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Beschämende Strafen in Westeuropa und Ostasien ...

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Ehre & Recht Stuttgart-Hohenheim 21.-23.05.09<br />

<strong>Beschämende</strong> <strong>Strafen</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Westeuropa</strong> <strong>und</strong> <strong>Ostasien</strong>.<br />

Zwischenbericht zu e<strong>in</strong>em<br />

kulturvergleichenden<br />

Forschungsprojekt<br />

(Spätmittelalter & Frühe<br />

Neuzeit).<br />

Wippstrafe / Bäckerwippe<br />

aus dem Soester Nequambuch (1315-1421)<br />

Dr. Jörg Wettlaufer<br />

Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Gött<strong>in</strong>gen.<br />

Historisches Sem<strong>in</strong>ar der CAU Kiel<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Prof. Yasuhiro<br />

Doshisha University Kyoto / Japan<br />

Öffentliche Ausstellung<br />

für versuchten Doppelselbstmord<br />

im Japan der Edo-Zeit (um 1700)


Ehre & Recht Stuttgart-Hohenheim 21.-23.05.09<br />

• E<strong>in</strong>führung:<br />

– Titel: Scham <strong>und</strong> Schande. Zum sozialen Gebrauch von Schand- <strong>und</strong><br />

Ehrenstrafen im Spätmittelalter <strong>und</strong> <strong>in</strong> der frühen Neuzeit<br />

– Schwerpunkt der Untersuchung:<br />

• Hl. Röm. Reich Deutscher Nation, <strong>Westeuropa</strong> (Frankreich, England) im<br />

Vergleich zu <strong>Ostasien</strong> (Japan, Ch<strong>in</strong>a) / städtische Geme<strong>in</strong>schaften<br />

• 12. bis Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts (bes. Spätmittelalter u. 16.<br />

– Ziel: Erforschung der Sanktionspraxis <strong>und</strong> Bestimmung der<br />

im Zusammenhang mit dem sozialen Gebrauch der Emotion Scham.<br />

– Forschungslage:<br />

• De W<strong>in</strong> (1991); Schwerhoff (1993), Knott (2006), Lidman (2008),<br />

Neumann (2008)<br />

• Bader & Bader-Weiß (1935), Preu (1949)<br />

– Unterscheidung zwischen Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen:<br />

• Schandstrafen = niedergerichtlich, nicht dauerhaft ehrm<strong>in</strong>dernd<br />

• Ehrenstrafen = hochgerichtlich, dauerhaft ehrm<strong>in</strong>dernd <strong>und</strong> <strong>in</strong>famierend


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– Öffentliche Beschämungen durch Schand- <strong>und</strong><br />

Ehrenstrafen sowie Charivari:<br />

• Pranger & Halseisen<br />

• Ste<strong>in</strong>tragen<br />

• Schandmasken<br />

• Eselreiten / Skimm<strong>in</strong>gton<br />

• Currant nudi<br />

• Kirchenbußen / öffentliche Abbitte<br />

• Schändliche Prozessionen


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• Ausgangssituation:<br />

– In der bisherigen rechtshistorischen Forschung werden Schand-<br />

Ehrenstrafen <strong>in</strong> der Regel im Zusammenhang mit dem Strafzweck<br />

Abschreckung gesehen bzw. ganz allg. e<strong>in</strong>e Besserungsabsicht<br />

Täters durch das ältere Strafrecht wird verne<strong>in</strong>t (Bader-Weiß, G. &<br />

Bader, K.S. 1935:148, Preu 1949:158, Schaffste<strong>in</strong> 1991:146,<br />

Schauz 2008:43). Dies gilt allgeme<strong>in</strong> für den öffentlichen Vollzug<br />

<strong>Strafen</strong>, bei Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen also <strong>in</strong> besonderer Weise.<br />

– Aber: Beschämung war <strong>in</strong> Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart e<strong>in</strong><br />

Erziehungsmittel. Z.B. hat John Braithwaite mit der Theorie des<br />

„re<strong>in</strong>tegrative sham<strong>in</strong>g“ (1989) das Potential von Scham <strong>und</strong><br />

Beschämung für die Normenvermittlung an Straftäter (=Besserung)<br />

bei deren gleichzeitiger Re<strong>in</strong>tegration <strong>in</strong> die Gesellschaft analysiert.<br />

handelt sich um die meistdiskutierte krim<strong>in</strong>ologische Theorie der<br />

letzten zwei Jahrzehnte.


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• Fragen:<br />

– Warum <strong>und</strong> nach welchen Vorbildern s<strong>in</strong>d Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen im<br />

<strong>und</strong> 12. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>in</strong> den frühen Stadtzentren Europas entstanden?<br />

verschwanden die <strong>Strafen</strong> im Laufe des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wieder?<br />

– Ist e<strong>in</strong>e Differenzierung der <strong>Strafen</strong> z.B im S<strong>in</strong>ne der Unterscheidung von<br />

Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen anhand der Quellen möglich?<br />

– Für welche Delikte wurden Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen verhängt? Wie hat<br />

die Strafpraxis im Laufe der Zeit entwickelt?<br />

– Welche Konsequenzen hat das Strafziel Scham für den Strafzweck, der<br />

Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen verfolgt wurde? Wann führten Schandstrafen <strong>in</strong><br />

Exklusion, wann <strong>in</strong> die Re<strong>in</strong>tegration?<br />

– Wie wendeten nichteuropäische Gesellschaften Beschämung im<br />

Normendurchsetzung durch Sanktionen an?


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• Untersuchungsmethoden:<br />

– Quellensammlung (ke<strong>in</strong> geschlossener Quellenbestand) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

(Onl<strong>in</strong>e)-Datenbank mit Kodierung nach verschiedenen Kriterien<br />

a) Sondierung quantitativ / geographisch<br />

– Stichprobe I für den Zeitraum 1200 – 1650=74 Quellenbelege von<br />

Schandstrafen, bei denen sowohl das Jahr der Ausführung bzw. der<br />

Strafandrohung als auch das oder die Delikte bekannt s<strong>in</strong>d.<br />

– Stichprobe II für den Zeitraum 1700 – 1800=721 Quellenbelege von<br />

von Schandstrafen, bei denen sowohl das Jahr der Ausführung bzw .<br />

der Strafandrohung als auch das oder die Delikte bekannt s<strong>in</strong>d.<br />

– Quellengattungen, die aufgenommen wurden:<br />

• Quellen der Strafrechtspraxis (Urfehdebriefe) / normative Quellen<br />

• Belege aus dem DRW<br />

• Belege aus Quelleneditionen <strong>und</strong> Quellenzitate aus Dissertationen<br />

b) Auswertung qualitativ<br />

– Analyse besonders aussagekräftiger E<strong>in</strong>zelquellen


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• E<strong>in</strong>gabemaske für die Quellen:


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• Quellendatenbank auf www.shamestudies.de:<br />

knapp 1000 E<strong>in</strong>träge / davon 80 % aus dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

(Arrêts de Parlement de Paris)


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• Volltexte u. Literaturdatenbank auf www.shamestudies.de:<br />

ca. 1280 E<strong>in</strong>zeltexte im Volltext verfügbar


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a) quantitative Auswertung der Quellendatenbank:


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Strafformen <strong>in</strong> der Stichprobe I: 1200 – 1650 / n=74<br />

Stadtverweis<br />

8%<br />

Kirchenbuße<br />

2%<br />

Halsgeige<br />

Halseisen 1%<br />

6%<br />

Bäckerwippe<br />

oder Schuppe<br />

2%<br />

Geldbuße<br />

8%<br />

Andere<br />

2%<br />

Pranger<br />

40%<br />

Schand- bzw.<br />

Bagste<strong>in</strong><br />

12%<br />

Pranger mit<br />

Leibesstrafe<br />

11%<br />

Pranger mit<br />

Brandmarkung etc.<br />

8%<br />

• Der Pranger (auch <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit anderen<br />

<strong>Strafen</strong>) ist <strong>in</strong> den Quellen am häufigsten überliefert.


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Delikte <strong>in</strong> der Stichprobe I: 1200 – 1650 / n=74<br />

Me<strong>in</strong>eid /<br />

Eidbruch<br />

6%<br />

Andere<br />

13%<br />

Ehebruch / Lüsternheit<br />

20%<br />

Rauferei <strong>und</strong> Streit<br />

unter Frauen<br />

9%<br />

Diebstahl<br />

17%<br />

Üble Nachrrede /<br />

Blasphemie<br />

28%<br />

Betrug /<br />

Fälschung<br />

7%<br />

• Schandstrafen wurden <strong>in</strong> der Regel für Delikte verhängt, die den<br />

öffentlichen Frieden <strong>und</strong> das gegenseitige Vertrauen z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Stadtgeme<strong>in</strong>de stören konnten.


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Stichprobe II: (1700-1800 / Paris)<br />

-Arrêts imprimés par ordre du Parlement de Paris, XV I-<br />

XVIIl siècle. 8430 Urteile (BNF).<br />

-Stichprobe aller Urteile, die als Strafbestandteil Carcan<br />

(Halseisen) aufweisen (Zeitraum ca. 1720-1790)<br />

-Typische <strong>Strafen</strong> umfassen:<br />

-Ausstellung am Halseisen (mit e<strong>in</strong>em Schild, auf dem das<br />

Vergehen mitgeteilt wird)<br />

-Rutenstreiche<br />

-Verbannung<br />

-Brandmarkung (auf der Schulter)<br />

-Galeerenstrafe<br />

-Noch nicht berücksichtigt: amende honorable (1644-<br />

1791), ca. 200 publizierte Urteile für diesen Zeitraum<br />

überliefert


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Delikte <strong>in</strong> der Stichprobe II: 1700 – 1800 / n=721<br />

Andere<br />

6% 3% 1%<br />

13%<br />

Diebstahl<br />

11%<br />

Betrug/Fälschung<br />

17%<br />

Gewaltätigkeit /<br />

Körperverletzung<br />

Aufstand / Ungehorsam<br />

49%<br />

Zensurvergehen<br />

Bigamie


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Stichprobe<br />

Bastien, Pascal (2006):<br />

L'exécution publique à<br />

au XVIIIe siècle: une<br />

histoire des rituels<br />

judiciaires, Seyssel.<br />

Andrews, Richard Mowery<br />

(1994): Law, magistracy,<br />

and crime <strong>in</strong> Old Regime<br />

Paris 1735-1789, Vol. 1,<br />

The system of crim<strong>in</strong>al<br />

justice, Cambridge.


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b) qualitative Analyse:<br />

• Etablissements de Rouen (ca. 1169-1180)<br />

§ 15. Si quis <strong>in</strong> pillorico fuerit, non propter furtum set quia egerit contra<br />

statutum communie aliquid et aliquis ei exprobaverit ut faciat ei<br />

coram conjuratis vel coram aliis hom<strong>in</strong>ibus, paccabit vig<strong>in</strong>ti solidos, quorum<br />

cui exprobracio facta est habebit qu<strong>in</strong>que solidos, et qu<strong>in</strong>decim erunt ad<br />

negotia civitatis Rothomagi. Et si ille qui exprobraverit non velit vel non<br />

pagare vig<strong>in</strong>ti solidos, ponetur <strong>in</strong> pillorico.<br />

Giry, Arthur (Hg.) (1885): Les établissements de Rouen: études sur l'histoire des <strong>in</strong>stitutions municipales de<br />

Falaise, Pont-Audemer, Verneuil, La Rochelle, Sa<strong>in</strong>tes, Oleron, Bayonne, Tours, Niort, Cognac, Sa<strong>in</strong>t-Jean<br />

d'Angély, Angoulême, Poitiers, etc., Paris [Bibliothèque de l'Ecole des hautes études. Sciences philologiques et<br />

historiques; Bd. 59]., hier S. 22.<br />

§ 15. Wenn jemand am Pranger gestanden hat, nicht wegen e<strong>in</strong>es<br />

sondern weil er gegen die Statuten der Geme<strong>in</strong>schaft verstoßen hat, <strong>und</strong><br />

jemand es ihm vorwirft, um ihm Scham vor se<strong>in</strong> Mitbürgern oder vor<br />

Männern zu bereiten, soll er es mit zwanzig solidi büßen, von denen der<br />

Geschädigte fünf haben soll <strong>und</strong> von denen fünfzehn der Stadt zugeteilt<br />

sollen. Und wenn jener, dem dies vorgeworfen wird die zwanzig solidi nicht<br />

zahlen will oder kann, so wird er (selber) an den Pranger gestellt.


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b) qualitative Analyse: Beschämung?<br />

• Aus e<strong>in</strong>er Anfrage an die Dresdener Schöffen aus dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Ap eyner vorlugem<strong>und</strong> sey vnd ap man yn moge von gehegeter bang geted<strong>in</strong>gen der uf den<br />

prenger gesessen hat.<br />

[... ] Ich b<strong>in</strong> eyn besess<strong>in</strong> mitburger <strong>in</strong> dem wigbilde czu dresd<strong>in</strong> vnde habe mich generd mit<br />

vorsprech<strong>in</strong> ampte vnde habe eyn elich weip Nu wart ich besaget keig<strong>in</strong> meynen hern den burgn<br />

daz ich mit eyner frawen czuhilde vnde meyne ee obirtrete sagiten mir meyne heren wurde ich<br />

begriff<strong>in</strong> <strong>in</strong> den sach<strong>in</strong> sy welden mich straffen lassen Dornach vorliff es sich daz mich der richter<br />

deme husze da dy frawe mit der ich beruchtig was ynne czu husze was vnde v<strong>in</strong>g mich siczende<br />

eyme feuere so daz mich der richter nicht and nach begreiff uff eynerleye vntog<strong>und</strong> nach<br />

hanthaftiger tad vnde saczten mich mit gener frawen <strong>in</strong> gefenkenis darnach lisen mich dy<br />

mit der frawen siczen uf den prenger <strong>und</strong>e lissen mich off<strong>in</strong>berlichen also<br />

<strong>und</strong> weisten darnach dy frawe usz der stad <strong>und</strong>e hab<strong>in</strong> mich <strong>in</strong> der stad gelas<strong>in</strong> nach<br />

siczende nu wollen mich dy andern vorsprech<strong>in</strong> meyne genosen vmmb dese sache von meynen<br />

vorsprech<strong>in</strong> ampte vorwerffen <strong>und</strong> ge<strong>in</strong> mir nicht ted<strong>in</strong>gen vnde sprech<strong>in</strong> ich sey uffenberlich<br />

beschemit an dem prenger vnde der henger habe mich gepalstert (berührt) dorvmmb moge ich<br />

numme vorspreche geseyn noch keyns bedermannes wort gefüren vor gerichte meyene ich s<strong>in</strong>t<br />

ich an hanthafftiger tad nicht begriff<strong>in</strong> b<strong>in</strong> [....]<br />

Sammlung von Schöffenurtheilen aus der Handschrift der Leipziger Universitäts-Bibliothek Nr. 953. Kap. 1. (Bl.<br />

a. R. LXVIII.) / Nach Wasschersleben, Sammlung Deutscher Rechtsquellen, Bd. 1, 1869, S. 355f.


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• Zwischenergebnisse:<br />

– Die klassischen Delikte, für die Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen verhängt<br />

wurden (Warenfälschungen <strong>und</strong> Betrug) treten im Verhältnis zu<br />

Ehebruch, Diebstahl <strong>und</strong> Blasphemie bei e<strong>in</strong>em Zeit<strong>in</strong>tervall von<br />

1650 <strong>in</strong> der Stichprobe zurück. Betracht man z.B. die Zeit von 1150 –<br />

1400, so machen Sie noch 5 von 13 Delikten aus. Stabiler Trend oder<br />

Artefakt? „Entwicklung“ von der Schand- zur Ehrenstrafe?<br />

– E<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche Unterscheidung zwischen dauerhaft <strong>in</strong>famierenden<br />

<strong>Strafen</strong> <strong>und</strong> nur zeitweise ehrm<strong>in</strong>dernden beschämenden <strong>Strafen</strong> läßt<br />

an den Quellen oft nur schwer treffen. Entscheidend sche<strong>in</strong>en die<br />

ausführenden Personen <strong>und</strong> die Art der öffentlichen Ausstellung zu<br />

– Permanente Gefahr der dauerhaften Stigmatisierung <strong>und</strong><br />

bei beschämenden <strong>Strafen</strong>. E<strong>in</strong> Ausweg sche<strong>in</strong>t hier <strong>in</strong> manchen<br />

<strong>in</strong> der frühen Neuzeit durch die Trennung der <strong>Strafen</strong> <strong>in</strong> ehrlosen<br />

<strong>und</strong> nur beschämendes Halseisen erreicht worden zu se<strong>in</strong> (Kämmerer<br />

1838 / Preu 1949). Aber: Situation <strong>in</strong> Frankreich, England?


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• Zwischenergebnisse:<br />

– Der Strafzweck der beschämenden <strong>Strafen</strong> umfasste nach den<br />

nicht nur die Abschreckung sondern auch <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen sowie im Bereich des Charivari die Besserung des Täters<br />

Chemnitz 1555: e<strong>in</strong> Junge erhält für wiederholten Diebstahl e<strong>in</strong>e milde<br />

Prangerstrafe mit Stadtverweis „<strong>in</strong> hoffnung, Er werde es nicht mehr<br />

thun vnd sich bessern“.<br />

– Döpler (1693/97) Theatrum poenarum (Cap. 35): „Es geschieht aber<br />

diese Beschimpffung, wie alle anderen Straffen zu dem Ende, dass die<br />

Justiz rechtmäßig adm<strong>in</strong>istriret, Gottes Zorn abgewendet, die<br />

gebessert, andere aber durch solche Exempel abgeschrecket werden<br />

Männiglich vor dergleichen Unthaten sich hüthen lernen.“


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Ostasiatische beschämende <strong>Strafen</strong>:<br />

• Bislang ist nur anekdotisches Material aus übersetzten Quellen des 17. bis<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts sowie Bildquellen verfügbar.<br />

• Bericht von e<strong>in</strong>em schimpflichen Umzug <strong>in</strong> Korea aus der Mitte des 17.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts von e<strong>in</strong>em europäischen Beobachter:<br />

“Wenn e<strong>in</strong> unverheirateter Mann im Bett mit e<strong>in</strong>er verheirateten Frau gef<strong>und</strong>en<br />

dann wird er nackt bis auf die Unterhose ausgezogen, se<strong>in</strong> Gesicht mit Kalk<br />

beschmiert, e<strong>in</strong> Pfeil wird durch jedes Ohr gesteckt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Trommel auf<br />

se<strong>in</strong>em Rücken befestigt, die an jeder Straßenkreuzung geschlagen wird, um ihn<br />

Scham auszusetzen. Diese Strafe endet mit 40 oder 50 Schlägen auf das nackte<br />

aber die Frau erhält sie <strong>in</strong> der Unterwäsche.” (übers. n.Hamel 1994/HRAF).<br />

• Im Recht des Edo-Bakufu (Japan 1603-1868) wurden Personen, die<br />

zusammen e<strong>in</strong>en sog. Liebes-Selbstmord zu begehen <strong>und</strong> bei denen diese<br />

im Vorfeld entdeckt wurden, öffentlich zusammen ausgestellt <strong>und</strong> beschämt.<br />

Anschluß daran wurden sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en niedrigen sozialen Stand (H<strong>in</strong><strong>in</strong>-teka)<br />

überführt, aus dem sie nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit der Bewährung aber wieder<br />

aufsteigen konnten.


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Ostasiatische beschämende <strong>Strafen</strong>:<br />

- cangue 木 枷 "mu jia„ / Photos um 1900<br />

- Öffentliche Ausstellung <strong>in</strong> der Edo Zeit (1603-1868)


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Öffentliche Ausstellung <strong>in</strong> der Edo Zeit (1603-1868)<br />

Prozession/Überführung zum<br />

Richtplatz mit Tafeln zur Information<br />

der Zuschauer (18. Jahrh<strong>und</strong>ert)


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Öffentliche Ausstellung e<strong>in</strong>er Frau am Pranger ( 晒 し 者 )<br />

金 福 寺 に 展 示 されていた、たか 女<br />

が 三 条 河 原 で 晒 し 者 にされた 絵 。<br />

Abb. vom Ende der Edo Zeit


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• Zwischenergebnisse:<br />

- Die Betrachtung von beschämenden <strong>Strafen</strong> <strong>und</strong> öffentlicher<br />

Erniedrigung im Kulturvergleich zeigt, dass diese Sanktionsformen<br />

e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von Kulturen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d (Haid 2002).<br />

Komplexere Strafrituale wie Pranger, Schandste<strong>in</strong>e, öffentliche<br />

Ausstellung <strong>und</strong> ähnliches sche<strong>in</strong>en sich aber nur <strong>in</strong> Gesellschaften<br />

e<strong>in</strong>er starken hierarchischen Organisation bei zugleich großer<br />

Gruppenidentität der e<strong>in</strong>zelnen Mitglieder durchgesetzt zu haben.<br />

- Trotz (oder gerade aufgr<strong>und</strong>?) der überaus großen Bedeutung von<br />

Scham <strong>und</strong> Ehre für ostasiatische Kulturen f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> deren<br />

Strafrecht erst recht spät den europäischen Schandstrafen<br />

vergleichbare Sanktionen <strong>in</strong> diesen Kulturen (Japan-Edo Zeit).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gibt es e<strong>in</strong>e Reihe von erstaunlichen analogen<br />

Entwicklungen, u.a. cangue (Halsgeige).


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• Ehre, Schande <strong>und</strong> Recht:<br />

– These 1: Die e<strong>in</strong>zigartige Entfaltung der Schandstrafen im<br />

spätmittelalterlichen <strong>und</strong> frühneuzeitlichen Europa ist e<strong>in</strong>e<br />

Folge der Institutionalisierung dieser Sanktionsform im Rahmen<br />

christlichen Bußlehre.<br />

– These 2: Ehre ist e<strong>in</strong> Gruppenphänomen. Wenn die Bedeutung<br />

Ehre des E<strong>in</strong>zelnen oder <strong>in</strong> der Gruppe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

abnimmt, dann ist dies auf e<strong>in</strong>e Veränderung <strong>in</strong> der Bewertung<br />

Individuums <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Stellung <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

(Stichwort: Auflösung der Ständegesellschaft/ Egalitätspr<strong>in</strong>zip).<br />

Rückgang der Schand- <strong>und</strong> Ehrenstrafen im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert ist<br />

auch e<strong>in</strong>e Folge der Säkularisierung <strong>in</strong> der sog. „Sattelzeit“


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• Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Informationen<br />

unter der Adresse:<br />

www.shamestudies.de/paris

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