Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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"Es muss ein exotischer Name sein, ein besonderer. Das bringt immer mehr Geld<br />
ein."<br />
"Wie wäre es mit Semiramis? Ich habe vor ein paar Wochen von einer Tänzerin<br />
gehört, die so hieß. Sie trat im Theater auf und alle fanden sie toll. Der Name klingt<br />
jedenfalls sehr fremd", schlug eine der Frauen vor.<br />
"Das ist wirklich gut.“ Die Alte war einigermaßen begeistert. "Dann heißt sie<br />
also Semiramis."<br />
So kam sie also zu einem Namen, so seltsam er auch war. Nachdem man sie<br />
wieder mehrmals herumgedreht und gemustert hatte, brachte man sie erneut die<br />
knarrenden Treppenstufen herunter und aus dem Haus hinaus.<br />
Dort wartete immer noch ungeduldig der Mann, der sie hierher verschleppt hatte.<br />
Er zahlte der Alten den Rest des Geldes und sie verließen die garstigen Frauen mit<br />
ihrem düsteren Haus. Die neue Semiramis fragte nicht, wohin sie gingen. Die<br />
Wolken waren inzwischen schwer und grau geworden, es hatte zu regnen<br />
begonnen. Der Straßendreck löste sich auf und alles wurde matschig. Einen Fluch<br />
murmelnd, wickelte der Mann Semiramis in einen braunen Mantel mit zahllosen<br />
Flicken ein, der nach Körperausdünstungen roch. Er tat das nicht aus Mitleid,<br />
sondern, damit er sein Geld nicht umsonst ausgeben hatte.<br />
"Ganz schön kalt für Herbstanfang", knurrte er schlechtgelaunt.<br />
Er selbst war vom Regen durchnässt worden, während er gewartet hatte. Zudem<br />
war er mit Dreck bespritzt, weil eine Kutsche eilig durch das Gedränge geprescht<br />
war.<br />
"Blödes Reichenpack!", schimpfte er. "Die machen sich ein schönes Leben und<br />
werden nie nass, während unsereins von ihnen bespuckt und ausgebeutet wird."<br />
Der Mann war sehr wütend. Deutlich war die Bitterkeit aus seiner Stimme zu<br />
hören. Er ließ seinen Zorn in Form von Tiraden an der Kleinen aus, als wäre sie für<br />
den Regen oder den Vorteil der Adeligen verantwortlich. Sie nahm keine Notiz von<br />
dem allem.<br />
Ihr Weg führte immer noch durch das Straßenlabyrinth der Stadt. Ohne richtiges<br />
Zeitgefühl wusste Semiramis nicht, wie lange sie unterwegs waren. Sie sah nur die<br />
monoton heran strömenden Menschen, die Häuser, die alle gleich aussahen und den<br />
ewigen grauen Regenschleier. Aber letztendlich erreichten sie das Ziel des Mannes.<br />
Dieses war ein hohes, altes Haus, so düster, so verwittert wie alles hier. Das<br />
Gebäude war größer als von außen vermutet und innen noch dunkler, so dass alles<br />
einen unwirklichen Anschein hatte. Aber für Semiramis war im Grunde schon die<br />
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