>de</strong>nen kommt, die damit allzu<br />

eigensüchtige Motive verbin<strong>de</strong>n, vom<br />

Staat und seinen mächtigen Trabanten.<br />

Deswegen will ich<br />

nicht schließen, ohne<br />

die Kirche zu bitten,<br />

in ihrem Engagement<br />

für Kin<strong>de</strong>r<br />

und Schulen nicht<br />

nachzulassen. Ich<br />

habe dazu auch persönlich Grund, weil<br />

meine eigenen Kin<strong>de</strong>r eine kirchliche Institution,<br />

die Bischof-Neumann-Schule<br />

in Königstein, besucht haben. Alle drei<br />

sind dafür dankbar; und wir, die Eltern,<br />

auch.<br />

Dr. Konrad Adam ist Chefkorrespon<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>r Tageszeitung „DIE WELT“ in<br />

Berlin.<br />

BEITRÄGE<br />

103<br />

INFO 34 · 2/2005


Rezensionen<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

104<br />

Berger, Klaus<br />

Jesus<br />

– München: Pattloch Verlag.<br />

2004. 704 S., € 28.00 (ISBN 3-629-00812-7)<br />

Klaus Berger, <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger Neutestamentler,<br />

kann sich <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit für sein neues<br />

Jesusbuch gewiss sein – <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Bibelwissenschaftler (auch <strong>de</strong>rer, die seine Thesen<br />

ablehnen), vieler Theologen in <strong>de</strong>r pastoralen<br />

und schulischen Praxis (auch <strong>de</strong>rer, die sonst<br />

kaum mehr theologische Literatur lesen) und vieler<br />

kirchennaher und kirchenferner Zeitgenossen,<br />

die kaum ein an<strong>de</strong>rer Exeget je erreichen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Diese</strong> Aufmerksamkeit hat er sich durch viele<br />

Veröffentlichungen zu brennen<strong>de</strong>n Gegenwartsthemen<br />

von Glaube, Christentum und Kirche,<br />

durch unzählige öffentliche Vorträge außerhalb<br />

<strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Hörsäle und durch seine nonkonformistische<br />

Art, über <strong>de</strong>n christlichen Glauben<br />

zu sprechen, zu Recht verdient. Bekannt sind<br />

seine humorvollen, mitunter sarkastischen Besprechungen<br />

von reißerischen Veröffentlichungen,<br />

auf die alle diejenigen hineinfallen, die ohnehin<br />

nur ihre Vorurteilsstrukturen bestätigt wissen<br />

wollen – und sich dabei in Umkehrung ihres<br />

emanzipatorischen Anspruchs doch nicht ohne<br />

Anleitung durch Dritte selbstständig ihres eigenen<br />

Verstan<strong>de</strong>s bedienen. Mit <strong>de</strong>n selbsternannten<br />

Aufklärern, <strong>de</strong>nen nichts o<strong>de</strong>r kaum etwas an<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>s Evangeliums, dafür aber umso<br />

mehr an ihrem eigenen Geldbeutel liegt, geht<br />

Berger in einer erfrischend scharfsinnigen und<br />

scharfzüngigen Weise ins Gericht, die weithin<br />

ausgestorben erscheint. Berger ist ein begna<strong>de</strong>ter<br />

Polemiker, und er entlarvt hellsichtig unzählige<br />

Schwachstellen und die i<strong>de</strong>ologischen Blindheiten<br />

<strong>de</strong>s innertheologischen mainstreams. Je<strong>de</strong><br />

Form <strong>de</strong>r weit verbreiteten exegetical und ecclesiastical<br />

correctness ist ihm zutiefst zuwi<strong>de</strong>r –<br />

und er bekämpft sie, wo immer er auf sie trifft.<br />

Und wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne.<br />

„Ein Teil <strong>de</strong>r Probleme <strong>de</strong>s gegenwärtigen Christentums<br />

ist hausgemacht, selbst verursacht durch<br />

die rationalistische, letztlich langweilige Exegese.<br />

<strong>Diese</strong>s Buch versteht sich <strong>als</strong> Gegenmo<strong>de</strong>ll<br />

dazu“ (471).<br />

Um so gespannter nimmt man sein neues Jesusbuch<br />

in die Hand, um neugierig zu fragen, was<br />

Berger positiv über Jesus, <strong>de</strong>n Christus, zu<br />

schreiben weiß. Der umfangreiche Band ist keine<br />

exegetische Spezialuntersuchung (vgl. dazu seine<br />

frühere Veröffentlichung: Wer war Jesus wirklich?)<br />

Der Autor bietet keine direkte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit gegenwärtigen Spezialforschungen<br />

und verzichtet <strong>de</strong>shalb auch auf je<strong>de</strong> Fußnote.<br />

Freilich schaut die scharfe Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit beliebten Jesusbil<strong>de</strong>rn (Jesus: <strong>de</strong>r Rabbi,<br />

<strong>de</strong>r Prophet, <strong>de</strong>r Weise, <strong>de</strong>r Menschenfreund<br />

etc.) aus je<strong>de</strong>m Satz. Seine Adressaten sind we<strong>de</strong>r<br />

die Fachleute, die sich und ihre eigenen Thesen<br />

unschwer wie<strong>de</strong>rerkennen wer<strong>de</strong>n, noch die<br />

Schar <strong>de</strong>r Kirchenkritiker, die in vatikanischen<br />

Behör<strong>de</strong>n schon immer genussvoll die Inkarnation<br />

jeglicher Fehlentwicklung diagnostizieren.<br />

Berger wen<strong>de</strong>t sich mit <strong>de</strong>r ihm eigenen Verve<br />

<strong>de</strong>njenigen Christen aller Konfessionen zu, die<br />

im Zentrum ihres christlichen Glaubens zutiefst<br />

verunsichert sind (und davon gibt es nicht wenige).<br />

Für sie hat er dieses Buch geschrieben: „Ich<br />

möchte mo<strong>de</strong>rnen Menschen sagen, was sie von<br />

Jesus haben“ (13). Trotz <strong>de</strong>r allgemeinverständlichen<br />

Bergerschen Sprache (die sich manchmal<br />

auch zu reißerischen Formulierungen hinreißen<br />

lässt: vgl. „Jesus im exegetischen Vaterschaftstest“;<br />

53), trotz <strong>de</strong>s Predigt- und Meditationscharakters<br />

mancher Passagen ist das Buch nicht<br />

leicht zu lesen. Leichte Kost bietet Berger seinen<br />

Lesern gera<strong>de</strong> nicht, wenn er sich <strong>de</strong>r beliebten<br />

Metho<strong>de</strong> verweigert, theologisch schwierige und<br />

sperrige Themen und Begriffe solange zu relativieren,<br />

bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt und<br />

sie ersatzlos gestrichen bzw. pseudoadäquat ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n (14: „belanglose minimal art“). Im<br />

Gegenteil: Berger unternimmt es, neben <strong>de</strong>n ‚alltäglichen’<br />

Lebensfel<strong>de</strong>rn (vgl. u.a. Familie, Eigentum,<br />

Geld, Armut, Lebensfreu<strong>de</strong>, Selbstverwirklichung<br />

durch Liebe) gera<strong>de</strong> die gemie<strong>de</strong>nen<br />

und belasteten Themen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens<br />

in ihrem intentionalen Gehalt für heutiges Verstehen<br />

aufzuschlüsseln und nachvollziehbar, ja attraktiv<br />

zu machen (vgl. Gottessohnschaft und<br />

Verklärung Jesu; Jesus und die Kirche; Sün<strong>de</strong>nvergebung<br />

und Totenauferweckung; Engel, dämonische<br />

Mächte und <strong>de</strong>r Teufel; Gebet <strong>als</strong> unvermitteltes<br />

Stehen vor Gott und meditatio mortis<br />

continua; Ehe und Ehelosigkeit; das Leid und<br />

Kreuz Jesu und das Leid <strong>de</strong>r Menschen; das politische<br />

Programm Jesu; Frie<strong>de</strong>n und Gewalt in <strong>de</strong>n<br />

Worten und Taten Jesu; Wun<strong>de</strong>r; die Sakramente;<br />

stellvertreten<strong>de</strong>r Tod und Auferstehung Jesu).<br />

Dass „die naive Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Liebe Gottes“ (99),<br />

die über Gottes in <strong>de</strong>r Bibel überaus betonte Heiligkeit<br />

nichts mehr zu sagen weiß, bei Berger<br />

nicht durchgeht, kann dann nicht mehr verwun<strong>de</strong>rn.<br />

Die Bibel for<strong>de</strong>rt nach Berger von ihren Lesern<br />

fundamental die Bereitschaft, sich <strong>de</strong>r Fremdheit<br />

<strong>de</strong>r Texte auszusetzen, in <strong>de</strong>r sich die Fremdheit<br />

Jesu wi<strong>de</strong>rspiegelt (vgl. hierzu die zugespitzten<br />

Ausführungen unter <strong>de</strong>m Titel: „Hard way to<br />

heaven: Das Ärgerliche an Jesus“; 88-91, und <strong>de</strong>n<br />

Vergleich zwischen Jesus und an<strong>de</strong>ren Religionsstiftern,<br />

500-517). Das wichtigste Prinzip <strong>de</strong>r<br />

Bergerschen Hermeneutik lautet: „Nicht wir kritisieren<br />

<strong>de</strong>n Text und rücken ihn für unsere Bedürfnisse<br />

zurecht, <strong>de</strong>r Text kritisiert uns (14)“.<br />

Zur Auslegung <strong>de</strong>r Schrift gehört die Bereitschaft,<br />

ohne leiten<strong>de</strong> Interessen und Vorurteile<br />

<strong>de</strong>n Text selbst zu hören. Dazu beruft sich Berger<br />

u.a. auf Martin Buber: „Der Mensch empfängt. Er<br />

empfängt nicht einen Inhalt, son<strong>de</strong>rn eine Gegenwart<br />

<strong>als</strong> Kraft“ (vgl. 30).<br />

Um die Bergersche Theologie zu verstehen,<br />

ist es wichtig, seine Unterscheidung zwischen<br />

<strong>de</strong>m naturwissenschaftlich-aufklärerischen und<br />

<strong>de</strong>m von ihm so genannten „mystischen Weltbild“<br />

wahrzunehmen: Während das dominieren<strong>de</strong><br />

Weltbild rationaler Wissenschaftlichkeit mit<br />

<strong>de</strong>n ihm eigenen Engführungen zu <strong>de</strong>r historischkritischen<br />

Vorgehensweise geführt habe, wie sie<br />

heute in ihrer ganzen Unübersichtlichkeit vorliegt,<br />

erlaubt das von Berger favorisierte „mystische<br />

Weltbild“ eine organische, ganzheitliche<br />

Schau auf die menschliche Lebenswirklichkeit<br />

<strong>als</strong> Schöpfung Gottes. „Mystik ist nicht mehr und<br />

nicht weniger <strong>als</strong> das Achten auf die erstrangige<br />

Wirklichkeit Gottes. Die biblischen Schriften<br />

über Jesus wur<strong>de</strong>n ausnahmslos in einem mystischen<br />

Horizont verfasst und können daher auch<br />

nur in einem mystischen Horizont verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n“ (15). Und: „Mystik geht von <strong>de</strong>r begrün<strong>de</strong>ten<br />

Annahme aus, dass die Wirklichkeit umfassen<strong>de</strong>r<br />

ist <strong>als</strong> sie (natur-)wissenschaftlich feststellbar<br />

ist. Mystik ist die Definition <strong>de</strong>r Welt unter<br />

Einschluss <strong>de</strong>r Existenz Gottes und <strong>de</strong>r Annahme<br />

<strong>de</strong>r Möglichkeit von Interaktion mit allen ‚Personen’<br />

und Mächten <strong>de</strong>r unsichtbaren Welt“ (68).<br />

Autoritäten, auf die Berger immer wie<strong>de</strong>r zurückgreift,<br />

sind – für einen Neutestamentler eher<br />

ungewöhnlich – Bernhard von Clairvaux (und die<br />

monastische Spiritualität, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Zisterzienser<br />

mit ihrer Licht-Theologie), Nicolaus Cusanus<br />

und <strong>de</strong>r unverfrem<strong>de</strong>te Martin Luther. Hinzu<br />

kommen liturgische Texte aus <strong>de</strong>r Tradition<br />

<strong>de</strong>r Kirche und mit und in ihnen das Rechnen mit<br />

frem<strong>de</strong>n und eigenen Glaubenserfahrungen <strong>als</strong><br />

einem locus theologicus, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r sensus<br />

fi<strong>de</strong>i zu Wort mel<strong>de</strong>t: „Mystik erkennt Mystik.<br />

Die Wahrnehmung mystischer Faktizität tritt daher<br />

gleichrangig neben Faktizität im Sinne <strong>de</strong>r<br />

mo<strong>de</strong>rnen Naturwissenschaft“ (15).<br />

Freilich weiß auch Berger um die Gefahr, hier<br />

das Kind mit <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong> auszuschütten. Dennoch<br />

verfällt er wie<strong>de</strong>rholt in holzschnittartige Antithesen,<br />

die <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>r Fragen nicht gerecht<br />

wer<strong>de</strong>n. Einleitend schreibt er z.B.: „Jesus<br />

versteht man eben nicht nur mit <strong>de</strong>m Kopf. Wer<br />

etwas von ihm wissen will, muss sich auf die kongeniale<br />

Erkenntnisweise <strong>de</strong>r Mystik einlassen.<br />

Herz und Gefühl wer<strong>de</strong>n nicht <strong>de</strong>r Psychologie<br />

überlassen, son<strong>de</strong>rn ihr entrissen“ (16). Und<br />

stimmt es wirklich: „Je<strong>de</strong>r Kompromiss gebiert<br />

Missstän<strong>de</strong>“ (551)? So fruchtbar es sein kann, „gewissermaßen<br />

fünf Minuten vor Gotthold Ephraim<br />

Lessings Säkularisierung <strong>de</strong>s Lichts zurückzugehen“<br />

(39), so wenig zielführend ist die doch zu<br />

pauschale Verurteilung <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />

Rationalität, die freilich einer kritischen Selbstaufklärung<br />

bedarf – ein Prozess, zu <strong>de</strong>m Klaus<br />

Berger selbst einen guten Beitrag liefert. Mit an<strong>de</strong>ren<br />

Worten: Um die Thesen Rudolf Bultmanns<br />

zu wi<strong>de</strong>rlegen und ihre schier erdrücken<strong>de</strong> Wirkungsgeschichte<br />

aufzuarbeiten (Berger spricht<br />

zurecht von „Forschungsklischees“, 50), bedarf<br />

INFO 34 · 2/2005


es nicht allein eines Griffs in die spirituelle Tradition<br />

<strong>de</strong>r Christenheit (so wertvoll dieser auch ist).<br />

Gera<strong>de</strong> die wissenschaftliche Vernunft hat längst<br />

die geistes- und forschungsgeschichtlichen Apriori<br />

entlarvt, die Bultmanns Schriftauslegung steuerten.<br />

In diesem Sinne lässt sich das Jesusbuch<br />

von Klaus Berger auch <strong>als</strong> vehementes Plädoyer<br />

für eine Selbstkritik wissenschaftlicher Schriftauslegung<br />

lesen. Solchermaßen gestärkt könnte<br />

dann neu und tiefer darüber nachgedacht wer<strong>de</strong>n,<br />

was es heißt, dass Maria bei <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>s Engels<br />

Gabriel „ein mystisch-ekstatisches Wi<strong>de</strong>rfahrnis“<br />

gehabt hat: „Maria hat eine Vision <strong>de</strong>s<br />

Engels Gottes, <strong>de</strong>ren Macht so groß ist, dass sie<br />

daraufhin schwanger ist“ (55). In <strong>de</strong>r Tat gilt:<br />

Biblische Texte bezeugen und rechnen „mit <strong>de</strong>r<br />

Möglichkeit realer Einbrüche <strong>de</strong>s Göttlich-An<strong>de</strong>ren<br />

in die Normalität <strong>de</strong>r Welt“, eine Wirklichkeit,<br />

die <strong>de</strong>n Rahmen kantianischer Vernunft<br />

überschreitet (vgl. 56).<br />

Charakteristisch für das neue Jesusbuch von<br />

Klaus Berger ist <strong>de</strong>r konfessorische Stil, <strong>de</strong>r die<br />

eigene Biographie und Lebensgeschichte nicht<br />

ausblen<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn thematisiert (vgl. 17-26, und<br />

<strong>de</strong>n nach<strong>de</strong>nklich stimmen<strong>de</strong>n, persönlichen Brief<br />

an Petrus, 589-596, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Wort en<strong>de</strong>t: „Auf<br />

Tränen kann man Kirche grün<strong>de</strong>n“). Berger hat<br />

eine neue Art von Katechismus geschrieben, <strong>de</strong>r<br />

je<strong>de</strong> Billigkeit und zeitgeistkonforme Ermäßigung<br />

zurückweist und statt<strong>de</strong>ssen eine mystagogische<br />

Hinführung zum Evangelium Jesu Christi bietet<br />

(contemplata aliis tra<strong>de</strong>re; vgl. 31), die typisch mo<strong>de</strong>rne<br />

Vorbehalte und verstellen<strong>de</strong> Vorurteile zu<br />

überwin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Lage ist. Klaus Scholtissek<br />

Hentig, Hartmut von<br />

Die Schule<br />

neu <strong>de</strong>nken<br />

Eine Übung in pädagogischer Vernunft (Beltz Tb.;<br />

119). – Weinheim u.a.: Verlag J. Beltz. 2003, 279 S.<br />

€ 12.90 (ISBN 3-407-22119-3)<br />

Hartmut von Hentig will eine an<strong>de</strong>re Schule.<br />

Schule, so das Grundanliegen vieler seiner Essays,<br />

Re<strong>de</strong>n und Einzelschriften aus <strong>de</strong>n letzten<br />

dreißig Jahren, muss eher polis sein <strong>als</strong> Lehrbetrieb;<br />

mehr Lebens- und Erfahrungsraum für<br />

das zivilisierte Miteinan<strong>de</strong>r, weniger Unterrichtsanstalt<br />

für instrumentelle Kenntnisse und Kompetenzen;<br />

Schule muss sich ebenso um die Lebens-<br />

wie um die Lernprobleme von Schülerinnen<br />

und Schülern kümmern.<br />

Anfang <strong>de</strong>r 90-er Jahre brannten in Deutschland<br />

Asylantenheime und Auslän<strong>de</strong>rwohnungen.<br />

Städte wie Hoyerswerda, Mölln, Rostock und Solingen<br />

gerieten in die Schlagzeilen. Hartmut von<br />

Hentigs 1993 veröffentlichtes Buch „Die Schule<br />

neu <strong>de</strong>nken“ passte genau in die Zeit. Hentig benannte<br />

Tatbestän<strong>de</strong> und Zeitsignaturen: „Neofaschismus<br />

und Gewalt gegen Auslän<strong>de</strong>r; Überfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Bürger durch die Politik und Abkehr<br />

von ihr; Ost-Enttäuschungen und West-Versäumnisse;<br />

die Folgen von Megalopolis, Migration<br />

und Globalisierung für das Zusammenleben <strong>de</strong>r<br />

Menschen; die Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundverhältnisses<br />

von Wissen, Denken und Han<strong>de</strong>ln durch<br />

die elektronische Datenverarbeitung, Telekommunikation<br />

und Virtualität“ (V1f.). Angesichts<br />

solcher Entwicklungen sei es Hauptaufgabe <strong>de</strong>r<br />

Schule, <strong>de</strong>n jungen Menschen zu stärken, seinen<br />

Gemeinsinn, seine Vernunft und seine Verantwortung<br />

zu för<strong>de</strong>rn. Vor dieser Aufgabe versage<br />

die herkömmliche Unterrichtsschule. Polemisch<br />

nannte er sie „Bewahranstalt“, „Treibhaus“ o<strong>de</strong>r<br />

„Sortieranstalt“ und warf ihr ein eklatantes „Mißverhältnis<br />

von Aufwand und Erfolg“ vor: „Sie<br />

entläßt die jungen Menschen kenntnisreich, aber<br />

erfahrungsarm, erwartungsvoll, aber orientierungslos,<br />

ungebun<strong>de</strong>n, aber auch unselbständig – und<br />

einen erschreckend hohen Anteil unter ihnen ohne<br />

je<strong>de</strong> Beziehung zum Gemeinwesen, entfrem<strong>de</strong>t<br />

und feindlich bis zur Barbarei“ (S. 10). Man<br />

mag diesen Befund für überzogen und einseitig<br />

halten, völlig aus <strong>de</strong>r Luft gegriffen ist er sicher<br />

nicht. Hartmut von Hentig zog daraus seine<br />

Rechtfertigung für eine grundlegen<strong>de</strong> Neuausrichtung<br />

<strong>de</strong>r Schule. Er for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Abschied<br />

von <strong>de</strong>r reinen Unterrichtsschule und entwarf das<br />

reformpädagogische I<strong>de</strong>al einer Schule <strong>als</strong> Lebens-<br />

und Erfahrungsraum mit offenen Unterrichtsformen,<br />

einem Höchstmaß an Toleranz und<br />

Partizipation, jahrgangsübergreifen<strong>de</strong>n Lerngruppen,<br />

offenen Klassenräumen sowie ganzheitlichen<br />

und altersspezifischen Lernformen (S. 214-259).<br />

Zehn Jahre später bringt <strong>de</strong>r Beltz Verlag das<br />

Buch <strong>als</strong> Taschenbuchausgabe noch einmal heraus.<br />

PISA ist nun das große Thema, ein Paradigmenwechsel<br />

in <strong>de</strong>r Bildungslandschaft zeichnet<br />

sich ab. Die Erziehungswissenschaften sprechen<br />

von empirischer Wen<strong>de</strong>, die Schulverwaltungen<br />

von output-Steuerung, die KMK legt Bildungsstandards<br />

fest. Vergleichsarbeiten laufen an. Von<br />

Schule <strong>als</strong> polis und <strong>als</strong> Lernort <strong>de</strong>s Gemeinwesens<br />

re<strong>de</strong>t kaum jemand. Eine große Qualitätsund<br />

Evaluationsflut schwappt statt<strong>de</strong>ssen über das<br />

Land, sie könnte manche reformpädagogische<br />

Sandburg wegspülen. Geht <strong>de</strong>r 68-er-Vision von<br />

<strong>de</strong>r entschulten Schule nach PISA das Licht aus?<br />

Haben sich die gesellschaftlichen Probleme, die<br />

Hentig benannte, erledigt und sind die Fragen von<br />

vor zehn Jahren heute irrelevant?<br />

In einem neu verfassten, 47 Seiten langen Vorwort<br />

begrün<strong>de</strong>t Hartmut von Hentig, warum seine<br />

For<strong>de</strong>rung „Die Schule neu <strong>de</strong>nken“ heute aktueller<br />

sei <strong>de</strong>nn je. Die Mordtat eines Erfurter Gymnasiasten,<br />

die zunehmen<strong>de</strong>n Symptome gesellschaftlicher<br />

Desintegration und vor allem <strong>de</strong>r „zunächst<br />

nur behauptete, nun wirkliche (...) clash of<br />

cultures“ nach <strong>de</strong>m 11. September 2001 (V3) –<br />

dies alles seien Merkmale einer weit reichen<strong>de</strong>n<br />

gesellschaftlichen und kulturellen Verunsicherung.<br />

Angesichts <strong>de</strong>ssen stehe die Schule vor <strong>de</strong>r<br />

Wahl: För<strong>de</strong>rt sie „Leistungsdarwinismus“, um<br />

Schüler für einen „buchstäblich entfesselten<br />

Kampf ums Dasein“ zu befähigen? Leicht wer<strong>de</strong><br />

sie dann zum verlängerten Arm wirtschaftlicher<br />

Interessengemeinschaften. O<strong>de</strong>r betrachtet sie es<br />

<strong>als</strong> ihre Aufgabe, „<strong>de</strong>m jungen Menschen überzeugen<strong>de</strong><br />

und befriedigen<strong>de</strong> Erfahrungen mit <strong>de</strong>r<br />

`gemeinsamen Regelung gemeinsamer Angelegenheiten´<br />

zu geben“? Dann bleibe sie mit Recht<br />

eine Veranstaltung <strong>de</strong>s Gemeinwesens (V3f.).<br />

Wohin <strong>als</strong>o steuert die <strong>de</strong>utsche Schule nach<br />

PISA? Für Hartmut von Hentig ist dies noch keineswegs<br />

ausgemacht. Seine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>r PISA-Studie fällt differenziert aus (V18-<br />

47). PISA folge „einer (wenn auch rudimentären)<br />

Bildungstheorie“. Dem Konzept <strong>de</strong>r drei „literacies“<br />

(Lesekompetenz, mathematische Grundbildung,<br />

naturwissenschaftliche Grundbildung) liege<br />

ein „formales“ bzw. „funktionales“ Bildungsverständnis<br />

zugrun<strong>de</strong>. Dass es „die Fachsystematik<br />

und die Wissenspyrami<strong>de</strong>n, die man in <strong>de</strong>utschen<br />

Lehrplänen aufgebaut hat, verlässt, <strong>als</strong>o einen<br />

didaktischen Paradigmenwechsel nahe legt“,<br />

begrüßt er. Kritisch geht er mit <strong>de</strong>n nun in<br />

Deutschland ergriffenen Maßnahmen um. Es stehe<br />

zu befürchten, dass man „die drei formalen<br />

Kompetenzen für die eigentliche und insofern<br />

ausreichen<strong>de</strong> `Basis´“ halte und darüber all jene<br />

Kompetenzen vernachlässige, die – neben <strong>de</strong>r<br />

„praktischen Bildung“ – für die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Aufgaben <strong>de</strong>r Schule, die „Bildung <strong>de</strong>r Person“<br />

und die „Bildung <strong>de</strong>s Bürgers“, wichtig seien<br />

(V28f.). Von <strong>de</strong>n Reaktionen auf PISA hält von<br />

Hentig die Ausweitung <strong>de</strong>r Ganztagsschulen für<br />

die wichtigste – vorausgesetzt, diese wür<strong>de</strong>n „<strong>als</strong><br />

geordneter Lebens- und Erfahrungsraum“ gestaltet,<br />

woran <strong>de</strong>r Autor durchaus Zweifel hat<br />

(V37). Durch das gute Abschnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utscher<br />

Reformschulen wie <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Helene-<br />

Lange-Schule o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bielefel<strong>de</strong>r Laborschule<br />

(die von Hentig bis 1987 geleitet hat), sieht er<br />

sein Plädoyer für einen Abschied von <strong>de</strong>r herkömmlichen<br />

Unterrichtsschule bestätigt.<br />

Es gäbe vieles, auch Kritisches, zu von Hentigs<br />

Vision einer „Schule <strong>als</strong> Lebens- und Erfahrungsraum“<br />

zu fragen: Ist sie realistisch? Ist<br />

sie bezahlbar? Wer<strong>de</strong>n Lehrer, wer<strong>de</strong>n Eltern sie<br />

mittragen (können)? Und grundsätzlicher: Ist eine<br />

solche Schule überhaupt wünschenswert?<br />

Kommen nicht Inhalte und Wissen, kommt nicht<br />

das konzentrierte Lernen (und auch die Anstrengung)<br />

viel zu kurz in einer solchen Schule?<br />

Und ist nicht die Vorstellung, Schule könne<br />

ernsthaft zum „entschulten Lebens- und Erfahrungsraum“<br />

wer<strong>de</strong>n, eine f<strong>als</strong>che Utopie? Muss<br />

Schule nicht immer „Labor“ sein, ein Ort <strong>de</strong>s<br />

Nach<strong>de</strong>nkens, Lernens, Experimentierens und<br />

<strong>de</strong>r arrangierten (!) Erfahrung, aber eben doch<br />

nicht das Leben selbst? Bei aller Kritik, die an <strong>de</strong>r<br />

Radikalität <strong>de</strong>r Hentigschen I<strong>de</strong><strong>als</strong>chule zu üben<br />

wäre (und längst geübt wor<strong>de</strong>n ist) – <strong>als</strong> pädagogischer<br />

Gewissensspiegel für Lehrer, Schulleiter<br />

und Schulbehör<strong>de</strong>n ist die „Denkübung“,<br />

zu <strong>de</strong>r Hartmut von Hentig seine Leser anleitet,<br />

nicht nur tauglich, son<strong>de</strong>rn sogar notwendig.<br />

Denn min<strong>de</strong>stens hierin hat <strong>de</strong>r Autor recht: Erziehung<br />

ist allemal mehr <strong>als</strong> die Kunst, <strong>de</strong>n<br />

Unterricht störungsfrei zu halten. Erziehung be<strong>de</strong>utet<br />

Persönlichkeitsbildung und Ermutigung<br />

junger Menschen zu einem verantwortlichen, am<br />

Gemeinwohl orientierten Leben. Das sind Aufgaben,<br />

die ins Zentrum <strong>de</strong>r täglichen Arbeit gehören<br />

– und nicht nur in die Präambeln <strong>de</strong>r Schulprogramme.<br />

Sie sind nicht weniger zentral <strong>als</strong> die<br />

Vermittlung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen.<br />

Und sie stellen sich, auch darin hat von<br />

Hentig recht, keineswegs im Vorübergehen ein,<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

105<br />

INFO 34 · 2/2005


LITERATUR & MEDIEN<br />

106<br />

gleichsam <strong>als</strong> Beifang <strong>de</strong>s Fachunterrichts. Sie erfor<strong>de</strong>rn<br />

eine bewusst gestaltete Unterrichtskultur,<br />

ein sorgsam gepflegtes Schulklima, gezielte pädagogische<br />

Son<strong>de</strong>rangebote und eine wohldurchdachte<br />

Balance von Unterricht und Schulleben.<br />

Nur so kann Schule, einigermaßen, auf das ganze<br />

Leben vorbereiten.<br />

Carl Josef Reitz<br />

Werner, Hans-Joachim<br />

Moral und<br />

Erziehung in <strong>de</strong>r<br />

pluralistischen<br />

Gesellschaft<br />

– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />

2002. 300 S., € 24.90 (ISBN 3-534-16026-6)<br />

„Moral und Erziehung in <strong>de</strong>r pluralistischen<br />

Gesellschaft“ – Bereits <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s Buches lässt<br />

ahnen, dass Hans-Joachim Werner in seiner jüngsten<br />

Arbeit ein weites Feld in <strong>de</strong>n Blick genommen<br />

hat. Ein Feld, das sich zu<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Spannung<br />

verschie<strong>de</strong>ner Wissenschaftsdisziplinen und<br />

Wirklichkeitszugängen entfaltet, zwischen Philosophie<br />

und Pädagogik, zwischen Ethik und Religion,<br />

zwischen Individuum und Gesellschaft,<br />

zwischen Recht und Politik. Hans-Joachim Werner<br />

ist Professor für Philosophie an <strong>de</strong>r Pädagogischen<br />

Hochschule in Karlsruhe, <strong>als</strong>o vornehmlich<br />

in <strong>de</strong>r Ausbildung künftiger Grund-, Hauptund<br />

Re<strong>als</strong>chullehrer tätig. Entsprechend bringt er<br />

<strong>als</strong> Hintergrund für seine Darstellung die moralphilosophische<br />

Reflexion und <strong>de</strong>n Fokus auf Unterrichts-<br />

und Schulpraxis mit. Wohl auch <strong>de</strong>shalb<br />

wird <strong>de</strong>r Blick auf „Moral und Erziehung“<br />

im Laufe <strong>de</strong>r Darstellung zunehmend auf <strong>de</strong>n<br />

Schulunterricht und <strong>de</strong>n „Lebensraum Schule“<br />

(Hartmut von Hentig) gerichtet, was nicht zum<br />

Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Buches ist. An<strong>de</strong>rs wäre die Themenstellung<br />

auch kaum auf 300 Seiten abzuhan<strong>de</strong>ln<br />

gewesen.<br />

Der Autor hat seine Studie in zwei große Teile<br />

geglie<strong>de</strong>rt. In einem ersten Kapitel sammelt er<br />

ethische Fragestellungen, wie sie sich heute vor<br />

<strong>de</strong>m Hintergrund einer pluralistischen Gesellschaft<br />

stellen. Dabei geht es zuerst um die<br />

grundsätzlich Klärung, wie und in welchem Maße<br />

sich eine Gesellschaft <strong>de</strong>n für ihre Existenz<br />

notwendigen ethischen Konsens bewahren<br />

kann, wenn „die Moral weitgehend staatlichem<br />

Zugriff entzogen bleibt, und zwar nicht nur im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Speziellmoral, die im religiösen<br />

Glauben, in <strong>de</strong>r individuellen Gewissensorientierung<br />

und in frei gewählten Gemeinschaftsbindungen<br />

ihren Ausdruck fin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn auch<br />

für die Universalmoral, in <strong>de</strong>r sich die konsensbedürftigen<br />

Grundwerte einer Gesellschaft ausdrücken“<br />

(24). Der Autor nennt dieses Dilemma<br />

die „offene Flanke“ <strong>de</strong>r offenen Gesellschaft.<br />

Die moralische Erziehung zeigt sich in diesem<br />

Kontext <strong>als</strong> eine Möglichkeit und Notwendigkeit,<br />

dieser „spannungsreichen Grundsituation<br />

gerecht zu wer<strong>de</strong>n“ (24).<br />

Im nächsten Schritt unternimmt <strong>de</strong>r Autor<br />

dann die Klärung <strong>de</strong>r wichtigsten Begriffe dieses<br />

Diskursfel<strong>de</strong>s: Pluralismus, Liberalismus, Freiheit,<br />

Moral, Ethik, Wert und Norm. So bestimmt<br />

er die Ethik <strong>als</strong> Theorie <strong>de</strong>r Moral, Moral dagegen<br />

ausführlich <strong>als</strong> unterschiedlich akzentuierte<br />

Praxis persönlich wie gesellschaftlich anerkannter<br />

Sittlichkeit (33). Nach einem Durchgang<br />

durch die wichtigsten Positionen zur Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>r Moral – von Kant über Piaget bis<br />

MacIntyre – kommt er am En<strong>de</strong> dieses ersten Kapitels<br />

schließlich zu einer umfassen<strong>de</strong>n Definition:<br />

„Der Begriff <strong>de</strong>r Moral umfasst, so wie<br />

Höffe und an<strong>de</strong>re es darstellen, Wert und Norm,<br />

die sich auf das Verhältnis <strong>de</strong>s Individuums zu<br />

sich selbst, zu <strong>de</strong>n Mitmenschen und zur Natur<br />

beziehen“ (40). In ein Bild gebracht, stellt sich<br />

diese Struktur <strong>de</strong>r Moral auf <strong>de</strong>r Metaebene <strong>als</strong><br />

Struktur <strong>de</strong>r Ethik in einem ellipsenartigen Schema<br />

dar: „Rücksichten gegen sich selbst“ und<br />

„Rücksichten gegen die Mitwelt“ stehen in einem<br />

Gleichgewicht von Bestrebungen und Pflicht.<br />

„Moralische Erziehung, besteht somit aus <strong>de</strong>njenigen<br />

Aktivitäten, die sich intentional bei <strong>de</strong>n<br />

zu Erziehen<strong>de</strong>n auf die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rücksichten<br />

gegen sich selbst und gegen die Mitwelt richten“<br />

(45).<br />

Im umfangreichen zweiten Kapitel beleuchtet<br />

Werner dann die moralpädagogischen Ansätze<br />

und Konzepte, mit <strong>de</strong>nen moralische Erziehung<br />

in einer pluralistischen Gesellschaft geleistet wer<strong>de</strong>n<br />

soll, und prüft sie auf ihre Tauglichkeit. Dabei<br />

wird die Grundfigur <strong>de</strong>r doppelten Rücksichtsnahme<br />

– gegen die eigene Person und gegen die<br />

Mitwelt – zum heuristischen Instrument einer Analyse,<br />

<strong>de</strong>ren Bogen von <strong>de</strong>n ethischen Ansätzen<br />

<strong>de</strong>r Antike bis zu Piaget und Kohlberg reicht. In<br />

einem ersten Schritt nimmt <strong>de</strong>r Autor die Tugen<strong>de</strong>n<br />

<strong>als</strong> Ziele moralpädagogischen Han<strong>de</strong>lns in<br />

<strong>de</strong>n Blick und entfaltet Begriffe wie Persönlichkeit<br />

und Selbstentfaltung sowie Gerechtigkeit<br />

und Wohlwollen <strong>als</strong> Folie eines auf Erziehung<br />

zur Sittlichkeit ausgerichteten Han<strong>de</strong>lns. In einem<br />

zweiten Schritt wen<strong>de</strong>t er sich dann <strong>de</strong>n<br />

gängigen moralpädagogischen Metho<strong>de</strong>n und<br />

Konzepten zu und prüft ihre Tauglichkeit im<br />

Raum schulischer Erziehung: Dabei kommen<br />

die sokratische Gesprächsform und die Kohlbergsche<br />

Dilemmametho<strong>de</strong> ebenso in <strong>de</strong>n Blick<br />

wie die Wertklärungsmetho<strong>de</strong>, das Start/Life-<br />

Line-Mo<strong>de</strong>ll und das Compassion-Projekt. Die<br />

Arbeit schließt mit einem knappen Abschnitt<br />

über das Verhältnis von Ethik- und Religionsunterricht.<br />

„Moralische Erziehung in <strong>de</strong>r pluralistischen<br />

Gesellschaft“ ist eine äußerst konzis und nüchtern<br />

verfasste Studie, die über gut 300 Seiten eine<br />

grundsätzliche Klärung gängiger Grundbegriffe<br />

und <strong>de</strong>r mit ihnen verbun<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen<br />

Fragestellung unternimmt. Dabei schöpft <strong>de</strong>r<br />

Verfasser souverän aus <strong>de</strong>n unterschiedlichsten<br />

Konzepten <strong>de</strong>r Philosophiegeschichte, ohne aber<br />

die Bedingungen und Grenzen schulischen Lernens<br />

aus <strong>de</strong>m Auge zu verlieren. Wer sich die<br />

Zeit nimmt, diese anspruchsvolle Studie einer<br />

gründlichen Lektüre zu unterziehen, wird wichtige<br />

Klärungen, hilfreiche Reflexionen und eine<br />

wohltuen<strong>de</strong> Ordnung <strong>de</strong>s Diskurses fin<strong>de</strong>n.<br />

Clauß Peter Sajak<br />

Nicht, Manfred / Wildfeuer,<br />

Armin (Hg.)<br />

Person –<br />

Menschenwür<strong>de</strong> –<br />

Menschenrechte<br />

im Disput<br />

(Arbeitsbücher für Schule und Bildungsarbeit; Bd. 5).<br />

– Münster u.a.: LIT Verlag. 2002. 424 S., € 24.90<br />

(ISBN 3-8258-6104-X)<br />

Das vorliegen<strong>de</strong> Werk enthält die Referate zum<br />

„Tag katholischer Schulen“ vom 1. Okt. 2001 <strong>de</strong>s<br />

Bistums Essen und ist <strong>de</strong>m Bischof von Essen<br />

Hubert Luthe zum 75. Geburtstag gewidmet. Den<br />

Referaten vorangestellt ist ein Brief <strong>de</strong>s Bischofs<br />

zum Thema „Für eine Kultur <strong>de</strong>s Lebens“ aus <strong>de</strong>m<br />

Jahre 1998. Die Ausführungen <strong>de</strong>s an <strong>de</strong>r Kath.<br />

Fachhochschule in Pa<strong>de</strong>rborn lehren<strong>de</strong>n Philosophen<br />

Armin Wildfeuer eröffnen die Thematik <strong>de</strong>s<br />

Symposions <strong>als</strong> Hauptreferat. Ihm schließen sich<br />

noch 22 weitere Referate an. Die Beiträge <strong>de</strong>r in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Disziplinen ausgewiesenen Referenten<br />

unterglie<strong>de</strong>rn sich in die Rubriken: I. Philosophische<br />

und theologische Grundlagen, II.<br />

Recht – Gesellschaft – Kultur und III. Konkretionen.<br />

Wildfeuer führt mit seinem Grundsatzreferat<br />

Menschenwür<strong>de</strong> – Leerformel o<strong>de</strong>r unverzichtbarer<br />

Gedanke? in die gegenwärtige philosophische<br />

Diskussion ein und zeigt Problematik und Konsequenzen<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Argumentationsrichtungen<br />

auf. Der weitgehen<strong>de</strong> säkulare common<br />

sense einer „Ethik ohne Metaphysik“ (G. Patzig)<br />

gibt vor, eine rationale Ethik, ohne weltanschauliche<br />

Vorraussetzungen, zu sein. <strong>Diese</strong>r Konsens<br />

setzt voraus, dass diese Ethik für alle akzeptabel<br />

sei, die ethisch <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln. Wildfeuer<br />

lässt sich auf diese Voraussetzung ein und vertritt<br />

die Auffassung, dass sich <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong>,<br />

entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Kritiker,<br />

die darin eine Leerformel sehen, rational begrün<strong>de</strong>n<br />

lasse. Darüber hinaus ist s. E. sogar eine<br />

rational nachvollziehbare Verankerung im politisch-rechtlichen<br />

System unserer Gesellschaft möglich.<br />

Metaphysik und religiöser Glaube haben<br />

zwar heuristisch dazu beigetragen, Begriffe wie<br />

Menschenwür<strong>de</strong> und Person zu bil<strong>de</strong>n. In einer<br />

weltanschaulich neutralen Gesellschaft dürfen jedoch<br />

Metaphysik und religiöser Glaube keinen<br />

Begründungsrang mehr haben. Aber auch die rationale<br />

Begründung etwa, dass Menschsein, Menschenwür<strong>de</strong><br />

und Personsein <strong>de</strong>ckungsgleich seien,<br />

wird Gegner wie Reinhard Merkel, Peter Singer,<br />

Helga Kuhse und an<strong>de</strong>re schließlich <strong>de</strong>nnoch<br />

nicht überzeugen. Der ebenfalls in Pa<strong>de</strong>rborn lehren<strong>de</strong><br />

Moraltheologe Werner Wertgen konkretisiert<br />

Argumentation und Kritik in seinem Beitrag<br />

(Warum) sollen menschliche Embryonen geschützt<br />

wer<strong>de</strong>n? Embryonenschutz <strong>als</strong> ethisches<br />

Problem. Eine Skizze. Er legt die Plausibilitätslücke<br />

zwischen <strong>de</strong>n Argumenten für einen umfassen<strong>de</strong>n<br />

Schutz menschlichen Lebens und <strong>de</strong>n Argumenten<br />

<strong>de</strong>r schärfsten Kritiker <strong>de</strong>sselben offen.<br />

Hier wird ganz offensichtlich, dass die weltanschauliche<br />

Position von Befürwortern und Kritikern<br />

<strong>de</strong>r Grund dieser Lücke ist. Sowohl Pro <strong>als</strong><br />

INFO 34 · 2/2005


auch Contra können je nach Standpunkt nicht je<strong>de</strong>n<br />

überzeugen. Rationale Argumente auf <strong>de</strong>r<br />

Basis <strong>de</strong>s o.g. common sense haben <strong>als</strong>o genauso<br />

ihre Grenzen wie metaphysisch religiöse.<br />

Weil das so ist, hat m.E. auch eine theologische<br />

Argumentation weiterhin ihre Berechtigung.<br />

Schließlich hat im gleichen Jahr, <strong>als</strong> dieses Symposion<br />

stattfand, Jürgen Habermas <strong>als</strong> „religiös<br />

Unmusikalischer“ in seiner Frankfurter Re<strong>de</strong> darauf<br />

hingewiesen, dass die religiöse Sprache Wertressourcen<br />

berge, die auch für eine säkulare Gesellschaft<br />

unverzichtbar wären. Nicht nur <strong>de</strong>r theologisch<br />

Argumentieren<strong>de</strong> sollte die Sprache <strong>de</strong>r<br />

ihn umschließen<strong>de</strong>n säkularen Welt lernen, son<strong>de</strong>rn<br />

es sei an <strong>de</strong>r Zeit, dass umgekehrt auch die<br />

säkulare Welt von <strong>de</strong>n Sprachinseln religiöser<br />

Wertvermittlung und Begründung lerne. Der religiös<br />

Re<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Argumentieren<strong>de</strong> sollte sich<br />

m.E. nicht zum Kaninchen machen lassen, das auf<br />

eine theologische Argumentation verzichtet, weil<br />

man es abgerichtet hat, auf die Schlange einer<br />

Ethik ohne Metaphysik zu starren. Erfreulicherweise<br />

kamen während <strong>de</strong>s Symposions auch zwei<br />

Referenten zu Wort, <strong>de</strong>ren Beiträge im engeren<br />

Sinne <strong>als</strong> theologisch zu bezeichnen sind und sich<br />

in erfrischen<strong>de</strong>r Weise vom Starren auf die Schlange<br />

lösen. Der Eichstätter Dogmatiker Manfred<br />

Gerwing (Der Mensch ein Geschöpf Gottes? Zum<br />

christlichen Menschenverständnis) zeigte in seiner<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Sartre auf, mit welchen<br />

Defiziten man leben muss, wenn man sich<br />

auf die Sprachregelungen <strong>de</strong>r zeitgenössischen<br />

Gesellschaft einlässt und auf Argumentationen<br />

verzichtet, aus <strong>de</strong>nen man eigentlich lebt. Es ist<br />

eben nicht so, dass <strong>de</strong>r Verzicht auf die Re<strong>de</strong> von<br />

Gott, die immer auch Konsequenzen für die Re<strong>de</strong><br />

vom Menschen hat, ein Rad ist, mit <strong>de</strong>m sich sowieso<br />

nichts dreht. Nicht nur Habermas hat dies<br />

mittlerweile bemerkt. Gerwing führt auch <strong>de</strong>n<br />

Zeitherausgeber Michael Naumann und <strong>de</strong>n früheren<br />

Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

Wolfgang Frühwald an, die von einer<br />

angeblich „wertfreien Wissenschaft“ Abschied<br />

nehmen. (S. 155). In diesem Zusammenhang sei<br />

auch <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s Pa<strong>de</strong>rborner Bibelwissenschaftlers<br />

Rainer Dillmann (Zwischen Selbstüberschätzung<br />

und gutem Willen – Der Mensch<br />

aus biblisch-theologischer Sicht) genannt. Die<br />

Erzählung von Paradies und Sün<strong>de</strong>nfall nimmt er<br />

zum Anlass eine über alle Zeiten hinweg aktuelle<br />

Thematik, die Erkenntnis von gut und böse, für<br />

die gegenwärtige Diskussion fruchtbar zu machen.<br />

Liest man die weiteren Beiträge in <strong>de</strong>r Spannung<br />

<strong>de</strong>s von Wildfeuer eröffneten Spektrums,<br />

zeitgenössisch mit Zeitgenossen zu <strong>de</strong>nken und<br />

zu re<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n vor allem durch Gerwing, aber<br />

auch Dillman markierten Kontrapunkten, so wird<br />

man das Buch mit Gewinn lesen. Helmut Müller<br />

Blum, Matthias/ Hölscher,<br />

Andreas (Hg.)<br />

Die Kunst <strong>de</strong>r<br />

Glaubensvermittlung<br />

Perspektiven zeitgemäßer Religionspädagogik<br />

(Berliner Schriften Bd. 17). – Berlin: Morus Verlag.<br />

2002. 278 S., € 24,90 (ISBN 3-87554-347-5)<br />

Es gibt verschie<strong>de</strong>ne Wege, in ein Studienfach<br />

o<strong>de</strong>r eine Wissenschaftsdisziplin einzuführen. Man<br />

kann zentrale Themen und Metho<strong>de</strong>n, Geschichte<br />

und Entwicklung eines Faches systematisch<br />

darstellen. Man kann aber auch führen<strong>de</strong> Vertreter<br />

<strong>de</strong>s Faches bitten, <strong>de</strong>n gegenwärtigen Diskussionsstand<br />

zusammenzufassen und in einer möglichst<br />

allgemein verständlichen Sprache darzustellen.<br />

Zu letzterem haben sich die FU Berlin<br />

und das Seminar für Lehrerfortbildung <strong>de</strong>s Erzbistums<br />

Berlin entschlossen, <strong>als</strong> sie 1999/ 2000 eine<br />

Ringvorlesung zum Thema Verdunstung <strong>de</strong>s Glaubens?<br />

Religiöse Bildung in <strong>de</strong>r pluralen Kultur<br />

und Gesellschaft initiierten und dazu führen<strong>de</strong> Vertreter<br />

<strong>de</strong>r katholischen Religionspädagogik einlu<strong>de</strong>n.<br />

Wer mit <strong>de</strong>n religionspädagogischen Diskussionen<br />

<strong>de</strong>r letzten bei<strong>de</strong>n Jahrzehnten vertraut<br />

ist, wird in <strong>de</strong>r Dokumentation <strong>de</strong>r Vorlesungsreihe<br />

wenig Neues ent<strong>de</strong>cken. Wer sich hingegen<br />

einen Überblick über die gegenwärtige katholische<br />

Religionspädagogik verschaffen will, <strong>de</strong>m<br />

verspricht <strong>de</strong>r Band eine gewinnbringen<strong>de</strong> Lektüre.<br />

Hier präsentiert sich die <strong>de</strong>utsche Religionspädagogik<br />

mit ihren Stärken, aber auch mit ihren<br />

Schwächen. Von bei<strong>de</strong>m ist zu re<strong>de</strong>n.<br />

Der Weg durch die Religionspädagogik beginnt<br />

mit <strong>de</strong>r Wahrnehmung und Deutung lebensweltlicher<br />

Religiosität. Religion ist heute diffus<br />

gewor<strong>de</strong>n, so die These <strong>de</strong>s Kölner Dogmatikers<br />

Hans-Joachim Höhn. Die Postmo<strong>de</strong>rne ist nicht<br />

religionslos. Wohl aber verliert Religion ihre inhaltliche<br />

und soziale Bestimmtheit. Religiöse o<strong>de</strong>r<br />

religionsäquivalente Phänomene lassen sich in<br />

vielen Bereichen <strong>de</strong>r Gesellschaft fin<strong>de</strong>n – vom<br />

Sport über Kunst und Kultur bis zur Warenästhetik<br />

und Werbung. Religion ist allgegenwärtig und<br />

<strong>de</strong>shalb nirgends konkret zu verorten. <strong>Diese</strong> religionsphänomenologische<br />

These wird vom Münsteraner<br />

Sozialethiker Karl Gabriel religionssoziologisch<br />

gestützt: Die Diffusion von Religion ist<br />

wesentlich eine Folge ihrer Pluralisierung und Individualisierung.<br />

Bei<strong>de</strong> Autoren sehen im (post-)<br />

mo<strong>de</strong>rnen Umgang mit Religion nicht nur eine<br />

Gefahr für Christentum und Kirche, son<strong>de</strong>rn auch<br />

eine Chance, wenn die Kirche, wie Gabriel empfiehlt,<br />

die Rolle einer „freiheitsbewahren<strong>de</strong>n Distanzmacht“<br />

zum total wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Markt und seinen<br />

Zwängen einnimmt. <strong>Diese</strong>r Impuls wird lei<strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>n im engeren Sinne religionspädagogischen<br />

Beiträgen kaum aufgenommen. Nur Norbert<br />

Mette macht hier eine Ausnahme. Er versucht,<br />

die Einsichten <strong>de</strong>r „politischen Theologie“<br />

von Johann-Baptist Metz und Helmut Peukert religionspädagogisch<br />

fruchtbar zu machen.<br />

Die an<strong>de</strong>ren Beiträge beleuchten vor allem die<br />

traditionellen Orte religiöser Bildung, nämlich<br />

Schule, Gemein<strong>de</strong> und Erwachsenenbildung. Werner<br />

Simon und Harald Schwillius erläutern Konzeption<br />

und Stellung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts in<br />

<strong>de</strong>r Schule. Bei<strong>de</strong> plädieren auch in Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>m Fach LER in Bran<strong>de</strong>nburg für<br />

einen konfessionellen Religionsunterricht, <strong>de</strong>r<br />

Standortgebun<strong>de</strong>nheit mit Offenheit gegenüber<br />

an<strong>de</strong>ren Konfessionen und Religionen verbin<strong>de</strong>t.<br />

Ein reichlich i<strong>de</strong>alistisches Bild von Gemein<strong>de</strong>pädagogik<br />

zeichnet die Osnabrücker Pastoraltheologin<br />

Martina Blasberg-Kuhnke. Es gehört<br />

schon eine gewisse Erfahrungsresistenz dazu, die<br />

Gemein<strong>de</strong> <strong>als</strong> primären Lernort <strong>de</strong>s Glaubens zu<br />

<strong>de</strong>klarieren. Die freikirchlich inspirierte Gemein<strong>de</strong>theologie<br />

übersieht geflissentlich, dass nur eine<br />

kleine Min<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Christinnen und Christen<br />

sich gemeindlich engagiert, dass es in <strong>de</strong>r katholischen<br />

Kirche immer auch an<strong>de</strong>re Vergemeinschaftungsformen<br />

gegeben hat und gibt und<br />

dass <strong>de</strong>r religiöse Monopolanspruch <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>r Terminologie von Ernst Troeltsch eher<br />

zum Sozialtypus „Sekte“ passt. Von diesen Engführungen<br />

ist <strong>de</strong>r Beitrag von Rudolf Englert frei.<br />

Er hält ein überzeugen<strong>de</strong>s Plädoyer für eine kirchliche<br />

Erwachsenenbildung, die <strong>de</strong>n christlichen<br />

Glauben über <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Gottesdienstgemein<strong>de</strong><br />

hinaus kommunikabel macht und zur Fermentierung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft mit christlichen Inspirationen<br />

beiträgt. Dass dies auch angesichts <strong>de</strong>r offenkundigen<br />

Krise vieler kirchlicher Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>r Erwachsenenbildung noch möglich ist,<br />

zeigte jüngst die Diskussion von Jürgen Habermas<br />

und Kardinal Ratzinger in <strong>de</strong>r Katholischen<br />

Aka<strong>de</strong>mie München. Sie hätte in einer Gemein<strong>de</strong><br />

wohl kaum stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Höchst anregend ist <strong>de</strong>r abschließen<strong>de</strong> Beitrag<br />

von Klaus Mertes SJ, <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>s Canisius-<br />

Kollegs in Berlin. Er versteht Schulpastoral bewusst<br />

nicht <strong>als</strong> kirchliche Sozialarbeit an Lehrern<br />

und Schülern, son<strong>de</strong>rn skizziert ein Konzept, das<br />

Schülerinnen und Schülern im Raum von Schule<br />

religiöse Erfahrungen eröffnen will. Seine praxisnahen<br />

Überlegungen zur Schulpastoral gehen<br />

damit über <strong>de</strong>n Diskussionsrahmen <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s<br />

hinaus und verweisen auf neuere Überlegungen<br />

zu einem „performativen“ o<strong>de</strong>r „mystagogischen<br />

Religionsunterricht“ (vgl. rhs 1/2002 und INFO<br />

4/2003), <strong>de</strong>r nicht nur an religiöse Erfahrungen<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler anknüpfen, son<strong>de</strong>rn<br />

ihnen auch neue Erfahrungen innerhalb und<br />

außerhalb von Schule ermöglichen will. Solch<br />

neue Konzepte einer „zeitgemäßen Religionspädagogik“<br />

– so <strong>de</strong>r Untertitel – sucht man im <strong>de</strong>m<br />

Dokumentationsband jedoch ebenso vergeblich<br />

wie Bezüge zur gegenwärtigen Schulreform<strong>de</strong>batte.<br />

Kritikwürdig ist auch das vergleichsweise<br />

harmlose Bild von Religion in <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne,<br />

das Höhn und Gabriel zeichnen. Spätestens <strong>de</strong>r<br />

11. September 2001 hat uns <strong>de</strong>n offenkundig engen<br />

Zusammenhang von Religion und Gewalt<br />

wie<strong>de</strong>r bewusst gemacht. Und auch wer Mel Gibsons<br />

Deutung <strong>de</strong>r Passion Jesu <strong>als</strong> Blutorgie ablehnt,<br />

wird nicht leugnen können, dass im Zentrum<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens ein tödlicher Gewaltakt<br />

steht. Religion ist keine harmlose Freizeitbeschäftigung.<br />

Hier geht es im Wortsinn um Leben und Tod.<br />

Eine Religionspädagogik, die „zeitgemäß“ sein<br />

will, darf <strong>de</strong>n Zusammenhang von Religion und<br />

Gewalt nicht ausblen<strong>de</strong>n. Andreas Verhülsdonk<br />

Boschki, Reinhold<br />

„Beziehung“ <strong>als</strong><br />

Leitbegriff <strong>de</strong>r<br />

Religionspädagogik<br />

Grundlegung einer dialogisch-kreativen Religionsdidaktik<br />

(Reihe Zeitzeichen; Bd. 13). – Ostfil-<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

107<br />

INFO 34 · 2/2005


LITERATUR & MEDIEN<br />

108<br />

<strong>de</strong>rn: Schwabenverlag. 2003. 504 S., € 35.00<br />

(ISBN 3-7966-1122-2)<br />

Eigentlich ist es erstaunlich, dass erst mit dieser<br />

Tübinger Habilitationsschrift die Kategorie<br />

„Beziehung“ ausdrücklich in <strong>de</strong>n Mittelpunkt religionspädagogischer<br />

und -didaktischer Grundlagenprobleme<br />

gestellt wird. Ist doch seit langem<br />

schon spürbar, wie sehr die Kategorie <strong>de</strong>s Dialogischen,<br />

<strong>de</strong>s Kommunikativen, <strong>de</strong>s (Inter-)Relationalen<br />

in <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>s Selbst- und Weltverstehens<br />

in allen Wissenschaften und Lebensbereichen<br />

rückt. Theologisch grundlegend sind<br />

die Arbeiten von Helmut Peukert, die Glauben <strong>als</strong><br />

bestimmte kommunikative Praxis erschließen. In<br />

systematischer Theologie hat z.B. die Münsteraner<br />

Theologin Dorothea Sattler das „Beziehungs<strong>de</strong>nken<br />

in <strong>de</strong>r Erlösungslehre“ auf seine Be<strong>de</strong>utung<br />

und seine Grenzen hin untersucht (Freiburg<br />

1997). Hier nun wird in einem gut begrün<strong>de</strong>ten<br />

und kenntnisreichen Dreischritt das „Beziehungsparadigma“<br />

religionspädagogisch durchbuchstabiert<br />

– nicht um das bisher leiten<strong>de</strong> „Erziehungsparadigma“<br />

o<strong>de</strong>r das „Entwicklungsparadigma“<br />

einfach abzulösen, son<strong>de</strong>rn kreativ zu ergänzen<br />

und, im vielfachen Wortsinn, „aufzuheben“. Wenn<br />

nämlich von „Beziehung“ begrün<strong>de</strong>t die Re<strong>de</strong> ist,<br />

dann ist immer Wechselseitigkeit im Spiel, dann<br />

wer<strong>de</strong>n die kreativen und konstruktiven Potentiale<br />

<strong>de</strong>r Beziehungspartner wachgerufen, dann sind<br />

vor allem auch die emotionalen (und konfliktiven)<br />

Dimensionen <strong>de</strong>s Verhältnisses schon im<br />

Ansatz zentral. Genau das entfaltet Boschki im<br />

ständigen Gespräch mit Erziehungswissenschaft<br />

und Theologie für die Religionspädagogik.<br />

Ausführlich wird zunächst die Beziehungswelt<br />

von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen sozialwissenschaftlich-empirisch<br />

erhoben, theoretisch abgeklärt<br />

und profiliert. Erziehung geschieht in Beziehung,<br />

und dieses Geschehen ist in seiner Vieldimensionalität<br />

und Wechselseitigkeit zu erschließen.<br />

Hatte die klassische Pädagogik (etwa<br />

bei Herman Nohl) vom „pädagogischen Bezug“<br />

gesprochen, so wird hier <strong>de</strong>r inmitten aller Asymmetrie<br />

<strong>de</strong>s pädagogischen Verhältnisses doch<br />

symmetrisch wechselseitige, empathische und<br />

durchaus konfliktive Aspekt von vornherein ausdrücklich<br />

im Ansatz gebracht. Die ersten 200 Seiten<br />

<strong>de</strong>r Arbeit sind eine hervorragen<strong>de</strong> Einführung<br />

in <strong>de</strong>n Stand humanwissenschaftlicher Aspekte<br />

<strong>de</strong>s Themas.<br />

Der zweite Teil stellt Zentralaspekte biblischer<br />

Beziehungstheologie in <strong>de</strong>r jüdischen und<br />

christlichen Tradition dar, wie sie von einer<br />

Theologie <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s zwischen Gott und <strong>de</strong>n<br />

Menschen her sich nahelegen. Boschki, <strong>de</strong>r eine<br />

höchst empfehlenswerte Arbeit über Elie Wiesel<br />

geschrieben hatte, akzentuiert beson<strong>de</strong>rs die bleiben<strong>de</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung Israels auch für christliches Beziehungs<strong>de</strong>nken.<br />

Derart die Theo- und Soziodramatik<br />

<strong>de</strong>r biblischen Überlieferungen und <strong>de</strong>r<br />

faktischen Glaubensgeschichten stets im Blick –<br />

und dies notwendig mit <strong>de</strong>m Zeitin<strong>de</strong>x „nach<br />

Auschwitz“ – , wird <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r Unverfügbarkeit,<br />

<strong>de</strong>r Befremdlichkeit, <strong>de</strong>r konfliktiven Kreativität<br />

im Beziehungsverhalten zwischen Gott<br />

und seinem Volk, zwischen Gott und Mensch<br />

nachdrücklich unterstrichen: Zum Geheimnis<br />

Gottes gehört seine Entzogenheit, seine beziehungsstiften<strong>de</strong><br />

Liebe lebt aus seiner souveränen<br />

Freiheit, seine Allmacht (in Beziehung!) wird<br />

konkret gera<strong>de</strong> auch in seiner Ohnmacht.<br />

Im dritten Teil wird eine entsprechen<strong>de</strong> „religionspädagogische<br />

Hermeneutik <strong>de</strong>r Beziehung“<br />

entfaltet und damit z.B. das Mo<strong>de</strong>ll einer Korrelationsdidaktik<br />

aufgenommen und weitergeführt.<br />

Nicht zuletzt die „Konturen einer dialogischkreativen<br />

Religionsdidaktik“ zeigen, wie sehr es<br />

im ganzen Ansatz um fünf Dimensionen religiösen<br />

Beziehungslernens geht: Beziehung zu sich<br />

selbst, Beziehung zu an<strong>de</strong>ren, Verhältnis zu Natur,<br />

Kultur und Geschichte, Verhältnis zu Zeit<br />

und in all <strong>de</strong>m Gottesbeziehung. Beziehungslernen<br />

ist eben mehr <strong>als</strong> Wissensvermittlung, mehr<br />

auch <strong>als</strong> materiale Glaubensweitergabe, son<strong>de</strong>rn<br />

ein vieldimensionales ganzheitliches Bezugsgeschehen.<br />

Ob und wie dies im „System“ Schule zu<br />

realisieren ist, ob und wie dies in <strong>de</strong>n real existieren<strong>de</strong>n<br />

kirchlichen Gemein<strong>de</strong>n zu verwirklichen<br />

ist, ist eine nach <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>r höchst empfehlenswerten<br />

Studie um so brennen<strong>de</strong>re Frage.<br />

Bei lebhafter Zustimmung und Empfehlung<br />

im Ganzen sei eine m.E. theologisch zentrale<br />

Problematik und Frage nicht verschwiegen. Die<br />

durchgängige (bisweilen fast inflationäre) Inanspruchnahme<br />

<strong>de</strong>r Kategorie „Dialektik“ für das<br />

Verhältnis von „Offenbarung“ und „Verborgenheit“,<br />

von „Anwesenheit“ und „Abwesenheit“<br />

Gottes scheint mir min<strong>de</strong>stens missverständlich –<br />

und das hängt m.E. mit <strong>de</strong>m ungeklärten Status<br />

<strong>de</strong>r Christologie in diesem Entwurf zusammen,<br />

<strong>de</strong>r so lei<strong>de</strong>nschaftlich die Beson<strong>de</strong>rheit Israels<br />

und seiner Gottesgeschichte auch für das Christentum<br />

unterstreicht. Die Re<strong>de</strong> von „Dialektik“<br />

kann allzu leicht janusgesichtig wer<strong>de</strong>n (und bleiben),<br />

wenn sie nicht <strong>de</strong>n biblisch zentralen Gedanken<br />

<strong>de</strong>r endgültigen Selbst-Offenbarung Gottes<br />

österlich entschie<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellt.<br />

Die „Verborgenheit“ (eines „Partners“) in <strong>de</strong>r<br />

Beziehung und aufgrund <strong>de</strong>r Beziehung (die z.B.<br />

<strong>de</strong>n Namen Liebe und Freundschaft verdient) ist<br />

eine völlig an<strong>de</strong>re Verborgenheit und Abwesenheit<br />

<strong>als</strong> die etwa, die außerhalb <strong>de</strong>r Beziehung<br />

o<strong>de</strong>r in ihrem Vorhof erfahren und behauptet<br />

wird. Wenn z.B. <strong>de</strong>r berühmte Cantico Espiritual<br />

<strong>de</strong>s Johannes vom Kreuz – ein Zentraltext christlicher<br />

Mystik und spanischer Poesie – mit <strong>de</strong>r<br />

Frage beginnt: „Wo hast du dich verborgen?“,<br />

dann leben diese Frage und dieses Gedicht von<br />

einer elementaren Beziehungsgewissheit, wie sie<br />

christlich im Osterbekenntnis begrün<strong>de</strong>t liegt.<br />

Lässt sich eine solche Beziehungsdynamik – und<br />

dies ist die <strong>de</strong>r ganzen Bibel! – „dialektisch“ nennen?<br />

Wenn schon, dann eher: dialogisch! <strong>Diese</strong>lbe<br />

systematische Unklarheit bleibt m.E. im Begriff<br />

<strong>de</strong>s „Geheimnisses“. Es könnte und müsste<br />

noch klarer wer<strong>de</strong>n, dass und inwiefern das Beziehungsgeheimnis<br />

<strong>de</strong>s Glaubens etwas völlig<br />

an<strong>de</strong>res ist <strong>als</strong> ein Rätsel: Rätsel sind prinzipiell<br />

lösbar und wer<strong>de</strong>n gelöst, (Beziehungs)Geheimnisse<br />

wer<strong>de</strong>n bekanntlich nie gelöst, son<strong>de</strong>rn bewohnt<br />

und begangen. Boschki stellt Werk und<br />

Gestalt Jesu sehr überzeugend in die biblische<br />

Gottesgeschichte in die Gebetskultur <strong>de</strong>r Klage.<br />

Man kann meinetwegen die Kreuzestheologie<br />

auch <strong>als</strong> „die schärfste Form einer ‚Negativen<br />

Beziehungstheologie‘“ (260) bezeichnen (wobei<br />

freilich das klassische christliche Verständnis<br />

von „negativer Theologie“ im Schnittfeld von<br />

Apophatik und Kenosis eigens zu diskutieren wäre).<br />

Aber dass solche Beziehungsspannungen<br />

biblisch im Geheimnis <strong>de</strong>r unhintergehbaren<br />

Treue <strong>de</strong>s sich selbst bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gottes, christlich<br />

<strong>als</strong>o im Osterbekenntnis, wurzeln, sollte <strong>de</strong>utlicher<br />

herausgearbeitet wer<strong>de</strong>n. Gewiss: „Nach<br />

Auschwitz“ wiegen Karfreitag und Karsamstag<br />

<strong>als</strong> theologischer Ort noch unendlich viel schwerer<br />

– aber was ist mit <strong>de</strong>m Ostersonntag? Was wäre<br />

mit einer Theologie <strong>de</strong>s Gebetes, die nicht von<br />

<strong>de</strong>r Klage, son<strong>de</strong>rn von Dank und Jubel ausginge?<br />

Macht es theologisch Sinn, von einer „Dialektik“<br />

von Karfreitag und Ostern zu sprechen?<br />

So gesehen, lädt die empfehlenswerte, materialund<br />

gedankenreiche Arbeit förmlich ein zum<br />

theologischen Sachstreit – zur Frage z.B. nach<br />

<strong>de</strong>r systembil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung von Christologie<br />

und Pneumatologie für alles Beziehungshan<strong>de</strong>ln.<br />

Dann rückte auch ein konsequent trinitarisches<br />

Denken und Tun (noch) stärker in <strong>de</strong>n Mittelpunkt.<br />

Zusammen mit <strong>de</strong>r systematischen Theologie<br />

wür<strong>de</strong> dann endlich auch die christliche<br />

Mystik (<strong>als</strong> gelebte Einübung in das Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Glaubensbeziehung!) für die Religionspädagogik<br />

fruchtbar gemacht.<br />

Gotthard Fuchs<br />

Schreijäck, Thomas (Hg.)<br />

Werkstatt Zukunft<br />

Bildung und Theologie im Horizont<br />

eschatologisch bestimmter Wirklichkeit. Festschrift<br />

für Hermann Pius Siller. – Freiburg u.a.:<br />

Verlag Her<strong>de</strong>r. 2004. 448 S., € 39.00 (ISBN 3-451-<br />

28318-2)<br />

Festschriften für die in die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Jahre gekommenen Professoren gibt es ja zu Hauf.<br />

Manche davon sind oft nur aka<strong>de</strong>mische Pflichtübungen,<br />

mit <strong>de</strong>nen die artigen Gratulanten durch<br />

einen schon lange in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong> schlummern<strong>de</strong>n<br />

Aufsatz ihre Publikationsliste erweitern wollen.<br />

Im vorliegen<strong>de</strong>n Falle jedoch ehrt man <strong>de</strong>n<br />

75-jährigen nicht im skizzierten Sinne ritualisierter<br />

Selbstläufer, son<strong>de</strong>rn es gilt, einen absoluten<br />

Ausnahme-Hochschullehrer zu beleuchten, <strong>de</strong>r<br />

<strong>als</strong> eigenwilliger Theologe, prägen<strong>de</strong>r Religionspädagoge<br />

und basisbewegter Seelsorger eine unvergleichliche<br />

Ausstrahlungskraft besaß – für unser<br />

Bistum und weit darüber hinaus.<br />

Zunächst seien einige Beiträge skizziert, die<br />

verschie<strong>de</strong>nartige Facetten Sillers herausarbeiten<br />

(1.), dann sollen einige Wortmeldungen herausgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n, die – Tabubrechern gleich –<br />

über <strong>de</strong>n heutigen Tag Hinausweisen<strong>de</strong>s formulieren<br />

(2.).<br />

1. Der „Publik-Forum“-Redakteur Thomas<br />

Seiterich-Kreuzkamp versteht es aufgrund seiner<br />

jahrzehntelangen Weggenossenschaft mit Siller,<br />

diesen <strong>als</strong> Priester <strong>de</strong>s „brü<strong>de</strong>rlichen Typs“ (etwa<br />

über <strong>de</strong>ssen Verständnis von Gemein<strong>de</strong> und Got-<br />

INFO 34 · 2/2005


tesdienst) zu charakterisieren und dieses existentielle<br />

Engagement Sillers in <strong>de</strong>ssen Zentralkategorie<br />

„eschatologisch bestimmter Wirklichkeit“<br />

zu verorten. Siegfried Wie<strong>de</strong>nhofer zeigt Sillers<br />

wegweisen<strong>de</strong> Impulse für das im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Weltkirche beachtliche Forschungs- und Lehrprojekt<br />

„Theologie interkulturell“ auf: Die Pointe<br />

dieses interkulturellen und interreligiösen Kommunikationsgeschehens<br />

besteht darin, dass dabei<br />

Vielfalt und Einheit in ein klug austariertes Verhältnis<br />

zueinan<strong>de</strong>r gebracht wer<strong>de</strong>n: Beheimatung<br />

und Verwurzelung in einer beson<strong>de</strong>ren Kultur<br />

ist Voraussetzung dafür, dass das Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />

pluraler Kulturen verständnisvoll, friedlich<br />

und fruchtbar geschieht. Michael Raske hebt<br />

mit seinem Beitrag zum Kreuz Jesu <strong>als</strong> „Zeichen<br />

<strong>de</strong>r Solidarität und Zeichen <strong>de</strong>r Bedrohung“ im<br />

Gespräch zwischen Christen und Ju<strong>de</strong>n hervor,<br />

dass für Siller Israel und das Ju<strong>de</strong>ntum zu <strong>de</strong>n<br />

Grundthemen <strong>de</strong>r Theologie und <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

gehören. Beson<strong>de</strong>rs plastisch wird<br />

dieses Themenfeld durch Raskes Beschäftigung<br />

mit <strong>de</strong>n Kreuzesdarstellungen <strong>de</strong>s jüdischen<br />

Künstlers Marc Chagall.<br />

2. Der emeritierte Frankfurter Professor für<br />

Erziehungswissenschaften Horst Rumpf rührt<br />

mit seinem Beitrag an einige Tabus <strong>de</strong>r Gesellschafts-<br />

und Erziehungstheorien <strong>de</strong>r späten 60er-<br />

Jahre, die inzwischen fast schon kulturelle Selbstverständlichkeiten<br />

gewor<strong>de</strong>n sind: In <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahrzehnten herrschte eine „gera<strong>de</strong>zu rauschhafte<br />

Begeisterung für Kritik und Emanzipation“(21).<br />

Unterricht verkam nur zu oft zum Exerzitium von<br />

Entlarvungstechniken an allen Vorgaben und<br />

Festgelegtheiten. Lernen schrumpfte zur bloßen<br />

Informationsbeschaffung, die Inhalte wur<strong>de</strong>n<br />

zwecks glatter, schneller und effektiver (alles<br />

Leitvorstellungen <strong>de</strong>r Technik und Wirtschaft !)<br />

Aneignung ihrer „dunklen, mehr<strong>de</strong>utigen, auslegungsbedürftigen,<br />

frem<strong>de</strong>n Züge entledigt“(23) –<br />

Grundten<strong>de</strong>nzen, die Rumpf noch im „Turbo-<br />

Abi“ <strong>de</strong>r Hessischen Kultusminsterin diagnostiziert.<br />

Gegenüber dieser Trivialisierung und Banalisierung<br />

<strong>de</strong>s Schullernens, das <strong>de</strong>r Welt ihre<br />

rätselhafte Sinnlichkeit entziehen will, empfiehlt<br />

Rumpf drei altehrwürdige Weisen <strong>de</strong>r Weltzuwendung:<br />

Aufmerksamkeit (langsamer, entschleunigen<strong>de</strong>r<br />

Umgang mit <strong>de</strong>n rätselhaften<br />

Phänomenen <strong>de</strong>r Welt), Erinnerung und Dankbarkeit.<br />

Was dies z.B. für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

be<strong>de</strong>uten könnte, ist eine noch auszuloten<strong>de</strong> Aufgabe.<br />

Auch Eckhard Nordhofen bricht mit Tabus:<br />

Die vom Syno<strong>de</strong>nbeschluss zum RU (anno 1974)<br />

gefor<strong>de</strong>rte Arbeitsteilung zwischen Katechese<br />

und RU hat keinen Sitz im Leben mehr: Die erhoffte<br />

Synenergie <strong>de</strong>r Lernorte zwischen Familie,<br />

Gemein<strong>de</strong> und RU funktioniert schon lange<br />

nicht mehr, da die bei<strong>de</strong>n ersten Faktoren für eine<br />

religiöse Sozialisation immer mehr ausfallen.<br />

Nordhofen for<strong>de</strong>rt in dieser Krisensituation einen<br />

ganzheitlichen „mystagogischen“ RU, <strong>de</strong>r sich<br />

auch z.B. um das „religiöse Exerzitium“ (Beschäftigung<br />

mit <strong>de</strong>m Heiligen, mit Sakramenten)<br />

mit starkem affektivem Hintergrund (übrigens alles<br />

For<strong>de</strong>rungen Sillers) nicht drückt. Sillers Interesse<br />

am interreligiösen Gespräch entfaltet Hans<br />

Kessler und entwickelt dafür „Bedingungen für<br />

einen ehrlichen Dialog“ zwischen Ju<strong>de</strong>n, Christen<br />

und Muslimen. Dabei sind bes. erfrischen<strong>de</strong><br />

Tabubrüche – vor allem im Blick auf das Gespräch<br />

mit <strong>de</strong>m Islam – zu erkennen. Statt „unfruchtbarer<br />

Scheindialoge, in <strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>s Rühren<br />

an Schwieriges, zu Klären<strong>de</strong>s“ (292) tabuisiert<br />

wird, ermuntert Kessler u.a. zu folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />

Ein Christ vermag nicht Christ zu sein ohne die<br />

Ju<strong>de</strong>n ! Ist ein ähnlicher Lernprozess auch einmal<br />

für die Muslime <strong>de</strong>nkbar: Muslime nicht ohne Ju<strong>de</strong>n<br />

und Christen ? O<strong>de</strong>r bleibt es beim <strong>de</strong>rzeitigen<br />

Status-quo <strong>de</strong>r islamischen Mehrheitstheologie:<br />

Ju<strong>de</strong>n- und Christentum <strong>als</strong> bloß verfälschen<strong>de</strong><br />

Vorgeschichte <strong>de</strong>r endgültigen abschließen<strong>de</strong>n<br />

Offenbarung Gottes in Mohammed ?<br />

O<strong>de</strong>r: Muss es für Muslime bei einer rein verbalinspiratorischen<br />

Sicht im Blick auf <strong>de</strong>n Koran<br />

bleiben ? O<strong>de</strong>r: „Können Muslime die Rechte, die<br />

sie hierzulan<strong>de</strong> genießen, nicht auch für Nichtmuslime<br />

in islamischen Län<strong>de</strong>rn for<strong>de</strong>rn ?“ (300)<br />

O<strong>de</strong>r: „Wo stehen islamische Autoritäten auf und<br />

protestieren, wenn in Zigtausend Koranschulen<br />

und Freitagsgebeten Hass gepredigt und zum Töten<br />

aufgerufen wird ?“ (301) Auf einen letzten –<br />

bes. für die Situation in unserem Bistum – höchstaktuellen<br />

Beitrag sei noch hingewiesen: Der<br />

schweizer Pastoraltheologe rekonstruiert die Geschichte<br />

<strong>de</strong>r im Gemein<strong>de</strong>leben immer stärker<br />

Verantwortung tragen<strong>de</strong>n (hauptamtlichen) Laientheologen,<br />

die vom bloßen Lückenbüßer angesichts<br />

<strong>de</strong>s Priestermangels zu tragen<strong>de</strong>n Säulen<br />

<strong>de</strong>s kirchlichen Lebens gewor<strong>de</strong>n sind. Dem, was<br />

längst Gemein<strong>de</strong>alltag gewor<strong>de</strong>n ist, trägt die immer<br />

noch klerikale Kirchenordnung insitutionell<br />

kaum Rechnung – hier liegen noch kaum ausgelotete<br />

explosive Faktoren ! Der über die gegenwärtigen<br />

Bistumsvorgänge informierte Leser<br />

wird sich vielleicht sogar weiterführen<strong>de</strong> Gedanken<br />

machen: Wenn jetzt angesichts <strong>de</strong>r vom Bischof<br />

ausgerufenen Kampagne „Sparen und erneuern“<br />

(,die Ökonomisches und Spirituelles<br />

amalgamieren möchte,) jetzt auch betriebsbedingte<br />

Kündigungen von Hauptamtlichen nicht<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n können, die Zahl von<br />

Laientheologen <strong>als</strong>o auch noch ausgedünnt wer<strong>de</strong>n<br />

wird, kommt dann endgültig die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

ehrenamtlichen Laien? Und man muss weiter fragen:<br />

Kann man bei <strong>de</strong>nen dann auch immer mehr<br />

Arbeit und faktische Verantwortung draufsatteln,<br />

ohne dass dies kirchlicherseits systematisch anerkannt<br />

und gewürdigt wird?<br />

Man merkt, die Festschrift für Pius Siller ist<br />

mehr <strong>als</strong> eine bloß artige Festgabe, sie ist – ganz<br />

gemäß <strong>de</strong>m Impetus <strong>de</strong>s zu Ehren<strong>de</strong>n – ein innovativer<br />

Impuls fürs Denken, Glauben und Han<strong>de</strong>ln<br />

theologisch und kirchlich engagierter Zeitgenossen<br />

und sie trägt ihren Titel: „Werkstatt Zukunft“<br />

wahrlich zu Recht. Gustav Schmiz<br />

Heimbach-Steins, Marianne /<br />

Kruip, Gerhard (Hg.)<br />

Bildung und Beteiligungsgerechtigkeit<br />

Sozialethische Sondierungen. – Bielefeld: W. Bertelsmann<br />

Verlag. 2003. 268 S., € 24.90 (ISBN 3-<br />

7639-3166-X)<br />

Die Beiträge <strong>de</strong>s zu besprechen<strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s<br />

verstehen sich <strong>als</strong> Dokumentation eines Forschungskolloquiums<br />

„Bildung und Beteiligung<br />

im Kontext von Globalisierungsprozessen“, das<br />

2002 an <strong>de</strong>r Universität Bamberg veranstaltet<br />

wur<strong>de</strong>. Ziel <strong>de</strong>s Kolloquiums war es, <strong>de</strong>n status<br />

quaestiones und mögliche Forschungsperspektiven<br />

für einen christlich-sozialethischen Bildungsdiskurs<br />

näherin auszuloten. Es wer<strong>de</strong>n die Themen<br />

„Menschenrecht auf Bildung“, „Bildung <strong>als</strong><br />

Thema <strong>de</strong>r Ethik“, „Globales Lernen“, „Gerechtigkeits-<br />

und Steuerungsprobleme <strong>de</strong>s Bildungssystems“,<br />

„Gen<strong>de</strong>r-mainstreaming in Bildungsinstitutionen“,<br />

„Selbstorganisiertes Lernen“ sowie<br />

„Lebenslanges Lernen“ in <strong>de</strong>n Blick genommen.<br />

– Kommentare und Repliken antworten auf<br />

die einzelnen Beiträge.<br />

Insgesamt wer<strong>de</strong>n ineinan<strong>de</strong>rgreifen<strong>de</strong> Diskursebenen<br />

herausgearbeitet, zwischen <strong>de</strong>nen<br />

sich die sozialethische Reflexion bewegt: Auf <strong>de</strong>r<br />

hermeneutischen Ebene sind Fragen <strong>de</strong>r theologisch-athropologischen<br />

Grundlagen <strong>de</strong>s Bildungsdiskurses,<br />

<strong>de</strong>r Wertekommunikation und<br />

<strong>de</strong>r Kontextualisierung konkreter Problemstellungen<br />

angesie<strong>de</strong>lt, auf <strong>de</strong>r normativen Ebene<br />

geht es um die ethische Begründung und Entfaltung<br />

von Ansprüchen (Menschenrecht auf Bildung,<br />

Gerechtigkeitskriterien in Bildungspolitik<br />

und Bildungsprozessen), auf <strong>de</strong>r gesellschaftsanalytischen<br />

Ebene spielen die bildungsökonomischen<br />

sowie politisch-strategischen Aspekte<br />

eine Rolle, bei <strong>de</strong>nen es um die beteiligungsorientierte<br />

Bewertung von vorfindlichen Bildungsinstitutionen,<br />

-angebeoten und -prozessen geht.<br />

Dem Band ist sein Werkstattcharakter <strong>de</strong>utlich<br />

anzumerken. Die Beiträge tasten sich an das<br />

Mega-Thema „Bildung“ aus unterschiedlichen<br />

Perspektivlagen heran, ohne schon eine „Sozialethik<br />

<strong>de</strong>r Bildung“ vorlegen zu wollen. Sein Verdienst<br />

besteht darin, die Bildungsfrage für die<br />

christliche Sozialethik neu ent<strong>de</strong>ckt und ins Zentrum<br />

<strong>de</strong>s ethischen Diskurses gestellt zu haben.<br />

Martin W. Ramb<br />

Schulte, Andrea / Wie<strong>de</strong>nroth-<br />

Gabler, Ingrid<br />

Religionspädagogik<br />

(Reihe Theologie kompakt; Bd. 94). – Stuttgart:<br />

Calwer Verlag. 2003. 165 S., € 11.90 (ISBN 3-<br />

7668-3556-7)<br />

Die kleine Einführung wen<strong>de</strong>t sich an aktive<br />

und künftige Religionslehrer/-innen im Primärund<br />

Sekundarbereich. Gedacht ist auch zuerst an<br />

evangelische Religionspädagogen, doch ist diese<br />

gelungene kompakte Darstellung ebenso für katholische<br />

Lehramtsstu<strong>de</strong>nten von Nutzen, da auch<br />

Autoren und Positionen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Konfession<br />

berücksichtigt sind. Das hier umrissene Grundwissen<br />

ist bewusst an <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

(späteren) Berufspraxis orientiert, die „dauerhaft<br />

<strong>de</strong>n Ausbau und die kritische Selbstprüfung <strong>de</strong>r<br />

eigenen Professionalität“ verlange (7). Das spiegelt<br />

sich in <strong>de</strong>n Kapitelüberschriften: 1. Die Religionspädagogik<br />

– „zwischen allen Stühlen“?,<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

109<br />

INFO 34 · 2/2005


LITERATUR & MEDIEN<br />

110<br />

2. Warum und wozu soll Religion in <strong>de</strong>r Schule<br />

gelehrt und gelernt wer<strong>de</strong>n?, 3. Religionslehrer<br />

und –lehrerin sein heute, 4. Wie und wo Religion<br />

gelehrt und gelernt wer<strong>de</strong>n kann. Hierin zeigt<br />

sich das „durchgängige Prinzip“ <strong>de</strong>r Darstellung:<br />

die Kernfrage „Religion lehren und lernen?“<br />

(ebd.). Es geht <strong>de</strong>n Autorinnen vor allem um die<br />

zu entwickeln<strong>de</strong> Kompetenz <strong>de</strong>s Lesers „religionspädagogisch“<br />

<strong>de</strong>nken zu lernen, um <strong>de</strong>n (späteren)<br />

Berufsalltag erfolgreich gestalten zu können.<br />

Das heißt für sie, „die Konstruktion <strong>de</strong>s Lernund<br />

Lebensraums Religionsunterricht“ <strong>als</strong> Chance<br />

zu verstehen, „<strong>de</strong>ssen Architektur zu entwickeln<br />

und zu verantworten“ (159). Bei allem Beschneidungs-Tribut<br />

für die gebotene Kürze bietet<br />

diese kleine Hinführung vielfältige Informationen<br />

und nützliche Anregungen. Reiner Jungnitsch<br />

Eckert, Michael / Eilert, Herms /<br />

Hilberath, Bernd Jochen /<br />

Jüngel, Eberhard (Hg.)<br />

Lexikon <strong>de</strong>r theologischen<br />

Werke<br />

– Stuttgart: A. Kröner Verlag. 2003. XXIX, 849 S.,<br />

€ 58.00 (ISBN 3-520-49301-2)<br />

Das Lexikon <strong>de</strong>r theologischen Werke füllt eine<br />

Lücke. Auf ein solches Nachschlagewerk hat<br />

man im Grun<strong>de</strong> schon lange gewartet. – In <strong>de</strong>m<br />

von zwei evangelischen und zwei katholischen<br />

Theologen <strong>de</strong>r Universität Tübingen, und damit<br />

in ökumenischer Gemeinschaft herausgegebenen<br />

Werk besprechen, auf über 800 Seiten, rund 250<br />

namhafte Autoren über tausend Titel aus <strong>de</strong>r<br />

theologischen Literatur, vom frühen Christentum<br />

bis zur Gegenwart, (zeitlich) angefangen bei <strong>de</strong>r<br />

(Zwölf)Apostellehre = Didaché (S. 228) über<br />

Justins Apologie (S. 35), die Confessiones <strong>de</strong>s<br />

Augustinus (S. 124), Luthers 95 Thesen (S. 238),<br />

Hefeles voluminöse Conziliengeschichte (S. 120),<br />

Harnacks Dogmengeschichte (S. 458), Schleiermachers<br />

Traktat über die Religionen (S. 701) und<br />

Weltes Religionsphilosophie bis zu Drewermanns<br />

Struktur <strong>de</strong>s Bösen (S. 609). Das Verzeichnis <strong>de</strong>r<br />

aus bei<strong>de</strong>n Konfessionen stammen<strong>de</strong>n Mitarbeiter,<br />

durchweg Spezialisten, ist länger <strong>als</strong> sechs<br />

Seiten, enthält viele bekannte Namen und liest<br />

sich wie ein theologisches Who is Who.<br />

Aber nicht nur zeitlich, auch räumlich ist das<br />

Spektrum großzügig angelegt. Neben Werken<br />

aus <strong>de</strong>m griechischen und <strong>de</strong>m lateinischen<br />

Sprachraum fin<strong>de</strong>n wir solche aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen,<br />

französischen, englischen, ja selbst aus einem<br />

so kleinen wie <strong>de</strong>m nie<strong>de</strong>rländischen. Insgesamt<br />

liegt <strong>de</strong>r Auswahlschwerpunkt auf <strong>de</strong>r katholischen<br />

und protestantischen Theologie in<br />

Europa. Die Bücher/Werke wer<strong>de</strong>n, ihrem Titel<br />

entsprechend, in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt,<br />

wobei jeweils das erste Wort <strong>de</strong>n Ausschlag<br />

für seine Platzierung gibt. So fin<strong>de</strong>n wir<br />

unter <strong>de</strong>m Stichwort Apologia o<strong>de</strong>r Apologie sowohl<br />

die von Justin <strong>de</strong>m Märtyrer <strong>als</strong> auch Melanchtons<br />

Apologie <strong>de</strong>r Confessio Augustana.<br />

Unter <strong>de</strong>m Anfangswort „De“ geht es von De<br />

arte bene moriendi (S. 140) über De mortibus<br />

persecutorum (S. 186) bis hin zu De votis monasticis<br />

iudicium (S. 225). Allein die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Titel „De trinitate“ reichen von S. 208-212.<br />

– Ähnliches gilt für das Stichwort Summa o<strong>de</strong>r<br />

Summe. Unter ihm fin<strong>de</strong>n sich die theologischen<br />

Summen <strong>de</strong>s Mittelalters: Albertus Magnus und<br />

Thomas von Aquin seien hier stellvertretend genannt.<br />

Hilfreich für <strong>de</strong>n weniger kundigen Leser<br />

sind auch generelle Erklärungen. So wer<strong>de</strong>n auf<br />

mehreren Seiten (S. 682-688) die Summenliteratur<br />

und die Summenkommentare <strong>de</strong>s Mittelalters<br />

vorgestellt bzw. charakterisiert.<br />

Für diejenigen, die einen Buchtitel nur ungenau<br />

kennen, wohl aber <strong>de</strong>n Autor, gibt es ein,<br />

wie<strong>de</strong>rum alphabetisch geordnetes, Verzeichnis<br />

<strong>de</strong>r Autoren, <strong>de</strong>ren Bücher im Lexikon besprochen<br />

wer<strong>de</strong>n. Hinter <strong>de</strong>m Autorennamen sind die<br />

Seitenzahlen <strong>de</strong>r vorgestellten Bücher vermerkt,<br />

so dass man alle besprochenen Werke eines Autors,<br />

auch wenn sie über das Lexikon verstreut<br />

sind, schnell und problemlos fin<strong>de</strong>n kann.<br />

Die einzelnen Artikel enthalten eine kurze und<br />

prägnante Inhaltsangabe, dazu eine Charakterisierung,<br />

aus <strong>de</strong>r Aufbau und Zentralgedanke <strong>de</strong>s<br />

Werkes hervorgehen, sowie Hinweise zur Wirkungsgeschichte<br />

eventuell auch über die kontrovers<br />

verlaufene Rezeption.<br />

Das vorliegen<strong>de</strong> Lexikon ist insofern beson<strong>de</strong>rs<br />

wertvoll, <strong>als</strong> bei <strong>de</strong>r ständig steigen<strong>de</strong>n Fülle<br />

<strong>de</strong>r theologischen Literatur kaum noch jemand in<br />

<strong>de</strong>r Lage ist, alle hier vorgestellten Bücher und<br />

Schriften auch nur ansatzweise zu lesen. Mit Hilfe<br />

<strong>de</strong>s Lexikons kann man sich einen Inhalt und<br />

Be<strong>de</strong>utung betreffen<strong>de</strong>n Überblick verschaffen<br />

und daraufhin, seinen Neigungen entsprechend,<br />

seine Leseauswahl treffen. Letzteres ist ganz im<br />

Sinne <strong>de</strong>s hier vorgestellten Werkes bzw. seiner<br />

Herausgeber, <strong>de</strong>nn nach <strong>de</strong>r im Klappentext veröffentlichten<br />

Intention sollen die gerafften Informationen<br />

keineswegs vom Lesen <strong>de</strong>r in Frage kommen<strong>de</strong>n<br />

Werke abhalten, son<strong>de</strong>rn zu <strong>de</strong>ren (anschließen<strong>de</strong>r)<br />

Lektüre gera<strong>de</strong>zu animieren. <strong>Diese</strong>s<br />

Lexikon sollte in keiner theologischen Bibliothek<br />

fehlen, – dies gilt nicht nur für die öffentliche, son<strong>de</strong>rn<br />

auch für die private. Klaus Weber<br />

Brüll, Christina / Ittmann,<br />

Norbert / Maschwitz , Rüdiger /<br />

Stoppig, Christine<br />

Synagoge – Kirche<br />

– Moschee<br />

Kulträume erfahren und Religionen ent<strong>de</strong>cken. –<br />

München: Kose!-Verlag. 2005. 128 S. und 26 Arbeitsblätter,<br />

zahlr. sw-Abbildungen., DIN A4.<br />

€ 16.95 ( ISBN 3-466-36679-8)<br />

Schulbücher sollten möglichst schnell auf verän<strong>de</strong>rte<br />

Situationen reagieren. Die in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

selbstverständliche relativ geschlossene christliche<br />

Gesellschaft erfährt vor allem durch Zuwan<strong>de</strong>rer<br />

islamischen Glaubens eine neue Situation, die<br />

bewusst gemacht und neu verarbeitet wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Neuere Unterrichtswerke für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

berücksichtigen tatsächlich diese verän<strong>de</strong>rte<br />

Lage. So erschien bereits vor nicht allzu<br />

langer Zeit ein Unterrichtsmo<strong>de</strong>ll, das die jüdischen,<br />

christlichen und islamischen Feste im Zusammenhang<br />

thematisierte. Nicht theoretische<br />

Abhandlungen bil<strong>de</strong>n dabei die Grundlage, son<strong>de</strong>rn<br />

praktische Erfahrungen. Mit <strong>de</strong>m hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Werk liegt gewissermaßen eine „Synopse“<br />

vor über die Kulträume <strong>de</strong>r drei Religionen:<br />

Ju<strong>de</strong>ntum, Christentum und Islam. Auch<br />

hier geht es vor allen Dingen um ein Erfahren <strong>de</strong>r<br />

Kulträume: Synagoge, Kirche, Moschee. Das<br />

schließt natürlich einleiten<strong>de</strong> theoretische Betrachtungen<br />

nicht aus, die aber auch schon Erfahrungen<br />

mit <strong>de</strong>n angesprochenen Inhalten anregen<br />

können. Und dies gilt für <strong>de</strong>n ersten Teil dieses<br />

Werkes: „Menschen gestalten Räume.“ Da fin<strong>de</strong>t<br />

man grundlegen<strong>de</strong> Überlegungen über die Gestaltung<br />

und Erfahrbarkeit von Räumen, wobei es<br />

sich hier ausschließlich nicht um private Wohnräume<br />

han<strong>de</strong>lt. Als Beispiele wer<strong>de</strong>n genannt:<br />

Bahnhof, Stadion, Konzertsaal und – überraschend<br />

– ein Bankgebäu<strong>de</strong>, jeweils in Bezug auf<br />

<strong>de</strong>ren Bestimmung. Danach folgen allgemeine<br />

Überlegungen zum Kultraum <strong>de</strong>r Religionen <strong>als</strong><br />

religiöser Ort. Der zweite Teil: „Das Gebäu<strong>de</strong> <strong>als</strong><br />

Ort <strong>de</strong>s Glaubens“ gibt einen kurzen Überblick<br />

über die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s jeweiligen<br />

Bauwerkes, gefolgt von Darstellungen <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>ren Merkmale wie zum äußeren Erscheinungsbild.<br />

„Das Gebäu<strong>de</strong> <strong>als</strong> Treffpunkt <strong>de</strong>r Gläubigen“<br />

ist <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s nächsten Kapitels und<br />

charakterisiert die Synagoge <strong>als</strong> Gemein<strong>de</strong>zentrum,<br />

die Kirche – hier wie auch in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Kapiteln ausdifferenziert in orthodoxe, katholische<br />

und evangelische – <strong>als</strong> Kultzentrum und die<br />

Moschee <strong>als</strong> Glaubenszentrum, wobei es sich<br />

hier wohl aus praktischen Grün<strong>de</strong>n um eine starke<br />

Vereinfachung han<strong>de</strong>lt, da es doch vielfache<br />

Überschneidungen in <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung dieser Kultstätten<br />

gibt, die auch hier in <strong>de</strong>r Behandlung berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n. Das folgen<strong>de</strong> Kapitel befasst<br />

sich mit <strong>de</strong>r Innengestaltung <strong>de</strong>r angesprochenen<br />

Gebäu<strong>de</strong>. Unter „Spirituelle Vorbereitung<br />

<strong>de</strong>r Gläubigen“ wer<strong>de</strong>n die verschie<strong>de</strong>nen Frömmigkeitsformen,<br />

soweit sie mit <strong>de</strong>m Kultraum<br />

zusammenhängen, erläutert. Dabei han<strong>de</strong>lt es<br />

sich eher um äußere Verhaltensformen (Kopfbe<strong>de</strong>ckung,<br />

Weihwasser nehmen, Betreten ohne<br />

Schuhe). Die spirituelle Dimension wird im darauf<br />

folgen<strong>de</strong>n Kapitel: „Kultische Zeremonien<br />

und Rituale“ vorgestellt. Schließlich fehlt auch<br />

nicht eine Darstellung über „Das Kultpersonal“.<br />

Die praktische Beschäftigung mit <strong>de</strong>m bisher<br />

eher theoretisch gehaltenen Inhalten ist <strong>de</strong>m dritten<br />

Teil gewidmet. Hier wird sehr anschaulich<br />

und bisweilen sehr ins Einzelne gehend dargestellt,<br />

wie man Synagoge-Kirche-Moschee ent<strong>de</strong>cken<br />

kann. Schon selbstverständlich sind bei<br />

Unterrichtsmaterialien angebotene Kopiervorlagen<br />

für die praktische Arbeit. Auch das Spielerische<br />

gewinnt immer mehr an Einfluss, wie hier<br />

durch das Tritett, das in Abwandlung <strong>de</strong>s bekannten<br />

Quartetts auf unterhaltsame Weise zahlreiche<br />

Lerninhalte bewusst machen soll. Die Verfasser/-innen<br />

arbeiten aus christlicher Sicht, haben<br />

sich aber erfolgreich bemüht um eine objektive<br />

Darstellung. Unterstützt wur<strong>de</strong>n sie dabei von<br />

Fachleuten aus <strong>de</strong>n angesprochenen nichtchristli-<br />

INFO 34 · 2/2005


chen Religionen. Die sachlichen Inhalte sind<br />

weitgehend gut und richtig dargestellt. Wenn es<br />

aber heißt, die katholische Messe wird „normalerweise“<br />

mit einem Wortgottesdienst verknüpft,<br />

so ist dies unpräzise, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Wortgottesdienst<br />

ist wesentlicher Bestandteil <strong>de</strong>r Messe. O<strong>de</strong>r<br />

wenn im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Siebenarmigen<br />

Leuchter in <strong>de</strong>r jüdischen Tradition eine Parallele<br />

zu <strong>de</strong>n „sieben“ Planeten gezogen wird,<br />

fehlt in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf<br />

die Kenntnis früherer Zeiten. Vorsicht ist auch<br />

geboten bei manchen vorgeschlagenen Aktionen<br />

mit Schülerinnen und Schülern innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Kulträume. <strong>Diese</strong> sollten beson<strong>de</strong>rs sorgfältig<br />

mit <strong>de</strong>n zuständigen Vertretern <strong>de</strong>r einzelnen Religionen<br />

vorher abgestimmt wer<strong>de</strong>n. Dies soll<br />

keine Abwertung <strong>de</strong>r Vorschläge sein. Liegt doch<br />

hier zur Auswahl eine Sammlung vielfältiger Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

vor. Zusammenfassend<br />

kann man sagen: <strong>Diese</strong>s Unterrichtsmo<strong>de</strong>ll<br />

stellt eine interessante Erweiterung bisheriger<br />

Materialien dar und ist auch für die Arbeit mit Erwachsenen<br />

gut geeignet. Helmut Bahr<br />

Depenbrock, Michaela/Müller,<br />

Alexandra/Schrö<strong>de</strong>r, Katrin<br />

Kin<strong>de</strong>r suchen eigene<br />

Wege mit Gott<br />

(Reihe: Symbole im Religionsunterricht). – Mülheim/Ruhr:<br />

Verlag an <strong>de</strong>r Ruhr. 2003. 66 S., ill.<br />

Mappe Format DIN A 4. € 18,60 (ISBN 3-86072-<br />

789-3)<br />

Symbole, wie das <strong>de</strong>s Weges, spielen im Religionsunterricht<br />

eine wichtige Rolle. Symbole<br />

bieten die Möglichkeit, die Erfahrungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />

und religiöse Inhalte aufeinan<strong>de</strong>r zu beziehen<br />

und miteinan<strong>de</strong>r zu verflechten. <strong>Diese</strong>s Ineinan<strong>de</strong>rgreifen<br />

von persönlicher Erfahrung und biblisch-christlicher<br />

Überlieferung gilt <strong>als</strong> wesentliches<br />

Ziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichtes.<br />

Die Arbeitsmappe ist in mehrere Kapitel unterteilt,<br />

welche verschie<strong>de</strong>ne Aspekte <strong>de</strong>s Themas<br />

„Wege“ aufgreifen und dabei jeweils einen<br />

bestimmten Schwerpunkt besitzen:<br />

1. Menschen gehen verschie<strong>de</strong>ne Wege<br />

2. Auf <strong>de</strong>m Weg zu <strong>de</strong>n Träumen<br />

3. Mein Leben ist wie ein Weg<br />

4. Ein Begleiter auf meinem Weg<br />

5. Von Gott getragen<br />

6. Gott ist wie ein Hirte<br />

7. Von Engeln behütet und begleitet<br />

8. Als Engel unterwegs sein<br />

In Kapitel 1 bis 4 wird von <strong>de</strong>n konkreten Erfahrungen<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ausgegangen. Die Schüler<br />

wer<strong>de</strong>n von positiven Wegerfahrungen berichten<br />

können, sie wer<strong>de</strong>n aber auch die Erfahrungen<br />

von Trauer, Einsamkeit und Angst gemacht haben.<br />

In Kapitel 5 bis 8 wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Menschen<br />

vorgestellt, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Glaube an Gott in<br />

schweren Zeiten eine Hilfe war. Die Schüler lernen,<br />

dass ihre Erfahrungen solche sind, die an<strong>de</strong>re<br />

Menschen in ähnlicher Weise erlebt haben.<br />

Viele Menschen haben diese Erlebnisse religiös<br />

ge<strong>de</strong>utet. Die Schüler sollen so befähigt wer<strong>de</strong>n,<br />

sich selbst in <strong>de</strong>r Überlieferung <strong>de</strong>s christlichen<br />

Glaubens wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n.<br />

Zu je<strong>de</strong>m Glie<strong>de</strong>rungspunkt stehen verschie<strong>de</strong>ne<br />

Bausteine zur Verfügung, aus <strong>de</strong>nen – <strong>de</strong>n<br />

Bedürfnissen <strong>de</strong>s Lerngruppe entsprechend – ausgewählt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. In <strong>de</strong>n Bausteinen fin<strong>de</strong>n<br />

sich verschie<strong>de</strong>ne I<strong>de</strong>en für die gestalterische<br />

Umsetzung, Lie<strong>de</strong>r, eine Fantasiereise, Anregungen<br />

zum kreativen Schreiben, Erzählungen und<br />

an<strong>de</strong>re Texte. Neben biblischen Texten wur<strong>de</strong><br />

mit „Spuren im Sand“ auch ein Text aus <strong>de</strong>r heutigen<br />

Zeit gewählt. Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Materialien<br />

wur<strong>de</strong> auf die Einbeziehung verschie<strong>de</strong>ner<br />

Sinne geachtet, um einen erfahrungsorientierten<br />

und ganzheitlichen Zugang zu <strong>de</strong>m Symbol<br />

„Weg“ zu ermöglichen.<br />

Die Kopiervorlagen sind ansprechend gestaltet,<br />

die Umsetzung <strong>de</strong>r Bausteine ist ohne großen Aufwand<br />

möglich. Empfehlenswert! Gabriele Hastrich<br />

Fröhlich, Roland<br />

Kleine Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Kirche in Daten<br />

– Freiburg u. a.: Verlag Her<strong>de</strong>r. 2004. 144 S.,<br />

€ 11,50 (ISBN 3-451-28350-6)<br />

R. Fröhlichs „Grundkurs Kirchengeschichte“,<br />

Freiburg 1980, war ein hilfreiches Va<strong>de</strong>mecum<br />

nicht nur für interessierte ‚Einsteiger’ in die Kirchengeschichte,<br />

son<strong>de</strong>rn vor allem für examensgestresste<br />

Studieren<strong>de</strong> (vgl. INFO 1-2/ 1981, 28).<br />

Auf dieser gelungenen Publikation aufbauend<br />

legt nun R. F. die anzuzeigen<strong>de</strong> „Kleine Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Kirche in Daten“ vor. Er formulierte<br />

einen neuen Text. Selbst Präzisierungen in <strong>de</strong>r<br />

Datierung sind zu beobachten, z.B.: Die letzten<br />

Olympischen Spiele <strong>de</strong>s Altertums wer<strong>de</strong>n nun<br />

auf 393 datiert, die dann Theodosius 394 verbot<br />

(30). Zuvor im „Grundkurs“: „394 Letzte Olympische<br />

Spiele <strong>de</strong>s Altertums“ (33). R. F. informiert<br />

kurz und bündig. Er vermittelt Wesentliches<br />

aus <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Gottesvolkes. Der<br />

katholische Religionspädagoge hat bei seiner<br />

Darstellung <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche zwei geöffnete<br />

Augen zu <strong>de</strong>n nicht-katholischen Kirchtürmen.<br />

Die Philosophiegeschichte ist <strong>de</strong>m Autor<br />

nicht fremd. Wie schon in <strong>de</strong>r durch § 61 f. erweiterten<br />

„Kleinen Kirchengeschichte“ von A. Franzen,<br />

Freiburg 2000, (vgl. INFO 1/2001, 70) entgehen<br />

<strong>de</strong>m kritischen Autor nicht Fakten, die <strong>de</strong>r<br />

Kirche nicht gera<strong>de</strong> genehm sind, z.B. die Laieninitiative<br />

„Donum vitae“ (186), die ohne kirchliche<br />

Unterstützung weiterhin Schwangere berät<br />

und ihnen einen Beratungsschein ausstellt, <strong>de</strong>r<br />

für eine Schwangerschaftsunterbrechung notwendig<br />

ist. F. glie<strong>de</strong>rt die Fülle <strong>de</strong>s Stoffes von<br />

„zwischen 7 und 4 vor unserer Zeitrechnung (9)<br />

bis zum ersten gemeinsamen Kirchentag 2003<br />

(201) nach Jahrhun<strong>de</strong>rten. Die 21 Kapitel sind jeweils<br />

zweigeteilt: „A. Kirche und Gesellschaft /<br />

Staat“ und „B. Innerkirchliches Leben“. Vor <strong>de</strong>n<br />

Daten und kurz beschriebenen Fakten, die <strong>de</strong>n<br />

Unterglie<strong>de</strong>rungspunkten A. und B. folgen, steht<br />

eine ca. 15-zeilige, das Wesentliche <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts ausmachen<strong>de</strong> Zusammenfassung.<br />

In diesen Passagen kann man natürlich<br />

auch an<strong>de</strong>re Akzente setzen. Im Vergleich zum<br />

„Grundkurs“ vermisse ich Kartenmaterial, um<br />

die Fakten auch geographisch festmachen zu<br />

können. Es müssten ja nicht die <strong>de</strong>taillierten Karten<br />

aus <strong>de</strong>m bekannten Her<strong>de</strong>rschen „Atlas <strong>de</strong>r<br />

Kirchengeschichte“, Freiburg 1970, sein. R. F.,<br />

Schüler von H. Rahner (Innsbruck) und H. J.<br />

Vogt (Tübingen), ermöglicht <strong>de</strong>n Zugang zur Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Gottesvolkes auch durch ein breites<br />

„Personen- und Sachregister“ (210-224). Der Autor<br />

gibt weiterführen<strong>de</strong> Literatur auf S. 208 f. an.<br />

Ich ent<strong>de</strong>ckte sogar einen Hinweis auf einen<br />

„Klausurkurs Kirchengeschichte“ (209). Selbstverständlich<br />

fehlt we<strong>de</strong>r die „Papstliste“ (202-<br />

204) noch mangelt es an einer Auflistung <strong>de</strong>r 21<br />

Allgemeinen Konzilien (206 f.).<br />

Ich begrüße sehr das vorliegen<strong>de</strong> Nachschlagewerk<br />

Roland Fröhlichs und hoffe, dass es vor<br />

allem bei jungen Menschen Neugier<strong>de</strong> auf eine<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Kirchengeschichte<br />

weckt.<br />

Bernhard Jendorff<br />

Möres, Cornelia<br />

Windows to Heaven<br />

Christen, die Geschichte schrieben.<br />

– Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2004.<br />

89 S., ill. (ISBN 3-7666-0564-X)<br />

„Windows to Heaven“ – ein überraschen<strong>de</strong>r<br />

englischer Titel für eine Sammlung von knappen<br />

Lebensbeschreibungen großer Christen quer durch<br />

die 2000-jährige Geschichte <strong>de</strong>r Kirche. Jungen<br />

Menschen sollen sich <strong>als</strong>o „Fenster zum Himmel“<br />

auftun, damit sie einen Blick auf Frauen und<br />

Männer werfen mögen, die ihnen vielleicht auch<br />

heute noch Vorbild sein können. Vier große Zeitabschnitte<br />

umfasst <strong>de</strong>r Band, jeweils eingeleitet<br />

durch eine Zeitleiste, die Kirchen- und Weltgeschichte<br />

gegenüberstellt, ist farbig bebil<strong>de</strong>rt und<br />

mit knappen, aber aussagekräftigen Texten versehen:<br />

„Die Antike“ führt von Jesus bis Benedikt<br />

von Nursia, „Das Mittelalter“ von Patrick bis Katharina<br />

von Siena, „Die Neuzeit“ von Thomas Morus<br />

bis Adolf Kolping; „Ab 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt“ von<br />

Maximilian Kolbe bis Papst Johannes Paul II.<br />

und einem abschließen<strong>de</strong>n Kapitel „Du selbst“.<br />

Ein Vorwort führt insgesamt hin zu <strong>de</strong>n Epochen,<br />

ein alttestamentlicher Segenswunsch schließt <strong>de</strong>n<br />

Band ab. Wie die Herausgeberin im Vorwort betont,<br />

ist dies Buch „keine Sammlung von Lebensgeschichten,<br />

... kein Nachschlagewerk für historische<br />

Daten und kein Lehrbuch. ... Es rückt Menschen<br />

in <strong>de</strong>n Mittelpunkt, Menschen, die im Gang<br />

<strong>de</strong>r Ereignisse Geschichte gemacht haben“(6).<br />

<strong>Diese</strong> Menschen, wie Ignatius von Antiochien,<br />

Hil<strong>de</strong>gard von Bingen, Martin Luther, Wilhelm<br />

Emmanuel von Ketteler, Edith Stein, Mutter Theresa<br />

o<strong>de</strong>r Dietrich Bonhoeffer, um nur einige <strong>de</strong>r<br />

34 Frauen und Männer zu nennen, haben ihren<br />

Glauben in ihrer jeweiligen Zeit christlich gelebt<br />

und können somit auch heute noch o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />

Vorbildfunktion für die gegenwärtige junge Generation<br />

haben. Mancher Text kann sicher auch für<br />

<strong>de</strong>n Unterricht verwandt wer<strong>de</strong>n, mehr aber noch<br />

könnte das Buch sich <strong>als</strong> ein Geschenk eignen, das<br />

Anregungen vermittelt. Bernhard Merten<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

111<br />

INFO 34 · 2/2005


Zur Person<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

112<br />

Gol<strong>de</strong>nes Priesterjubiläum<br />

Pfarrer i. R. Franz Beffart, geb. 1929<br />

in Wiesba<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> am 13. März 1955<br />

im Dom zu Limburg zum Priester geweiht.<br />

Bis August 1956 war er Subregens<br />

am Priesterseminar in Hadamar. Es folgten<br />

Kaplansjahre in St. Bonifatius in<br />

Wiesba<strong>de</strong>n und St. Antonius in Frankfurt.<br />

Am 22. April 1962 wur<strong>de</strong> er zum Schulpfarrer,<br />

seit 1967 <strong>als</strong> Oberstudienrat i. K.,<br />

an <strong>de</strong>r Ziehenschule, Gymnasium in<br />

Frankfurt am Main, ernannt, eine Aufgabe,<br />

die er bis Januar 1971 wahrnahm. Parallel<br />

dazu war er seit Oktober 1970 am<br />

Zentralinstitut für Ehe und Familienfragen<br />

in Köln tätig. 1971 wur<strong>de</strong> Beffart Leiter<br />

<strong>de</strong>s Referates Ehe- und Familienseelsorge<br />

<strong>de</strong>s Kölner Zentralinstitutes. Im November<br />

1975 kehrte er nach Frankfurt zurück<br />

und übernahm <strong>als</strong> Pfarrer die Gemein<strong>de</strong><br />

St. Elisabeth in Frankfurt-Bockenheim,<br />

die er bis zu seinem Ruhestand im November<br />

1999 betreute. Vom Dezember 1987<br />

bis September 1989 war er zusätzlich<br />

Pfarrer in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Frauenfrie<strong>de</strong>n<br />

und vom Oktober 1997 bis Januar 2000<br />

Pfarrverwalter in St. Pius in Frankfurt. Als<br />

Mitglied <strong>de</strong>s Priesterrates vertritt Pfarrer<br />

i. R. Franz Beffart die emeritierten Priester<br />

in diesem Gremium <strong>de</strong>r Diözese Limburg.<br />

Oberstudienrat i. R. Alois Staudt,<br />

1929 in Frickhofen geboren, war nach<br />

seiner Priesterweihe 1955 zunächst Kaplan<br />

in Nauort, wur<strong>de</strong> aber bereits En<strong>de</strong> November<br />

1955 zum Diözesansekretär für<br />

die Männerseelsorge und zum Sozialreferent<br />

bestellt und wirkte in dieser Funktion<br />

bis August 1959 im Bischöflichen<br />

Ordinariat. Am 15. August 1959 wur<strong>de</strong> er<br />

Religionslehrer an <strong>de</strong>n Berufsschulen in<br />

Limburg, zum 1. Juli 1960 mit <strong>de</strong>m Titel<br />

Berufsschulpfarrer, ab Januar 1966 Studienrat<br />

i. K., ab Januar 1967 Oberstudienrat<br />

i. K., eine Tätigkeit, die er bis Juli<br />

1995 mit viel persönlichem Engagement<br />

versah. Vom Oktober 1963 bis April<br />

1970 war Pfarrer Staudt außer<strong>de</strong>m Diözesanpräses<br />

<strong>de</strong>r KAB, <strong>de</strong>ren Jugendorganisation<br />

CAJ er bereits vom April 1959<br />

bis Februar 1962 <strong>als</strong> Regionalkaplan in<br />

Limburg betreut hatte. Vom 1. April<br />

1970 bis zum 30. September 1995 beklei<strong>de</strong>te<br />

er das Amt <strong>de</strong>s Bezirks<strong>de</strong>kans für<br />

<strong>de</strong>n Bezirk Limburg. Nach seinem Ausschei<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>m Schuldienst wur<strong>de</strong><br />

Alois Staudt am 1. August 2000 priesterlicher<br />

Leiter <strong>de</strong>s Pastoralen Raumes Dietkirchen.<br />

Zum 1. Oktober 2004 ging OStR<br />

i. R. Staudt dann auch <strong>als</strong> Pfarrer in <strong>de</strong>n<br />

Ruhestand. Im Herbst 2002 wur<strong>de</strong> er für<br />

seinen vielfältigen Einsatz, vor allem im<br />

schulischen Bereich, mit <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sverdienstkreuz<br />

am Ban<strong>de</strong> ausgezeichnet.<br />

Ordinariatsrat Pfarrer i. R. Hans Wie<strong>de</strong>nbauer,<br />

1929 in Frankfurt am Main geboren,<br />

war nach seiner Priesterweihe<br />

1955 zunächst Kaplan in Siershahn, Königstein<br />

und in <strong>de</strong>r Pfarrei St. Gallus in<br />

Flörsheim. Zum 1. Juni 1963 wur<strong>de</strong> er<br />

Pfarrvikar in St. Josef in Flörsheim und –<br />

mit Erhebung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zur Pfarrei<br />

am 15. Juli 1969 – <strong>de</strong>ren erster Pfarrer.<br />

Von 1. April 1970 war er bis En<strong>de</strong> März<br />

1977 Bezirks<strong>de</strong>kan für <strong>de</strong>n Bezirk Main-<br />

Taunus. In dieser Zeit hat er zusammen<br />

mit <strong>de</strong>m verstorbenen Rektor August<br />

Groß, Wicker, das Amt für Katholische<br />

Religionspädagogik in seinem Pfarrzentrum<br />

auf- und ausgebaut. Von 1971 bis<br />

1976 war er gleichzeitig auch Bezirkspräses<br />

<strong>de</strong>s KAB-Bezirkes Rhein-Main. Vom<br />

November 1976 bis Januar 1981 war er<br />

Pfarrer in <strong>de</strong>r Pfarrei St. Josef in Frankfurt-Höchst<br />

und zugleich Betriebsseelsorger<br />

für die Mitarbeiter <strong>de</strong>r Höchst AG.<br />

Am 1. August 1980 übernahm Hans Wie<strong>de</strong>nbauer<br />

– in <strong>de</strong>r Nachfolge von Ordinariatsrat<br />

Walter Kinkel – zunächst nebenamtlich,<br />

ab 1. Februar 1981 hauptamtlich<br />

die Leitung <strong>de</strong>s Amtes für Katholische<br />

Religionspädagogik in Frankfurt am<br />

Main, die er bis Juli 1993 innehatte, und<br />

erhielt <strong>de</strong>n Titel Ordinariatsrat. In diesem<br />

Zeitraum vertrat er auch <strong>de</strong>n Bischof bei<br />

<strong>de</strong>n mündlichen Prüfungen für das Fach<br />

Katholische Religion an <strong>de</strong>r Johann<br />

Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt<br />

am Main. Von Oktober 1984 bis März<br />

1987 war er Diözesanpräses <strong>de</strong>s Kolpingwerkes.<br />

Von Dezember 1982 bis En<strong>de</strong> Juli<br />

2003 war Hans Wie<strong>de</strong>nbauer zu<strong>de</strong>m<br />

zunächst Prosynodalrichter, später dann<br />

Synodalrichter am Offizialat in Limburg,<br />

von Oktober 1993 bis En<strong>de</strong> September<br />

2001 auch Vizeoffizial <strong>de</strong>s Offizialates.<br />

Als Pfarrer trat er zum 30. September<br />

1999 in <strong>de</strong>n Ruhestand.<br />

Universität Koblenz-Landau<br />

Mit <strong>de</strong>m WS 2004/2005 hat Professor<br />

Dr. Peter Hofmann (geb. 1958), einem<br />

Ruf auf <strong>de</strong>n Lehrstuhl für Fundamentaltheologie<br />

und Dogmatik an <strong>de</strong>r Universität<br />

Koblenz-Landau (Standort Koblenz)<br />

folgend, die Lehrstuhlvertretung von diesem<br />

Zeitpunkt an in Landau wahrgenommen.<br />

Zum SS 2005 hat Hofmann die Professur<br />

für Fundamentaltheologie und Dogmatik<br />

angetreten.<br />

Nach <strong>de</strong>m Abitur 1977 in Hil<strong>de</strong>sheim<br />

hat er im WS 1977 das Studium <strong>de</strong>r Theologie<br />

an <strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule St. Georgen in Frankfurt am<br />

Main begonnen und, nach Studiensemestern<br />

1979/1980 in Würzburg, 1987 mit<br />

<strong>de</strong>r Promotion zum Dr. theol. Im Fach<br />

Fundamentaltheologie bei Prof. Dr. Jörg<br />

Splett abgeschlossen. Das Thema <strong>de</strong>r<br />

Dissertation lautete: „Glaubensbegründung.<br />

Die Transzen<strong>de</strong>ntalphilosophie <strong>de</strong>r<br />

Kommunikationsgemeinschaft in fundamentaltheologischer<br />

Sicht“. Nach <strong>de</strong>r Priesterweihe<br />

am 13.06.1987 durch Bischof<br />

Dr. Josef Homeyer in Hil<strong>de</strong>sheim war er<br />

zwischen 1987 und 1993 Kaplan in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Pfarreien seiner Diözese, bevor<br />

er 1983 Pfarrer <strong>de</strong>r Pfarrei St. Heinrich<br />

in Hannover (bis 1998) wur<strong>de</strong>. Zwischen<br />

1990 und 2004 nahm er zugleich<br />

die Aufgaben <strong>de</strong>s Schulseelsorgers und<br />

Religionslehrers an <strong>de</strong>r St. Ursula-Schule<br />

in Hannover wahr. Im Januar 1998 begann<br />

er ein Habilitationsstudium, das er<br />

mit <strong>de</strong>r Habilitationsschrift zum Thema<br />

„Goethes Theologie“ an <strong>de</strong>r Katholisch-<br />

Theologischen Fakultät <strong>de</strong>r Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität in Münster im Juni<br />

2000 been<strong>de</strong>te. Bis zu seiner Berufung<br />

nach Koblenz hielt er <strong>als</strong> Privatdozent<br />

Lehrveranstaltungen an <strong>de</strong>r Universität<br />

Münster und war seit Juli 2001 zugleich<br />

Hochschulpfarrer in Hannover. BM<br />

INFO 34 · 2/2005


Konfessioneller Religionsunterricht<br />

Warum Religion konfessionell unterrichten?<br />

Andreas Verhülsdonk<br />

Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Schule –<br />

das Thema erregt die Gemüter, wie<br />

man am Streit um das Schulfach „Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religionskun<strong>de</strong>“<br />

(LER) in Bran<strong>de</strong>nburg o<strong>de</strong>r gegenwärtig<br />

in Berlin erleben kann. Der<br />

Streit ist nicht neu und auch kein rein<br />

<strong>de</strong>utsches Phänomen. Seit <strong>de</strong>r Einrichtung<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Schulwesens ist<br />

die Frage <strong>de</strong>r religiösen Unterweisung<br />

in <strong>de</strong>r Schule umstritten und hat in<br />

Europa und Nordamerika sehr unterschiedliche<br />

Antworten gefun<strong>de</strong>n. Dabei<br />

spielen nicht nur die verschie<strong>de</strong>nen<br />

schulischen und pädagogischen Traditionen<br />

eine Rolle. Ebenso be<strong>de</strong>utsam<br />

ist das sehr unterschiedliche Verhältnis<br />

von Kirche und Staat, von Religion und<br />

Politik in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn.<br />

Über <strong>de</strong>n Religionsunterricht in <strong>de</strong>r<br />

Schule kann man nicht allein unter pädagogischen<br />

o<strong>de</strong>r schulischen Gesichtspunkten<br />

diskutieren. Das wird<br />

schon daran <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

<strong>als</strong> einziges Unterrichtsfach<br />

im Grundgesetz erwähnt wird,<br />

dass er Gegenstand von Staats-Kirchen-Verträgen<br />

und in <strong>de</strong>r Folge auch<br />

<strong>de</strong>r Rechtsprechung bis hin zum Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />

ist. In <strong>de</strong>r Diskussion<br />

um <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

geht es – auf Seiten <strong>de</strong>r Befürworter<br />

wie <strong>de</strong>r Gegner <strong>de</strong>s konfessionellen<br />

Religionsunterrichts – immer auch um<br />

das Selbstverständnis einer Gesellschaft<br />

und um die Stellung, die die Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften in<br />

Schule und Öffentlichkeit einnehmen<br />

sollen.<br />

Was ist konfessioneller<br />

Religionsunterricht?<br />

Die Frage wird grundsätzlich in<br />

Art. 7 Abs. 3 GG beantwortet: „Der Religionsunterricht<br />

ist in <strong>de</strong>n öffentlichen<br />

Schulen mit Ausnahme <strong>de</strong>r bekenntnisfreien<br />

Schulen or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach.<br />

Unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>s staatlichen Aufsichtsrechtes<br />

wird <strong>de</strong>r Religionsunterricht in<br />

Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n Grundsätzen<br />

<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft erteilt.“<br />

(Satz 1 und 2) <strong>Diese</strong> Regelung gilt unbescha<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>r Kulturhoheit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

» Seit <strong>de</strong>r Einrichtung <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Schulwesens<br />

ist die Frage <strong>de</strong>r religiösen<br />

Unterweisung in <strong>de</strong>r Schule<br />

umstritten.<br />

für ganz Deutschland<br />

mit Ausnahme<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, die –<br />

wie Art. 141 GG<br />

festlegt – am 1. Januar<br />

1949 eine von<br />

Art. 7 abweichen<strong>de</strong><br />

lan<strong>de</strong>srechtliche Regelung getroffen<br />

haben. Das ist unstrittig in Bremen und<br />

Berlin <strong>de</strong>r Fall; ob dies auch für Bran<strong>de</strong>nburg<br />

gilt, ist vom Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />

im LER-Verfahren bekanntlich<br />

nicht entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n.<br />

Die grundgesetzlichen Bestimmungen<br />

zum Religionsunterricht müssen in<br />

Beziehung zum Art. 2 Abs. 1 und Art. 4<br />

gesehen wer<strong>de</strong>n. Art. 2 GG legt das<br />

Recht auf die freie Entfaltung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />

fest. Dazu gehört zweifelsohne<br />

das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />

in Art. 4. Dazu gehört<br />

aber auch das Recht auf Bildung. Zwar<br />

fin<strong>de</strong>t sich dieses Recht nicht explizit<br />

in <strong>de</strong>r Verfassung. Die Schulpflicht<br />

und die entsprechen<strong>de</strong>n Schulgesetze<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r berechtigen jedoch, mit<br />

Ralf Dahrendorf vom „Bürgerrecht auf<br />

Bildung“ zu sprechen. Der Religionsunterricht<br />

in <strong>de</strong>r Schule dient <strong>de</strong>r freien<br />

Entfaltung <strong>de</strong>r Persönlichkeit. Er soll<br />

die Schülerinnen und Schüler befähigen,<br />

vom Recht auf Gewissens- und<br />

Glaubensfreiheit Gebrauch zu machen<br />

– so wie <strong>de</strong>r Geschichts-, Politik- und<br />

Sozialkun<strong>de</strong>unterricht die Schülerinnen<br />

und Schüler befähigen soll, von ihrem<br />

Recht auf Teilnahme an <strong>de</strong>r politischen<br />

Willensbildung Gebrauch zu machen.<br />

Nun stößt die Gestaltung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

jedoch auf ein Problem:<br />

Die Republik kann die Religions-<br />

und Gewissensfreiheit aller Bürgerinnen<br />

und Bürger nur garantieren,<br />

wenn sie sich mit keiner Religion o<strong>de</strong>r<br />

Weltanschauung i<strong>de</strong>ntifiziert und strikte<br />

religiöse und weltanschauliche Neutralität<br />

wahrt. Deshalb gibt es grundsätzlich<br />

nur zwei<br />

Möglichkeiten, Religionsunterricht<br />

in<br />

<strong>de</strong>r Schule anzubieten:<br />

entwe<strong>de</strong>r <strong>als</strong><br />

bekenntnisfreie Religionskun<strong>de</strong>,<br />

die<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Religionen und religiösen<br />

Gemeinschaften möglichst neutral<br />

vorstellt, o<strong>de</strong>r in Kooperation mit<br />

<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />

die dann für die<br />

Ziele und Inhalte <strong>de</strong>s Unterrichts verantwortlich<br />

sind. Das Grundgesetz entschei<strong>de</strong>t<br />

sich – wie schon die Weimer<br />

Reichsverfassung von 1919 – für die<br />

zweite Möglichkeit: Der Religionsunterricht<br />

wird, wie es in Art. 7 Abs. 3<br />

heißt, „in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n<br />

Grundsätzen <strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft<br />

erteilt“. Was das be<strong>de</strong>utet, hat<br />

das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht 1987 so<br />

dargelegt: „Er (<strong>de</strong>r Religionsunterricht,<br />

A.V.) ist keine überkonfessionelle vergleichen<strong>de</strong><br />

Betrachtung religiöser Lehren,<br />

nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht,<br />

historisieren<strong>de</strong> und relativieren<strong>de</strong><br />

Religionskun<strong>de</strong>, Religions- o<strong>de</strong>r<br />

Bibelgeschichte. Sein Gegenstand ist<br />

vielmehr <strong>de</strong>r Bekenntnisinhalt, nämlich<br />

die Grundsätze <strong>de</strong>r jeweiligen Religionsgemeinschaft.<br />

<strong>Diese</strong> <strong>als</strong> bestehen<strong>de</strong><br />

Wahrheiten zu vermitteln, ist<br />

seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen<br />

hat, sind grundsätzlich die<br />

Vorstellungen <strong>de</strong>r Kirchen über Inhalt<br />

und Ziel <strong>de</strong>r Lehrveranstaltung maßgeblich.“<br />

(Beschluss vom 27. Februar<br />

1987, BVerfGE Bd. 75, S. 252.) Konfessionalität<br />

ist <strong>als</strong>o nicht nur eine Fra-<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

113<br />

INFO 34 · 2/2005


INFOS & AKTUELLES<br />

114<br />

ge <strong>de</strong>r Unterrichtsinhalte. Sie betrifft<br />

auch <strong>de</strong>n Wahrheits- o<strong>de</strong>r Geltungsanspruch,<br />

<strong>de</strong>r im Religionsunterricht –<br />

wie in je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Fach – erhoben<br />

wird. Sie meint die Perspektive, in <strong>de</strong>r<br />

die Unterrichtsinhalte dargestellt und<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, und diese Perspektive<br />

ist die Perspektive <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Kirche o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft.<br />

Die Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

hat einige be<strong>de</strong>utsame Konsequenzen.<br />

Die Lehren<strong>de</strong>n müssen<br />

nicht nur das Vertrauen <strong>de</strong>s Staates,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r jeweiligen Kirche<br />

o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft haben<br />

(Missio canonica, Vocatio). Der Religionsunterricht<br />

wen<strong>de</strong>t sich primär an<br />

die Schülerinnen und Schüler <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Kirche o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft.<br />

Sie sollen zu mündigen<br />

Katholiken, Protestanten, Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

Muslimen erzogen wer<strong>de</strong>n. Schließlich<br />

kann man sich aus Gewissensgrün<strong>de</strong>n<br />

vom Religionsunterricht befreien lassen<br />

(Art. 7 Abs. 2), und es darf kein<br />

Lehrer gegen seinen Willen zur Erteilung<br />

von Religionsunterricht gezwungen<br />

wer<strong>de</strong>n (Art. 7 Abs. 3, Satz 3).<br />

Grün<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n konfessionellen<br />

Religionsunterricht<br />

Ob <strong>de</strong>r Religionsunterricht in Kooperation<br />

mit <strong>de</strong>n Kirchen die beste<br />

Form <strong>de</strong>r religiösen Unterweisung in<br />

<strong>de</strong>r Schule ist, war schon in <strong>de</strong>n Tagen<br />

<strong>de</strong>r Weimarer Republik umstritten. Die<br />

Kritik am <strong>de</strong>utschen Kooperationsmo<strong>de</strong>ll<br />

wird mal leiser und mal lauter geäußert.<br />

Die Einwän<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n konfessionellen<br />

Religionsunterrichts sind<br />

teils seriös, teils aber auch unseriös,<br />

weil vorgeschoben. Unseriös ist etwa<br />

<strong>de</strong>r Hinweis auf schulorganisatorische<br />

Schwierigkeiten. Denn die gibt es auch<br />

bei an<strong>de</strong>ren Fächern. Der Verweis auf<br />

schulorganisatorische Probleme wird<br />

erst dann zum Argument, wenn man<br />

das Konfessionalitätsprinzip für überholt<br />

hält und eben nicht einzusehen<br />

vermag, wozu es sich lohnen sollte, die<br />

organisatorischen Probleme zu lösen.<br />

Eine seriöse Argumentation sieht wie<br />

folgt aus: Der konfessionelle Religionsunterricht<br />

ist kein zeitgemäßes, geschweige<br />

<strong>de</strong>nn zukunftstaugliches Mo<strong>de</strong>ll<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts,<br />

© Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24.04.05<br />

– weil die Schülerschaft sich nicht<br />

mehr nur in katholische und evangelische<br />

Christen aufteilt. Vor allem in<br />

<strong>de</strong>n großstädtischen Ballungszentren<br />

gibt es eine Vielfalt von Religionen<br />

und Weltanschauungen.<br />

Hinzu kommt die wachsen<strong>de</strong> Zahl<br />

konfessionsloser Schülerinnen und<br />

Schüler. Der konfessionelle Religionsunterricht<br />

erfasst somit nur einen<br />

Teil <strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler;<br />

– weil das Bewusstsein für konfessionelle<br />

Zugehörigkeiten und Differenzen<br />

bei Schülern, Eltern und Religionslehrern<br />

in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

<strong>de</strong>utlich geschwun<strong>de</strong>n sei. Angesichts<br />

<strong>de</strong>r verbreiteten Unkenntnis<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens sei es die<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r Schule, Grundwissen<br />

über <strong>de</strong>n christlichen Glauben und<br />

seine kulturelle Be<strong>de</strong>utung zu vermitteln.<br />

Konfessionelle Spezifika<br />

gehörten eher in die Gemein<strong>de</strong>katechese,<br />

nicht jedoch in die Schule;<br />

– weil es nicht Aufgabe <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Schule ist, zur Bildung einer<br />

bestimmten religiösen I<strong>de</strong>ntität beizutragen.<br />

Das sei vielmehr die Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Eltern und <strong>de</strong>r Kirchengemein<strong>de</strong>n.<br />

Ziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

in <strong>de</strong>r Schule sei vielmehr die<br />

Erziehung zu religiöser Toleranz<br />

und gegenseitigem Verständnis.<br />

Die Verwirklichung dieses Ziels<br />

gelinge am besten in einem Unterricht,<br />

an <strong>de</strong>m erstens alle Schülerinnen<br />

und Schüler teilnehmen, <strong>de</strong>r<br />

zweitens die verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />

und Konfessionen gleichberechtigt<br />

und neutral behan<strong>de</strong>lt und<br />

drittens die Grundwerte unsere<br />

Verfassung vermittelt. Ein solcher<br />

Religionsunterricht soll somit zwar<br />

religiös und weltanschaulich neutral,<br />

nicht jedoch wertneutral sein.<br />

In einer von religiösen Gegensätzen<br />

und Konflikten geprägten Gesellschaft<br />

dürfe die Schule nicht konfessionelle<br />

Trennungen und Unterschie<strong>de</strong><br />

för<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn müsse das<br />

allen Schülerinnen und Schülern<br />

gemeinsame Wertfundament stärken.<br />

Dies gelinge am besten in einem<br />

Religions- und Werteunterricht<br />

für alle. <strong>Diese</strong> Argumentation<br />

fin<strong>de</strong>t man zurzeit in <strong>de</strong>r Berliner<br />

Diskussion um <strong>de</strong>n Religions- und<br />

Werteunterricht. Es dürfte auch das<br />

Kernargument sein.<br />

<strong>Diese</strong> drei Einwän<strong>de</strong> sind ernst zu<br />

nehmen, auch wenn man <strong>de</strong>m Integrati-<br />

INFO 34 · 2/2005


onsfach skeptisch gegenübersteht und<br />

<strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht<br />

für ein sehr wohl zukunftstaugliches<br />

Mo<strong>de</strong>ll hält.<br />

Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n konfessionellen<br />

Religionsunterricht<br />

Aus meiner Sicht sprechen für <strong>de</strong>n<br />

konfessionellen Religionsunterricht<br />

sowohl pädagogische <strong>als</strong> auch religionstheoretische<br />

und <strong>de</strong>mokratietheoretische<br />

Grün<strong>de</strong>. Beginnen wir mit <strong>de</strong>n<br />

pädagogischen Grün<strong>de</strong>n.<br />

Schon Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Grundschule<br />

stellen die großen Fragen nach <strong>de</strong>m<br />

Woher, Wozu und Wohin <strong>de</strong>s menschlichen<br />

Lebens. „Was ist Sinn und Ziel<br />

unseres Lebens?“, „Was ist gut, was ist<br />

böse?“, „Woher kommt die Welt?“,<br />

„Woher kommt das<br />

Leid?“ o<strong>de</strong>r „Was<br />

kommt nach <strong>de</strong>m<br />

Tod?“ sind Fragen,<br />

die sich Kin<strong>de</strong>r<br />

meist in bestimmten<br />

Situationen stellen,<br />

etwa wenn ein geliebtes<br />

Haustier gestorben<br />

ist o<strong>de</strong>r<br />

wenn die Großmutter an einer schweren<br />

Krankheit lei<strong>de</strong>t. Kin<strong>de</strong>r sind, wie<br />

<strong>de</strong>r Pädagoge Jürgen Oelkers es einmal<br />

» Der konfessionelle Religionsunterricht<br />

ist ein Unterricht,<br />

<strong>de</strong>r einen bestimmten<br />

Wahrheitsanspruch im Dialog<br />

mit <strong>de</strong>n Fragen und<br />

Überzeugungen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />

und Schüler einzulösen<br />

versucht.<br />

© T. Plassmann, Frankfurter Rundschau<br />

genannt hat, „Realisten und Mystiker“.<br />

Sie wollen wissen, wie die Welt um sie<br />

herum funktioniert; sie wollen aber<br />

auch wissen, was die Welt im Innersten<br />

zusammenhält.<br />

In unserer Gesellschaft begegnen<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche unterschiedlichen<br />

Antworten.<br />

Die Fragen <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und<br />

Schüler und die<br />

Pluralität <strong>de</strong>r religiösen<br />

und säkularen<br />

Antworten bil<strong>de</strong>n<br />

eine pädagogische<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />

<strong>de</strong>r sich auch die Schule stellen<br />

muss. Der ehemalige <strong>de</strong>utsche PISA-<br />

Chef, Jürgen Baumert, spricht hier von<br />

Fragen „konstitutiver Rationalität“, die<br />

in <strong>de</strong>n Fächern Re-<br />

»Die Fragen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />

und Schüler und die<br />

Pluralität <strong>de</strong>r religiösen und<br />

säkularen Antworten bil<strong>de</strong>n<br />

eine pädagogische Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />

<strong>de</strong>r sich auch<br />

die Schule stellen muss.<br />

ligion und Philosophie<br />

behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n. Doch welcher<br />

Typ von Religionsunterricht<br />

wird <strong>de</strong>n Fragen<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen<br />

und Schülern gerecht?<br />

Schüler haben<br />

sicher ein großes Interesse daran zu<br />

erfahren, was Menschen so glauben,<br />

welche Religionen es gibt, worin Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

<strong>de</strong>n Religionen bestehen. Das<br />

scheint für einen religionskundlichen<br />

Unterricht zu sprechen.<br />

Aber Schülerinnen und Schüler<br />

wollen nicht nur wissen, was Menschen<br />

so glauben. Sie wollen auch wissen,<br />

was sie glauben sollen, was wahr<br />

und richtig ist. Je<strong>de</strong>r Religionslehrer<br />

kennt die Situation, dass plötzlich eine<br />

Schülerin o<strong>de</strong>r ein Schüler fragt:<br />

„Glauben Sie das <strong>de</strong>nn?“ Mit dieser<br />

Frage wollen Schüler in einen Dialog<br />

über die Wahrheitsfrage eintreten. Sie<br />

wollen darüber sprechen, ob das, was<br />

Christen o<strong>de</strong>r Muslime o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

glauben, glaubwürdig ist, ob dieser<br />

Glaube Orientierung auch für ihr eigenes<br />

Leben geben kann. Ein bekenntnisneutraler<br />

Religionsunterricht muss an<br />

dieser Stelle passen. Der Lehrer kann<br />

sagen, was Christen o<strong>de</strong>r was Muslime<br />

glauben, aber er kann nicht in einen<br />

Dialog o<strong>de</strong>r ein Streitgespräch um die<br />

Wahrheit einer Glaubensüberzeugung<br />

eintreten, ohne die Neutralität <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

zu verletzen. Ganz an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r<br />

konfessionelle Religionsunterricht. Er<br />

muss nicht und will<br />

nicht neutral sein,<br />

<strong>de</strong>shalb kann hier<br />

auch die Wahrheitsfrage<br />

gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>shalb<br />

kann hier auch die<br />

Frage nach gültiger<br />

Orientierung für<br />

mein Leben eine Antwort fin<strong>de</strong>n. Im<br />

konfessionellen Religionsunterricht<br />

treffen Schülerinnen und Schüler auf<br />

eine Lehrerin o<strong>de</strong>r einen Lehrer, <strong>de</strong>r einen<br />

Standpunkt bezieht und sich <strong>de</strong>m<br />

Dialog mit <strong>de</strong>n Schülerinnen und Schülern<br />

über diesen Standpunkt stellt. In<br />

<strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit diesem<br />

Standpunkt sollen und können sie einen<br />

eigenen – argumentativ begrün<strong>de</strong>ten –<br />

Standpunkt fin<strong>de</strong>n. Der konfessionelle<br />

Religionsunterricht – so wie ihn die katholische<br />

Kirche versteht – ist ein Unterricht,<br />

<strong>de</strong>r einen bestimmten Wahrheitsanspruch<br />

im Dialog mit <strong>de</strong>n Fragen<br />

und Überzeugungen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />

und Schüler einzulösen versucht.<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

115<br />

INFO 34 · 2/2005


INFOS & AKTUELLES<br />

116<br />

Unter <strong>de</strong>n Bürgern <strong>de</strong>r Republik ist<br />

unstrittig, dass Schülerinnen und Schüler<br />

auch im Religionsunterricht die<br />

Lektion <strong>de</strong>s alten Fritz zu lernen haben,<br />

dass je<strong>de</strong>r Mensch nach seiner Façon<br />

selig wer<strong>de</strong>n kann. Toleranz gegenüber<br />

an<strong>de</strong>ren Überzeugungen und Lebensstilen<br />

ist Ausdruck <strong>de</strong>s Respekts vor<br />

<strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen. Dass dieser<br />

Respekt auch theologisch gefor<strong>de</strong>rt ist,<br />

hat die katholische Kirche auf <strong>de</strong>m II.<br />

Vatikaninischen Konzil in <strong>de</strong>r Erklärung<br />

Dignitatis humanae unmissverständlich<br />

klar gestellt. So wichtig die<br />

Erziehung zu Toleranz und Respekt ist,<br />

die Schülerinnen und Schüler sollten<br />

auch die Chance bekommen, eine eigene<br />

Façon auszubil<strong>de</strong>n und einen eigenen<br />

Standpunkt zu entwickeln. Die<br />

Lektion <strong>de</strong>s alten Fritz kann nur beherzigen,<br />

wer seinem eigenen Leben eine<br />

Façon gegeben hat.<br />

Aber könnte dies alles nicht auch<br />

ein gemeinsamer christlicher Religionsunterricht<br />

leisten? Muss man dazu<br />

die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen unbedingt<br />

in getrennte Lerngruppen aufteilen?<br />

In <strong>de</strong>r (religions)pädagogischen<br />

Fachdiskussion galt es in <strong>de</strong>n 90er Jahren<br />

<strong>de</strong>s vergangenen Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>als</strong><br />

ausgemacht, dass heutige Kin<strong>de</strong>r mit<br />

konfessionellen Zuordnungen<br />

und Unterschie<strong>de</strong>n<br />

nichts<br />

anfangen können.<br />

Oftm<strong>als</strong> wissen viele<br />

Kin<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r<br />

Einschulung nicht<br />

einmal, ob sie katholisch<br />

o<strong>de</strong>r evangelisch<br />

sind, geschweige<br />

<strong>de</strong>nn, dass sie mit Konfessionsbezeichnungen<br />

relevante religiöse<br />

Inhalte verbin<strong>de</strong>n könnten. Aus diesen<br />

Beobachtungen zog etwa <strong>de</strong>r Arbeitskreis<br />

Grundschule in seinen Empfehlungen<br />

zur Neugestaltung <strong>de</strong>r Primarstufe<br />

von 1996 die naheliegen<strong>de</strong><br />

Schlussfolgerung, dass die Trennung in<br />

konfessionelle Lerngruppen von <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn nicht verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> und<br />

schon von daher pädagogisch nicht zu<br />

rechtfertigen sei. Doch stimmt diese<br />

Analyse?<br />

» Ein Unterricht, in <strong>de</strong>m<br />

Wahrheitsfragen diskutiert<br />

und Zugehörigkeiten geklärt<br />

wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m mit<br />

an<strong>de</strong>ren Worten ein I<strong>de</strong>ntifikationsangebot<br />

gemacht<br />

wird, aber ist ein konfessioneller<br />

Religionsunterricht.<br />

Die bei<strong>de</strong>n Tübingen Religionspädagogen<br />

Albert Biesinger und Friedrich<br />

Schweitzer haben diese Frage in<br />

einer von <strong>de</strong>r DFG geför<strong>de</strong>rten empirischen<br />

Studie zum Religionsunterricht<br />

in <strong>de</strong>r Grundschule untersucht und sind<br />

zu einem interessanten Ergebnis<br />

gekommen. Bei <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r<br />

Schüleräußerungen stellten sie fest,<br />

dass zwischen konfessionsspezifischen<br />

Erfahrungen und<br />

konfessionellem<br />

(Selbst-) Bewusstsein<br />

unterschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Viele<br />

Kin<strong>de</strong>r haben Erfahrungen<br />

mit Gottesdiensten,<br />

Tauf-, Erstkommunion- o<strong>de</strong>r<br />

Konfirmationsfeiern gemacht, ohne<br />

dass ihnen <strong>de</strong>r konfessionelle Kontext<br />

dieser Vollzüge bewusst ist. Es ist somit<br />

ungenau zu behaupten, Kin<strong>de</strong>r<br />

brächten keinerlei konfessionelle Prägungen<br />

in die Schule mit. Richtig ist<br />

vielmehr: Sie bringen konfessionell geprägte<br />

Erfahrungen mit, die sie jedoch<br />

erst im Verlauf <strong>de</strong>r weiteren kognitiven<br />

und sozialen Entwicklung mit Begriffen<br />

verbin<strong>de</strong>n. Eine Beobachtung, die<br />

man übrigens auch im Sachkun<strong>de</strong>- o<strong>de</strong>r<br />

Mathematikunterricht machen kann.<br />

Biesinger und<br />

Schweitzer folgern<br />

aus diesen Ergebnissen,<br />

dass die<br />

Thematisierung<br />

von konfessionellen<br />

Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschie<strong>de</strong>n<br />

im Religionsunterricht<br />

ein Stück<br />

Welterschließung darstellt, das für <strong>de</strong>n<br />

Bildungsauftrag <strong>de</strong>r Grundschule be<strong>de</strong>utsam<br />

ist. Die Existenz zweier Großkirchen<br />

in Deutschland ist eine soziale<br />

Tatsache, die <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

nicht ignorieren darf.<br />

<strong>Diese</strong> Schlussfolgerung wird noch<br />

durch ein weiteres Untersuchungsergebnis<br />

gestützt. Die Erschließung <strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung von katholisch und evangelisch<br />

verbin<strong>de</strong>t sich für Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />

Frage nach <strong>de</strong>r eigenen Selbstzuordnung,<br />

<strong>als</strong>o mit <strong>de</strong>r Frage „was bin<br />

» Zwischen konfessionsspezifischen<br />

Erfahrungen und<br />

konfessionellem (Selbst-)<br />

Bewusstsein unterschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

ich?“. Grundschüler haben ein nachweisbar<br />

großes Interesse an <strong>de</strong>r Beantwortung<br />

dieser Frage und auch daran,<br />

die Grün<strong>de</strong> für die unterschiedlichen<br />

Konfessionszugehörigkeiten kennen<br />

zu lernen. Ein schülerorientierter Religionsunterricht<br />

muss <strong>de</strong>shalb Raum für<br />

Fragen nach <strong>de</strong>r eigenen Konfessionszugehörigkeit<br />

bieten. Ein Unterricht, in<br />

<strong>de</strong>m Wahrheitsfragen diskutiert und<br />

Zugehörigkeiten<br />

geklärt wer<strong>de</strong>n, in<br />

<strong>de</strong>m mit an<strong>de</strong>ren<br />

Worten ein I<strong>de</strong>ntifikationsangebot<br />

gemacht wird, aber<br />

ist ein konfessioneller<br />

Religionsunterricht. Solange es<br />

eine katholische und eine evangelische<br />

Kirche gibt, können diese Fragen nur<br />

katholisch o<strong>de</strong>r evangelisch beantwortet<br />

wer<strong>de</strong>n. Wer die Fragen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlichen ernst nimmt, muss<br />

<strong>de</strong>shalb für <strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht<br />

sein.<br />

In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Unterrichtsfächern<br />

geht es um die Erschließung<br />

von Wirklichkeit. So vermittelt <strong>de</strong>r<br />

Mathematikunterricht nicht nur ein bestimmtes<br />

Wissen und bestimmte Fähigkeiten.<br />

Das mathematische Wissen<br />

und die mathematischen Fähigkeiten<br />

sollen Schülerinnen und Schülern helfen,<br />

sich die Wirklichkeit mathematisch<br />

zu erschließen. Das gilt für je<strong>de</strong>s<br />

Fach in <strong>de</strong>r Schule und natürlich auch<br />

für <strong>de</strong>n Religionsunterricht.<br />

Wie können religiöse Fragen,<br />

Überzeugungen und Erfahrungen im<br />

Unterricht erschlossen wer<strong>de</strong>n? Ich<br />

nenne das die religionstheoretische<br />

Frage. Es gibt – über <strong>de</strong>n Schulunterricht<br />

hinaus – zwei Arten, sich <strong>de</strong>m<br />

Phänomen Religion zu nähern: die Beobachter-<br />

und die Teilnehmerperspektive.<br />

An <strong>de</strong>n Universitäten gibt es bekanntlich<br />

zwei Disziplinen, die sich<br />

eben aus unterschiedlichen Perspektiven<br />

mit Religion befassen: die Religionswissenschaft<br />

und die Theologie.<br />

Man kann religiöse Zeugnisse wie Texte,<br />

Bauwerke, aber auch Gebetsgesten<br />

und Rituale <strong>de</strong>uten, religiöses Verhalten<br />

beschreiben, Motivationen analy-<br />

INFO 34 · 2/2005


sieren und schließlich religionssoziologisch<br />

und religionspsychologisch erklären.<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n wichtige Erkenntnisse<br />

erworben und Zusammenhänge<br />

<strong>de</strong>utlich, die wir sonst nicht<br />

wüssten. Aber die Beobachterperspektive<br />

ist eine begrenzte Perspektive.<br />

Denn <strong>de</strong>r Wahrheitsanspruch und die<br />

existenzielle Be<strong>de</strong>utung religiöser Erfahrungen<br />

und Entscheidungen kommen<br />

so nicht in <strong>de</strong>n Blick. Sie kommen<br />

nur in <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive in<br />

<strong>de</strong>n Blick. Der evangelische Theologe<br />

Friedrich Wilhelm Graf hat jüngst sehr<br />

überzeugend dargelegt, dass Religion<br />

nur dann angemessen wahrgenommen<br />

und verstan<strong>de</strong>n wird, wenn das Selbstverständnis<br />

<strong>de</strong>r Gläubigen, ihre Überzeugungen,<br />

Empfindungen und Motivationen<br />

ernst genommen wer<strong>de</strong>n und<br />

zum Ausdruck kommen. Vor allem <strong>de</strong>r<br />

Anspruchscharakter einer Religion<br />

kommt nur in <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />

angemessen zur Sprache. Das<br />

Evangelium ist ja nicht einfach eine<br />

Lehre o<strong>de</strong>r eine Weltanschauung; das<br />

Evangelium ist vor allem und zuvör<strong>de</strong>rst<br />

ein Appell an die Freiheit <strong>de</strong>s Einzelnen.<br />

Es geht nicht nur darum zu wissen,<br />

für wen die Leute Jesus halten,<br />

son<strong>de</strong>rn auch um die Frage „Für wen<br />

haltet ihr mich?“ (vgl. Mt 16,13 – 20).<br />

Erst von diesem Bekenntnis her kann<br />

die soziale und kulturelle Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens verständlich<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Wer das Christentum<br />

verstehen will,<br />

muss <strong>de</strong>shalb die<br />

Perspektive <strong>de</strong>rer<br />

einnehmen, die<br />

Christus in seiner Kirche nachfolgen.<br />

<strong>Diese</strong> Perspektive ist die Perspektive<br />

<strong>de</strong>s konfessionellen Religionsunterrichts.<br />

Er ist <strong>de</strong>shalb die angemessene<br />

Form, Religion authentisch in <strong>de</strong>r<br />

Schule zur Sprache zu bringen.<br />

Schließlich sprechen <strong>de</strong>mokratietheoretische<br />

Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n konfessionellen<br />

Religionsunterricht, die hier nur<br />

skizziert und nicht historisch und philosophisch<br />

entfaltet wer<strong>de</strong>n können.<br />

In <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen<br />

Republik sind die Grundrechte<br />

» Der Anspruchscharakter<br />

einer Religion kommt nur in<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />

angemessen zur Sprache.<br />

und Grundwerte garantiert, die alles<br />

staatliche Han<strong>de</strong>ln und das Zusammenleben<br />

in <strong>de</strong>r Gesellschaft normieren.<br />

Sie bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Wertekonsens.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r religiösen und<br />

weltanschaulichen Neutralität – die<br />

ebenfalls zu <strong>de</strong>n Grundwerten <strong>de</strong>r Republik<br />

gehört! – garantiert die Republik<br />

zwar die Grundrechte, aber sie gibt<br />

keine religiösen o<strong>de</strong>r philosophischen<br />

Begründungen vor. Die Republik ist eine<br />

politische Gemeinschaft auf <strong>de</strong>r<br />

Grundlage wechselseitig zuerkannter<br />

Rechte, aber keine<br />

Weltanschauungsgemeinschaft.<br />

Sie<br />

geht vielmehr davon<br />

aus, dass es in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft unterschiedliche<br />

religiöse<br />

und weltanschauliche<br />

Begründungen <strong>de</strong>r Grundrechte<br />

und Grundwerte gibt, die diese<br />

Werte auch in einem moralischen Sinne<br />

legitimieren und zum Einsatz für die<br />

Republik motivieren. Genau in diesem<br />

Sinne ist das viel zitierte Wort <strong>de</strong>s ehemaligen<br />

Verfassungsrechtlers Ernst-<br />

Wolfgang Böckenför<strong>de</strong> zu verstehen,<br />

dass <strong>de</strong>r freiheitliche Staat von Voraussetzungen<br />

lebt, die er selbst nicht garantieren<br />

kann.<br />

In <strong>de</strong>n intellektuellen Diskussionen<br />

Europas und Nordamerikas gibt es seit<br />

<strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt eine heftige Kontroverse<br />

darüber,<br />

ob Menschenwür<strong>de</strong><br />

und Menschenrechte<br />

besser durch einen<br />

atheistischen<br />

o<strong>de</strong>r agnostischen<br />

Humanismus o<strong>de</strong>r durch einen religiösen<br />

Glauben, <strong>als</strong>o durch das Christentum<br />

legitimiert und gesichert wer<strong>de</strong>n<br />

können. Historisch wird man sagen<br />

müssen, dass die Durchsetzung <strong>de</strong>r<br />

Menschen- und Bürgerrechte bis heute<br />

sowohl religiös wie auch säkular begrün<strong>de</strong>t<br />

war und ist. Die Einrichtung<br />

<strong>de</strong>r Religionsfreiheit, die Abschaffung<br />

<strong>de</strong>r Sklaverei und <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe waren<br />

und sind prominente Beispiele. Dabei<br />

macht es wenig Sinn, die Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Bürgerrechte und <strong>de</strong>r Republik<br />

» Ohne Vernunft wird <strong>de</strong>r<br />

Glaube schnell fundamentalistisch,<br />

und ohne <strong>de</strong>n<br />

Glauben wird die Vernunft<br />

zur instrumentellen Rationalität.<br />

gleichsam anteilmäßig auf Humanisten<br />

und Christen aufzuteilen. Oft war es<br />

nämlich das Zusammenwirken von<br />

Gläubigen und Ungläubigen (z.B. Belgischer<br />

Unionismus, amerikanische<br />

Bürgerrechtsbewegung), die die<br />

Durchsetzung <strong>de</strong>r Bürgerrechte beför<strong>de</strong>rt<br />

haben. Es spricht daher einiges dafür,<br />

dass die normativen Grundlagen<br />

unseres Zusammenlebens am besten<br />

im Dialog von Gläubigen und Nicht-<br />

Gläubigen gesichert und fortentwickelt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Mit Blick auf die neuen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

durch <strong>de</strong>n Fortschritt<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaften<br />

(etwa im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Gentechnik)<br />

und durch<br />

die Globalisierung<br />

von Wirtschaft und<br />

Technik wird <strong>de</strong>utlich, wie notwendig<br />

eine über <strong>de</strong>n kleinsten gemeinsamen<br />

moralischen Nenner hinaus gehen<strong>de</strong><br />

Verständigung von Gläubigen und<br />

Nicht-Gläubigen über die Grundwerte<br />

unseres gegenwärtigen und zukünftigen<br />

Zusammenlebens ist. Ein solcher<br />

Dialog lebt von <strong>de</strong>r Einsicht, dass<br />

Glaube und Vernunft einan<strong>de</strong>r brauchen.<br />

Ohne Vernunft wird <strong>de</strong>r Glaube<br />

schnell fundamentalistisch, und ohne<br />

<strong>de</strong>n Glauben wird die Vernunft zur instrumentellen<br />

Rationalität. Religiöser<br />

Fundamentalismus und instrumentelle<br />

Vernunft passen übrigens gut zusammen.<br />

Fundamentalisten sind nämlich<br />

meist keine blin<strong>de</strong>n Fanatiker, son<strong>de</strong>rn<br />

gut ausgebil<strong>de</strong>te Fachleute, die sich <strong>de</strong>r<br />

neuesten wissenschaftlichen und technischen<br />

Errungenschaften zur Durchsetzung<br />

ihrer inhumanen Ziele bedienen.<br />

Dies ließe sich leicht an <strong>de</strong>n fundamentalistischen<br />

Strömungen im Islam<br />

o<strong>de</strong>r im amerikanischen Protestantismus<br />

zeigen. In diesem Kontexte sollte<br />

man die Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et ratio“<br />

(1998) lesen. Sie ist gleichsam das antifundamentalistische<br />

Manifest <strong>de</strong>r katholischen<br />

Kirche.<br />

Der anspruchsvolle und sicher oft<br />

spannungsreiche Dialog von Glaube<br />

und Vernunft braucht soziale Orte und<br />

institutionelle Garantien, wenn er lang-<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

117<br />

INFO 34 · 2/2005


INFOS & AKTUELLES<br />

118<br />

fristig wirksam sein soll. Ein solcher<br />

Ort ist die Schule. Einerseits hält <strong>de</strong>r<br />

Religionsunterricht die letzten Fragen<br />

<strong>de</strong>s Menschen wach und verhin<strong>de</strong>rt dadurch,<br />

dass Schülerinnen und Schüler<br />

die Welt und sich<br />

selbst nur unter naturwissenschaftlichen<br />

o<strong>de</strong>r sozialökonomischen<br />

Perspektiven<br />

betrachten.<br />

Er wehrt damit einer naturalistisch<br />

o<strong>de</strong>r ökonomistisch verkürzten Weltsicht,<br />

die in Teilen unserer Gesellschaft<br />

großen Zuspruch fin<strong>de</strong>t.<br />

An<strong>de</strong>rerseits bewahrt <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

in <strong>de</strong>r Schule die Kirchen<br />

und an<strong>de</strong>re Religionsgemeinschaften<br />

davor, sich in ein soziales Getto zurückzuziehen,<br />

um dort von allen kritischen<br />

Anfragen unbehelligt eine sektenhafte<br />

Religiosität zu pflegen. Denn<br />

<strong>de</strong>r Religionsunterricht muss Antworten<br />

auf die oft sehr kritischen Fragen<br />

<strong>de</strong>r Schüler fin<strong>de</strong>n, die religiösen und<br />

moralischen Überzeugungen mit <strong>de</strong>m<br />

Wissen aus an<strong>de</strong>ren Fächern in Einklang<br />

bringen und <strong>de</strong>r religiösen und<br />

weltanschaulichen Pluralität im Schulleben<br />

gerecht wer<strong>de</strong>n. Der Zwang zur<br />

öffentlichen Diskussion religiöser<br />

» Die Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et<br />

ratio“ ist das anti-fundamentalistische<br />

Manifest <strong>de</strong>r<br />

katholischen Kirche.<br />

Überzeugungen ist das vielleicht wichtigste<br />

Heilmittel gegen <strong>de</strong>n Einfluss<br />

fundamentalistischer Strömungen in<br />

<strong>de</strong>n Religionen. Aus diesem Grund<br />

dürfte auch die Einrichtung von islamischem<br />

Religionsunterricht<br />

die Integration<br />

<strong>de</strong>r muslimischen<br />

Min<strong>de</strong>rheit<br />

in die <strong>de</strong>mokratisch-pluralistische<br />

Gesellschaft för<strong>de</strong>rn. <strong>Diese</strong> integrative<br />

Kraft kann jedoch nur ein Religionsunterricht<br />

entfalten, mit <strong>de</strong>m sich<br />

die jeweilige Religionsgemeinschaft<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert, weil sie für die Inhalte und<br />

Ziele verantwortlich ist – verantwortlich<br />

nicht nur gegenüber <strong>de</strong>r eigenen<br />

Tradition, son<strong>de</strong>rn auch gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit. Auch das spricht für<br />

<strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht.<br />

Dr. Andreas Verhülsdonk ist Referent<br />

für Religionspädagogik im Sekretariat<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Bonn.<br />

Literatur<br />

Baumert, Jürgen: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich,<br />

in: Killius, Nelson/Kluge, Jürgen/Reisch,<br />

Linda (Hg.), Die Zukunft <strong>de</strong>r Bildung. – Frankfurt/M.<br />

2002. 100 – 150.<br />

Biesinger, Albert/ Schweitzer, Friedrich u.a.: Gemeinsamkeiten<br />

stärken – Unterschie<strong>de</strong>n gerecht wer<strong>de</strong>n. Erfahrungen<br />

und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen<br />

Religionsunterricht. – Freiburg-Gütersloh. 2002.<br />

Böckenför<strong>de</strong>, Ernst-Wolfgang: Die Entstehung <strong>de</strong>s Staates<br />

<strong>als</strong> Vorgang <strong>de</strong>r Säkularisation, in: <strong>de</strong>rs.: Staat, Gesellschaft,<br />

Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum<br />

Verfassungsrecht. – Frankfurt/M. 1997.<br />

Forst, Rainer: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt<br />

und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs, Frankfurt/M.<br />

2003.<br />

Graf, Friedrich Wilhelm: Die Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>r Götter. Religion<br />

in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Kultur. – München. 2004.<br />

Habermas, Jürgen: Glauben und Wissen. Frie<strong>de</strong>nspreis<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Buchhan<strong>de</strong>ls 2001. Laudatio: Jan Philipp<br />

Reemtsma. – Frankfurt/M. 2001.<br />

Habermas, Jürgen/Ratzinger, Josef Kardinal: Vorpolitische<br />

moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates,<br />

in: zur <strong>de</strong>batte 1/2004.<br />

Joas, Hans: Braucht <strong>de</strong>r Mensch Religion? Über Erfahrungen<br />

<strong>de</strong>r Selbsttranszen<strong>de</strong>nz. – Freiburg. 2004.<br />

Ratzinger, Josef Kardinal: Glaube, Wahrheit, Toleranz.<br />

Das Christentum und die Weltreligionen. – Freiburg.<br />

2004.<br />

Ders.: Werte in Zeiten <strong>de</strong>s Umbruchs. Die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>r Zukunft bestehen. – Freiburg. 2005.<br />

Verhülsdonk, Andreas: Religionsunterricht – Grundlage<br />

von Religionsfreiheit, in: Stimmen <strong>de</strong>r Zeit 221/2003,<br />

329 – 337.<br />

Werteunterricht von Staats wegen ?<br />

Bischof Franz Kamphaus<br />

Was hat eigentlich Papst Benedikt<br />

XVI. gemeint, <strong>als</strong> er jüngst von <strong>de</strong>r „Diktatur<br />

<strong>de</strong>s Relativismus“ sprach? Relativismus<br />

– ist das nicht die Denkweise,<br />

die sich von festen Wahrheiten verabschie<strong>de</strong>t?<br />

Dann ist doch scheinbar alles<br />

möglich. Wie kann eine solche Entscheidung<br />

in Intoleranz und Diktatur umschlagen?<br />

Den Beleg liefert die SPD/<br />

PDS-Regierung in Berlin. Der Werteunterricht<br />

von Staats wegen, mit <strong>de</strong>m sie<br />

<strong>de</strong>n sonst in <strong>de</strong>r Republik üblichen Religionsunterricht<br />

ablösen will, führt <strong>als</strong><br />

alle verpflichten<strong>de</strong>s Fach zur Diktatur<br />

<strong>de</strong>s Relativismus. Wie die Fundamentalisten,<br />

die sich im festen Besitz <strong>de</strong>s<br />

Willens Gottes wähnen, behauptet er alle<br />

vereinnahmend umgekehrt: „Wir<br />

wissen, dass es keine letzten religiösen<br />

Wahrheiten gibt. Alles ist relativ, gesellschaftlich,<br />

psychologisch o<strong>de</strong>r genetisch<br />

bedingt, und wer etwas an<strong>de</strong>res<br />

sagt, ist intolerant.“ Die Pointe <strong>de</strong>r Formulierung<br />

Benedikts XVI. liegt in <strong>de</strong>r<br />

geistvollen Zuspitzung <strong>de</strong>r Erkenntnis,<br />

dass das Verhältnis zu <strong>de</strong>n „letzten Dingen“<br />

(die Fragen nach Gott, Freiheit und<br />

Unsterblichkeit, vgl. Immanuel Kant)<br />

immer eine Glaubensentscheidung ist.<br />

Da gibt es diejenigen, die einem Stern<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit folgen und an Gott glauben,<br />

und die an<strong>de</strong>ren, <strong>de</strong>ren Glaube sich<br />

in <strong>de</strong>r Überzeugung ausdrückt: Religiöse<br />

Wahrheit gibt es nicht. Überzeugung<br />

steht gegen Überzeugung.<br />

Die SPD/PDS-Koalition in Berlin<br />

möchte, dass in einem für alle verbindlichen<br />

Schulfach die relativistische Weltanschauung<br />

gelehrt wird. Das ist die<br />

Ansage eines Kulturkampfes. Begrün<strong>de</strong>t<br />

durch die beson<strong>de</strong>re Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Stadt Berlin, gilt dort nicht <strong>de</strong>r Artikel 7,<br />

Abs. 3, unseres Grundgesetzes, mit <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Religionsunterricht <strong>als</strong> „or<strong>de</strong>ntliches<br />

Lehrfach“ eingerichtet wird, son-<br />

INFO 34 · 2/2005


<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Ausnahmeartikel 141, die so<br />

genannte „Bremer Klausel“. Sie war im<br />

Jahre 1949 auf beson<strong>de</strong>ren Wunsch <strong>de</strong>r<br />

Hanseaten eingeführt wor<strong>de</strong>n. Sie wollten<br />

mit einem vom Bremer Senat verantworteten<br />

Unterricht in „Biblischer<br />

Geschichte“ <strong>de</strong>n Streit zwischen <strong>de</strong>n<br />

Lutheranern und Reformierten beilegen.<br />

Aus gutem Grund sagt aber unsere<br />

Verfassung ganz am Anfang, dort wo es<br />

um Religionsfreiheit und das Verhältnis<br />

von Staat und Kirche geht, im Artikel 7,<br />

Abs. 3, dass <strong>de</strong>r Staat in Glaubenssachen<br />

» Der Werteunterricht von<br />

Staats wegen führt <strong>als</strong> alle<br />

verpflichten<strong>de</strong>s Fach zur<br />

Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus.<br />

kein Mandat hat.<br />

Die letzten Dinge<br />

fallen nicht in seine<br />

Zuständigkeit. Das<br />

passt zur Präambel<br />

<strong>de</strong>s Grundgesetzes:<br />

Dort wur<strong>de</strong> ausdrücklich die höchste<br />

Autorität nicht irgen<strong>de</strong>inem Souverän,<br />

auch nicht <strong>de</strong>m Volk <strong>als</strong> Souverän zugemessen,<br />

son<strong>de</strong>rn Gott. Ähnlich ist es mit<br />

<strong>de</strong>r Unantastbarkeit <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Menschen (Artikel 1,1)<br />

Die Mütter und Väter <strong>de</strong>r Verfassung<br />

hatten vor sechzig Jahren die Trümmer<br />

<strong>de</strong>r Nazidiktatur vor Augen, und sie sahen,<br />

wie sich <strong>de</strong>r stalinistische Totalitarismus<br />

in <strong>de</strong>r sowjetischen Besatzungszone<br />

breit machte. Sie wollten einen<br />

Damm errichten gegen <strong>de</strong>n Staatsterror,<br />

<strong>de</strong>r ihnen noch in <strong>de</strong>n Knochen saß. Nie<br />

wie<strong>de</strong>r so etwas! Nie mehr sollte <strong>de</strong>r<br />

Mensch zum bloßen Objekt <strong>de</strong>s Staatsapparates<br />

und auch nicht <strong>de</strong>s Wissenschaftsapparates<br />

<strong>de</strong>gradiert wer<strong>de</strong>n. Die<br />

letzten Dinge gehören nicht <strong>de</strong>m Staat,<br />

sie sind Sache je<strong>de</strong>s Einzelnen und <strong>de</strong>r<br />

Religionsgemeinschaften, die für Glaubensfragen<br />

zuständig sind. So wirken<br />

die Kirchen beim or<strong>de</strong>ntlichen Lehrfach<br />

Religion mit, sie verantworten die Inhalte<br />

und kooperieren mit <strong>de</strong>m Staat.<br />

<strong>Diese</strong> religionsfreundliche Trennung<br />

von Staat und Kirche, bei <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r das<br />

Seine beiträgt, hat sich in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

in über einem halben Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

bewährt. Auch wenn die Kirchen zu<br />

kämpfen haben, <strong>de</strong>r<br />

Religionsunterricht<br />

ist anerkannt. Untersuchungen<br />

und Meinungsumfragen<br />

zeigen<br />

es: Er ist vor allem<br />

in <strong>de</strong>r Grundschule ein hoch geschätztes<br />

Fach. Die Kurve <strong>de</strong>r Beliebtheit<br />

knickt dann in <strong>de</strong>r Pubertät ein, aber<br />

in <strong>de</strong>r Oberstufe <strong>de</strong>s Gymnasiums steigt<br />

sie wie<strong>de</strong>r an. Das hat auch damit zu tun,<br />

dass sich <strong>de</strong>r Wind gedreht hat. Wer<br />

glaubt noch ernsthaft daran, wie <strong>de</strong>r<br />

Marxismus unseligen Ange<strong>de</strong>nkens,<br />

dass die Religion von selbst abstirbt?<br />

Nicht nur, weil die Herausfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Islam religiöse Fragen wie<strong>de</strong>r auf die<br />

Tagesordnung gesetzt hat, son<strong>de</strong>rn<br />

auch, weil die „großen Fragen“ allen<br />

Menschen eine Antwort abverlangen,<br />

gehört Religion in unser Bildungsprogramm.<br />

Aber sie gehört nicht in die Regie<br />

<strong>de</strong>s Staates.<br />

„Was Werte sind, bestimmen wir“,<br />

so formulierte eine PDS-Abgeordnete<br />

in Berlin. Und Frau Buttgereit (SPD)<br />

möchte die katholische Kirche in ihrem<br />

neuen Wertefach staatlich kritisieren.<br />

Das ist in <strong>de</strong>r Tat Kulturkampf! Religion<br />

gehört in die Schule, <strong>de</strong>nn religiöse<br />

Unbildung ist eine Gefahr. Aber wenn<br />

Religion, dann authentisch! Genau das<br />

sieht das Konzept in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland vor, so wie es <strong>de</strong>r Artikel 7,<br />

Abs. 3, <strong>de</strong>s Grundgesetzes bestimmt.<br />

Die „Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus“ dagegen<br />

macht einen Standpunkt verbindlich<br />

für alle, nämlich <strong>de</strong>n, dass es keine<br />

festen Standpunkte und keine letzten<br />

Wahrheiten gibt.<br />

Ein Gutes hat <strong>de</strong>r Streit. Die Diskussion,<br />

die Berlin auslöst, unterstreicht die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Religionsunterrichtes,<br />

<strong>de</strong>r sich natürlich auch mit an<strong>de</strong>ren Religionen<br />

und Weltanschauungen auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />

Wer eine eigene Position markieren<br />

kann, weiß, wovon er re<strong>de</strong>t, wenn<br />

er sich mit an<strong>de</strong>ren Überzeugungen und<br />

Religionen auseinan<strong>de</strong>rsetzt. Da ist dann<br />

Toleranz gefragt. Es ist bezeichnend, dass<br />

Benedikt XVI. <strong>de</strong>r Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus<br />

<strong>de</strong>n Kampf ansagt, sich zugleich<br />

aber für <strong>de</strong>n Dialog von Religionen und<br />

Weltanschauungen einsetzt.<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion<br />

„Frankfurter Neue Presse“ – Beitrag in <strong>de</strong>r „Frankfurter<br />

Neuen Presse“ vom 4. Mai 2005.<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

119<br />

Vorsicht bei Kopien und Vi<strong>de</strong>os<br />

Das neue Urheberrecht hat Auswirkungen auf Religionsunterricht und Gemein<strong>de</strong>arbeit<br />

Seit En<strong>de</strong> 2003 gilt bereits das reformierte<br />

Urheberrecht. Was früher problemlos<br />

in Gruppenstun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch im<br />

Religionsunterricht möglich war, ist durch<br />

die neuen Regelungen möglicherweise illegal.<br />

Die Oberbayerische Schulzeitung geht<br />

in Nummer 3/2004 auf Konsequenzen ein,<br />

die in erster Linie <strong>de</strong>n Unterricht betreffen,<br />

aber auch für die Arbeit mit Gruppen <strong>de</strong>r<br />

Pfarrei zu berücksichtigen sind. Die folgen<strong>de</strong>n<br />

praxisrelevanten Punkte orientieren<br />

sich an <strong>de</strong>m oben genannten Artikel:<br />

Darf ich aus einer Zeitung beziehungsweise<br />

Zeitschrift einen Artikel für die<br />

Gruppenstun<strong>de</strong>/<strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

kopieren?<br />

Ja, wenn die Quelle angegeben ist.<br />

Darf ich ein Foto o<strong>de</strong>r eine Grafik aus einer<br />

Zeitschrift, <strong>de</strong>m Internet o<strong>de</strong>r einem<br />

Schulbuch auf eine Overhead-Folie o<strong>de</strong>r<br />

ein Arbeitsblatt drucken?<br />

Ja, wenn die Quelle angegeben ist.<br />

Darf ich ein Foto aus einem Bildband einscannen<br />

und auf eine Overhead-Folie<br />

drucken, um es <strong>de</strong>r ganzen Gruppe / <strong>de</strong>r<br />

ganzen Klasse zeigen zu können?<br />

Nein! Möglich ist nur das Einfügen in<br />

ein Arbeitsblatt und <strong>de</strong>ssen Verteilung<br />

an die Gruppenmitglie<strong>de</strong>r beziehungsweise<br />

Schüler.<br />

Darf ich ein Arbeitsblatt aus einem Arbeitsheft<br />

o<strong>de</strong>r Schulbuch unverän<strong>de</strong>rt kopieren?<br />

INFO 34 · 2/2005


INFOS & AKTUELLES<br />

120<br />

Ja, wenn es im Lauf <strong>de</strong>s Schuljahres<br />

bei ganz wenigen Ausnahmefällen<br />

bleibt. Die Quelle muss angegeben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Nein, wenn im Lauf <strong>de</strong>s Schuljahres<br />

größere Teile <strong>de</strong>s Buches o<strong>de</strong>r Heftes<br />

durchkopiert wer<strong>de</strong>n sollen. Dann<br />

muss das Buch beziehungsweise das<br />

Arbeitsheft <strong>als</strong> Klassensatz gekauft<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Darf ich ein Arbeitsblatt aus <strong>de</strong>m Internet<br />

<strong>herunterla<strong>de</strong>n</strong> und unverän<strong>de</strong>rt vervielfältigen?<br />

Ja, aber die Quelle muss angegeben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Darf ich Fotos, Texte und Grafiken aus<br />

einer CD-Rom o<strong>de</strong>r DVD in eine eigene<br />

Materi<strong>als</strong>ammlung einbauen, die ich für<br />

<strong>de</strong>n Unterricht verwen<strong>de</strong>?<br />

Ja, wenn das Programm auf <strong>de</strong>m Datenträger<br />

über eine Kopierfunktion<br />

eingefügt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Nein, wenn die Materialien auf <strong>de</strong>m<br />

Datenträger nur ausgedruckt wer<strong>de</strong>n<br />

können und für die weitergehen<strong>de</strong><br />

Verarbeitung erst <strong>de</strong>r Kopierschutz<br />

„geknackt“ wer<strong>de</strong>n müsste.<br />

Darf ich ein Lernprogramm aus <strong>de</strong>m Internet<br />

<strong>herunterla<strong>de</strong>n</strong> und es im Unterricht<br />

einsetzen?<br />

Ja, wenn es sich dabei um Freeware<br />

han<strong>de</strong>lt und die Nutzung ausdrücklich<br />

erlaubt ist.<br />

Darf ich eine entliehene CD, CD-Rom<br />

o<strong>de</strong>r DVD kopieren?<br />

Nein, unter gar keinen Umstän<strong>de</strong>n!<br />

Darf ich eine gekaufte CD o<strong>de</strong>r DVD kopieren?<br />

Legal sind nur Computerprogramme<br />

<strong>als</strong> Sicherungskopien.<br />

Darf ich eine Fernsehsendung aufzeichnen<br />

und in <strong>de</strong>r Gruppenstun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r im<br />

Unterricht verwen<strong>de</strong>n?<br />

Aufgezeichnet wer<strong>de</strong>n darf <strong>de</strong>r Film<br />

schon, öffentlich gezeigt wer<strong>de</strong>n darf er<br />

dagegen nicht. Ausnahme: Tagesaktualität!<br />

Wenn beispielsweise eine Nachrichtensendung<br />

für <strong>de</strong>n Unterricht relevant<br />

ist, dann darf sie gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Darf ich einen Fernsehbericht aufnehmen<br />

und im Unterricht einsetzen, zum Beispiel<br />

über eine Umweltkatastrophe?<br />

Ja, aber nur im unmittelbaren zeitlichen<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Ereignis.<br />

Als Faustregel gilt dabei: solange<br />

das Ereignis in <strong>de</strong>n Medien eine Rolle<br />

spielt.<br />

Darf ich einen Fernsehfilm aufnehmen<br />

und im Rahmen <strong>de</strong>r Gruppenstun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Unterrichts zeigen?<br />

Nein! Die kirchlichen und kommunalen<br />

Medienzentren sowie <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>smediendienst<br />

haben ein großes<br />

Angebot an Spielfilmen vorrätig, die<br />

legal eingesetzt wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />

Darf ich eine Radiosendung aufzeichnen<br />

und diese in <strong>de</strong>r Gruppe o<strong>de</strong>r im Unterricht<br />

einsetzen?<br />

Ja. Zur „Unterrichtung über Tagesfragen“<br />

darf die ganze Sendung eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Später dürfen nur<br />

kleine Teile daraus verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Darf ich eine Schulfernsehsendung auch<br />

nach drei Jahren zeigen?<br />

Nein! Ausnahme: Wenn die Sendung<br />

sowieso wie<strong>de</strong>rholt wird, dann darf<br />

sie auch verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

„Allen Völkern Sein Heil. Missionarisch leben heute“<br />

Unterrichtsmaterialien zum Bischofswort erschienen<br />

Mission und Missionierung sind gesellschaftliche<br />

Reizvokabeln. Oft wird<br />

damit Zwang, Überrumpelung o<strong>de</strong>r psychischer<br />

Druck verbun<strong>de</strong>n. Dem Wort<br />

„Mission“ haften bis heute Fehlformen<br />

kirchlicher Missionspraxis in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

an. Sie verstellen meist <strong>de</strong>n<br />

Blick auf <strong>de</strong>n missionarischen Dienst <strong>de</strong>r<br />

Kirche heute und seine im umfassen<strong>de</strong>n<br />

Sinne heilbringen<strong>de</strong>n und befreien<strong>de</strong>n<br />

Wirkungen.<br />

Um einen solchen unverstellten<br />

Blick geht es in <strong>de</strong>n kürzlich bei MIS-<br />

SIO erschienenen Unterrichtsmaterialien<br />

„Allen Völkern Sein Heil.<br />

Missionarisch leben heute“. In Anlehnung<br />

an das gleichnamige Wort <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Bischöfe wer<strong>de</strong>n hierin das<br />

gegenwärtige Missionsverständnis<br />

und die Missionspraxis am Beispiel<br />

eines katholischen Aids-Projekts im<br />

südlichen Afrika dargestellt. MR<br />

Bezug:<br />

Die Materialien für <strong>de</strong>n Religionsunterricht können zum Preis von € 3.90 bestellt<br />

wer<strong>de</strong>n bei: MISSIO, Goethestr. 43, 52064 Aachen<br />

Online-Version (ohne Folien) unter:<br />

http://dbk.<strong>de</strong>/die-mission-<strong>de</strong>r-weltkirche/ Arbeitsmaterialen.html<br />

Das Bischofswort kann über broschueren@dbk.<strong>de</strong> bestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

INFO 34 · 2/2005


I. Zielsetzung<br />

Die Stiftung DEY för<strong>de</strong>rt charakterlich<br />

geeignete Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche,<br />

Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Stu<strong>de</strong>nten/-innen<br />

aus katholischen Familien, die eine hohe<br />

Begabung intellektueller o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer<br />

Art besitzen, i<strong>de</strong>ell und materiell. Durch<br />

ihre För<strong>de</strong>rung will die Stiftung DEY zur<br />

Heranbildung qualifizierten katholischen<br />

Nachwuchses in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Bereichen unserer Gesellschaft<br />

beitragen.<br />

II. För<strong>de</strong>rungskriterien<br />

Für eine Bewerbung müssen folgen<strong>de</strong><br />

Kriterien gleichzeitig erfüllt sein:<br />

• katholische Konfession<br />

• beson<strong>de</strong>re Begabung und fachliche<br />

Qualifikation<br />

• kirchliches Engagement<br />

• charakterliche Eignung<br />

III. För<strong>de</strong>rungsleistungen<br />

• Zuwendungen durch einmalige<br />

o<strong>de</strong>r periodische Geldleistungen<br />

• Unterstützung beim Ergreifen<br />

bestehen<strong>de</strong>r Bildungsmöglichkeiten<br />

und bei <strong>de</strong>r Erschließung neuer<br />

Bildungswege<br />

• Ermöglichung menschlicher Kontakte<br />

innerhalb <strong>de</strong>s geför<strong>de</strong>rten Kreises<br />

IV. För<strong>de</strong>rungsdauer<br />

Die För<strong>de</strong>rung wird zunächst für die<br />

Dauer eines Kalen<strong>de</strong>rjahres gewährt.<br />

Eine Verlängerung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung kann<br />

vom Stipendiaten, von <strong>de</strong>r Stipendatin<br />

ggf. beantragt wer<strong>de</strong>n. Vor <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

über eine weitere För<strong>de</strong>rung<br />

wird u.a. durch eine Leistungskontrolle<br />

(Arbeitsbericht) festgestellt, ob dies<br />

gerechtfertigt ist. Eine Verlängerung wird<br />

jeweils für <strong>de</strong>n Zeitraum eines weiteren<br />

Jahres gewährt.<br />

Anträge sind zu richten an:<br />

Bischöfliches Ordinariat<br />

Kuratorium <strong>de</strong>r Stiftung DEY<br />

z. Hd. Herrn Dr. Eckhard Nordhofen<br />

Rossmarkt 12<br />

65549 Limburg/Lahn<br />

V. Bewerbungs- und<br />

Auswahlverfahren<br />

Es gilt das Prinzip <strong>de</strong>r Selbstbewerbung.<br />

Der standardisierte Bewerbungsbogen<br />

kann mit einem formlosen Schreiben<br />

bei <strong>de</strong>r Stiftung angefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die vollständigen Bewerbungsunterlagen<br />

müssen bis spätestens 31.12. für das<br />

Folgejahr vorliegen.<br />

Die Bewerbung soll folgen<strong>de</strong> Unterlagen<br />

enthalten:<br />

• Bewerbungsbogen<br />

• ausführlicher Lebenslauf<br />

• Zusammenstellung <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Ausbildungs- und Studienschwerpunkte<br />

• ggf. eine Darstellung <strong>de</strong>s<br />

Dissertationsvorhabens<br />

• Abschlusszeugnisse bzw. sonstige<br />

Qualifikationen und Nachweise<br />

• Referenz durch einen Priester<br />

und/o<strong>de</strong>r Pastorale Mitarbeiter/-in<br />

Bewerber/-innen, die in die engere<br />

Wahl einbezogen wer<strong>de</strong>n, bittet die<br />

Stiftung zu einem Gespräch.<br />

Die endgültige Entscheidung über einen<br />

För<strong>de</strong>rungsantrag trifft das Kuratorium.<br />

Das Bemühen um eine möglichst faire,<br />

umfassen<strong>de</strong> Beurteilung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />

eines je<strong>de</strong>n Bewerbers, einer je<strong>de</strong>n<br />

Bewerberin kennzeichnet das Auswahlverfahren<br />

<strong>de</strong>r Stiftung; dazu gehört ein<br />

differenziertes Verständnis von Begabung.<br />

Auf generalisieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n<br />

zu ihrer Bestimmung wird bewusst<br />

verzichtet. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht die<br />

individuelle Bewertung von Eignung,<br />

Leistungsfähigkeit und –bereitschaft mit<br />

Blick auf das jeweils angestrebte<br />

Bildungs- bzw. Ausbildungsziel.<br />

Das Kuratorium erwartet, dass <strong>de</strong>r/die<br />

Bewerber/-in darüber informiert, ob<br />

von einer an<strong>de</strong>ren Einrichtung eine<br />

För<strong>de</strong>rung beantragt wur<strong>de</strong> bzw.<br />

bereits geleistet wird.<br />

Grün<strong>de</strong> für die Aufnahme o<strong>de</strong>r die<br />

Ablehnung wer<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt.<br />

Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in<br />

die För<strong>de</strong>rung besteht nicht.<br />

BISTUM LIMBURG<br />

Die unselbstständige<br />

Stiftung DEY mit <strong>de</strong>m Sitz<br />

in Limburg an <strong>de</strong>r Lahn<br />

geht zurück auf eine<br />

Schenkung <strong>de</strong>r<br />

Geschwister Dey aus <strong>de</strong>m<br />

Jahr 1987


Bestell-Liste<br />

Themen <strong>de</strong>r Hefte 1980 – 2005<br />

Die nachfolgen<strong>de</strong>n Hefte können, solange <strong>de</strong>r Vorrat reicht, nachbestellt wer<strong>de</strong>n:<br />

Jahrgang 1980<br />

Heft 1/2: *Audiovisuelle Medien<br />

Heft 3: * Die Bibel im Religionsunterricht<br />

Heft 4: Jesus Christus – Gott wird Mensch ❏<br />

Jahrgang 1981<br />

Heft 1/2: Beten in <strong>de</strong>r Schule<br />

❏<br />

Heft 3: Im Dialog ❏<br />

Heft 4: Für euch und für alle ❏<br />

Jahrgang 1982<br />

Heft 1/2: Religiöse Erziehung in <strong>de</strong>r Eingangsstufe ❏<br />

Heft 3: Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Primarstufe ❏<br />

Heft 4: * Religionsunterricht<br />

Jahrgang 1983<br />

Heft 1: * Katholische Soziallehre<br />

Heft 2/3:* Nehmet einan<strong>de</strong>r an ...<br />

Heft 4: * Das Reich Gottes ist nahe ... (Mk 1.15)<br />

Jahrgang 1984<br />

Heft 1/2:* Maria<br />

Heft 3: * Das Kirchenjahr<br />

Heft 4: * Lebenswege – Glaubenswege<br />

Jahrgang 1985<br />

Heft 1/2:* 750 Jahre Limburger Dom<br />

Heft 3: * Theologie <strong>de</strong>r Befreiung<br />

Heft 4: Armuts-Bewegungen ❏<br />

Jahrgang 1986<br />

Heft 1/2: Kirche im Aufbruch<br />

❏<br />

Heft 3: Christen und Ju<strong>de</strong>n ❏<br />

Heft 4: * Mit Wi<strong>de</strong>rsprüchen leben<br />

Jahrgang 1987<br />

Heft 1/2:* Christen und Muslime<br />

Heft 3: * Christen und New Age<br />

Heft 4: Christen und Schöpfung ❏<br />

Jahrgang 1988<br />

Heft 1: Afrika begegnen – MISEREOR ‘88 ❏<br />

Heft 2/3: Schule und Leben<br />

❏<br />

Heft 4: * Mystik und Politik<br />

Jahrgang 1989<br />

Heft 1/2: Brennpunkt: Religionsunterricht ❏<br />

Heft 3: * Sakramente im Religionsunterricht<br />

Heft 4: * Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mensch – Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gott<br />

Jahrgang 1990<br />

Heft 1: * Paulus – Der Lehrer<br />

Heft 2/3:* Religion und Musik<br />

Heft 4: * Impulse für die Kirche<br />

Jahrgang 1991<br />

Heft 1/2: *Prophetinnen und Propheten im<br />

Religionsunterricht<br />

Heft 3: Mitwelt – Schöpfung ❏<br />

Heft 4: Neue Re<strong>de</strong> von Maria ❏<br />

Jahrgang 1992<br />

Heft 1/2:* Herausfor<strong>de</strong>rung Islam<br />

Heft 3: * Biotechnik und Ethik<br />

Anzahl<br />

Jahrgang 1993<br />

Heft 1: Qumran Essener Jesus ❏<br />

Heft 2/3:* Sterben / Tod / Eschatologie<br />

Heft 4: Religionsunterricht und Literatur ❏<br />

Jahrgang 1994<br />

Heft 1: * Fundamentalismus in Gesellschaft<br />

und Kirche<br />

Heft 2: * Von Gott re<strong>de</strong>n im Religionsunterricht<br />

Heft 3: Kirchengeschichte im Religionsunterricht ❏<br />

Heft 4: Das Erste Tesament und die Christen ❏<br />

Jahrgang 1995<br />

Heft 1: „Wenn die Kirche zur Schule geht ...“ ❏<br />

Heft 2: „Ich wer<strong>de</strong> von meinem Geist ausgießen<br />

über alles Fleisch“ (Apg 2,17)<br />

❏<br />

Heft 3: Gespeicherte Erinnerung –<br />

Das Museum <strong>als</strong> Lernort<br />

❏<br />

Heft 4: „Ich war hungrig; und ihr ...“ (Mt 25,35; 42)<br />

Vom Umgang mit <strong>de</strong>r Armut<br />

❏<br />

Jahrgang 1996<br />

Heft 1: „Ihr seid zur Freiheit berufen ...“ (Gal 5,13)<br />

Er-löst!<br />

❏<br />

Heft 2: „Er stellte ein Kind in ihre Mitte ...“ (Mt 18,1) ❏<br />

Heft 3: „... und spielte vor ihm allezeit.“ (Spr. 8,30 b) ❏<br />

Heft 4: Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts ❏<br />

Jahrgang 1997<br />

Heft 1: * „Und vergib uns unsere Schuld.“ (Mt 6,12)<br />

Heft 2: * Alternativ leben<br />

Heft 3: * Mit mehr Sinn(en) leben<br />

Heft 4: „Typisch Mädchen?“<br />

Mädchenerziehung in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />

Jahrgang 1998<br />

Heft 1: „Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!“<br />

(Ez 18,32)<br />

❏<br />

Heft 2: „Vergesst mir die Berufsschüler nicht“ ❏<br />

Heft 3: Gemeinschaft <strong>de</strong>r Heiligen. Große Gestalten <strong>de</strong>s<br />

Bistums und ihre Wirkung in unserer Zeit ❏<br />

Heft 4: * Ju<strong>de</strong>n – Muslime – Christen.<br />

Die drei Kin<strong>de</strong>r in Abrahams Schoß<br />

Jahrgang 1999<br />

Heft 1: Gottes Er<strong>de</strong> – Zum Wohnen gemacht.<br />

Unsere Verantwortung für die Schöpfung ❏<br />

Heft 2: En<strong>de</strong>? Apokalyptische Visionen in<br />

Vergangenheit und Gegenwart ❏<br />

Heft 3: Begegnungen mit <strong>de</strong>m Buddhismus ❏<br />

Heft 4: Jugendliche I<strong>de</strong>ntität–Christlicher Glaube ❏<br />

Jahrgang 2000<br />

Heft 1: * Heiliges Jahr 2000<br />

Heft 2: * RU online. Neue Medien im Religionsunterricht<br />

Heft 3: Kirchenraum <strong>als</strong> Lernort ❏<br />

Heft 4: „Schwarz greift ein“. Vom kritischen Verhältnis<br />

kirchlicher Religiosität zur „civil religion“ ❏<br />

Jahrgang 2001<br />

Heft 1: * Erinnerung für die Zukunft.<br />

Kirchengeschichte im Religionsunterricht<br />

Heft 2: * Religionsunterricht – Da steckt Musik drin<br />

Heft 3: * Chancen sehen – Der Religionsunterricht <strong>de</strong>r<br />

Zukunft<br />

Heft 4: * Auf <strong>de</strong>r Suche nach einer lebendigen<br />

Mystik<br />

Jahrgang 2002<br />

Heft 1: * In <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen –<br />

leiblich auferstehen<br />

Heft 2: „Das wäre ja gelacht!“ Humor und<br />

Komik im Religionsunterricht<br />

❏<br />

Heft 3: * Perspektivenwechsel – Behin<strong>de</strong>rung mit<br />

an<strong>de</strong>ren Augen sehen<br />

Heft 4: Was ist schief an PISA? ❏<br />

Jahrgang 2003<br />

Heft 1: * Der achte Schöpfungstag?<br />

Heft 2: * „Nimm und lies!“<br />

Heft 3: Zeit für die Zeit ❏<br />

Heft 4: Der Sinn für die Fülle ❏<br />

Jahrgang 2004<br />

Heft 1: Ars moriendi – Ars vivendi. ❏<br />

Heft 2: Philosophieren mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

im Religionsunterricht.<br />

❏<br />

Heft 3: Einfach fantastisch!<br />

Das Fantastische im Religionsunterricht. ❏<br />

Heft 4: Erstaunliche Nähe – bedrängen<strong>de</strong> Ferne<br />

Der Islam im Verhältnis zum Christentum. ❏<br />

Jahrgang 2005<br />

Heft 1: Bewegung Gottes - Wege <strong>de</strong>s Pilgerns ❏<br />

Heft 2: Freu<strong>de</strong> am Lernen ❏<br />

* <strong>Diese</strong> <strong>Ausgabe</strong>n sind vergriffen.<br />

Anzahl<br />

Alle <strong>Ausgabe</strong>n ab Jahrgang 1998 sind <strong>als</strong> <strong>PDF</strong>-Dateien im<br />

Internet unter www.ifrr.<strong>de</strong> erhältlich.<br />

je <strong>Ausgabe</strong> † 2.00<br />

INFO<br />

Name<br />

Vorname<br />

Schule<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Telefon<br />

Bitte ausfüllen, kopieren<br />

und faxen an:<br />

06431/295-237<br />

o<strong>de</strong>r per Post sen<strong>de</strong>n an:<br />

Dezernat<br />

Schule und Hochschule<br />

Bischöfliches Ordinariat<br />

Limburg<br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />

Postfach 1355<br />

65533 Limburg


INFOS & AKTUELLES<br />

123<br />

Jetzt bitte schon vormerken!<br />

47. Limburger Kreuzwoche<br />

Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2005<br />

Dienstag, 13. September 2005<br />

Bald mehr unter: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Arbeiten an<br />

ungeliebten Bibeltexten<br />

Ansätze zur Befreiung <strong>de</strong>r Exegese<br />

aus <strong>de</strong>r Schm<strong>als</strong>pur<br />

Referent:<br />

Prof. Dr. Klaus Berger, Hei<strong>de</strong>lberg<br />

Veranstaltungen<br />

PÄDAGOGISCHES<br />

<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen<br />

Soweit nicht an<strong>de</strong>rs angegeben, fin<strong>de</strong>n alle Kurse im<br />

Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod, statt.<br />

PZ 53/2005<br />

24.06.2005, 14.30 Uhr, bis 25.06.2005, 18.00 Uhr<br />

Woher kommt das Böse ?<br />

Theologische und philosophische Reflexionen über<br />

Anfang und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Phänomens <strong>de</strong>s Bösen<br />

Dr. Bernd J. Claret, Karlsruhe<br />

Ethik-, Philosophie- und Religionslehrer/-innen <strong>de</strong>r Sek l und Sek II<br />

Eigenkostenanteil: 20,00 €<br />

INFO 34 · 2/2005


INFOS & AKTUELLES<br />

124<br />

PZ 54/2005<br />

22.08.2005, 10.00 Uhr, bis 24.08.2005, 18.00 Uhr<br />

Bun<strong>de</strong>szentrum Deutsche Pfadfin<strong>de</strong>rschaft St. Georg,<br />

Westernohe<br />

Erleben – Lernen – Han<strong>de</strong>ln<br />

Wald ent<strong>de</strong>cken – erforschen – erleben.<br />

Lubentia Fritz, Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Lehrer/-innen an Grundschulen<br />

Eigenkostenanteil: 35,00 €<br />

Tagung Nr. 405 471<br />

04. Juli 2005, 11.00 Uhr, bis 05. Juli 2005, 16.00 Uhr<br />

Evang. Aka<strong>de</strong>mie Arnoldshain, Martin-Niemöller-Haus<br />

Frie<strong>de</strong>nsgutachten 2005<br />

Symposion <strong>de</strong>r Evang. Aka<strong>de</strong>mie Arnoldshain, <strong>de</strong>r<br />

KARM und <strong>de</strong>r Hessischen Stiftung für Frie<strong>de</strong>ns- und<br />

Konfliktforschung zum jährlich erscheinen<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>nsgutachten.<br />

Mitwirken<strong>de</strong>: Frie<strong>de</strong>nsforscher, Experten in <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsarbeit,<br />

Politiker<br />

Tagung Nr. 405 472<br />

06. Juli 2005, 19.00 Uhr<br />

Stä<strong>de</strong>lsches Kunstinstitut und Städtische Galerie,<br />

Schaumainkai 43, Frankfurt am Main<br />

Kunst und Religion<br />

Mehr <strong>als</strong> Voyeurismus<br />

Massimo Stanzione: Susanna und die bei<strong>de</strong>n Alten<br />

Tagung Nr. 405 473<br />

07. Juli 2005, 10.00 - 18.00 Uhr<br />

Universität Campus Westend, Grüneburgplatz 1,<br />

Frankfurt am Main<br />

PZ 55/2005<br />

28.08.2005, 16.00 Uhr, bis 01.09.2005, 15.00 Uhr<br />

8. Nauro<strong>de</strong>r Musische Werkwoche<br />

in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m DKV<br />

Stefan Herok u.a.<br />

Religionslehrer/-innen; Mitarbeiter/-innen im Pastoralen Dienst<br />

Preis auf Anfrage<br />

Weitere Informationen zu <strong>de</strong>n Kursen fin<strong>de</strong>n Sie auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums: www.pz-hessen.<strong>de</strong> ab ca. 2 Monate<br />

vor Kursbeginn. Schriftliche Anmeldungen wer<strong>de</strong>n umgehend erbeten, spätestens jedoch bis vier Wochen vor Lehrgangsbeginn an:<br />

Pädagogisches Zentrum <strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen, Wilhelm-Kempf-Haus, 65207 Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod. Fon: 0 61 27 / 7 72 85; Fax: 0 61<br />

27 / 7 72 46; E-Mail: anmeldung@pz-hessen.<strong>de</strong>. Anmeldung auch über die Homepage: www.pz-hessen.<strong>de</strong>, entsprechen<strong>de</strong>n Kurs<br />

anklicken, dann auf „Anmeldung zu diesem Kurs“.<br />

Die Lehrgänge sind gemäß Erlass <strong>de</strong>s Hessischen Kultusministeriums vom 01.07.1997 – Nr. V B 3.1-960/500-200 – in Verbindung mit Erlass<br />

vom 19.07.2004 Nr. VII-7-95.b.04-01 <strong>als</strong> Fortbildungsveranstaltung anerkannt.<br />

Die Unterrichtsbefreiung für die Teilnahme an <strong>de</strong>n Lehrgängen erfolgt bei 1-3tägigen Veranstaltungen durch die Schulleitung, bei 4-<br />

und mehrtägigen Veranstaltungen durch das Staatliche Schulamt (vgl. Erlass <strong>de</strong>s HKM v. 01.07.1997 – B V 3.1-960-500 –200–) bzw. bei<br />

<strong>de</strong>n Katholischen Schulen in Freier Trägerschaft durch <strong>de</strong>n Schulträger.<br />

Katholische Aka<strong>de</strong>mie<br />

Rabanus Maurus,<br />

Frankfurt am Main<br />

– Öffentliche Tagungen – Auswahl –<br />

Vorsicht! Das Religiöse kehrt zurück!<br />

Dies Aca<strong>de</strong>micus<br />

Gemeinsame Veranstaltung mit <strong>de</strong>n Fachbereichen<br />

Kath. und Evang. Theologie <strong>de</strong>r Universität Frankfurt<br />

am Main<br />

Teilnahme kostenfrei<br />

Tagung Nr. 405 474<br />

20. Juli 2005, 19.00 Uhr<br />

Ikonenmuseum, Brückenstr. 3-7, Frankfurt am Main<br />

Ikonenbegegnungen<br />

Maria zum Quadrat<br />

Vierfel<strong>de</strong>rikone. Gottesmutterbildnisse<br />

Tagung Nr. 405 479<br />

03. August 2005, 19.00 Uhr<br />

Liebighaus, Schaumainkai 71, Frankfurt am Main<br />

Kunst und Religion<br />

Frauengeschichten<br />

Annaselbdritt: Anna, Maria, Jesus<br />

Vorschau<br />

21. - 29. Oktober 2005<br />

Kirche im Kontext einer an<strong>de</strong>ren<br />

Gesellschaft V: Schweiz<br />

Studienfahrt mit Besuchen und Gesprächen politischer<br />

wie kirchlicher Einrichtungen und ökumenischer<br />

Initiativen in Basel, Bern, Luzern und Zürich.<br />

INFO 34 · 2/2005


Unsere Autorinnen und Autoren:<br />

25. - 26. November 2005<br />

Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod<br />

Das Volk im Dunkeln sieht ein helles Licht.<br />

Adveniat-Tagung zum Schwerpunkt Brasilien<br />

Zu je<strong>de</strong>r Veranstaltung gibt die Aka<strong>de</strong>mie einen eigenen Tagungsprospekt<br />

heraus, aus <strong>de</strong>m Interessenten das <strong>de</strong>taillierte Programm,<br />

<strong>de</strong>n Ort und die Kosten <strong>de</strong>r jeweiligen Veranstaltung ersehen<br />

können.<br />

<strong>Diese</strong>s, das Gesamtprogramm und weitere Informationen erhalten<br />

Sie bei: Katholische Aka<strong>de</strong>mie Rabanus Maurus (KARM), Eschenheimer<br />

Anlage 21, 60318 Frankfurt am Main. Fon: 069/1501-300;<br />

Fax: 0 69 / 15 01 - 3 05; E-Mail: info@KARM.<strong>de</strong>; Internet:<br />

www.KARM.<strong>de</strong><br />

Bibelschule Königstein<br />

Programm 2005<br />

Ursulinenkloster St. Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein<br />

29.08. bis 03.09.2005<br />

Wan<strong>de</strong>rwoche<br />

Mit <strong>de</strong>r Bibel im Taunus<br />

Kosten: 190.00 €<br />

07. - 08.10.2005<br />

Kirche und Wirklichkeit<br />

Symposion zu <strong>de</strong>m Thema Ökumene<br />

Kosten: 60.00 €<br />

29.11. o<strong>de</strong>r 30.11.2005<br />

Wun<strong>de</strong>r und Passion<br />

Zum Konzept <strong>de</strong>s Markus<br />

Kosten: 20.00 €<br />

Dr. Konrad Adam,<br />

Redaktion DIE WELT, Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin<br />

Dr. Siegfried Däschler-Seiler,<br />

Geschäftsstelle BEE, c/o Evang. Pfarramt Steinhal<strong>de</strong>nfeld,<br />

Kolpingstr. 93, 70378 Stuttgart<br />

Prof. Dr. Walter Eykmann MdL,<br />

Franz-Sta<strong>de</strong>lmayer-Str. 14, 97074 Würzburg<br />

Staatssekretär Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard,<br />

Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst,<br />

Rheinstraße 23-25, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin,<br />

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,<br />

Institut für Erziehungswissenschaften,<br />

Am Hof 3-5, 53113 Bonn<br />

Dr. Eckhard Nordhofen,<br />

Postfach 1355, 65533 Limburg<br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb,<br />

Im Silbertal 5, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />

Dr. Andreas Verhülsdonk,<br />

Düsselstr. 6, 40291 Düsseldorf<br />

Unsere Rezensentinnen und Rezensenten:<br />

OStR. i. R. Helmut Bahr,<br />

Auf <strong>de</strong>r Au 22, 56132 Dausenau<br />

OR Dr. Gotthard Fuchs,<br />

Steubenstr. 17, 65189 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Lehrerin Gabriele Hastrich,<br />

Kantstr. 6, 57627 Hachenburg<br />

Prof. em. Dr. Bernhard Jendorff,<br />

Sandfeld 18 C, 35396 Gießen<br />

Dipl.-Theol. Dipl.-Religionspäd. Reiner Jungnitsch,<br />

Eichenweg 3, 64839 Münster<br />

StL i. K. Bernhard Merten,<br />

Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />

Akad. Oberrat Dr. Helmut Müller,<br />

Krummgasse 1, 56179 Vallendar<br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb,<br />

Im Silbertal 5, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />

INFOS & AKTUELLES<br />

125<br />

Über die Kurse:<br />

Neues Testament Grundkurs<br />

Auslegung <strong>de</strong>r Paulusbriefe<br />

Neuer Zyklus zum Altes Testament<br />

erteilt Interessenten die Bibelschule Königstein<br />

(Anschrift s.u.) Auskünfte.<br />

Auskünfte erteilt: Bibelschule Königstein e.V., Ursulinenkloster St.<br />

Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein,<br />

Fon: 06174/9381-0; Fax: 06174/9381-55; E-Mail:<br />

Bibelschule.Koenigstein@gmx.<strong>de</strong><br />

OStDir i.K. Carl-Josef Reitz,<br />

Markenbildchenweg 21, 56068 Koblenz<br />

Dr. Clauß Peter Sajak,<br />

Burgun<strong>de</strong>rweg 12 c, 55130 Mainz<br />

OStR. Dr. Gustav Schmiz,<br />

Am Wei<strong>de</strong>nbusch 1, 65817 Eppstein-Bremthal<br />

Prof. Dr. Klaus Scholtissek,<br />

Friedrich-Spee-Str. 32, 97072 Würzburg<br />

Dr. Andreas Verhülsdonk,<br />

Düsselstr. 6, 40219 Düsseldorf<br />

Prof. Dr. Klaus Weber,<br />

Petrusstr. 42, 53340 Meckenheim<br />

INFO 34 · 2/2005


Dezernat Schule und Hochschule<br />

im Bischöflichen Ordinariat Limburg (Stand: 01.06.2005)<br />

Roßmarkt 12 · 65549 Limburg · Postfach 1355 · Fon: 06431/295-235 · Fax: 06431/295-237<br />

E-Mail: schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong> · Internet: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Dezernatsleitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />

Sekretariat Sabrina Gilles (-424), Jutta Stähler (-235)<br />

Abteilung Kultur<br />

SONSTIGES<br />

Leitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />

Diözesanarchiv Martina Wagner M.A. (06431/2007-16)<br />

Diözesanbibliothek Dr. Stephanie Hartmann (06431/2007-19)<br />

Diözesanmuseum Dr. Gabriel Hefele (-443)<br />

Dommuseum Frankfurt Prof. Dr. August Heuser (069/133761-84)<br />

Haus am Dom<br />

N.N.<br />

Katholische Aka<strong>de</strong>mie Rabanus Maurus Dr. Ansgar Koschel (069/1501-301)<br />

Verlag Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />

Zugeordnet:<br />

Hochschulen Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />

Musisches Internat / Domsingknaben Klaus Knubben (06433/887-15)<br />

St. Hil<strong>de</strong>gard-Schulgesellschaft mbH Dr. Gerhard Reichelt (06431/997-350)<br />

Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (06431/997-354)<br />

St. Johannes-Schulgesellschaft mbH P. Franz Koll SSCC (02621/9682-11)<br />

126<br />

Abteilung Katholische Schulen<br />

Leitung Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />

Abteilung Religionspädagogik<br />

Leitung Gerhard Hielscher (-430)<br />

Referat I Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />

Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schulen<br />

Referat II Gerhard Hielscher (-430)<br />

Ämter für kath. Religionspädagogik / Gymnasien, Gesamtschulen /<br />

Schulbücher, Medien / Religionspädagogische Biblio- und Mediothek / Elternarbeit<br />

Referat III Thomas Menges (-438)<br />

Aus-, Fort- und Weiterbildung / Missio canonica / Schulpastoral<br />

Referat IV Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />

Schriftleitung „INFO“ / Stiftung DEY / Grundsatzfragen / Hochschulkontakte<br />

Referat V Dipl.-Theol. Katharina Sauer (-360)<br />

Grund-, Haupt-, Real- und Son<strong>de</strong>rschulen / Ganztagsschulen<br />

Biblio- und Mediothek Rosemarie Hansel (-435)<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Donnerstag 10.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr. Während <strong>de</strong>r Ferien nach Absprache.<br />

Fragen zu Missio canonica Marianne Roos (-460)<br />

Montag bis Donnerstag 13.30-15.30 Uhr<br />

INFO 34 • 2/2005


Ämter für Katholische Religionspädagogik<br />

in <strong>de</strong>n Bezirken (Stand: 15. 03.2005)<br />

Frankfurt am Main<br />

Eschenheimer Anlage 20 (Dienstgebäu<strong>de</strong>)<br />

Eschenheimer Anlage 21<br />

60318 Frankfurt am Main (Postanschrift)<br />

Fon: 069/1501 - 179; Fax: 069/1501 - 177<br />

E-Mail: relpaed-frankfurt@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-frankfurt.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Peter Eberhardt , Leiter (-178)<br />

Sabine Christe (-177)<br />

Ute Schüßler-Telschow (-177)<br />

Sekretariat: Rita Merkel, Waltraud Schäfer (-179)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Mo 16.00-18.00 Uhr; Di 12.30-16.30 Uhr;<br />

Mi 16.00-18.00 Uhr; Do 9.00-12.00 Uhr und<br />

12.30-16.30 Uhr; Fr 9.00-12.00 Uhr;<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien auf Anfrage.<br />

Taunus / Oberursel<br />

Bischof-Ketteler-Haus<br />

Dorotheenstr. 9-11, 61348 Bad Homburg<br />

Fon: 06172/6733-22; Fax: 06172/6733-40<br />

E-Mail: c.kuch@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Dipl.-Päd. Christa E. Kuch (- 22)<br />

Sekretariat: Hei<strong>de</strong>marie Behrens (-21)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di - Do 12.30-16.00 Uhr und nach Vereinbarung.<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />

Vincenzstr. 29, 65719 Hofheim<br />

Fon: 06192/2903-15; Fax: 06192/2903-26<br />

E-Mail: relpaed-oberursel@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-oberursel.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Dipl.-Theol. Wolfgang Bentrup, Leiter (- 15)<br />

Christiane Krüger-Blum (-18)<br />

Sekretariat: Heidrun Garkisch (-16)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di und Do 12.00-16.00 Uhr und nach Vereinbarung.<br />

Montabaur<br />

Auf <strong>de</strong>m Kalk 11, 56410 Montabaur<br />

Fon: 02602/6802-20; Fax: 02602/6802-25<br />

E-Mail: relpaed-montabaur@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-montabaur.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Josef Weingarten, Leiter ( - 23)<br />

Andreas Kollas (-28)<br />

Sekretariat: Gisela Roos ( - 22)<br />

Biblio- und Mediothek: Rita Kurtenacker ( - 27)<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo - Fr 10.00-12.00 Uhr; Mo und Do 14.30-16.30 Uhr<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />

Wetzlar<br />

Kirchgasse 4, 35578 Wetzlar<br />

Fon: 06441/4 47 79-18; Fax: 06441/4 47 79-50<br />

E-Mail: relpaed-wetzlar@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-wetzlar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Franz-Günther Weyrich, Leiter (-20)<br />

Dipl.-Theol. Beate Mayerle-Jarmer (-19)<br />

Sekretariat: Elvira Heinrich, Anne Ruggia (- 18)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di, Mi und Do jeweils 13.00-16.00 Uhr<br />

und nach Vereinbarung.<br />

Wiesba<strong>de</strong>n - Rheingau - Untertaunus<br />

Roncalli-Haus, Friedrichstr. 26-28, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Fon: 0611/174-0; Fax: 0611/174-122<br />

E-Mail: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-wiesba<strong>de</strong>n.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Martin E. Musch-Himmerich, Leiter (-115)<br />

Silvia Althofen-Dülz (Berufsschulseelsorge) (-113)<br />

Dipl.-Theol. Stefan Herok (-112)<br />

Elisabeth Kessels (-114)<br />

Sekretariat: Gisela Meffert (-113)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di - Fr 10.00-12.00 Uhr; Mo und Do 14.00-18.00 Uhr<br />

Di und Mi 14.00-16.00 Uhr<br />

SONSTIGES<br />

127<br />

Limburg<br />

Franziskanerplatz 3, 65589 Hadamar<br />

Fon: 06433/88 1-45; Fax: 06433/88 1-46<br />

E-Mail: relpaed-limburg@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: http://relpaed-hadamar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Franz-Josef Arthen, Leiter (-44)<br />

Sekretariat: Gabi Heun (-45)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Mo und Mi 9.30-11.30 Uhr; Di und Do 13.30-16.30 Uhr<br />

INFO 34 • 2/2005


„Wenn wir in <strong>de</strong>r Schule<br />

Rechnen lernen, ist es gleichgültig,<br />

wer <strong>de</strong>r Lehrer ist.<br />

Wichtig ist nur, dass er die<br />

Wahrheit sagt. An<strong>de</strong>rs sieht<br />

es aus, wenn wir in moralischen<br />

und religiösen Wahrheiten<br />

unterwiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Hier muss die Person <strong>de</strong>s<br />

Lehrers <strong>de</strong>m Inhalt seiner<br />

Lehre eingeschrieben sein,<br />

will sein Unterricht überzeugen.<br />

Johannes Paul II.<br />

war so ein Lehrer.“<br />

INFO<br />

Leszek Kolakowski<br />

ISBN 3-921221-33-1<br />

ISSN 0937-8162

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