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INFO<br />
2/2005<br />
34. Jahrgang<br />
INFORMATIONEN<br />
FÜR RELIGIONS-<br />
LEHRERINNEN UND<br />
RELIGIONSLEHRER<br />
BISTUM LIMBURG<br />
Freu<strong>de</strong> am Lernen<br />
51. Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r KED<br />
15.-17. April 2005<br />
In Kooperation mit:<br />
Heft 42 <strong>de</strong>r KED-Schriftenreihe
EDITORIAL<br />
Freu<strong>de</strong> am Lernen zu lernen und das im „System“ Schule, die vermutlich<br />
nicht je<strong>de</strong>r Schüler und je<strong>de</strong> Schülerin immer freudig besuchen – wie geht das<br />
zusammen? Mit pädagogisch gut gemeinten Appellen nach <strong>de</strong>m Motto:<br />
„Kin<strong>de</strong>r, nun freut euch mal!“, ist es sicher nicht getan.<br />
Wer die Freu<strong>de</strong> am Lernen entfesseln will, muss selbst fesseln können. Freu<strong>de</strong><br />
am Lernen und Freu<strong>de</strong> am Lehren bedingen einan<strong>de</strong>r. Das scheint unmittelbar<br />
einzuleuchten. Nur ein inspirierter Lehrer kann seine Schülerinnen und Schüler<br />
inspirieren, mit Freu<strong>de</strong> zu lernen. Aber reicht ein begeisterter Lehrer hierfür<br />
schon? Ist <strong>de</strong>r Schlüssel zur Freu<strong>de</strong> am Lernen wirklich in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s<br />
Lehrers zu suchen? Ja und Nein. Ein Lehrer wäre ein schlechter Lehrer, wenn<br />
er Schülerinnen und Schüler so an seine Person fesselte, dass man unweigerlich<br />
an Gefolgschaft <strong>de</strong>nken müsste. Ein Lehrer ist ein guter Lehrer – und erst<br />
recht eine Lehrerin –, wenn ihnen anzumerken ist, dass sie von <strong>de</strong>r Sache, die sie<br />
vermitteln, selbst begeistert sind, <strong>als</strong>o mit Herz und Verstand ganz bei ihrer Sache<br />
sind, die sie zur Sache <strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler machen möchten. Und<br />
ist die „Sache“ <strong>de</strong>s Religionslehrers und <strong>de</strong>r Religionslehrerin nicht selbst schon<br />
tremendum und fascinosum? Es geht <strong>als</strong>o beim Lehren und beim Lernen um<br />
eine solche aufgela<strong>de</strong>ne Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Sache, an<strong>de</strong>rnfalls wird das Unterrichten<br />
für alle Beteiligten zur reinsten Qual und sicher nicht zur Quelle <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>.<br />
„Hörclub“ in <strong>de</strong>r Grundschule © epd-bild<br />
Die „Sache“ <strong>de</strong>s Religionslehrers ist sein Glaube und <strong>de</strong>r Glaube <strong>de</strong>r Kirche,<br />
<strong>de</strong>r nicht nur für <strong>de</strong>n Religionsunterricht eine bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft zu sein beansprucht.<br />
Glaube und Bildung. Ein ungleiches Paar? Bei Rainer Hank, Wirtschaftsredakteur<br />
<strong>de</strong>r Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, habe ich kürzlich<br />
einen unzeitgemäß-zeitgemäßen Gedanken gefun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n ich Ihnen nicht<br />
vorenthalten möchte. Er schreibt im „Merkur“: „An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> die Aufklärer aller<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rte meinten, gibt es eine positive<br />
Korrelation zwischen Glaube und Bildung.<br />
Intellektuelle Erziehung führt nicht zur<br />
Abkehr vom ‘Kin<strong>de</strong>rglauben’, son<strong>de</strong>rn löst im<br />
Gegenteil eine Hinwendung zur Religion aus.<br />
Dafür gibt es eine raffinierte Erklärung: An<strong>de</strong>rs<br />
<strong>als</strong> die Religionskritiker meinten, ist Religion<br />
alles an<strong>de</strong>re <strong>als</strong> naiv. Sie ist mit Theologie<br />
bela<strong>de</strong>n, wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>m Common sense<br />
und aller politischen und moralischen<br />
Korrektheit. Um sie zu verstehen, bedarf es<br />
erheblicher intellektueller Anstrengung. Wer<br />
glaubt, gibt <strong>de</strong>n Verstand am Eingang <strong>de</strong>r<br />
Kirche nicht ab, son<strong>de</strong>rn gebraucht ihn gera<strong>de</strong><br />
da, wo <strong>de</strong>r Glaube konventioneller Weisheit<br />
und Vernunft wi<strong>de</strong>rspricht. Kein Wun<strong>de</strong>r,<br />
dass Bildung Religiosität beför<strong>de</strong>rt und nicht<br />
behin<strong>de</strong>rt.“ Und kein Wun<strong>de</strong>r, so ließe sich ergänzen, dass ein solcher Glaube<br />
zur Quelle <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> im Religionsunterricht <strong>de</strong>r Schule wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Mit <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>m Limburger Bun<strong>de</strong>skongress <strong>de</strong>r Katholischen Elternschaft<br />
Deutschlands hervorgegangenen Themenheft „Freu<strong>de</strong> am Lernen“ möchte<br />
das Dezernat Schule und Hochschule zusammen mit <strong>de</strong>r KED einige Funken<br />
schlagen, um freu<strong>de</strong>rfülltes Lernen in unseren Schulen zu entzün<strong>de</strong>n.<br />
Martin W. Ramb<br />
– Schriftleiter –
Impressum<br />
BEITRÄGE<br />
Ein Introitus ins Freie / Eckhard Nordhofen 76<br />
Beiträge <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skongresses <strong>de</strong>r KED:<br />
Die Freu<strong>de</strong> am Lernen lernen – Gedanken aus <strong>de</strong>n Grußworten 78<br />
Lernen / Walter Eykmann 80<br />
Was freut die Eltern und <strong>de</strong>n lieben Gott? – Über die Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Schule und beim Lernen / Eckhard Nordhofen 82<br />
Wie man richtig in <strong>de</strong>r Schule lernt / Volker La<strong>de</strong>nthin 90<br />
Freu<strong>de</strong> am Lernen o<strong>de</strong>r Spaß in <strong>de</strong>r Schule? – Anmerkungen zu<br />
einer pädagogischen Verirrung / Konrad Adam 99<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
Rezensionen 104<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
Zur Person 112<br />
Konfessioneller Religionsunterricht – Warum Religion konfessionell<br />
unterrichten? / Andreas Verhülsdonk 113<br />
Werteunterricht von Staats wegen? / Bischof Franz Kamphaus 118<br />
Vorsicht bei Kopien und Vi<strong>de</strong>os 119<br />
„Allen Völkern Sein Heil. Missionarisch leben heute“ –<br />
Unterrichtsmaterialien zum Bischofswort erschienen 120<br />
Stiftung DEY 121<br />
INFO Einzelheftbestellung 122<br />
Veranstaltungen 123<br />
SONSTIGES<br />
Unsere Autorinnen und Autoren / Rezensentinnen und Rezensenten 125<br />
Dezernat Schule und Hochschule, Bistum Limburg 126<br />
Ämter für Katholische Religionspädagogik in <strong>de</strong>n Bezirken 127<br />
Verlag:<br />
Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats<br />
Limburg<br />
Roßmarkt 12, 65549 Limburg<br />
Herausgeber:<br />
Dezernat Schule und Hochschule im<br />
Bischöflichen Ordinariat Limburg<br />
Roßmarkt 12, 65549 Limburg<br />
Fon 06431/295-235<br />
Fax 06431/295-237<br />
www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Schriftleitung:<br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />
m.ramb@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Redaktion:<br />
Franz-Josef Arthen, Christa Kuch,<br />
Bernhard Merten, Martin E. Musch-<br />
Himmerich, Martin W. Ramb, Franz-<br />
Günther Weyrich<br />
Offizielle Äußerungen <strong>de</strong>s Dezernates Schule<br />
und Hochschule wer<strong>de</strong>n <strong>als</strong> solche gekennzeichnet.<br />
Alle übrigen Beiträge drücken die<br />
persönliche Meinung <strong>de</strong>r Verfasser/-innen aus.<br />
Nachdruck, elektronische o<strong>de</strong>r photomechanische<br />
Vervielfältigung nur mit beson<strong>de</strong>rer<br />
Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion.<br />
Bei Abbildungen und Texten, <strong>de</strong>ren Urheber<br />
wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um<br />
Nachricht zwecks Gebührenerstattung.<br />
Buchbesprechungen:<br />
Rezensionsexemplare bitte direkt an<br />
die Redaktion sen<strong>de</strong>n. Besprechung<br />
und Rücksendung nicht verlangter<br />
Bücher kann nicht zugesagt wer<strong>de</strong>n.<br />
Redaktionsanschrift:<br />
Bernhard Merten, Altheimstraße 18<br />
60431 Frankfurt am Main<br />
Fon 069/515057<br />
Layout:<br />
Ute Stotz, Kommunikations-Design,<br />
Westerwaldstr. 14, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />
Fon 0 26 20 / 95 35 39<br />
Druck:<br />
JVA Diez, Limburger Straße 122<br />
65582 Diez<br />
Fon 06432 /609 -3 40, Fax -3 43<br />
INFO erscheint vierteljährlich und kostet<br />
8.00 EUR im Jahr (zzgl. Versandkosten),<br />
Einzelheft: 2.00 EUR (zzgl. Versandkosten).<br />
Religionslehrer/-innen, Pastorale Mitarbeiter/-innen<br />
und Geistliche, die im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Diözese Limburg arbeiten, erhalten<br />
INFO kostenlos zugesandt.<br />
Beilagenhinweis:<br />
Der Gesamtauflage sind ein Prospekt<br />
<strong>de</strong>s Katholischen Bibelwerkes, ein<br />
Flyer <strong>de</strong>s DKV und eine Info <strong>de</strong>r Debeka<br />
beigefügt.<br />
Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />
Titelbild:<br />
© „Hörclub“, epd-bild<br />
© Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats,<br />
Limburg/Lahn 2005<br />
ISBN 3-921221-33-1<br />
ISSN 0937-8162 (print)<br />
ISSN 1617-9234 (online)<br />
INHALT
Benedikt XVI.<br />
Ein Introitus ins Freie<br />
Rinks und lechts kann man nicht velwechsern.<br />
Werch ein Illtum!<br />
Ernst Jandl<br />
E<br />
rnst Jandl ist ein Prophet gewesen, und die Zeiten <strong>de</strong>s<br />
Rechts-, Links-Denkens in <strong>de</strong>r Kirche sind offenbar vorbei.<br />
Was in Rom in diesen Tagen geschah – dazu gehört auch die<br />
Art und Weise, wie die Medien damit umgegangen sind – ist<br />
noch lange nicht verstan<strong>de</strong>n.<br />
Dazu wird<br />
es noch einige Zeit<br />
brauchen. Erstaunlich<br />
ist aber schon,<br />
dass die ein<strong>de</strong>utige<br />
Zuordnung <strong>de</strong>s Kardin<strong>als</strong><br />
Ratzinger, bei<br />
<strong>de</strong>m kaum jemand<br />
vergessen hat zu erwähnen,<br />
dass seine<br />
Behör<strong>de</strong>, die Glaubenskongregation,<br />
früher auf <strong>de</strong>n Namen<br />
Inquisition hörte,<br />
ins Wanken geraten<br />
ist. Er konnte<br />
sich von <strong>de</strong>m Stempel<br />
freimachen, ein<br />
rückwärtsgewandter<br />
Bremser zu sein. Zu interessant sind die Stichworte, die er für<br />
die Zukunft <strong>de</strong>r Kirche genannt hat: Die Kirche ist jung, sie<br />
ist lebendig, und sie ist erkennbar.<br />
Als hätte er das Kernproblem <strong>de</strong>s Streits um <strong>de</strong>n Berliner<br />
Werteunterricht auf <strong>de</strong>n Punkt bringen wollen: In <strong>de</strong>r letzten<br />
Predigt, die er vor seiner Wahl vor <strong>de</strong>n Kardinälen gehalten<br />
hat, hat er von <strong>de</strong>r „Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus“ gesprochen.<br />
Wenn es um die letzten Dinge geht, die Frage nach Gott, Freiheit<br />
und Unsterblichkeit (Kant), dann gibt es keinen Standpunkt<br />
oberhalb <strong>de</strong>r Standpunkte. Ein Werteunterricht von<br />
Staats wegen wäre ein Einfallstor für postreligiöse I<strong>de</strong>ologen.<br />
Die Berliner Frage ist offen, offen ist aber auch die Zukunft<br />
<strong>de</strong>r ganzen Kirche. Derselbe Papst Benedikt XVI., <strong>de</strong>r<br />
Profil zeigen will, hat aber auch zu Erkennen gegeben, wie<br />
viel ihm am Dialog und an <strong>de</strong>r Ökumene liegt. Die interessanten<br />
Köpfe <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Protestantismus haben <strong>de</strong>nn<br />
auch <strong>de</strong>n neuen Papst, <strong>de</strong>r sie <strong>als</strong> Präfekt <strong>de</strong>r Glaubenskongregation<br />
noch durch „Dominus Jesus“ geärgert hatte, in sehr<br />
beachtenswerten und klugen Stellungnahmen begrüßt. Eberhardt<br />
Jüngel, ein Theologe von Format, möchte mit <strong>de</strong>m führen<strong>de</strong>n<br />
Kopf <strong>de</strong>r Katholischen Theologie, <strong>de</strong>m Mitglied <strong>de</strong>r<br />
Aka<strong>de</strong>mie Française auf Augenhöhe bleiben. Guten Stil hat<br />
auch Bischof Wolfgang Huber, <strong>de</strong>r Ratsvorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
EKD, bewiesen. Natürlich gibt es Konfliktpunkte, aber die<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Stichworte, die ihm von Journalisten angeboten<br />
wur<strong>de</strong>n, hat er souverän ignoriert in <strong>de</strong>r sicheren Einschätzung<br />
<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utsamkeit, welche die römischen Ereignisse<br />
für die gesamte Christenheit hatten. Viele evangelische<br />
Christen, auch im<br />
näheren Bekanntenkreis,<br />
nehmen mit<br />
Respekt und Nostalgie<br />
die römische Stilsicherheit<br />
wahr, die<br />
mehr ist <strong>als</strong> nur eine<br />
Frage <strong>de</strong>r Ästhetik.<br />
Zwar stimmt alles,<br />
was man über <strong>de</strong>n<br />
professionell inszenierten<br />
Bil<strong>de</strong>rzauber<br />
lesen konnte:<br />
Der Mix aus jungen<br />
Gesichtern und kleinen<br />
Szenen vom Petersplatz,<br />
die Bil<strong>de</strong>r<br />
von <strong>de</strong>r Via <strong>de</strong>lla<br />
Conciliazione und<br />
© dpa / picture-alliance<br />
die panoramatischen<br />
Kameraschwenks, welche die Umarmung <strong>de</strong>r Massen durch<br />
die Arka<strong>de</strong>n Berninis zeigten, darüber <strong>de</strong>r römische Himmel,<br />
die Peterskuppel – und alles fokussiert auf die liturgische<br />
Form. Gerhard Stadlmaier, eine <strong>de</strong>r besten Fe<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r F.A.Z.,<br />
Theaterkritiker und Fachmann für Inszenierungen, hat die<br />
klügste Analyse geboten: Papst Johannes Paul II., <strong>de</strong>n man<br />
<strong>als</strong> Medienstar gefeiert hat, war das Gegenteil eines Inszenators.<br />
Zwar wird er intelligent genug gewesen sein, um zu wissen,<br />
dass alle Kameras auf ihn gerichtet waren, das Geheimnis<br />
seiner Faszination bestand aber nach Stadlmaier darin,<br />
dass alle wussten: Er zieht keine Show ab. Das Dargestellte<br />
und das Darzustellen<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>n eine Einheit. Die Koinzi<strong>de</strong>nz<br />
von Schein und Sein war es, was die Glaubwürdigkeit Johannes<br />
Pauls II. ausmachte.<br />
Bei Kardinal Ratzinger war es die Form <strong>de</strong>r Liturgie, von<br />
<strong>de</strong>r er sich schon beim Requiem für seinen Vorgänger tragen<br />
ließ. Benedikt XVI. lieferte in <strong>de</strong>r Art, wie er die großen Gottesdienste<br />
zelebrierte, ein Lehrstück dafür, wie gera<strong>de</strong> durch<br />
die Füllung <strong>de</strong>r vorgegebenen Form höchste Authentizität<br />
und Präsenz möglich wird. Benedikt XVI. zeigt, wie das benediktinische<br />
Prinzip <strong>de</strong>r erfüllten Form Individualität und<br />
Allgemeingültigkeit verbin<strong>de</strong>n kann. Sein Auftritt begann<br />
mit <strong>de</strong>m Abstieg in die Gruft <strong>de</strong>s Petrus. Die Freilegung <strong>de</strong>r<br />
Wurzeln aus <strong>de</strong>r Väterzeit, symbolisiert durch das Pallium in
einer Gestalt, die <strong>de</strong>n römischen Bischof mit <strong>de</strong>n Mitbrü<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Orthodoxie verbin<strong>de</strong>t, war ein bemerkenswertes Indiz.<br />
Dann ein Introitus ins Freie: Was für eine Passage! Da öffnet<br />
sich die Tür, und wir sind in <strong>de</strong>r Medienpräsenz Zeuge <strong>de</strong>r<br />
ersten Begegnung mit<br />
<strong>de</strong>m Volk Gottes auf<br />
<strong>de</strong>m Petersplatz. Leicht<br />
überblen<strong>de</strong>t und übersteuert<br />
vom Glanz <strong>de</strong>r<br />
Sonne, vibriert <strong>de</strong>r neue<br />
Papst vor Ergriffenheit,<br />
ohne jedoch die Contenance<br />
zu verlieren. Das<br />
Amt trägt ihn voran und gibt ihm, <strong>de</strong>m Schüchternen, Sicherheit<br />
und Mut. Das beflügelt ihn zu ungewohnten Gesten.<br />
Kardinal Ratzinger hatte ich nie mit hochgereckten Armen<br />
gesehen. Die Menschen weinen, sie weinen über einen<br />
scharfsinnigen Rationalisten, einen, <strong>de</strong>r die genauen Begriffe<br />
liebt, <strong>de</strong>ssen flinke Äuglein hin und her schweifen, sich<br />
dann aber konzentrieren. In <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Höhepunkten<br />
<strong>de</strong>r Eucharistiefeier wird alles langsam und gemessen.<br />
Wenn Jochen Hörisch und an<strong>de</strong>re Medientheoretiker<br />
von <strong>de</strong>r Realpräsenz und von <strong>de</strong>r raum- und zeitaufheben<strong>de</strong>n<br />
Qualität <strong>de</strong>r Fernsehübertragung, von virtueller Realität,<br />
<strong>de</strong>ren Virtualität langsam verschwin<strong>de</strong>t und zur primären<br />
Realität wird, schwafelten, habe ich dies immer für verstiegene<br />
Überzeichnungen gehalten. Aber es ist schon etwas<br />
dran, dass es Momente gibt, in <strong>de</strong>nen wir vergessen können,<br />
dass wir die Endverbraucher einer gekonnten Zubereitung<br />
von Bil<strong>de</strong>rn sind. Stadlmaiers Einsicht aber überzeugt mich:<br />
Eine Inszenierung ist erst dann perfekt, wenn wir davon<br />
überzeugt sind, dass das, was wir sehen, nicht inszeniert,<br />
son<strong>de</strong>rn echt ist.<br />
Was war das für eine<br />
Geste? Da wird ein<br />
alter Mann im geistlichen<br />
Gewand im Rollstuhl<br />
auf <strong>de</strong>n Kardinal<br />
zugefahren, <strong>de</strong>r reicht<br />
ihm die Kommunion.<br />
Im Wegdrehen streicht<br />
<strong>de</strong>r alte Mann <strong>de</strong>m<br />
Kardinal liebkosend<br />
über <strong>de</strong>n Arm, <strong>als</strong> wolle<br />
er sich bedanken.<br />
wirklich auferstan<strong>de</strong>n ist.<br />
Roger Schutz, aus Taizé – ist er katholisch gewor<strong>de</strong>n? Später<br />
wird Benedikt XVI. programmatische Bemerkungen machen,<br />
mit <strong>de</strong>nen er große Erwartungen für die Ökumene<br />
weckt.<br />
Fast genauso bemerkenswert wie die Ereignisse ist das<br />
Echo in <strong>de</strong>n Medien. Catholic is beautiful! Wer ist nicht<br />
plötzlich alles katholisch? Wer unterschreibt nicht alles <strong>de</strong>n<br />
Aufruf zugunsten eines halbwegs kirchlichen Religionsunterrichts<br />
in Berlin?<br />
Ein krasses, blasses Kontrastprogramm bietet die innerkirchliche<br />
Szene. Hier ist nichts passiert. In <strong>de</strong>n Gremiensitzungen<br />
wird die Tagesordnung abgearbeitet, die römische<br />
Massenbegeisterung wirkt hier nicht ansteckend, sie wird im<br />
freundlichen Fall mit<br />
Popkonzerten, im unfreundlichen<br />
mit NS-<br />
Parteitagen verglichen.<br />
Wenn <strong>de</strong>nn schon vom<br />
neuen Papst die Re<strong>de</strong><br />
Benedikt XVI. sein muss, dann verbin<strong>de</strong>t<br />
man die Hoffnung<br />
mit ihm, dass er an seine<br />
Jugendzeiten <strong>als</strong> Kirchenreformer anknüpfen möge.<br />
In <strong>de</strong>r Tat, wenn sich ein roter Fa<strong>de</strong>n durch die Schriften<br />
<strong>de</strong>s neuen Papstes zieht, dann läuft diese Spur entlang <strong>de</strong>r<br />
aufklärerischen Traditionen, die sich aus <strong>de</strong>r biblischen Anthropologie<br />
erschließen lassen. Der geistbegabte, vom göttlichen<br />
Atem inspirierte Adam steht <strong>als</strong> Gottesgehilfe neben<br />
<strong>de</strong>m Schöpfer. Der Gottesgeist macht ihn frei und gibt ihm<br />
die Qualitäten, die die neuzeitliche Philosophie mit <strong>de</strong>m Begriff<br />
Subjekt verbin<strong>de</strong>t. Er ist <strong>de</strong>r Aufklärer, <strong>de</strong>r die selbst gemachten<br />
Götter entlarvt und sich selbst von Gott kritisieren<br />
lässt, zwischen Ermächtigung durch Gna<strong>de</strong> und Entmächtigung<br />
durch <strong>de</strong>n eschatologischen Vorbehalt seinen Weg<br />
sucht. Das intensive Studium <strong>de</strong>r Väter, welche die philosophischen<br />
Standards <strong>de</strong>r Spätantike mit <strong>de</strong>n biblischen Geschichten<br />
in eine fruchtbare Berührung bringen, das sind Wi<strong>de</strong>rlager,<br />
die das christliche Denken auch für die Neuzeit in<br />
<strong>de</strong>n Stand setzen, sich zu mo<strong>de</strong>rnisieren. Die ältere biblische<br />
Aufklärung mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s „Siècle <strong>de</strong> lumières“ zu verbin<strong>de</strong>n,<br />
das ist für Benedikt XVI. Programm. Die Stärke Johannes<br />
Pauls II. war die Entbindung<br />
einer charismatischen<br />
Emotionalität.<br />
Auch er war gelernter<br />
Philosoph und doch <strong>de</strong>r<br />
Papst mit Herz. Benedikt<br />
XVI. ist gewiss<br />
ganz an<strong>de</strong>rs und doch in<br />
dieser Hinsicht vergleichbar.<br />
Der zurückhalten<strong>de</strong><br />
Gelehrte mit <strong>de</strong>r hohen<br />
Benedikt XVI.<br />
Stimme hat im Glauben<br />
an die Kraft, die ihm<br />
sein Amt gibt, ganz neue Choreographien vorgezeigt. Viele<br />
in Deutschland sind gespannt auf die nächsten Schritte. Vor<br />
allem auf <strong>de</strong>n Weltjugendtag in Köln, das Fest im Vaterland<br />
<strong>de</strong>r Skepsis, in Deutschland, <strong>de</strong>m Land einer alten Schuld<br />
und <strong>de</strong>r neuen Schul<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Land ohne Kin<strong>de</strong>r, einem<br />
Land, in <strong>de</strong>m es darauf ankommt, ob die Christen sich auf<br />
ihre Seelenkraft besinnen, die sie brauchen, um sich vom<br />
Ist-Zustand abzustoßen, sich aufzurichten und sich auszustrecken.<br />
Eckhard Nordhofen<br />
» Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und<br />
er gibt alles. Wer sich ihm gibt, <strong>de</strong>r erhält alles hun<strong>de</strong>rtfach<br />
zurück. Ja, aprite, spalancate le porte per Cristo –<br />
dann fin<strong>de</strong>t Ihr das wirkliche Leben.<br />
» Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt<br />
die Zukunft <strong>de</strong>r Welt in sich und zeigt daher auch je<strong>de</strong>m<br />
einzelnen <strong>de</strong>n Weg in die Zukunft. Die Kirche<br />
lebt – wir sehen es, und wir spüren die Freu<strong>de</strong>, die<br />
<strong>de</strong>r Auferstan<strong>de</strong>ne <strong>de</strong>n Seinen verheißen hat. Die<br />
Kirche lebt – sie lebt, weil Christus lebt, weil er
Die Freu<strong>de</strong> am Lernen lernen<br />
BEITRÄGE<br />
78<br />
Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard<br />
Gedanken aus <strong>de</strong>n Grußworten von<br />
Staatssekretär Professor Dr. Joachim-<br />
Felix Leonhard, Staatssekretär im Hessischen<br />
Ministerium für Wissenschaft<br />
und Kunst, und Dr. Siegfried Däschler-<br />
Seiler, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung<br />
Evangelischer Eltern und Erzieher.<br />
Joachim-Felix Leonhard<br />
Besser und zugleich optimistischer<br />
<strong>als</strong> ihr Tagungsthema.: „Freu<strong>de</strong> am<br />
Lernen“ – kann man die Zielsetzung eines<br />
Kongresses, <strong>de</strong>r sich mit unserem<br />
<strong>de</strong>utschen Bildungssystem befasst, gar<br />
nicht formulieren. Wäre unser Bildungssystem<br />
auf allen Stufen durch „Freu<strong>de</strong><br />
am Lernen“ charakterisiert, wäre auch<br />
die „Freu<strong>de</strong> am Lehren, am Unterricht,<br />
Freu<strong>de</strong> an Erziehung“ in unserem Bildungswesen<br />
Realität und nicht nur vielfach<br />
eingeklagte For<strong>de</strong>rung.<br />
In <strong>de</strong>n die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Bildungssysteme vergleichen<strong>de</strong>n Studien<br />
ist <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Bildungswesen,<br />
um im Bil<strong>de</strong> zu bleiben, ein äußerst<br />
schlechtes Zeugnis ausgestellt wor<strong>de</strong>n.<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
Sicherlich gibt es in unserem Bildungssystem<br />
viele Kin<strong>de</strong>r, viele Schülerinnen<br />
und Schüler, die mit Freu<strong>de</strong> lernen<br />
und die Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen<br />
und Erzieher erleben, die mit<br />
Freu<strong>de</strong> ihrem Beruf nachgehen. Gleichwohl<br />
können wir angesichts <strong>de</strong>r negativen<br />
Befun<strong>de</strong> dieser Studien und an<strong>de</strong>ren<br />
Untersuchungen die Augen davor<br />
nicht verschließen, dass das schlechte<br />
Leistungsprofil unseres Bildungswesens<br />
notwendigerweise einhergeht mit<br />
enttäuschten Schülerinnen und Schülern<br />
und an ihrer Aufgabe und ihrer Berufung<br />
zweifeln<strong>de</strong>n Fachkräften <strong>de</strong>s<br />
Erziehungswesens.<br />
Die Ursachen sind vielfältig. Ich vermisse<br />
an dieser Diskussion in unserem<br />
Land die notwendige Offenheit. So vielschichtige<br />
Analysen wie die international<br />
vergleichen<strong>de</strong>n Studien lassen natürlich<br />
vielfältige Interpretationen zu.<br />
Je<strong>de</strong>r scheint angeblich auf gesicherter<br />
wissenschaftlicher Basis für seine spezifische<br />
Position Argumente fin<strong>de</strong>n zu<br />
können.<br />
Ich will zu diesen Fragen hier gar<br />
keine eigene Antwort versuchen. Ich<br />
will nur auf eine grundlegen<strong>de</strong> Einsicht<br />
verweisen: Der Mensch ist von seiner<br />
Geburt an lern- und bildungsfähig. Vergegenwärtigen<br />
wir uns, was ein junger<br />
Mensch – und ich meine die erste Bildungsphase<br />
bis zum Eintritt in das<br />
Schulwesen – alles lernt, wie rasch er<br />
es tut und welche komplexen Sachverhalte<br />
wie etwa die Muttersprache er<br />
sich in dieser kurz bemessenen Zeit aneignet.<br />
Dies verweist auf ein Entwicklungspotential,<br />
dass durch gute Erziehung<br />
geför<strong>de</strong>rt und durch fehlen<strong>de</strong> und<br />
schlechte Erziehung in höchstem Maße<br />
gefähr<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Ich bin <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Meinung, dass<br />
man über <strong>de</strong>n PISA-Schock in Deutschland<br />
nicht nur schulfachlich re<strong>de</strong>n kann<br />
und darf, son<strong>de</strong>rn dass man wesentlich<br />
früher ansetzen muss. Die Bildungsphase<br />
muss <strong>als</strong>o bis zum Eintritt in die<br />
Schule in <strong>de</strong>r Tat auch <strong>als</strong> eine <strong>de</strong>r wesentlichen<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Neugestaltung<br />
und Weiterentwicklung unseres<br />
Bildungswesens angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Kin<strong>de</strong>r sind schon in <strong>de</strong>n frühesten<br />
Jahren neugierig und wissbegierig, sie<br />
sind kreativ, sie wollen sich ihre Welt<br />
erobern, wollen eigene I<strong>de</strong>en entwickeln,<br />
wollen sich mit an<strong>de</strong>ren auseinan<strong>de</strong>rsetzen<br />
und spielerisch messen.<br />
<strong>Diese</strong>s Bild <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ist kein optimistisches,<br />
son<strong>de</strong>rn ein realistisches,<br />
ein anthroprologisch wie psychologisch<br />
begrün<strong>de</strong>tes Bild. So richtet sich<br />
z.B. unser geplanter hessischer Bildungs-<br />
und Erziehungsplan für Kin<strong>de</strong>r<br />
von 0 bis 10 Jahren nicht nur an die Bildungsinstitutionen,<br />
son<strong>de</strong>rn gleichermaßen<br />
an die Familien, an die gesellschaftlichen<br />
Institutionen, an alle, die<br />
am Bildungs- und Erziehungsprozess<br />
beteiligt sind.<br />
Je<strong>de</strong> Gesellschaft muss letzten En<strong>de</strong>s<br />
darüber entschei<strong>de</strong>n, wie viel ihr<br />
<strong>de</strong>r verantwortungsvolle Beruf <strong>de</strong>s Erziehers<br />
und <strong>de</strong>r Erzieherin, <strong>de</strong>s Lehrers<br />
und <strong>de</strong>r Lehrerin wirklich wert ist. Wir<br />
müssen lei<strong>de</strong>r feststellen, dass diese<br />
Berufe gesellschaftlich nicht sehr hoch<br />
angesehen, vielmehr vielfältiger Kritik<br />
INFO 34 · 2/2005
ausgesetzt sind. <strong>Diese</strong> Kritik ist ohne<br />
Zweifel überzogen und ungerecht, aber<br />
es resultiert daraus eine verhängnisvolle<br />
Entwicklung, dass nämlich geringes<br />
gesellschaftliches Ansehen eines Berufes<br />
gera<strong>de</strong> Leistungswillige und Leistungsbereite<br />
von ihm abschreckt. Eines<br />
<strong>de</strong>r Erfolgsgeheimnisse von Finnland,<br />
das bei <strong>de</strong>n PISA-Vergleichen hervorragend<br />
abschnei<strong>de</strong>t, liegt sicherlich auch<br />
darin, dass <strong>de</strong>r Beruf eines Lehrers o<strong>de</strong>r<br />
einer Lehrerin zu <strong>de</strong>n gesellschaftlich<br />
mit am höchsten angesehenen gehört.<br />
Ich wünsche und hoffe, dass von<br />
dieser Tagung wirklich „Freu<strong>de</strong> am<br />
Lernen“, Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Arbeit in unserem<br />
Bildungs- und Erziehungssystem,<br />
ausgeht. Kaum eine Aufgabe ist wichtiger<br />
<strong>als</strong> diese und in kaum einem gesellschaftlichen<br />
System ist es wichtiger,<br />
dass in <strong>de</strong>r Tat Freu<strong>de</strong>, eine positive<br />
Grun<strong>de</strong>instellung, Bildung und Erziehung<br />
bestimmen.<br />
Siegfried Däschler-Seiler:<br />
Wir christlichen Eltern haben die<br />
Erziehung unserer Kin<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />
im Blick. Daher sehen wir das <strong>als</strong> eine<br />
Aufgabe, ja <strong>als</strong> eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
an, in<strong>de</strong>m wir die Sorgen und die Anliegen<br />
von Eltern sehen, die Kin<strong>de</strong>r erziehen<br />
und in <strong>de</strong>r Schule haben. Wir <strong>als</strong><br />
Christen bieten ihnen ein Forum, wo<br />
diese Anliegen Raum fin<strong>de</strong>n und ausgesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n können. Hier treffen<br />
sie an<strong>de</strong>re Menschen, die auch inspiriert<br />
sind vom Wort Gottes und es<br />
weitersagen wollen. Sie fin<strong>de</strong>n hier<br />
Anregung, Gemeinschaft und Stärkung.<br />
Und das alles geschieht<br />
hier wie dort, in<br />
<strong>de</strong>r KED und in <strong>de</strong>r<br />
BEE in Gesprächen, im<br />
Gottesdienst und im<br />
Gebet.<br />
Ihr Tagungsthema:<br />
„Freu<strong>de</strong> am Lernen“ ist<br />
ein großes Thema. Ist es<br />
nicht so, dass viele Eltern<br />
lei<strong>de</strong>n, weil ihre<br />
Kin<strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />
lustlos lernen? Weil sie<br />
dauernd unterstützt, geschoben<br />
und angetrieben<br />
wer<strong>de</strong>n müssen? Der<br />
schulische Erfolg hat<br />
eine solch immense Be<strong>de</strong>utung<br />
erlangt, dass<br />
die Kin<strong>de</strong>r schon in <strong>de</strong>r<br />
Grundschule durch einen<br />
starken Konkurrenzkampf<br />
psychisch belastet<br />
sind. Wer mit Grundschullehrerinnen<br />
im Gespräch<br />
ist, weiß, was sich heute in vierten<br />
Klassen abspielt. Freu<strong>de</strong> am Lernen?<br />
Es ist so vertrackt.<br />
Die ehemalige ba<strong>de</strong>n-württembergische<br />
Kultusministerin Schultz-Hector<br />
hat einmal gesagt, Schule solle Spaß<br />
machen. Sie hat damit gemeint, Schule<br />
solle Kin<strong>de</strong>r nicht nur verbiestert zum<br />
Lernen anhalten.<br />
Aber mir ist das zu wenig. Freu<strong>de</strong><br />
am Lernen reicht weiter, ist tiefer angelegt<br />
<strong>als</strong> nur Spaß haben. Spaß haben,<br />
Zerstreuung suchen, das entspricht sozusagen<br />
<strong>de</strong>m Lebensstil unserer Zeit,<br />
und es wird uns allenthalben angeboten.<br />
Freu<strong>de</strong> reicht tiefer, sie erfasst uns<br />
Dr. Siegfried Däschler-Seiler<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
ganz <strong>als</strong> Menschen und lässt uns optimistisch<br />
in die Zukunft blicken. Wir<br />
nehmen die Welt und <strong>de</strong>n Mitmenschen<br />
an<strong>de</strong>rs wahr, wenn wir in einer<br />
freudigen Stimmung sind. Und da sollen<br />
wir beim Lernen Freu<strong>de</strong> empfin<strong>de</strong>n?<br />
Lernen ist nach meinem Verständnis<br />
eine ganz faszinieren<strong>de</strong> Art und<br />
Weise, sich mit <strong>de</strong>r Welt auseinan<strong>de</strong>r zu<br />
setzen. Dort, wo Lernen wirklich geschieht,<br />
hat es einen überschießen<strong>de</strong>n<br />
Sinn. Ich lerne nicht nur für die Klassenarbeit,<br />
ich ordne mich nicht nur <strong>de</strong>n<br />
schulischen Pflichten unter, es öffnen<br />
sich mir neue Räume, Strukturen wer<strong>de</strong>n<br />
umgebaut, und ich sehe die Welt an<strong>de</strong>rs.<br />
BEITRÄGE<br />
79<br />
INFO 34 · 2/2005
Lernen<br />
Walter Eykmann<br />
BEITRÄGE<br />
80<br />
Ein aggressives bis böses Wort an<br />
<strong>de</strong>n Anfang dieser Miszelle! George<br />
Bernard Shaw (1856-1950) meinte:<br />
„Wenn du einen Menschen etwas lehren<br />
willst, wird er es niem<strong>als</strong> lernen.“<br />
Mit diesem Dictum vor <strong>de</strong>n Augen und<br />
im Kopf könnten wir eigentlich <strong>de</strong>n<br />
„Griffel“ sofort wie<strong>de</strong>r „fallen lassen“<br />
und je<strong>de</strong>n grundsätzlichen Gedanken<br />
über das Lernen verscheuchen. Wir tun<br />
es nicht! Allerdings versagen wir uns<br />
auch, <strong>de</strong>n schwierigen Aphorismus<br />
Shaw’s zu hinterfragen und zu <strong>de</strong>uten.<br />
In ihm steckt sicherlich eine Fülle an<br />
guten und be<strong>de</strong>nkenswerten Gedanken,<br />
aber eben auch Kritisches bis – nur auf<br />
<strong>de</strong>n ersten Blick –Unverständliches .<br />
Trotz Shaw: „Lernen“ gehört neben<br />
Erziehung, Bildung, Sozialisation, Personalisation<br />
und Individuation zu <strong>de</strong>n<br />
Grundbegriffen <strong>de</strong>r Allgemeinen, <strong>de</strong>r<br />
Systematischen Pädagogik und darf<br />
nicht, wie es im Alltags<strong>de</strong>nken oft geschieht,<br />
nur in <strong>de</strong>r Psychologie „abgelegt“<br />
wer<strong>de</strong>n. Denn Pädagogik hat es<br />
unbestreitbar mit <strong>de</strong>m Menschen zu<br />
tun, ich formuliere exakter, mit <strong>de</strong>m<br />
lernen<strong>de</strong>n Menschen <strong>als</strong> Person, seiner<br />
Erziehung und Bildung. Das „Lernen“<br />
tritt jedoch, wie man aus <strong>de</strong>r Verhaltens-<br />
und Evolutionsforschung weiß,<br />
auch schon bei Tieren auf. Außer <strong>de</strong>n<br />
bei Mensch und Tier gemeinsam vorkommen<strong>de</strong>n<br />
Lernarten gibt es spezifische<br />
menschliche Lernformen. <strong>Diese</strong><br />
im Beson<strong>de</strong>ren „menschlichen“ und<br />
bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Lernprozesse sind es, die in<br />
<strong>de</strong>r abendländischen Kultur <strong>als</strong> vorrangig<br />
gelten und pädagogisch primär interessieren.<br />
Damit ist für die Pädagogik<br />
die wichtige Frage gestellt, wie das<br />
Lernen in bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Absicht geschehen<br />
kann, d. h. wie Lernen zum Mündigwer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Menschen beiträgt.<br />
In <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s europäischen<br />
Denkens prägten sich recht früh zwei<br />
konkurrieren<strong>de</strong> Auffassungen vom Lernen<br />
aus. Platon, <strong>de</strong>r die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Prof. Dr. Walter Eykmann<br />
Überlegungen Sokrates in <strong>de</strong>n Mund<br />
legt, meint, dass Lernen ein Wie<strong>de</strong>rerinnern<br />
sei, wörtlich: „Denn das Suchen<br />
und Lernen ist <strong>de</strong>mnach ganz und gar<br />
Erinnerung.“ (Platon: Menon, 81d)<br />
(Nur <strong>als</strong> Randbemerkung: Das Lehren<br />
nach Sokrates ist nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> die<br />
Hebammenkunst, die Maieutik.) Die<br />
anthropologische Voraussetzung ist für<br />
Sokrates in <strong>de</strong>r vorgeburtlichen Schau<br />
<strong>de</strong>r ewigen I<strong>de</strong>en durch die Seele gegeben,<br />
die <strong>de</strong>shalb auch <strong>als</strong> unsterblich<br />
gelten muss. <strong>Diese</strong> Auffassung vom<br />
Lernen hat ihre Wirkungsgeschichte<br />
über Augustinus, Gottfried Wilhelm<br />
Leibniz, <strong>de</strong>n Deutschen I<strong>de</strong>alismus bis<br />
zur Theorie vom Lernen <strong>als</strong> Einsicht.<br />
Für Aristoteles, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re (klassische)<br />
Strang, ist die Seele eine tabula<br />
rasa, auf die Sinneseindrücke eingetragen<br />
wer<strong>de</strong>n. Lernen be<strong>de</strong>utet in dieser<br />
Sichtweise Aufnahme und Speichern<br />
von Sinnesdaten. Die Wirkungsgeschichte<br />
dieser Analyse läuft über John<br />
Locke und David Hume bis in die Gegenwart<br />
zum Behaviorismus und <strong>de</strong>n<br />
Konditionierungstheorien.<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
Im ersten Fall meint Lernen vorwiegend<br />
das theoretisch-kontemplative<br />
Bemühen um Selbsterkenntnis, im zweiten<br />
Fall technisch-praktisches Verarbeiten<br />
und Nutzen von Informationen.<br />
– All dieses zusammengefasst in einer<br />
wissenschaftlichen Definition von heute:<br />
„Mit Lernen meint man beim Menschen<br />
das auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r genetischevolutionären<br />
und kulturellen Voraussetzungen<br />
erfolgen<strong>de</strong> Insgesamt <strong>de</strong>r<br />
dispositionellen (im Gedächtnis) verankerten<br />
und wie<strong>de</strong>r abrufbaren, relativ<br />
andauern<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen seines Verhaltens<br />
und Wissens, Han<strong>de</strong>lns und Erlebens<br />
durch Erfahrung (Informationsverarbeitung)<br />
infolge von adaptiven<br />
Reaktionen <strong>de</strong>s Organismus auf Umwelteinflüsse<br />
und von produktiven Interaktionen<br />
<strong>de</strong>s Subjekts mit <strong>de</strong>r<br />
Welt.“ 1 Konkretisieren und typisieren<br />
wir diese Aussage ein wenig, so fällt einem<br />
unter <strong>de</strong>m Stichwort “Lernen” dies<br />
(und an<strong>de</strong>ren natürlich noch viel an<strong>de</strong>res<br />
mehr) ein: Schuhe bin<strong>de</strong>n, lesen, Rad<br />
fahren, eine frem<strong>de</strong> Sprache lernen, rationales<br />
Argumentieren, aber auch<br />
INFO 34 · 2/2005
Vorurteile, Einstellungen, Werte, Normen<br />
u. a.. Wir sind <strong>als</strong>o in <strong>de</strong>r Jetztzeit<br />
angekommen, und da gilt es nun zu fragen,<br />
wie die gegenwärtige Bildungspolitik<br />
das „Lernen“ sieht.<br />
Mit Spaß lernen (= Spaßpädagogik)<br />
ist das Wort, ist das Intonieren, mit <strong>de</strong>m<br />
heute für das harte Mühen mit <strong>de</strong>m Lernen<br />
geworben wird. Didaktische Hexenmeister<br />
und flinke Vermittler erheben<br />
die an sich notwendige Kindgemäßheit<br />
zur pädagogischen Ikone. Unterrichtsräume<br />
und Unterrichtsmittel,<br />
Sitzordnung und Sprache, alles hat<br />
kindgemäß zu sein. Objektive For<strong>de</strong>rungen<br />
an Argumentation haben da zurückzustehen.<br />
Kin<strong>de</strong>rtümeln<strong>de</strong> Kumpanei<br />
steht ganz oben. Hilfe zur Entfaltung<br />
<strong>de</strong>r kindlichen Kreativität und die<br />
Unbefangenheit <strong>de</strong>s Verhaltens rücken<br />
in <strong>de</strong>n Hintergrund. Natürlich muss <strong>de</strong>r<br />
Lehrer die individuelle Situation seiner<br />
Kin<strong>de</strong>r zu treffen versuchen. Dafür<br />
aber gibt es kein Rezept und kein Mo<strong>de</strong>ll,<br />
<strong>de</strong>nnoch hat <strong>de</strong>r Lehrer an <strong>de</strong>r<br />
Universität in <strong>de</strong>r ersten Lehrbildungsphase<br />
erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche<br />
Studien betrieben<br />
und gelernt, was Erziehung, Bildung<br />
und Anthropologie u. a. be<strong>de</strong>utet und<br />
für die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen wichtig<br />
ist. Und daher ist es auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Seite umso schlimmer, wenn in <strong>de</strong>m<br />
ansonsten so hoch gelobten Bildungsland<br />
und <strong>de</strong>utschen PISA-Sieger Bayern<br />
<strong>de</strong>r Versuch gestartet wird, z. B.<br />
Förster, Vermessungsingenieure und<br />
Lebensmittelkontrolleure <strong>als</strong> Biologie-,<br />
Mathematiker- o<strong>de</strong>r Chemielehrer in<br />
allen Schularten – nach einem nur<br />
zweijährigen Son<strong>de</strong>rkurs – einzusetzen.<br />
Und ein zweiter aktueller Gegenwartsbezug:<br />
Von <strong>de</strong>n Befürwortern<br />
modisch-mo<strong>de</strong>rner Didaktiken wird<br />
häufig die soziale Lage <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und<br />
Jugendlichen aus gestörten Familien<br />
mit beson<strong>de</strong>rer sozialer Bedürftigkeit<br />
betont. Die Palette <strong>de</strong>r Beobachtungen<br />
geht vom Rauschmittelmissbrauch mit<br />
niedrigerem Einstiegsalter, Vandalismus<br />
und aggressivem Verhalten innerhalb<br />
und außerhalb <strong>de</strong>r Schule bis hin<br />
zu <strong>de</strong>m Konsum von Vi<strong>de</strong>ofilmen mit<br />
gewalttätigem, pornographischem o<strong>de</strong>r<br />
sonst wie gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Inhalt. Schule<br />
und Unterricht sollen nun diese sozialen<br />
Fehlformen beseitigen. Das ist für<br />
einen <strong>de</strong>mokratischen Staat selbstverständlich.<br />
Aber gera<strong>de</strong> diese For<strong>de</strong>rung<br />
nach Ausgleich <strong>de</strong>r sozialen Benachteiligungen<br />
und <strong>de</strong>r richtigen For<strong>de</strong>rung<br />
nach Chancengleichheit in <strong>de</strong>r<br />
Bildung wird dann vertan, wenn im<br />
Unterricht Schülern die Möglichkeit<br />
bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Lernens vorenthalten wird;<br />
wenn Einsicht nicht geför<strong>de</strong>rt, weil<br />
nicht gefor<strong>de</strong>rt wird. Nieman<strong>de</strong>m ist<br />
geholfen, wenn er nicht das Argumentieren,<br />
d. h. das Denken lernt. Der Wiener<br />
Erziehungswissenschaftler Marian<br />
Heitger bringt es auf <strong>de</strong>n Punkt: „Es ist<br />
eine Groteske, allen Bildung zu versprechen<br />
und diese gera<strong>de</strong> dann abzuschaffen,<br />
wenn <strong>de</strong>r Zugang zu ihr allen<br />
offensteht.“<br />
Wir kommen zum Schluss: So anstrengend<br />
und mühsam Lernen sein<br />
mag, keiner <strong>de</strong>r Eltern noch <strong>de</strong>r Lehrer,<br />
um die ersten und be<strong>de</strong>utsamsten Menschen<br />
für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche zu<br />
nennen, ist gut beraten, Lernen zu verharmlosen<br />
o<strong>de</strong>r gar für nutzlos zu erklären.<br />
Auch wäre es Verrat an <strong>de</strong>n jungen<br />
Menschen, wenn man es ihnen<br />
nicht sagte und sie es nicht spüren ließe,<br />
dass je<strong>de</strong>r Mensch lernen muss. Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
Lernen entspricht <strong>de</strong>n Leitvorstellungen<br />
und Erfor<strong>de</strong>rnissen je<strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft dieser Welt. Historisch<br />
und soziologisch variabel hat es in je<strong>de</strong>r<br />
Kultur einen überzeitlichen Kern.<br />
Lernen ist ein humaner und pädagogischer<br />
Terminus <strong>de</strong>r Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft. Mit <strong>de</strong>n Worten<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Schriftstellers,<br />
Zeichners und Malers Wilhelm Busch<br />
(1832-1908) – lockerer formuliert –:<br />
„Also lautet <strong>de</strong>r Beschluss: Dass <strong>de</strong>r<br />
Mensch was lernen muss.“<br />
Anmerkung<br />
1<br />
Erich Weber: Grundfragen und Grundbegriffe, Bd. I<br />
Teil 3, Donauwörth 81999, S. 41.<br />
Prof. Dr. Walter Eykmann MdL, ist Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Katholischen Elternschaft<br />
Deutschlands.<br />
BEITRÄGE<br />
81<br />
RZ_1111_PB_0032_AnzIFRR_55x123 31.05.2005<br />
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INFO 34 · 2/2005
Was freut die Eltern und <strong>de</strong>n lieben Gott?<br />
Über die Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Schule und beim Lernen<br />
Eckhard Nordhofen<br />
BEITRÄGE<br />
82<br />
Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r guten Schulmeister,<br />
von <strong>de</strong>nen viel zu wenig die<br />
Re<strong>de</strong> ist, gehört <strong>de</strong>r Spruch: „In je<strong>de</strong>r<br />
Stun<strong>de</strong> muss wenigstens einmal herzhaft<br />
gelacht wer<strong>de</strong>n!“ <strong>Diese</strong> guten<br />
Schulmeister, an die wir gerne zurück<strong>de</strong>nken,<br />
sind allerdings alles an<strong>de</strong>re <strong>als</strong><br />
Verfechter <strong>de</strong>r Spaßschule gewesen.<br />
Wer lacht nicht gerne? Und wenn Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendliche nichts zu lachen<br />
haben, dann ist in <strong>de</strong>r Tat etwas faul.<br />
Sie lachen natürlich auch über ihre<br />
Lehrer, und ich muss zugeben, dass ich<br />
in meiner eigenen Schulmeisterei mir<br />
ganz bewusst die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Angewohnheit<br />
o<strong>de</strong>r Schrulle zugelegt hatte,<br />
damit die Schüler auch etwas zu kichern<br />
und zu frotzeln, o<strong>de</strong>r tatsächlich<br />
auch zum Lachen haben konnten. Natürlich<br />
darf man das nicht übertreiben.<br />
Wer sich zum Trottel macht und zur lächerlichen<br />
Figur, wird von <strong>de</strong>n Schülern<br />
nicht respektiert. Machen Sie doch<br />
selbst einmal die Probe und erinnern<br />
Sie sich an die Lehrer, die Ihnen wirklich<br />
etwas be<strong>de</strong>utet haben. Meistens<br />
hatten sie Humor, aber sie wussten<br />
auch sehr gut, wann es zur Sache gehen<br />
musste. Interessanterweise, aber bei<br />
genauerem Nach<strong>de</strong>nken überaus verständlich,<br />
zählen zu <strong>de</strong>n Lehrerpersönlichkeiten,<br />
die wir beson<strong>de</strong>rs schätzten<br />
und respektierten,<br />
diejenigen, die von<br />
uns etwas for<strong>de</strong>rten.<br />
Und wenn wir dann<br />
selbst das Gefühl haben konnten, dass<br />
wir nicht nur, um <strong>de</strong>m Lehrer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Lehrerin zu gefallen, son<strong>de</strong>rn weil wir<br />
uns selbst damit etwas Gutes taten, auf<br />
eine Leistung zurückblicken konnten,<br />
dann waren wir froh und unsere Eltern<br />
erst recht.<br />
<strong>Diese</strong>r Lernprozess hat die Grammatik<br />
<strong>de</strong>s Futur II. „Wir wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />
» Freu<strong>de</strong> hat mit Erfolg zu<br />
tun, Erfolg mit Arbeit.<br />
Test bestan<strong>de</strong>n haben“, „Wir wer<strong>de</strong>n<br />
Englisch gelernt haben und dann wer<strong>de</strong>n<br />
wir etwas können“. Am Anfang<br />
steht <strong>als</strong>o eine Erfahrung, die man <strong>als</strong><br />
Metalernen <strong>de</strong>uten kann. Ein Lernen,<br />
in <strong>de</strong>m wir über das Lernen etwas lernen<br />
und zwar durch die Erfahrung, dass<br />
Vokabeln lernen, Merksätze und Regeln<br />
pauken, lauter Tätigkeiten, die mit<br />
lebhafter Unlust verbun<strong>de</strong>n sein dürften,<br />
am En<strong>de</strong> die Voraussetzungen für<br />
die Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r erbrachten Leistung,<br />
die Freu<strong>de</strong> am Können gewesen sind.<br />
Wer das einmal im Grundsatz begriffen<br />
hat, wird nicht mehr fluchen über sinnlos<br />
vergossenen Schweiß etc.<br />
<strong>Diese</strong> Erfahrungen, die zu einer<br />
Haltung, zu einem habituellen Grundwissen<br />
über Lernprozesse führen, muss<br />
je<strong>de</strong>s Kind und je<strong>de</strong>r Jugendliche selbst<br />
einmal, zweimal, dreimal machen, bevor<br />
sie sich gefestigt haben. Damit wir<br />
uns nicht f<strong>als</strong>ch verstehen: Es geht<br />
nicht darum, ö<strong>de</strong> Paukerei zu propagieren<br />
und zu verkün<strong>de</strong>n: Es ist so schön,<br />
wenn <strong>de</strong>r Schmerz nachlässt, aber es ist<br />
doch ein Erlebnis, wenn am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Erfolg bescheinigt wird, und da kommt<br />
Freu<strong>de</strong> auf. <strong>Diese</strong> pädagogischen Selbstverständlichkeiten<br />
rufe ich nur in Erinnerung,<br />
weil manchmal so getan wird,<br />
<strong>als</strong> müssten nur die richtigen Medien<br />
und Metho<strong>de</strong>n eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n, damit<br />
die Schule eine<br />
einzige Folge von<br />
Events und Happenings wird, eine Veranstaltung<br />
bei <strong>de</strong>r man sich nie langweilen<br />
muss, in <strong>de</strong>r die Stun<strong>de</strong>n methodisch<br />
so perfekt durchgestylt sind, die<br />
Lernziele so transparent gemacht sind,<br />
dass sich alle wie selbstverständlich<br />
zusammentun, um dieses heitere Spiel<br />
zu spielen, bei <strong>de</strong>m man ganz nebenbei<br />
auch noch etwas lernt. Freu<strong>de</strong> hat mit<br />
Erfolg zu tun, Erfolg mit Arbeit.<br />
Wir haben die allgemeine Schulpflicht,<br />
und je<strong>de</strong>r war einmal Schülerin<br />
o<strong>de</strong>r Schüler, so dass je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r am<br />
En<strong>de</strong> mitre<strong>de</strong>n kann. Wir kennen das<br />
vom Fußball: Auch da wissen Millionen<br />
Bun<strong>de</strong>strainer immer, wie es eigentlich<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n müsste. In manchen<br />
„Expertenkommentaren“ in <strong>de</strong>r<br />
gegenwärtigen Bildungs<strong>de</strong>batte klingt<br />
eine Anspruchshaltung durch, wie wir<br />
sie aus <strong>de</strong>r Mediendramaturgie kennen,<br />
wo das seriöse Nachrichtenwesen durch<br />
Infotainment ersetzt wird. Übertragen<br />
auf die Schule heißt das, dass die Qualität<br />
<strong>de</strong>s Unterrichtsgeschehens auf die<br />
Frage reduziert wird: „Wie war die Inszenierung?“<br />
Hat <strong>de</strong>r Lehrer bzw. <strong>de</strong>r<br />
Animateur alle Register gezogen, das<br />
Metho<strong>de</strong>n- und Medienspektrum voll<br />
ausgeschöpft? In <strong>de</strong>r gegenwärtigen<br />
Hochkonjunktur <strong>de</strong>r Bildungsreform<br />
wirkt sich das fatal aus. Die KMK hat<br />
in ihren Grundsatzbeschlüssen die Weichen<br />
gestellt. Die Reformhektik, die<br />
nach <strong>de</strong>m PISA-Fieber ausgebrochen<br />
ist, führt in Hessen und auch an<strong>de</strong>rswo<br />
dazu, dass in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />
Lehr- und Lerntechniken sich in einer<br />
Weise in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund drängen,<br />
dass das Interesse an <strong>de</strong>n Inhalten, um<br />
die es ja am En<strong>de</strong> doch immer geht,<br />
kaum mehr eine Rolle zu spielen<br />
scheint. Die McLuhan’sche Krankheit<br />
grassiert.<br />
Marshall McLuhan hatte die so verblüffen<strong>de</strong><br />
wie bei näherem Zusehen<br />
schwachsinnige Parole ausgegeben:<br />
„The medium is the message!“<br />
In Frankfurt kennt man schon lange<br />
folgen<strong>de</strong>n Witz: Ein Mann fragt auf <strong>de</strong>r<br />
Zeil einen Passanten: „Können Sie mir<br />
<strong>de</strong>n Weg zum Bahnhof zeigen?“ „Sie<br />
wollen <strong>als</strong>o zum Bahnhof?“ „Jawohl,<br />
zum Bahnhof!“ „Ja ja, da muss man<br />
pünktlich sein. Und wann geht <strong>de</strong>nn ihr<br />
Zug?“ Antwort: „In 20 Minuten.“ „Und<br />
INFO 34 · 2/2005
wo muss ich jetzt entlanggehen?“ „Das<br />
kann ich Ihnen lei<strong>de</strong>r nicht sagen, ich<br />
bin selber fremd hier, aber es ist doch<br />
gut, dass wir mal drüber gesprochen<br />
haben“. The medium is the message.<br />
Als Fachleiter habe ich oft Lehrproben<br />
gesehen, da war alles drin: Overheadprojektor,<br />
Tafelanschrieb, hektographierte<br />
Arbeitsblätter,<br />
Stillarbeit,<br />
Gruppenarbeit, Plenum,<br />
Interaktionsphase.<br />
Und am En<strong>de</strong> kam die Frage:<br />
„Und was haben die Schüler <strong>de</strong>nn in<br />
dieser Stun<strong>de</strong> gelernt?“. Als Resultat<br />
sollte dann gelten: „Es haben sich so<br />
und so viele Schüler beteiligt, sie haben<br />
einan<strong>de</strong>r zugehört, es wur<strong>de</strong>n abwechslungsreiche<br />
Medien eingesetzt und es<br />
hat eine heiße Interaktionsphase gegeben,<br />
und damit könne man doch sehr<br />
zufrie<strong>de</strong>n sein.“ The medium is the<br />
message!<br />
Natürlich gehört zur Schule auch,<br />
das Lernen zu lernen. Methodik und<br />
Didaktik gehören ohne Zweifel zum<br />
Handwerkszeug <strong>de</strong>s Lehrers, übrigens<br />
auch zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Schüler. Aber eine<br />
Schulreform, die die Inhalte klein<br />
schreibt, von <strong>de</strong>r können wir nichts Gutes<br />
erwarten. Spaß und Abwechslung,<br />
Metho<strong>de</strong>nrezepturen organisieren, das<br />
ist eine gute Sache, wenn sie <strong>de</strong>m Lernen<br />
von Inhalten und <strong>de</strong>m Erreichen<br />
von Zielen zugeordnet sind. Sie sind<br />
aber nicht selbst ein Ziel.<br />
Wenn die zweite Phase <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />
unter einem Übergewicht<br />
<strong>de</strong>r jetzt neuerdings<br />
so genannten Bildungswissenschaften<br />
zu Lasten <strong>de</strong>r<br />
Fachlichkeit geht,<br />
dann wer<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />
auch im internationalen Vergleich<br />
gewiss nicht besser wer<strong>de</strong>n.<br />
Freu<strong>de</strong> am Lernen hat mit <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong><br />
an Ergebnissen und Ergebnisse mit Inhalten<br />
zu tun. Es ist die Freu<strong>de</strong>, die je<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r etwas geleistet hat, an seinem<br />
Erfolg hat. Und ist es nicht eine tiefgehen<strong>de</strong><br />
Entmündigung und Verachtung<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler, wenn<br />
» Die McLuhan’sche Krankheit<br />
grassiert.<br />
» Freu<strong>de</strong> am Lernen hat mit<br />
<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> an Ergebnissen<br />
und Ergebnisse mit Inhalten<br />
zu tun.<br />
man ihnen nicht mehr zutraut, dass sie<br />
für die Inhalte ihrer jeweiligen Fächer<br />
begeistert wer<strong>de</strong>n können? Was sind<br />
das für Subjekte, bei <strong>de</strong>nen es nur darauf<br />
ankommt, wie man sie unterhält,<br />
stimuliert und konditioniert, damit sie<br />
das gewünschte Ergebnis zeigen? Ich<br />
wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Verdacht nicht los, dass es<br />
jenes behaviouristische<br />
Menschenbild<br />
ist, das auf stimulus<br />
and response setzt.<br />
Der richtige Input programmiert <strong>de</strong>n<br />
richtigen Output vor. Eigentlich könnten<br />
wir bei <strong>de</strong>r Vorstellung, die <strong>de</strong>n<br />
Schüler in dieser Weise konditionieren<br />
will, gar nicht wirklich von einer Subjektorientierung<br />
sprechen. Steckt hinter<br />
<strong>de</strong>r Vorstellung, dass es nur auf die<br />
richtigen Stimuli und Rezepte ankommt,<br />
damit <strong>de</strong>r Schüler das gewünschte<br />
Ergebnis zeigt, nicht eine<br />
subtile pädagogische<br />
Allmachtsfantasie?<br />
Du musst nur die Menschenbild<br />
richtige Methodik<br />
und Didaktik ansetzen,<br />
dann wird das<br />
Ergebnis in je<strong>de</strong>m<br />
Fall erreicht. Wer<br />
so <strong>de</strong>nkt, rechnet<br />
nicht mit <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Schüler.<br />
Eine am christlichen Menschenbild<br />
orientierte Pädagogik weiß aber, dass<br />
eine wirkliche Orientierung am Schülersubjekt<br />
mit <strong>de</strong>r Freiheit und <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
rechnen muss. Natürlich ist<br />
auch bei <strong>de</strong>n Behaviouristen viel vom<br />
mündigen Schüler und <strong>de</strong>r mündigen<br />
» Eine am christlichen<br />
orientierte<br />
Pädagogik weiß aber, dass<br />
eine wirkliche Orientierung<br />
am Schülersubjekt mit <strong>de</strong>r<br />
Freiheit und <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
rechnen muss.<br />
Schülerin die Re<strong>de</strong>.<br />
Da die Lernziele<br />
aber in je<strong>de</strong>m Fall<br />
operationalisierbar<br />
sein müssen, läuft<br />
das Verfahren oft<br />
genug darauf hinaus, messbare und<br />
evaluierbare Verhaltensweisen zu produzieren,<br />
die <strong>als</strong> Indices für Mündigkeit<br />
gelten. Eine Art Mündigkeitsdressur<br />
<strong>als</strong>o. Die Dressur zu Sprüchen und<br />
Parolen, die Bürgersinn, Nonkonformismus<br />
und Quer<strong>de</strong>nkertum und wie<br />
die Parolen alle heißen, anzeigen sollen,<br />
produzieren nur Nonkonformismus<br />
<strong>als</strong> Massenphänomen, einen Konformismus<br />
höherer Art <strong>als</strong>o.<br />
Woran <strong>de</strong>r liebe Gott seine Freu<strong>de</strong><br />
hat – so wollte ich fragen. Ich <strong>de</strong>nke,<br />
Sie sind einverstan<strong>de</strong>n, wenn wir <strong>de</strong>n<br />
maßstäblichen Lehrer und seine Art zu<br />
lehren anschauen. Tatsächlich war ja<br />
Jesus Lehrer, und er ist auch von seinen<br />
Schülern/Jüngern immer wie<strong>de</strong>r so angere<strong>de</strong>t<br />
wor<strong>de</strong>n: „Didaskale“. Er lehrte<br />
sie, und es lohnt sich, Inhalt und Metho<strong>de</strong><br />
seiner Lehre einmal zu vergleichen.<br />
Ein jüdischer Lehrer war zur Zeit<br />
Jesu automatisch ein Lehrer <strong>de</strong>s Gesetzes.<br />
Weil die Schrift im Ju<strong>de</strong>ntum gleichsam<br />
<strong>de</strong>r Ort Gottes war, kam es auch<br />
auf <strong>de</strong>n Buchstaben <strong>de</strong>r Schrift an. Deshalb<br />
waren die Schriftgelehrten eigentlich<br />
nur fromme Ju<strong>de</strong>n, die es ernst<br />
meinten mit <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>s göttlichen<br />
Willens, <strong>de</strong>n sie im Gesetz meinten,<br />
unmittelbar greifen<br />
zu können. Auch<br />
Jesus schätzt die<br />
Schrift sehr hoch<br />
ein. In <strong>de</strong>r Bergpredigt<br />
in Matthäus 5<br />
schärft er die genaue<br />
Lektüre ein:<br />
„Kein Jota soll vom<br />
Gesetz und von <strong>de</strong>n Propheten weggenommen<br />
wer<strong>de</strong>n“. Dann aber folgt ein<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Satz: „Wenn aber eure<br />
Gerechtigkeit nicht größer ist <strong>als</strong> die<br />
<strong>de</strong>r Schriftgelehrten und Pharisäer, dann<br />
wer<strong>de</strong>t ihr nicht in das Himmelreich<br />
kommen.“ Das Gesetz ist gut, aber das<br />
Gesetz ist offenbar nicht alles. Ist es<br />
möglich, das gute Leben – und im<br />
Neuen Testament heißt das gute Leben<br />
„basileia tou theou“, Reich Gottes,<br />
– ist es möglich, das Reich Gottes<br />
durch die Schrift und ihre möglichst<br />
pünktliche und genaue Befolgung in<br />
<strong>de</strong>r Manier einer Gebrauchsanweisung<br />
gleichsam herzustellen? Jesus sagt<br />
ein<strong>de</strong>utig nein, die Gerechtigkeit muss<br />
größer sein <strong>als</strong> die <strong>de</strong>r Schriftgelehrten.<br />
Daher kommt es darauf an, die<br />
Schrift zu lehren und zu lernen, aber<br />
auch, wie man mit ihr richtig umgeht,<br />
das heißt: Wie man „größer ist“ <strong>als</strong> die<br />
Schrift.<br />
BEITRÄGE<br />
83<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
84<br />
Nahezu alle Gleichnisse Jesu haben<br />
eine bestimmte Struktur. Sie gehen<br />
von einem Schema aus, das <strong>als</strong> solches<br />
gut und nützlich ist, das aber,<br />
wenn es absolut gesetzt wird, hinter<br />
<strong>de</strong>m Willen Gottes weit zurückbleibt,<br />
um es vorsichtig zu sagen, und in bestimmten<br />
Situation ihm gera<strong>de</strong>zu zuwi<strong>de</strong>r<br />
läuft. Sie kennen die Beispiele: Im<br />
Sabbatgebot steckt die Vorschrift, o<strong>de</strong>r,<br />
wie ich jetzt sage, das Schema, keine<br />
Arbeit zu tun. Die Jünger rupfen am<br />
Sabbat Ähren, und Jesus verteidigt das:<br />
„Der Sabbat ist für <strong>de</strong>n Menschen da,<br />
und nicht <strong>de</strong>r Mensch für <strong>de</strong>n Sabbat“.<br />
Das Grundschema unserer Wirtschaft<br />
und unseres zwischenmenschlichen<br />
Verkehrs ist das Tauschprinzip:<br />
Ware gegen gleichwertige Ware, Ware<br />
gegen Geld, Ware gegen Arbeit, Arbeit<br />
gegen Geld. Das Gleichnis von <strong>de</strong>n Arbeitern<br />
im Weinberg schafft nicht das<br />
Schema Arbeit gegen Geld ab, aber das<br />
Schema wird überboten. Diejenigen,<br />
die <strong>de</strong>n ganzen Tag gearbeitet haben,<br />
bekommen einen Denar genauso, wie<br />
die, die nur eine Stun<strong>de</strong> gearbeitet haben.<br />
Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />
steht die Überbietung, das Geschenk<br />
o<strong>de</strong>r, fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />
Der jüngere von zwei Söhnen hat<br />
sein Erbteil erhalten. Dass <strong>de</strong>r Vater<br />
<strong>de</strong>m verlorenen Sohn bei <strong>de</strong>r Rückkehr<br />
das Mastkalb schlachtet und damit <strong>de</strong>n<br />
Neid <strong>de</strong>s älteren und braven Bru<strong>de</strong>rs<br />
erregt, ist ein offener<br />
und kalkulierter<br />
Verstoß gegen das<br />
Tauschprinzip <strong>de</strong>r<br />
Gerechtigkeit. Dass<br />
Jesus bei Zachäus,<br />
<strong>de</strong>r es gera<strong>de</strong> nicht verdient hat, einkehrt<br />
und ihm die Ehre seiner Gastfreundschaft<br />
schenkt, ist ein Verstoß<br />
gegen die For<strong>de</strong>rung, das Wohlverhalten<br />
zu belohnen usw.<br />
Sie haben bemerkt, dass das letzte<br />
Beispiel kein Gleichnis ist, <strong>als</strong>o keine<br />
Geschichte von Jesus. Son<strong>de</strong>rn eine<br />
Geschichte über Jesus: Sie hat aber dieselbe<br />
Struktur wie die Gleichnisse. Ein<br />
Schema, das <strong>als</strong> solches nicht in Frage<br />
gestellt wird, wird transzendiert. Das<br />
ist kein Zufall. Und es gibt noch mehr<br />
» Gegen die Tauschgerechtigkeit<br />
steht die Überbietung,<br />
das Geschenk o<strong>de</strong>r,<br />
fromm gesagt, die Gna<strong>de</strong>.<br />
Beispiele. Die überführte Ehebrecherin<br />
in Johannes 8 wird von Schriftgelehrten<br />
eigens <strong>als</strong> Testfall für die Anwendbarkeit<br />
<strong>de</strong>s Steinigungsgesetzes bei Ehebruch<br />
herbeigeschleppt. Es geht um die<br />
Frage: Ist <strong>de</strong>r Wille Gottes in <strong>de</strong>r<br />
Schrift enthalten, müssen wir ihn nur<br />
noch umsetzen? O<strong>de</strong>r müssen wir aus<br />
<strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r Gottes mit <strong>de</strong>m<br />
Gesetz frei umgehen?<br />
Die erwischte Ehebrecherin steht<br />
<strong>als</strong>o da, und <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Gesetzesparagraph<br />
wird aufgerufen. Was tut<br />
Jesus? Er schreibt mit<br />
<strong>de</strong>m Finger auf die<br />
Er<strong>de</strong>. Er inszeniert<br />
Schrift. Er schreibt<br />
Gegenschrift. Es gibt<br />
gute Argumente, dass Johannes sich<br />
bei <strong>de</strong>m Finger Jesu, <strong>de</strong>r für ihn <strong>de</strong>r<br />
Finger <strong>de</strong>s fleischgewor<strong>de</strong>nen Logos<br />
ist, etwas gedacht hat. Schließlich war<br />
es ja auch <strong>de</strong>r Finger Gottes, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
Exodus-Geschichte das Gesetz für Mose<br />
auf die steinernen Tafeln geschrieben<br />
hatte. <strong>Diese</strong> Demonstration, wo die<br />
Schrift eine Gegenschrift setzt, wird<br />
freilich von <strong>de</strong>n Schriftgelehrten nicht<br />
<strong>als</strong> solche erkannt, <strong>de</strong>swegen fragen sie<br />
hartnäckig weiter und Jesus sagt jenen<br />
wun<strong>de</strong>rbaren Satz: „Wer ohne Sün<strong>de</strong><br />
ist, werfe <strong>de</strong>n ersten Stein. Dann bückte<br />
er sich und schrieb weiter mit <strong>de</strong>m Finger<br />
auf die Er<strong>de</strong>.“ Der schreiben<strong>de</strong> Finger<br />
Jesu, und mit Johannes gelesen ist<br />
das <strong>de</strong>r schreiben<strong>de</strong><br />
Finger Gottes, rahmt<br />
<strong>als</strong>o diesen Satz ein.<br />
Wir erfahren keineswegs,<br />
was da geschrieben<br />
wur<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn nur dass da geschrieben wur<strong>de</strong>.<br />
Jesus macht eine Art Lehr-Performance<br />
und zeigt, wie man mit <strong>de</strong>r<br />
Schrift, in <strong>de</strong>r alle Verhaltensschemata<br />
aufgeschrieben sind, umgehen muss.<br />
Den Gegensatz von Inhalt und Metho<strong>de</strong><br />
gibt es bei Jesus offensichtlich nicht.<br />
Seine Metho<strong>de</strong> ist das Transzendieren<br />
von Schemata, und das genau<br />
ist es auch, was er predigt. Er tut das,<br />
was er lehrt. Er macht es vor, und er<br />
ver<strong>de</strong>utlicht seine Handlung durch sein<br />
» Freiheit ist die Voraussetzung,<br />
um Schemata<br />
zu transzendieren.<br />
Re<strong>de</strong>n und durch seine Gleichnisse.<br />
<strong>Diese</strong> Einheit von Medium und Inhalt<br />
hat aber nichts zu tun mit methodischem<br />
Schnickschnack. Es hat aber etwas<br />
zu tun mit Freiheit. Freiheit ist die<br />
Voraussetzung, um Schemata zu transzendieren.<br />
Die Schemata sind nicht an<br />
sich schlecht, wir brauchen sie, um unser<br />
Leben zu meistern. Sie helfen uns,<br />
die Komplexität <strong>de</strong>s Lebens zu reduzieren.<br />
90 o<strong>de</strong>r 99 Prozent aller Probleme<br />
<strong>de</strong>s Alltags können wir nach bestimmten<br />
Vorbil<strong>de</strong>rn und Mustern lösen,<br />
wenn wir sie<br />
gelernt haben. Das<br />
macht uns und <strong>de</strong>m<br />
lieben Gott Freu<strong>de</strong>.<br />
Es ist wie<strong>de</strong>r dieselbe<br />
Freu<strong>de</strong> am Erfolg, von <strong>de</strong>r ich<br />
schon am Anfang gesprochen habe. Ich<br />
nenne sie einmal die Freu<strong>de</strong> Nr. 1, die<br />
Freu<strong>de</strong>, die wir empfin<strong>de</strong>n, wenn wir<br />
die Anfor<strong>de</strong>rungen, die das Schema an<br />
uns stellt, erfüllt haben und dafür auch<br />
<strong>de</strong>n Lohn bekommen. Nun gibt es aber<br />
eine an<strong>de</strong>re Freu<strong>de</strong>, die ich von dieser<br />
Freu<strong>de</strong> Nr. 1 unterschei<strong>de</strong>n möchte und<br />
die ich folglich Freu<strong>de</strong> Nr. 2 nenne.<br />
<strong>Diese</strong> Freu<strong>de</strong> kommt aber erst auf,<br />
wenn wir, die Nachkommen Adams,<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r göttliche Atem eingespeist<br />
ist und die wir nach <strong>de</strong>m Bild Gottes<br />
geschaffen sind, <strong>als</strong> kleine Mitschöpfer<br />
kreativ sein dürfen und die Schemata<br />
transzendieren. Was macht – so hatte<br />
ich gefragt – <strong>de</strong>n Eltern und <strong>de</strong>m lieben<br />
Gott Freu<strong>de</strong>? Sollte man das auseinan<strong>de</strong>r<br />
dividieren? Natürlich nicht! Was<br />
<strong>de</strong>m lieben Gott Freu<strong>de</strong> macht, müsste<br />
eigentlich auch uns Eltern Freu<strong>de</strong> machen.<br />
Das wür<strong>de</strong> in dieser allgemeinen<br />
Formulierung sicher je<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong> von<br />
uns unterschreiben. Aber ist das auch<br />
so? Akzeptieren wir tatsächlich die<br />
göttliche Perspektive? Ich stelle die<br />
Frage noch einen Moment zurück und<br />
versuche erst noch einmal, etwas genauer<br />
zu verstehen, wann die göttliche<br />
Freu<strong>de</strong> ausbricht. Was sagt <strong>de</strong>r Lehrer?<br />
Ich meine natürlich immer noch <strong>de</strong>n<br />
Lehrer Jesus. Wer freut sich in <strong>de</strong>n<br />
Gleichnissen Jesu?<br />
Es freut sich natürlich – darüber<br />
gibt es überhaupt keinen Zweifel – <strong>de</strong>r<br />
INFO 34 · 2/2005
Dr. Eckhard Nordhofen<br />
Vater <strong>de</strong>s verlorenen Sohnes. Er sieht<br />
ihn von weitem und läuft ihm entgegen,<br />
er nimmt ihn in die Arme. Eine rühren<strong>de</strong><br />
Szene. Natürlich freut sich auch <strong>de</strong>r<br />
Sohn. Er hat ja auch allen Grund; <strong>de</strong>nn<br />
wenn es nach <strong>de</strong>m Schema gegangen<br />
wäre, in diesem Fall nach <strong>de</strong>m, was<br />
ihm nach <strong>de</strong>m Erbrecht zusteht, hätte er<br />
keinerlei Ansprüche geltend machen<br />
können. Seine Hoffnung war ja auch<br />
recht beschei<strong>de</strong>n. Wenn er gera<strong>de</strong> so<br />
gehalten wür<strong>de</strong> wie die Knechte seines<br />
Vaters, dann hätte er es immerhin besser<br />
gehabt <strong>als</strong> dort, wo er mit <strong>de</strong>n<br />
Schweinen, <strong>de</strong>n unreinen Tieren, aus<br />
einem Trog hatte essen müssen. Aber<br />
<strong>de</strong>r Vater hält sich nicht an das Schema,<br />
er transzendiert es, und es wird ein<br />
Fest gefeiert, das Mastkalb geschlachtet.<br />
Es herrscht Freu<strong>de</strong>, weil das strenge<br />
Tauschprinzip, die Waage in unserem<br />
Kopf, das Symbol einer bestimmten<br />
nahezu mechanischen Gerechtigkeit,<br />
Wohlverhalten gegen Wohlergehen, je<strong>de</strong>r<br />
bekommt das, was er verdient, weil<br />
diese Waage außer Kraft gesetzt ist.<br />
Das Geschenk o<strong>de</strong>r die Gna<strong>de</strong> geht vor<br />
diesem Recht. Gna<strong>de</strong> vor Recht – das<br />
macht Freu<strong>de</strong>, das macht göttliche<br />
Freu<strong>de</strong>. Und zwar bei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Vater<br />
und <strong>de</strong>m Sohn, <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r schenkt, und<br />
<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r das Geschenk empfängt, das,<br />
worauf er keinerlei Anspruch hat. Das<br />
ist Luxus, das ist eine Überschreitung,<br />
eine Transzendierung, so geht es zu im<br />
Reich Gottes. Genauso haben sich auch<br />
die Kurzarbeiter gefreut, die für nur eine<br />
Stun<strong>de</strong> Arbeit <strong>de</strong>n Lohn eines ganzen<br />
Tages bekommen haben. Und natürlich<br />
hat sich auch Zachäus gefreut,<br />
<strong>de</strong>r <strong>als</strong> stadtbekannter Kollaborateur<br />
mit <strong>de</strong>r steuererheben<strong>de</strong>n Besatzungsmacht<br />
ein notorischer Sün<strong>de</strong>r war. Und<br />
wie wird sich erst die Frau gefreut haben,<br />
die beim Ehebruch erwischt wor<strong>de</strong>n<br />
war, die, wenn es nach <strong>de</strong>m Schema,<br />
nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>s Mose gegangen<br />
wäre, ihrer „gerechten“ Strafe, gerecht<br />
je<strong>de</strong>nfalls im Sinne einer Gesetzesgerechtigkeit,<br />
so wie sie manche<br />
Schriftgelehrten verstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n qualvollen<br />
Tod durch Steinigen hätte erlei<strong>de</strong>n<br />
müssen. In allen diesen Geschichten,<br />
es sind wie gesagt sowohl Geschichten,<br />
die Jesus selber erzählt, <strong>als</strong><br />
auch Geschichten, die über ihn erzählt<br />
wer<strong>de</strong>n, wird ganz ein<strong>de</strong>utig zunächst<br />
einmal etwas f<strong>als</strong>ch gemacht. Es wird<br />
eine Norm unterschritten. Damit das<br />
klar ist, dass hier nicht die Norm außer<br />
Kraft gesetzt wer<strong>de</strong>n soll, wird es am<br />
<strong>de</strong>utlichsten wohl in <strong>de</strong>r Geschichte<br />
von <strong>de</strong>r Ehebrecherin auch noch einmal<br />
ausdrücklich betont: Jesus ist natürlich<br />
kein Befürworter <strong>de</strong>s Ehebruchs,<br />
das wird unmissverständlich<br />
dargestellt. Er sagt: „Geh hin und sündige<br />
nicht mehr“. Eigentlich versteht es<br />
sich von selbst. Wer sich so verhält wie<br />
<strong>de</strong>r leichtsinnige Sohn, <strong>de</strong>n bestraft das<br />
Leben schon selbst. Er wird ja nicht dafür<br />
belohnt, dass er das Erbteil verprasst<br />
hat. Er wird überhaupt nicht belohnt,<br />
<strong>de</strong>nn Lohn erhält man für eine<br />
Arbeit. Der Lohn steht einem zu. Er<br />
hingegen wird beschenkt. Und das ist<br />
es, worüber die göttliche Freu<strong>de</strong> aufkommt.<br />
Freu<strong>de</strong> herrscht im Himmel<br />
mehr über einen Sün<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r umkehrt,<br />
<strong>als</strong> über die Menge <strong>de</strong>r Gerechten. Das<br />
spricht nicht gegen die Gerechtigkeit<br />
und nicht gegen die Norm. Der Arbeiter<br />
ist seines Lohnes wert. Selbstverständlich<br />
soll er bekommen, was ihm<br />
zusteht, dann muss er, dann darf er aber<br />
auch zufrie<strong>de</strong>n sein. Und sicher wer<strong>de</strong>n<br />
die Ganztagsarbeiter, die die Last und<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
Hitze <strong>de</strong>s Tages getragen haben, wenn<br />
alles nach <strong>de</strong>m Schema, nach <strong>de</strong>r Norm<br />
gegangen wäre, durchaus zufrie<strong>de</strong>n mit<br />
ihrem Denar nach Hause gegangen<br />
sein. So ist es aber nicht. Zusehen, wie<br />
an<strong>de</strong>re etwas geschenkt bekommen, da<br />
opponiert etwas in uns. Ich erinnere<br />
mich sehr gut, dass immer dann, wenn<br />
ich das Gleichnis von <strong>de</strong>n Arbeitern im<br />
Weinberg in <strong>de</strong>r Schule, gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
unteren Klassen besprochen habe, regelmäßig<br />
<strong>de</strong>r Ruf ertönte: „Ungerecht!“<br />
Dass es in <strong>de</strong>r Schule, vor allen Dingen<br />
bei <strong>de</strong>r Notengebung und überhaupt gerecht<br />
zugeht, das ist ein hohes Gut, das<br />
die Schüler immer einfor<strong>de</strong>rn. Kaum<br />
ein Vorwurf, <strong>de</strong>n Schüler gegen Lehrer<br />
erheben, wird mit mehr Entrüstung und<br />
Empörung vorgetragen <strong>als</strong> wenn es<br />
heißt: „Das ist aber ungerecht!“<br />
Das Tauschprinzip sitzt sehr tief<br />
und es ist auch die Norm, nach <strong>de</strong>r wir<br />
unser Leben organisieren. Es ist das<br />
Schema überhaupt. Es ist auch das Schema<br />
unserer gesamten Wirtschaft und<br />
Ökonomie. <strong>Diese</strong>r Grundmechanismus<br />
gehört zum kleinen Einmaleins <strong>de</strong>r<br />
Volkswirtschaftslehre – ich habe ihn<br />
schon erwähnt – Ware gegen Ware,<br />
Dienstleistung gegen Ware, Ware gegen<br />
Geld. Geld, das ist die kulturhistorisch<br />
höchst be<strong>de</strong>utsame Erfindung <strong>de</strong>s<br />
BEITRÄGE<br />
85<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
86<br />
Mediums, das die Äquivalenz zwischen<br />
all diesen Größen herstellen<br />
kann. Geld ist das Medium <strong>de</strong>s Äquivalententauschs.<br />
Wenn die Waage im<br />
Gleichgewicht ist, dann ist Äquivalenz<br />
hergestellt. Und wann das <strong>de</strong>r Fall ist,<br />
wissen wir auch. Das hängt von Angebot<br />
und Nachfrage ab. Das knappe Gut<br />
ist viel wert. Was es im Überfluss gibt,<br />
kostet nicht viel. <strong>Diese</strong> Kategorie <strong>de</strong>s<br />
Äquivalententauschs haben wir so sehr<br />
verinnerlicht, dass sie weit über die reine<br />
Sphäre <strong>de</strong>s Wirtschaftens hinausreicht.<br />
Freundlichkeiten und Unfreundlichkeiten<br />
im zwischenmenschlichen<br />
Verkehr funktionieren nach <strong>de</strong>m Schema<br />
<strong>de</strong>s Äquivalententauschs. Wir lieben<br />
unsere Freun<strong>de</strong>, weil sie uns lieben.<br />
Wenn einer uns etwas Böses tut, dann<br />
rächen wir uns. Verräterisch ist <strong>de</strong>r<br />
Satz, <strong>de</strong>r oft nach einem netten Abend<br />
mit Gästen zu hören ist: „Da müssen<br />
wir uns aber <strong>de</strong>mnächst revanchieren,<br />
<strong>als</strong> nächstes kommen Sie aber auch mal<br />
zu uns!“ Seien wir ehrlich, die Tauschgerechtigkeit<br />
ist eine Sache, die uns tatsächlich<br />
im Normalfall auch sehr weit<br />
bringt. Es ist ja ein Mechanismus, auf<br />
<strong>de</strong>n man setzen und bauen kann. Da<br />
weiß man doch, woran man ist. Auf<br />
diese Weise kommt man doch recht gut<br />
durch das Leben. Denn immerhin kann<br />
ich doch die Bedingungen für mein<br />
Wohlergehen selbst herstellen, durch<br />
Arbeit. Das habe ich selbst in <strong>de</strong>r Hand,<br />
das ist normal, und das ist durchaus gut<br />
so. Und so ist das Leben. Es ist das ein<strong>de</strong>utig<br />
nachparadiesische Leben, in <strong>de</strong>m<br />
wir im Schweiße unseres Angesichts<br />
unser Brot essen, das wir uns mit unserer<br />
Hän<strong>de</strong> Arbeit verdient haben. Ist<br />
das ein Quell <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>? Vielleicht!<br />
Allenfalls aber Freu<strong>de</strong> Nr. 1, eine Freu<strong>de</strong><br />
über <strong>de</strong>n Erfolg. Im Grun<strong>de</strong> wür<strong>de</strong><br />
ich aber hier <strong>de</strong>n Begriff einer Befriedigung<br />
o<strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit vorziehen. Je<strong>de</strong>r<br />
ist seines Glückes Schmied, und von<br />
nichts kommt nichts. Halten wir noch<br />
einmal fest: Der Äquivalententausch ist<br />
das Grundprinzip unserer Ökonomie.<br />
Damit bin ich bei <strong>de</strong>m heimlichen<br />
Oberkriterium, das in Begriff ist, nach<br />
und nach alle unsere Lebensbereiche<br />
zu durchdringen. Das Neue ist, dass das<br />
ökonomische, funktionalistische Denken<br />
auch in Lebensbereiche eindringt,<br />
in <strong>de</strong>nen es gar nicht primär um return<br />
on investment geht. Der Äquivalententausch,<br />
die grundlegen<strong>de</strong> ökonomistische<br />
Kategorie, kann im privatesten<br />
Kern unserer zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen angetroffen wer<strong>de</strong>n, zum<br />
Beispiel dort, wo eine Partnerschaft an<br />
<strong>de</strong>r Frage zerbricht: „Was habe ich davon?“<br />
In <strong>de</strong>r Wirtschaft ist es je<strong>de</strong>nfalls<br />
nach meinem Dafürhalten in Ordnung,<br />
wenn das System von <strong>de</strong>m Oberkriterium<br />
return on investment regiert wird.<br />
Aber die Qualität <strong>de</strong>s Familienlebens<br />
einer Eltern-Kind-Beziehung, einer Beziehung<br />
zwischen Eheleuten, ist doch<br />
davon abhängig, dass gera<strong>de</strong> nicht das<br />
Nutzenkalkül regiert. Leo O’Donovan,<br />
<strong>de</strong>r sich über das Verhältnis <strong>de</strong>s funktionalistischen<br />
ökonomischen Denkens<br />
zum Bildungsgedanken beispielhaft geäußert<br />
hat, spricht von einem Übersprungeffekt,<br />
wenn das funktionalistische<br />
Denken und funktionalistische<br />
Vorgehens- und Optimierungsmetho<strong>de</strong>n<br />
unbesehen in das Bildungswesen<br />
eindringen. Genau dies ist aber nach<br />
PISA <strong>de</strong>r Fall. Wir können sogar rekonstruieren,<br />
wie es dahin gekommen<br />
ist. Es ist unübersehbar, dass das politische<br />
Gewicht, das <strong>de</strong>m Thema Bildung<br />
inzwischen zukommt, ganz ein<strong>de</strong>utig<br />
darauf zurückgeht, dass Bildung von<br />
<strong>de</strong>n Ökonomen und <strong>de</strong>n Politikern <strong>als</strong><br />
Primärressource i<strong>de</strong>ntifiziert wor<strong>de</strong>n<br />
ist. Dass Wissen Macht ist und dass für<br />
<strong>de</strong>n wirtschaftlichen Erfolg bestimmte<br />
Schlüsselqualifikationen wie Lesen,<br />
Schreiben und Rechnen eine Voraussetzung<br />
bil<strong>de</strong>n, das hat man immer<br />
schon gewusst. Für das Beschäftigungssystem<br />
und <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Ökonomie<br />
brauchte es immer schon einen Vorlauf,<br />
das Ausbildungssystem. <strong>Diese</strong><br />
Grundfertigkeiten und Fähigkeiten waren<br />
nötig, um Ressourcen zu erschließen,<br />
aber Bildung war selber noch nicht<br />
selbst <strong>als</strong> Produktionsmittel, <strong>als</strong> Primarressource,<br />
im Blick. Inzwischen<br />
aber kommt keine Grundsatzre<strong>de</strong> ohne<br />
die immer noch <strong>als</strong> frisch gewonnene<br />
Erkenntnis verkün<strong>de</strong>te Botschaft aus:<br />
„Bildung, das ist <strong>de</strong>r neue Bo<strong>de</strong>nschatz“.<br />
Vor allem für Län<strong>de</strong>r wie<br />
Deutschland, die arm an Bo<strong>de</strong>nschätzen<br />
sind, brauchen wir Bildung <strong>als</strong> Primärressource<br />
und Quelle von Innovation,<br />
Produktivität etc. In allen Sonntagsre<strong>de</strong>n<br />
über Bildung und ihre Reform<br />
wer<strong>de</strong>n Sie diesen Topos fin<strong>de</strong>n,<br />
und <strong>de</strong>swegen ist die For<strong>de</strong>rung nach<br />
einer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bildung inzwischen<br />
inflationär gewor<strong>de</strong>n. Umso größer<br />
ist das Rätsel, das man darin sehen<br />
muss, dass in das Bildungssystem nicht<br />
konsequent kraftvoll investiert wird.<br />
Zu <strong>de</strong>r Bildungs<strong>de</strong>batte gibt es einen<br />
sehr weitgehen<strong>de</strong>n Konsens darüber,<br />
dass diese Reform <strong>de</strong>shalb nötig ist<br />
und forciert wer<strong>de</strong>n muss, damit es mit<br />
<strong>de</strong>r kränkeln<strong>de</strong>n Wirtschaft und allem,<br />
was damit zusammenhängt, Arbeitsplätze<br />
etc., wie<strong>de</strong>r aufwärts geht. Ist es<br />
in Ordnung, dass wir diese Bildungs<strong>de</strong>batte<br />
nach diesem heimlichen Oberkriterium<br />
ausrichten? Ich habe die Klagen<br />
bestimmter Ökonomen und Manager<br />
im Ohr, die for<strong>de</strong>rn: „Das Ausbildungssystem<br />
muss das Beschäftigungssystem<br />
endlich so beliefern, wie dieses Beschäftigungssystem<br />
es braucht.“ Kürzlich<br />
ging die Klage <strong>de</strong>s BDI wie<strong>de</strong>r einmal<br />
durch die Presse: So und so viel<br />
Prozent <strong>de</strong>r Schulabgänger sind nicht<br />
<strong>als</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> brauchbar, 10 % haben<br />
überhaupt keinen Abschluss. Daher<br />
muss die Lehrerausbildung mit Betriebspraktika<br />
kombiniert wer<strong>de</strong>n, die<br />
Bezogenheit auf Schulformen muss aufgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n etc. Natürlich hat die<br />
GEW auf dieses Stichwort sofort begeistert<br />
reagiert. Wenn schon die Wirtschaft<br />
das geglie<strong>de</strong>rte Schulwesen aufgeben<br />
will, dann haben wir auf <strong>de</strong>m<br />
Weg zur Gesamtschule einen neuen<br />
Bun<strong>de</strong>sgenossen.<br />
Ich lasse mich jetzt sehr bewusst<br />
einmal auf das Kriterium <strong>de</strong>s Tausches<br />
ein und akzeptiere die Frage, „Was ist<br />
<strong>de</strong>nn gut für die Wirtschaft?“, auch<br />
<strong>de</strong>shalb, weil ich an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> manche<br />
Globalisierungskritiker eine Marktwirtschaft,<br />
wenn sie <strong>de</strong>nn sozial bleibt,<br />
nicht für <strong>de</strong>n altbösen Feind, son<strong>de</strong>rn<br />
für das Mittel <strong>de</strong>r Wahl halte. Welche<br />
INFO 34 · 2/2005
Bildung aber nützt <strong>de</strong>r Wirtschaft langfristig?<br />
Ist das, was wir <strong>de</strong>rzeit auf <strong>de</strong>r<br />
Ebene <strong>de</strong>r KMK und auch in <strong>de</strong>n Umsetzungsstrategien<br />
<strong>de</strong>r Kultusministerien<br />
erleben, wirklich <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
nützlich? Was erleben wir <strong>de</strong>nn? Wir<br />
erleben eine beispiellose Reformhektik,<br />
wie sie eintritt, wenn in einem Profit-Unternehmen<br />
eine Zielvereinbarung<br />
gemacht wird, ein Zeitfenster ausgemessen<br />
wird und zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>r messbare Erfolg vorgezeigt<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Was wir <strong>de</strong>rzeit in<br />
Hessen erleben, sieht mir ganz danach<br />
aus, <strong>als</strong> habe <strong>de</strong>r Ministerpräsi<strong>de</strong>nt das<br />
Thema Bildung zur Chefsache gemacht<br />
und <strong>de</strong>r Kultusministerin vorgegeben:<br />
Kurz vor <strong>de</strong>r nächsten Wahl sind folgen<strong>de</strong><br />
Reformen durchgezogen:<br />
1. Umstellung einer Inputsteuerung auf<br />
Outputsteuerung, d. h. Umstellung<br />
<strong>de</strong>s Systems <strong>de</strong>r Lehrpläne auf ein<br />
System von Bildungsstandards.<br />
2. Ein neues Evaluationssystem, das<br />
Bildungsstandards einführt, wird<br />
etabliert: Es wer<strong>de</strong>n standardisierte<br />
Vergleichsarbeiten geschrieben.<br />
3. Ausschöpfung <strong>de</strong>r Ressourcen im<br />
Elementarbereich. Der Hirnforscher<br />
Wolf Singer behauptet, es gäbe im<br />
Kin<strong>de</strong>rgartenalter ein nur für kurze<br />
Frist geöffnetes Fenster, in <strong>de</strong>m die<br />
Kin<strong>de</strong>r spielend eine Fremdsprache<br />
lernen können. Wir können es uns<br />
nicht leisten, diese Ressource im<br />
Kin<strong>de</strong>rgarten zu verspielen, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgarten<br />
muss zur „école maternelle“<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n: Wir machen<br />
einen Plan, Schule von 0 bis 10.<br />
4. Das Zentralabitur wird eingeführt.<br />
5. Verkürzung <strong>de</strong>r Gymnasialzeit von<br />
9 auf 8 Jahre.<br />
6. Grundlegen<strong>de</strong> Neuorganisation <strong>de</strong>r<br />
Lehrerfortbildung. Dabei gilt folgen<strong>de</strong><br />
Sicht: Ich, <strong>de</strong>r Staat, kaufe auf<br />
<strong>de</strong>m Markt Lehrer ein, die mir bestimmte<br />
Qualifikationen und Kompetenzen<br />
vorhalten müssen, nämlich<br />
Fachkompetenz, Metho<strong>de</strong>nkompetenz<br />
etc. <strong>Diese</strong> Gegenleistung<br />
ist das, was ich ihm über sein<br />
Gehalt bezahle, und für das, was er<br />
mir anbietet, ist er selbst verantwortlich:<br />
Er muss sich <strong>als</strong>o ausbil<strong>de</strong>n<br />
und fortbil<strong>de</strong>n, und zwar auf<br />
seine Kosten. Darüber führt er ein<br />
Portfolio und muss mir das nach einem<br />
bestimmten Evaluationssystem<br />
auch nachweisen. Das ist für<br />
das Land auf je<strong>de</strong>n Fall billiger <strong>als</strong><br />
<strong>de</strong>r Unterhalt eines eigenen Fortbildungsinstituts!<br />
7. Damit zusammen hängt die Neuordnung<br />
<strong>de</strong>r Lehrerausbildung. Das<br />
Studium wird neu nach <strong>de</strong>m Bachelor-<br />
und Mastersystem in Modulen<br />
strukturiert, die erste und die zweite<br />
Phase <strong>de</strong>r Lehrerausbildung wer<strong>de</strong>n<br />
verschränkt, die Anteile von allgemeiner<br />
Pädagogik, Didaktik und<br />
Methodik während <strong>de</strong>s Studiums<br />
wer<strong>de</strong>n vergrößert.<br />
8. Verschie<strong>de</strong>ne Varianten von Ganztagsschulen<br />
wer<strong>de</strong>n etabliert.<br />
9. Die Schulen sollen durch Budgetierung<br />
eigene Spielräume erhalten,<br />
die sie durch jeweilige Schulprofile<br />
und pädagogische Schulprogramme<br />
im Sinne eines Wettbewerbs untereinan<strong>de</strong>r<br />
ausnützen können.<br />
Wenn ich richtig mitgezählt habe,<br />
sind das 9 Baustellen, die wir in Hessen,<br />
und zwar alle gleichzeitig, bearbeiten.<br />
Keiner dieser Reformeinsätze<br />
ist von vorne herein unsinnig, alle sind<br />
interessant und wert, untersucht und erprobt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Aber ist es klug, alle<br />
diese Reformen gleichzeitig durchzuführen,<br />
nur um vor <strong>de</strong>r nächsten Wahl<br />
dann plakatieren zu können: Hessen,<br />
Bildungsland Nr. 1. Inzwischen ist <strong>de</strong>r<br />
Unmut <strong>de</strong>r Betroffenen über das angerichtete<br />
Chaos in <strong>de</strong>n<br />
» Eine Bildungsreform, die<br />
sich auf das konzentriert,<br />
was vor<strong>de</strong>rgründig und<br />
scheinbar <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />
nützt, ist<br />
langfristig gera<strong>de</strong> nicht erfolgreich.<br />
Schulen und Ausbildungssystemen<br />
erheblich.<br />
Ich habe erhebliche<br />
Zweifel, ob<br />
die Rechnung <strong>de</strong>r<br />
Lan<strong>de</strong>sregierung<br />
aufgeht und <strong>de</strong>r<br />
Wähler dieses Vorgehen<br />
honoriert. Es wür<strong>de</strong> mich nicht<br />
wun<strong>de</strong>rn, wenn <strong>de</strong>r Schuss nach hinten<br />
losgeht. Es wäre nicht die erste hessische<br />
Lan<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>ren Wie<strong>de</strong>rwahl<br />
an einer f<strong>als</strong>chen Bildungsreformpolitik<br />
scheiterte. Dabei gibt es, wenn<br />
man einmal von speziellen Fragestellungen<br />
in Schleswig-Holstein absieht,<br />
kaum erkennbare Politikunterschie<strong>de</strong><br />
nach A- und B-Län<strong>de</strong>rn. Es geht mir<br />
hier auch nicht um das Wohlergehen<br />
von Lan<strong>de</strong>sregierungen, son<strong>de</strong>rn um die<br />
Frage, ob tatsächlich diese mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger fantasielos aus <strong>de</strong>m Produktionssektor<br />
und <strong>de</strong>m Profit-Bereich übertragenen<br />
Metho<strong>de</strong>n und Ansätze wirklich<br />
die Ziele erreichen, die man sich<br />
erhofft. Die KMK hat Beschlüsse gefasst,<br />
die zeigen, dass es unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r politischen Farbe diese Übersprungeffekte<br />
gibt. Ich nenne das <strong>de</strong>n<br />
PISA-Effekt.<br />
Wir haben sehr früh hier bei einem<br />
Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik im Bistum<br />
Limburg die Frage gestellt: „Was ist<br />
schief an PISA?“ und festgestellt, dass<br />
tatsächlich eine Bildungsreform, die<br />
sich auf das konzentriert, was vor<strong>de</strong>rgründig<br />
und scheinbar <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />
nützt, langfristig gera<strong>de</strong><br />
nicht erfolgreich ist. Der PISA-Effekt<br />
son<strong>de</strong>rt nämlich die so genannten harten<br />
von <strong>de</strong>n weichen Fächern ab. Dann<br />
liegt die Ten<strong>de</strong>nz nah, die weichen Fächer<br />
und Inhalte aus <strong>de</strong>m Bildungskonzept<br />
<strong>de</strong>r Schule herauszukürzen. Die<br />
vor<strong>de</strong>rgründige Plausibilität sagt, was<br />
<strong>de</strong>r Wirtschaft und <strong>de</strong>m Beschäftigungssystem<br />
nützt: <strong>als</strong>o Deutsch abzüglich<br />
Lyrik, Belletristik, Literatur,<br />
<strong>als</strong>o Lesekompetenz, Textverstehen und<br />
Reproduzieren können; Mathematik,<br />
Denken in Strukturen und Zahlen und<br />
damit hantieren können; Fremdsprachen<br />
und Naturwissenschaften, daneben<br />
das Fach Wirtschaft,<br />
<strong>de</strong>nn natürlich<br />
nützt „Wirtschaft“<br />
<strong>de</strong>r Wirtschaft.<br />
Alle an<strong>de</strong>ren<br />
Fächer sind im Grun<strong>de</strong><br />
entbehrlich. Für<br />
die Freizeit wird die<br />
Menschheit schon<br />
selbst sorgen. Künstlerische, literarische,<br />
musische, religiöse Bildung, das<br />
sind Luxusunternehmungen, für die<br />
wir we<strong>de</strong>r Zeit noch Geld haben. Das<br />
klingt zunächst sehr plausibel, ist aber<br />
BEITRÄGE<br />
87<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
88<br />
eine Strategie, die ich <strong>als</strong> die ein<strong>de</strong>utig<br />
zweitintelligenteste bezeichnen wür<strong>de</strong>.<br />
Für die weitaus intelligentere Lösung<br />
halte ich die These, die Leo O’Donovan,<br />
Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Georgetown-Universität<br />
– ich hatte ihn schon erwähnt –<br />
im Jahre 2000 auf <strong>de</strong>m Tempi-Kongress<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kirchen zur Bildungsreform<br />
aufgestellt hat, nämlich die<br />
These von <strong>de</strong>r Nützlichkeit <strong>de</strong>s Übernützlichen.<br />
Leo O’Donovan, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt einer<br />
amerikanischen Eliteuniversität,<br />
die sich beson<strong>de</strong>rs auf ökonomischen<br />
Gebiet <strong>de</strong>s allerbesten Rufs erfreut,<br />
macht dies am Sabbat-Gedanken klar.<br />
Ich darf <strong>de</strong>njenigen unter Ihnen, die die<br />
Tempi-Thesen noch nicht kennen, die<br />
Argumentation kurz in Erinnerung rufen;<br />
dann wer<strong>de</strong>n Sie auch merken, warum<br />
ich Sie so gründlich an <strong>de</strong>n Lehrer<br />
Jesus erinnert hatte und an <strong>de</strong>n roten<br />
Fa<strong>de</strong>n seiner Lehre: Immer wie<strong>de</strong>r hat<br />
Jesus Schemata selbst transzendiert<br />
und in seinen Geschichten Beispiele<br />
dafür gegeben, wie man die Gerechtigkeit<br />
<strong>de</strong>s Äquivalententauschs, das, was<br />
nützlich und funktional ist, zu überspringen,<br />
kurz: das Nützliche durch das<br />
Übernützliche zu ersetzen. Dabei war<br />
es ihm weiß Gott nicht um das grundsätzliche<br />
<strong>de</strong>struktive Verletzen <strong>de</strong>r<br />
Schemata gegangen, son<strong>de</strong>rn um das<br />
Reich Gottes. Wenn das Schema <strong>de</strong>m<br />
Reich Gottes dient, dann ist es gut. So<br />
wie das Gesetz gut ist. Auch <strong>de</strong>r Sabbat<br />
ist gut. Aber er ist für <strong>de</strong>n Menschen da.<br />
Der Sabbat ist für Leo O’Donovan das<br />
alttestamentliche Beispiel dafür, wie<br />
nützlich es sein kann, einen Zeitraum<br />
zu haben, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> nicht vom Nutzenkalkül<br />
regiert wird. Arbeit heißt ja,<br />
Nutzen verfolgen. Wir setzen uns Ziele<br />
und bemühen uns, diese Ziele zu erreichen.<br />
Am Sabbat aber, so sagt die Tora,<br />
sollst du keinerlei Arbeit tun. Das<br />
heißt, an diesem Tag herrscht göttliche<br />
Ruhe. Es ist <strong>de</strong>r siebte Tag, das Schöpfungswerk<br />
ist getan, und Gott ruhte.<br />
Weil Adam <strong>de</strong>n göttlichen Atem eingeblasen<br />
bekam, <strong>de</strong>r ihm das Leben gab,<br />
darf er zum Mitschöpfer, zum Mitarbeiter<br />
Gottes wer<strong>de</strong>n. Er steht neben<br />
Gott, <strong>als</strong> es darum geht, <strong>de</strong>n Tieren Namen<br />
zu geben. So wie er sie benannte,<br />
so sollten sie heißen. Adam ist ein kleiner<br />
Mitschöpfer, er ist belebt durch<br />
göttlichen Atem. Deswegen darf er teilnehmen<br />
an <strong>de</strong>r göttlichen Ruhe. Ich zitiere<br />
Leo O’Donovan: „Arbeiten heißt<br />
Zwecke verfolgen. Der ‚Tag <strong>de</strong>s Herrn’<br />
aber ist <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r großen Aussparung<br />
aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s Funktionalismus. Er<br />
ist herausgesprengt aus <strong>de</strong>m Kontinuum<br />
<strong>de</strong>r Zeit und <strong>de</strong>r Zwecke. All dies<br />
gilt auch für <strong>de</strong>n Sonntag, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Sabbat<br />
<strong>de</strong>s Alten Testaments beerbt… Es<br />
lohnt sich, unsere Erfahrungen damit<br />
etwas näher zu untersuchen: Was tun<br />
wir eigentlich, wenn wir nicht arbeiten?<br />
Wir spielen, feiern, genießen… Streng<br />
genommen können wir niem<strong>als</strong> wirklich<br />
nichts tun. Was aber geschieht konkret,<br />
wenn wir nicht arbeiten, aber auch<br />
nicht nichts tun können? Der kurze Horizont<br />
<strong>de</strong>s gebückten Arbeiters weitet<br />
sich zum Gesichtsfeld <strong>de</strong>s Müßigen,<br />
<strong>de</strong>r nun Zeit hat, sich und seine Sachen<br />
zu be<strong>de</strong>nken. Der Sabbat ist <strong>de</strong>r Tag<br />
<strong>de</strong>r Nach<strong>de</strong>nklichkeit. Nach<strong>de</strong>nken: Im<br />
Geist die Ereignisse <strong>de</strong>r vergangenen<br />
Woche, die Geschehnisse <strong>de</strong>r verstrichenen<br />
Zeit nachfahren, diese Erfahrungen<br />
beurteilen und verwerten. Zusammenhänge<br />
wer<strong>de</strong>n oft nur erkennbar,<br />
wenn man auf Abstand geht. So<br />
entsteht eine parteiliche memoria. Wir<br />
bewerten unsere Taten ... Der Sabbat ist<br />
die Zeit <strong>de</strong>s Nach<strong>de</strong>nkens und eine Zeit<br />
<strong>de</strong>r großen Fragen: Woher komme ich?<br />
Woher kommen wir? Wie hat alles angefangen?<br />
So blicken wir zurück. Dann<br />
aber drehen wir <strong>de</strong>n<br />
» Weil wir <strong>de</strong>m Übernützlichen<br />
Raum geben, <strong>de</strong>swegen<br />
wer<strong>de</strong>n wir innovativ.<br />
Blick und schauen<br />
nach vorne. Jetzt<br />
sollte ich besser vom<br />
Sonntag re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m<br />
ersten Tag <strong>de</strong>r Woche, an <strong>de</strong>m alles in<br />
österliches Licht getaucht ist. Es ist <strong>de</strong>r<br />
Tag <strong>de</strong>r Auferstehung, <strong>de</strong>r prospektive<br />
Feiertag <strong>de</strong>r Zukunft. Jetzt fragen wir<br />
uns nach <strong>de</strong>n Zielen, <strong>de</strong>m großen Ziel<br />
unseres Lebens, und nach <strong>de</strong>n kleinen<br />
<strong>de</strong>r nächsten Woche. Bestimmte Fehler<br />
wer<strong>de</strong>n wir nicht mehr machen. Aber<br />
da sind Probleme zu lösen. Auf die Lösungen<br />
wären wir gewiss nicht gekommen,<br />
wenn wir nicht aus <strong>de</strong>r Umzingelung<br />
pausenloser Arbeit befreit wor<strong>de</strong>n<br />
wären. Für die Lösung brauchen wir<br />
Abstand, <strong>de</strong>n freien Kopf. Der Sabbat<br />
und <strong>de</strong>r Sonntag sind die Tage, an <strong>de</strong>nen<br />
sich gute I<strong>de</strong>en einstellen: Tag <strong>de</strong>r<br />
Innovation.“<br />
Der Sabbat hat <strong>als</strong>o einen paradoxen<br />
Effekt, <strong>de</strong>n O’Donovan das „Sabbatparadox“<br />
nennt. Gera<strong>de</strong> weil wir für<br />
eine Zeit das Nützliche suspendieren,<br />
weil wir <strong>de</strong>m Übernützlichen Raum geben,<br />
<strong>de</strong>swegen wer<strong>de</strong>n wir innovativ.<br />
Es ist kein Zufall, dass es die Hemisphäre<br />
<strong>de</strong>s monotheistischen, d. h. jüdisch-christlichen<br />
Kulturkreises gewesen<br />
ist, in <strong>de</strong>m schließlich maßstäblich<br />
auch <strong>de</strong>r technische Fortschritt, <strong>de</strong>r ja<br />
ohne Innovation, ohne Erfindung und<br />
ohne das Überspringen <strong>de</strong>r Schemata<br />
nicht möglich wäre, in Gang gekommen<br />
ist. Es gibt die These, dass das<br />
Christentum, weil die Christen sich<br />
vom Ist-Zustand abstoßen, so sehr daran<br />
gewöhnt ist und darauf geeicht ist,<br />
die Schemata zu transzendieren, dass<br />
es kein Wun<strong>de</strong>r ist, dass es in <strong>de</strong>r Kultur,<br />
die durch das Christentum und sein<br />
kontrafaktisches Denken imprägniert<br />
ist, auch <strong>de</strong>r zivilisatorische Fortschritt<br />
in Gang gekommen ist. Wenn wir die<br />
Predigt Jesu hören, wer<strong>de</strong>n die Schemata<br />
vor allem <strong>de</strong>swegen transzendiert,<br />
damit wir dahin kommen, die<br />
Liebe Gottes auf unsere Mitmenschen<br />
zu übertragen, sie nicht nach <strong>de</strong>m<br />
Tauschprinzip abzuurteilen, ihnen entgegenzugehen<br />
wie <strong>de</strong>r barmherzige Vater,<br />
ein Schema<br />
transzendieren <strong>als</strong>o<br />
im moralischen<br />
Sinn. Aber es ist<br />
nicht unplausibel,<br />
<strong>als</strong> Nebenfolge auch das gute Leben<br />
dadurch zu beför<strong>de</strong>rn, dass man die Natur<br />
immer besser kultiviert, so dass <strong>de</strong>r<br />
Hunger besiegt wer<strong>de</strong>n kann, dass man<br />
sich immer bessere Häuser baut und<br />
dass man intelligent daran arbeitet,<br />
<strong>de</strong>m Reich Gottes jetzt schon näher zu<br />
kommen und nicht zu warten, bis man<br />
gestorben ist. In diesem Sinn könnte<br />
das Christentum <strong>als</strong> eine Religion <strong>de</strong>s<br />
Fortschritts bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Ich<br />
INFO 34 · 2/2005
markiere nur das Problem, dass wir inzwischen<br />
auch die Skepsis gegen <strong>de</strong>n<br />
Fortschritt kennen, vor allem dort, wo<br />
sich die Verselbständigungen breit machen.<br />
Adam Smith spricht von <strong>de</strong>r „unsichtbaren<br />
Hand <strong>de</strong>s Marktes“. Er vertraut<br />
darauf, dass das freie Spiel von<br />
Angebot und Nachfrage, <strong>de</strong>r Wettbewerb,<br />
wie von selbst das gute Leben<br />
hervorzaubern müsste. Aber – so wie<strong>de</strong>r<br />
Leo O’Donovan – diese unsichtbare<br />
Hand <strong>de</strong>r Marktwirtschaft ist nicht<br />
automatisch die<br />
Hand Gottes. Nur<br />
zu gut kennen wir<br />
inzwischen die unsozialen<br />
Nebenfolgen eines entfesselten<br />
Liberalismus. Daher muss das<br />
System <strong>de</strong>s Marktes eine begleiten<strong>de</strong><br />
Außensteuerung erfahren. Es gibt gute<br />
Grün<strong>de</strong>, in unseren Flugzeugen neben<br />
<strong>de</strong>m „automatischen Piloten“ noch einen<br />
Menschen aus Fleisch und Blut sitzen zu<br />
haben, <strong>de</strong>r von Zeit zu Zeit <strong>de</strong>n Steuerknüppel<br />
selbst in die Hand nimmt.<br />
Was bringt uns die biblische Botschaft<br />
von <strong>de</strong>r Nützlichkeit <strong>de</strong>s Übernützlichen,<br />
die Lehre vom Sabbatparadox?<br />
Sie lehrt uns, in <strong>de</strong>r gegenwärtigen<br />
Hochkonjunktur <strong>de</strong>r Bildungsreform<br />
nicht blind auf die Mechanismen<br />
<strong>de</strong>s Marktes im Bildungswesen zu vertrauen.<br />
Unsere Schulen und Universitäten<br />
sind nicht dazu da, Geld zu verdienen.<br />
Sie können es sich leisten, im Interesse<br />
einer intelligenteren, weil langfristig<br />
klügeren und innovativen Strategie,<br />
Sabbatinseln vorzuhalten. Sie sind<br />
gera<strong>de</strong>zu verpflichtet, die so genannten<br />
weichen Fächer zu <strong>de</strong>n harten zu machen.<br />
Die harten Fächer setzen sich mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger schon von selbst durch, sie<br />
gehorchen <strong>de</strong>m automatischen Piloten.<br />
Wir, und da darf ich Sie <strong>als</strong> die Eltern,<br />
die ja über ihre Mitspracherechte<br />
eine große Mitverantwortung für unser<br />
Bildungssystem haben, direkt ansprechen<br />
und an Sie appellieren: Machen<br />
» Machen Sie das Übernützliche<br />
stark!<br />
Sie das Übernützliche stark! Es gibt gute<br />
Argumente, die Nützlichkeit <strong>de</strong>s<br />
Übernützlichen zu betonen. Wer alles<br />
nur nach <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>rgründigen funktionalistischen<br />
Nutzen <strong>de</strong>s Beschäftigungssystems<br />
ausrichtet, wird am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Wirtschaft auch nicht helfen. Die<br />
Wirtschaft hat nämlich ein <strong>de</strong>utlich<br />
markierbares Problem. Es ist das Problem<br />
<strong>de</strong>r langen und <strong>de</strong>r kurzen Zeit.<br />
Es ist eine Tatsache, dass die Kapitalumlaufzeiten<br />
immer kürzer wer<strong>de</strong>n. In<br />
<strong>de</strong>n USA muss das<br />
Management schon<br />
nach einem viertel<br />
Jahr schwarze Zahlen<br />
schreiben, sonst bekommt es ein<br />
Problem. Wer nur in kurzen Fristen<br />
<strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r verspeist auch schon mal<br />
sein Saatgut. Auch die Produktionszyklen<br />
und <strong>de</strong>r Warenumlauf wer<strong>de</strong>n immer<br />
kürzer. Weil <strong>de</strong>r Grundmotor allen<br />
Wirtschaftens, <strong>de</strong>r Wettbewerb, <strong>de</strong>n<br />
Schnellsten belohnt, hat das System <strong>de</strong>r<br />
Marktwirtschaft hier eine Schwachstelle,<br />
sie belohnt nicht Nachhaltigkeit.<br />
Unsere Kin<strong>de</strong>r brauchen aber nun mal<br />
ihre 18, 19, 20 Jahre, manche brauchen<br />
noch sehr viel länger, bis sie erwachsen<br />
wer<strong>de</strong>n. Wir können zwar die Gymnasialzeit<br />
um ein Jahr verkürzen, aber beliebig<br />
ist die Schulzeit nicht zu verknappen.<br />
Wenn wir in <strong>de</strong>r Pubertät und<br />
danach unsere Kin<strong>de</strong>r in das Beschäftigungssystem<br />
schubsen und meinen, damit<br />
die Ausbildung grundlegend zu verbessern,<br />
dann kann es sein, dass am En<strong>de</strong><br />
ihrer Schulzeit, und erst Recht nach<br />
<strong>de</strong>m Studium, das Beschäftigungssystem<br />
bei <strong>de</strong>r enormen Verän<strong>de</strong>rungsgeschwindigkeit,<br />
<strong>de</strong>r es unterliegt, schon<br />
wie<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>rs aussieht. Deswegen<br />
muss die Schule auf nachhaltige Qualifikationen<br />
drängen, und <strong>de</strong>swegen muss<br />
sie Nachhaltigkeit anstreben und damit<br />
eine Schwachstelle <strong>de</strong>s ökonomischen<br />
Systems auszugleichen suchen. Als katholische<br />
Eltern wird Sie nicht stören –<br />
im Gegenteil, es müsste Sie eigentlich<br />
freuen – wenn das, worüber sich <strong>de</strong>r liebe<br />
Gott freut, nämlich die Annäherung an<br />
das Reich Gottes, vorankommt. Ein menschenfreundlicher<br />
Gott freut sich auch<br />
über die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen. Wenn wir<br />
bei Jesus lernen können, wie nützlich das<br />
kreative Überspringen <strong>de</strong>r Schemata sein<br />
kann, dann wer<strong>de</strong>n wir uns auch daran erinnern,<br />
dass <strong>de</strong>r so erzeugte technische<br />
Fortschritt, von <strong>de</strong>m ich behaupte, dass er<br />
mit <strong>de</strong>m Sabbatparadox zusammenhängt,<br />
auch unseren Mitmenschen nützt.<br />
Von Jesus haben wir gehört: „Der Sabbat<br />
ist für <strong>de</strong>n Menschen da.“<br />
Dr. Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s<br />
Dezernats Schule und Hochschule im<br />
Bischöflichen Ordinariat <strong>de</strong>s Bistums<br />
Limburg.<br />
Veröffentlichungen<br />
Nordhofen, Eckhard: Die Mädchen, <strong>de</strong>r Lehrer und <strong>de</strong>r<br />
liebe Gott. Roman. (UB 18022). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />
Reclam. 1999. 232 S. (ISBN 3-15-018022-8)<br />
Nordhofen, Eckhard (Hg.): Bil<strong>de</strong>rverbot. Die Sichtbarkeit<br />
<strong>de</strong>s Unsichtbaren. – Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh.<br />
2001. 192 S. (ISBN 3-506-73784-8)<br />
Nordhofen, Eckhard (Hg.): Erlebte Religion. Biographische<br />
Skizzen. – Frankfurt: Verlag Josef Knecht. 2003.<br />
135 S. (ISBN 3-7820-0873-1)<br />
Nordhofen, Eckhard/Oesterreich, Peter L./Eckert, Michael:<br />
Religion und Rationalität. – Würzburg: Verlag Königshausen<br />
& Neumann. 2000. 162 S. (ISBN 3-8260-<br />
1781-1)<br />
Nordhofen, Eckhard/Schimmöller, Klaus/Sternberg, Thomas<br />
(Hg.): Das Bildungspotenzial <strong>de</strong>s Religionsunterrichts.<br />
(Material aus <strong>de</strong>m Franz Hitze Haus; 37) – Münster:<br />
Katholisch-Soziale Aka<strong>de</strong>mie Franz Hitze Haus.<br />
1999. 80 S. (ISBN 3-930322-19-6)<br />
Nordhofen, Eckhard/Schimmöller, Klaus/Sternberg, Thomas<br />
(Hg.): Religionsunterricht macht Schule stark. Qualität<br />
entwickeln in Schule und Religionsunterricht (Material<br />
aus <strong>de</strong>m Franz Hitze Haus; 47) – Münster: Katholisch-Soziale<br />
Aka<strong>de</strong>mie Franz Hitze Haus. 2001. 57 S.<br />
(ISBN 3-930322-37-4)<br />
Martens, E./Nordhofen, E./Siebert, J. (Hg.): Philosophische<br />
Meisterstücke I (UB 9735). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />
Reclam. 168 S. (ISBN 3-15-009735-5)<br />
Martens, E./Nordhofen, E./Siebert, J. (Hg.): Philosophische<br />
Meisterstücke II (UB 18152). – Stuttgart: Verlag Ph.<br />
Reclam. 212 S. (ISBN 3-15-018152-6)<br />
BEITRÄGE<br />
89<br />
INFO 34 · 2/2005
Wie man richtig in <strong>de</strong>r Schule lernt<br />
Volker La<strong>de</strong>nthin<br />
BEITRÄGE<br />
90<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n soll nicht allgemein<br />
über das Lernen gesprochen wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn über bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen und<br />
über Lernen in <strong>de</strong>r Schule, über Lernen<br />
aus pädagogischer Sicht. 1 Es geht <strong>als</strong>o<br />
nicht darum zu beschreiben, wie jemand<br />
irgendwo irgen<strong>de</strong>twas lernt, son<strong>de</strong>rn<br />
wie Jugendliche in <strong>de</strong>r Institution<br />
Schule so lernen, dass dies zu ihrer Bildung<br />
beiträgt. 2<br />
1. Was heißt „Lernen“ –<br />
aus laienhafter Perspektive?<br />
Im Alltag versteht man unter „Lernen“<br />
„Auswendiglernen“, Memorieren.<br />
Zu<strong>de</strong>m versteht man ausschließlich<br />
„Kenntnisse“ <strong>als</strong> Ergebnis <strong>de</strong>s Lernens.<br />
Und man verwechselt Lehren mit<br />
Dozieren. Man glaubt, bei <strong>de</strong>r Lehre<br />
sei <strong>de</strong>r Lehrer aktiv und <strong>de</strong>r Schüler<br />
passiv. Die unzureichen<strong>de</strong> Kenntnis<br />
über das Lernen führt zu Empfehlungen,<br />
die ihrerseits unzureichend sind<br />
und dann nach ein paar Jahren genau<br />
gegenteilige Empfehlungen – und daher<br />
wie<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong> – aufkommen<br />
lassen: Weil man merkt, dass<br />
man mit auswendig gelerntem Wissen<br />
keine unbekannten Probleme lösen<br />
kann, verfällt man darauf, die Metho<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Problemlösens zu lehren. Freilich<br />
kann man dies nur lernen, in<strong>de</strong>m<br />
man Probleme löst – und diese sind<br />
fachlicher Natur und bedürfen <strong>de</strong>r Präsenz<br />
<strong>de</strong>s Wissens, um überhaupt erkannt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Also wie<strong>de</strong>r: Auswendig<br />
lernen! Aber man merkt, dass<br />
man beim Auswendiglernen nicht<br />
lernt, das zu tun, was man gelernt hat.<br />
Also erfin<strong>de</strong>t man das handlungsorientierte<br />
Lernen, das implizite Lernen.<br />
Aber wenn man gar nicht weiß, was<br />
man weiß – dann muss man wie<strong>de</strong>r<br />
auswendig lernen und so weiter. Man<br />
gerät in <strong>de</strong>n Teufelskreis f<strong>als</strong>cher<br />
Lerntheorien.<br />
Der Teufelskreis <strong>de</strong>s f<strong>als</strong>chen<br />
Lernens<br />
beiläufig<br />
lernen<br />
V<br />
V<br />
Inhalte lernen<br />
Metho<strong>de</strong>n lernen<br />
auswendig<br />
lernen<br />
Immer glaubt man, in einer dieser<br />
Richtungen das letzte Heil zu fin<strong>de</strong>n:<br />
Dabei weiß je<strong>de</strong>r Lehrer,<br />
– dass man Metho<strong>de</strong>n nur an Inhalten<br />
lernen kann,<br />
– dass man Inhalte nur durch Metho<strong>de</strong>n<br />
erschließt,<br />
– dass das Auswendiglernen von Inhalten<br />
nicht einmal ausreicht, um<br />
schlichte Alltagsprobleme zu lösen:<br />
Man wür<strong>de</strong> nicht einmal nach Hause<br />
fin<strong>de</strong>n, wenn eine Straße, die<br />
man gewöhnlich fährt, gesperrt ist.<br />
– Und wir wissen, dass wir mehr lernen<br />
müssen, <strong>als</strong> wir anwen<strong>de</strong>n können<br />
– allein schon <strong>de</strong>shalb, damit<br />
wir die jeweils beste Lösung auswählen<br />
können.<br />
Als Lösung wird dann häufig empfohlen,<br />
das Lernen zu lernen. <strong>Diese</strong><br />
Empfehlung ist recht unbedacht – <strong>de</strong>nn<br />
um das Lernen zu lernen, muss man<br />
schon lernen können: Die Empfehlung<br />
for<strong>de</strong>rt auf, etwas zu lernen, was man<br />
schon kann: das Lernen.<br />
Sieht man sich dann die Literatur<br />
zum Themen „Lernen <strong>de</strong>s Lernens“ an,<br />
merkt man schnell, dass auch gar nicht<br />
das Lernen gelehrt wird, son<strong>de</strong>rn bestimmte<br />
Lerntechniken, Hantierungen:<br />
V<br />
V<br />
Karteikästen zum Vokabel-Lernen, Vortragstechniken,<br />
Memoriertechniken,<br />
Mindmaps, das Anfertigen von Exzerpten<br />
o<strong>de</strong>r Mitschriften.<br />
Nur: All diese schönen und nützlichen<br />
Dinge begleiten nur <strong>de</strong>n eigentlichen<br />
Lernvorgang, ersetzen ihn nicht:<br />
Der Besitz <strong>de</strong>s Karteikasten ersetzt<br />
nicht <strong>de</strong>n gedanklichen Lernvorgang.<br />
Lernen meint das Herausfin<strong>de</strong>n einer<br />
bisher unbekannten Wahrheit, meint<br />
die Prüfung eines Sachverhalts, meint<br />
die Frage nach Ursachen und Konsequenzen,<br />
nach <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>kommen,<br />
nach <strong>de</strong>r Reichweite, <strong>de</strong>m Gewicht einer<br />
Aussage, nach <strong>de</strong>m Zentrum <strong>de</strong>r Aussage,<br />
nach <strong>de</strong>n gültigen Argumenten.<br />
All das sind Inhalte <strong>de</strong>s Denkens,<br />
die man nicht durch Techniken <strong>de</strong>s<br />
Sortierens ersetzen kann. Das Lernen<br />
kann man nicht lernen – weil man es<br />
immer schon kann. Könnte man es<br />
nicht immer schon, dann könnte man es<br />
auch nicht lernen.<br />
2. Erfahrungsorientiertes Lernen<br />
Ausgehen möchte ich vom beiläufigen<br />
Lernen im Alltag. <strong>Diese</strong>s Lernen<br />
ist sehr erfolgreich: Wenn man sich vor<br />
einer Urlaubsreise auf <strong>de</strong>n Besuch einer<br />
Touristenattraktion vorbereitet, dann<br />
lernt man etwa die Sehenswürdigkeiten<br />
nicht auswendig und lässt sie vom Ehepartner<br />
abfragen. Man liest vielmehr<br />
einen Reiseführer, mehrere Reiseführer<br />
– und ohne dass man eigens tätig<br />
wird, weiß man nun, was man sehen<br />
will. Man macht einen kleinen Spickzettel,<br />
um zeitsparend, bequem und<br />
kostengünstig auf kürzestem Weg von<br />
einer Sehenswürdigkeit zur an<strong>de</strong>ren zu<br />
gelangen – und man nimmt <strong>de</strong>n Reiseführer<br />
unterwegs mit, um vor Ort Details<br />
nachzulesen.<br />
Man merkt gar nicht, dass man<br />
lernt. Man lernt nicht systematisch aus-<br />
INFO 34 · 2/2005
wendig, son<strong>de</strong>rn es interessiert einen<br />
etwas, und <strong>de</strong>shalb hat man es geistig<br />
präsent. Das so erworbene Wissen ist<br />
sogar recht geordnet – und selbst wenn<br />
man nach einer Stadttour völlig erschöpft<br />
ist, hat man behalten, wie einen<br />
die bei<strong>de</strong>n Japanerinnen auf Englisch<br />
darum baten, sie vor <strong>de</strong>m Bran<strong>de</strong>nburger<br />
Tor zu fotografieren. Selbst bei Müdigkeit<br />
lernt man weiter und behält Dinge<br />
gut. Man lernt, weil einem wichtig<br />
ist, was man lernen will, weil das, womit<br />
man sich beschäftigt, mit einem<br />
selbst zu tun hat. Es geht dabei um die<br />
eigenen Ziele, um das eigene Leben. Es<br />
geht um die eigene Zeit, die man sinnvoll<br />
nutzen will. Genau <strong>de</strong>swegen ist<br />
Lernen im Alltag so erfolgreich.<br />
Dies ist alles Lernen – nur eben unterschie<strong>de</strong>n<br />
vom schulischen Lernen.<br />
Was aber ist schulisches Lernen?<br />
3. Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Schule<br />
3.1 Was heißt „Lernen“ – aus bildungstheoretischer<br />
Perspektive?<br />
In <strong>de</strong>r Schule geht es um Bildung.<br />
Darunter versteht man ein gültiges<br />
sachliches und sittliches Umgehen mit<br />
<strong>de</strong>r Welt, <strong>de</strong>n Mitmenschen und sich<br />
selber, damit das Leben gelingen kann.<br />
Das, was wir in <strong>de</strong>r Schule lernen<br />
lassen, muss richtig und wichtig sein.<br />
Alles, was diesen bei<strong>de</strong>n Ansprüchen<br />
nicht genügt, gehört nicht in die Schule.<br />
Man muss es nicht lernen. Warum<br />
soll man etwas lernen, was nicht zum<br />
Gelingen <strong>de</strong>s Lebens beiträgt?<br />
<strong>Diese</strong> bei<strong>de</strong>n Aspekte (richtig und<br />
wichtig) haben aber umgekehrt für das<br />
Lehren eine ungeheuere Be<strong>de</strong>utung:<br />
Was wir in <strong>de</strong>r Schule lehren, muss<br />
nicht nur richtig sein, wir müssen es<br />
auch so lehren, dass <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s<br />
Gelernten zum Gelingen <strong>de</strong>s Lebens<br />
<strong>de</strong>utlich wird. Wenn die Schüler in <strong>de</strong>r<br />
Schule das lernen sollen, was zum Gelingen<br />
<strong>de</strong>s Lebens beiträgt, dann müssen<br />
die Lehrer aber auch alles so lehren,<br />
dass <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s Gelernten zum Gelingen<br />
<strong>de</strong>s Lebens vom einzelnen Schüler<br />
erkannt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
In manchen Fächern<br />
ist das einfach: Man<br />
muss die Fußballregeln<br />
kennen, damit man fair<br />
Fußball spielen kann.<br />
Das Spiel gelingt nur,<br />
wenn man die Regeln<br />
kennt. Und Fußball gehört<br />
– zumin<strong>de</strong>st für<br />
Männer – zum Leben.<br />
Auch in <strong>de</strong>n Fremdsprachen<br />
ist <strong>de</strong>r Anspruch<br />
an die Lehre recht einfach<br />
zu erfüllen: Die populäre<br />
Musik, die Computersprache,<br />
die Verkehrssprachen<br />
in vielen<br />
Berufen sind fremdsprachlich<br />
mitbestimmt<br />
– und man wür<strong>de</strong> sich<br />
einfach in unserer Umwelt<br />
nicht zurechtfin<strong>de</strong>n,<br />
wenn man kein<br />
Wort Englisch könnte.<br />
Und wenn man keine<br />
Ahnung von physikalischen<br />
Gesetzmäßigkeiten hätte, glaubte<br />
man vielleicht, durch mehrfaches<br />
Ein- und Ausschalten <strong>de</strong>s Fernsehers<br />
könnte man einen Defekt in <strong>de</strong>r Elektronik<br />
beseitigen. Kurz: Wir lernen, damit<br />
das Leben gelingt.<br />
Aber das Problem liegt woan<strong>de</strong>rs:<br />
Schulisches Lernen ist Vorratslernen:<br />
Man lernt für eine Situation, die man<br />
noch nicht kennt, die man noch nicht<br />
kennen kann, weil man noch nicht im<br />
Berufsleben steht. Und genau hier liegt<br />
das Problem: Niemand liest jetzt einen<br />
Reiseführer von New York, wenn er<br />
weiß, dass er vielleicht in sechs, sieben<br />
Jahren einmal dorthin fahren könnte.<br />
Von unseren Schülern verlangen wir<br />
aber genau dies. Sie sollen jetzt lernen,<br />
was sie vielleicht in ein, zwei, ja fünf<br />
o<strong>de</strong>r sechs Jahren gebrauchen können.<br />
Und was passiert? Das Unwahrscheinliche<br />
geschieht: Die meisten<br />
Schüler lernen, was sie im Augenblick<br />
gar nicht brauchen. Sie machen dies,<br />
weil sie Vertrauen in die schulische<br />
Lehre haben: Sie haben ein starkes<br />
Vertrauen darauf, dass das, was sie da<br />
lernen, auch dann einen Sinn für sie<br />
Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
hat, wenn sie selbst diesen Sinn nicht<br />
kennen o<strong>de</strong>r einsehen.<br />
Nun darf man dieses Vertrauen nicht<br />
missbrauchen! Und man muss diesem<br />
Vertrauen gerecht wer<strong>de</strong>n. So ist vor<br />
allem Unterricht je<strong>de</strong>s Mal die Frage zu<br />
stellen: Brauchen die Kin<strong>de</strong>r das, was<br />
gelehrt wer<strong>de</strong>n soll, damit ihr Leben<br />
gelingt? Und es muss so unterrichtet<br />
wer<strong>de</strong>n, dass Schüler spüren, dass sie<br />
dieses Vertrauen haben dürfen, dass sie<br />
<strong>de</strong>m Lehrer, <strong>de</strong>r Schule zu Recht vertrauen.<br />
Schulisches, auf Bildung bezogenes<br />
Lernen heißt <strong>als</strong>o: Vorratslernen<br />
im Vertrauen darauf, dass das, was man<br />
zu lernen bekommt, einst be<strong>de</strong>utsam<br />
für <strong>de</strong>n Lerner sein wird.<br />
Lernen in <strong>de</strong>r Schule heißt: Etwas<br />
zu lernen, was Sinn macht. <strong>Diese</strong>r Sinn<br />
muss einsehbar sein, er muss nicht nur<br />
prinzipiell eingesehen wer<strong>de</strong>n können,<br />
er muss aktuell auch eingesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Lernen geschieht im Vertrauen darauf,<br />
dass auch das für das Gelingen<br />
<strong>de</strong>s Lebens sinnvoll ist, was nicht unmittelbar<br />
sinnvoll erscheint. Die Berechtigung<br />
zu diesem Vertrauen muss beim<br />
Lernen gezeigt o<strong>de</strong>r gespürt wer<strong>de</strong>n.<br />
BEITRÄGE<br />
91<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
92<br />
3.2 Was heißt „Lernen“ – aus<br />
schultheoretischer Perspektive?<br />
Nun gilt diese Min<strong>de</strong>stbestimmung<br />
für bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen auch für das Lernen<br />
im Elternhaus. Die Kin<strong>de</strong>r vertrauen<br />
darauf, dass das, was die Eltern erklären,<br />
be<strong>de</strong>utsam für das eigene Leben<br />
ist. Das Spezifikum von Schule ist noch<br />
nicht erreicht. Schulen sollen nicht <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart dienen, son<strong>de</strong>rn auf die Zukunft<br />
vorbereiten. Schulen sollen nicht<br />
auf einen speziellen Beruf vorbereiten,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Einzelnen zu je<strong>de</strong>m Beruf<br />
befähigen (d.h. ihn befähigen, einen<br />
Beruf seiner Wahl, eines seinen individuellen<br />
Möglichkeiten gemäß begrenzten<br />
Angebots selbst zu wählen und<br />
sinnvoll auszuüben). Das Lernen muss<br />
<strong>als</strong>o zukunftsorientiert und zugleich offen<br />
sein. Eine gute Schule tut nicht so,<br />
<strong>als</strong> wüsste sie, was die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
Zukunft erwartet – und bereitet sie auf<br />
diese angeblich bekannte Zukunft vor.<br />
Eine gute Schule befähigt vielmehr ihre<br />
Schüler, diese Zukunft selbst gestalten<br />
zu können. 3<br />
Das hat Folgen für die Lerninhalte:<br />
Das, was man in <strong>de</strong>r Schule gelernt hat,<br />
muss nämlich systemoffen sein: Es<br />
muss ergänzt, revidiert, verbessert wer<strong>de</strong>n<br />
können. Es muss anwendungsoffen<br />
sein: Es muss für alle Zwecke verwendbar<br />
sein. Und es muss umgangsoffen<br />
sein: Es muss sittlich bewertet<br />
wer<strong>de</strong>n können. Nur wenn diese Ansprüche<br />
erfüllt sind, wird die Schule ihrer<br />
Aufgabe gerecht, nur dann bil<strong>de</strong>t die<br />
Schule dafür aus, möglichst viele Optionen<br />
bei <strong>de</strong>r Berufswahl offen zu halten.<br />
<strong>Diese</strong>s Ziel erreicht man, wenn das<br />
Lernen systematisch aufgebaut wird,<br />
fundamental, exemplarisch und elementar<br />
ausgerichtet ist und sich seines<br />
methodischen Charakters bewusst ist.<br />
3.3 Was heißt „Lernen“ – aus wissenstheoretischer<br />
Perspektive?<br />
<strong>Diese</strong>s soeben beschriebene Lernen<br />
unterschei<strong>de</strong>t sich vom Lernen in an<strong>de</strong>ren<br />
Epochen (<strong>de</strong>shalb ist es auch f<strong>als</strong>ch,<br />
vom Lernen an sich zu re<strong>de</strong>n). In früheren<br />
Zeiten bestand Wissen in <strong>de</strong>r Übernahme<br />
von Überliefertem. Der Schuster<br />
blieb bei seinen Leisten und nähte<br />
die Schuhe genau so, wie er es vom<br />
Meister abgeschaut hatte. Wer es an<strong>de</strong>rs<br />
machte, wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Handwerkergil<strong>de</strong><br />
ausgeschlossen.<br />
Mo<strong>de</strong>rnes Wissen ist ganz an<strong>de</strong>rs:<br />
Es ist bis in <strong>de</strong>n Alltag hinein wissenschaftlich<br />
bestimmt. Das hat Konsequenzen<br />
für das Lernen selbst. Das Lernen<br />
eines mittelalterlichen Handwerkes<br />
lief an<strong>de</strong>rs ab <strong>als</strong> das Lernen eines<br />
mo<strong>de</strong>rnen Fachmanns.<br />
Für uns mo<strong>de</strong>rne Menschen gilt nur<br />
<strong>als</strong> wahr, was vernünftig ist. Vernünftig<br />
ist etwas, wenn es mit überprüfbaren<br />
Metho<strong>de</strong>n <strong>als</strong> nachvollziehbar erwiesen<br />
wur<strong>de</strong>: Wir glauben nicht, dass<br />
es eine Erdanziehungskraft gibt, die auf<br />
alle Gegenstän<strong>de</strong> gleich stark einwirkt<br />
– son<strong>de</strong>rn man hat es überprüft. Man<br />
weiß es auf Grund methodischer Forschung.<br />
Kein Schriftgelehrter ordnet<br />
an, wie ein Gedicht zu verstehen ist,<br />
son<strong>de</strong>rn wir verstehen es, in<strong>de</strong>m wir es<br />
selbst lesen und dann unseren eigenen<br />
Verstand bemühen.<br />
Etwas gilt nur dann <strong>als</strong> wahr und<br />
gültig – wenn wir es selbst gedacht haben<br />
o<strong>de</strong>r prinzipiell <strong>de</strong>nken bzw. nach<strong>de</strong>nken<br />
könnten. Garant für die Vernünftigkeit<br />
(und damit Geltung) ist eine<br />
nachprüfbare Metho<strong>de</strong>. Wissen in<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne ist <strong>als</strong>o immer methodisch<br />
arbeiten<strong>de</strong>s Erkennen.<br />
Lernen in <strong>de</strong>r Schule ist immer mit<br />
einer Metho<strong>de</strong> verbun<strong>de</strong>n. Ein unmethodisches<br />
Lernen wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Anspruch<br />
von Schule auf intersubjektives<br />
Weltverständnis nicht gerecht. Es wür<strong>de</strong><br />
Kin<strong>de</strong>r nicht für die mo<strong>de</strong>rne Gegenwart<br />
vorbereiten. Wir wollen doch nicht,<br />
dass unsere Kin<strong>de</strong>r glauben, dass Wasser<br />
aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht:<br />
Wir wollen, dass sie es wissen. Das<br />
Aneignen <strong>de</strong>s Wissens – je<strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen<br />
Wissens – ist <strong>als</strong>o ein Erkenntnisakt.<br />
Lernen heißt dann: vernünftig erkennen.<br />
Lernen heißt: durch <strong>de</strong>n Verstand<br />
nach Regeln einsehen und selbsttätig<br />
ausführen können. Lernen heißt:<br />
eine Sache methodisch <strong>de</strong>nken können.<br />
Der methodisch reflektierte Zugang,<br />
zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Lehrer anleitet und<br />
auffor<strong>de</strong>rt, sichert, dass Schüler für je<strong>de</strong><br />
Art Zukunft gerüstet sind: Denn sie<br />
lernen in <strong>de</strong>r Schule (und nur in <strong>de</strong>r<br />
Schule), die Welt zu <strong>de</strong>nken. Sie lernen<br />
nicht die bekannte Welt auswendig,<br />
son<strong>de</strong>rn sie lernen, mit welchen Metho<strong>de</strong>n<br />
man die Welt verstehen und gestalten<br />
kann.<br />
Schulisches Lernen heißt: eine Sache<br />
systematisch und methodisch selbst<br />
<strong>de</strong>nken. Eine gute Schule ist die, in <strong>de</strong>r<br />
die Lehren<strong>de</strong>n die Lernen<strong>de</strong>n mit in die<br />
Metho<strong>de</strong> eines Faches nehmen und in<br />
dieser Metho<strong>de</strong> ihr Denken anstoßen,<br />
auslösen, för<strong>de</strong>rn, weiterführen.<br />
3.4 Was heißt „Lernen“ – aus unterrichtsmethodischer<br />
Perspektive?<br />
Es gibt <strong>als</strong>o min<strong>de</strong>stens zwei Metho<strong>de</strong>n<br />
im Unterricht, die für das Lernen<br />
be<strong>de</strong>utsam sind: Die Fachmetho<strong>de</strong><br />
– <strong>als</strong>o die Metho<strong>de</strong>, mittels <strong>de</strong>rer Schüler<br />
und Lehrer gemeinsam <strong>de</strong>n Gegenstand<br />
<strong>de</strong>nken. Mit dieser Metho<strong>de</strong> wird<br />
<strong>de</strong>r Gegenstand gelernt. Und die Unterrichtsmetho<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Lehrers, <strong>als</strong>o die<br />
Metho<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r er diesen methodischen<br />
Zugang zur Welt arrangiert.<br />
Das Lernen ist <strong>als</strong>o immer fachspezifisch:<br />
Um Geschichte zu <strong>de</strong>nken, muss<br />
man Überreste o<strong>de</strong>r Quellen unter einer<br />
Fragestellung bearbeiten, um Antworten<br />
zu bekommen. Um die Welt physikalisch<br />
zu verstehen, muss man eine<br />
Frage entwickeln, die Natur nötigen,<br />
auf diese Frage zu antworten (<strong>als</strong>o ein<br />
Experiment aufbauen), um dann die<br />
Antwort zu formulieren. Um ein Gedicht<br />
zu verstehen, müssen wir die Differenz<br />
zwischen faktisch und fiktional<br />
kennen, müssen Textgenres kennen,<br />
über die Be<strong>de</strong>utungsvielfalt von Metaphern<br />
Bescheid wissen und <strong>de</strong>n Text<br />
immer wie<strong>de</strong>r unter vielerlei Fragestellungen<br />
aufnehmen. Das Lernen geschieht<br />
in je<strong>de</strong>m Fach an<strong>de</strong>rs: Es gibt<br />
kein Lernen an sich, son<strong>de</strong>rn nur eine<br />
methodische Bearbeitung <strong>de</strong>r Welt.<br />
<strong>Diese</strong> Metho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Fächern<br />
und nur dort entwickelt. Es gibt<br />
keine fachübergreifen<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n.<br />
Auch das Lesen ist z.B. keine fachübergreifen<strong>de</strong><br />
Kompetenz: Denn schon das<br />
INFO 34 · 2/2005
Lesen eines Gedichts unterschei<strong>de</strong>t sich<br />
vom Lesen eines Textes, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Versuchsaufbau in <strong>de</strong>r Physik beschrieben<br />
wird.<br />
Um das Lernen im Unterricht angemessen<br />
und optimal zu gestalten, muss<br />
man <strong>als</strong>o diejenigen Fachmetho<strong>de</strong>n bestimmen,<br />
<strong>de</strong>ren Anwendung zum vernünftigen<br />
Denken <strong>de</strong>r Inhalte <strong>de</strong>s Faches<br />
führen. Man kann in <strong>de</strong>r Gegenüberstellung<br />
f<strong>als</strong>cher und richtiger Metho<strong>de</strong>n<br />
f<strong>als</strong>ches und richtiges Lernen<br />
voneinan<strong>de</strong>r abgrenzen:<br />
– Man lernt nicht religiös zu <strong>de</strong>nken,<br />
wenn man einen Text aus <strong>de</strong>m Religionsbuch<br />
zusammenfasst.<br />
Man lernt religiös zu <strong>de</strong>nken,<br />
wenn man die Welt <strong>de</strong>s Lebens und<br />
<strong>de</strong>s Wissens unter spezifischen Aspekten<br />
– z.B. <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>r<br />
Endlichkeit <strong>de</strong>s Menschen o<strong>de</strong>r<br />
nach <strong>de</strong>n Antworten <strong>de</strong>r Offenbarung<br />
– betrachtet und Antworten zu<br />
<strong>de</strong>n Fragen selbsttätig formulieren<br />
kann.<br />
– Man lernt nicht eine Sprache, wenn<br />
man einen Text aus <strong>de</strong>r Grammatik<br />
liest und Regeln auswendig lernt.<br />
Man lernt eine Sprache vielmehr,<br />
wenn man Sätze in dieser<br />
Sprache hört und liest, die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />
herausfin<strong>de</strong>t und beschreibt,<br />
sie <strong>als</strong> Regel formuliert,<br />
um dann selbst Sätze analog zu diesen<br />
Beispielen nach diesen Regeln<br />
zu formulieren und immer wie<strong>de</strong>r<br />
anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
3.5 Was heißt „Lernen“ – aus didaktischer<br />
Perspektive?<br />
Lernen ist das systematische Erkennen<br />
<strong>de</strong>r Welt. Das heißt aber nicht, dass<br />
<strong>de</strong>r zeitliche Ablauf <strong>de</strong>s Lernens <strong>de</strong>r<br />
Logik einer Sachsystematik folgt. Dann<br />
nämlich müsste man im Biologieunterricht<br />
im ersten Schuljahr <strong>de</strong>r Grundschule<br />
mit <strong>de</strong>r Zelle beginnen: Aus ihr<br />
setzt sich bekanntlich alles Leben zusammen.<br />
Der wissenschaftsorientierte Unterricht<br />
hat diesen Fehler gemacht: In <strong>de</strong>r<br />
Verwechslung von gegenstandskonstituieren<strong>de</strong>r<br />
Fachmetho<strong>de</strong> und Lernmetho<strong>de</strong><br />
glaubte er, <strong>de</strong>n Unterricht nach<br />
<strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r Wissenschaft gestalten<br />
zu müssen. Es war grundf<strong>als</strong>ch, <strong>als</strong> man<br />
versuchte, Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n durch<br />
fachwissenschaftliche Metho<strong>de</strong>n zu ersetzen.<br />
Pädagogisch gestaltet sich Lernen<br />
an<strong>de</strong>rs: Ausgehend vom Vorwissen stellt<br />
<strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> die methodisch notwendigen<br />
Fragen im Horizont seiner ganz<br />
speziellen Schülerklientel.<br />
Im Lehrgang wer<strong>de</strong>n dabei die geschichtlichen<br />
Erfahrungen <strong>de</strong>r Menschen<br />
mit einem entsprechen<strong>de</strong>n Sachverhalt<br />
so konzentriert, dass man, was<br />
in <strong>de</strong>r Geschichte viele Jahre gedauert<br />
hat, in wenigen Minuten lernen kann:<br />
Die Er<strong>de</strong> dreht sich um die Sonne.<br />
Gleichwohl muss auch Schule Erfahrungslernen<br />
selbst zulassen – schon allein<br />
<strong>de</strong>shalb, damit sich <strong>de</strong>r Schüler<br />
beim Umgang mit Erfahrungen kennen<br />
lernt, erproben und verbessern kann. 4<br />
Bei<strong>de</strong>s gehört <strong>als</strong>o in die Schule:<br />
das Lernen im Lehrgang und die Möglichkeit,<br />
das Lernen <strong>als</strong> Erfahrung zu<br />
verarbeiten. 5<br />
– Natürlich wird man im Chemieunterricht<br />
Experimente so auswählen<br />
und inszenieren, dass das gewünschte<br />
Ergebnis erkannt, d.h. gelernt wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
– Es muss aber zugleich möglich<br />
sein, dass Schüler sich selbst auf die<br />
schwierige Suche nach einem passen<strong>de</strong>n<br />
Experiment begeben, die Irrwege<br />
gehen und Irrtümer einsehen<br />
– und so die Be<strong>de</strong>utung erkennen, die<br />
in vorstrukturiertem Lernen liegt.<br />
Die Differenz von Erfahrung und<br />
schulischem Lernen muss Gegenstand<br />
schulischen Lernens sein.<br />
3.6 Was heißt „Lernen“ – aus<br />
hermeneutischer Perspektive?<br />
Nach<strong>de</strong>m ich nun das Ziel schulischen<br />
Lernens beschrieben habe, möchte<br />
ich <strong>de</strong>n Lernvorgang noch genauer<br />
betrachten. Was heißt es, wenn man<br />
sagt, man hat ein Gedicht verstan<strong>de</strong>n?<br />
Was heißt es, wenn man sagt, man habe<br />
eine mathematische Formel verstan<strong>de</strong>n?<br />
Wann versteht man Newtons Gesetze?<br />
Nun sicherlich nicht, wenn man<br />
die Dinge auswendig gelernt hat. Wir<br />
können nämlich sinnentleert re<strong>de</strong>n. Verstan<strong>de</strong>n<br />
haben wir eine Sache aber auch<br />
nicht, wenn wir das, was ein Lehren<strong>de</strong>r<br />
vormacht, nachmachen können. Son<strong>de</strong>rn<br />
verstan<strong>de</strong>n haben wir eine Sache,<br />
wenn wir sie eigenständig rekonstruieren<br />
können. Nur wenn uns jemand das<br />
Gedicht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Versuchsaufbau in<br />
eigenen Worten erklären kann, dann<br />
können wir sagen: Er hat die Sache verstan<strong>de</strong>n.<br />
Verstan<strong>de</strong>n hat <strong>als</strong>o jemand eine<br />
Sache, wenn er sie selber <strong>de</strong>nkt. Man<br />
hat verstan<strong>de</strong>n, wie man einen Lebenslauf<br />
schreibt, wenn man einen Lebenslauf<br />
allein schreiben kann. Man fin<strong>de</strong>t<br />
sich in Deutschland zurecht, wenn man<br />
die nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsche Tiefebene von <strong>de</strong>r<br />
Mittelgebirgsregion und diese von <strong>de</strong>r<br />
Hochgebirgsregion unterschei<strong>de</strong>n kann<br />
und grob in einer Skizze eigenhändig<br />
lokalisieren kann. Man hat <strong>als</strong>o nicht<br />
einfach eine „Sache“ im geistigen Besitz<br />
– das geht gar nicht: Son<strong>de</strong>rn man<br />
muss eine Sache <strong>de</strong>nken – <strong>de</strong>nn diese<br />
Sache ist uns ja nie unmittelbar gegeben.<br />
Wir <strong>de</strong>nken sie ja ausschließlich.<br />
Wir kennen eine Sache <strong>als</strong>o immer nur<br />
unter <strong>de</strong>r Art und Weise, wie wir uns<br />
ihr nähern.<br />
Wir kennen eine Sache <strong>als</strong>o immer<br />
so weit, wie wir uns ihr nähern. Eine<br />
Sache besteht für uns immer nur aus<br />
<strong>de</strong>m, wie wir etwas konstruieren. Für<br />
das Denken <strong>de</strong>r Neuzeit gilt, was ich<br />
bei <strong>de</strong>r Zielangabe gesagt habe: Eine<br />
Sache ist nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> das Ergebnis<br />
einer Metho<strong>de</strong>. Die Gültigkeit einer<br />
Sache entsteht für uns erst in einer Metho<strong>de</strong>.<br />
Die Gültigkeit einer Sache entsteht<br />
für uns erst aus <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>.<br />
Bezugspunkt <strong>de</strong>s Unterrichts sind<br />
<strong>als</strong>o nicht die Dinge, son<strong>de</strong>rn nur die<br />
Dinge <strong>als</strong> Produkt ihrer jeweiligen Metho<strong>de</strong>n.<br />
Wir lehren nicht die Umschreibung<br />
mit to do, son<strong>de</strong>rn wir for<strong>de</strong>rn<br />
Lerner auf, einen methodischen Weg<br />
zu fin<strong>de</strong>n, wie im Englischen Fragen<br />
formuliert wer<strong>de</strong>n. Gegenstand <strong>de</strong>s<br />
BEITRÄGE<br />
93<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
94<br />
Unterrichts ist das Denken <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s.<br />
Sofern dieses Denken intersubjektiv<br />
und nachvollziehbar ist, nennen<br />
wir es Metho<strong>de</strong>.<br />
Unterricht heißt <strong>als</strong>o: Den Lerner<br />
auf methodische Weise dazu auffor<strong>de</strong>rn,<br />
methodisch zu <strong>de</strong>nken. Wir müssen<br />
uns immer bewusst machen, dass<br />
wir Lernern nicht Wissen vermitteln,<br />
son<strong>de</strong>rn „Das Denken von Etwas“.<br />
Schulische Bildung ist <strong>als</strong>o immer<br />
<strong>als</strong> Weg zum Wissen zu <strong>de</strong>nken. Was<br />
wir nicht selbst <strong>de</strong>nken, was wir nicht<br />
mitgedacht haben – was wir nur gepaukt,<br />
auswendig gelernt haben, das<br />
haben wir nach 14 Tagen wie<strong>de</strong>r vergessen.<br />
Wir müssen das zu Lernen<strong>de</strong> so<br />
mitteilen, dass <strong>de</strong>r Lerner es selber<br />
nicht nur <strong>de</strong>nkt, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> Produkt<br />
seines Denkens erkennt. Er muss merken,<br />
dass er etwas gelernt hat. Daraus<br />
folgt, dass je<strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> immer nur<br />
soweit lehren darf, wie <strong>de</strong>r Lerner<br />
selbsttätig folgen kann.<br />
Gleiche Lehre hat bekanntermaßen<br />
nicht gleiche Folgen. Lehre wirkt nicht<br />
kausal. Die unterschiedlichen Noten in<br />
einer Klasse spiegeln dies allzu <strong>de</strong>utlich<br />
– gleicher Unterricht führt zu unterschiedlichen<br />
Ergebnissen. Gott sei<br />
Dank, möchte ich sagen, <strong>de</strong>nn es geht<br />
in Bildungsprozessen um das Individuum,<br />
<strong>de</strong>n Einzelnen.<br />
Wir alle haben unterschiedliche Vorkenntnisse,<br />
haben unterschiedliche Erfahrungen<br />
mit Wörtern und Begriffen gemacht,<br />
wir alle wollen Unterschiedliches<br />
– richten <strong>als</strong>o unsere Aufmerksamkeit<br />
auf verschie<strong>de</strong>ne Aspekte: Also nehmen<br />
wir auch aus gleichen Situationen Unterschiedliches<br />
mit. Das Vorwissen steuert<br />
die Aufnahme von neuem Wissen.<br />
Auch geht niemand, <strong>de</strong>r ein wenig<br />
sensibel ist, davon aus, dass Sprechen<br />
und Verstehen 1:1 geschieht: Wir müssen<br />
das, was <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re sagt, interpretieren;<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re löst mit seinen Worten<br />
Vorstellungen in uns aus; ob es die<br />
gleichen Vorstellungen sind, die <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re hatte, klären wir in Nachfragen,<br />
Rückfragen – eben im Gespräch. Die<br />
Vorstellungen <strong>de</strong>r Menschen sind und<br />
bleiben unterschiedlich, auch wenn sie<br />
gleiche Worte sagen.<br />
Erfolgreiches Lernen ist nie „Eintrichtern“<br />
o<strong>de</strong>r „Abrichten“, son<strong>de</strong>rn<br />
ein selbsttätiger Akt. Der Lerner wird<br />
angeleitet, selbst etwas einzusehen. Er<br />
kommt selbst drauf. Er kommt nicht allein<br />
drauf, aber eben selbst. Der Lehren<strong>de</strong><br />
leitet <strong>de</strong>n Lerner an, selbst zur<br />
Einsicht zu kommen.<br />
Lehren ist <strong>als</strong>o die Auffor<strong>de</strong>rung<br />
zur Selbsttätigkeit. Und Lernen ist diese<br />
Selbsttätigkeit. Man <strong>de</strong>nkt unter Anleitung<br />
die Sache. Und Denken kann<br />
man immer nur selbst.<br />
Wo er seinen Lerner zu Wissen<br />
bringt, dass dieser nicht selbsttätig mit<strong>de</strong>nkt,<br />
indoktriniert er; lehrt er totes<br />
Buchwissen; Paukstoff – von <strong>de</strong>m dann<br />
nur zu hoffen ist, dass er bald vergessen<br />
wird. In diesem Sinne gilt: Wahr ist<br />
nur, was ich <strong>de</strong>nken kann.<br />
Schulisches Lernen besteht aus<br />
vielerlei Tätigkeiten: etwas beobachten,<br />
hören, lesen, etwas vergleichen,<br />
zusammensetzen, auseinan<strong>de</strong>r nehmen.<br />
Argumente fin<strong>de</strong>n und formulieren;<br />
Beispiele suchen. Hypothesen bil<strong>de</strong>n,<br />
überprüfen, verwerfen. Worte für einen<br />
Sachverhalt fin<strong>de</strong>n, unpassen<strong>de</strong> Worte<br />
verwerfen und neue Worte suchen,<br />
wie<strong>de</strong>r verwerfen und bessere suchen.<br />
Das Durchstreichen von Worten, das<br />
Verbessern ist ein ganz zentraler<br />
Selbstlernvorgang. Es geht beim<br />
schulischen Lernen darum, die Gültigkeit<br />
einer Sache zu erweisen o<strong>de</strong>r<br />
zu verstehen. Dazu sind vielerlei allgemeingedankliche<br />
und fachspezifische<br />
Operationen notwendig. <strong>Diese</strong>s<br />
Lernen geschieht immer <strong>als</strong> Eigenaktivität.<br />
Es kann vom Lehrer nur ausgelöst,<br />
angeregt wer<strong>de</strong>n. Über das Lernen<br />
entschei<strong>de</strong>t <strong>als</strong>o letztlich <strong>de</strong>r Lerner.<br />
Lernen heißt, etwas methodisch<br />
selbst zu <strong>de</strong>nken, was Be<strong>de</strong>utung für<br />
das Gelingen meines jetzigen o<strong>de</strong>r zukünftigen<br />
Lebens hat. Und Lehren<br />
heißt: zu einem solchen methodischen<br />
und sinnorientierten Denken auffor<strong>de</strong>rn!<br />
Unterricht:<br />
Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />
so zu <strong>de</strong>nken, dass sie Sinn macht.<br />
4. Was heißt „Lernen“ – aus erziehungstheoretischer<br />
Perspektive?<br />
Ich hatte nun Bildung eingangs <strong>als</strong><br />
sachliches und sittlich gültiges Verhältnis<br />
zur Welt bestimmt. Über ein<br />
sachlich gültiges Verhältnis habe ich gesprochen<br />
– und auch darüber, wie man<br />
es lernt: nämlich durch Denken, d.h.<br />
durch selbsttätige Anwendung sachangemessener<br />
Metho<strong>de</strong>n.<br />
Aber es ist auch Aufgabe <strong>de</strong>r Schule,<br />
die Schüler zum Erlernen eines sittlich<br />
angemessenen Verhältnisses zur<br />
Welt aufzufor<strong>de</strong>rn. Hierfür gelten erst<br />
einmal die gleichen Regeln pädagogischen<br />
Lernens: Lernen muss Sinn machen,<br />
Lernen geschieht durch Einsicht.<br />
D.h. Lernen ist das Fin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verstehen<br />
einer Antwort auf eine <strong>als</strong> sinnvoll<br />
anerkannte Frage. Lernen heißt im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Erziehung, eine moralische<br />
Frage methodisch zu beantworten. 6<br />
Erziehung ist <strong>als</strong>o nicht Einfor<strong>de</strong>rn<br />
von Verhaltensregeln, Einüben von Verhaltensregeln,<br />
Strafen bei Missachtung<br />
<strong>de</strong>r Verhaltensregeln: Alle diese Maßnahmen<br />
mögen nötig sein; aber sie betreffen<br />
die Disziplin, nicht die Erziehung.<br />
Wann lernen wir, sittlich zu han<strong>de</strong>ln?<br />
Wir han<strong>de</strong>ln sittlich, wenn wir<br />
<strong>de</strong>n Wert bei unserem Han<strong>de</strong>ln bevorzugen,<br />
<strong>de</strong>r menschlich ist und zum Gelingen<br />
<strong>de</strong>s Lebens beiträgt.<br />
Schwarzarbeit schont zwar unsere private<br />
Geldbörse, schädigt aber die öffentliche<br />
Organisation <strong>de</strong>r Versorgung<br />
und die Möglichkeit <strong>de</strong>s Staates, Geld<br />
zu investieren. Wür<strong>de</strong>n alle Bürger<br />
schwarzarbeiten lassen, dann gäbe es<br />
am En<strong>de</strong> keine öffentliche Hand<br />
mehr, die unser Leben organisiert. Wir<br />
müssten viel mehr Geld bezahlen, um<br />
unseren Alltag zu organisieren.<br />
Wir werten:<br />
Schwarzarbeit ➜kurzfristiger Nutzen.<br />
Steuern bezahlen ➜langfristiger Nutzen.<br />
Wir be<strong>de</strong>nken die Folgen: Wenn wir<br />
human leben wollen, dann müssen wir<br />
unsere Welt zukunftssicher und lang-<br />
INFO 34 · 2/2005
fristig planen. Und: Unser Leben macht<br />
Sinn, wenn wir human leben.<br />
Moralischen Entscheidungen liegen<br />
vernünftige, d.h. methodische und<br />
d.h. lernbare Gedankenschritte zu Grun<strong>de</strong>:<br />
Man beschreibt min<strong>de</strong>stens zwei<br />
Handlungen, fragt nach <strong>de</strong>m Nutzen je<strong>de</strong>r<br />
dieser Handlungen, fragt, welcher<br />
Nutzen einem humanen Leben dient.<br />
Man fragt, ob dieser Aspekt <strong>de</strong>s humanen<br />
Lebens <strong>de</strong>r eigenen Vorstellung von<br />
einem sinnerfüllten Leben gerecht wird.<br />
Moralisches Lernen geschieht <strong>als</strong>o<br />
<strong>als</strong> ganz methodisches Denken. Man<br />
lernt Moralität, in<strong>de</strong>m man die aufgezeigte<br />
Metho<strong>de</strong> anwen<strong>de</strong>t. Moralisches<br />
Lernen ist „vernunftkausal“: D.h. durch<br />
das regelhafte, methodische Anwen<strong>de</strong>n<br />
von Vernunft kommen wir zu allgemeingültigen<br />
Aussagen.<br />
Nun kann man einwen<strong>de</strong>n: Die Kin<strong>de</strong>r<br />
wissen das, aber sie han<strong>de</strong>ln nicht<br />
danach. Das stimmt: Das ist bei Kin<strong>de</strong>rn<br />
nicht an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> bei uns selbst.<br />
<strong>Diese</strong>s Missverhältnis zwischen Wissen<br />
und Tun hängt damit zusammen,<br />
dass <strong>de</strong>r Entschluss, gemäß <strong>de</strong>r eigenen<br />
Einsicht zu han<strong>de</strong>ln, nicht schon mit<br />
<strong>de</strong>r Einsicht gegeben ist. Wir bedürfen<br />
eines Grun<strong>de</strong>s, warum wir <strong>de</strong>nn moralisch<br />
han<strong>de</strong>ln sollten. Wir bedürfen einer<br />
Haltung zu unserer vernünftigen<br />
Einsicht.<br />
Haltungen lernt man nur zum Teil<br />
„vernunftkausal“. <strong>Diese</strong> Haltung kann<br />
man nicht völlig durch Einsicht lernen,<br />
weil ja gera<strong>de</strong> die Bindung an das, was<br />
wir eingesehen haben, gelernt wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Gleichwohl müssen wir eine Haltung<br />
erlernen – wir haben sie ja nicht<br />
angeboren. (Wäre sie angeboren, dann<br />
gäbe es keine Moral: Wenn Moral von<br />
<strong>de</strong>r genetischen Ausstattung abhängt,<br />
dann kann es keine Erziehung, aber<br />
auch keine Sittlichkeit geben, son<strong>de</strong>rn<br />
nur die Herrschaft <strong>de</strong>r Gruppe mit Moral<br />
über die an<strong>de</strong>re Gruppe ohne Moral<br />
– o<strong>de</strong>r umgekehrt.)<br />
Wie erlernen wir Haltungen? In<strong>de</strong>m<br />
wir Vorbil<strong>de</strong>rn nacheifern; in<strong>de</strong>m<br />
wir immer wie<strong>de</strong>r moralische Entscheidungen<br />
treffen; in<strong>de</strong>m wir an unseren<br />
kleinen moralischen Entscheidungen<br />
Gefallen fin<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir von<br />
einer Überzeugung, z.B. <strong>de</strong>r Religion,<br />
stimuliert wer<strong>de</strong>n; in<strong>de</strong>m wir unseren<br />
eigenen Verstand so achten, dass wir<br />
uns an ihn bin<strong>de</strong>n.<br />
Wir erlernen Haltungen, in<strong>de</strong>m wir<br />
moralisch relevante Geschichten lesen<br />
und über sie sprechen; in<strong>de</strong>m wir anhand<br />
von Erzählungen, Geschichten aus <strong>de</strong>m<br />
Alltag über Motive <strong>de</strong>r Personen sprechen,<br />
in<strong>de</strong>m wir darüber sprechen, ob<br />
es eine Gerechtigkeit gibt – auch wenn<br />
sie in <strong>de</strong>r Welt je kaum zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />
An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> das Lernen mit Vernunftgrün<strong>de</strong>n<br />
ist dieses Lernen nicht<br />
vernunftkausal. Wir haben keine Garantie<br />
für <strong>de</strong>n Erfolg. Wir können <strong>de</strong>n<br />
Erfolg nicht mal messen: Denn über die<br />
Moralität o<strong>de</strong>r Sinnhaftigkeit einer Entscheidung<br />
weiß letztlich in vollem Umfang<br />
nur <strong>de</strong>r selbst Betroffene Bescheid.<br />
Das Re<strong>de</strong>n über moralische Entscheidungen<br />
ist gleichwohl nicht sinnlos.<br />
Im Gegenteil: Erst das Re<strong>de</strong>n über<br />
<strong>de</strong>n Sinn unseres Han<strong>de</strong>lns fin<strong>de</strong>t ja einen<br />
Grund für unser Han<strong>de</strong>ln. <strong>Diese</strong>r<br />
merkwürdige Bereich nichtkausalen<br />
Lernens hat für das vernunftkausale<br />
Lernen höchste Be<strong>de</strong>utung.<br />
Ich will es an einem Beispiel erklären:<br />
Wenn wir unser Lebensglück darin<br />
sehen, gut zu essen, zu trinken und Spaß<br />
zu haben, dann hat für uns alles das<br />
Sinn und höchste Priorität, was zu diesem<br />
Ziel führt, was diesem Lebensziel<br />
dient. Man wird für dieses Ziel hart arbeiten,<br />
notfalls Überstun<strong>de</strong>n machen,<br />
auf an<strong>de</strong>res Schönes verzichten.<br />
Abstrakt formuliert: Die Qualität<br />
vernunftkausalen Lernens hängt von<br />
<strong>de</strong>r Qualität ab, in <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Lebenssinn<br />
o<strong>de</strong>r sogar nach <strong>de</strong>m Weltensinn<br />
gefragt wird. Wer an etwas glaubt<br />
– sei es an Güter, sei es an sich o<strong>de</strong>r an<br />
eine ewige Gerechtigkeit –, wird an<strong>de</strong>rs<br />
leben, an<strong>de</strong>rs lernen und arbeiten<br />
<strong>als</strong> <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m die Welt gleichgültig ist,<br />
<strong>de</strong>r an nichts Vergnügen hat und <strong>de</strong>r<br />
sich schließlich selbst gleichgültig ist.<br />
<strong>Diese</strong>s Wissen um die Be<strong>de</strong>utung<br />
von Sinnfestlegungen für das Han<strong>de</strong>ln<br />
<strong>de</strong>s Menschen hat Be<strong>de</strong>utung für das<br />
Lernen: Wenn es <strong>de</strong>m Unterricht gelingt,<br />
die Frage nach <strong>de</strong>m Handlungssinn<br />
authentisch im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen, und wenn uns<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>n Schülern Antworten<br />
gelingen, dann optimieren wir das<br />
Lernen wirklich.<br />
„Erziehung“ ist <strong>de</strong>swegen kein Luxus,<br />
etwas, was kommt, nach<strong>de</strong>m man<br />
Kompetenzen abgeprüft hat. Erziehung<br />
ist vielmehr Bedingung optimalen Lernens.<br />
Die gegenwärtige Schulpolitik<br />
scheint diesen Zusammenhang von Lernen<br />
und Sinn völlig vergessen zu haben:<br />
Sie setzt auf Zwang (Standards)<br />
und Überprüfung – wobei je<strong>de</strong>r von uns<br />
weiß, wie ungern man bei Zwang und<br />
Kontrolle überhaupt etwas tut. Erst<br />
wenn wir einen Sinn in <strong>de</strong>r Sache sehen,<br />
han<strong>de</strong>ln wir optimal.<br />
Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung erfolgt<br />
dann, wenn es <strong>de</strong>n Schulen gelingt, etwas<br />
zu lehren, das für das Gelingen <strong>de</strong>s<br />
Lebens be<strong>de</strong>utsam ist. Wirkliche Lernför<strong>de</strong>rung<br />
erfolgt dann, wenn sie hilft,<br />
dass Schüler so lernen, dass es für <strong>de</strong>n<br />
Sinn ihres Lernens be<strong>de</strong>utsam ist – und<br />
wenn sie sich an diesen Sinn gebun<strong>de</strong>n<br />
fühlen. In dieser Hinsicht wäre es für<br />
mich interessant, <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
von Religiosität und Lernerfolg einmal<br />
zu thematisieren.<br />
Unterricht:<br />
Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />
so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />
Sinn macht.<br />
Erziehung:<br />
Lernen heißt, die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />
im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen und gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />
Antworten zu suchen.<br />
Ich möchte auch hier die Konsequenzen<br />
für die Schule aufzeigen: Dem<br />
Lehrgangslernen muss ein erfahrungsanaloges<br />
Lernen zugesellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Denn hier stellt sich die Frage: Was be<strong>de</strong>utet<br />
das Gelernte, das zu Lernen<strong>de</strong><br />
für meine Lebenswelt?<br />
– Methodisch muss das Lehrgangslernen<br />
durch ein erfahrungsorien-<br />
BEITRÄGE<br />
95<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
96<br />
tiertes Lernen ergänzt wer<strong>de</strong>n: Es<br />
muss bei Anerkennung <strong>de</strong>r Notwendigkeit<br />
zeitsparen<strong>de</strong>r Lehrverfahren<br />
Raum und Zeit geben, damit<br />
Schüler so lernen, wie wir lernen,<br />
wenn wir Erfahrungen machen.<br />
– Curricular muss das Lehrgangslernen<br />
durch die Frage nach <strong>de</strong>m Sinn<br />
<strong>de</strong>s Lernens neu dimensioniert wer<strong>de</strong>n:<br />
Nur das darf in <strong>de</strong>n Lehrplan,<br />
was für <strong>de</strong>n Schüler Sinn macht –<br />
und nicht etwa nur das, was sich beson<strong>de</strong>rs<br />
gut abprüfen und quantifizieren<br />
lässt.<br />
– Institutionell darf die Schule nicht<br />
auf eine Ausbildungsanstalt reduziert<br />
wer<strong>de</strong>n, wie es einige Kollegen<br />
vorschlagen. Die Schule ist ein<br />
Ort ganzheitlicher Bildung: Sie muss<br />
durch Fächerkanon, Stun<strong>de</strong>ntafel,<br />
Lehrplan und Schulleben so ausgestattet<br />
sein, dass die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Sinn schulischen Lernens Gegenstand<br />
schulischen Lernens ist.<br />
5. Was heißt „Lernen“ – aus<br />
pragmatischer Perspektive?<br />
Bisher haben vielleicht zwei Formulierungen<br />
gestört: Die moralische<br />
Entscheidung – sagte ich – sei we<strong>de</strong>r<br />
überprüfbar noch zu erzwingen. Und:<br />
Lernen sei Selbsttätigkeit; allein <strong>de</strong>r<br />
Lerner sei verantwortlich für das, was<br />
er gelernt hat – nicht <strong>de</strong>r Lehrer.<br />
Es hat vielleicht gestört, dass ich<br />
das Lernen <strong>als</strong> Denken, ja <strong>als</strong> Erkennen<br />
einer Sache verstan<strong>de</strong>n habe. Gibt es<br />
<strong>de</strong>nn keinen Unterschied zwischen wissenschaftlichem<br />
Erkennen und schulischem<br />
Lernen? Hat man eine Vokabel,<br />
die man erkannt hat, auch schon<br />
gelernt?<br />
Nun kann man sagen, dass man eine<br />
Vokabel nur gelernt hat, wenn man sie<br />
versteht, <strong>als</strong>o erkannt hat. Und wenn<br />
man etwas verstan<strong>de</strong>n hat, braucht man<br />
es nicht noch einmal in einem geson<strong>de</strong>rten<br />
Akt zu lernen. Wenn man jeman<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>n Weg zum Bahnhof erklärt,<br />
dann setzt sich die Person doch<br />
nicht hin, und lernt ihn auswendig! Zu<strong>de</strong>m:<br />
Was wir uns je<strong>de</strong>s Mal neu durch<br />
Denken erschließen können, lernen wir<br />
auch nicht – und brauchen wir auch<br />
nicht zu lernen: Wir haben doch nicht<br />
auswendig gelernt, was 4572 plus 9781<br />
sind, son<strong>de</strong>rn wir <strong>de</strong>nken uns <strong>de</strong>n Inhalt<br />
je<strong>de</strong>s Mal neu.<br />
Allerdings ist zu fragen: Muss man<br />
die binomischen Formeln nicht einfach<br />
auswendig lernen – schon allein<br />
<strong>de</strong>shalb, weil es zu lange dauerte, wür<strong>de</strong><br />
man sie je<strong>de</strong>s Mal wie<strong>de</strong>r herleiten?<br />
Muss man Vokabeln nicht einfach auswendig<br />
lernen? Es gibt <strong>als</strong>o Wissensund<br />
Handlungsgebiete, die lernt man<br />
nicht vernunftkausal, <strong>als</strong>o durch Verstan<strong>de</strong>sschlüsse,<br />
son<strong>de</strong>rn durch Memorieren<br />
und Übung. Ein Kunstspringer<br />
lernt seine Drehungen und eine<br />
Eiskunstläuferin ihre Pirouetten nicht<br />
durch Einsicht. Bei<strong>de</strong> müssen das, was<br />
sie wollen, tun, und zwar immer wie<strong>de</strong>r.<br />
Ein Schauspieler kann sich seine<br />
Monologe nicht aus<strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r gedanklich<br />
rekonstruieren – son<strong>de</strong>rn er<br />
muss die Worte so setzen, wie sie vorgeschrieben<br />
wur<strong>de</strong>n. Ein Musiker fügt<br />
bei<strong>de</strong>s zusammen: Er muss die Noten<br />
so spielen, wie Beethoven das gewollt<br />
hat, und muss sich womöglich ohne<br />
Partitur daran erinnern, und er muss<br />
die Triller in <strong>de</strong>r rechten Hand immer<br />
wie<strong>de</strong>r üben, damit sie leicht von <strong>de</strong>r<br />
Hand gehen.<br />
Es gibt <strong>als</strong>o ein Lernen, das die<br />
Möglichkeiten unseres Verstan<strong>de</strong>s<br />
zugleich unterbietet wie überbietet.<br />
<strong>Diese</strong>s Lernen unterbietet die Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>s Verstan<strong>de</strong>s, weil wir<br />
auch dann etwas lernen können, wenn<br />
wir es nicht verstan<strong>de</strong>n haben: die<br />
Nummer <strong>de</strong>r Bankkarte, das Autokennzeichen<br />
usw. Die Daten haben<br />
keinen Sinn – nur das Behalten macht<br />
Sinn. <strong>Diese</strong>s Lernen überbietet aber<br />
auch unseren Verstand, weil Klavierspieler<br />
und Kunstspringer, weil Zauberkünstler<br />
o<strong>de</strong>r Zahnärzte etwas<br />
können – was sich einstellt, ohne dass<br />
man es willentlich herbeiführt. Wer<br />
ein Instrument spielt o<strong>de</strong>r eine technisch<br />
komplizierte Sportart wie<br />
Skateboardfahren ausübt, weiß wovon<br />
ich spreche: Immer hakt man an<br />
einer bestimmten Stelle in einer Sonate.<br />
Man spielt dann die Stelle ganz<br />
langsam, wird schneller – und eines<br />
Tages kann man es, ohne dass man es<br />
vernunftkausal steuert. Skateboardfahrer<br />
lernen nicht durch Vernunftschlüsse,<br />
son<strong>de</strong>rn dadurch, dass sie<br />
bestimmte Bewegungen immer wie<strong>de</strong>r<br />
zu machen versuchen: Bis sie die<br />
Stufen vor <strong>de</strong>m Rathaus ohne Probleme<br />
runterrutschen und über die Halfpipe<br />
hinausfliegen und wie<strong>de</strong>r sicher<br />
lan<strong>de</strong>n.<br />
Zwei Einsichten kann man gewinnen:<br />
1. Üben kann Spaß machen!<br />
2. Gewisse Operationen beherrscht man<br />
nur, wenn man sie übt.<br />
Dazu gehören Sprachmuster. Dazu<br />
gehören Vokabeln. Dazu gehören mathematische<br />
o<strong>de</strong>r physikalische Formeln<br />
und ihre Anwendung. Dazu gehört<br />
das Lösen von Rechenaufgaben.<br />
Dazu gehört das Lesen, das Schreiben.<br />
Dazu gehört die Aussprache im Englischen.<br />
Dazu gehören Handlungsabläufe<br />
im Sportunterricht.<br />
All dies muss man üben – schlicht<br />
üben 7 , d.h. immer wie<strong>de</strong>r machen – solange,<br />
bis es sich selbst macht. Hier besteht<br />
das Lernen im Üben – und da sich<br />
weltberühmte Pianisten nicht zu scha<strong>de</strong><br />
sind, tagtäglich mehrere Stun<strong>de</strong>n zu<br />
üben, sollten wir es unseren Kin<strong>de</strong>rn<br />
nicht ersparen wollen. In all diesen Fällen<br />
geschieht das Lernen durch Üben.<br />
Man kann Vokabeln, grammatische Regeln,<br />
man kann Lesen und Schreiben<br />
nicht an<strong>de</strong>rs lernen <strong>als</strong> durch Üben. Das<br />
mag die Intelligenz unterfor<strong>de</strong>rn; aber<br />
das Ergebnis übersteigt alles, was wir<br />
uns <strong>de</strong>nken können: O<strong>de</strong>r sind wir nicht<br />
fasziniert von <strong>de</strong>n Kunststücken <strong>de</strong>r Akrobaten<br />
im Zirkus, von Gitarren- o<strong>de</strong>r<br />
Violinvirtuosen? Wir sind überrascht, weil<br />
sie etwas können, was wir mit Verstan<strong>de</strong>sarbeit<br />
nicht erreichen können.<br />
Da das Üben eine Form <strong>de</strong>s systematischen<br />
Lernens ist, gehört es an<br />
<strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>s systematischen Lernens:<br />
in die Schule. Und hier nun muss man<br />
auf Versäumnisse hinweisen: Unsere<br />
Kin<strong>de</strong>r üben in <strong>de</strong>r Schule zu wenig.<br />
Viele Lehrer glauben, das Üben gehö-<br />
INFO 34 · 2/2005
e nicht in <strong>de</strong>n Unterricht – und das ist<br />
f<strong>als</strong>ch. Üben in diesem Sinne ist Unterricht,<br />
wichtiger Unterricht. Üben<br />
lassen will gelernt sein. Beim Üben<br />
muss man aufpassen, dass richtig geübt<br />
wird. Üben muss man begleiten,<br />
man muss ermuntern und dauernd<br />
kontrollieren. Eine gute Übungsstun<strong>de</strong><br />
zu planen, ist genau so schwierig,<br />
wie eine problemorientierte Stun<strong>de</strong> zu<br />
planen. Und völlig f<strong>als</strong>ch ist es, das<br />
Üben in die Hausaufgaben zu verlegen.<br />
Welcher Trugschluss! Das Wichtigste<br />
(das Lernen) soll nicht in <strong>de</strong>r<br />
Schule stattfin<strong>de</strong>n und von Personen<br />
begleitet wer<strong>de</strong>n, die davon nur laienhafte<br />
Ahnung haben? Üben ist Lernen<br />
– es gehört in die Institution, die zum<br />
Lernen geschaffen wur<strong>de</strong> – in die<br />
Schule.<br />
Alles, was ich über das Üben gesagt<br />
habe, kann ich auch über das Auswendiglernen<br />
sagen: Das Auswendiglernen<br />
sichert uns eine riesige Repertoirebreite<br />
an Handlungsmöglichkeiten. Wir können<br />
Routinen entwickeln, zeitsparend<br />
Entscheidungen treffen. Wir sind uns<br />
unserer selbst sicher. Wir sind selbst sicher.<br />
Wir gewinnen Sicherheit in Handlungssituationen.<br />
Man muss eben nicht<br />
nur wissen, wo etwas steht: Man muss<br />
es wirklich selbst wissen, wenn man<br />
schnell han<strong>de</strong>ln will. Beim Auswendiglernen<br />
haben wir sekun<strong>de</strong>nschnell<br />
parat, was wir an<strong>de</strong>rnfalls zeitraubend<br />
er<strong>de</strong>nken müssten. Und auch hier gilt:<br />
Das Auswendiglernen muss man üben;<br />
man kann es lehren – da gibt es nun<br />
wirklich allerhand Techniken.<br />
Unterricht:<br />
Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />
so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />
Sinn macht.<br />
Erziehung:<br />
Lernen heißt, die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />
im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen und gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />
Antworten zu suchen.<br />
Pragmatische Aspekte:<br />
Üben überbietet unseren Verstand,<br />
weil man etwas beherrscht,<br />
was man nicht willentlich<br />
herbeiführen kann.<br />
Auswendiglernen sichert uns<br />
ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten,<br />
auf Grund <strong>de</strong>rer<br />
wir zeitsparend Entscheidungen<br />
treffen.<br />
6. Was heißt „Lernen“ – aus<br />
disziplinarischer Perspektive?<br />
Ich hatte gesagt, dass moralische<br />
Entscheidungen we<strong>de</strong>r überprüfbar noch<br />
zu erzwingen wären. <strong>Diese</strong> Sätze waren<br />
auf die Sittlichkeit <strong>de</strong>r Schüler bezogen.<br />
Aber nicht je<strong>de</strong> Handlung bedarf<br />
schon einer sittlichen Begründung!<br />
Unser Han<strong>de</strong>ln unterliegt z.B.<br />
institutionellen Gegebenheiten – die<br />
zwar letztlich sittlich begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />
müssen, aber nicht je<strong>de</strong>rzeit in Frage<br />
gestellt und diskutiert wer<strong>de</strong>n können.<br />
8 Die Schule ist eine solche Institution,<br />
die <strong>als</strong> Institution nur dann funktioniert,<br />
wenn sich alle an die für diese<br />
Schule notwendigen Regeln halten.<br />
<strong>Diese</strong> Regeln müssen eingehalten wer<strong>de</strong>n,<br />
auch wenn sie aktuell nicht begrün<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n – und man sie nicht<br />
einsieht.<br />
Allerdings müssen auch diese Regeln<br />
gelernt wer<strong>de</strong>n. Wir haben hier einen<br />
vierten Lerntypus: Hier geht es<br />
nicht um vernunftkausales Verstehen,<br />
um für be<strong>de</strong>utsam gehaltene Sinnoptionen,<br />
nicht um pragmatisches Auswendiglernen<br />
und Üben, son<strong>de</strong>rn um Befolgen.<br />
Natürlich befolgt man Regeln<br />
besser, wenn man sie versteht – aber<br />
man darf sie nicht erst dann befolgen,<br />
wenn man versteht. Das Lernen von<br />
Disziplin hat <strong>als</strong>o sicherlich auch kognitive<br />
– <strong>als</strong>o vernunftkausale – Anteile:<br />
Wann genau beginnt die Schule? Wie<br />
genau lauten die Regeln für eine sinnvolle<br />
Diskussion, usw.? Aber Disziplin<br />
lernt sich an<strong>de</strong>rs. Disziplin lernt sich<br />
sehr gut, in<strong>de</strong>m man etwas mitmacht,<br />
in<strong>de</strong>m man sich an etwas gewöhnt.<br />
– Je mehr <strong>als</strong>o eine Schule Üblichkeiten,<br />
Gewohnheiten, Rituale konsequent<br />
festlegt und einhält, <strong>de</strong>sto<br />
einfacher und schneller lernen die<br />
Schüler sie.<br />
– Sobald eine Schule verhaltenszielunsicher<br />
ist, lernen die Schüler das<br />
gewünschte Verhaltensziel nicht.<br />
Demonstriert <strong>als</strong>o eine Schule sicher<br />
die von ihr gewünschten Verhaltensziele,<br />
<strong>als</strong>o klare Regeln, klare<br />
Sanktionen, klare Verhaltensweisen (ohne<br />
Ausnahmen), einheitliche Verhaltensweisen<br />
in allen Klassen, bei allen<br />
Lehrern, durch stützen<strong>de</strong> Rituale ... Demonstriert<br />
<strong>als</strong>o eine Schule sicher die<br />
von ihr gewünschten Verhaltensziele,<br />
dann haben die Schüler die besten<br />
Chancen, sie auch zu lernen.<br />
Unterricht:<br />
Lernen heißt, eine Sache methodisch<br />
so zu <strong>de</strong>nken, dass sie<br />
Sinn macht.<br />
Erziehung:<br />
Lernen heißt, die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Handlungssinn authentisch<br />
im Horizont <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Schüler zu stellen und gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>n Schülern nach<br />
Antworten zu suchen.<br />
Pragmatische Aspekte:<br />
Üben überbietet unseren Verstand,<br />
weil man etwas beherrscht,<br />
was man nicht willentlich<br />
herbeiführen kann.<br />
Auswendiglernen sichert uns<br />
ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten,<br />
auf Grund <strong>de</strong>rer<br />
wir zeitsparend Entscheidungen<br />
treffen.<br />
Disziplin:<br />
Lernen geschieht durch das<br />
Mittun in sinnvollen und festen<br />
Handlungsabläufen.<br />
Ich möchte Ihnen nun, <strong>als</strong> Abschluss,<br />
einen Kreislauf richtigen Ler-<br />
BEITRÄGE<br />
97<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
98<br />
nens vorstellen: Sie können sich an je<strong>de</strong>r<br />
Stelle in <strong>de</strong>n Kreislauf begeben. Sie<br />
können sogleich anfangen.<br />
Der Kreislauf richtigen Lernens<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Koch, Lutz: Logik <strong>de</strong>s Lernens. In: Geissler, Harald<br />
(Hg.): Arbeit, Lernen und Organisation. Ein Handbuch.<br />
Weinheim 1996. S. 79-95.<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
<strong>de</strong>n Lösungsweg<br />
eigenständig<br />
gehen („üben“)<br />
V<br />
V<br />
Be<strong>de</strong>utsamkeit<br />
herstellen<br />
<strong>de</strong>n Lösungsweg<br />
eigentätig gehen<br />
Fragehaltung<br />
entwickeln<br />
und verstehen<br />
Ruhloff, Jörg: Art.: Lernen In: Staatslexikon in 5 Bän<strong>de</strong>n.<br />
Recht. Wirtschaft. Gesellschaft. Hg. v. d. Görres-<br />
Gesellschaft. 7., völlig neu bearbeitete Auflage. Bd.<br />
III. Freiburg-Basel-Wien 1987. Sp. 907-916.<br />
Vgl. La<strong>de</strong>nthin, Volker: Zukunft und Bildung. Entwürfe<br />
und Kritiken. Frankfurt/M. et al. 2004.<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker: Erfahrungsanaloger Unterricht in<br />
<strong>de</strong>r Re<strong>als</strong>chule. Zur Be<strong>de</strong>utung von Erfahrung und<br />
Wissenschaft für bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Lernen. In: Rekus, Jürgen<br />
(Hg.): Die Re<strong>als</strong>chule. Alltag, Reform, Geschichte,<br />
Theorie. Weinheim-München 1999. S. 103-124.<br />
Regenbrecht, Aloysius/Pöppel, Karl Gerhard (Hg.):<br />
Erfahrung und schulisches Lernen. Münster 1995.<br />
V<br />
V<br />
6<br />
7<br />
8<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker: Ethik und Bildung in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Gesellschaft. Würzburg 2002.<br />
Voss, Jens: Zu wenig geübt. Rheinische Post 4.5.04<br />
(o. S. = Wissenschaft und Bildung).<br />
Wenger-Hadwig, Angelika (Hg.): Schule zwischen<br />
Disziplin und Freiheit. Innsbruck-Wien 2000.<br />
Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin ist Professor<br />
für Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft<br />
an <strong>de</strong>r Rheinschen<br />
Friedrich-Wilhelms-Universität<br />
Bonn.<br />
Veröffentlichungen<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker: Mo<strong>de</strong>rne Literatur und Bildung. Zur<br />
Bestimmung <strong>de</strong>s spezifischen Bildungsbeitrages mo<strong>de</strong>rner<br />
Literatur. – Hil<strong>de</strong>sheim: Verlag G. Olms. 1991. 416 S.<br />
(ISBN 3-487-09504-1)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker: Ethik und Bildung in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Gesellschaft. Erziehen<strong>de</strong>r Unterricht <strong>als</strong> Aufgabe <strong>de</strong>r<br />
Schule. – Würzburg: Ergon Verlag. 2002. 124 S. (ISBN 3-<br />
935556-96-9)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker: Zukunft und Bildung. Entwürfe und<br />
Kritiken. – Frankfurt u.a.: Verlag Peter Lang. 2004. 142 S.<br />
(ISBN 3-631-52583-4)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker (Hg.): Religion und Bildung im Pluralismus.<br />
(Münstersche Gespräche zu Themen <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Pädagogik; Heft 19) – Münster: Verlag<br />
Aschendorff. 2003. 128 S. (ISBN 3-402-04730-6)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker (Hg.): Die Ganztagsschule. Alltag, Reform,<br />
Geschichte, Theorie. – Weinheim: Juventa Verlag.<br />
2005. 376 S. (ISBN 3-7799-1527-8)<br />
Rekus, Jürgen/La<strong>de</strong>nthin, Volker/Hintz, Dieter: Die Hauptschule.<br />
Alltag, Reform, Geschichte, Theorie. – Weinheim:<br />
Juventa Verlag. 1998. 325 S. (ISBN 3-7799-0359-8)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker/Schilmöller, Reinhard (Hg.): Ethik <strong>als</strong><br />
pädagogisches Projekt. Grundfragen schulischer Werterziehung.<br />
– Leverkusen: VS. Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
1999. 267 S. (ISBN 3-8100-2266-7)<br />
La<strong>de</strong>nthin, Volker/Martial, Ingbert von: Medien im Unterricht.<br />
Grundlagen und Praxis <strong>de</strong>r Mediendidaktik. –<br />
Baltmannsweiler: Schnei<strong>de</strong>r Verlag Hohengehren. 2002.<br />
400 S. (ISBN 3-89676-594-9)<br />
Hünermann, Peter/La<strong>de</strong>nthin, Volker/Schwan, Gesine<br />
(Hg.): Nachhaltige Bildung. Hochschule und Wissenschaft<br />
im Zeitalter <strong>de</strong>r Ökonomisierung. – Bielefeld: Verlag<br />
W. Bertelsmann. 2005. 180 S. (ISBN 3-7639-31871-2)<br />
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Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2005<br />
Dienstag, 13. September 2005<br />
Bald mehr unter: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Arbeiten an ungeliebten Bibeltexten<br />
Ansätze zur Befreiung <strong>de</strong>r Exegese aus <strong>de</strong>r Schm<strong>als</strong>pur<br />
Referent: Prof. Dr. Klaus Berger, Hei<strong>de</strong>lberg<br />
INFO 34 · 2/2005
Freu<strong>de</strong> am Lernen o<strong>de</strong>r Spaß in <strong>de</strong>r Schule?<br />
Anmerkungen zu einer pädagogischen Verirrung<br />
Der eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re von Ihnen<br />
mag sich noch an die Anzeige erinnern,<br />
in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Wolfgang<br />
Thierse neulich die Frage stellte, ob es<br />
so etwas wie ein Recht auf Glück <strong>de</strong>nn<br />
wirklich gibt. Die Formulierung klingt<br />
vertraut, für <strong>de</strong>utsche Ohren je<strong>de</strong>nfalls,<br />
weil sie die tausend Rechtsansprüche,<br />
mit <strong>de</strong>nen uns die Politiker tagaus tagein<br />
<strong>de</strong>n Kopf verdrehen, um einen weiteren<br />
bereichert. Dass Ansprüche, bevor<br />
sie an an<strong>de</strong>re gerichtet wer<strong>de</strong>n, Ansprüche<br />
an sich selbst voraussetzen,<br />
geht dabei regelmäßig verloren. Vor allem<br />
darin unterschei<strong>de</strong>t sich die <strong>de</strong>utsche<br />
Art, das Glück zu behan<strong>de</strong>ln, von<br />
<strong>de</strong>m in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn und Kulturen<br />
üblichen Stil. In <strong>de</strong>r<br />
amerikanischen Unabhängigkeitserklärung<br />
klingt es ganz<br />
an<strong>de</strong>rs: Sie spricht<br />
zwar auch vom<br />
Glück, macht daraus<br />
aber keinen Anspruch an an<strong>de</strong>re, son<strong>de</strong>rn<br />
ein Freiheitsrecht <strong>de</strong>s Einzelnen<br />
und damit einen Anspruch an sich<br />
selbst. Denn nicht das Glück, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Verfolg <strong>de</strong>s Glückes, <strong>de</strong>r vielzitierte<br />
pursuit of happiness, wird dort <strong>als</strong><br />
Grundrecht aller Menschen proklamiert.<br />
Pursuit of happiness, das heißt:<br />
Das Glück wird euch, <strong>de</strong>n Bürgern,<br />
nicht geschenkt. Es wird euch nur dann<br />
zuteil wer<strong>de</strong>n, wenn ihr euch selbst dafür<br />
einsetzt, selbst etwas riskiert und<br />
selbst etwas tut. Wo es sich einstellt, ist<br />
es das Ergebnis individueller, nicht<br />
kollektiver Anstrengungen und Opfer.<br />
Die <strong>de</strong>utsche Art, <strong>de</strong>n Menschen<br />
das Glück <strong>als</strong> ein Geschenk zu überreichen,<br />
hat, wie Sie wissen, längst <strong>de</strong>n<br />
Unterricht erreicht. Und zwar in seiner<br />
unverwechselbar <strong>de</strong>utschen Form, <strong>als</strong><br />
das Versprechen eines passiv genossenen,<br />
nicht eines aktiv erworbenen<br />
»Die <strong>de</strong>utsche Art, <strong>de</strong>n<br />
Menschen das Glück <strong>als</strong> ein<br />
Geschenk zu überreichen,<br />
hat, wie Sie wissen, längst<br />
<strong>de</strong>n Unterricht erreicht.<br />
Glücks. Wie f<strong>als</strong>ch das war und ist, haben<br />
urteilsfähige Leute von Anfang an<br />
erkannt und <strong>de</strong>utlich ausgesprochen.<br />
Ich <strong>de</strong>nke an <strong>de</strong>n Kongress „Mut zur<br />
Erziehung“, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n siebziger Jahren<br />
in Bonn zusammengekommen war und<br />
die Mo<strong>de</strong>torheiten <strong>de</strong>r dam<strong>als</strong> aufblühen<strong>de</strong>n<br />
Reformpädagogik angeprangert,<br />
wenn auch wohl nicht verhin<strong>de</strong>rt<br />
hat. In <strong>de</strong>n abschließend formulierten<br />
neun Thesen, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Kongress<br />
zu En<strong>de</strong> ging, hieß es unter an<strong>de</strong>rem:<br />
„Wir wen<strong>de</strong>n uns gegen <strong>de</strong>n Irrtum, die<br />
Schule könne Kin<strong>de</strong>r lehren, glücklich<br />
zu wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m sie sie ermuntert,<br />
Glücksansprüche zu stellen. In Wahrheit<br />
hintertreibt die Schule damit das<br />
Glück <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
und neurotisiert sie.<br />
Denn Glück folgt<br />
nicht aus <strong>de</strong>r Befriedigung<br />
von Ansprüchen,<br />
son<strong>de</strong>rn<br />
stellt im Tun <strong>de</strong>s<br />
Rechten sich ein“. Das traf ins Schwarze,<br />
weil es an das erinnerte, was je<strong>de</strong>r<br />
von uns aus Erfahrung weiß: dass sich<br />
das Glücksgefühl um so heftiger und<br />
nachhaltiger bemerkbar zu machen<br />
pflegt, je intensiver die Mühen und die<br />
Entbehrungen waren, die ihm vorangingen.<br />
Glücklich ist man am Ziel eines<br />
langen Marsches, auf <strong>de</strong>m Gipfel eines<br />
hohen Berges, am<br />
En<strong>de</strong> eines arbeitsreichen<br />
Tages. Das<br />
schnell und leicht errungene<br />
Glück wird<br />
<strong>als</strong> illegitim empfun<strong>de</strong>n<br />
und instinktiv verschmäht.<br />
Auf solche Erfahrungen hat die progressive<br />
Pädagogik – ob sie sich weiß,<br />
schwarz o<strong>de</strong>r Anti-Pädagogik nennt,<br />
macht keinen großen Unterschied – auf<br />
ihre Weise reagiert, <strong>als</strong> sie das Wort<br />
Glück durch <strong>de</strong>n Begriff Spaß ersetzte.<br />
»Das schnell und leicht errungene<br />
Glück wird <strong>als</strong> illegitim<br />
empfun<strong>de</strong>n und instinktiv<br />
verschmäht.<br />
Konrad Adam<br />
Mit <strong>de</strong>m Spaß, schreibt einer <strong>de</strong>r vielen<br />
f<strong>als</strong>chen Propheten, die sich in Deutschland<br />
<strong>de</strong>r Erziehung angenommen haben,<br />
<strong>de</strong>r Münchner Soziologe Ulrich<br />
Beck, hätten die jungen Menschen endlich<br />
etwas aufgestöbert, womit sie die<br />
Erwachsenen in Panik setzen könnten,<br />
und nennt <strong>als</strong> Beispiele <strong>de</strong>n Spaß-<br />
Sport, die Spaß-Musik, <strong>de</strong>n Spaß-Konsum<br />
und, <strong>de</strong>utsch und gründlich, wie er<br />
ist, das Spaß-Leben. Von allen <strong>de</strong>nkbaren<br />
Begriffen hat Beck mit sicherem<br />
Griff <strong>de</strong>n anspruchlosesten, <strong>de</strong>n blassesten<br />
und ban<strong>als</strong>ten gewählt: nicht<br />
Freu<strong>de</strong>, nicht Vergnügen, nicht Genuss,<br />
nicht einmal Lust und schon gar nicht<br />
Glück, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nichts voraussetzt,<br />
nichts verlangt und garantiert folgenlos<br />
bleibt. Der Spaß bezeichnet dasjenige<br />
Gefühl, das ganz und gar in <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart aufgeht, sich im Augenblick<br />
erschöpft, im Nu vorbei ist. Den<br />
Spaß kann man nicht planen, von ihm<br />
bleibt nichts zurück, und wenn er überhaupt<br />
etwas bewirkt, dann nur <strong>de</strong>n<br />
ziemlich trivialen Wunsch, <strong>de</strong>n Kick<br />
noch einmal auszukosten. Nicht Eudämonismus,<br />
das Streben nach Glück, son<strong>de</strong>rn<br />
Hedonismus, Spaß-Leben, heißt die<br />
Botschaft <strong>de</strong>r Spaßpädagogen.<br />
Ihr Hedonismus ist ein Vorgriff auf<br />
die Zukunft, die sie sich nach <strong>de</strong>m<br />
Muster <strong>de</strong>s Schlaraffenlan<strong>de</strong>s ausmalen,<br />
<strong>als</strong> Überflussgesellschaft,<br />
die je<strong>de</strong>m<br />
alles bietet.<br />
Jürgen Habermas<br />
hat sie vor <strong>de</strong>n Vereinigten<br />
Stu<strong>de</strong>nten<br />
entworfen und ausgemalt, <strong>als</strong> er ihnen<br />
1967, kurz vor <strong>de</strong>m Ausbruch <strong>de</strong>r Revolte,<br />
erzählte, dass die Zeit <strong>de</strong>r ökonomischen<br />
Zwänge <strong>de</strong>finitiv vorüber sei.<br />
Auf die bekannten Tugen<strong>de</strong>n und Opfer,<br />
die im bürgerlichen Zeitalter üblich<br />
gewesen seien, könne man in Zukunft<br />
BEITRÄGE<br />
99<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
100<br />
verzichten. Der gesellschaftliche Reichtum<br />
habe dazu geführt, dass das Leistungsprinzip<br />
seine Funktion <strong>als</strong> Maßstab<br />
für die Verteilung von Lohn und<br />
Strafe verloren habe. Da brach noch<br />
einmal Lenins alter Traum von einer<br />
Gesellschaft auf, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m einzelnen<br />
nicht nach seinen Fähigkeiten gegeben<br />
wird, son<strong>de</strong>rn sich je<strong>de</strong>r nach Maßgabe<br />
seiner Bedürfnisse bedienen darf. Wie<br />
weit dieser Kin<strong>de</strong>rglaube seinerzeit verbreitet<br />
war, lässt <strong>de</strong>r Strukturplan ermessen,<br />
mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Deutsche Bildungsrat<br />
die Schule auf die Höhe <strong>de</strong>r<br />
Zeit führen wollte. Dort heißt es wörtlich:<br />
„Das Leistungsprinzip, wie es im<br />
gesellschaftlichen Wettbewerb gilt,<br />
kann nicht auf <strong>de</strong>n Bildungsprozess <strong>de</strong>r<br />
Jugendlichen o<strong>de</strong>r gar Kin<strong>de</strong>r übertragen<br />
wer<strong>de</strong>n“. Die naheliegen<strong>de</strong> Frage,<br />
was <strong>de</strong>nn an seine Stelle treten sollte,<br />
haben die Strukturplaner nicht mehr aufgeworfen,<br />
geschweige <strong>de</strong>nn beantwortet.<br />
Tatsächlich sind die Alternativen ja<br />
auch überaus spärlich und allesamt<br />
nicht attraktiv. Soll man, um nicht nach<br />
Leistung gehen zu müssen, nach Herkunft,<br />
Stand, Gesinnung o<strong>de</strong>r was weiß<br />
ich urteilen, auswählen und zuteilen?<br />
Die Antwort heißt, dass es zur Leistung<br />
keine gangbare, keine <strong>de</strong>mokratisch<br />
akzeptable Alternative<br />
gibt. Diejenigen,<br />
die es an<strong>de</strong>rs<br />
wollten und<br />
an<strong>de</strong>rs versprochen<br />
hatten, haben die Jugend<br />
gleich doppelt<br />
geprellt. Zunächst natürlich um die<br />
Chance, in <strong>de</strong>r Schule all das zu lernen,<br />
was sie brauchen, um im Leben zurechtzukommen,<br />
<strong>als</strong>o selbstverantwortlich<br />
statt abhängig zu leben und an<strong>de</strong>ren <strong>als</strong><br />
Zuwendungsempfänger nicht dauerhaft<br />
auf <strong>de</strong>r Tasche zu liegen. Sie haben<br />
sie aber auch um etwas ganz an<strong>de</strong>res<br />
betrogen, und das wiegt min<strong>de</strong>stens genauso<br />
schwer, um die Freu<strong>de</strong> nämlich,<br />
die das Lernen zwar nicht selbst bereitet,<br />
die sich allerdings einstellt, wenn<br />
man mit <strong>de</strong>m Lernen fertig ist, wenn<br />
man ausgelernt hat, etwas beherrscht<br />
und nun wirklich kann. Der Wahlenglän<strong>de</strong>r<br />
Joseph Conrad hat das sehr<br />
Dr. Konrad Adam<br />
» Nicht Eudämonismus, das<br />
Streben nach Glück, son<strong>de</strong>rn<br />
Hedonismus, Spaß-<br />
Leben, heißt die Botschaft<br />
<strong>de</strong>r Spaßpädagogen.<br />
schön beschrieben, <strong>als</strong> er sich über die<br />
von <strong>de</strong>n Sozialisten betriebene Arbeitsvergötzung<br />
lustig machte: „Nein, Arbeit<br />
mag ich nicht“, bekannte er, „viel lieber<br />
hätte ich herumgefaulenzt und mir<br />
allerlei feine Sachen ausgedacht. Arbeit<br />
mag ich nicht, kein Mensch mag<br />
Arbeit – doch ich mag, was in <strong>de</strong>r Arbeit<br />
steckt, die Möglichkeit, zu sich<br />
selbst zu fin<strong>de</strong>n, zur eigenen Wirklichkeit<br />
vorzustoßen, <strong>de</strong>r<br />
Wirklichkeit, wie<br />
man sie selbst sieht,<br />
nicht, wie an<strong>de</strong>re sie<br />
sehen, und so zu erfahren,<br />
was kein an<strong>de</strong>rer<br />
erfahren kann“.<br />
Selbstverwirklichung <strong>als</strong>o, Selbsterfahrung<br />
und wie die Begriffe sonst<br />
noch heißen: all das, was dam<strong>als</strong>, vor<br />
30 Jahren, allenthalben propagiert, aber,<br />
wie man inzwischen wohl erkennt,<br />
gründlich missverstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />
Was Conrad von <strong>de</strong>r Arbeit sagt,<br />
lässt sich auch von <strong>de</strong>r Schule behaupten,<br />
die ihren Namen ja nicht zufällig<br />
von <strong>de</strong>r scholé, <strong>de</strong>r Muße im antiken<br />
Sinne, herleitet. Muße in dieser Be<strong>de</strong>utung<br />
meint gera<strong>de</strong> nicht die Untätigkeit,<br />
<strong>de</strong>n Urlaub o<strong>de</strong>r die Faulenzerei –<br />
die fremdbestimmte Arbeit natürlich<br />
ebensowenig –, son<strong>de</strong>rn das, was zwischen<br />
bei<strong>de</strong>n liegt: die frei bestimmte<br />
© Foto: Ossenkamp<br />
Tätigkeit, die ihren Lohn in sich trägt,<br />
weil sie dazu befähigt, das Leben nach<br />
eigenen Maßstäben einzurichten. Die<br />
Anstrengung, die dazu nötig ist, treibt<br />
das Gefühl <strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit, <strong>de</strong>s Stolzes<br />
und <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> am En<strong>de</strong> aus sich<br />
selbst hervor. Man scheut sich fast, so<br />
abgestan<strong>de</strong>ne Weisheiten zu wie<strong>de</strong>rholen,<br />
kommt darum aber nicht herum,<br />
weil sich die Spaßpädagogik darin gefallen<br />
hat, alles Gewohnte und Vertraute<br />
auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen und <strong>de</strong>r Erfahrung<br />
kräftig ins Gesicht zu schlagen.<br />
Recht haben ihre Anhänger doch<br />
nur darin, dass Lernen – im Unterschied<br />
zum Wissen und zum Können –<br />
mit Unlust verbun<strong>de</strong>n ist. Das wusste<br />
und sagte schon Aristoteles. An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong><br />
unsere Spaßpädagogen wusste er aber<br />
auch, dass erfolgreiches Lernen in Freu<strong>de</strong><br />
mün<strong>de</strong>t: „Das Endziel“, heißt es im<br />
achten Buch <strong>de</strong>r Politik, „trägt <strong>de</strong>n Genuss<br />
in sich“. <strong>Diese</strong>n Satz scheinen die<br />
Spaßlehrer und Spaßforscher übersehen<br />
zu haben; bestreiten lässt er sich ja<br />
kaum. Sie wollen <strong>de</strong>n leichten Sieg,<br />
<strong>de</strong>n Genuss ohne Mühe, und täuschen<br />
damit sich und ihre Schüler.<br />
Das müssen sie wohl auch, <strong>de</strong>nn ihre<br />
Absichten sind trübe. Die Älteren<br />
unter Ihnen wer<strong>de</strong>n sich vielleicht noch<br />
an die so genannten Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong> erinnern,<br />
die vor 30 Jahren, in <strong>de</strong>r Sturm-<br />
INFO 34 · 2/2005
und Drangphase <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bildungsreform,<br />
mit einem Kin<strong>de</strong>rmanifest<br />
hervortraten, das – wenn Sie mir<br />
die wi<strong>de</strong>rsprüchliche Wendung nachsehen<br />
– mit <strong>de</strong>m Spaß Ernst machte:<br />
Ernst für die Kin<strong>de</strong>r,<br />
und Spaß für<br />
die Erwachsenen. Es<br />
proklamierte allerlei<br />
Kin<strong>de</strong>rrechte, unter<br />
an<strong>de</strong>ren das<br />
Recht, sich selbst<br />
einen Namen zu geben,<br />
das Recht, sich<br />
von alten Lebenspartnern<br />
– das waren<br />
die Eltern – zu<br />
trennen und neue zu<br />
suchen, das Recht,<br />
über Lernen und<br />
Üben selbst zu entschei<strong>de</strong>n, das Recht,<br />
<strong>de</strong>n Aufenthaltsort frei zu wählen, Verträge<br />
abzuschließen, Nahrungs- und<br />
Genussmittel nach eigenem Ermessen<br />
zu konsumieren, schließlich auch noch<br />
das Recht, das Sexualleben selbst zu<br />
bestimmen und Nachkommen zu zeugen.<br />
Womit man endlich wohl beim<br />
Kern <strong>de</strong>r Sache wäre, <strong>de</strong>nn Kin<strong>de</strong>rfreundschaft<br />
ist das <strong>de</strong>utsche Wort für<br />
Pädophilie. Man sage nicht, das sei ja<br />
alles längst vorbei und niem<strong>als</strong> so gemeint<br />
gewesen. Schließlich hat Daniel<br />
Cohn-Bendit, <strong>de</strong>r bis heute <strong>als</strong> Abgeordneter<br />
<strong>de</strong>r Grünen im Europäischen<br />
Parlament sitzt, selbst von <strong>de</strong>n einschlägigen<br />
Erfahrungen und Experimenten<br />
berichtet, die er in einem Frankfurter<br />
Kin<strong>de</strong>rla<strong>de</strong>n gemacht hat. In Frankreich<br />
hat man ihm das übelgenommen,<br />
in Deutschland offenbar nicht.<br />
Über die hohe Zeit dieser Verirrungen<br />
sind wir glücklicherweise hinaus;<br />
ihre Nachwirkungen machen uns aber<br />
immer noch zu schaffen. Die Marotte,<br />
das Gewohnte und Vertraute gera<strong>de</strong><br />
dort in Zweifel zu ziehen, zu erschüttern<br />
und auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen, wo alles<br />
auf Gewohnheit und Vertrauen ankommt,<br />
ist immer noch weit verbreitet.<br />
Ein flüchtiger Blick in je<strong>de</strong>s Bildungspapier,<br />
je<strong>de</strong>s Bildungskonzept, je<strong>de</strong>s<br />
Bildungsprogramm reicht aus, um das<br />
zu erkennen. Auch in <strong>de</strong>r Erziehung<br />
» Muße in dieser Be<strong>de</strong>utung<br />
meint gera<strong>de</strong> nicht<br />
die Untätigkeit, <strong>de</strong>n Urlaub<br />
o<strong>de</strong>r die Faulenzerei – die<br />
fremdbestimmte Arbeit natürlich<br />
ebensowenig –, son<strong>de</strong>rn<br />
das, was zwischen<br />
bei<strong>de</strong>n liegt: die frei bestimmte<br />
Tätigkeit, die ihren<br />
Lohn in sich trägt, weil sie<br />
dazu befähigt, das Leben<br />
nach eigenen Maßstäben<br />
einzurichten.<br />
hält man sich an das Vorbild unseres<br />
Außenministers und will alle möglichen<br />
Fehler erst einmal selber machen,<br />
ehe man anschließend aus ihnen das<br />
lernt, was alle an<strong>de</strong>ren schon wissen.<br />
Die süßen Kö<strong>de</strong>r,<br />
die die Spaßpädagogen<br />
seinerzeit ausgelegt<br />
hatten, sind<br />
nur zu gern verschlungen<br />
wor<strong>de</strong>n;<br />
mit Folgen für einen<br />
selbst und die<br />
Gesellschaft insgesamt,<br />
die man so<br />
schnell nicht wie<strong>de</strong>r<br />
los wird. <strong>Diese</strong><br />
Leute haben je<strong>de</strong>r<br />
ernsthaften Erziehung<br />
Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
in <strong>de</strong>n Weg gelegt, die zu umgehen<br />
o<strong>de</strong>r zu beseitigen das ohnehin schon<br />
schwierige Erziehungsgeschäft für uns,<br />
die Eltern, noch schwerer macht. Sich<br />
gegen die riesige Zahl <strong>de</strong>r geheimen –<br />
und durchweg unerwünschten! – Miterzieher<br />
zur Wehr zu setzen, ist zeitraubend<br />
und kräftezehrend genug. Aber<br />
statt uns bei dieser Arbeit zu helfen,<br />
machen sich ein paar Leute, die Pädagogen<br />
zu nennen ich mich scheue, einen<br />
Spaß daraus, uns Knüppel zwischen<br />
die Füße zu werfen. Wenn wir<br />
Zeit und Kraft darauf verwen<strong>de</strong>n, unsere<br />
Kin<strong>de</strong>r pünktlich zur Schule zu bringen,<br />
gesund zu ernähren und zeitig zu<br />
Bett zu schicken, dann fährt uns Katharina<br />
Rutschky mit<br />
<strong>de</strong>m Ruf in die Para<strong>de</strong>:<br />
Lasst doch <strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn ihr Fernsehen!<br />
Immerhin war<br />
Frau Rutschky, diese<br />
begna<strong>de</strong>te Anti-Pädagogin, so konsequent,<br />
auf eigene Kin<strong>de</strong>r zu verzichten.<br />
Doch gibt ihr das das Recht, an<br />
frem<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn auszuprobieren, was<br />
ihren eigen erspart geblieben ist?<br />
Die Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong>, die allen alles<br />
versprechen – und selbstverständlich<br />
subito! – sind gar keine. Sie wissen o<strong>de</strong>r<br />
ahnen je<strong>de</strong>nfalls, dass absolute Freiheit<br />
die Vorbedingung ist für absolute Manipulation,<br />
und man tut ihnen gewiss<br />
» Die süßen Kö<strong>de</strong>r, die die<br />
Spaßpädagogen seinerzeit<br />
ausgelegt hatten, sind nur<br />
zu gern verschlungen wor<strong>de</strong>n.<br />
kein Unrecht mit <strong>de</strong>r Vermutung, dass<br />
es genau das ist, was sie wollen. Sie haben<br />
ihr eigenes Wohl im Auge, nicht<br />
das <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r. Um Grundsätze zu ruinieren<br />
und Erfahrungen zu diskreditieren,<br />
ist die gezielte Überfor<strong>de</strong>rung schon<br />
immer wirksamer gewesen <strong>als</strong> <strong>de</strong>r frontale<br />
Angriff. So auch hier: Um morgen<br />
möglichst unumschränkt zu herrschen,<br />
verspricht man heute möglichst unumschränkte<br />
Freiheit. Wer Kin<strong>de</strong>r an seine<br />
Hand o<strong>de</strong>r in seine Gewalt bringen<br />
will, gibt sich am besten liebevoll, nicht<br />
streng; tolerant statt autoritär; nicht interessiert,<br />
son<strong>de</strong>rn objektiv und möglichst<br />
wissenschaftlich. Viele Wege führen<br />
auch hier ins Ziel, über das sich Pädagogen<br />
und Anti-Pädagogen weitgehend<br />
einig sind. Der bewusst überzogene<br />
Freiheitsbegriff <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rfreun<strong>de</strong><br />
läuft auf dasselbe hinaus, was einem<br />
Technokraten wie <strong>de</strong>m Informatikprofessor<br />
Karl Steinbuch vorschwebte: Bei<strong>de</strong><br />
betrachten <strong>de</strong>n Menschen <strong>als</strong> eine<br />
tabula rasa, <strong>als</strong> einen Automaten, <strong>de</strong>n<br />
man, wie Steinbuch sich ausdrückt,<br />
ganz nach Belieben füttern o<strong>de</strong>r programmieren<br />
kann. Mag es auch nicht<br />
die Absicht solcher Theorien sein, die<br />
Kin<strong>de</strong>r abhängig zu machen: die Folge<br />
ist es allemal.<br />
Wir wollen diese Folge nicht. Wir<br />
wissen, dass Kin<strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r unbeschriebene<br />
Blätter noch fertige Menschen<br />
sind, son<strong>de</strong>rn Geschenke, Angebote o<strong>de</strong>r<br />
Versprechungen, die erst noch wer<strong>de</strong>n<br />
müssen, was sie sind. Und wir haben<br />
mächtige Verbün<strong>de</strong>te<br />
im Kampf für<br />
unsere Rechte und<br />
Pflichten <strong>als</strong> Eltern,<br />
allen voran die mo<strong>de</strong>rne<br />
Hirnforschung.<br />
Sie bestätigt uns in <strong>de</strong>m, was wir zwar<br />
nie exakt gewusst, aber doch geahnt<br />
und gefühlt und gewollt und instinktiv<br />
richtig gemacht haben. Um ihrem Kind<br />
beim Stillen in die Augen zu blicken<br />
und ihm das Sprechen dadurch beizubringen,<br />
dass sie ihm dieselben, kurzen<br />
und einfachen Wortbruchstücke immer<br />
wie<strong>de</strong>r vorsingt, braucht eine Mutter<br />
nicht die Wissenschaft, dazu genügt ihr<br />
das Gefühl. Erziehung, sagt <strong>de</strong>r soge-<br />
BEITRÄGE<br />
101<br />
INFO 34 · 2/2005
BEITRÄGE<br />
102<br />
nannte Kin<strong>de</strong>rvater Friedrich Fröbel,<br />
Erziehung ist Beispiel und Liebe. Und<br />
er fügt ausdrücklich hinzu: sonst nichts!<br />
Uns braucht man das nicht zu erklären,<br />
<strong>de</strong>n Pädagogen o<strong>de</strong>r Anti-Pädagogen<br />
muss man es aber wohl. Es ist noch gar<br />
nicht lange her, dass <strong>de</strong>r Amerikaner<br />
Uri Bronfenbrenner die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung<br />
<strong>de</strong>s Vorbil<strong>de</strong>s <strong>als</strong> die größte Errungenschaft<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Erziehungswissenschaft<br />
feiern konnte; schön für<br />
ihn und seine Leute,<br />
überflüssig für uns.<br />
Das Beste, was man<br />
von <strong>de</strong>n Erzeugnissen<br />
dieser überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Forschungsindustrie<br />
sagen kann,<br />
ist doch, dass sie uns<br />
ab und an in <strong>de</strong>m<br />
bestätigt, was uns auch ohne sie geläufig<br />
ist. In diesen Fällen wollen wir sie<br />
<strong>als</strong> Bun<strong>de</strong>sgenossin begrüßen und willkommen<br />
heißen; aber auch nur dann!<br />
Eine solche Verbün<strong>de</strong>te haben wir<br />
in <strong>de</strong>r schon erwähnten Hirnforschung<br />
gefun<strong>de</strong>n. Sie hat vor allem Dreierlei<br />
klipp- und klargemacht:<br />
Erstens: Dass in <strong>de</strong>r Erziehung alle<br />
wichtigen Entscheidungen früh fallen,<br />
sehr früh sogar. Früh genug zumin<strong>de</strong>st,<br />
um später, im Alter von drei o<strong>de</strong>r mehr<br />
Jahren, wenn <strong>de</strong>r Staat mit seinem Zugriff<br />
beginnt, nur noch geringe Korrekturen<br />
zu erlauben, weil alles Wesentliche<br />
festgelegt ist, so o<strong>de</strong>r so. Schon<br />
<strong>de</strong>shalb ist <strong>de</strong>r Ruf nach einem flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />
Angebot von Betreuungseinrichtungen<br />
für Kin<strong>de</strong>r „von null bis<br />
drei Jahren“, wie es im Wahlprogramm<br />
<strong>de</strong>r Grünen heißt, im besten Falle naiv,<br />
im schlimmsten ein Experiment an leben<strong>de</strong>n<br />
Objekten, gegen das die Grünen<br />
aber nur dann Einwän<strong>de</strong> zu haben<br />
scheinen, wenn es an Tieren stattfin<strong>de</strong>t<br />
o<strong>de</strong>r mit gentechnisch verän<strong>de</strong>rtem<br />
Mais. Klar ist bei <strong>de</strong>r von ihnen favorisierten<br />
Betreuungspolitik doch nur, dass<br />
wir, die Eltern, zurückgedrängt wer<strong>de</strong>n<br />
sollen. Wer sich davon Gewinn verspricht,<br />
sollte doch immerhin so fair<br />
und so ehrlich sein, auch die Verluste<br />
zu überschlagen, die bei diesem Geschäft<br />
auftreten können; von <strong>de</strong>nen<br />
»Wir wissen, dass Kin<strong>de</strong>r<br />
we<strong>de</strong>r unbeschriebene Blätter<br />
noch fertige Menschen<br />
sind, son<strong>de</strong>rn Geschenke,<br />
Angebote o<strong>de</strong>r Versprechungen,<br />
die erst noch wer<strong>de</strong>n<br />
müssen, was sie sind.<br />
aber hört man nichts. Eltern und Elternhaus<br />
wer<strong>de</strong>n nur noch <strong>als</strong> Risikofaktoren<br />
wahrgenommen, <strong>de</strong>ren be<strong>de</strong>nklicher<br />
Einfluss durch <strong>de</strong>n Eingriff <strong>de</strong>r Staatsgewalt<br />
in Schach gehalten wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Zweitens hat uns die Hirnforschung<br />
beigebracht, dass <strong>de</strong>r uralte Streit zwischen<br />
Erbe und Umwelt und das relative<br />
Gewicht, das <strong>de</strong>m einen und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
für die Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen<br />
zukommt, gegenstandslos ist. Innen<br />
und Außen, nature<br />
und nurture, wie<br />
es im Englischen<br />
plastisch heißt, sind<br />
so eng miteinan<strong>de</strong>r<br />
verwoben, dass es<br />
pure Willkür wäre,<br />
das Eine vom An<strong>de</strong>ren<br />
trennen, prozentual<br />
aufschlüsseln und gegeneinan<strong>de</strong>r<br />
abwägen zu wollen. Das Hirn <strong>de</strong>s<br />
Neugeborenen enthält ein überaus reiches,<br />
im Einzelnen aber noch nicht festgelegtes<br />
Angebot von Verschaltungen,<br />
die durch Außenreize aktiviert und festgelegt<br />
wer<strong>de</strong>n, meist endgültig und unwi<strong>de</strong>rruflich:<br />
Eine Erkenntnis, die alle<br />
Eltern darin bestärken sollte, <strong>de</strong>n ihnen<br />
von <strong>de</strong>r Natur überkommenen Auftrag<br />
ernst zu nehmen und sich für das Zusammensein<br />
mit ihren Kin<strong>de</strong>rn Zeit<br />
und Kraft zu nehmen. Es ist die beste<br />
Art, sie auf <strong>de</strong>n sogenannten Ernst <strong>de</strong>s<br />
Lebens vorzubereiten.<br />
Drittens und letztens hat uns die<br />
Hirnforschung darin bestätigt, dass wir<br />
nicht durch Belehrung klug wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn durch Han<strong>de</strong>ln. Zuschauen und<br />
Zuhören reicht nicht,<br />
sagt Wolf Singer,<br />
Direktor <strong>de</strong>s Max-<br />
Planck-Instituts für<br />
Hirnforschung in<br />
Frankfurt, Selbermachen<br />
entschei<strong>de</strong>t.<br />
Daher die kaum zu überschätzen<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Spiels, über <strong>de</strong>ssen<br />
Wert wir im Schiller-Jahr nicht lang<br />
und breit zu re<strong>de</strong>n haben sollten, da<br />
niemand das Spiel so einfühlsam gewürdigt<br />
hat wie er. Spielen, das meint<br />
we<strong>de</strong>r die Lieblosigkeit, mit <strong>de</strong>r die<br />
Spaßpädagogen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zurufen:<br />
» Wir haben mächtige Verbün<strong>de</strong>te<br />
im Kampf für unsere<br />
Rechte und Pflichten<br />
<strong>als</strong> Eltern, allen voran die<br />
mo<strong>de</strong>rne Hirnforschung.<br />
„Macht, was ihr wollt!“, noch <strong>de</strong>n<br />
Lehr- und Lernfuror, <strong>de</strong>r <strong>als</strong> Antwort<br />
auf <strong>de</strong>n Exzess in die eine Richtung <strong>de</strong>n<br />
Exzess in die an<strong>de</strong>re predigt. Nach<strong>de</strong>m<br />
die Kin<strong>de</strong>rgärten unter <strong>de</strong>m Kommando<br />
<strong>de</strong>r GEW zu Wärmestuben ausgebaut<br />
wor<strong>de</strong>n waren, sollen sie jetzt unter<br />
Aufsicht <strong>de</strong>s BDI zu Lernfabriken umgerüstet<br />
wer<strong>de</strong>n: Offenbar sind die mit<br />
Bildungspolitik befassten Stellen konstitutionell<br />
unfähig, <strong>de</strong>n Weg durch die<br />
Mitte zu fin<strong>de</strong>n und zu nehmen. Wir<br />
Eltern sind das keineswegs. Wir kennen<br />
<strong>de</strong>n Weg; weshalb wir auch nicht<br />
unbeschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r überheblich sind,<br />
wenn wir <strong>de</strong>n Staat und seine Ei<strong>de</strong>shelfer<br />
in <strong>de</strong>r Wissenschaft darum bitten,<br />
sich in einem Geschäft zurückzuhalten,<br />
das wir besser beherrschen <strong>als</strong> sie.<br />
Über richtige und f<strong>als</strong>che, über gelungene<br />
und misslungene Erziehung<br />
lässt sich nun einmal nicht viel Neues<br />
sagen, seit zweieinhalb Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />
nicht. Es bleibt bei <strong>de</strong>m, was Lessing in<br />
seinem Aufsatz über die Erziehung <strong>de</strong>s<br />
Menschgeschlechtes geschrieben hatte:<br />
„Erziehung gibt <strong>de</strong>m Menschen nichts,<br />
was er nicht auch aus sich selbst haben<br />
könnte; sie gibt ihm das, was er aus sich<br />
selber haben könnte, nur geschwin<strong>de</strong>r<br />
und leichter“. Der Pädagoge, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rführer,<br />
wie ihn die Griechen genannt<br />
und damit einem ganzen Berufsstand<br />
<strong>de</strong>n Namen gegeben haben, hatte<br />
die Aufgabe, die Kin<strong>de</strong>r zu begleiten<br />
und dafür zu sorgen, dass ihnen außer<br />
Hause nichts Böses zustieß. Das ist ein<br />
Auftrag, <strong>de</strong>r mit Kuschelecken und<br />
Computerprogrammen zunächst einmal<br />
wenig, mit <strong>de</strong>r<br />
Frage, wie ich ein<br />
Kind davor bewahre,<br />
sich von <strong>de</strong>r<br />
Hand zu reißen und<br />
über die Straße zu<br />
rennen, aber ziemlich<br />
viel zu tun hat. Ob sich einer <strong>de</strong>r<br />
vielen Ratgeber, die uns dazu einla<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>m Kind seinen Willen zu lassen,<br />
schon einmal überlegt hat, was es unter<br />
<strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s heutigen Straßenverkehrs<br />
be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>, dieser<br />
Empfehlung zu folgen? Wahrscheinlich<br />
nicht. <strong>Diese</strong>n Teil <strong>de</strong>r Erziehung,<br />
INFO 34 · 2/2005
<strong>de</strong>r lästig, aber buchstäblich lebenswichtig<br />
ist, überlassen sie uns, <strong>de</strong>n Eltern.<br />
Warum <strong>de</strong>n Rest nicht auch?<br />
Natürlich sollen sich die Kin<strong>de</strong>r<br />
freuen, so viel und so oft wie möglich.<br />
Sie sollen sich aber nicht nur freuen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch, wie Aristoteles im Zuge<br />
seiner längeren Ausführungen über <strong>de</strong>n<br />
erzieherischen Wert <strong>de</strong>r Musik bemerkt,<br />
sich auf die richtige Weise und<br />
an <strong>de</strong>n richtigen Dingen freuen. Nach<br />
seiner Überzeugung besitzt die Musik<br />
die Kraft, „ähnlich wie die Gymnastik<br />
<strong>de</strong>m Körper, so <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>s<br />
Menschen eine bestimmte Form aufzuprägen“.<br />
Zu diesem Zwecke eigne sich<br />
die Musik vor allem <strong>de</strong>shalb, weil sich<br />
die Jugend dank ihrer Jugendlichkeit<br />
freiwillig mit nichts abgeben wer<strong>de</strong>,<br />
was nicht zugleich<br />
Ȇber richtige und f<strong>als</strong>che,<br />
über gelungene und misslungene<br />
Erziehung lässt<br />
sich nun einmal nicht viel<br />
Neues sagen, seit zweieinhalb<br />
Jahrtausen<strong>de</strong>n nicht.<br />
Vergnügen macht.<br />
Und da die Musik<br />
zu <strong>de</strong>n angenehmen<br />
Dingen zählt,<br />
sei sie in beson<strong>de</strong>rer<br />
Weise dazu geeignet,<br />
„<strong>de</strong>n jungen<br />
Menschen die richtige Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n<br />
richtigen Hass (auch <strong>de</strong>n!) einzupflanzen“.<br />
Nichts sei durch Unterricht und<br />
durch Gewöhnung sorgfältiger auszubil<strong>de</strong>n<br />
<strong>als</strong> das richtige Urteil über und<br />
die richtige Freu<strong>de</strong> an schönen Charakteren<br />
und anspruchsvollen Handlungen;<br />
und, umgekehrt, die Abneigung gegen<br />
alles Gewöhnliche und Gemeine.<br />
Ihm stand <strong>de</strong>r Unterschied noch klar<br />
vor Augen – uns auch? Geben wir uns<br />
noch Mühe, die Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n richtigen<br />
Rhythmen und <strong>de</strong>n richtigen Melodien<br />
bekannt zu machen und ihnen damit Abbil<strong>de</strong>r<br />
für Empfindungen und Verhaltensweisen<br />
vor die Seele zu stellen, die<br />
wir <strong>als</strong> vorbildlich betrachten? Wir können<br />
es versuchen, und viele von uns wer<strong>de</strong>n<br />
das auch tun; aber mit welchem Erfolg<br />
in einer Welt, in <strong>de</strong>r es üblich gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, die Jugend mit einer Musik vollzudröhnen,<br />
die alles mögliche bewirken<br />
kann, nur keine Ruhe und Besinnung.<br />
Noch je<strong>de</strong>s Mal, wenn irgen<strong>de</strong>in jugendlicher<br />
Amokläufer seinen Mitschülern<br />
o<strong>de</strong>r Lehrern an die Gurgel gegangen<br />
war, hat man zunächst einmal seine Plattensammlung<br />
durchsucht und ist dabei in<br />
aller Regel fündig gewor<strong>de</strong>n. Sobald das<br />
ruchbar wur<strong>de</strong>, beeilten sich die Interessenten,<br />
die Fachleute für Rock und Pop,<br />
die aufkeimen<strong>de</strong> Debatte in <strong>de</strong>n Griff zu<br />
bekommen und in ihrem Sinne zu steuern.<br />
Was meistens auch gelang mit <strong>de</strong>r<br />
Folge, dass alles so bleib, wie es war, weil<br />
man <strong>de</strong>r Jugend ihre Freiheit lassen wollte.<br />
Die alles entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage nach<br />
<strong>de</strong>r richtigen Freu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r richtigen<br />
Abneigung wird <strong>als</strong> unzulässig empfun<strong>de</strong>n<br />
und gar nicht mehr gestellt.<br />
Wir sollten uns dadurch nicht irre<br />
machen lassen, genauso wenig wie<br />
durch die vielen an<strong>de</strong>ren, leichtfertigen<br />
o<strong>de</strong>r törichten Ratschläge <strong>de</strong>r unerwünschten<br />
Miterzieher. Der Leiter <strong>de</strong>r<br />
Schule Salem, Bernhard Bueb, hat offensichtlich<br />
Recht,<br />
wenn er das Fernsehen,<br />
das Handy und<br />
die Computerspiele<br />
die größten Fein<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Jugend nennt,<br />
weil sie zum schnellen,<br />
<strong>als</strong>o f<strong>als</strong>chen<br />
Glück verführen, und dafür eintritt, die<br />
Medien an die Kandare zu nehmen und<br />
das Diskothekenwesen zu reglementieren.<br />
Nur dass es dabei, bei <strong>de</strong>r Warnung<br />
und beim Reglement, nicht bleiben darf.<br />
Wir müssen etwas<br />
an<strong>de</strong>res, Besseres<br />
und Verlocken<strong>de</strong>res<br />
dagegen setzen, und<br />
sind darum ja keineswegs<br />
verlegen.<br />
Auch hier gibt es<br />
nicht viel Neues zu ent<strong>de</strong>cken. Ich berufe<br />
mich auf die Forkel´sche Bach-<br />
Biografie, in <strong>de</strong>r man über <strong>de</strong>n Meister<br />
und sein Wohltemperiertes Klavier folgen<strong>de</strong>s<br />
liest: „Das Kind, das diese Stücke<br />
einmal geübt hat, – mag es auch noch<br />
so mechanisch dabei zugegangen sein –,<br />
hat eine Anschauung von Stimmführung<br />
bekommen, die nicht mehr verwischt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Instinktiv wird es in je<strong>de</strong>m<br />
Tonstück eine ähnlich souveräne Bewegung<br />
<strong>de</strong>r klanglichen Linien suchen und<br />
ihr Fehlen <strong>als</strong> Armut empfin<strong>de</strong>n. Wer<br />
diese Stücke“, fährt Forkel dann fort,<br />
„vollends unter einem tüchtigen Lehrer<br />
»Wir müssen etwas an<strong>de</strong>res,<br />
Besseres und Verlocken<strong>de</strong>res<br />
dagegen setzen,<br />
und sind darum ja keineswegs<br />
verlegen.<br />
auch nach <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r formalen und ästhetischen<br />
Eigenschaften durchgegangen<br />
hat, trägt von da an die Maßstäbe <strong>de</strong>r<br />
wahren Tonkunst in sich“. Die aller<br />
wahren Freu<strong>de</strong> auch, möchte ich hinzusetzen.<br />
Ich habe das zitiert, um Ihnen Mut zu<br />
machen, die Erziehung Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
selbst in die Hand zu nehmen und nach<br />
Ihren eigenen Maßstäben zu gestalten.<br />
Denn die geborenen Erzieher Ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
sind Sie. Die an<strong>de</strong>ren, die sich mit<br />
diesem Titel so gern schmücken, die Bildungsplaner,<br />
Bildungsforscher und Bildungspolitiker,<br />
kommen, wenn überhaupt,<br />
erst viel, viel später. Das Grundgesetz<br />
ist ein<strong>de</strong>utig, wenn es Pflege und<br />
Erziehung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r das Recht <strong>de</strong>r Eltern<br />
nennt und die zuvör<strong>de</strong>rst ihnen obliegen<strong>de</strong><br />
Pflicht; ein Satz, <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>r in<br />
Vergessenheit geraten ist, zu unser aller<br />
Scha<strong>de</strong>n. Das Zweite Vaticanum schließt<br />
sich <strong>de</strong>m an, in<strong>de</strong>m es die Eltern, die ihren<br />
Kin<strong>de</strong>rn das Leben geschenkt haben,<br />
auch <strong>de</strong>ren erste und wichtigste Erzieher<br />
nennt. Die ersten und wichtigsten, möchte<br />
ich ergänzen, die einzigen aber nicht.<br />
Wir sind auf Hilfe angewiesen, und wir<br />
sind dankbar, wenn diese Hilfe nicht immer<br />
nur von <strong>de</strong>nen kommt, die damit allzu<br />
eigensüchtige Motive verbin<strong>de</strong>n, vom<br />
Staat und seinen mächtigen Trabanten.<br />
Deswegen will ich<br />
nicht schließen, ohne<br />
die Kirche zu bitten,<br />
in ihrem Engagement<br />
für Kin<strong>de</strong>r<br />
und Schulen nicht<br />
nachzulassen. Ich<br />
habe dazu auch persönlich Grund, weil<br />
meine eigenen Kin<strong>de</strong>r eine kirchliche Institution,<br />
die Bischof-Neumann-Schule<br />
in Königstein, besucht haben. Alle drei<br />
sind dafür dankbar; und wir, die Eltern,<br />
auch.<br />
Dr. Konrad Adam ist Chefkorrespon<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>r Tageszeitung „DIE WELT“ in<br />
Berlin.<br />
BEITRÄGE<br />
103<br />
INFO 34 · 2/2005
Rezensionen<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
104<br />
Berger, Klaus<br />
Jesus<br />
– München: Pattloch Verlag.<br />
2004. 704 S., € 28.00 (ISBN 3-629-00812-7)<br />
Klaus Berger, <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger Neutestamentler,<br />
kann sich <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit für sein neues<br />
Jesusbuch gewiss sein – <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r<br />
Bibelwissenschaftler (auch <strong>de</strong>rer, die seine Thesen<br />
ablehnen), vieler Theologen in <strong>de</strong>r pastoralen<br />
und schulischen Praxis (auch <strong>de</strong>rer, die sonst<br />
kaum mehr theologische Literatur lesen) und vieler<br />
kirchennaher und kirchenferner Zeitgenossen,<br />
die kaum ein an<strong>de</strong>rer Exeget je erreichen wür<strong>de</strong>.<br />
<strong>Diese</strong> Aufmerksamkeit hat er sich durch viele<br />
Veröffentlichungen zu brennen<strong>de</strong>n Gegenwartsthemen<br />
von Glaube, Christentum und Kirche,<br />
durch unzählige öffentliche Vorträge außerhalb<br />
<strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Hörsäle und durch seine nonkonformistische<br />
Art, über <strong>de</strong>n christlichen Glauben<br />
zu sprechen, zu Recht verdient. Bekannt sind<br />
seine humorvollen, mitunter sarkastischen Besprechungen<br />
von reißerischen Veröffentlichungen,<br />
auf die alle diejenigen hineinfallen, die ohnehin<br />
nur ihre Vorurteilsstrukturen bestätigt wissen<br />
wollen – und sich dabei in Umkehrung ihres<br />
emanzipatorischen Anspruchs doch nicht ohne<br />
Anleitung durch Dritte selbstständig ihres eigenen<br />
Verstan<strong>de</strong>s bedienen. Mit <strong>de</strong>n selbsternannten<br />
Aufklärern, <strong>de</strong>nen nichts o<strong>de</strong>r kaum etwas an<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>s Evangeliums, dafür aber umso<br />
mehr an ihrem eigenen Geldbeutel liegt, geht<br />
Berger in einer erfrischend scharfsinnigen und<br />
scharfzüngigen Weise ins Gericht, die weithin<br />
ausgestorben erscheint. Berger ist ein begna<strong>de</strong>ter<br />
Polemiker, und er entlarvt hellsichtig unzählige<br />
Schwachstellen und die i<strong>de</strong>ologischen Blindheiten<br />
<strong>de</strong>s innertheologischen mainstreams. Je<strong>de</strong><br />
Form <strong>de</strong>r weit verbreiteten exegetical und ecclesiastical<br />
correctness ist ihm zutiefst zuwi<strong>de</strong>r –<br />
und er bekämpft sie, wo immer er auf sie trifft.<br />
Und wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne.<br />
„Ein Teil <strong>de</strong>r Probleme <strong>de</strong>s gegenwärtigen Christentums<br />
ist hausgemacht, selbst verursacht durch<br />
die rationalistische, letztlich langweilige Exegese.<br />
<strong>Diese</strong>s Buch versteht sich <strong>als</strong> Gegenmo<strong>de</strong>ll<br />
dazu“ (471).<br />
Um so gespannter nimmt man sein neues Jesusbuch<br />
in die Hand, um neugierig zu fragen, was<br />
Berger positiv über Jesus, <strong>de</strong>n Christus, zu<br />
schreiben weiß. Der umfangreiche Band ist keine<br />
exegetische Spezialuntersuchung (vgl. dazu seine<br />
frühere Veröffentlichung: Wer war Jesus wirklich?)<br />
Der Autor bietet keine direkte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit gegenwärtigen Spezialforschungen<br />
und verzichtet <strong>de</strong>shalb auch auf je<strong>de</strong> Fußnote.<br />
Freilich schaut die scharfe Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit beliebten Jesusbil<strong>de</strong>rn (Jesus: <strong>de</strong>r Rabbi,<br />
<strong>de</strong>r Prophet, <strong>de</strong>r Weise, <strong>de</strong>r Menschenfreund<br />
etc.) aus je<strong>de</strong>m Satz. Seine Adressaten sind we<strong>de</strong>r<br />
die Fachleute, die sich und ihre eigenen Thesen<br />
unschwer wie<strong>de</strong>rerkennen wer<strong>de</strong>n, noch die<br />
Schar <strong>de</strong>r Kirchenkritiker, die in vatikanischen<br />
Behör<strong>de</strong>n schon immer genussvoll die Inkarnation<br />
jeglicher Fehlentwicklung diagnostizieren.<br />
Berger wen<strong>de</strong>t sich mit <strong>de</strong>r ihm eigenen Verve<br />
<strong>de</strong>njenigen Christen aller Konfessionen zu, die<br />
im Zentrum ihres christlichen Glaubens zutiefst<br />
verunsichert sind (und davon gibt es nicht wenige).<br />
Für sie hat er dieses Buch geschrieben: „Ich<br />
möchte mo<strong>de</strong>rnen Menschen sagen, was sie von<br />
Jesus haben“ (13). Trotz <strong>de</strong>r allgemeinverständlichen<br />
Bergerschen Sprache (die sich manchmal<br />
auch zu reißerischen Formulierungen hinreißen<br />
lässt: vgl. „Jesus im exegetischen Vaterschaftstest“;<br />
53), trotz <strong>de</strong>s Predigt- und Meditationscharakters<br />
mancher Passagen ist das Buch nicht<br />
leicht zu lesen. Leichte Kost bietet Berger seinen<br />
Lesern gera<strong>de</strong> nicht, wenn er sich <strong>de</strong>r beliebten<br />
Metho<strong>de</strong> verweigert, theologisch schwierige und<br />
sperrige Themen und Begriffe solange zu relativieren,<br />
bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt und<br />
sie ersatzlos gestrichen bzw. pseudoadäquat ersetzt<br />
wer<strong>de</strong>n (14: „belanglose minimal art“). Im<br />
Gegenteil: Berger unternimmt es, neben <strong>de</strong>n ‚alltäglichen’<br />
Lebensfel<strong>de</strong>rn (vgl. u.a. Familie, Eigentum,<br />
Geld, Armut, Lebensfreu<strong>de</strong>, Selbstverwirklichung<br />
durch Liebe) gera<strong>de</strong> die gemie<strong>de</strong>nen<br />
und belasteten Themen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens<br />
in ihrem intentionalen Gehalt für heutiges Verstehen<br />
aufzuschlüsseln und nachvollziehbar, ja attraktiv<br />
zu machen (vgl. Gottessohnschaft und<br />
Verklärung Jesu; Jesus und die Kirche; Sün<strong>de</strong>nvergebung<br />
und Totenauferweckung; Engel, dämonische<br />
Mächte und <strong>de</strong>r Teufel; Gebet <strong>als</strong> unvermitteltes<br />
Stehen vor Gott und meditatio mortis<br />
continua; Ehe und Ehelosigkeit; das Leid und<br />
Kreuz Jesu und das Leid <strong>de</strong>r Menschen; das politische<br />
Programm Jesu; Frie<strong>de</strong>n und Gewalt in <strong>de</strong>n<br />
Worten und Taten Jesu; Wun<strong>de</strong>r; die Sakramente;<br />
stellvertreten<strong>de</strong>r Tod und Auferstehung Jesu).<br />
Dass „die naive Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Liebe Gottes“ (99),<br />
die über Gottes in <strong>de</strong>r Bibel überaus betonte Heiligkeit<br />
nichts mehr zu sagen weiß, bei Berger<br />
nicht durchgeht, kann dann nicht mehr verwun<strong>de</strong>rn.<br />
Die Bibel for<strong>de</strong>rt nach Berger von ihren Lesern<br />
fundamental die Bereitschaft, sich <strong>de</strong>r Fremdheit<br />
<strong>de</strong>r Texte auszusetzen, in <strong>de</strong>r sich die Fremdheit<br />
Jesu wi<strong>de</strong>rspiegelt (vgl. hierzu die zugespitzten<br />
Ausführungen unter <strong>de</strong>m Titel: „Hard way to<br />
heaven: Das Ärgerliche an Jesus“; 88-91, und <strong>de</strong>n<br />
Vergleich zwischen Jesus und an<strong>de</strong>ren Religionsstiftern,<br />
500-517). Das wichtigste Prinzip <strong>de</strong>r<br />
Bergerschen Hermeneutik lautet: „Nicht wir kritisieren<br />
<strong>de</strong>n Text und rücken ihn für unsere Bedürfnisse<br />
zurecht, <strong>de</strong>r Text kritisiert uns (14)“.<br />
Zur Auslegung <strong>de</strong>r Schrift gehört die Bereitschaft,<br />
ohne leiten<strong>de</strong> Interessen und Vorurteile<br />
<strong>de</strong>n Text selbst zu hören. Dazu beruft sich Berger<br />
u.a. auf Martin Buber: „Der Mensch empfängt. Er<br />
empfängt nicht einen Inhalt, son<strong>de</strong>rn eine Gegenwart<br />
<strong>als</strong> Kraft“ (vgl. 30).<br />
Um die Bergersche Theologie zu verstehen,<br />
ist es wichtig, seine Unterscheidung zwischen<br />
<strong>de</strong>m naturwissenschaftlich-aufklärerischen und<br />
<strong>de</strong>m von ihm so genannten „mystischen Weltbild“<br />
wahrzunehmen: Während das dominieren<strong>de</strong><br />
Weltbild rationaler Wissenschaftlichkeit mit<br />
<strong>de</strong>n ihm eigenen Engführungen zu <strong>de</strong>r historischkritischen<br />
Vorgehensweise geführt habe, wie sie<br />
heute in ihrer ganzen Unübersichtlichkeit vorliegt,<br />
erlaubt das von Berger favorisierte „mystische<br />
Weltbild“ eine organische, ganzheitliche<br />
Schau auf die menschliche Lebenswirklichkeit<br />
<strong>als</strong> Schöpfung Gottes. „Mystik ist nicht mehr und<br />
nicht weniger <strong>als</strong> das Achten auf die erstrangige<br />
Wirklichkeit Gottes. Die biblischen Schriften<br />
über Jesus wur<strong>de</strong>n ausnahmslos in einem mystischen<br />
Horizont verfasst und können daher auch<br />
nur in einem mystischen Horizont verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n“ (15). Und: „Mystik geht von <strong>de</strong>r begrün<strong>de</strong>ten<br />
Annahme aus, dass die Wirklichkeit umfassen<strong>de</strong>r<br />
ist <strong>als</strong> sie (natur-)wissenschaftlich feststellbar<br />
ist. Mystik ist die Definition <strong>de</strong>r Welt unter<br />
Einschluss <strong>de</strong>r Existenz Gottes und <strong>de</strong>r Annahme<br />
<strong>de</strong>r Möglichkeit von Interaktion mit allen ‚Personen’<br />
und Mächten <strong>de</strong>r unsichtbaren Welt“ (68).<br />
Autoritäten, auf die Berger immer wie<strong>de</strong>r zurückgreift,<br />
sind – für einen Neutestamentler eher<br />
ungewöhnlich – Bernhard von Clairvaux (und die<br />
monastische Spiritualität, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Zisterzienser<br />
mit ihrer Licht-Theologie), Nicolaus Cusanus<br />
und <strong>de</strong>r unverfrem<strong>de</strong>te Martin Luther. Hinzu<br />
kommen liturgische Texte aus <strong>de</strong>r Tradition<br />
<strong>de</strong>r Kirche und mit und in ihnen das Rechnen mit<br />
frem<strong>de</strong>n und eigenen Glaubenserfahrungen <strong>als</strong><br />
einem locus theologicus, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r sensus<br />
fi<strong>de</strong>i zu Wort mel<strong>de</strong>t: „Mystik erkennt Mystik.<br />
Die Wahrnehmung mystischer Faktizität tritt daher<br />
gleichrangig neben Faktizität im Sinne <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rnen Naturwissenschaft“ (15).<br />
Freilich weiß auch Berger um die Gefahr, hier<br />
das Kind mit <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong> auszuschütten. Dennoch<br />
verfällt er wie<strong>de</strong>rholt in holzschnittartige Antithesen,<br />
die <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>r Fragen nicht gerecht<br />
wer<strong>de</strong>n. Einleitend schreibt er z.B.: „Jesus<br />
versteht man eben nicht nur mit <strong>de</strong>m Kopf. Wer<br />
etwas von ihm wissen will, muss sich auf die kongeniale<br />
Erkenntnisweise <strong>de</strong>r Mystik einlassen.<br />
Herz und Gefühl wer<strong>de</strong>n nicht <strong>de</strong>r Psychologie<br />
überlassen, son<strong>de</strong>rn ihr entrissen“ (16). Und<br />
stimmt es wirklich: „Je<strong>de</strong>r Kompromiss gebiert<br />
Missstän<strong>de</strong>“ (551)? So fruchtbar es sein kann, „gewissermaßen<br />
fünf Minuten vor Gotthold Ephraim<br />
Lessings Säkularisierung <strong>de</strong>s Lichts zurückzugehen“<br />
(39), so wenig zielführend ist die doch zu<br />
pauschale Verurteilung <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Rationalität, die freilich einer kritischen Selbstaufklärung<br />
bedarf – ein Prozess, zu <strong>de</strong>m Klaus<br />
Berger selbst einen guten Beitrag liefert. Mit an<strong>de</strong>ren<br />
Worten: Um die Thesen Rudolf Bultmanns<br />
zu wi<strong>de</strong>rlegen und ihre schier erdrücken<strong>de</strong> Wirkungsgeschichte<br />
aufzuarbeiten (Berger spricht<br />
zurecht von „Forschungsklischees“, 50), bedarf<br />
INFO 34 · 2/2005
es nicht allein eines Griffs in die spirituelle Tradition<br />
<strong>de</strong>r Christenheit (so wertvoll dieser auch ist).<br />
Gera<strong>de</strong> die wissenschaftliche Vernunft hat längst<br />
die geistes- und forschungsgeschichtlichen Apriori<br />
entlarvt, die Bultmanns Schriftauslegung steuerten.<br />
In diesem Sinne lässt sich das Jesusbuch<br />
von Klaus Berger auch <strong>als</strong> vehementes Plädoyer<br />
für eine Selbstkritik wissenschaftlicher Schriftauslegung<br />
lesen. Solchermaßen gestärkt könnte<br />
dann neu und tiefer darüber nachgedacht wer<strong>de</strong>n,<br />
was es heißt, dass Maria bei <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>s Engels<br />
Gabriel „ein mystisch-ekstatisches Wi<strong>de</strong>rfahrnis“<br />
gehabt hat: „Maria hat eine Vision <strong>de</strong>s<br />
Engels Gottes, <strong>de</strong>ren Macht so groß ist, dass sie<br />
daraufhin schwanger ist“ (55). In <strong>de</strong>r Tat gilt:<br />
Biblische Texte bezeugen und rechnen „mit <strong>de</strong>r<br />
Möglichkeit realer Einbrüche <strong>de</strong>s Göttlich-An<strong>de</strong>ren<br />
in die Normalität <strong>de</strong>r Welt“, eine Wirklichkeit,<br />
die <strong>de</strong>n Rahmen kantianischer Vernunft<br />
überschreitet (vgl. 56).<br />
Charakteristisch für das neue Jesusbuch von<br />
Klaus Berger ist <strong>de</strong>r konfessorische Stil, <strong>de</strong>r die<br />
eigene Biographie und Lebensgeschichte nicht<br />
ausblen<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn thematisiert (vgl. 17-26, und<br />
<strong>de</strong>n nach<strong>de</strong>nklich stimmen<strong>de</strong>n, persönlichen Brief<br />
an Petrus, 589-596, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Wort en<strong>de</strong>t: „Auf<br />
Tränen kann man Kirche grün<strong>de</strong>n“). Berger hat<br />
eine neue Art von Katechismus geschrieben, <strong>de</strong>r<br />
je<strong>de</strong> Billigkeit und zeitgeistkonforme Ermäßigung<br />
zurückweist und statt<strong>de</strong>ssen eine mystagogische<br />
Hinführung zum Evangelium Jesu Christi bietet<br />
(contemplata aliis tra<strong>de</strong>re; vgl. 31), die typisch mo<strong>de</strong>rne<br />
Vorbehalte und verstellen<strong>de</strong> Vorurteile zu<br />
überwin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Lage ist. Klaus Scholtissek<br />
Hentig, Hartmut von<br />
Die Schule<br />
neu <strong>de</strong>nken<br />
Eine Übung in pädagogischer Vernunft (Beltz Tb.;<br />
119). – Weinheim u.a.: Verlag J. Beltz. 2003, 279 S.<br />
€ 12.90 (ISBN 3-407-22119-3)<br />
Hartmut von Hentig will eine an<strong>de</strong>re Schule.<br />
Schule, so das Grundanliegen vieler seiner Essays,<br />
Re<strong>de</strong>n und Einzelschriften aus <strong>de</strong>n letzten<br />
dreißig Jahren, muss eher polis sein <strong>als</strong> Lehrbetrieb;<br />
mehr Lebens- und Erfahrungsraum für<br />
das zivilisierte Miteinan<strong>de</strong>r, weniger Unterrichtsanstalt<br />
für instrumentelle Kenntnisse und Kompetenzen;<br />
Schule muss sich ebenso um die Lebens-<br />
wie um die Lernprobleme von Schülerinnen<br />
und Schülern kümmern.<br />
Anfang <strong>de</strong>r 90-er Jahre brannten in Deutschland<br />
Asylantenheime und Auslän<strong>de</strong>rwohnungen.<br />
Städte wie Hoyerswerda, Mölln, Rostock und Solingen<br />
gerieten in die Schlagzeilen. Hartmut von<br />
Hentigs 1993 veröffentlichtes Buch „Die Schule<br />
neu <strong>de</strong>nken“ passte genau in die Zeit. Hentig benannte<br />
Tatbestän<strong>de</strong> und Zeitsignaturen: „Neofaschismus<br />
und Gewalt gegen Auslän<strong>de</strong>r; Überfor<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Bürger durch die Politik und Abkehr<br />
von ihr; Ost-Enttäuschungen und West-Versäumnisse;<br />
die Folgen von Megalopolis, Migration<br />
und Globalisierung für das Zusammenleben <strong>de</strong>r<br />
Menschen; die Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundverhältnisses<br />
von Wissen, Denken und Han<strong>de</strong>ln durch<br />
die elektronische Datenverarbeitung, Telekommunikation<br />
und Virtualität“ (V1f.). Angesichts<br />
solcher Entwicklungen sei es Hauptaufgabe <strong>de</strong>r<br />
Schule, <strong>de</strong>n jungen Menschen zu stärken, seinen<br />
Gemeinsinn, seine Vernunft und seine Verantwortung<br />
zu för<strong>de</strong>rn. Vor dieser Aufgabe versage<br />
die herkömmliche Unterrichtsschule. Polemisch<br />
nannte er sie „Bewahranstalt“, „Treibhaus“ o<strong>de</strong>r<br />
„Sortieranstalt“ und warf ihr ein eklatantes „Mißverhältnis<br />
von Aufwand und Erfolg“ vor: „Sie<br />
entläßt die jungen Menschen kenntnisreich, aber<br />
erfahrungsarm, erwartungsvoll, aber orientierungslos,<br />
ungebun<strong>de</strong>n, aber auch unselbständig – und<br />
einen erschreckend hohen Anteil unter ihnen ohne<br />
je<strong>de</strong> Beziehung zum Gemeinwesen, entfrem<strong>de</strong>t<br />
und feindlich bis zur Barbarei“ (S. 10). Man<br />
mag diesen Befund für überzogen und einseitig<br />
halten, völlig aus <strong>de</strong>r Luft gegriffen ist er sicher<br />
nicht. Hartmut von Hentig zog daraus seine<br />
Rechtfertigung für eine grundlegen<strong>de</strong> Neuausrichtung<br />
<strong>de</strong>r Schule. Er for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Abschied<br />
von <strong>de</strong>r reinen Unterrichtsschule und entwarf das<br />
reformpädagogische I<strong>de</strong>al einer Schule <strong>als</strong> Lebens-<br />
und Erfahrungsraum mit offenen Unterrichtsformen,<br />
einem Höchstmaß an Toleranz und<br />
Partizipation, jahrgangsübergreifen<strong>de</strong>n Lerngruppen,<br />
offenen Klassenräumen sowie ganzheitlichen<br />
und altersspezifischen Lernformen (S. 214-259).<br />
Zehn Jahre später bringt <strong>de</strong>r Beltz Verlag das<br />
Buch <strong>als</strong> Taschenbuchausgabe noch einmal heraus.<br />
PISA ist nun das große Thema, ein Paradigmenwechsel<br />
in <strong>de</strong>r Bildungslandschaft zeichnet<br />
sich ab. Die Erziehungswissenschaften sprechen<br />
von empirischer Wen<strong>de</strong>, die Schulverwaltungen<br />
von output-Steuerung, die KMK legt Bildungsstandards<br />
fest. Vergleichsarbeiten laufen an. Von<br />
Schule <strong>als</strong> polis und <strong>als</strong> Lernort <strong>de</strong>s Gemeinwesens<br />
re<strong>de</strong>t kaum jemand. Eine große Qualitätsund<br />
Evaluationsflut schwappt statt<strong>de</strong>ssen über das<br />
Land, sie könnte manche reformpädagogische<br />
Sandburg wegspülen. Geht <strong>de</strong>r 68-er-Vision von<br />
<strong>de</strong>r entschulten Schule nach PISA das Licht aus?<br />
Haben sich die gesellschaftlichen Probleme, die<br />
Hentig benannte, erledigt und sind die Fragen von<br />
vor zehn Jahren heute irrelevant?<br />
In einem neu verfassten, 47 Seiten langen Vorwort<br />
begrün<strong>de</strong>t Hartmut von Hentig, warum seine<br />
For<strong>de</strong>rung „Die Schule neu <strong>de</strong>nken“ heute aktueller<br />
sei <strong>de</strong>nn je. Die Mordtat eines Erfurter Gymnasiasten,<br />
die zunehmen<strong>de</strong>n Symptome gesellschaftlicher<br />
Desintegration und vor allem <strong>de</strong>r „zunächst<br />
nur behauptete, nun wirkliche (...) clash of<br />
cultures“ nach <strong>de</strong>m 11. September 2001 (V3) –<br />
dies alles seien Merkmale einer weit reichen<strong>de</strong>n<br />
gesellschaftlichen und kulturellen Verunsicherung.<br />
Angesichts <strong>de</strong>ssen stehe die Schule vor <strong>de</strong>r<br />
Wahl: För<strong>de</strong>rt sie „Leistungsdarwinismus“, um<br />
Schüler für einen „buchstäblich entfesselten<br />
Kampf ums Dasein“ zu befähigen? Leicht wer<strong>de</strong><br />
sie dann zum verlängerten Arm wirtschaftlicher<br />
Interessengemeinschaften. O<strong>de</strong>r betrachtet sie es<br />
<strong>als</strong> ihre Aufgabe, „<strong>de</strong>m jungen Menschen überzeugen<strong>de</strong><br />
und befriedigen<strong>de</strong> Erfahrungen mit <strong>de</strong>r<br />
`gemeinsamen Regelung gemeinsamer Angelegenheiten´<br />
zu geben“? Dann bleibe sie mit Recht<br />
eine Veranstaltung <strong>de</strong>s Gemeinwesens (V3f.).<br />
Wohin <strong>als</strong>o steuert die <strong>de</strong>utsche Schule nach<br />
PISA? Für Hartmut von Hentig ist dies noch keineswegs<br />
ausgemacht. Seine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>r PISA-Studie fällt differenziert aus (V18-<br />
47). PISA folge „einer (wenn auch rudimentären)<br />
Bildungstheorie“. Dem Konzept <strong>de</strong>r drei „literacies“<br />
(Lesekompetenz, mathematische Grundbildung,<br />
naturwissenschaftliche Grundbildung) liege<br />
ein „formales“ bzw. „funktionales“ Bildungsverständnis<br />
zugrun<strong>de</strong>. Dass es „die Fachsystematik<br />
und die Wissenspyrami<strong>de</strong>n, die man in <strong>de</strong>utschen<br />
Lehrplänen aufgebaut hat, verlässt, <strong>als</strong>o einen<br />
didaktischen Paradigmenwechsel nahe legt“,<br />
begrüßt er. Kritisch geht er mit <strong>de</strong>n nun in<br />
Deutschland ergriffenen Maßnahmen um. Es stehe<br />
zu befürchten, dass man „die drei formalen<br />
Kompetenzen für die eigentliche und insofern<br />
ausreichen<strong>de</strong> `Basis´“ halte und darüber all jene<br />
Kompetenzen vernachlässige, die – neben <strong>de</strong>r<br />
„praktischen Bildung“ – für die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Aufgaben <strong>de</strong>r Schule, die „Bildung <strong>de</strong>r Person“<br />
und die „Bildung <strong>de</strong>s Bürgers“, wichtig seien<br />
(V28f.). Von <strong>de</strong>n Reaktionen auf PISA hält von<br />
Hentig die Ausweitung <strong>de</strong>r Ganztagsschulen für<br />
die wichtigste – vorausgesetzt, diese wür<strong>de</strong>n „<strong>als</strong><br />
geordneter Lebens- und Erfahrungsraum“ gestaltet,<br />
woran <strong>de</strong>r Autor durchaus Zweifel hat<br />
(V37). Durch das gute Abschnei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utscher<br />
Reformschulen wie <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Helene-<br />
Lange-Schule o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bielefel<strong>de</strong>r Laborschule<br />
(die von Hentig bis 1987 geleitet hat), sieht er<br />
sein Plädoyer für einen Abschied von <strong>de</strong>r herkömmlichen<br />
Unterrichtsschule bestätigt.<br />
Es gäbe vieles, auch Kritisches, zu von Hentigs<br />
Vision einer „Schule <strong>als</strong> Lebens- und Erfahrungsraum“<br />
zu fragen: Ist sie realistisch? Ist<br />
sie bezahlbar? Wer<strong>de</strong>n Lehrer, wer<strong>de</strong>n Eltern sie<br />
mittragen (können)? Und grundsätzlicher: Ist eine<br />
solche Schule überhaupt wünschenswert?<br />
Kommen nicht Inhalte und Wissen, kommt nicht<br />
das konzentrierte Lernen (und auch die Anstrengung)<br />
viel zu kurz in einer solchen Schule?<br />
Und ist nicht die Vorstellung, Schule könne<br />
ernsthaft zum „entschulten Lebens- und Erfahrungsraum“<br />
wer<strong>de</strong>n, eine f<strong>als</strong>che Utopie? Muss<br />
Schule nicht immer „Labor“ sein, ein Ort <strong>de</strong>s<br />
Nach<strong>de</strong>nkens, Lernens, Experimentierens und<br />
<strong>de</strong>r arrangierten (!) Erfahrung, aber eben doch<br />
nicht das Leben selbst? Bei aller Kritik, die an <strong>de</strong>r<br />
Radikalität <strong>de</strong>r Hentigschen I<strong>de</strong><strong>als</strong>chule zu üben<br />
wäre (und längst geübt wor<strong>de</strong>n ist) – <strong>als</strong> pädagogischer<br />
Gewissensspiegel für Lehrer, Schulleiter<br />
und Schulbehör<strong>de</strong>n ist die „Denkübung“,<br />
zu <strong>de</strong>r Hartmut von Hentig seine Leser anleitet,<br />
nicht nur tauglich, son<strong>de</strong>rn sogar notwendig.<br />
Denn min<strong>de</strong>stens hierin hat <strong>de</strong>r Autor recht: Erziehung<br />
ist allemal mehr <strong>als</strong> die Kunst, <strong>de</strong>n<br />
Unterricht störungsfrei zu halten. Erziehung be<strong>de</strong>utet<br />
Persönlichkeitsbildung und Ermutigung<br />
junger Menschen zu einem verantwortlichen, am<br />
Gemeinwohl orientierten Leben. Das sind Aufgaben,<br />
die ins Zentrum <strong>de</strong>r täglichen Arbeit gehören<br />
– und nicht nur in die Präambeln <strong>de</strong>r Schulprogramme.<br />
Sie sind nicht weniger zentral <strong>als</strong> die<br />
Vermittlung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen.<br />
Und sie stellen sich, auch darin hat von<br />
Hentig recht, keineswegs im Vorübergehen ein,<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
105<br />
INFO 34 · 2/2005
LITERATUR & MEDIEN<br />
106<br />
gleichsam <strong>als</strong> Beifang <strong>de</strong>s Fachunterrichts. Sie erfor<strong>de</strong>rn<br />
eine bewusst gestaltete Unterrichtskultur,<br />
ein sorgsam gepflegtes Schulklima, gezielte pädagogische<br />
Son<strong>de</strong>rangebote und eine wohldurchdachte<br />
Balance von Unterricht und Schulleben.<br />
Nur so kann Schule, einigermaßen, auf das ganze<br />
Leben vorbereiten.<br />
Carl Josef Reitz<br />
Werner, Hans-Joachim<br />
Moral und<br />
Erziehung in <strong>de</strong>r<br />
pluralistischen<br />
Gesellschaft<br />
– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />
2002. 300 S., € 24.90 (ISBN 3-534-16026-6)<br />
„Moral und Erziehung in <strong>de</strong>r pluralistischen<br />
Gesellschaft“ – Bereits <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s Buches lässt<br />
ahnen, dass Hans-Joachim Werner in seiner jüngsten<br />
Arbeit ein weites Feld in <strong>de</strong>n Blick genommen<br />
hat. Ein Feld, das sich zu<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Spannung<br />
verschie<strong>de</strong>ner Wissenschaftsdisziplinen und<br />
Wirklichkeitszugängen entfaltet, zwischen Philosophie<br />
und Pädagogik, zwischen Ethik und Religion,<br />
zwischen Individuum und Gesellschaft,<br />
zwischen Recht und Politik. Hans-Joachim Werner<br />
ist Professor für Philosophie an <strong>de</strong>r Pädagogischen<br />
Hochschule in Karlsruhe, <strong>als</strong>o vornehmlich<br />
in <strong>de</strong>r Ausbildung künftiger Grund-, Hauptund<br />
Re<strong>als</strong>chullehrer tätig. Entsprechend bringt er<br />
<strong>als</strong> Hintergrund für seine Darstellung die moralphilosophische<br />
Reflexion und <strong>de</strong>n Fokus auf Unterrichts-<br />
und Schulpraxis mit. Wohl auch <strong>de</strong>shalb<br />
wird <strong>de</strong>r Blick auf „Moral und Erziehung“<br />
im Laufe <strong>de</strong>r Darstellung zunehmend auf <strong>de</strong>n<br />
Schulunterricht und <strong>de</strong>n „Lebensraum Schule“<br />
(Hartmut von Hentig) gerichtet, was nicht zum<br />
Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Buches ist. An<strong>de</strong>rs wäre die Themenstellung<br />
auch kaum auf 300 Seiten abzuhan<strong>de</strong>ln<br />
gewesen.<br />
Der Autor hat seine Studie in zwei große Teile<br />
geglie<strong>de</strong>rt. In einem ersten Kapitel sammelt er<br />
ethische Fragestellungen, wie sie sich heute vor<br />
<strong>de</strong>m Hintergrund einer pluralistischen Gesellschaft<br />
stellen. Dabei geht es zuerst um die<br />
grundsätzlich Klärung, wie und in welchem Maße<br />
sich eine Gesellschaft <strong>de</strong>n für ihre Existenz<br />
notwendigen ethischen Konsens bewahren<br />
kann, wenn „die Moral weitgehend staatlichem<br />
Zugriff entzogen bleibt, und zwar nicht nur im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Speziellmoral, die im religiösen<br />
Glauben, in <strong>de</strong>r individuellen Gewissensorientierung<br />
und in frei gewählten Gemeinschaftsbindungen<br />
ihren Ausdruck fin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn auch<br />
für die Universalmoral, in <strong>de</strong>r sich die konsensbedürftigen<br />
Grundwerte einer Gesellschaft ausdrücken“<br />
(24). Der Autor nennt dieses Dilemma<br />
die „offene Flanke“ <strong>de</strong>r offenen Gesellschaft.<br />
Die moralische Erziehung zeigt sich in diesem<br />
Kontext <strong>als</strong> eine Möglichkeit und Notwendigkeit,<br />
dieser „spannungsreichen Grundsituation<br />
gerecht zu wer<strong>de</strong>n“ (24).<br />
Im nächsten Schritt unternimmt <strong>de</strong>r Autor<br />
dann die Klärung <strong>de</strong>r wichtigsten Begriffe dieses<br />
Diskursfel<strong>de</strong>s: Pluralismus, Liberalismus, Freiheit,<br />
Moral, Ethik, Wert und Norm. So bestimmt<br />
er die Ethik <strong>als</strong> Theorie <strong>de</strong>r Moral, Moral dagegen<br />
ausführlich <strong>als</strong> unterschiedlich akzentuierte<br />
Praxis persönlich wie gesellschaftlich anerkannter<br />
Sittlichkeit (33). Nach einem Durchgang<br />
durch die wichtigsten Positionen zur Frage nach<br />
<strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>r Moral – von Kant über Piaget bis<br />
MacIntyre – kommt er am En<strong>de</strong> dieses ersten Kapitels<br />
schließlich zu einer umfassen<strong>de</strong>n Definition:<br />
„Der Begriff <strong>de</strong>r Moral umfasst, so wie<br />
Höffe und an<strong>de</strong>re es darstellen, Wert und Norm,<br />
die sich auf das Verhältnis <strong>de</strong>s Individuums zu<br />
sich selbst, zu <strong>de</strong>n Mitmenschen und zur Natur<br />
beziehen“ (40). In ein Bild gebracht, stellt sich<br />
diese Struktur <strong>de</strong>r Moral auf <strong>de</strong>r Metaebene <strong>als</strong><br />
Struktur <strong>de</strong>r Ethik in einem ellipsenartigen Schema<br />
dar: „Rücksichten gegen sich selbst“ und<br />
„Rücksichten gegen die Mitwelt“ stehen in einem<br />
Gleichgewicht von Bestrebungen und Pflicht.<br />
„Moralische Erziehung, besteht somit aus <strong>de</strong>njenigen<br />
Aktivitäten, die sich intentional bei <strong>de</strong>n<br />
zu Erziehen<strong>de</strong>n auf die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rücksichten<br />
gegen sich selbst und gegen die Mitwelt richten“<br />
(45).<br />
Im umfangreichen zweiten Kapitel beleuchtet<br />
Werner dann die moralpädagogischen Ansätze<br />
und Konzepte, mit <strong>de</strong>nen moralische Erziehung<br />
in einer pluralistischen Gesellschaft geleistet wer<strong>de</strong>n<br />
soll, und prüft sie auf ihre Tauglichkeit. Dabei<br />
wird die Grundfigur <strong>de</strong>r doppelten Rücksichtsnahme<br />
– gegen die eigene Person und gegen die<br />
Mitwelt – zum heuristischen Instrument einer Analyse,<br />
<strong>de</strong>ren Bogen von <strong>de</strong>n ethischen Ansätzen<br />
<strong>de</strong>r Antike bis zu Piaget und Kohlberg reicht. In<br />
einem ersten Schritt nimmt <strong>de</strong>r Autor die Tugen<strong>de</strong>n<br />
<strong>als</strong> Ziele moralpädagogischen Han<strong>de</strong>lns in<br />
<strong>de</strong>n Blick und entfaltet Begriffe wie Persönlichkeit<br />
und Selbstentfaltung sowie Gerechtigkeit<br />
und Wohlwollen <strong>als</strong> Folie eines auf Erziehung<br />
zur Sittlichkeit ausgerichteten Han<strong>de</strong>lns. In einem<br />
zweiten Schritt wen<strong>de</strong>t er sich dann <strong>de</strong>n<br />
gängigen moralpädagogischen Metho<strong>de</strong>n und<br />
Konzepten zu und prüft ihre Tauglichkeit im<br />
Raum schulischer Erziehung: Dabei kommen<br />
die sokratische Gesprächsform und die Kohlbergsche<br />
Dilemmametho<strong>de</strong> ebenso in <strong>de</strong>n Blick<br />
wie die Wertklärungsmetho<strong>de</strong>, das Start/Life-<br />
Line-Mo<strong>de</strong>ll und das Compassion-Projekt. Die<br />
Arbeit schließt mit einem knappen Abschnitt<br />
über das Verhältnis von Ethik- und Religionsunterricht.<br />
„Moralische Erziehung in <strong>de</strong>r pluralistischen<br />
Gesellschaft“ ist eine äußerst konzis und nüchtern<br />
verfasste Studie, die über gut 300 Seiten eine<br />
grundsätzliche Klärung gängiger Grundbegriffe<br />
und <strong>de</strong>r mit ihnen verbun<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen<br />
Fragestellung unternimmt. Dabei schöpft <strong>de</strong>r<br />
Verfasser souverän aus <strong>de</strong>n unterschiedlichsten<br />
Konzepten <strong>de</strong>r Philosophiegeschichte, ohne aber<br />
die Bedingungen und Grenzen schulischen Lernens<br />
aus <strong>de</strong>m Auge zu verlieren. Wer sich die<br />
Zeit nimmt, diese anspruchsvolle Studie einer<br />
gründlichen Lektüre zu unterziehen, wird wichtige<br />
Klärungen, hilfreiche Reflexionen und eine<br />
wohltuen<strong>de</strong> Ordnung <strong>de</strong>s Diskurses fin<strong>de</strong>n.<br />
Clauß Peter Sajak<br />
Nicht, Manfred / Wildfeuer,<br />
Armin (Hg.)<br />
Person –<br />
Menschenwür<strong>de</strong> –<br />
Menschenrechte<br />
im Disput<br />
(Arbeitsbücher für Schule und Bildungsarbeit; Bd. 5).<br />
– Münster u.a.: LIT Verlag. 2002. 424 S., € 24.90<br />
(ISBN 3-8258-6104-X)<br />
Das vorliegen<strong>de</strong> Werk enthält die Referate zum<br />
„Tag katholischer Schulen“ vom 1. Okt. 2001 <strong>de</strong>s<br />
Bistums Essen und ist <strong>de</strong>m Bischof von Essen<br />
Hubert Luthe zum 75. Geburtstag gewidmet. Den<br />
Referaten vorangestellt ist ein Brief <strong>de</strong>s Bischofs<br />
zum Thema „Für eine Kultur <strong>de</strong>s Lebens“ aus <strong>de</strong>m<br />
Jahre 1998. Die Ausführungen <strong>de</strong>s an <strong>de</strong>r Kath.<br />
Fachhochschule in Pa<strong>de</strong>rborn lehren<strong>de</strong>n Philosophen<br />
Armin Wildfeuer eröffnen die Thematik <strong>de</strong>s<br />
Symposions <strong>als</strong> Hauptreferat. Ihm schließen sich<br />
noch 22 weitere Referate an. Die Beiträge <strong>de</strong>r in<br />
verschie<strong>de</strong>nen Disziplinen ausgewiesenen Referenten<br />
unterglie<strong>de</strong>rn sich in die Rubriken: I. Philosophische<br />
und theologische Grundlagen, II.<br />
Recht – Gesellschaft – Kultur und III. Konkretionen.<br />
Wildfeuer führt mit seinem Grundsatzreferat<br />
Menschenwür<strong>de</strong> – Leerformel o<strong>de</strong>r unverzichtbarer<br />
Gedanke? in die gegenwärtige philosophische<br />
Diskussion ein und zeigt Problematik und Konsequenzen<br />
<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Argumentationsrichtungen<br />
auf. Der weitgehen<strong>de</strong> säkulare common<br />
sense einer „Ethik ohne Metaphysik“ (G. Patzig)<br />
gibt vor, eine rationale Ethik, ohne weltanschauliche<br />
Vorraussetzungen, zu sein. <strong>Diese</strong>r Konsens<br />
setzt voraus, dass diese Ethik für alle akzeptabel<br />
sei, die ethisch <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln. Wildfeuer<br />
lässt sich auf diese Voraussetzung ein und vertritt<br />
die Auffassung, dass sich <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong>,<br />
entgegen <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Kritiker,<br />
die darin eine Leerformel sehen, rational begrün<strong>de</strong>n<br />
lasse. Darüber hinaus ist s. E. sogar eine<br />
rational nachvollziehbare Verankerung im politisch-rechtlichen<br />
System unserer Gesellschaft möglich.<br />
Metaphysik und religiöser Glaube haben<br />
zwar heuristisch dazu beigetragen, Begriffe wie<br />
Menschenwür<strong>de</strong> und Person zu bil<strong>de</strong>n. In einer<br />
weltanschaulich neutralen Gesellschaft dürfen jedoch<br />
Metaphysik und religiöser Glaube keinen<br />
Begründungsrang mehr haben. Aber auch die rationale<br />
Begründung etwa, dass Menschsein, Menschenwür<strong>de</strong><br />
und Personsein <strong>de</strong>ckungsgleich seien,<br />
wird Gegner wie Reinhard Merkel, Peter Singer,<br />
Helga Kuhse und an<strong>de</strong>re schließlich <strong>de</strong>nnoch<br />
nicht überzeugen. Der ebenfalls in Pa<strong>de</strong>rborn lehren<strong>de</strong><br />
Moraltheologe Werner Wertgen konkretisiert<br />
Argumentation und Kritik in seinem Beitrag<br />
(Warum) sollen menschliche Embryonen geschützt<br />
wer<strong>de</strong>n? Embryonenschutz <strong>als</strong> ethisches<br />
Problem. Eine Skizze. Er legt die Plausibilitätslücke<br />
zwischen <strong>de</strong>n Argumenten für einen umfassen<strong>de</strong>n<br />
Schutz menschlichen Lebens und <strong>de</strong>n Argumenten<br />
<strong>de</strong>r schärfsten Kritiker <strong>de</strong>sselben offen.<br />
Hier wird ganz offensichtlich, dass die weltanschauliche<br />
Position von Befürwortern und Kritikern<br />
<strong>de</strong>r Grund dieser Lücke ist. Sowohl Pro <strong>als</strong><br />
INFO 34 · 2/2005
auch Contra können je nach Standpunkt nicht je<strong>de</strong>n<br />
überzeugen. Rationale Argumente auf <strong>de</strong>r<br />
Basis <strong>de</strong>s o.g. common sense haben <strong>als</strong>o genauso<br />
ihre Grenzen wie metaphysisch religiöse.<br />
Weil das so ist, hat m.E. auch eine theologische<br />
Argumentation weiterhin ihre Berechtigung.<br />
Schließlich hat im gleichen Jahr, <strong>als</strong> dieses Symposion<br />
stattfand, Jürgen Habermas <strong>als</strong> „religiös<br />
Unmusikalischer“ in seiner Frankfurter Re<strong>de</strong> darauf<br />
hingewiesen, dass die religiöse Sprache Wertressourcen<br />
berge, die auch für eine säkulare Gesellschaft<br />
unverzichtbar wären. Nicht nur <strong>de</strong>r theologisch<br />
Argumentieren<strong>de</strong> sollte die Sprache <strong>de</strong>r<br />
ihn umschließen<strong>de</strong>n säkularen Welt lernen, son<strong>de</strong>rn<br />
es sei an <strong>de</strong>r Zeit, dass umgekehrt auch die<br />
säkulare Welt von <strong>de</strong>n Sprachinseln religiöser<br />
Wertvermittlung und Begründung lerne. Der religiös<br />
Re<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Argumentieren<strong>de</strong> sollte sich<br />
m.E. nicht zum Kaninchen machen lassen, das auf<br />
eine theologische Argumentation verzichtet, weil<br />
man es abgerichtet hat, auf die Schlange einer<br />
Ethik ohne Metaphysik zu starren. Erfreulicherweise<br />
kamen während <strong>de</strong>s Symposions auch zwei<br />
Referenten zu Wort, <strong>de</strong>ren Beiträge im engeren<br />
Sinne <strong>als</strong> theologisch zu bezeichnen sind und sich<br />
in erfrischen<strong>de</strong>r Weise vom Starren auf die Schlange<br />
lösen. Der Eichstätter Dogmatiker Manfred<br />
Gerwing (Der Mensch ein Geschöpf Gottes? Zum<br />
christlichen Menschenverständnis) zeigte in seiner<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Sartre auf, mit welchen<br />
Defiziten man leben muss, wenn man sich<br />
auf die Sprachregelungen <strong>de</strong>r zeitgenössischen<br />
Gesellschaft einlässt und auf Argumentationen<br />
verzichtet, aus <strong>de</strong>nen man eigentlich lebt. Es ist<br />
eben nicht so, dass <strong>de</strong>r Verzicht auf die Re<strong>de</strong> von<br />
Gott, die immer auch Konsequenzen für die Re<strong>de</strong><br />
vom Menschen hat, ein Rad ist, mit <strong>de</strong>m sich sowieso<br />
nichts dreht. Nicht nur Habermas hat dies<br />
mittlerweile bemerkt. Gerwing führt auch <strong>de</strong>n<br />
Zeitherausgeber Michael Naumann und <strong>de</strong>n früheren<br />
Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
Wolfgang Frühwald an, die von einer<br />
angeblich „wertfreien Wissenschaft“ Abschied<br />
nehmen. (S. 155). In diesem Zusammenhang sei<br />
auch <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>s Pa<strong>de</strong>rborner Bibelwissenschaftlers<br />
Rainer Dillmann (Zwischen Selbstüberschätzung<br />
und gutem Willen – Der Mensch<br />
aus biblisch-theologischer Sicht) genannt. Die<br />
Erzählung von Paradies und Sün<strong>de</strong>nfall nimmt er<br />
zum Anlass eine über alle Zeiten hinweg aktuelle<br />
Thematik, die Erkenntnis von gut und böse, für<br />
die gegenwärtige Diskussion fruchtbar zu machen.<br />
Liest man die weiteren Beiträge in <strong>de</strong>r Spannung<br />
<strong>de</strong>s von Wildfeuer eröffneten Spektrums,<br />
zeitgenössisch mit Zeitgenossen zu <strong>de</strong>nken und<br />
zu re<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n vor allem durch Gerwing, aber<br />
auch Dillman markierten Kontrapunkten, so wird<br />
man das Buch mit Gewinn lesen. Helmut Müller<br />
Blum, Matthias/ Hölscher,<br />
Andreas (Hg.)<br />
Die Kunst <strong>de</strong>r<br />
Glaubensvermittlung<br />
Perspektiven zeitgemäßer Religionspädagogik<br />
(Berliner Schriften Bd. 17). – Berlin: Morus Verlag.<br />
2002. 278 S., € 24,90 (ISBN 3-87554-347-5)<br />
Es gibt verschie<strong>de</strong>ne Wege, in ein Studienfach<br />
o<strong>de</strong>r eine Wissenschaftsdisziplin einzuführen. Man<br />
kann zentrale Themen und Metho<strong>de</strong>n, Geschichte<br />
und Entwicklung eines Faches systematisch<br />
darstellen. Man kann aber auch führen<strong>de</strong> Vertreter<br />
<strong>de</strong>s Faches bitten, <strong>de</strong>n gegenwärtigen Diskussionsstand<br />
zusammenzufassen und in einer möglichst<br />
allgemein verständlichen Sprache darzustellen.<br />
Zu letzterem haben sich die FU Berlin<br />
und das Seminar für Lehrerfortbildung <strong>de</strong>s Erzbistums<br />
Berlin entschlossen, <strong>als</strong> sie 1999/ 2000 eine<br />
Ringvorlesung zum Thema Verdunstung <strong>de</strong>s Glaubens?<br />
Religiöse Bildung in <strong>de</strong>r pluralen Kultur<br />
und Gesellschaft initiierten und dazu führen<strong>de</strong> Vertreter<br />
<strong>de</strong>r katholischen Religionspädagogik einlu<strong>de</strong>n.<br />
Wer mit <strong>de</strong>n religionspädagogischen Diskussionen<br />
<strong>de</strong>r letzten bei<strong>de</strong>n Jahrzehnten vertraut<br />
ist, wird in <strong>de</strong>r Dokumentation <strong>de</strong>r Vorlesungsreihe<br />
wenig Neues ent<strong>de</strong>cken. Wer sich hingegen<br />
einen Überblick über die gegenwärtige katholische<br />
Religionspädagogik verschaffen will, <strong>de</strong>m<br />
verspricht <strong>de</strong>r Band eine gewinnbringen<strong>de</strong> Lektüre.<br />
Hier präsentiert sich die <strong>de</strong>utsche Religionspädagogik<br />
mit ihren Stärken, aber auch mit ihren<br />
Schwächen. Von bei<strong>de</strong>m ist zu re<strong>de</strong>n.<br />
Der Weg durch die Religionspädagogik beginnt<br />
mit <strong>de</strong>r Wahrnehmung und Deutung lebensweltlicher<br />
Religiosität. Religion ist heute diffus<br />
gewor<strong>de</strong>n, so die These <strong>de</strong>s Kölner Dogmatikers<br />
Hans-Joachim Höhn. Die Postmo<strong>de</strong>rne ist nicht<br />
religionslos. Wohl aber verliert Religion ihre inhaltliche<br />
und soziale Bestimmtheit. Religiöse o<strong>de</strong>r<br />
religionsäquivalente Phänomene lassen sich in<br />
vielen Bereichen <strong>de</strong>r Gesellschaft fin<strong>de</strong>n – vom<br />
Sport über Kunst und Kultur bis zur Warenästhetik<br />
und Werbung. Religion ist allgegenwärtig und<br />
<strong>de</strong>shalb nirgends konkret zu verorten. <strong>Diese</strong> religionsphänomenologische<br />
These wird vom Münsteraner<br />
Sozialethiker Karl Gabriel religionssoziologisch<br />
gestützt: Die Diffusion von Religion ist<br />
wesentlich eine Folge ihrer Pluralisierung und Individualisierung.<br />
Bei<strong>de</strong> Autoren sehen im (post-)<br />
mo<strong>de</strong>rnen Umgang mit Religion nicht nur eine<br />
Gefahr für Christentum und Kirche, son<strong>de</strong>rn auch<br />
eine Chance, wenn die Kirche, wie Gabriel empfiehlt,<br />
die Rolle einer „freiheitsbewahren<strong>de</strong>n Distanzmacht“<br />
zum total wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Markt und seinen<br />
Zwängen einnimmt. <strong>Diese</strong>r Impuls wird lei<strong>de</strong>r<br />
von <strong>de</strong>n im engeren Sinne religionspädagogischen<br />
Beiträgen kaum aufgenommen. Nur Norbert<br />
Mette macht hier eine Ausnahme. Er versucht,<br />
die Einsichten <strong>de</strong>r „politischen Theologie“<br />
von Johann-Baptist Metz und Helmut Peukert religionspädagogisch<br />
fruchtbar zu machen.<br />
Die an<strong>de</strong>ren Beiträge beleuchten vor allem die<br />
traditionellen Orte religiöser Bildung, nämlich<br />
Schule, Gemein<strong>de</strong> und Erwachsenenbildung. Werner<br />
Simon und Harald Schwillius erläutern Konzeption<br />
und Stellung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts in<br />
<strong>de</strong>r Schule. Bei<strong>de</strong> plädieren auch in Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Fach LER in Bran<strong>de</strong>nburg für<br />
einen konfessionellen Religionsunterricht, <strong>de</strong>r<br />
Standortgebun<strong>de</strong>nheit mit Offenheit gegenüber<br />
an<strong>de</strong>ren Konfessionen und Religionen verbin<strong>de</strong>t.<br />
Ein reichlich i<strong>de</strong>alistisches Bild von Gemein<strong>de</strong>pädagogik<br />
zeichnet die Osnabrücker Pastoraltheologin<br />
Martina Blasberg-Kuhnke. Es gehört<br />
schon eine gewisse Erfahrungsresistenz dazu, die<br />
Gemein<strong>de</strong> <strong>als</strong> primären Lernort <strong>de</strong>s Glaubens zu<br />
<strong>de</strong>klarieren. Die freikirchlich inspirierte Gemein<strong>de</strong>theologie<br />
übersieht geflissentlich, dass nur eine<br />
kleine Min<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Christinnen und Christen<br />
sich gemeindlich engagiert, dass es in <strong>de</strong>r katholischen<br />
Kirche immer auch an<strong>de</strong>re Vergemeinschaftungsformen<br />
gegeben hat und gibt und<br />
dass <strong>de</strong>r religiöse Monopolanspruch <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>r Terminologie von Ernst Troeltsch eher<br />
zum Sozialtypus „Sekte“ passt. Von diesen Engführungen<br />
ist <strong>de</strong>r Beitrag von Rudolf Englert frei.<br />
Er hält ein überzeugen<strong>de</strong>s Plädoyer für eine kirchliche<br />
Erwachsenenbildung, die <strong>de</strong>n christlichen<br />
Glauben über <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Gottesdienstgemein<strong>de</strong><br />
hinaus kommunikabel macht und zur Fermentierung<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft mit christlichen Inspirationen<br />
beiträgt. Dass dies auch angesichts <strong>de</strong>r offenkundigen<br />
Krise vieler kirchlicher Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>r Erwachsenenbildung noch möglich ist,<br />
zeigte jüngst die Diskussion von Jürgen Habermas<br />
und Kardinal Ratzinger in <strong>de</strong>r Katholischen<br />
Aka<strong>de</strong>mie München. Sie hätte in einer Gemein<strong>de</strong><br />
wohl kaum stattgefun<strong>de</strong>n.<br />
Höchst anregend ist <strong>de</strong>r abschließen<strong>de</strong> Beitrag<br />
von Klaus Mertes SJ, <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>s Canisius-<br />
Kollegs in Berlin. Er versteht Schulpastoral bewusst<br />
nicht <strong>als</strong> kirchliche Sozialarbeit an Lehrern<br />
und Schülern, son<strong>de</strong>rn skizziert ein Konzept, das<br />
Schülerinnen und Schülern im Raum von Schule<br />
religiöse Erfahrungen eröffnen will. Seine praxisnahen<br />
Überlegungen zur Schulpastoral gehen<br />
damit über <strong>de</strong>n Diskussionsrahmen <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s<br />
hinaus und verweisen auf neuere Überlegungen<br />
zu einem „performativen“ o<strong>de</strong>r „mystagogischen<br />
Religionsunterricht“ (vgl. rhs 1/2002 und INFO<br />
4/2003), <strong>de</strong>r nicht nur an religiöse Erfahrungen<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler anknüpfen, son<strong>de</strong>rn<br />
ihnen auch neue Erfahrungen innerhalb und<br />
außerhalb von Schule ermöglichen will. Solch<br />
neue Konzepte einer „zeitgemäßen Religionspädagogik“<br />
– so <strong>de</strong>r Untertitel – sucht man im <strong>de</strong>m<br />
Dokumentationsband jedoch ebenso vergeblich<br />
wie Bezüge zur gegenwärtigen Schulreform<strong>de</strong>batte.<br />
Kritikwürdig ist auch das vergleichsweise<br />
harmlose Bild von Religion in <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne,<br />
das Höhn und Gabriel zeichnen. Spätestens <strong>de</strong>r<br />
11. September 2001 hat uns <strong>de</strong>n offenkundig engen<br />
Zusammenhang von Religion und Gewalt<br />
wie<strong>de</strong>r bewusst gemacht. Und auch wer Mel Gibsons<br />
Deutung <strong>de</strong>r Passion Jesu <strong>als</strong> Blutorgie ablehnt,<br />
wird nicht leugnen können, dass im Zentrum<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens ein tödlicher Gewaltakt<br />
steht. Religion ist keine harmlose Freizeitbeschäftigung.<br />
Hier geht es im Wortsinn um Leben und Tod.<br />
Eine Religionspädagogik, die „zeitgemäß“ sein<br />
will, darf <strong>de</strong>n Zusammenhang von Religion und<br />
Gewalt nicht ausblen<strong>de</strong>n. Andreas Verhülsdonk<br />
Boschki, Reinhold<br />
„Beziehung“ <strong>als</strong><br />
Leitbegriff <strong>de</strong>r<br />
Religionspädagogik<br />
Grundlegung einer dialogisch-kreativen Religionsdidaktik<br />
(Reihe Zeitzeichen; Bd. 13). – Ostfil-<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
107<br />
INFO 34 · 2/2005
LITERATUR & MEDIEN<br />
108<br />
<strong>de</strong>rn: Schwabenverlag. 2003. 504 S., € 35.00<br />
(ISBN 3-7966-1122-2)<br />
Eigentlich ist es erstaunlich, dass erst mit dieser<br />
Tübinger Habilitationsschrift die Kategorie<br />
„Beziehung“ ausdrücklich in <strong>de</strong>n Mittelpunkt religionspädagogischer<br />
und -didaktischer Grundlagenprobleme<br />
gestellt wird. Ist doch seit langem<br />
schon spürbar, wie sehr die Kategorie <strong>de</strong>s Dialogischen,<br />
<strong>de</strong>s Kommunikativen, <strong>de</strong>s (Inter-)Relationalen<br />
in <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>s Selbst- und Weltverstehens<br />
in allen Wissenschaften und Lebensbereichen<br />
rückt. Theologisch grundlegend sind<br />
die Arbeiten von Helmut Peukert, die Glauben <strong>als</strong><br />
bestimmte kommunikative Praxis erschließen. In<br />
systematischer Theologie hat z.B. die Münsteraner<br />
Theologin Dorothea Sattler das „Beziehungs<strong>de</strong>nken<br />
in <strong>de</strong>r Erlösungslehre“ auf seine Be<strong>de</strong>utung<br />
und seine Grenzen hin untersucht (Freiburg<br />
1997). Hier nun wird in einem gut begrün<strong>de</strong>ten<br />
und kenntnisreichen Dreischritt das „Beziehungsparadigma“<br />
religionspädagogisch durchbuchstabiert<br />
– nicht um das bisher leiten<strong>de</strong> „Erziehungsparadigma“<br />
o<strong>de</strong>r das „Entwicklungsparadigma“<br />
einfach abzulösen, son<strong>de</strong>rn kreativ zu ergänzen<br />
und, im vielfachen Wortsinn, „aufzuheben“. Wenn<br />
nämlich von „Beziehung“ begrün<strong>de</strong>t die Re<strong>de</strong> ist,<br />
dann ist immer Wechselseitigkeit im Spiel, dann<br />
wer<strong>de</strong>n die kreativen und konstruktiven Potentiale<br />
<strong>de</strong>r Beziehungspartner wachgerufen, dann sind<br />
vor allem auch die emotionalen (und konfliktiven)<br />
Dimensionen <strong>de</strong>s Verhältnisses schon im<br />
Ansatz zentral. Genau das entfaltet Boschki im<br />
ständigen Gespräch mit Erziehungswissenschaft<br />
und Theologie für die Religionspädagogik.<br />
Ausführlich wird zunächst die Beziehungswelt<br />
von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen sozialwissenschaftlich-empirisch<br />
erhoben, theoretisch abgeklärt<br />
und profiliert. Erziehung geschieht in Beziehung,<br />
und dieses Geschehen ist in seiner Vieldimensionalität<br />
und Wechselseitigkeit zu erschließen.<br />
Hatte die klassische Pädagogik (etwa<br />
bei Herman Nohl) vom „pädagogischen Bezug“<br />
gesprochen, so wird hier <strong>de</strong>r inmitten aller Asymmetrie<br />
<strong>de</strong>s pädagogischen Verhältnisses doch<br />
symmetrisch wechselseitige, empathische und<br />
durchaus konfliktive Aspekt von vornherein ausdrücklich<br />
im Ansatz gebracht. Die ersten 200 Seiten<br />
<strong>de</strong>r Arbeit sind eine hervorragen<strong>de</strong> Einführung<br />
in <strong>de</strong>n Stand humanwissenschaftlicher Aspekte<br />
<strong>de</strong>s Themas.<br />
Der zweite Teil stellt Zentralaspekte biblischer<br />
Beziehungstheologie in <strong>de</strong>r jüdischen und<br />
christlichen Tradition dar, wie sie von einer<br />
Theologie <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s zwischen Gott und <strong>de</strong>n<br />
Menschen her sich nahelegen. Boschki, <strong>de</strong>r eine<br />
höchst empfehlenswerte Arbeit über Elie Wiesel<br />
geschrieben hatte, akzentuiert beson<strong>de</strong>rs die bleiben<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung Israels auch für christliches Beziehungs<strong>de</strong>nken.<br />
Derart die Theo- und Soziodramatik<br />
<strong>de</strong>r biblischen Überlieferungen und <strong>de</strong>r<br />
faktischen Glaubensgeschichten stets im Blick –<br />
und dies notwendig mit <strong>de</strong>m Zeitin<strong>de</strong>x „nach<br />
Auschwitz“ – , wird <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r Unverfügbarkeit,<br />
<strong>de</strong>r Befremdlichkeit, <strong>de</strong>r konfliktiven Kreativität<br />
im Beziehungsverhalten zwischen Gott<br />
und seinem Volk, zwischen Gott und Mensch<br />
nachdrücklich unterstrichen: Zum Geheimnis<br />
Gottes gehört seine Entzogenheit, seine beziehungsstiften<strong>de</strong><br />
Liebe lebt aus seiner souveränen<br />
Freiheit, seine Allmacht (in Beziehung!) wird<br />
konkret gera<strong>de</strong> auch in seiner Ohnmacht.<br />
Im dritten Teil wird eine entsprechen<strong>de</strong> „religionspädagogische<br />
Hermeneutik <strong>de</strong>r Beziehung“<br />
entfaltet und damit z.B. das Mo<strong>de</strong>ll einer Korrelationsdidaktik<br />
aufgenommen und weitergeführt.<br />
Nicht zuletzt die „Konturen einer dialogischkreativen<br />
Religionsdidaktik“ zeigen, wie sehr es<br />
im ganzen Ansatz um fünf Dimensionen religiösen<br />
Beziehungslernens geht: Beziehung zu sich<br />
selbst, Beziehung zu an<strong>de</strong>ren, Verhältnis zu Natur,<br />
Kultur und Geschichte, Verhältnis zu Zeit<br />
und in all <strong>de</strong>m Gottesbeziehung. Beziehungslernen<br />
ist eben mehr <strong>als</strong> Wissensvermittlung, mehr<br />
auch <strong>als</strong> materiale Glaubensweitergabe, son<strong>de</strong>rn<br />
ein vieldimensionales ganzheitliches Bezugsgeschehen.<br />
Ob und wie dies im „System“ Schule zu<br />
realisieren ist, ob und wie dies in <strong>de</strong>n real existieren<strong>de</strong>n<br />
kirchlichen Gemein<strong>de</strong>n zu verwirklichen<br />
ist, ist eine nach <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>r höchst empfehlenswerten<br />
Studie um so brennen<strong>de</strong>re Frage.<br />
Bei lebhafter Zustimmung und Empfehlung<br />
im Ganzen sei eine m.E. theologisch zentrale<br />
Problematik und Frage nicht verschwiegen. Die<br />
durchgängige (bisweilen fast inflationäre) Inanspruchnahme<br />
<strong>de</strong>r Kategorie „Dialektik“ für das<br />
Verhältnis von „Offenbarung“ und „Verborgenheit“,<br />
von „Anwesenheit“ und „Abwesenheit“<br />
Gottes scheint mir min<strong>de</strong>stens missverständlich –<br />
und das hängt m.E. mit <strong>de</strong>m ungeklärten Status<br />
<strong>de</strong>r Christologie in diesem Entwurf zusammen,<br />
<strong>de</strong>r so lei<strong>de</strong>nschaftlich die Beson<strong>de</strong>rheit Israels<br />
und seiner Gottesgeschichte auch für das Christentum<br />
unterstreicht. Die Re<strong>de</strong> von „Dialektik“<br />
kann allzu leicht janusgesichtig wer<strong>de</strong>n (und bleiben),<br />
wenn sie nicht <strong>de</strong>n biblisch zentralen Gedanken<br />
<strong>de</strong>r endgültigen Selbst-Offenbarung Gottes<br />
österlich entschie<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellt.<br />
Die „Verborgenheit“ (eines „Partners“) in <strong>de</strong>r<br />
Beziehung und aufgrund <strong>de</strong>r Beziehung (die z.B.<br />
<strong>de</strong>n Namen Liebe und Freundschaft verdient) ist<br />
eine völlig an<strong>de</strong>re Verborgenheit und Abwesenheit<br />
<strong>als</strong> die etwa, die außerhalb <strong>de</strong>r Beziehung<br />
o<strong>de</strong>r in ihrem Vorhof erfahren und behauptet<br />
wird. Wenn z.B. <strong>de</strong>r berühmte Cantico Espiritual<br />
<strong>de</strong>s Johannes vom Kreuz – ein Zentraltext christlicher<br />
Mystik und spanischer Poesie – mit <strong>de</strong>r<br />
Frage beginnt: „Wo hast du dich verborgen?“,<br />
dann leben diese Frage und dieses Gedicht von<br />
einer elementaren Beziehungsgewissheit, wie sie<br />
christlich im Osterbekenntnis begrün<strong>de</strong>t liegt.<br />
Lässt sich eine solche Beziehungsdynamik – und<br />
dies ist die <strong>de</strong>r ganzen Bibel! – „dialektisch“ nennen?<br />
Wenn schon, dann eher: dialogisch! <strong>Diese</strong>lbe<br />
systematische Unklarheit bleibt m.E. im Begriff<br />
<strong>de</strong>s „Geheimnisses“. Es könnte und müsste<br />
noch klarer wer<strong>de</strong>n, dass und inwiefern das Beziehungsgeheimnis<br />
<strong>de</strong>s Glaubens etwas völlig<br />
an<strong>de</strong>res ist <strong>als</strong> ein Rätsel: Rätsel sind prinzipiell<br />
lösbar und wer<strong>de</strong>n gelöst, (Beziehungs)Geheimnisse<br />
wer<strong>de</strong>n bekanntlich nie gelöst, son<strong>de</strong>rn bewohnt<br />
und begangen. Boschki stellt Werk und<br />
Gestalt Jesu sehr überzeugend in die biblische<br />
Gottesgeschichte in die Gebetskultur <strong>de</strong>r Klage.<br />
Man kann meinetwegen die Kreuzestheologie<br />
auch <strong>als</strong> „die schärfste Form einer ‚Negativen<br />
Beziehungstheologie‘“ (260) bezeichnen (wobei<br />
freilich das klassische christliche Verständnis<br />
von „negativer Theologie“ im Schnittfeld von<br />
Apophatik und Kenosis eigens zu diskutieren wäre).<br />
Aber dass solche Beziehungsspannungen<br />
biblisch im Geheimnis <strong>de</strong>r unhintergehbaren<br />
Treue <strong>de</strong>s sich selbst bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gottes, christlich<br />
<strong>als</strong>o im Osterbekenntnis, wurzeln, sollte <strong>de</strong>utlicher<br />
herausgearbeitet wer<strong>de</strong>n. Gewiss: „Nach<br />
Auschwitz“ wiegen Karfreitag und Karsamstag<br />
<strong>als</strong> theologischer Ort noch unendlich viel schwerer<br />
– aber was ist mit <strong>de</strong>m Ostersonntag? Was wäre<br />
mit einer Theologie <strong>de</strong>s Gebetes, die nicht von<br />
<strong>de</strong>r Klage, son<strong>de</strong>rn von Dank und Jubel ausginge?<br />
Macht es theologisch Sinn, von einer „Dialektik“<br />
von Karfreitag und Ostern zu sprechen?<br />
So gesehen, lädt die empfehlenswerte, materialund<br />
gedankenreiche Arbeit förmlich ein zum<br />
theologischen Sachstreit – zur Frage z.B. nach<br />
<strong>de</strong>r systembil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung von Christologie<br />
und Pneumatologie für alles Beziehungshan<strong>de</strong>ln.<br />
Dann rückte auch ein konsequent trinitarisches<br />
Denken und Tun (noch) stärker in <strong>de</strong>n Mittelpunkt.<br />
Zusammen mit <strong>de</strong>r systematischen Theologie<br />
wür<strong>de</strong> dann endlich auch die christliche<br />
Mystik (<strong>als</strong> gelebte Einübung in das Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Glaubensbeziehung!) für die Religionspädagogik<br />
fruchtbar gemacht.<br />
Gotthard Fuchs<br />
Schreijäck, Thomas (Hg.)<br />
Werkstatt Zukunft<br />
Bildung und Theologie im Horizont<br />
eschatologisch bestimmter Wirklichkeit. Festschrift<br />
für Hermann Pius Siller. – Freiburg u.a.:<br />
Verlag Her<strong>de</strong>r. 2004. 448 S., € 39.00 (ISBN 3-451-<br />
28318-2)<br />
Festschriften für die in die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Jahre gekommenen Professoren gibt es ja zu Hauf.<br />
Manche davon sind oft nur aka<strong>de</strong>mische Pflichtübungen,<br />
mit <strong>de</strong>nen die artigen Gratulanten durch<br />
einen schon lange in <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong> schlummern<strong>de</strong>n<br />
Aufsatz ihre Publikationsliste erweitern wollen.<br />
Im vorliegen<strong>de</strong>n Falle jedoch ehrt man <strong>de</strong>n<br />
75-jährigen nicht im skizzierten Sinne ritualisierter<br />
Selbstläufer, son<strong>de</strong>rn es gilt, einen absoluten<br />
Ausnahme-Hochschullehrer zu beleuchten, <strong>de</strong>r<br />
<strong>als</strong> eigenwilliger Theologe, prägen<strong>de</strong>r Religionspädagoge<br />
und basisbewegter Seelsorger eine unvergleichliche<br />
Ausstrahlungskraft besaß – für unser<br />
Bistum und weit darüber hinaus.<br />
Zunächst seien einige Beiträge skizziert, die<br />
verschie<strong>de</strong>nartige Facetten Sillers herausarbeiten<br />
(1.), dann sollen einige Wortmeldungen herausgehoben<br />
wer<strong>de</strong>n, die – Tabubrechern gleich –<br />
über <strong>de</strong>n heutigen Tag Hinausweisen<strong>de</strong>s formulieren<br />
(2.).<br />
1. Der „Publik-Forum“-Redakteur Thomas<br />
Seiterich-Kreuzkamp versteht es aufgrund seiner<br />
jahrzehntelangen Weggenossenschaft mit Siller,<br />
diesen <strong>als</strong> Priester <strong>de</strong>s „brü<strong>de</strong>rlichen Typs“ (etwa<br />
über <strong>de</strong>ssen Verständnis von Gemein<strong>de</strong> und Got-<br />
INFO 34 · 2/2005
tesdienst) zu charakterisieren und dieses existentielle<br />
Engagement Sillers in <strong>de</strong>ssen Zentralkategorie<br />
„eschatologisch bestimmter Wirklichkeit“<br />
zu verorten. Siegfried Wie<strong>de</strong>nhofer zeigt Sillers<br />
wegweisen<strong>de</strong> Impulse für das im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Weltkirche beachtliche Forschungs- und Lehrprojekt<br />
„Theologie interkulturell“ auf: Die Pointe<br />
dieses interkulturellen und interreligiösen Kommunikationsgeschehens<br />
besteht darin, dass dabei<br />
Vielfalt und Einheit in ein klug austariertes Verhältnis<br />
zueinan<strong>de</strong>r gebracht wer<strong>de</strong>n: Beheimatung<br />
und Verwurzelung in einer beson<strong>de</strong>ren Kultur<br />
ist Voraussetzung dafür, dass das Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />
pluraler Kulturen verständnisvoll, friedlich<br />
und fruchtbar geschieht. Michael Raske hebt<br />
mit seinem Beitrag zum Kreuz Jesu <strong>als</strong> „Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Solidarität und Zeichen <strong>de</strong>r Bedrohung“ im<br />
Gespräch zwischen Christen und Ju<strong>de</strong>n hervor,<br />
dass für Siller Israel und das Ju<strong>de</strong>ntum zu <strong>de</strong>n<br />
Grundthemen <strong>de</strong>r Theologie und <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
gehören. Beson<strong>de</strong>rs plastisch wird<br />
dieses Themenfeld durch Raskes Beschäftigung<br />
mit <strong>de</strong>n Kreuzesdarstellungen <strong>de</strong>s jüdischen<br />
Künstlers Marc Chagall.<br />
2. Der emeritierte Frankfurter Professor für<br />
Erziehungswissenschaften Horst Rumpf rührt<br />
mit seinem Beitrag an einige Tabus <strong>de</strong>r Gesellschafts-<br />
und Erziehungstheorien <strong>de</strong>r späten 60er-<br />
Jahre, die inzwischen fast schon kulturelle Selbstverständlichkeiten<br />
gewor<strong>de</strong>n sind: In <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahrzehnten herrschte eine „gera<strong>de</strong>zu rauschhafte<br />
Begeisterung für Kritik und Emanzipation“(21).<br />
Unterricht verkam nur zu oft zum Exerzitium von<br />
Entlarvungstechniken an allen Vorgaben und<br />
Festgelegtheiten. Lernen schrumpfte zur bloßen<br />
Informationsbeschaffung, die Inhalte wur<strong>de</strong>n<br />
zwecks glatter, schneller und effektiver (alles<br />
Leitvorstellungen <strong>de</strong>r Technik und Wirtschaft !)<br />
Aneignung ihrer „dunklen, mehr<strong>de</strong>utigen, auslegungsbedürftigen,<br />
frem<strong>de</strong>n Züge entledigt“(23) –<br />
Grundten<strong>de</strong>nzen, die Rumpf noch im „Turbo-<br />
Abi“ <strong>de</strong>r Hessischen Kultusminsterin diagnostiziert.<br />
Gegenüber dieser Trivialisierung und Banalisierung<br />
<strong>de</strong>s Schullernens, das <strong>de</strong>r Welt ihre<br />
rätselhafte Sinnlichkeit entziehen will, empfiehlt<br />
Rumpf drei altehrwürdige Weisen <strong>de</strong>r Weltzuwendung:<br />
Aufmerksamkeit (langsamer, entschleunigen<strong>de</strong>r<br />
Umgang mit <strong>de</strong>n rätselhaften<br />
Phänomenen <strong>de</strong>r Welt), Erinnerung und Dankbarkeit.<br />
Was dies z.B. für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
be<strong>de</strong>uten könnte, ist eine noch auszuloten<strong>de</strong> Aufgabe.<br />
Auch Eckhard Nordhofen bricht mit Tabus:<br />
Die vom Syno<strong>de</strong>nbeschluss zum RU (anno 1974)<br />
gefor<strong>de</strong>rte Arbeitsteilung zwischen Katechese<br />
und RU hat keinen Sitz im Leben mehr: Die erhoffte<br />
Synenergie <strong>de</strong>r Lernorte zwischen Familie,<br />
Gemein<strong>de</strong> und RU funktioniert schon lange<br />
nicht mehr, da die bei<strong>de</strong>n ersten Faktoren für eine<br />
religiöse Sozialisation immer mehr ausfallen.<br />
Nordhofen for<strong>de</strong>rt in dieser Krisensituation einen<br />
ganzheitlichen „mystagogischen“ RU, <strong>de</strong>r sich<br />
auch z.B. um das „religiöse Exerzitium“ (Beschäftigung<br />
mit <strong>de</strong>m Heiligen, mit Sakramenten)<br />
mit starkem affektivem Hintergrund (übrigens alles<br />
For<strong>de</strong>rungen Sillers) nicht drückt. Sillers Interesse<br />
am interreligiösen Gespräch entfaltet Hans<br />
Kessler und entwickelt dafür „Bedingungen für<br />
einen ehrlichen Dialog“ zwischen Ju<strong>de</strong>n, Christen<br />
und Muslimen. Dabei sind bes. erfrischen<strong>de</strong><br />
Tabubrüche – vor allem im Blick auf das Gespräch<br />
mit <strong>de</strong>m Islam – zu erkennen. Statt „unfruchtbarer<br />
Scheindialoge, in <strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>s Rühren<br />
an Schwieriges, zu Klären<strong>de</strong>s“ (292) tabuisiert<br />
wird, ermuntert Kessler u.a. zu folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />
Ein Christ vermag nicht Christ zu sein ohne die<br />
Ju<strong>de</strong>n ! Ist ein ähnlicher Lernprozess auch einmal<br />
für die Muslime <strong>de</strong>nkbar: Muslime nicht ohne Ju<strong>de</strong>n<br />
und Christen ? O<strong>de</strong>r bleibt es beim <strong>de</strong>rzeitigen<br />
Status-quo <strong>de</strong>r islamischen Mehrheitstheologie:<br />
Ju<strong>de</strong>n- und Christentum <strong>als</strong> bloß verfälschen<strong>de</strong><br />
Vorgeschichte <strong>de</strong>r endgültigen abschließen<strong>de</strong>n<br />
Offenbarung Gottes in Mohammed ?<br />
O<strong>de</strong>r: Muss es für Muslime bei einer rein verbalinspiratorischen<br />
Sicht im Blick auf <strong>de</strong>n Koran<br />
bleiben ? O<strong>de</strong>r: „Können Muslime die Rechte, die<br />
sie hierzulan<strong>de</strong> genießen, nicht auch für Nichtmuslime<br />
in islamischen Län<strong>de</strong>rn for<strong>de</strong>rn ?“ (300)<br />
O<strong>de</strong>r: „Wo stehen islamische Autoritäten auf und<br />
protestieren, wenn in Zigtausend Koranschulen<br />
und Freitagsgebeten Hass gepredigt und zum Töten<br />
aufgerufen wird ?“ (301) Auf einen letzten –<br />
bes. für die Situation in unserem Bistum – höchstaktuellen<br />
Beitrag sei noch hingewiesen: Der<br />
schweizer Pastoraltheologe rekonstruiert die Geschichte<br />
<strong>de</strong>r im Gemein<strong>de</strong>leben immer stärker<br />
Verantwortung tragen<strong>de</strong>n (hauptamtlichen) Laientheologen,<br />
die vom bloßen Lückenbüßer angesichts<br />
<strong>de</strong>s Priestermangels zu tragen<strong>de</strong>n Säulen<br />
<strong>de</strong>s kirchlichen Lebens gewor<strong>de</strong>n sind. Dem, was<br />
längst Gemein<strong>de</strong>alltag gewor<strong>de</strong>n ist, trägt die immer<br />
noch klerikale Kirchenordnung insitutionell<br />
kaum Rechnung – hier liegen noch kaum ausgelotete<br />
explosive Faktoren ! Der über die gegenwärtigen<br />
Bistumsvorgänge informierte Leser<br />
wird sich vielleicht sogar weiterführen<strong>de</strong> Gedanken<br />
machen: Wenn jetzt angesichts <strong>de</strong>r vom Bischof<br />
ausgerufenen Kampagne „Sparen und erneuern“<br />
(,die Ökonomisches und Spirituelles<br />
amalgamieren möchte,) jetzt auch betriebsbedingte<br />
Kündigungen von Hauptamtlichen nicht<br />
ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n können, die Zahl von<br />
Laientheologen <strong>als</strong>o auch noch ausgedünnt wer<strong>de</strong>n<br />
wird, kommt dann endgültig die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
ehrenamtlichen Laien? Und man muss weiter fragen:<br />
Kann man bei <strong>de</strong>nen dann auch immer mehr<br />
Arbeit und faktische Verantwortung draufsatteln,<br />
ohne dass dies kirchlicherseits systematisch anerkannt<br />
und gewürdigt wird?<br />
Man merkt, die Festschrift für Pius Siller ist<br />
mehr <strong>als</strong> eine bloß artige Festgabe, sie ist – ganz<br />
gemäß <strong>de</strong>m Impetus <strong>de</strong>s zu Ehren<strong>de</strong>n – ein innovativer<br />
Impuls fürs Denken, Glauben und Han<strong>de</strong>ln<br />
theologisch und kirchlich engagierter Zeitgenossen<br />
und sie trägt ihren Titel: „Werkstatt Zukunft“<br />
wahrlich zu Recht. Gustav Schmiz<br />
Heimbach-Steins, Marianne /<br />
Kruip, Gerhard (Hg.)<br />
Bildung und Beteiligungsgerechtigkeit<br />
Sozialethische Sondierungen. – Bielefeld: W. Bertelsmann<br />
Verlag. 2003. 268 S., € 24.90 (ISBN 3-<br />
7639-3166-X)<br />
Die Beiträge <strong>de</strong>s zu besprechen<strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s<br />
verstehen sich <strong>als</strong> Dokumentation eines Forschungskolloquiums<br />
„Bildung und Beteiligung<br />
im Kontext von Globalisierungsprozessen“, das<br />
2002 an <strong>de</strong>r Universität Bamberg veranstaltet<br />
wur<strong>de</strong>. Ziel <strong>de</strong>s Kolloquiums war es, <strong>de</strong>n status<br />
quaestiones und mögliche Forschungsperspektiven<br />
für einen christlich-sozialethischen Bildungsdiskurs<br />
näherin auszuloten. Es wer<strong>de</strong>n die Themen<br />
„Menschenrecht auf Bildung“, „Bildung <strong>als</strong><br />
Thema <strong>de</strong>r Ethik“, „Globales Lernen“, „Gerechtigkeits-<br />
und Steuerungsprobleme <strong>de</strong>s Bildungssystems“,<br />
„Gen<strong>de</strong>r-mainstreaming in Bildungsinstitutionen“,<br />
„Selbstorganisiertes Lernen“ sowie<br />
„Lebenslanges Lernen“ in <strong>de</strong>n Blick genommen.<br />
– Kommentare und Repliken antworten auf<br />
die einzelnen Beiträge.<br />
Insgesamt wer<strong>de</strong>n ineinan<strong>de</strong>rgreifen<strong>de</strong> Diskursebenen<br />
herausgearbeitet, zwischen <strong>de</strong>nen<br />
sich die sozialethische Reflexion bewegt: Auf <strong>de</strong>r<br />
hermeneutischen Ebene sind Fragen <strong>de</strong>r theologisch-athropologischen<br />
Grundlagen <strong>de</strong>s Bildungsdiskurses,<br />
<strong>de</strong>r Wertekommunikation und<br />
<strong>de</strong>r Kontextualisierung konkreter Problemstellungen<br />
angesie<strong>de</strong>lt, auf <strong>de</strong>r normativen Ebene<br />
geht es um die ethische Begründung und Entfaltung<br />
von Ansprüchen (Menschenrecht auf Bildung,<br />
Gerechtigkeitskriterien in Bildungspolitik<br />
und Bildungsprozessen), auf <strong>de</strong>r gesellschaftsanalytischen<br />
Ebene spielen die bildungsökonomischen<br />
sowie politisch-strategischen Aspekte<br />
eine Rolle, bei <strong>de</strong>nen es um die beteiligungsorientierte<br />
Bewertung von vorfindlichen Bildungsinstitutionen,<br />
-angebeoten und -prozessen geht.<br />
Dem Band ist sein Werkstattcharakter <strong>de</strong>utlich<br />
anzumerken. Die Beiträge tasten sich an das<br />
Mega-Thema „Bildung“ aus unterschiedlichen<br />
Perspektivlagen heran, ohne schon eine „Sozialethik<br />
<strong>de</strong>r Bildung“ vorlegen zu wollen. Sein Verdienst<br />
besteht darin, die Bildungsfrage für die<br />
christliche Sozialethik neu ent<strong>de</strong>ckt und ins Zentrum<br />
<strong>de</strong>s ethischen Diskurses gestellt zu haben.<br />
Martin W. Ramb<br />
Schulte, Andrea / Wie<strong>de</strong>nroth-<br />
Gabler, Ingrid<br />
Religionspädagogik<br />
(Reihe Theologie kompakt; Bd. 94). – Stuttgart:<br />
Calwer Verlag. 2003. 165 S., € 11.90 (ISBN 3-<br />
7668-3556-7)<br />
Die kleine Einführung wen<strong>de</strong>t sich an aktive<br />
und künftige Religionslehrer/-innen im Primärund<br />
Sekundarbereich. Gedacht ist auch zuerst an<br />
evangelische Religionspädagogen, doch ist diese<br />
gelungene kompakte Darstellung ebenso für katholische<br />
Lehramtsstu<strong>de</strong>nten von Nutzen, da auch<br />
Autoren und Positionen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Konfession<br />
berücksichtigt sind. Das hier umrissene Grundwissen<br />
ist bewusst an <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />
(späteren) Berufspraxis orientiert, die „dauerhaft<br />
<strong>de</strong>n Ausbau und die kritische Selbstprüfung <strong>de</strong>r<br />
eigenen Professionalität“ verlange (7). Das spiegelt<br />
sich in <strong>de</strong>n Kapitelüberschriften: 1. Die Religionspädagogik<br />
– „zwischen allen Stühlen“?,<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
109<br />
INFO 34 · 2/2005
LITERATUR & MEDIEN<br />
110<br />
2. Warum und wozu soll Religion in <strong>de</strong>r Schule<br />
gelehrt und gelernt wer<strong>de</strong>n?, 3. Religionslehrer<br />
und –lehrerin sein heute, 4. Wie und wo Religion<br />
gelehrt und gelernt wer<strong>de</strong>n kann. Hierin zeigt<br />
sich das „durchgängige Prinzip“ <strong>de</strong>r Darstellung:<br />
die Kernfrage „Religion lehren und lernen?“<br />
(ebd.). Es geht <strong>de</strong>n Autorinnen vor allem um die<br />
zu entwickeln<strong>de</strong> Kompetenz <strong>de</strong>s Lesers „religionspädagogisch“<br />
<strong>de</strong>nken zu lernen, um <strong>de</strong>n (späteren)<br />
Berufsalltag erfolgreich gestalten zu können.<br />
Das heißt für sie, „die Konstruktion <strong>de</strong>s Lernund<br />
Lebensraums Religionsunterricht“ <strong>als</strong> Chance<br />
zu verstehen, „<strong>de</strong>ssen Architektur zu entwickeln<br />
und zu verantworten“ (159). Bei allem Beschneidungs-Tribut<br />
für die gebotene Kürze bietet<br />
diese kleine Hinführung vielfältige Informationen<br />
und nützliche Anregungen. Reiner Jungnitsch<br />
Eckert, Michael / Eilert, Herms /<br />
Hilberath, Bernd Jochen /<br />
Jüngel, Eberhard (Hg.)<br />
Lexikon <strong>de</strong>r theologischen<br />
Werke<br />
– Stuttgart: A. Kröner Verlag. 2003. XXIX, 849 S.,<br />
€ 58.00 (ISBN 3-520-49301-2)<br />
Das Lexikon <strong>de</strong>r theologischen Werke füllt eine<br />
Lücke. Auf ein solches Nachschlagewerk hat<br />
man im Grun<strong>de</strong> schon lange gewartet. – In <strong>de</strong>m<br />
von zwei evangelischen und zwei katholischen<br />
Theologen <strong>de</strong>r Universität Tübingen, und damit<br />
in ökumenischer Gemeinschaft herausgegebenen<br />
Werk besprechen, auf über 800 Seiten, rund 250<br />
namhafte Autoren über tausend Titel aus <strong>de</strong>r<br />
theologischen Literatur, vom frühen Christentum<br />
bis zur Gegenwart, (zeitlich) angefangen bei <strong>de</strong>r<br />
(Zwölf)Apostellehre = Didaché (S. 228) über<br />
Justins Apologie (S. 35), die Confessiones <strong>de</strong>s<br />
Augustinus (S. 124), Luthers 95 Thesen (S. 238),<br />
Hefeles voluminöse Conziliengeschichte (S. 120),<br />
Harnacks Dogmengeschichte (S. 458), Schleiermachers<br />
Traktat über die Religionen (S. 701) und<br />
Weltes Religionsphilosophie bis zu Drewermanns<br />
Struktur <strong>de</strong>s Bösen (S. 609). Das Verzeichnis <strong>de</strong>r<br />
aus bei<strong>de</strong>n Konfessionen stammen<strong>de</strong>n Mitarbeiter,<br />
durchweg Spezialisten, ist länger <strong>als</strong> sechs<br />
Seiten, enthält viele bekannte Namen und liest<br />
sich wie ein theologisches Who is Who.<br />
Aber nicht nur zeitlich, auch räumlich ist das<br />
Spektrum großzügig angelegt. Neben Werken<br />
aus <strong>de</strong>m griechischen und <strong>de</strong>m lateinischen<br />
Sprachraum fin<strong>de</strong>n wir solche aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen,<br />
französischen, englischen, ja selbst aus einem<br />
so kleinen wie <strong>de</strong>m nie<strong>de</strong>rländischen. Insgesamt<br />
liegt <strong>de</strong>r Auswahlschwerpunkt auf <strong>de</strong>r katholischen<br />
und protestantischen Theologie in<br />
Europa. Die Bücher/Werke wer<strong>de</strong>n, ihrem Titel<br />
entsprechend, in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt,<br />
wobei jeweils das erste Wort <strong>de</strong>n Ausschlag<br />
für seine Platzierung gibt. So fin<strong>de</strong>n wir<br />
unter <strong>de</strong>m Stichwort Apologia o<strong>de</strong>r Apologie sowohl<br />
die von Justin <strong>de</strong>m Märtyrer <strong>als</strong> auch Melanchtons<br />
Apologie <strong>de</strong>r Confessio Augustana.<br />
Unter <strong>de</strong>m Anfangswort „De“ geht es von De<br />
arte bene moriendi (S. 140) über De mortibus<br />
persecutorum (S. 186) bis hin zu De votis monasticis<br />
iudicium (S. 225). Allein die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Titel „De trinitate“ reichen von S. 208-212.<br />
– Ähnliches gilt für das Stichwort Summa o<strong>de</strong>r<br />
Summe. Unter ihm fin<strong>de</strong>n sich die theologischen<br />
Summen <strong>de</strong>s Mittelalters: Albertus Magnus und<br />
Thomas von Aquin seien hier stellvertretend genannt.<br />
Hilfreich für <strong>de</strong>n weniger kundigen Leser<br />
sind auch generelle Erklärungen. So wer<strong>de</strong>n auf<br />
mehreren Seiten (S. 682-688) die Summenliteratur<br />
und die Summenkommentare <strong>de</strong>s Mittelalters<br />
vorgestellt bzw. charakterisiert.<br />
Für diejenigen, die einen Buchtitel nur ungenau<br />
kennen, wohl aber <strong>de</strong>n Autor, gibt es ein,<br />
wie<strong>de</strong>rum alphabetisch geordnetes, Verzeichnis<br />
<strong>de</strong>r Autoren, <strong>de</strong>ren Bücher im Lexikon besprochen<br />
wer<strong>de</strong>n. Hinter <strong>de</strong>m Autorennamen sind die<br />
Seitenzahlen <strong>de</strong>r vorgestellten Bücher vermerkt,<br />
so dass man alle besprochenen Werke eines Autors,<br />
auch wenn sie über das Lexikon verstreut<br />
sind, schnell und problemlos fin<strong>de</strong>n kann.<br />
Die einzelnen Artikel enthalten eine kurze und<br />
prägnante Inhaltsangabe, dazu eine Charakterisierung,<br />
aus <strong>de</strong>r Aufbau und Zentralgedanke <strong>de</strong>s<br />
Werkes hervorgehen, sowie Hinweise zur Wirkungsgeschichte<br />
eventuell auch über die kontrovers<br />
verlaufene Rezeption.<br />
Das vorliegen<strong>de</strong> Lexikon ist insofern beson<strong>de</strong>rs<br />
wertvoll, <strong>als</strong> bei <strong>de</strong>r ständig steigen<strong>de</strong>n Fülle<br />
<strong>de</strong>r theologischen Literatur kaum noch jemand in<br />
<strong>de</strong>r Lage ist, alle hier vorgestellten Bücher und<br />
Schriften auch nur ansatzweise zu lesen. Mit Hilfe<br />
<strong>de</strong>s Lexikons kann man sich einen Inhalt und<br />
Be<strong>de</strong>utung betreffen<strong>de</strong>n Überblick verschaffen<br />
und daraufhin, seinen Neigungen entsprechend,<br />
seine Leseauswahl treffen. Letzteres ist ganz im<br />
Sinne <strong>de</strong>s hier vorgestellten Werkes bzw. seiner<br />
Herausgeber, <strong>de</strong>nn nach <strong>de</strong>r im Klappentext veröffentlichten<br />
Intention sollen die gerafften Informationen<br />
keineswegs vom Lesen <strong>de</strong>r in Frage kommen<strong>de</strong>n<br />
Werke abhalten, son<strong>de</strong>rn zu <strong>de</strong>ren (anschließen<strong>de</strong>r)<br />
Lektüre gera<strong>de</strong>zu animieren. <strong>Diese</strong>s<br />
Lexikon sollte in keiner theologischen Bibliothek<br />
fehlen, – dies gilt nicht nur für die öffentliche, son<strong>de</strong>rn<br />
auch für die private. Klaus Weber<br />
Brüll, Christina / Ittmann,<br />
Norbert / Maschwitz , Rüdiger /<br />
Stoppig, Christine<br />
Synagoge – Kirche<br />
– Moschee<br />
Kulträume erfahren und Religionen ent<strong>de</strong>cken. –<br />
München: Kose!-Verlag. 2005. 128 S. und 26 Arbeitsblätter,<br />
zahlr. sw-Abbildungen., DIN A4.<br />
€ 16.95 ( ISBN 3-466-36679-8)<br />
Schulbücher sollten möglichst schnell auf verän<strong>de</strong>rte<br />
Situationen reagieren. Die in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
selbstverständliche relativ geschlossene christliche<br />
Gesellschaft erfährt vor allem durch Zuwan<strong>de</strong>rer<br />
islamischen Glaubens eine neue Situation, die<br />
bewusst gemacht und neu verarbeitet wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Neuere Unterrichtswerke für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
berücksichtigen tatsächlich diese verän<strong>de</strong>rte<br />
Lage. So erschien bereits vor nicht allzu<br />
langer Zeit ein Unterrichtsmo<strong>de</strong>ll, das die jüdischen,<br />
christlichen und islamischen Feste im Zusammenhang<br />
thematisierte. Nicht theoretische<br />
Abhandlungen bil<strong>de</strong>n dabei die Grundlage, son<strong>de</strong>rn<br />
praktische Erfahrungen. Mit <strong>de</strong>m hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Werk liegt gewissermaßen eine „Synopse“<br />
vor über die Kulträume <strong>de</strong>r drei Religionen:<br />
Ju<strong>de</strong>ntum, Christentum und Islam. Auch<br />
hier geht es vor allen Dingen um ein Erfahren <strong>de</strong>r<br />
Kulträume: Synagoge, Kirche, Moschee. Das<br />
schließt natürlich einleiten<strong>de</strong> theoretische Betrachtungen<br />
nicht aus, die aber auch schon Erfahrungen<br />
mit <strong>de</strong>n angesprochenen Inhalten anregen<br />
können. Und dies gilt für <strong>de</strong>n ersten Teil dieses<br />
Werkes: „Menschen gestalten Räume.“ Da fin<strong>de</strong>t<br />
man grundlegen<strong>de</strong> Überlegungen über die Gestaltung<br />
und Erfahrbarkeit von Räumen, wobei es<br />
sich hier ausschließlich nicht um private Wohnräume<br />
han<strong>de</strong>lt. Als Beispiele wer<strong>de</strong>n genannt:<br />
Bahnhof, Stadion, Konzertsaal und – überraschend<br />
– ein Bankgebäu<strong>de</strong>, jeweils in Bezug auf<br />
<strong>de</strong>ren Bestimmung. Danach folgen allgemeine<br />
Überlegungen zum Kultraum <strong>de</strong>r Religionen <strong>als</strong><br />
religiöser Ort. Der zweite Teil: „Das Gebäu<strong>de</strong> <strong>als</strong><br />
Ort <strong>de</strong>s Glaubens“ gibt einen kurzen Überblick<br />
über die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s jeweiligen<br />
Bauwerkes, gefolgt von Darstellungen <strong>de</strong>r<br />
beson<strong>de</strong>ren Merkmale wie zum äußeren Erscheinungsbild.<br />
„Das Gebäu<strong>de</strong> <strong>als</strong> Treffpunkt <strong>de</strong>r Gläubigen“<br />
ist <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s nächsten Kapitels und<br />
charakterisiert die Synagoge <strong>als</strong> Gemein<strong>de</strong>zentrum,<br />
die Kirche – hier wie auch in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Kapiteln ausdifferenziert in orthodoxe, katholische<br />
und evangelische – <strong>als</strong> Kultzentrum und die<br />
Moschee <strong>als</strong> Glaubenszentrum, wobei es sich<br />
hier wohl aus praktischen Grün<strong>de</strong>n um eine starke<br />
Vereinfachung han<strong>de</strong>lt, da es doch vielfache<br />
Überschneidungen in <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung dieser Kultstätten<br />
gibt, die auch hier in <strong>de</strong>r Behandlung berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Das folgen<strong>de</strong> Kapitel befasst<br />
sich mit <strong>de</strong>r Innengestaltung <strong>de</strong>r angesprochenen<br />
Gebäu<strong>de</strong>. Unter „Spirituelle Vorbereitung<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen“ wer<strong>de</strong>n die verschie<strong>de</strong>nen Frömmigkeitsformen,<br />
soweit sie mit <strong>de</strong>m Kultraum<br />
zusammenhängen, erläutert. Dabei han<strong>de</strong>lt es<br />
sich eher um äußere Verhaltensformen (Kopfbe<strong>de</strong>ckung,<br />
Weihwasser nehmen, Betreten ohne<br />
Schuhe). Die spirituelle Dimension wird im darauf<br />
folgen<strong>de</strong>n Kapitel: „Kultische Zeremonien<br />
und Rituale“ vorgestellt. Schließlich fehlt auch<br />
nicht eine Darstellung über „Das Kultpersonal“.<br />
Die praktische Beschäftigung mit <strong>de</strong>m bisher<br />
eher theoretisch gehaltenen Inhalten ist <strong>de</strong>m dritten<br />
Teil gewidmet. Hier wird sehr anschaulich<br />
und bisweilen sehr ins Einzelne gehend dargestellt,<br />
wie man Synagoge-Kirche-Moschee ent<strong>de</strong>cken<br />
kann. Schon selbstverständlich sind bei<br />
Unterrichtsmaterialien angebotene Kopiervorlagen<br />
für die praktische Arbeit. Auch das Spielerische<br />
gewinnt immer mehr an Einfluss, wie hier<br />
durch das Tritett, das in Abwandlung <strong>de</strong>s bekannten<br />
Quartetts auf unterhaltsame Weise zahlreiche<br />
Lerninhalte bewusst machen soll. Die Verfasser/-innen<br />
arbeiten aus christlicher Sicht, haben<br />
sich aber erfolgreich bemüht um eine objektive<br />
Darstellung. Unterstützt wur<strong>de</strong>n sie dabei von<br />
Fachleuten aus <strong>de</strong>n angesprochenen nichtchristli-<br />
INFO 34 · 2/2005
chen Religionen. Die sachlichen Inhalte sind<br />
weitgehend gut und richtig dargestellt. Wenn es<br />
aber heißt, die katholische Messe wird „normalerweise“<br />
mit einem Wortgottesdienst verknüpft,<br />
so ist dies unpräzise, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Wortgottesdienst<br />
ist wesentlicher Bestandteil <strong>de</strong>r Messe. O<strong>de</strong>r<br />
wenn im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Siebenarmigen<br />
Leuchter in <strong>de</strong>r jüdischen Tradition eine Parallele<br />
zu <strong>de</strong>n „sieben“ Planeten gezogen wird,<br />
fehlt in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf<br />
die Kenntnis früherer Zeiten. Vorsicht ist auch<br />
geboten bei manchen vorgeschlagenen Aktionen<br />
mit Schülerinnen und Schülern innerhalb <strong>de</strong>r<br />
Kulträume. <strong>Diese</strong> sollten beson<strong>de</strong>rs sorgfältig<br />
mit <strong>de</strong>n zuständigen Vertretern <strong>de</strong>r einzelnen Religionen<br />
vorher abgestimmt wer<strong>de</strong>n. Dies soll<br />
keine Abwertung <strong>de</strong>r Vorschläge sein. Liegt doch<br />
hier zur Auswahl eine Sammlung vielfältiger Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
vor. Zusammenfassend<br />
kann man sagen: <strong>Diese</strong>s Unterrichtsmo<strong>de</strong>ll<br />
stellt eine interessante Erweiterung bisheriger<br />
Materialien dar und ist auch für die Arbeit mit Erwachsenen<br />
gut geeignet. Helmut Bahr<br />
Depenbrock, Michaela/Müller,<br />
Alexandra/Schrö<strong>de</strong>r, Katrin<br />
Kin<strong>de</strong>r suchen eigene<br />
Wege mit Gott<br />
(Reihe: Symbole im Religionsunterricht). – Mülheim/Ruhr:<br />
Verlag an <strong>de</strong>r Ruhr. 2003. 66 S., ill.<br />
Mappe Format DIN A 4. € 18,60 (ISBN 3-86072-<br />
789-3)<br />
Symbole, wie das <strong>de</strong>s Weges, spielen im Religionsunterricht<br />
eine wichtige Rolle. Symbole<br />
bieten die Möglichkeit, die Erfahrungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
und religiöse Inhalte aufeinan<strong>de</strong>r zu beziehen<br />
und miteinan<strong>de</strong>r zu verflechten. <strong>Diese</strong>s Ineinan<strong>de</strong>rgreifen<br />
von persönlicher Erfahrung und biblisch-christlicher<br />
Überlieferung gilt <strong>als</strong> wesentliches<br />
Ziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichtes.<br />
Die Arbeitsmappe ist in mehrere Kapitel unterteilt,<br />
welche verschie<strong>de</strong>ne Aspekte <strong>de</strong>s Themas<br />
„Wege“ aufgreifen und dabei jeweils einen<br />
bestimmten Schwerpunkt besitzen:<br />
1. Menschen gehen verschie<strong>de</strong>ne Wege<br />
2. Auf <strong>de</strong>m Weg zu <strong>de</strong>n Träumen<br />
3. Mein Leben ist wie ein Weg<br />
4. Ein Begleiter auf meinem Weg<br />
5. Von Gott getragen<br />
6. Gott ist wie ein Hirte<br />
7. Von Engeln behütet und begleitet<br />
8. Als Engel unterwegs sein<br />
In Kapitel 1 bis 4 wird von <strong>de</strong>n konkreten Erfahrungen<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ausgegangen. Die Schüler<br />
wer<strong>de</strong>n von positiven Wegerfahrungen berichten<br />
können, sie wer<strong>de</strong>n aber auch die Erfahrungen<br />
von Trauer, Einsamkeit und Angst gemacht haben.<br />
In Kapitel 5 bis 8 wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Menschen<br />
vorgestellt, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Glaube an Gott in<br />
schweren Zeiten eine Hilfe war. Die Schüler lernen,<br />
dass ihre Erfahrungen solche sind, die an<strong>de</strong>re<br />
Menschen in ähnlicher Weise erlebt haben.<br />
Viele Menschen haben diese Erlebnisse religiös<br />
ge<strong>de</strong>utet. Die Schüler sollen so befähigt wer<strong>de</strong>n,<br />
sich selbst in <strong>de</strong>r Überlieferung <strong>de</strong>s christlichen<br />
Glaubens wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n.<br />
Zu je<strong>de</strong>m Glie<strong>de</strong>rungspunkt stehen verschie<strong>de</strong>ne<br />
Bausteine zur Verfügung, aus <strong>de</strong>nen – <strong>de</strong>n<br />
Bedürfnissen <strong>de</strong>s Lerngruppe entsprechend – ausgewählt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. In <strong>de</strong>n Bausteinen fin<strong>de</strong>n<br />
sich verschie<strong>de</strong>ne I<strong>de</strong>en für die gestalterische<br />
Umsetzung, Lie<strong>de</strong>r, eine Fantasiereise, Anregungen<br />
zum kreativen Schreiben, Erzählungen und<br />
an<strong>de</strong>re Texte. Neben biblischen Texten wur<strong>de</strong><br />
mit „Spuren im Sand“ auch ein Text aus <strong>de</strong>r heutigen<br />
Zeit gewählt. Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Materialien<br />
wur<strong>de</strong> auf die Einbeziehung verschie<strong>de</strong>ner<br />
Sinne geachtet, um einen erfahrungsorientierten<br />
und ganzheitlichen Zugang zu <strong>de</strong>m Symbol<br />
„Weg“ zu ermöglichen.<br />
Die Kopiervorlagen sind ansprechend gestaltet,<br />
die Umsetzung <strong>de</strong>r Bausteine ist ohne großen Aufwand<br />
möglich. Empfehlenswert! Gabriele Hastrich<br />
Fröhlich, Roland<br />
Kleine Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Kirche in Daten<br />
– Freiburg u. a.: Verlag Her<strong>de</strong>r. 2004. 144 S.,<br />
€ 11,50 (ISBN 3-451-28350-6)<br />
R. Fröhlichs „Grundkurs Kirchengeschichte“,<br />
Freiburg 1980, war ein hilfreiches Va<strong>de</strong>mecum<br />
nicht nur für interessierte ‚Einsteiger’ in die Kirchengeschichte,<br />
son<strong>de</strong>rn vor allem für examensgestresste<br />
Studieren<strong>de</strong> (vgl. INFO 1-2/ 1981, 28).<br />
Auf dieser gelungenen Publikation aufbauend<br />
legt nun R. F. die anzuzeigen<strong>de</strong> „Kleine Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Kirche in Daten“ vor. Er formulierte<br />
einen neuen Text. Selbst Präzisierungen in <strong>de</strong>r<br />
Datierung sind zu beobachten, z.B.: Die letzten<br />
Olympischen Spiele <strong>de</strong>s Altertums wer<strong>de</strong>n nun<br />
auf 393 datiert, die dann Theodosius 394 verbot<br />
(30). Zuvor im „Grundkurs“: „394 Letzte Olympische<br />
Spiele <strong>de</strong>s Altertums“ (33). R. F. informiert<br />
kurz und bündig. Er vermittelt Wesentliches<br />
aus <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Gottesvolkes. Der<br />
katholische Religionspädagoge hat bei seiner<br />
Darstellung <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche zwei geöffnete<br />
Augen zu <strong>de</strong>n nicht-katholischen Kirchtürmen.<br />
Die Philosophiegeschichte ist <strong>de</strong>m Autor<br />
nicht fremd. Wie schon in <strong>de</strong>r durch § 61 f. erweiterten<br />
„Kleinen Kirchengeschichte“ von A. Franzen,<br />
Freiburg 2000, (vgl. INFO 1/2001, 70) entgehen<br />
<strong>de</strong>m kritischen Autor nicht Fakten, die <strong>de</strong>r<br />
Kirche nicht gera<strong>de</strong> genehm sind, z.B. die Laieninitiative<br />
„Donum vitae“ (186), die ohne kirchliche<br />
Unterstützung weiterhin Schwangere berät<br />
und ihnen einen Beratungsschein ausstellt, <strong>de</strong>r<br />
für eine Schwangerschaftsunterbrechung notwendig<br />
ist. F. glie<strong>de</strong>rt die Fülle <strong>de</strong>s Stoffes von<br />
„zwischen 7 und 4 vor unserer Zeitrechnung (9)<br />
bis zum ersten gemeinsamen Kirchentag 2003<br />
(201) nach Jahrhun<strong>de</strong>rten. Die 21 Kapitel sind jeweils<br />
zweigeteilt: „A. Kirche und Gesellschaft /<br />
Staat“ und „B. Innerkirchliches Leben“. Vor <strong>de</strong>n<br />
Daten und kurz beschriebenen Fakten, die <strong>de</strong>n<br />
Unterglie<strong>de</strong>rungspunkten A. und B. folgen, steht<br />
eine ca. 15-zeilige, das Wesentliche <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts ausmachen<strong>de</strong> Zusammenfassung.<br />
In diesen Passagen kann man natürlich<br />
auch an<strong>de</strong>re Akzente setzen. Im Vergleich zum<br />
„Grundkurs“ vermisse ich Kartenmaterial, um<br />
die Fakten auch geographisch festmachen zu<br />
können. Es müssten ja nicht die <strong>de</strong>taillierten Karten<br />
aus <strong>de</strong>m bekannten Her<strong>de</strong>rschen „Atlas <strong>de</strong>r<br />
Kirchengeschichte“, Freiburg 1970, sein. R. F.,<br />
Schüler von H. Rahner (Innsbruck) und H. J.<br />
Vogt (Tübingen), ermöglicht <strong>de</strong>n Zugang zur Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Gottesvolkes auch durch ein breites<br />
„Personen- und Sachregister“ (210-224). Der Autor<br />
gibt weiterführen<strong>de</strong> Literatur auf S. 208 f. an.<br />
Ich ent<strong>de</strong>ckte sogar einen Hinweis auf einen<br />
„Klausurkurs Kirchengeschichte“ (209). Selbstverständlich<br />
fehlt we<strong>de</strong>r die „Papstliste“ (202-<br />
204) noch mangelt es an einer Auflistung <strong>de</strong>r 21<br />
Allgemeinen Konzilien (206 f.).<br />
Ich begrüße sehr das vorliegen<strong>de</strong> Nachschlagewerk<br />
Roland Fröhlichs und hoffe, dass es vor<br />
allem bei jungen Menschen Neugier<strong>de</strong> auf eine<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Kirchengeschichte<br />
weckt.<br />
Bernhard Jendorff<br />
Möres, Cornelia<br />
Windows to Heaven<br />
Christen, die Geschichte schrieben.<br />
– Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2004.<br />
89 S., ill. (ISBN 3-7666-0564-X)<br />
„Windows to Heaven“ – ein überraschen<strong>de</strong>r<br />
englischer Titel für eine Sammlung von knappen<br />
Lebensbeschreibungen großer Christen quer durch<br />
die 2000-jährige Geschichte <strong>de</strong>r Kirche. Jungen<br />
Menschen sollen sich <strong>als</strong>o „Fenster zum Himmel“<br />
auftun, damit sie einen Blick auf Frauen und<br />
Männer werfen mögen, die ihnen vielleicht auch<br />
heute noch Vorbild sein können. Vier große Zeitabschnitte<br />
umfasst <strong>de</strong>r Band, jeweils eingeleitet<br />
durch eine Zeitleiste, die Kirchen- und Weltgeschichte<br />
gegenüberstellt, ist farbig bebil<strong>de</strong>rt und<br />
mit knappen, aber aussagekräftigen Texten versehen:<br />
„Die Antike“ führt von Jesus bis Benedikt<br />
von Nursia, „Das Mittelalter“ von Patrick bis Katharina<br />
von Siena, „Die Neuzeit“ von Thomas Morus<br />
bis Adolf Kolping; „Ab 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt“ von<br />
Maximilian Kolbe bis Papst Johannes Paul II.<br />
und einem abschließen<strong>de</strong>n Kapitel „Du selbst“.<br />
Ein Vorwort führt insgesamt hin zu <strong>de</strong>n Epochen,<br />
ein alttestamentlicher Segenswunsch schließt <strong>de</strong>n<br />
Band ab. Wie die Herausgeberin im Vorwort betont,<br />
ist dies Buch „keine Sammlung von Lebensgeschichten,<br />
... kein Nachschlagewerk für historische<br />
Daten und kein Lehrbuch. ... Es rückt Menschen<br />
in <strong>de</strong>n Mittelpunkt, Menschen, die im Gang<br />
<strong>de</strong>r Ereignisse Geschichte gemacht haben“(6).<br />
<strong>Diese</strong> Menschen, wie Ignatius von Antiochien,<br />
Hil<strong>de</strong>gard von Bingen, Martin Luther, Wilhelm<br />
Emmanuel von Ketteler, Edith Stein, Mutter Theresa<br />
o<strong>de</strong>r Dietrich Bonhoeffer, um nur einige <strong>de</strong>r<br />
34 Frauen und Männer zu nennen, haben ihren<br />
Glauben in ihrer jeweiligen Zeit christlich gelebt<br />
und können somit auch heute noch o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />
Vorbildfunktion für die gegenwärtige junge Generation<br />
haben. Mancher Text kann sicher auch für<br />
<strong>de</strong>n Unterricht verwandt wer<strong>de</strong>n, mehr aber noch<br />
könnte das Buch sich <strong>als</strong> ein Geschenk eignen, das<br />
Anregungen vermittelt. Bernhard Merten<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
111<br />
INFO 34 · 2/2005
Zur Person<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
112<br />
Gol<strong>de</strong>nes Priesterjubiläum<br />
Pfarrer i. R. Franz Beffart, geb. 1929<br />
in Wiesba<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> am 13. März 1955<br />
im Dom zu Limburg zum Priester geweiht.<br />
Bis August 1956 war er Subregens<br />
am Priesterseminar in Hadamar. Es folgten<br />
Kaplansjahre in St. Bonifatius in<br />
Wiesba<strong>de</strong>n und St. Antonius in Frankfurt.<br />
Am 22. April 1962 wur<strong>de</strong> er zum Schulpfarrer,<br />
seit 1967 <strong>als</strong> Oberstudienrat i. K.,<br />
an <strong>de</strong>r Ziehenschule, Gymnasium in<br />
Frankfurt am Main, ernannt, eine Aufgabe,<br />
die er bis Januar 1971 wahrnahm. Parallel<br />
dazu war er seit Oktober 1970 am<br />
Zentralinstitut für Ehe und Familienfragen<br />
in Köln tätig. 1971 wur<strong>de</strong> Beffart Leiter<br />
<strong>de</strong>s Referates Ehe- und Familienseelsorge<br />
<strong>de</strong>s Kölner Zentralinstitutes. Im November<br />
1975 kehrte er nach Frankfurt zurück<br />
und übernahm <strong>als</strong> Pfarrer die Gemein<strong>de</strong><br />
St. Elisabeth in Frankfurt-Bockenheim,<br />
die er bis zu seinem Ruhestand im November<br />
1999 betreute. Vom Dezember 1987<br />
bis September 1989 war er zusätzlich<br />
Pfarrer in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Frauenfrie<strong>de</strong>n<br />
und vom Oktober 1997 bis Januar 2000<br />
Pfarrverwalter in St. Pius in Frankfurt. Als<br />
Mitglied <strong>de</strong>s Priesterrates vertritt Pfarrer<br />
i. R. Franz Beffart die emeritierten Priester<br />
in diesem Gremium <strong>de</strong>r Diözese Limburg.<br />
Oberstudienrat i. R. Alois Staudt,<br />
1929 in Frickhofen geboren, war nach<br />
seiner Priesterweihe 1955 zunächst Kaplan<br />
in Nauort, wur<strong>de</strong> aber bereits En<strong>de</strong> November<br />
1955 zum Diözesansekretär für<br />
die Männerseelsorge und zum Sozialreferent<br />
bestellt und wirkte in dieser Funktion<br />
bis August 1959 im Bischöflichen<br />
Ordinariat. Am 15. August 1959 wur<strong>de</strong> er<br />
Religionslehrer an <strong>de</strong>n Berufsschulen in<br />
Limburg, zum 1. Juli 1960 mit <strong>de</strong>m Titel<br />
Berufsschulpfarrer, ab Januar 1966 Studienrat<br />
i. K., ab Januar 1967 Oberstudienrat<br />
i. K., eine Tätigkeit, die er bis Juli<br />
1995 mit viel persönlichem Engagement<br />
versah. Vom Oktober 1963 bis April<br />
1970 war Pfarrer Staudt außer<strong>de</strong>m Diözesanpräses<br />
<strong>de</strong>r KAB, <strong>de</strong>ren Jugendorganisation<br />
CAJ er bereits vom April 1959<br />
bis Februar 1962 <strong>als</strong> Regionalkaplan in<br />
Limburg betreut hatte. Vom 1. April<br />
1970 bis zum 30. September 1995 beklei<strong>de</strong>te<br />
er das Amt <strong>de</strong>s Bezirks<strong>de</strong>kans für<br />
<strong>de</strong>n Bezirk Limburg. Nach seinem Ausschei<strong>de</strong>n<br />
aus <strong>de</strong>m Schuldienst wur<strong>de</strong><br />
Alois Staudt am 1. August 2000 priesterlicher<br />
Leiter <strong>de</strong>s Pastoralen Raumes Dietkirchen.<br />
Zum 1. Oktober 2004 ging OStR<br />
i. R. Staudt dann auch <strong>als</strong> Pfarrer in <strong>de</strong>n<br />
Ruhestand. Im Herbst 2002 wur<strong>de</strong> er für<br />
seinen vielfältigen Einsatz, vor allem im<br />
schulischen Bereich, mit <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sverdienstkreuz<br />
am Ban<strong>de</strong> ausgezeichnet.<br />
Ordinariatsrat Pfarrer i. R. Hans Wie<strong>de</strong>nbauer,<br />
1929 in Frankfurt am Main geboren,<br />
war nach seiner Priesterweihe<br />
1955 zunächst Kaplan in Siershahn, Königstein<br />
und in <strong>de</strong>r Pfarrei St. Gallus in<br />
Flörsheim. Zum 1. Juni 1963 wur<strong>de</strong> er<br />
Pfarrvikar in St. Josef in Flörsheim und –<br />
mit Erhebung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zur Pfarrei<br />
am 15. Juli 1969 – <strong>de</strong>ren erster Pfarrer.<br />
Von 1. April 1970 war er bis En<strong>de</strong> März<br />
1977 Bezirks<strong>de</strong>kan für <strong>de</strong>n Bezirk Main-<br />
Taunus. In dieser Zeit hat er zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m verstorbenen Rektor August<br />
Groß, Wicker, das Amt für Katholische<br />
Religionspädagogik in seinem Pfarrzentrum<br />
auf- und ausgebaut. Von 1971 bis<br />
1976 war er gleichzeitig auch Bezirkspräses<br />
<strong>de</strong>s KAB-Bezirkes Rhein-Main. Vom<br />
November 1976 bis Januar 1981 war er<br />
Pfarrer in <strong>de</strong>r Pfarrei St. Josef in Frankfurt-Höchst<br />
und zugleich Betriebsseelsorger<br />
für die Mitarbeiter <strong>de</strong>r Höchst AG.<br />
Am 1. August 1980 übernahm Hans Wie<strong>de</strong>nbauer<br />
– in <strong>de</strong>r Nachfolge von Ordinariatsrat<br />
Walter Kinkel – zunächst nebenamtlich,<br />
ab 1. Februar 1981 hauptamtlich<br />
die Leitung <strong>de</strong>s Amtes für Katholische<br />
Religionspädagogik in Frankfurt am<br />
Main, die er bis Juli 1993 innehatte, und<br />
erhielt <strong>de</strong>n Titel Ordinariatsrat. In diesem<br />
Zeitraum vertrat er auch <strong>de</strong>n Bischof bei<br />
<strong>de</strong>n mündlichen Prüfungen für das Fach<br />
Katholische Religion an <strong>de</strong>r Johann<br />
Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt<br />
am Main. Von Oktober 1984 bis März<br />
1987 war er Diözesanpräses <strong>de</strong>s Kolpingwerkes.<br />
Von Dezember 1982 bis En<strong>de</strong> Juli<br />
2003 war Hans Wie<strong>de</strong>nbauer zu<strong>de</strong>m<br />
zunächst Prosynodalrichter, später dann<br />
Synodalrichter am Offizialat in Limburg,<br />
von Oktober 1993 bis En<strong>de</strong> September<br />
2001 auch Vizeoffizial <strong>de</strong>s Offizialates.<br />
Als Pfarrer trat er zum 30. September<br />
1999 in <strong>de</strong>n Ruhestand.<br />
Universität Koblenz-Landau<br />
Mit <strong>de</strong>m WS 2004/2005 hat Professor<br />
Dr. Peter Hofmann (geb. 1958), einem<br />
Ruf auf <strong>de</strong>n Lehrstuhl für Fundamentaltheologie<br />
und Dogmatik an <strong>de</strong>r Universität<br />
Koblenz-Landau (Standort Koblenz)<br />
folgend, die Lehrstuhlvertretung von diesem<br />
Zeitpunkt an in Landau wahrgenommen.<br />
Zum SS 2005 hat Hofmann die Professur<br />
für Fundamentaltheologie und Dogmatik<br />
angetreten.<br />
Nach <strong>de</strong>m Abitur 1977 in Hil<strong>de</strong>sheim<br />
hat er im WS 1977 das Studium <strong>de</strong>r Theologie<br />
an <strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />
Hochschule St. Georgen in Frankfurt am<br />
Main begonnen und, nach Studiensemestern<br />
1979/1980 in Würzburg, 1987 mit<br />
<strong>de</strong>r Promotion zum Dr. theol. Im Fach<br />
Fundamentaltheologie bei Prof. Dr. Jörg<br />
Splett abgeschlossen. Das Thema <strong>de</strong>r<br />
Dissertation lautete: „Glaubensbegründung.<br />
Die Transzen<strong>de</strong>ntalphilosophie <strong>de</strong>r<br />
Kommunikationsgemeinschaft in fundamentaltheologischer<br />
Sicht“. Nach <strong>de</strong>r Priesterweihe<br />
am 13.06.1987 durch Bischof<br />
Dr. Josef Homeyer in Hil<strong>de</strong>sheim war er<br />
zwischen 1987 und 1993 Kaplan in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Pfarreien seiner Diözese, bevor<br />
er 1983 Pfarrer <strong>de</strong>r Pfarrei St. Heinrich<br />
in Hannover (bis 1998) wur<strong>de</strong>. Zwischen<br />
1990 und 2004 nahm er zugleich<br />
die Aufgaben <strong>de</strong>s Schulseelsorgers und<br />
Religionslehrers an <strong>de</strong>r St. Ursula-Schule<br />
in Hannover wahr. Im Januar 1998 begann<br />
er ein Habilitationsstudium, das er<br />
mit <strong>de</strong>r Habilitationsschrift zum Thema<br />
„Goethes Theologie“ an <strong>de</strong>r Katholisch-<br />
Theologischen Fakultät <strong>de</strong>r Westfälischen<br />
Wilhelms-Universität in Münster im Juni<br />
2000 been<strong>de</strong>te. Bis zu seiner Berufung<br />
nach Koblenz hielt er <strong>als</strong> Privatdozent<br />
Lehrveranstaltungen an <strong>de</strong>r Universität<br />
Münster und war seit Juli 2001 zugleich<br />
Hochschulpfarrer in Hannover. BM<br />
INFO 34 · 2/2005
Konfessioneller Religionsunterricht<br />
Warum Religion konfessionell unterrichten?<br />
Andreas Verhülsdonk<br />
Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Schule –<br />
das Thema erregt die Gemüter, wie<br />
man am Streit um das Schulfach „Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religionskun<strong>de</strong>“<br />
(LER) in Bran<strong>de</strong>nburg o<strong>de</strong>r gegenwärtig<br />
in Berlin erleben kann. Der<br />
Streit ist nicht neu und auch kein rein<br />
<strong>de</strong>utsches Phänomen. Seit <strong>de</strong>r Einrichtung<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Schulwesens ist<br />
die Frage <strong>de</strong>r religiösen Unterweisung<br />
in <strong>de</strong>r Schule umstritten und hat in<br />
Europa und Nordamerika sehr unterschiedliche<br />
Antworten gefun<strong>de</strong>n. Dabei<br />
spielen nicht nur die verschie<strong>de</strong>nen<br />
schulischen und pädagogischen Traditionen<br />
eine Rolle. Ebenso be<strong>de</strong>utsam<br />
ist das sehr unterschiedliche Verhältnis<br />
von Kirche und Staat, von Religion und<br />
Politik in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong>de</strong>rn.<br />
Über <strong>de</strong>n Religionsunterricht in <strong>de</strong>r<br />
Schule kann man nicht allein unter pädagogischen<br />
o<strong>de</strong>r schulischen Gesichtspunkten<br />
diskutieren. Das wird<br />
schon daran <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
<strong>als</strong> einziges Unterrichtsfach<br />
im Grundgesetz erwähnt wird,<br />
dass er Gegenstand von Staats-Kirchen-Verträgen<br />
und in <strong>de</strong>r Folge auch<br />
<strong>de</strong>r Rechtsprechung bis hin zum Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
ist. In <strong>de</strong>r Diskussion<br />
um <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
geht es – auf Seiten <strong>de</strong>r Befürworter<br />
wie <strong>de</strong>r Gegner <strong>de</strong>s konfessionellen<br />
Religionsunterrichts – immer auch um<br />
das Selbstverständnis einer Gesellschaft<br />
und um die Stellung, die die Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften in<br />
Schule und Öffentlichkeit einnehmen<br />
sollen.<br />
Was ist konfessioneller<br />
Religionsunterricht?<br />
Die Frage wird grundsätzlich in<br />
Art. 7 Abs. 3 GG beantwortet: „Der Religionsunterricht<br />
ist in <strong>de</strong>n öffentlichen<br />
Schulen mit Ausnahme <strong>de</strong>r bekenntnisfreien<br />
Schulen or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach.<br />
Unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>s staatlichen Aufsichtsrechtes<br />
wird <strong>de</strong>r Religionsunterricht in<br />
Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n Grundsätzen<br />
<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft erteilt.“<br />
(Satz 1 und 2) <strong>Diese</strong> Regelung gilt unbescha<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>r Kulturhoheit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />
» Seit <strong>de</strong>r Einrichtung <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Schulwesens<br />
ist die Frage <strong>de</strong>r religiösen<br />
Unterweisung in <strong>de</strong>r Schule<br />
umstritten.<br />
für ganz Deutschland<br />
mit Ausnahme<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, die –<br />
wie Art. 141 GG<br />
festlegt – am 1. Januar<br />
1949 eine von<br />
Art. 7 abweichen<strong>de</strong><br />
lan<strong>de</strong>srechtliche Regelung getroffen<br />
haben. Das ist unstrittig in Bremen und<br />
Berlin <strong>de</strong>r Fall; ob dies auch für Bran<strong>de</strong>nburg<br />
gilt, ist vom Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
im LER-Verfahren bekanntlich<br />
nicht entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n.<br />
Die grundgesetzlichen Bestimmungen<br />
zum Religionsunterricht müssen in<br />
Beziehung zum Art. 2 Abs. 1 und Art. 4<br />
gesehen wer<strong>de</strong>n. Art. 2 GG legt das<br />
Recht auf die freie Entfaltung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
fest. Dazu gehört zweifelsohne<br />
das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
in Art. 4. Dazu gehört<br />
aber auch das Recht auf Bildung. Zwar<br />
fin<strong>de</strong>t sich dieses Recht nicht explizit<br />
in <strong>de</strong>r Verfassung. Die Schulpflicht<br />
und die entsprechen<strong>de</strong>n Schulgesetze<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r berechtigen jedoch, mit<br />
Ralf Dahrendorf vom „Bürgerrecht auf<br />
Bildung“ zu sprechen. Der Religionsunterricht<br />
in <strong>de</strong>r Schule dient <strong>de</strong>r freien<br />
Entfaltung <strong>de</strong>r Persönlichkeit. Er soll<br />
die Schülerinnen und Schüler befähigen,<br />
vom Recht auf Gewissens- und<br />
Glaubensfreiheit Gebrauch zu machen<br />
– so wie <strong>de</strong>r Geschichts-, Politik- und<br />
Sozialkun<strong>de</strong>unterricht die Schülerinnen<br />
und Schüler befähigen soll, von ihrem<br />
Recht auf Teilnahme an <strong>de</strong>r politischen<br />
Willensbildung Gebrauch zu machen.<br />
Nun stößt die Gestaltung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
jedoch auf ein Problem:<br />
Die Republik kann die Religions-<br />
und Gewissensfreiheit aller Bürgerinnen<br />
und Bürger nur garantieren,<br />
wenn sie sich mit keiner Religion o<strong>de</strong>r<br />
Weltanschauung i<strong>de</strong>ntifiziert und strikte<br />
religiöse und weltanschauliche Neutralität<br />
wahrt. Deshalb gibt es grundsätzlich<br />
nur zwei<br />
Möglichkeiten, Religionsunterricht<br />
in<br />
<strong>de</strong>r Schule anzubieten:<br />
entwe<strong>de</strong>r <strong>als</strong><br />
bekenntnisfreie Religionskun<strong>de</strong>,<br />
die<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Religionen und religiösen<br />
Gemeinschaften möglichst neutral<br />
vorstellt, o<strong>de</strong>r in Kooperation mit<br />
<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />
die dann für die<br />
Ziele und Inhalte <strong>de</strong>s Unterrichts verantwortlich<br />
sind. Das Grundgesetz entschei<strong>de</strong>t<br />
sich – wie schon die Weimer<br />
Reichsverfassung von 1919 – für die<br />
zweite Möglichkeit: Der Religionsunterricht<br />
wird, wie es in Art. 7 Abs. 3<br />
heißt, „in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n<br />
Grundsätzen <strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft<br />
erteilt“. Was das be<strong>de</strong>utet, hat<br />
das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht 1987 so<br />
dargelegt: „Er (<strong>de</strong>r Religionsunterricht,<br />
A.V.) ist keine überkonfessionelle vergleichen<strong>de</strong><br />
Betrachtung religiöser Lehren,<br />
nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht,<br />
historisieren<strong>de</strong> und relativieren<strong>de</strong><br />
Religionskun<strong>de</strong>, Religions- o<strong>de</strong>r<br />
Bibelgeschichte. Sein Gegenstand ist<br />
vielmehr <strong>de</strong>r Bekenntnisinhalt, nämlich<br />
die Grundsätze <strong>de</strong>r jeweiligen Religionsgemeinschaft.<br />
<strong>Diese</strong> <strong>als</strong> bestehen<strong>de</strong><br />
Wahrheiten zu vermitteln, ist<br />
seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen<br />
hat, sind grundsätzlich die<br />
Vorstellungen <strong>de</strong>r Kirchen über Inhalt<br />
und Ziel <strong>de</strong>r Lehrveranstaltung maßgeblich.“<br />
(Beschluss vom 27. Februar<br />
1987, BVerfGE Bd. 75, S. 252.) Konfessionalität<br />
ist <strong>als</strong>o nicht nur eine Fra-<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
113<br />
INFO 34 · 2/2005
INFOS & AKTUELLES<br />
114<br />
ge <strong>de</strong>r Unterrichtsinhalte. Sie betrifft<br />
auch <strong>de</strong>n Wahrheits- o<strong>de</strong>r Geltungsanspruch,<br />
<strong>de</strong>r im Religionsunterricht –<br />
wie in je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Fach – erhoben<br />
wird. Sie meint die Perspektive, in <strong>de</strong>r<br />
die Unterrichtsinhalte dargestellt und<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, und diese Perspektive<br />
ist die Perspektive <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Kirche o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft.<br />
Die Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
hat einige be<strong>de</strong>utsame Konsequenzen.<br />
Die Lehren<strong>de</strong>n müssen<br />
nicht nur das Vertrauen <strong>de</strong>s Staates,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r jeweiligen Kirche<br />
o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft haben<br />
(Missio canonica, Vocatio). Der Religionsunterricht<br />
wen<strong>de</strong>t sich primär an<br />
die Schülerinnen und Schüler <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Kirche o<strong>de</strong>r Religionsgemeinschaft.<br />
Sie sollen zu mündigen<br />
Katholiken, Protestanten, Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Muslimen erzogen wer<strong>de</strong>n. Schließlich<br />
kann man sich aus Gewissensgrün<strong>de</strong>n<br />
vom Religionsunterricht befreien lassen<br />
(Art. 7 Abs. 2), und es darf kein<br />
Lehrer gegen seinen Willen zur Erteilung<br />
von Religionsunterricht gezwungen<br />
wer<strong>de</strong>n (Art. 7 Abs. 3, Satz 3).<br />
Grün<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n konfessionellen<br />
Religionsunterricht<br />
Ob <strong>de</strong>r Religionsunterricht in Kooperation<br />
mit <strong>de</strong>n Kirchen die beste<br />
Form <strong>de</strong>r religiösen Unterweisung in<br />
<strong>de</strong>r Schule ist, war schon in <strong>de</strong>n Tagen<br />
<strong>de</strong>r Weimarer Republik umstritten. Die<br />
Kritik am <strong>de</strong>utschen Kooperationsmo<strong>de</strong>ll<br />
wird mal leiser und mal lauter geäußert.<br />
Die Einwän<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n konfessionellen<br />
Religionsunterrichts sind<br />
teils seriös, teils aber auch unseriös,<br />
weil vorgeschoben. Unseriös ist etwa<br />
<strong>de</strong>r Hinweis auf schulorganisatorische<br />
Schwierigkeiten. Denn die gibt es auch<br />
bei an<strong>de</strong>ren Fächern. Der Verweis auf<br />
schulorganisatorische Probleme wird<br />
erst dann zum Argument, wenn man<br />
das Konfessionalitätsprinzip für überholt<br />
hält und eben nicht einzusehen<br />
vermag, wozu es sich lohnen sollte, die<br />
organisatorischen Probleme zu lösen.<br />
Eine seriöse Argumentation sieht wie<br />
folgt aus: Der konfessionelle Religionsunterricht<br />
ist kein zeitgemäßes, geschweige<br />
<strong>de</strong>nn zukunftstaugliches Mo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts,<br />
© Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24.04.05<br />
– weil die Schülerschaft sich nicht<br />
mehr nur in katholische und evangelische<br />
Christen aufteilt. Vor allem in<br />
<strong>de</strong>n großstädtischen Ballungszentren<br />
gibt es eine Vielfalt von Religionen<br />
und Weltanschauungen.<br />
Hinzu kommt die wachsen<strong>de</strong> Zahl<br />
konfessionsloser Schülerinnen und<br />
Schüler. Der konfessionelle Religionsunterricht<br />
erfasst somit nur einen<br />
Teil <strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler;<br />
– weil das Bewusstsein für konfessionelle<br />
Zugehörigkeiten und Differenzen<br />
bei Schülern, Eltern und Religionslehrern<br />
in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />
<strong>de</strong>utlich geschwun<strong>de</strong>n sei. Angesichts<br />
<strong>de</strong>r verbreiteten Unkenntnis<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens sei es die<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r Schule, Grundwissen<br />
über <strong>de</strong>n christlichen Glauben und<br />
seine kulturelle Be<strong>de</strong>utung zu vermitteln.<br />
Konfessionelle Spezifika<br />
gehörten eher in die Gemein<strong>de</strong>katechese,<br />
nicht jedoch in die Schule;<br />
– weil es nicht Aufgabe <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Schule ist, zur Bildung einer<br />
bestimmten religiösen I<strong>de</strong>ntität beizutragen.<br />
Das sei vielmehr die Aufgabe<br />
<strong>de</strong>r Eltern und <strong>de</strong>r Kirchengemein<strong>de</strong>n.<br />
Ziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
in <strong>de</strong>r Schule sei vielmehr die<br />
Erziehung zu religiöser Toleranz<br />
und gegenseitigem Verständnis.<br />
Die Verwirklichung dieses Ziels<br />
gelinge am besten in einem Unterricht,<br />
an <strong>de</strong>m erstens alle Schülerinnen<br />
und Schüler teilnehmen, <strong>de</strong>r<br />
zweitens die verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />
und Konfessionen gleichberechtigt<br />
und neutral behan<strong>de</strong>lt und<br />
drittens die Grundwerte unsere<br />
Verfassung vermittelt. Ein solcher<br />
Religionsunterricht soll somit zwar<br />
religiös und weltanschaulich neutral,<br />
nicht jedoch wertneutral sein.<br />
In einer von religiösen Gegensätzen<br />
und Konflikten geprägten Gesellschaft<br />
dürfe die Schule nicht konfessionelle<br />
Trennungen und Unterschie<strong>de</strong><br />
för<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn müsse das<br />
allen Schülerinnen und Schülern<br />
gemeinsame Wertfundament stärken.<br />
Dies gelinge am besten in einem<br />
Religions- und Werteunterricht<br />
für alle. <strong>Diese</strong> Argumentation<br />
fin<strong>de</strong>t man zurzeit in <strong>de</strong>r Berliner<br />
Diskussion um <strong>de</strong>n Religions- und<br />
Werteunterricht. Es dürfte auch das<br />
Kernargument sein.<br />
<strong>Diese</strong> drei Einwän<strong>de</strong> sind ernst zu<br />
nehmen, auch wenn man <strong>de</strong>m Integrati-<br />
INFO 34 · 2/2005
onsfach skeptisch gegenübersteht und<br />
<strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht<br />
für ein sehr wohl zukunftstaugliches<br />
Mo<strong>de</strong>ll hält.<br />
Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n konfessionellen<br />
Religionsunterricht<br />
Aus meiner Sicht sprechen für <strong>de</strong>n<br />
konfessionellen Religionsunterricht<br />
sowohl pädagogische <strong>als</strong> auch religionstheoretische<br />
und <strong>de</strong>mokratietheoretische<br />
Grün<strong>de</strong>. Beginnen wir mit <strong>de</strong>n<br />
pädagogischen Grün<strong>de</strong>n.<br />
Schon Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Grundschule<br />
stellen die großen Fragen nach <strong>de</strong>m<br />
Woher, Wozu und Wohin <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Lebens. „Was ist Sinn und Ziel<br />
unseres Lebens?“, „Was ist gut, was ist<br />
böse?“, „Woher kommt die Welt?“,<br />
„Woher kommt das<br />
Leid?“ o<strong>de</strong>r „Was<br />
kommt nach <strong>de</strong>m<br />
Tod?“ sind Fragen,<br />
die sich Kin<strong>de</strong>r<br />
meist in bestimmten<br />
Situationen stellen,<br />
etwa wenn ein geliebtes<br />
Haustier gestorben<br />
ist o<strong>de</strong>r<br />
wenn die Großmutter an einer schweren<br />
Krankheit lei<strong>de</strong>t. Kin<strong>de</strong>r sind, wie<br />
<strong>de</strong>r Pädagoge Jürgen Oelkers es einmal<br />
» Der konfessionelle Religionsunterricht<br />
ist ein Unterricht,<br />
<strong>de</strong>r einen bestimmten<br />
Wahrheitsanspruch im Dialog<br />
mit <strong>de</strong>n Fragen und<br />
Überzeugungen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler einzulösen<br />
versucht.<br />
© T. Plassmann, Frankfurter Rundschau<br />
genannt hat, „Realisten und Mystiker“.<br />
Sie wollen wissen, wie die Welt um sie<br />
herum funktioniert; sie wollen aber<br />
auch wissen, was die Welt im Innersten<br />
zusammenhält.<br />
In unserer Gesellschaft begegnen<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche unterschiedlichen<br />
Antworten.<br />
Die Fragen <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und<br />
Schüler und die<br />
Pluralität <strong>de</strong>r religiösen<br />
und säkularen<br />
Antworten bil<strong>de</strong>n<br />
eine pädagogische<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />
<strong>de</strong>r sich auch die Schule stellen<br />
muss. Der ehemalige <strong>de</strong>utsche PISA-<br />
Chef, Jürgen Baumert, spricht hier von<br />
Fragen „konstitutiver Rationalität“, die<br />
in <strong>de</strong>n Fächern Re-<br />
»Die Fragen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler und die<br />
Pluralität <strong>de</strong>r religiösen und<br />
säkularen Antworten bil<strong>de</strong>n<br />
eine pädagogische Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />
<strong>de</strong>r sich auch<br />
die Schule stellen muss.<br />
ligion und Philosophie<br />
behan<strong>de</strong>lt<br />
wer<strong>de</strong>n. Doch welcher<br />
Typ von Religionsunterricht<br />
wird <strong>de</strong>n Fragen<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schülern gerecht?<br />
Schüler haben<br />
sicher ein großes Interesse daran zu<br />
erfahren, was Menschen so glauben,<br />
welche Religionen es gibt, worin Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />
<strong>de</strong>n Religionen bestehen. Das<br />
scheint für einen religionskundlichen<br />
Unterricht zu sprechen.<br />
Aber Schülerinnen und Schüler<br />
wollen nicht nur wissen, was Menschen<br />
so glauben. Sie wollen auch wissen,<br />
was sie glauben sollen, was wahr<br />
und richtig ist. Je<strong>de</strong>r Religionslehrer<br />
kennt die Situation, dass plötzlich eine<br />
Schülerin o<strong>de</strong>r ein Schüler fragt:<br />
„Glauben Sie das <strong>de</strong>nn?“ Mit dieser<br />
Frage wollen Schüler in einen Dialog<br />
über die Wahrheitsfrage eintreten. Sie<br />
wollen darüber sprechen, ob das, was<br />
Christen o<strong>de</strong>r Muslime o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
glauben, glaubwürdig ist, ob dieser<br />
Glaube Orientierung auch für ihr eigenes<br />
Leben geben kann. Ein bekenntnisneutraler<br />
Religionsunterricht muss an<br />
dieser Stelle passen. Der Lehrer kann<br />
sagen, was Christen o<strong>de</strong>r was Muslime<br />
glauben, aber er kann nicht in einen<br />
Dialog o<strong>de</strong>r ein Streitgespräch um die<br />
Wahrheit einer Glaubensüberzeugung<br />
eintreten, ohne die Neutralität <strong>de</strong>s Unterrichts<br />
zu verletzen. Ganz an<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r<br />
konfessionelle Religionsunterricht. Er<br />
muss nicht und will<br />
nicht neutral sein,<br />
<strong>de</strong>shalb kann hier<br />
auch die Wahrheitsfrage<br />
gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>shalb<br />
kann hier auch die<br />
Frage nach gültiger<br />
Orientierung für<br />
mein Leben eine Antwort fin<strong>de</strong>n. Im<br />
konfessionellen Religionsunterricht<br />
treffen Schülerinnen und Schüler auf<br />
eine Lehrerin o<strong>de</strong>r einen Lehrer, <strong>de</strong>r einen<br />
Standpunkt bezieht und sich <strong>de</strong>m<br />
Dialog mit <strong>de</strong>n Schülerinnen und Schülern<br />
über diesen Standpunkt stellt. In<br />
<strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit diesem<br />
Standpunkt sollen und können sie einen<br />
eigenen – argumentativ begrün<strong>de</strong>ten –<br />
Standpunkt fin<strong>de</strong>n. Der konfessionelle<br />
Religionsunterricht – so wie ihn die katholische<br />
Kirche versteht – ist ein Unterricht,<br />
<strong>de</strong>r einen bestimmten Wahrheitsanspruch<br />
im Dialog mit <strong>de</strong>n Fragen<br />
und Überzeugungen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler einzulösen versucht.<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
115<br />
INFO 34 · 2/2005
INFOS & AKTUELLES<br />
116<br />
Unter <strong>de</strong>n Bürgern <strong>de</strong>r Republik ist<br />
unstrittig, dass Schülerinnen und Schüler<br />
auch im Religionsunterricht die<br />
Lektion <strong>de</strong>s alten Fritz zu lernen haben,<br />
dass je<strong>de</strong>r Mensch nach seiner Façon<br />
selig wer<strong>de</strong>n kann. Toleranz gegenüber<br />
an<strong>de</strong>ren Überzeugungen und Lebensstilen<br />
ist Ausdruck <strong>de</strong>s Respekts vor<br />
<strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen. Dass dieser<br />
Respekt auch theologisch gefor<strong>de</strong>rt ist,<br />
hat die katholische Kirche auf <strong>de</strong>m II.<br />
Vatikaninischen Konzil in <strong>de</strong>r Erklärung<br />
Dignitatis humanae unmissverständlich<br />
klar gestellt. So wichtig die<br />
Erziehung zu Toleranz und Respekt ist,<br />
die Schülerinnen und Schüler sollten<br />
auch die Chance bekommen, eine eigene<br />
Façon auszubil<strong>de</strong>n und einen eigenen<br />
Standpunkt zu entwickeln. Die<br />
Lektion <strong>de</strong>s alten Fritz kann nur beherzigen,<br />
wer seinem eigenen Leben eine<br />
Façon gegeben hat.<br />
Aber könnte dies alles nicht auch<br />
ein gemeinsamer christlicher Religionsunterricht<br />
leisten? Muss man dazu<br />
die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen unbedingt<br />
in getrennte Lerngruppen aufteilen?<br />
In <strong>de</strong>r (religions)pädagogischen<br />
Fachdiskussion galt es in <strong>de</strong>n 90er Jahren<br />
<strong>de</strong>s vergangenen Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>als</strong><br />
ausgemacht, dass heutige Kin<strong>de</strong>r mit<br />
konfessionellen Zuordnungen<br />
und Unterschie<strong>de</strong>n<br />
nichts<br />
anfangen können.<br />
Oftm<strong>als</strong> wissen viele<br />
Kin<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r<br />
Einschulung nicht<br />
einmal, ob sie katholisch<br />
o<strong>de</strong>r evangelisch<br />
sind, geschweige<br />
<strong>de</strong>nn, dass sie mit Konfessionsbezeichnungen<br />
relevante religiöse<br />
Inhalte verbin<strong>de</strong>n könnten. Aus diesen<br />
Beobachtungen zog etwa <strong>de</strong>r Arbeitskreis<br />
Grundschule in seinen Empfehlungen<br />
zur Neugestaltung <strong>de</strong>r Primarstufe<br />
von 1996 die naheliegen<strong>de</strong><br />
Schlussfolgerung, dass die Trennung in<br />
konfessionelle Lerngruppen von <strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn nicht verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> und<br />
schon von daher pädagogisch nicht zu<br />
rechtfertigen sei. Doch stimmt diese<br />
Analyse?<br />
» Ein Unterricht, in <strong>de</strong>m<br />
Wahrheitsfragen diskutiert<br />
und Zugehörigkeiten geklärt<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m mit<br />
an<strong>de</strong>ren Worten ein I<strong>de</strong>ntifikationsangebot<br />
gemacht<br />
wird, aber ist ein konfessioneller<br />
Religionsunterricht.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Tübingen Religionspädagogen<br />
Albert Biesinger und Friedrich<br />
Schweitzer haben diese Frage in<br />
einer von <strong>de</strong>r DFG geför<strong>de</strong>rten empirischen<br />
Studie zum Religionsunterricht<br />
in <strong>de</strong>r Grundschule untersucht und sind<br />
zu einem interessanten Ergebnis<br />
gekommen. Bei <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r<br />
Schüleräußerungen stellten sie fest,<br />
dass zwischen konfessionsspezifischen<br />
Erfahrungen und<br />
konfessionellem<br />
(Selbst-) Bewusstsein<br />
unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Viele<br />
Kin<strong>de</strong>r haben Erfahrungen<br />
mit Gottesdiensten,<br />
Tauf-, Erstkommunion- o<strong>de</strong>r<br />
Konfirmationsfeiern gemacht, ohne<br />
dass ihnen <strong>de</strong>r konfessionelle Kontext<br />
dieser Vollzüge bewusst ist. Es ist somit<br />
ungenau zu behaupten, Kin<strong>de</strong>r<br />
brächten keinerlei konfessionelle Prägungen<br />
in die Schule mit. Richtig ist<br />
vielmehr: Sie bringen konfessionell geprägte<br />
Erfahrungen mit, die sie jedoch<br />
erst im Verlauf <strong>de</strong>r weiteren kognitiven<br />
und sozialen Entwicklung mit Begriffen<br />
verbin<strong>de</strong>n. Eine Beobachtung, die<br />
man übrigens auch im Sachkun<strong>de</strong>- o<strong>de</strong>r<br />
Mathematikunterricht machen kann.<br />
Biesinger und<br />
Schweitzer folgern<br />
aus diesen Ergebnissen,<br />
dass die<br />
Thematisierung<br />
von konfessionellen<br />
Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschie<strong>de</strong>n<br />
im Religionsunterricht<br />
ein Stück<br />
Welterschließung darstellt, das für <strong>de</strong>n<br />
Bildungsauftrag <strong>de</strong>r Grundschule be<strong>de</strong>utsam<br />
ist. Die Existenz zweier Großkirchen<br />
in Deutschland ist eine soziale<br />
Tatsache, die <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
nicht ignorieren darf.<br />
<strong>Diese</strong> Schlussfolgerung wird noch<br />
durch ein weiteres Untersuchungsergebnis<br />
gestützt. Die Erschließung <strong>de</strong>r<br />
Be<strong>de</strong>utung von katholisch und evangelisch<br />
verbin<strong>de</strong>t sich für Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />
Frage nach <strong>de</strong>r eigenen Selbstzuordnung,<br />
<strong>als</strong>o mit <strong>de</strong>r Frage „was bin<br />
» Zwischen konfessionsspezifischen<br />
Erfahrungen und<br />
konfessionellem (Selbst-)<br />
Bewusstsein unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
ich?“. Grundschüler haben ein nachweisbar<br />
großes Interesse an <strong>de</strong>r Beantwortung<br />
dieser Frage und auch daran,<br />
die Grün<strong>de</strong> für die unterschiedlichen<br />
Konfessionszugehörigkeiten kennen<br />
zu lernen. Ein schülerorientierter Religionsunterricht<br />
muss <strong>de</strong>shalb Raum für<br />
Fragen nach <strong>de</strong>r eigenen Konfessionszugehörigkeit<br />
bieten. Ein Unterricht, in<br />
<strong>de</strong>m Wahrheitsfragen diskutiert und<br />
Zugehörigkeiten<br />
geklärt wer<strong>de</strong>n, in<br />
<strong>de</strong>m mit an<strong>de</strong>ren<br />
Worten ein I<strong>de</strong>ntifikationsangebot<br />
gemacht wird, aber<br />
ist ein konfessioneller<br />
Religionsunterricht. Solange es<br />
eine katholische und eine evangelische<br />
Kirche gibt, können diese Fragen nur<br />
katholisch o<strong>de</strong>r evangelisch beantwortet<br />
wer<strong>de</strong>n. Wer die Fragen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendlichen ernst nimmt, muss<br />
<strong>de</strong>shalb für <strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht<br />
sein.<br />
In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Unterrichtsfächern<br />
geht es um die Erschließung<br />
von Wirklichkeit. So vermittelt <strong>de</strong>r<br />
Mathematikunterricht nicht nur ein bestimmtes<br />
Wissen und bestimmte Fähigkeiten.<br />
Das mathematische Wissen<br />
und die mathematischen Fähigkeiten<br />
sollen Schülerinnen und Schülern helfen,<br />
sich die Wirklichkeit mathematisch<br />
zu erschließen. Das gilt für je<strong>de</strong>s<br />
Fach in <strong>de</strong>r Schule und natürlich auch<br />
für <strong>de</strong>n Religionsunterricht.<br />
Wie können religiöse Fragen,<br />
Überzeugungen und Erfahrungen im<br />
Unterricht erschlossen wer<strong>de</strong>n? Ich<br />
nenne das die religionstheoretische<br />
Frage. Es gibt – über <strong>de</strong>n Schulunterricht<br />
hinaus – zwei Arten, sich <strong>de</strong>m<br />
Phänomen Religion zu nähern: die Beobachter-<br />
und die Teilnehmerperspektive.<br />
An <strong>de</strong>n Universitäten gibt es bekanntlich<br />
zwei Disziplinen, die sich<br />
eben aus unterschiedlichen Perspektiven<br />
mit Religion befassen: die Religionswissenschaft<br />
und die Theologie.<br />
Man kann religiöse Zeugnisse wie Texte,<br />
Bauwerke, aber auch Gebetsgesten<br />
und Rituale <strong>de</strong>uten, religiöses Verhalten<br />
beschreiben, Motivationen analy-<br />
INFO 34 · 2/2005
sieren und schließlich religionssoziologisch<br />
und religionspsychologisch erklären.<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n wichtige Erkenntnisse<br />
erworben und Zusammenhänge<br />
<strong>de</strong>utlich, die wir sonst nicht<br />
wüssten. Aber die Beobachterperspektive<br />
ist eine begrenzte Perspektive.<br />
Denn <strong>de</strong>r Wahrheitsanspruch und die<br />
existenzielle Be<strong>de</strong>utung religiöser Erfahrungen<br />
und Entscheidungen kommen<br />
so nicht in <strong>de</strong>n Blick. Sie kommen<br />
nur in <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive in<br />
<strong>de</strong>n Blick. Der evangelische Theologe<br />
Friedrich Wilhelm Graf hat jüngst sehr<br />
überzeugend dargelegt, dass Religion<br />
nur dann angemessen wahrgenommen<br />
und verstan<strong>de</strong>n wird, wenn das Selbstverständnis<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen, ihre Überzeugungen,<br />
Empfindungen und Motivationen<br />
ernst genommen wer<strong>de</strong>n und<br />
zum Ausdruck kommen. Vor allem <strong>de</strong>r<br />
Anspruchscharakter einer Religion<br />
kommt nur in <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />
angemessen zur Sprache. Das<br />
Evangelium ist ja nicht einfach eine<br />
Lehre o<strong>de</strong>r eine Weltanschauung; das<br />
Evangelium ist vor allem und zuvör<strong>de</strong>rst<br />
ein Appell an die Freiheit <strong>de</strong>s Einzelnen.<br />
Es geht nicht nur darum zu wissen,<br />
für wen die Leute Jesus halten,<br />
son<strong>de</strong>rn auch um die Frage „Für wen<br />
haltet ihr mich?“ (vgl. Mt 16,13 – 20).<br />
Erst von diesem Bekenntnis her kann<br />
die soziale und kulturelle Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens verständlich<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Wer das Christentum<br />
verstehen will,<br />
muss <strong>de</strong>shalb die<br />
Perspektive <strong>de</strong>rer<br />
einnehmen, die<br />
Christus in seiner Kirche nachfolgen.<br />
<strong>Diese</strong> Perspektive ist die Perspektive<br />
<strong>de</strong>s konfessionellen Religionsunterrichts.<br />
Er ist <strong>de</strong>shalb die angemessene<br />
Form, Religion authentisch in <strong>de</strong>r<br />
Schule zur Sprache zu bringen.<br />
Schließlich sprechen <strong>de</strong>mokratietheoretische<br />
Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n konfessionellen<br />
Religionsunterricht, die hier nur<br />
skizziert und nicht historisch und philosophisch<br />
entfaltet wer<strong>de</strong>n können.<br />
In <strong>de</strong>r Verfassung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen<br />
Republik sind die Grundrechte<br />
» Der Anspruchscharakter<br />
einer Religion kommt nur in<br />
<strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />
angemessen zur Sprache.<br />
und Grundwerte garantiert, die alles<br />
staatliche Han<strong>de</strong>ln und das Zusammenleben<br />
in <strong>de</strong>r Gesellschaft normieren.<br />
Sie bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Wertekonsens.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r religiösen und<br />
weltanschaulichen Neutralität – die<br />
ebenfalls zu <strong>de</strong>n Grundwerten <strong>de</strong>r Republik<br />
gehört! – garantiert die Republik<br />
zwar die Grundrechte, aber sie gibt<br />
keine religiösen o<strong>de</strong>r philosophischen<br />
Begründungen vor. Die Republik ist eine<br />
politische Gemeinschaft auf <strong>de</strong>r<br />
Grundlage wechselseitig zuerkannter<br />
Rechte, aber keine<br />
Weltanschauungsgemeinschaft.<br />
Sie<br />
geht vielmehr davon<br />
aus, dass es in<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft unterschiedliche<br />
religiöse<br />
und weltanschauliche<br />
Begründungen <strong>de</strong>r Grundrechte<br />
und Grundwerte gibt, die diese<br />
Werte auch in einem moralischen Sinne<br />
legitimieren und zum Einsatz für die<br />
Republik motivieren. Genau in diesem<br />
Sinne ist das viel zitierte Wort <strong>de</strong>s ehemaligen<br />
Verfassungsrechtlers Ernst-<br />
Wolfgang Böckenför<strong>de</strong> zu verstehen,<br />
dass <strong>de</strong>r freiheitliche Staat von Voraussetzungen<br />
lebt, die er selbst nicht garantieren<br />
kann.<br />
In <strong>de</strong>n intellektuellen Diskussionen<br />
Europas und Nordamerikas gibt es seit<br />
<strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt eine heftige Kontroverse<br />
darüber,<br />
ob Menschenwür<strong>de</strong><br />
und Menschenrechte<br />
besser durch einen<br />
atheistischen<br />
o<strong>de</strong>r agnostischen<br />
Humanismus o<strong>de</strong>r durch einen religiösen<br />
Glauben, <strong>als</strong>o durch das Christentum<br />
legitimiert und gesichert wer<strong>de</strong>n<br />
können. Historisch wird man sagen<br />
müssen, dass die Durchsetzung <strong>de</strong>r<br />
Menschen- und Bürgerrechte bis heute<br />
sowohl religiös wie auch säkular begrün<strong>de</strong>t<br />
war und ist. Die Einrichtung<br />
<strong>de</strong>r Religionsfreiheit, die Abschaffung<br />
<strong>de</strong>r Sklaverei und <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe waren<br />
und sind prominente Beispiele. Dabei<br />
macht es wenig Sinn, die Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Bürgerrechte und <strong>de</strong>r Republik<br />
» Ohne Vernunft wird <strong>de</strong>r<br />
Glaube schnell fundamentalistisch,<br />
und ohne <strong>de</strong>n<br />
Glauben wird die Vernunft<br />
zur instrumentellen Rationalität.<br />
gleichsam anteilmäßig auf Humanisten<br />
und Christen aufzuteilen. Oft war es<br />
nämlich das Zusammenwirken von<br />
Gläubigen und Ungläubigen (z.B. Belgischer<br />
Unionismus, amerikanische<br />
Bürgerrechtsbewegung), die die<br />
Durchsetzung <strong>de</strong>r Bürgerrechte beför<strong>de</strong>rt<br />
haben. Es spricht daher einiges dafür,<br />
dass die normativen Grundlagen<br />
unseres Zusammenlebens am besten<br />
im Dialog von Gläubigen und Nicht-<br />
Gläubigen gesichert und fortentwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Mit Blick auf die neuen<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
durch <strong>de</strong>n Fortschritt<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaften<br />
(etwa im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Gentechnik)<br />
und durch<br />
die Globalisierung<br />
von Wirtschaft und<br />
Technik wird <strong>de</strong>utlich, wie notwendig<br />
eine über <strong>de</strong>n kleinsten gemeinsamen<br />
moralischen Nenner hinaus gehen<strong>de</strong><br />
Verständigung von Gläubigen und<br />
Nicht-Gläubigen über die Grundwerte<br />
unseres gegenwärtigen und zukünftigen<br />
Zusammenlebens ist. Ein solcher<br />
Dialog lebt von <strong>de</strong>r Einsicht, dass<br />
Glaube und Vernunft einan<strong>de</strong>r brauchen.<br />
Ohne Vernunft wird <strong>de</strong>r Glaube<br />
schnell fundamentalistisch, und ohne<br />
<strong>de</strong>n Glauben wird die Vernunft zur instrumentellen<br />
Rationalität. Religiöser<br />
Fundamentalismus und instrumentelle<br />
Vernunft passen übrigens gut zusammen.<br />
Fundamentalisten sind nämlich<br />
meist keine blin<strong>de</strong>n Fanatiker, son<strong>de</strong>rn<br />
gut ausgebil<strong>de</strong>te Fachleute, die sich <strong>de</strong>r<br />
neuesten wissenschaftlichen und technischen<br />
Errungenschaften zur Durchsetzung<br />
ihrer inhumanen Ziele bedienen.<br />
Dies ließe sich leicht an <strong>de</strong>n fundamentalistischen<br />
Strömungen im Islam<br />
o<strong>de</strong>r im amerikanischen Protestantismus<br />
zeigen. In diesem Kontexte sollte<br />
man die Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et ratio“<br />
(1998) lesen. Sie ist gleichsam das antifundamentalistische<br />
Manifest <strong>de</strong>r katholischen<br />
Kirche.<br />
Der anspruchsvolle und sicher oft<br />
spannungsreiche Dialog von Glaube<br />
und Vernunft braucht soziale Orte und<br />
institutionelle Garantien, wenn er lang-<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
117<br />
INFO 34 · 2/2005
INFOS & AKTUELLES<br />
118<br />
fristig wirksam sein soll. Ein solcher<br />
Ort ist die Schule. Einerseits hält <strong>de</strong>r<br />
Religionsunterricht die letzten Fragen<br />
<strong>de</strong>s Menschen wach und verhin<strong>de</strong>rt dadurch,<br />
dass Schülerinnen und Schüler<br />
die Welt und sich<br />
selbst nur unter naturwissenschaftlichen<br />
o<strong>de</strong>r sozialökonomischen<br />
Perspektiven<br />
betrachten.<br />
Er wehrt damit einer naturalistisch<br />
o<strong>de</strong>r ökonomistisch verkürzten Weltsicht,<br />
die in Teilen unserer Gesellschaft<br />
großen Zuspruch fin<strong>de</strong>t.<br />
An<strong>de</strong>rerseits bewahrt <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
in <strong>de</strong>r Schule die Kirchen<br />
und an<strong>de</strong>re Religionsgemeinschaften<br />
davor, sich in ein soziales Getto zurückzuziehen,<br />
um dort von allen kritischen<br />
Anfragen unbehelligt eine sektenhafte<br />
Religiosität zu pflegen. Denn<br />
<strong>de</strong>r Religionsunterricht muss Antworten<br />
auf die oft sehr kritischen Fragen<br />
<strong>de</strong>r Schüler fin<strong>de</strong>n, die religiösen und<br />
moralischen Überzeugungen mit <strong>de</strong>m<br />
Wissen aus an<strong>de</strong>ren Fächern in Einklang<br />
bringen und <strong>de</strong>r religiösen und<br />
weltanschaulichen Pluralität im Schulleben<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n. Der Zwang zur<br />
öffentlichen Diskussion religiöser<br />
» Die Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et<br />
ratio“ ist das anti-fundamentalistische<br />
Manifest <strong>de</strong>r<br />
katholischen Kirche.<br />
Überzeugungen ist das vielleicht wichtigste<br />
Heilmittel gegen <strong>de</strong>n Einfluss<br />
fundamentalistischer Strömungen in<br />
<strong>de</strong>n Religionen. Aus diesem Grund<br />
dürfte auch die Einrichtung von islamischem<br />
Religionsunterricht<br />
die Integration<br />
<strong>de</strong>r muslimischen<br />
Min<strong>de</strong>rheit<br />
in die <strong>de</strong>mokratisch-pluralistische<br />
Gesellschaft för<strong>de</strong>rn. <strong>Diese</strong> integrative<br />
Kraft kann jedoch nur ein Religionsunterricht<br />
entfalten, mit <strong>de</strong>m sich<br />
die jeweilige Religionsgemeinschaft<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert, weil sie für die Inhalte und<br />
Ziele verantwortlich ist – verantwortlich<br />
nicht nur gegenüber <strong>de</strong>r eigenen<br />
Tradition, son<strong>de</strong>rn auch gegenüber <strong>de</strong>r<br />
Öffentlichkeit. Auch das spricht für<br />
<strong>de</strong>n konfessionellen Religionsunterricht.<br />
Dr. Andreas Verhülsdonk ist Referent<br />
für Religionspädagogik im Sekretariat<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Bonn.<br />
Literatur<br />
Baumert, Jürgen: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich,<br />
in: Killius, Nelson/Kluge, Jürgen/Reisch,<br />
Linda (Hg.), Die Zukunft <strong>de</strong>r Bildung. – Frankfurt/M.<br />
2002. 100 – 150.<br />
Biesinger, Albert/ Schweitzer, Friedrich u.a.: Gemeinsamkeiten<br />
stärken – Unterschie<strong>de</strong>n gerecht wer<strong>de</strong>n. Erfahrungen<br />
und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen<br />
Religionsunterricht. – Freiburg-Gütersloh. 2002.<br />
Böckenför<strong>de</strong>, Ernst-Wolfgang: Die Entstehung <strong>de</strong>s Staates<br />
<strong>als</strong> Vorgang <strong>de</strong>r Säkularisation, in: <strong>de</strong>rs.: Staat, Gesellschaft,<br />
Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum<br />
Verfassungsrecht. – Frankfurt/M. 1997.<br />
Forst, Rainer: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt<br />
und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs, Frankfurt/M.<br />
2003.<br />
Graf, Friedrich Wilhelm: Die Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>r Götter. Religion<br />
in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Kultur. – München. 2004.<br />
Habermas, Jürgen: Glauben und Wissen. Frie<strong>de</strong>nspreis<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Buchhan<strong>de</strong>ls 2001. Laudatio: Jan Philipp<br />
Reemtsma. – Frankfurt/M. 2001.<br />
Habermas, Jürgen/Ratzinger, Josef Kardinal: Vorpolitische<br />
moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates,<br />
in: zur <strong>de</strong>batte 1/2004.<br />
Joas, Hans: Braucht <strong>de</strong>r Mensch Religion? Über Erfahrungen<br />
<strong>de</strong>r Selbsttranszen<strong>de</strong>nz. – Freiburg. 2004.<br />
Ratzinger, Josef Kardinal: Glaube, Wahrheit, Toleranz.<br />
Das Christentum und die Weltreligionen. – Freiburg.<br />
2004.<br />
Ders.: Werte in Zeiten <strong>de</strong>s Umbruchs. Die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Zukunft bestehen. – Freiburg. 2005.<br />
Verhülsdonk, Andreas: Religionsunterricht – Grundlage<br />
von Religionsfreiheit, in: Stimmen <strong>de</strong>r Zeit 221/2003,<br />
329 – 337.<br />
Werteunterricht von Staats wegen ?<br />
Bischof Franz Kamphaus<br />
Was hat eigentlich Papst Benedikt<br />
XVI. gemeint, <strong>als</strong> er jüngst von <strong>de</strong>r „Diktatur<br />
<strong>de</strong>s Relativismus“ sprach? Relativismus<br />
– ist das nicht die Denkweise,<br />
die sich von festen Wahrheiten verabschie<strong>de</strong>t?<br />
Dann ist doch scheinbar alles<br />
möglich. Wie kann eine solche Entscheidung<br />
in Intoleranz und Diktatur umschlagen?<br />
Den Beleg liefert die SPD/<br />
PDS-Regierung in Berlin. Der Werteunterricht<br />
von Staats wegen, mit <strong>de</strong>m sie<br />
<strong>de</strong>n sonst in <strong>de</strong>r Republik üblichen Religionsunterricht<br />
ablösen will, führt <strong>als</strong><br />
alle verpflichten<strong>de</strong>s Fach zur Diktatur<br />
<strong>de</strong>s Relativismus. Wie die Fundamentalisten,<br />
die sich im festen Besitz <strong>de</strong>s<br />
Willens Gottes wähnen, behauptet er alle<br />
vereinnahmend umgekehrt: „Wir<br />
wissen, dass es keine letzten religiösen<br />
Wahrheiten gibt. Alles ist relativ, gesellschaftlich,<br />
psychologisch o<strong>de</strong>r genetisch<br />
bedingt, und wer etwas an<strong>de</strong>res<br />
sagt, ist intolerant.“ Die Pointe <strong>de</strong>r Formulierung<br />
Benedikts XVI. liegt in <strong>de</strong>r<br />
geistvollen Zuspitzung <strong>de</strong>r Erkenntnis,<br />
dass das Verhältnis zu <strong>de</strong>n „letzten Dingen“<br />
(die Fragen nach Gott, Freiheit und<br />
Unsterblichkeit, vgl. Immanuel Kant)<br />
immer eine Glaubensentscheidung ist.<br />
Da gibt es diejenigen, die einem Stern<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit folgen und an Gott glauben,<br />
und die an<strong>de</strong>ren, <strong>de</strong>ren Glaube sich<br />
in <strong>de</strong>r Überzeugung ausdrückt: Religiöse<br />
Wahrheit gibt es nicht. Überzeugung<br />
steht gegen Überzeugung.<br />
Die SPD/PDS-Koalition in Berlin<br />
möchte, dass in einem für alle verbindlichen<br />
Schulfach die relativistische Weltanschauung<br />
gelehrt wird. Das ist die<br />
Ansage eines Kulturkampfes. Begrün<strong>de</strong>t<br />
durch die beson<strong>de</strong>re Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Stadt Berlin, gilt dort nicht <strong>de</strong>r Artikel 7,<br />
Abs. 3, unseres Grundgesetzes, mit <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r Religionsunterricht <strong>als</strong> „or<strong>de</strong>ntliches<br />
Lehrfach“ eingerichtet wird, son-<br />
INFO 34 · 2/2005
<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Ausnahmeartikel 141, die so<br />
genannte „Bremer Klausel“. Sie war im<br />
Jahre 1949 auf beson<strong>de</strong>ren Wunsch <strong>de</strong>r<br />
Hanseaten eingeführt wor<strong>de</strong>n. Sie wollten<br />
mit einem vom Bremer Senat verantworteten<br />
Unterricht in „Biblischer<br />
Geschichte“ <strong>de</strong>n Streit zwischen <strong>de</strong>n<br />
Lutheranern und Reformierten beilegen.<br />
Aus gutem Grund sagt aber unsere<br />
Verfassung ganz am Anfang, dort wo es<br />
um Religionsfreiheit und das Verhältnis<br />
von Staat und Kirche geht, im Artikel 7,<br />
Abs. 3, dass <strong>de</strong>r Staat in Glaubenssachen<br />
» Der Werteunterricht von<br />
Staats wegen führt <strong>als</strong> alle<br />
verpflichten<strong>de</strong>s Fach zur<br />
Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus.<br />
kein Mandat hat.<br />
Die letzten Dinge<br />
fallen nicht in seine<br />
Zuständigkeit. Das<br />
passt zur Präambel<br />
<strong>de</strong>s Grundgesetzes:<br />
Dort wur<strong>de</strong> ausdrücklich die höchste<br />
Autorität nicht irgen<strong>de</strong>inem Souverän,<br />
auch nicht <strong>de</strong>m Volk <strong>als</strong> Souverän zugemessen,<br />
son<strong>de</strong>rn Gott. Ähnlich ist es mit<br />
<strong>de</strong>r Unantastbarkeit <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Menschen (Artikel 1,1)<br />
Die Mütter und Väter <strong>de</strong>r Verfassung<br />
hatten vor sechzig Jahren die Trümmer<br />
<strong>de</strong>r Nazidiktatur vor Augen, und sie sahen,<br />
wie sich <strong>de</strong>r stalinistische Totalitarismus<br />
in <strong>de</strong>r sowjetischen Besatzungszone<br />
breit machte. Sie wollten einen<br />
Damm errichten gegen <strong>de</strong>n Staatsterror,<br />
<strong>de</strong>r ihnen noch in <strong>de</strong>n Knochen saß. Nie<br />
wie<strong>de</strong>r so etwas! Nie mehr sollte <strong>de</strong>r<br />
Mensch zum bloßen Objekt <strong>de</strong>s Staatsapparates<br />
und auch nicht <strong>de</strong>s Wissenschaftsapparates<br />
<strong>de</strong>gradiert wer<strong>de</strong>n. Die<br />
letzten Dinge gehören nicht <strong>de</strong>m Staat,<br />
sie sind Sache je<strong>de</strong>s Einzelnen und <strong>de</strong>r<br />
Religionsgemeinschaften, die für Glaubensfragen<br />
zuständig sind. So wirken<br />
die Kirchen beim or<strong>de</strong>ntlichen Lehrfach<br />
Religion mit, sie verantworten die Inhalte<br />
und kooperieren mit <strong>de</strong>m Staat.<br />
<strong>Diese</strong> religionsfreundliche Trennung<br />
von Staat und Kirche, bei <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r das<br />
Seine beiträgt, hat sich in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
in über einem halben Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
bewährt. Auch wenn die Kirchen zu<br />
kämpfen haben, <strong>de</strong>r<br />
Religionsunterricht<br />
ist anerkannt. Untersuchungen<br />
und Meinungsumfragen<br />
zeigen<br />
es: Er ist vor allem<br />
in <strong>de</strong>r Grundschule ein hoch geschätztes<br />
Fach. Die Kurve <strong>de</strong>r Beliebtheit<br />
knickt dann in <strong>de</strong>r Pubertät ein, aber<br />
in <strong>de</strong>r Oberstufe <strong>de</strong>s Gymnasiums steigt<br />
sie wie<strong>de</strong>r an. Das hat auch damit zu tun,<br />
dass sich <strong>de</strong>r Wind gedreht hat. Wer<br />
glaubt noch ernsthaft daran, wie <strong>de</strong>r<br />
Marxismus unseligen Ange<strong>de</strong>nkens,<br />
dass die Religion von selbst abstirbt?<br />
Nicht nur, weil die Herausfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
Islam religiöse Fragen wie<strong>de</strong>r auf die<br />
Tagesordnung gesetzt hat, son<strong>de</strong>rn<br />
auch, weil die „großen Fragen“ allen<br />
Menschen eine Antwort abverlangen,<br />
gehört Religion in unser Bildungsprogramm.<br />
Aber sie gehört nicht in die Regie<br />
<strong>de</strong>s Staates.<br />
„Was Werte sind, bestimmen wir“,<br />
so formulierte eine PDS-Abgeordnete<br />
in Berlin. Und Frau Buttgereit (SPD)<br />
möchte die katholische Kirche in ihrem<br />
neuen Wertefach staatlich kritisieren.<br />
Das ist in <strong>de</strong>r Tat Kulturkampf! Religion<br />
gehört in die Schule, <strong>de</strong>nn religiöse<br />
Unbildung ist eine Gefahr. Aber wenn<br />
Religion, dann authentisch! Genau das<br />
sieht das Konzept in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland vor, so wie es <strong>de</strong>r Artikel 7,<br />
Abs. 3, <strong>de</strong>s Grundgesetzes bestimmt.<br />
Die „Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus“ dagegen<br />
macht einen Standpunkt verbindlich<br />
für alle, nämlich <strong>de</strong>n, dass es keine<br />
festen Standpunkte und keine letzten<br />
Wahrheiten gibt.<br />
Ein Gutes hat <strong>de</strong>r Streit. Die Diskussion,<br />
die Berlin auslöst, unterstreicht die<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Religionsunterrichtes,<br />
<strong>de</strong>r sich natürlich auch mit an<strong>de</strong>ren Religionen<br />
und Weltanschauungen auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />
Wer eine eigene Position markieren<br />
kann, weiß, wovon er re<strong>de</strong>t, wenn<br />
er sich mit an<strong>de</strong>ren Überzeugungen und<br />
Religionen auseinan<strong>de</strong>rsetzt. Da ist dann<br />
Toleranz gefragt. Es ist bezeichnend, dass<br />
Benedikt XVI. <strong>de</strong>r Diktatur <strong>de</strong>s Relativismus<br />
<strong>de</strong>n Kampf ansagt, sich zugleich<br />
aber für <strong>de</strong>n Dialog von Religionen und<br />
Weltanschauungen einsetzt.<br />
Abdruck mit freundlicher Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion<br />
„Frankfurter Neue Presse“ – Beitrag in <strong>de</strong>r „Frankfurter<br />
Neuen Presse“ vom 4. Mai 2005.<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
119<br />
Vorsicht bei Kopien und Vi<strong>de</strong>os<br />
Das neue Urheberrecht hat Auswirkungen auf Religionsunterricht und Gemein<strong>de</strong>arbeit<br />
Seit En<strong>de</strong> 2003 gilt bereits das reformierte<br />
Urheberrecht. Was früher problemlos<br />
in Gruppenstun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch im<br />
Religionsunterricht möglich war, ist durch<br />
die neuen Regelungen möglicherweise illegal.<br />
Die Oberbayerische Schulzeitung geht<br />
in Nummer 3/2004 auf Konsequenzen ein,<br />
die in erster Linie <strong>de</strong>n Unterricht betreffen,<br />
aber auch für die Arbeit mit Gruppen <strong>de</strong>r<br />
Pfarrei zu berücksichtigen sind. Die folgen<strong>de</strong>n<br />
praxisrelevanten Punkte orientieren<br />
sich an <strong>de</strong>m oben genannten Artikel:<br />
Darf ich aus einer Zeitung beziehungsweise<br />
Zeitschrift einen Artikel für die<br />
Gruppenstun<strong>de</strong>/<strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
kopieren?<br />
Ja, wenn die Quelle angegeben ist.<br />
Darf ich ein Foto o<strong>de</strong>r eine Grafik aus einer<br />
Zeitschrift, <strong>de</strong>m Internet o<strong>de</strong>r einem<br />
Schulbuch auf eine Overhead-Folie o<strong>de</strong>r<br />
ein Arbeitsblatt drucken?<br />
Ja, wenn die Quelle angegeben ist.<br />
Darf ich ein Foto aus einem Bildband einscannen<br />
und auf eine Overhead-Folie<br />
drucken, um es <strong>de</strong>r ganzen Gruppe / <strong>de</strong>r<br />
ganzen Klasse zeigen zu können?<br />
Nein! Möglich ist nur das Einfügen in<br />
ein Arbeitsblatt und <strong>de</strong>ssen Verteilung<br />
an die Gruppenmitglie<strong>de</strong>r beziehungsweise<br />
Schüler.<br />
Darf ich ein Arbeitsblatt aus einem Arbeitsheft<br />
o<strong>de</strong>r Schulbuch unverän<strong>de</strong>rt kopieren?<br />
INFO 34 · 2/2005
INFOS & AKTUELLES<br />
120<br />
Ja, wenn es im Lauf <strong>de</strong>s Schuljahres<br />
bei ganz wenigen Ausnahmefällen<br />
bleibt. Die Quelle muss angegeben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Nein, wenn im Lauf <strong>de</strong>s Schuljahres<br />
größere Teile <strong>de</strong>s Buches o<strong>de</strong>r Heftes<br />
durchkopiert wer<strong>de</strong>n sollen. Dann<br />
muss das Buch beziehungsweise das<br />
Arbeitsheft <strong>als</strong> Klassensatz gekauft<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Darf ich ein Arbeitsblatt aus <strong>de</strong>m Internet<br />
<strong>herunterla<strong>de</strong>n</strong> und unverän<strong>de</strong>rt vervielfältigen?<br />
Ja, aber die Quelle muss angegeben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Darf ich Fotos, Texte und Grafiken aus<br />
einer CD-Rom o<strong>de</strong>r DVD in eine eigene<br />
Materi<strong>als</strong>ammlung einbauen, die ich für<br />
<strong>de</strong>n Unterricht verwen<strong>de</strong>?<br />
Ja, wenn das Programm auf <strong>de</strong>m Datenträger<br />
über eine Kopierfunktion<br />
eingefügt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Nein, wenn die Materialien auf <strong>de</strong>m<br />
Datenträger nur ausgedruckt wer<strong>de</strong>n<br />
können und für die weitergehen<strong>de</strong><br />
Verarbeitung erst <strong>de</strong>r Kopierschutz<br />
„geknackt“ wer<strong>de</strong>n müsste.<br />
Darf ich ein Lernprogramm aus <strong>de</strong>m Internet<br />
<strong>herunterla<strong>de</strong>n</strong> und es im Unterricht<br />
einsetzen?<br />
Ja, wenn es sich dabei um Freeware<br />
han<strong>de</strong>lt und die Nutzung ausdrücklich<br />
erlaubt ist.<br />
Darf ich eine entliehene CD, CD-Rom<br />
o<strong>de</strong>r DVD kopieren?<br />
Nein, unter gar keinen Umstän<strong>de</strong>n!<br />
Darf ich eine gekaufte CD o<strong>de</strong>r DVD kopieren?<br />
Legal sind nur Computerprogramme<br />
<strong>als</strong> Sicherungskopien.<br />
Darf ich eine Fernsehsendung aufzeichnen<br />
und in <strong>de</strong>r Gruppenstun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r im<br />
Unterricht verwen<strong>de</strong>n?<br />
Aufgezeichnet wer<strong>de</strong>n darf <strong>de</strong>r Film<br />
schon, öffentlich gezeigt wer<strong>de</strong>n darf er<br />
dagegen nicht. Ausnahme: Tagesaktualität!<br />
Wenn beispielsweise eine Nachrichtensendung<br />
für <strong>de</strong>n Unterricht relevant<br />
ist, dann darf sie gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Darf ich einen Fernsehbericht aufnehmen<br />
und im Unterricht einsetzen, zum Beispiel<br />
über eine Umweltkatastrophe?<br />
Ja, aber nur im unmittelbaren zeitlichen<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Ereignis.<br />
Als Faustregel gilt dabei: solange<br />
das Ereignis in <strong>de</strong>n Medien eine Rolle<br />
spielt.<br />
Darf ich einen Fernsehfilm aufnehmen<br />
und im Rahmen <strong>de</strong>r Gruppenstun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Unterrichts zeigen?<br />
Nein! Die kirchlichen und kommunalen<br />
Medienzentren sowie <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>smediendienst<br />
haben ein großes<br />
Angebot an Spielfilmen vorrätig, die<br />
legal eingesetzt wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />
Darf ich eine Radiosendung aufzeichnen<br />
und diese in <strong>de</strong>r Gruppe o<strong>de</strong>r im Unterricht<br />
einsetzen?<br />
Ja. Zur „Unterrichtung über Tagesfragen“<br />
darf die ganze Sendung eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Später dürfen nur<br />
kleine Teile daraus verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Darf ich eine Schulfernsehsendung auch<br />
nach drei Jahren zeigen?<br />
Nein! Ausnahme: Wenn die Sendung<br />
sowieso wie<strong>de</strong>rholt wird, dann darf<br />
sie auch verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
„Allen Völkern Sein Heil. Missionarisch leben heute“<br />
Unterrichtsmaterialien zum Bischofswort erschienen<br />
Mission und Missionierung sind gesellschaftliche<br />
Reizvokabeln. Oft wird<br />
damit Zwang, Überrumpelung o<strong>de</strong>r psychischer<br />
Druck verbun<strong>de</strong>n. Dem Wort<br />
„Mission“ haften bis heute Fehlformen<br />
kirchlicher Missionspraxis in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
an. Sie verstellen meist <strong>de</strong>n<br />
Blick auf <strong>de</strong>n missionarischen Dienst <strong>de</strong>r<br />
Kirche heute und seine im umfassen<strong>de</strong>n<br />
Sinne heilbringen<strong>de</strong>n und befreien<strong>de</strong>n<br />
Wirkungen.<br />
Um einen solchen unverstellten<br />
Blick geht es in <strong>de</strong>n kürzlich bei MIS-<br />
SIO erschienenen Unterrichtsmaterialien<br />
„Allen Völkern Sein Heil.<br />
Missionarisch leben heute“. In Anlehnung<br />
an das gleichnamige Wort <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Bischöfe wer<strong>de</strong>n hierin das<br />
gegenwärtige Missionsverständnis<br />
und die Missionspraxis am Beispiel<br />
eines katholischen Aids-Projekts im<br />
südlichen Afrika dargestellt. MR<br />
Bezug:<br />
Die Materialien für <strong>de</strong>n Religionsunterricht können zum Preis von € 3.90 bestellt<br />
wer<strong>de</strong>n bei: MISSIO, Goethestr. 43, 52064 Aachen<br />
Online-Version (ohne Folien) unter:<br />
http://dbk.<strong>de</strong>/die-mission-<strong>de</strong>r-weltkirche/ Arbeitsmaterialen.html<br />
Das Bischofswort kann über broschueren@dbk.<strong>de</strong> bestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
INFO 34 · 2/2005
I. Zielsetzung<br />
Die Stiftung DEY för<strong>de</strong>rt charakterlich<br />
geeignete Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche,<br />
Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Stu<strong>de</strong>nten/-innen<br />
aus katholischen Familien, die eine hohe<br />
Begabung intellektueller o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer<br />
Art besitzen, i<strong>de</strong>ell und materiell. Durch<br />
ihre För<strong>de</strong>rung will die Stiftung DEY zur<br />
Heranbildung qualifizierten katholischen<br />
Nachwuchses in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Bereichen unserer Gesellschaft<br />
beitragen.<br />
II. För<strong>de</strong>rungskriterien<br />
Für eine Bewerbung müssen folgen<strong>de</strong><br />
Kriterien gleichzeitig erfüllt sein:<br />
• katholische Konfession<br />
• beson<strong>de</strong>re Begabung und fachliche<br />
Qualifikation<br />
• kirchliches Engagement<br />
• charakterliche Eignung<br />
III. För<strong>de</strong>rungsleistungen<br />
• Zuwendungen durch einmalige<br />
o<strong>de</strong>r periodische Geldleistungen<br />
• Unterstützung beim Ergreifen<br />
bestehen<strong>de</strong>r Bildungsmöglichkeiten<br />
und bei <strong>de</strong>r Erschließung neuer<br />
Bildungswege<br />
• Ermöglichung menschlicher Kontakte<br />
innerhalb <strong>de</strong>s geför<strong>de</strong>rten Kreises<br />
IV. För<strong>de</strong>rungsdauer<br />
Die För<strong>de</strong>rung wird zunächst für die<br />
Dauer eines Kalen<strong>de</strong>rjahres gewährt.<br />
Eine Verlängerung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung kann<br />
vom Stipendiaten, von <strong>de</strong>r Stipendatin<br />
ggf. beantragt wer<strong>de</strong>n. Vor <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
über eine weitere För<strong>de</strong>rung<br />
wird u.a. durch eine Leistungskontrolle<br />
(Arbeitsbericht) festgestellt, ob dies<br />
gerechtfertigt ist. Eine Verlängerung wird<br />
jeweils für <strong>de</strong>n Zeitraum eines weiteren<br />
Jahres gewährt.<br />
Anträge sind zu richten an:<br />
Bischöfliches Ordinariat<br />
Kuratorium <strong>de</strong>r Stiftung DEY<br />
z. Hd. Herrn Dr. Eckhard Nordhofen<br />
Rossmarkt 12<br />
65549 Limburg/Lahn<br />
V. Bewerbungs- und<br />
Auswahlverfahren<br />
Es gilt das Prinzip <strong>de</strong>r Selbstbewerbung.<br />
Der standardisierte Bewerbungsbogen<br />
kann mit einem formlosen Schreiben<br />
bei <strong>de</strong>r Stiftung angefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die vollständigen Bewerbungsunterlagen<br />
müssen bis spätestens 31.12. für das<br />
Folgejahr vorliegen.<br />
Die Bewerbung soll folgen<strong>de</strong> Unterlagen<br />
enthalten:<br />
• Bewerbungsbogen<br />
• ausführlicher Lebenslauf<br />
• Zusammenstellung <strong>de</strong>r bisherigen<br />
Ausbildungs- und Studienschwerpunkte<br />
• ggf. eine Darstellung <strong>de</strong>s<br />
Dissertationsvorhabens<br />
• Abschlusszeugnisse bzw. sonstige<br />
Qualifikationen und Nachweise<br />
• Referenz durch einen Priester<br />
und/o<strong>de</strong>r Pastorale Mitarbeiter/-in<br />
Bewerber/-innen, die in die engere<br />
Wahl einbezogen wer<strong>de</strong>n, bittet die<br />
Stiftung zu einem Gespräch.<br />
Die endgültige Entscheidung über einen<br />
För<strong>de</strong>rungsantrag trifft das Kuratorium.<br />
Das Bemühen um eine möglichst faire,<br />
umfassen<strong>de</strong> Beurteilung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
eines je<strong>de</strong>n Bewerbers, einer je<strong>de</strong>n<br />
Bewerberin kennzeichnet das Auswahlverfahren<br />
<strong>de</strong>r Stiftung; dazu gehört ein<br />
differenziertes Verständnis von Begabung.<br />
Auf generalisieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n<br />
zu ihrer Bestimmung wird bewusst<br />
verzichtet. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht die<br />
individuelle Bewertung von Eignung,<br />
Leistungsfähigkeit und –bereitschaft mit<br />
Blick auf das jeweils angestrebte<br />
Bildungs- bzw. Ausbildungsziel.<br />
Das Kuratorium erwartet, dass <strong>de</strong>r/die<br />
Bewerber/-in darüber informiert, ob<br />
von einer an<strong>de</strong>ren Einrichtung eine<br />
För<strong>de</strong>rung beantragt wur<strong>de</strong> bzw.<br />
bereits geleistet wird.<br />
Grün<strong>de</strong> für die Aufnahme o<strong>de</strong>r die<br />
Ablehnung wer<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt.<br />
Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in<br />
die För<strong>de</strong>rung besteht nicht.<br />
BISTUM LIMBURG<br />
Die unselbstständige<br />
Stiftung DEY mit <strong>de</strong>m Sitz<br />
in Limburg an <strong>de</strong>r Lahn<br />
geht zurück auf eine<br />
Schenkung <strong>de</strong>r<br />
Geschwister Dey aus <strong>de</strong>m<br />
Jahr 1987
Bestell-Liste<br />
Themen <strong>de</strong>r Hefte 1980 – 2005<br />
Die nachfolgen<strong>de</strong>n Hefte können, solange <strong>de</strong>r Vorrat reicht, nachbestellt wer<strong>de</strong>n:<br />
Jahrgang 1980<br />
Heft 1/2: *Audiovisuelle Medien<br />
Heft 3: * Die Bibel im Religionsunterricht<br />
Heft 4: Jesus Christus – Gott wird Mensch ❏<br />
Jahrgang 1981<br />
Heft 1/2: Beten in <strong>de</strong>r Schule<br />
❏<br />
Heft 3: Im Dialog ❏<br />
Heft 4: Für euch und für alle ❏<br />
Jahrgang 1982<br />
Heft 1/2: Religiöse Erziehung in <strong>de</strong>r Eingangsstufe ❏<br />
Heft 3: Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Primarstufe ❏<br />
Heft 4: * Religionsunterricht<br />
Jahrgang 1983<br />
Heft 1: * Katholische Soziallehre<br />
Heft 2/3:* Nehmet einan<strong>de</strong>r an ...<br />
Heft 4: * Das Reich Gottes ist nahe ... (Mk 1.15)<br />
Jahrgang 1984<br />
Heft 1/2:* Maria<br />
Heft 3: * Das Kirchenjahr<br />
Heft 4: * Lebenswege – Glaubenswege<br />
Jahrgang 1985<br />
Heft 1/2:* 750 Jahre Limburger Dom<br />
Heft 3: * Theologie <strong>de</strong>r Befreiung<br />
Heft 4: Armuts-Bewegungen ❏<br />
Jahrgang 1986<br />
Heft 1/2: Kirche im Aufbruch<br />
❏<br />
Heft 3: Christen und Ju<strong>de</strong>n ❏<br />
Heft 4: * Mit Wi<strong>de</strong>rsprüchen leben<br />
Jahrgang 1987<br />
Heft 1/2:* Christen und Muslime<br />
Heft 3: * Christen und New Age<br />
Heft 4: Christen und Schöpfung ❏<br />
Jahrgang 1988<br />
Heft 1: Afrika begegnen – MISEREOR ‘88 ❏<br />
Heft 2/3: Schule und Leben<br />
❏<br />
Heft 4: * Mystik und Politik<br />
Jahrgang 1989<br />
Heft 1/2: Brennpunkt: Religionsunterricht ❏<br />
Heft 3: * Sakramente im Religionsunterricht<br />
Heft 4: * Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mensch – Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gott<br />
Jahrgang 1990<br />
Heft 1: * Paulus – Der Lehrer<br />
Heft 2/3:* Religion und Musik<br />
Heft 4: * Impulse für die Kirche<br />
Jahrgang 1991<br />
Heft 1/2: *Prophetinnen und Propheten im<br />
Religionsunterricht<br />
Heft 3: Mitwelt – Schöpfung ❏<br />
Heft 4: Neue Re<strong>de</strong> von Maria ❏<br />
Jahrgang 1992<br />
Heft 1/2:* Herausfor<strong>de</strong>rung Islam<br />
Heft 3: * Biotechnik und Ethik<br />
Anzahl<br />
Jahrgang 1993<br />
Heft 1: Qumran Essener Jesus ❏<br />
Heft 2/3:* Sterben / Tod / Eschatologie<br />
Heft 4: Religionsunterricht und Literatur ❏<br />
Jahrgang 1994<br />
Heft 1: * Fundamentalismus in Gesellschaft<br />
und Kirche<br />
Heft 2: * Von Gott re<strong>de</strong>n im Religionsunterricht<br />
Heft 3: Kirchengeschichte im Religionsunterricht ❏<br />
Heft 4: Das Erste Tesament und die Christen ❏<br />
Jahrgang 1995<br />
Heft 1: „Wenn die Kirche zur Schule geht ...“ ❏<br />
Heft 2: „Ich wer<strong>de</strong> von meinem Geist ausgießen<br />
über alles Fleisch“ (Apg 2,17)<br />
❏<br />
Heft 3: Gespeicherte Erinnerung –<br />
Das Museum <strong>als</strong> Lernort<br />
❏<br />
Heft 4: „Ich war hungrig; und ihr ...“ (Mt 25,35; 42)<br />
Vom Umgang mit <strong>de</strong>r Armut<br />
❏<br />
Jahrgang 1996<br />
Heft 1: „Ihr seid zur Freiheit berufen ...“ (Gal 5,13)<br />
Er-löst!<br />
❏<br />
Heft 2: „Er stellte ein Kind in ihre Mitte ...“ (Mt 18,1) ❏<br />
Heft 3: „... und spielte vor ihm allezeit.“ (Spr. 8,30 b) ❏<br />
Heft 4: Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts ❏<br />
Jahrgang 1997<br />
Heft 1: * „Und vergib uns unsere Schuld.“ (Mt 6,12)<br />
Heft 2: * Alternativ leben<br />
Heft 3: * Mit mehr Sinn(en) leben<br />
Heft 4: „Typisch Mädchen?“<br />
Mädchenerziehung in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />
Jahrgang 1998<br />
Heft 1: „Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!“<br />
(Ez 18,32)<br />
❏<br />
Heft 2: „Vergesst mir die Berufsschüler nicht“ ❏<br />
Heft 3: Gemeinschaft <strong>de</strong>r Heiligen. Große Gestalten <strong>de</strong>s<br />
Bistums und ihre Wirkung in unserer Zeit ❏<br />
Heft 4: * Ju<strong>de</strong>n – Muslime – Christen.<br />
Die drei Kin<strong>de</strong>r in Abrahams Schoß<br />
Jahrgang 1999<br />
Heft 1: Gottes Er<strong>de</strong> – Zum Wohnen gemacht.<br />
Unsere Verantwortung für die Schöpfung ❏<br />
Heft 2: En<strong>de</strong>? Apokalyptische Visionen in<br />
Vergangenheit und Gegenwart ❏<br />
Heft 3: Begegnungen mit <strong>de</strong>m Buddhismus ❏<br />
Heft 4: Jugendliche I<strong>de</strong>ntität–Christlicher Glaube ❏<br />
Jahrgang 2000<br />
Heft 1: * Heiliges Jahr 2000<br />
Heft 2: * RU online. Neue Medien im Religionsunterricht<br />
Heft 3: Kirchenraum <strong>als</strong> Lernort ❏<br />
Heft 4: „Schwarz greift ein“. Vom kritischen Verhältnis<br />
kirchlicher Religiosität zur „civil religion“ ❏<br />
Jahrgang 2001<br />
Heft 1: * Erinnerung für die Zukunft.<br />
Kirchengeschichte im Religionsunterricht<br />
Heft 2: * Religionsunterricht – Da steckt Musik drin<br />
Heft 3: * Chancen sehen – Der Religionsunterricht <strong>de</strong>r<br />
Zukunft<br />
Heft 4: * Auf <strong>de</strong>r Suche nach einer lebendigen<br />
Mystik<br />
Jahrgang 2002<br />
Heft 1: * In <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen –<br />
leiblich auferstehen<br />
Heft 2: „Das wäre ja gelacht!“ Humor und<br />
Komik im Religionsunterricht<br />
❏<br />
Heft 3: * Perspektivenwechsel – Behin<strong>de</strong>rung mit<br />
an<strong>de</strong>ren Augen sehen<br />
Heft 4: Was ist schief an PISA? ❏<br />
Jahrgang 2003<br />
Heft 1: * Der achte Schöpfungstag?<br />
Heft 2: * „Nimm und lies!“<br />
Heft 3: Zeit für die Zeit ❏<br />
Heft 4: Der Sinn für die Fülle ❏<br />
Jahrgang 2004<br />
Heft 1: Ars moriendi – Ars vivendi. ❏<br />
Heft 2: Philosophieren mit Kin<strong>de</strong>rn<br />
im Religionsunterricht.<br />
❏<br />
Heft 3: Einfach fantastisch!<br />
Das Fantastische im Religionsunterricht. ❏<br />
Heft 4: Erstaunliche Nähe – bedrängen<strong>de</strong> Ferne<br />
Der Islam im Verhältnis zum Christentum. ❏<br />
Jahrgang 2005<br />
Heft 1: Bewegung Gottes - Wege <strong>de</strong>s Pilgerns ❏<br />
Heft 2: Freu<strong>de</strong> am Lernen ❏<br />
* <strong>Diese</strong> <strong>Ausgabe</strong>n sind vergriffen.<br />
Anzahl<br />
Alle <strong>Ausgabe</strong>n ab Jahrgang 1998 sind <strong>als</strong> <strong>PDF</strong>-Dateien im<br />
Internet unter www.ifrr.<strong>de</strong> erhältlich.<br />
je <strong>Ausgabe</strong> † 2.00<br />
INFO<br />
Name<br />
Vorname<br />
Schule<br />
Straße<br />
PLZ/Ort<br />
Telefon<br />
Bitte ausfüllen, kopieren<br />
und faxen an:<br />
06431/295-237<br />
o<strong>de</strong>r per Post sen<strong>de</strong>n an:<br />
Dezernat<br />
Schule und Hochschule<br />
Bischöfliches Ordinariat<br />
Limburg<br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />
Postfach 1355<br />
65533 Limburg
INFOS & AKTUELLES<br />
123<br />
Jetzt bitte schon vormerken!<br />
47. Limburger Kreuzwoche<br />
Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2005<br />
Dienstag, 13. September 2005<br />
Bald mehr unter: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Arbeiten an<br />
ungeliebten Bibeltexten<br />
Ansätze zur Befreiung <strong>de</strong>r Exegese<br />
aus <strong>de</strong>r Schm<strong>als</strong>pur<br />
Referent:<br />
Prof. Dr. Klaus Berger, Hei<strong>de</strong>lberg<br />
Veranstaltungen<br />
PÄDAGOGISCHES<br />
<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen<br />
Soweit nicht an<strong>de</strong>rs angegeben, fin<strong>de</strong>n alle Kurse im<br />
Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod, statt.<br />
PZ 53/2005<br />
24.06.2005, 14.30 Uhr, bis 25.06.2005, 18.00 Uhr<br />
Woher kommt das Böse ?<br />
Theologische und philosophische Reflexionen über<br />
Anfang und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Phänomens <strong>de</strong>s Bösen<br />
Dr. Bernd J. Claret, Karlsruhe<br />
Ethik-, Philosophie- und Religionslehrer/-innen <strong>de</strong>r Sek l und Sek II<br />
Eigenkostenanteil: 20,00 €<br />
INFO 34 · 2/2005
INFOS & AKTUELLES<br />
124<br />
PZ 54/2005<br />
22.08.2005, 10.00 Uhr, bis 24.08.2005, 18.00 Uhr<br />
Bun<strong>de</strong>szentrum Deutsche Pfadfin<strong>de</strong>rschaft St. Georg,<br />
Westernohe<br />
Erleben – Lernen – Han<strong>de</strong>ln<br />
Wald ent<strong>de</strong>cken – erforschen – erleben.<br />
Lubentia Fritz, Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Lehrer/-innen an Grundschulen<br />
Eigenkostenanteil: 35,00 €<br />
Tagung Nr. 405 471<br />
04. Juli 2005, 11.00 Uhr, bis 05. Juli 2005, 16.00 Uhr<br />
Evang. Aka<strong>de</strong>mie Arnoldshain, Martin-Niemöller-Haus<br />
Frie<strong>de</strong>nsgutachten 2005<br />
Symposion <strong>de</strong>r Evang. Aka<strong>de</strong>mie Arnoldshain, <strong>de</strong>r<br />
KARM und <strong>de</strong>r Hessischen Stiftung für Frie<strong>de</strong>ns- und<br />
Konfliktforschung zum jährlich erscheinen<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>nsgutachten.<br />
Mitwirken<strong>de</strong>: Frie<strong>de</strong>nsforscher, Experten in <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsarbeit,<br />
Politiker<br />
Tagung Nr. 405 472<br />
06. Juli 2005, 19.00 Uhr<br />
Stä<strong>de</strong>lsches Kunstinstitut und Städtische Galerie,<br />
Schaumainkai 43, Frankfurt am Main<br />
Kunst und Religion<br />
Mehr <strong>als</strong> Voyeurismus<br />
Massimo Stanzione: Susanna und die bei<strong>de</strong>n Alten<br />
Tagung Nr. 405 473<br />
07. Juli 2005, 10.00 - 18.00 Uhr<br />
Universität Campus Westend, Grüneburgplatz 1,<br />
Frankfurt am Main<br />
PZ 55/2005<br />
28.08.2005, 16.00 Uhr, bis 01.09.2005, 15.00 Uhr<br />
8. Nauro<strong>de</strong>r Musische Werkwoche<br />
in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m DKV<br />
Stefan Herok u.a.<br />
Religionslehrer/-innen; Mitarbeiter/-innen im Pastoralen Dienst<br />
Preis auf Anfrage<br />
Weitere Informationen zu <strong>de</strong>n Kursen fin<strong>de</strong>n Sie auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums: www.pz-hessen.<strong>de</strong> ab ca. 2 Monate<br />
vor Kursbeginn. Schriftliche Anmeldungen wer<strong>de</strong>n umgehend erbeten, spätestens jedoch bis vier Wochen vor Lehrgangsbeginn an:<br />
Pädagogisches Zentrum <strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen, Wilhelm-Kempf-Haus, 65207 Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod. Fon: 0 61 27 / 7 72 85; Fax: 0 61<br />
27 / 7 72 46; E-Mail: anmeldung@pz-hessen.<strong>de</strong>. Anmeldung auch über die Homepage: www.pz-hessen.<strong>de</strong>, entsprechen<strong>de</strong>n Kurs<br />
anklicken, dann auf „Anmeldung zu diesem Kurs“.<br />
Die Lehrgänge sind gemäß Erlass <strong>de</strong>s Hessischen Kultusministeriums vom 01.07.1997 – Nr. V B 3.1-960/500-200 – in Verbindung mit Erlass<br />
vom 19.07.2004 Nr. VII-7-95.b.04-01 <strong>als</strong> Fortbildungsveranstaltung anerkannt.<br />
Die Unterrichtsbefreiung für die Teilnahme an <strong>de</strong>n Lehrgängen erfolgt bei 1-3tägigen Veranstaltungen durch die Schulleitung, bei 4-<br />
und mehrtägigen Veranstaltungen durch das Staatliche Schulamt (vgl. Erlass <strong>de</strong>s HKM v. 01.07.1997 – B V 3.1-960-500 –200–) bzw. bei<br />
<strong>de</strong>n Katholischen Schulen in Freier Trägerschaft durch <strong>de</strong>n Schulträger.<br />
Katholische Aka<strong>de</strong>mie<br />
Rabanus Maurus,<br />
Frankfurt am Main<br />
– Öffentliche Tagungen – Auswahl –<br />
Vorsicht! Das Religiöse kehrt zurück!<br />
Dies Aca<strong>de</strong>micus<br />
Gemeinsame Veranstaltung mit <strong>de</strong>n Fachbereichen<br />
Kath. und Evang. Theologie <strong>de</strong>r Universität Frankfurt<br />
am Main<br />
Teilnahme kostenfrei<br />
Tagung Nr. 405 474<br />
20. Juli 2005, 19.00 Uhr<br />
Ikonenmuseum, Brückenstr. 3-7, Frankfurt am Main<br />
Ikonenbegegnungen<br />
Maria zum Quadrat<br />
Vierfel<strong>de</strong>rikone. Gottesmutterbildnisse<br />
Tagung Nr. 405 479<br />
03. August 2005, 19.00 Uhr<br />
Liebighaus, Schaumainkai 71, Frankfurt am Main<br />
Kunst und Religion<br />
Frauengeschichten<br />
Annaselbdritt: Anna, Maria, Jesus<br />
Vorschau<br />
21. - 29. Oktober 2005<br />
Kirche im Kontext einer an<strong>de</strong>ren<br />
Gesellschaft V: Schweiz<br />
Studienfahrt mit Besuchen und Gesprächen politischer<br />
wie kirchlicher Einrichtungen und ökumenischer<br />
Initiativen in Basel, Bern, Luzern und Zürich.<br />
INFO 34 · 2/2005
Unsere Autorinnen und Autoren:<br />
25. - 26. November 2005<br />
Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod<br />
Das Volk im Dunkeln sieht ein helles Licht.<br />
Adveniat-Tagung zum Schwerpunkt Brasilien<br />
Zu je<strong>de</strong>r Veranstaltung gibt die Aka<strong>de</strong>mie einen eigenen Tagungsprospekt<br />
heraus, aus <strong>de</strong>m Interessenten das <strong>de</strong>taillierte Programm,<br />
<strong>de</strong>n Ort und die Kosten <strong>de</strong>r jeweiligen Veranstaltung ersehen<br />
können.<br />
<strong>Diese</strong>s, das Gesamtprogramm und weitere Informationen erhalten<br />
Sie bei: Katholische Aka<strong>de</strong>mie Rabanus Maurus (KARM), Eschenheimer<br />
Anlage 21, 60318 Frankfurt am Main. Fon: 069/1501-300;<br />
Fax: 0 69 / 15 01 - 3 05; E-Mail: info@KARM.<strong>de</strong>; Internet:<br />
www.KARM.<strong>de</strong><br />
Bibelschule Königstein<br />
Programm 2005<br />
Ursulinenkloster St. Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein<br />
29.08. bis 03.09.2005<br />
Wan<strong>de</strong>rwoche<br />
Mit <strong>de</strong>r Bibel im Taunus<br />
Kosten: 190.00 €<br />
07. - 08.10.2005<br />
Kirche und Wirklichkeit<br />
Symposion zu <strong>de</strong>m Thema Ökumene<br />
Kosten: 60.00 €<br />
29.11. o<strong>de</strong>r 30.11.2005<br />
Wun<strong>de</strong>r und Passion<br />
Zum Konzept <strong>de</strong>s Markus<br />
Kosten: 20.00 €<br />
Dr. Konrad Adam,<br />
Redaktion DIE WELT, Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin<br />
Dr. Siegfried Däschler-Seiler,<br />
Geschäftsstelle BEE, c/o Evang. Pfarramt Steinhal<strong>de</strong>nfeld,<br />
Kolpingstr. 93, 70378 Stuttgart<br />
Prof. Dr. Walter Eykmann MdL,<br />
Franz-Sta<strong>de</strong>lmayer-Str. 14, 97074 Würzburg<br />
Staatssekretär Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard,<br />
Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst,<br />
Rheinstraße 23-25, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Prof. Dr. Volker La<strong>de</strong>nthin,<br />
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,<br />
Institut für Erziehungswissenschaften,<br />
Am Hof 3-5, 53113 Bonn<br />
Dr. Eckhard Nordhofen,<br />
Postfach 1355, 65533 Limburg<br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb,<br />
Im Silbertal 5, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />
Dr. Andreas Verhülsdonk,<br />
Düsselstr. 6, 40291 Düsseldorf<br />
Unsere Rezensentinnen und Rezensenten:<br />
OStR. i. R. Helmut Bahr,<br />
Auf <strong>de</strong>r Au 22, 56132 Dausenau<br />
OR Dr. Gotthard Fuchs,<br />
Steubenstr. 17, 65189 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Lehrerin Gabriele Hastrich,<br />
Kantstr. 6, 57627 Hachenburg<br />
Prof. em. Dr. Bernhard Jendorff,<br />
Sandfeld 18 C, 35396 Gießen<br />
Dipl.-Theol. Dipl.-Religionspäd. Reiner Jungnitsch,<br />
Eichenweg 3, 64839 Münster<br />
StL i. K. Bernhard Merten,<br />
Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />
Akad. Oberrat Dr. Helmut Müller,<br />
Krummgasse 1, 56179 Vallendar<br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb,<br />
Im Silbertal 5, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />
INFOS & AKTUELLES<br />
125<br />
Über die Kurse:<br />
Neues Testament Grundkurs<br />
Auslegung <strong>de</strong>r Paulusbriefe<br />
Neuer Zyklus zum Altes Testament<br />
erteilt Interessenten die Bibelschule Königstein<br />
(Anschrift s.u.) Auskünfte.<br />
Auskünfte erteilt: Bibelschule Königstein e.V., Ursulinenkloster St.<br />
Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein,<br />
Fon: 06174/9381-0; Fax: 06174/9381-55; E-Mail:<br />
Bibelschule.Koenigstein@gmx.<strong>de</strong><br />
OStDir i.K. Carl-Josef Reitz,<br />
Markenbildchenweg 21, 56068 Koblenz<br />
Dr. Clauß Peter Sajak,<br />
Burgun<strong>de</strong>rweg 12 c, 55130 Mainz<br />
OStR. Dr. Gustav Schmiz,<br />
Am Wei<strong>de</strong>nbusch 1, 65817 Eppstein-Bremthal<br />
Prof. Dr. Klaus Scholtissek,<br />
Friedrich-Spee-Str. 32, 97072 Würzburg<br />
Dr. Andreas Verhülsdonk,<br />
Düsselstr. 6, 40219 Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Klaus Weber,<br />
Petrusstr. 42, 53340 Meckenheim<br />
INFO 34 · 2/2005
Dezernat Schule und Hochschule<br />
im Bischöflichen Ordinariat Limburg (Stand: 01.06.2005)<br />
Roßmarkt 12 · 65549 Limburg · Postfach 1355 · Fon: 06431/295-235 · Fax: 06431/295-237<br />
E-Mail: schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong> · Internet: www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Dezernatsleitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />
Sekretariat Sabrina Gilles (-424), Jutta Stähler (-235)<br />
Abteilung Kultur<br />
SONSTIGES<br />
Leitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />
Diözesanarchiv Martina Wagner M.A. (06431/2007-16)<br />
Diözesanbibliothek Dr. Stephanie Hartmann (06431/2007-19)<br />
Diözesanmuseum Dr. Gabriel Hefele (-443)<br />
Dommuseum Frankfurt Prof. Dr. August Heuser (069/133761-84)<br />
Haus am Dom<br />
N.N.<br />
Katholische Aka<strong>de</strong>mie Rabanus Maurus Dr. Ansgar Koschel (069/1501-301)<br />
Verlag Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />
Zugeordnet:<br />
Hochschulen Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />
Musisches Internat / Domsingknaben Klaus Knubben (06433/887-15)<br />
St. Hil<strong>de</strong>gard-Schulgesellschaft mbH Dr. Gerhard Reichelt (06431/997-350)<br />
Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (06431/997-354)<br />
St. Johannes-Schulgesellschaft mbH P. Franz Koll SSCC (02621/9682-11)<br />
126<br />
Abteilung Katholische Schulen<br />
Leitung Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />
Abteilung Religionspädagogik<br />
Leitung Gerhard Hielscher (-430)<br />
Referat I Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />
Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schulen<br />
Referat II Gerhard Hielscher (-430)<br />
Ämter für kath. Religionspädagogik / Gymnasien, Gesamtschulen /<br />
Schulbücher, Medien / Religionspädagogische Biblio- und Mediothek / Elternarbeit<br />
Referat III Thomas Menges (-438)<br />
Aus-, Fort- und Weiterbildung / Missio canonica / Schulpastoral<br />
Referat IV Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />
Schriftleitung „INFO“ / Stiftung DEY / Grundsatzfragen / Hochschulkontakte<br />
Referat V Dipl.-Theol. Katharina Sauer (-360)<br />
Grund-, Haupt-, Real- und Son<strong>de</strong>rschulen / Ganztagsschulen<br />
Biblio- und Mediothek Rosemarie Hansel (-435)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Montag bis Donnerstag 10.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr. Während <strong>de</strong>r Ferien nach Absprache.<br />
Fragen zu Missio canonica Marianne Roos (-460)<br />
Montag bis Donnerstag 13.30-15.30 Uhr<br />
INFO 34 • 2/2005
Ämter für Katholische Religionspädagogik<br />
in <strong>de</strong>n Bezirken (Stand: 15. 03.2005)<br />
Frankfurt am Main<br />
Eschenheimer Anlage 20 (Dienstgebäu<strong>de</strong>)<br />
Eschenheimer Anlage 21<br />
60318 Frankfurt am Main (Postanschrift)<br />
Fon: 069/1501 - 179; Fax: 069/1501 - 177<br />
E-Mail: relpaed-frankfurt@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-frankfurt.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Peter Eberhardt , Leiter (-178)<br />
Sabine Christe (-177)<br />
Ute Schüßler-Telschow (-177)<br />
Sekretariat: Rita Merkel, Waltraud Schäfer (-179)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Mo 16.00-18.00 Uhr; Di 12.30-16.30 Uhr;<br />
Mi 16.00-18.00 Uhr; Do 9.00-12.00 Uhr und<br />
12.30-16.30 Uhr; Fr 9.00-12.00 Uhr;<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien auf Anfrage.<br />
Taunus / Oberursel<br />
Bischof-Ketteler-Haus<br />
Dorotheenstr. 9-11, 61348 Bad Homburg<br />
Fon: 06172/6733-22; Fax: 06172/6733-40<br />
E-Mail: c.kuch@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Dipl.-Päd. Christa E. Kuch (- 22)<br />
Sekretariat: Hei<strong>de</strong>marie Behrens (-21)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di - Do 12.30-16.00 Uhr und nach Vereinbarung.<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />
Vincenzstr. 29, 65719 Hofheim<br />
Fon: 06192/2903-15; Fax: 06192/2903-26<br />
E-Mail: relpaed-oberursel@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-oberursel.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Dipl.-Theol. Wolfgang Bentrup, Leiter (- 15)<br />
Christiane Krüger-Blum (-18)<br />
Sekretariat: Heidrun Garkisch (-16)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di und Do 12.00-16.00 Uhr und nach Vereinbarung.<br />
Montabaur<br />
Auf <strong>de</strong>m Kalk 11, 56410 Montabaur<br />
Fon: 02602/6802-20; Fax: 02602/6802-25<br />
E-Mail: relpaed-montabaur@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-montabaur.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Josef Weingarten, Leiter ( - 23)<br />
Andreas Kollas (-28)<br />
Sekretariat: Gisela Roos ( - 22)<br />
Biblio- und Mediothek: Rita Kurtenacker ( - 27)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo - Fr 10.00-12.00 Uhr; Mo und Do 14.30-16.30 Uhr<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />
Wetzlar<br />
Kirchgasse 4, 35578 Wetzlar<br />
Fon: 06441/4 47 79-18; Fax: 06441/4 47 79-50<br />
E-Mail: relpaed-wetzlar@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-wetzlar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Franz-Günther Weyrich, Leiter (-20)<br />
Dipl.-Theol. Beate Mayerle-Jarmer (-19)<br />
Sekretariat: Elvira Heinrich, Anne Ruggia (- 18)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di, Mi und Do jeweils 13.00-16.00 Uhr<br />
und nach Vereinbarung.<br />
Wiesba<strong>de</strong>n - Rheingau - Untertaunus<br />
Roncalli-Haus, Friedrichstr. 26-28, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Fon: 0611/174-0; Fax: 0611/174-122<br />
E-Mail: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-wiesba<strong>de</strong>n.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Martin E. Musch-Himmerich, Leiter (-115)<br />
Silvia Althofen-Dülz (Berufsschulseelsorge) (-113)<br />
Dipl.-Theol. Stefan Herok (-112)<br />
Elisabeth Kessels (-114)<br />
Sekretariat: Gisela Meffert (-113)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di - Fr 10.00-12.00 Uhr; Mo und Do 14.00-18.00 Uhr<br />
Di und Mi 14.00-16.00 Uhr<br />
SONSTIGES<br />
127<br />
Limburg<br />
Franziskanerplatz 3, 65589 Hadamar<br />
Fon: 06433/88 1-45; Fax: 06433/88 1-46<br />
E-Mail: relpaed-limburg@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: http://relpaed-hadamar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Franz-Josef Arthen, Leiter (-44)<br />
Sekretariat: Gabi Heun (-45)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Mo und Mi 9.30-11.30 Uhr; Di und Do 13.30-16.30 Uhr<br />
INFO 34 • 2/2005
„Wenn wir in <strong>de</strong>r Schule<br />
Rechnen lernen, ist es gleichgültig,<br />
wer <strong>de</strong>r Lehrer ist.<br />
Wichtig ist nur, dass er die<br />
Wahrheit sagt. An<strong>de</strong>rs sieht<br />
es aus, wenn wir in moralischen<br />
und religiösen Wahrheiten<br />
unterwiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hier muss die Person <strong>de</strong>s<br />
Lehrers <strong>de</strong>m Inhalt seiner<br />
Lehre eingeschrieben sein,<br />
will sein Unterricht überzeugen.<br />
Johannes Paul II.<br />
war so ein Lehrer.“<br />
INFO<br />
Leszek Kolakowski<br />
ISBN 3-921221-33-1<br />
ISSN 0937-8162