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Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix

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leiden. Er war mit seinem Schicksal zufrieden und konnte sich auch an einfachen<br />

Dingen erfreuen. Martha sprach voller Zuneigung von ihm, er hatte seine Töchter<br />

sehr geliebt und es nie bereut, keine Söhne bekommen zu haben. Sie sagte, er sei<br />

der klügste Mensch gewesen, den sie kannte. Und er lehrte die beiden Schwestern<br />

alles, was er wusste. So konnten sie lesen, schreiben und rechnen und waren zudem<br />

umfassend über Politik, Geschichte und Naturwissenschaften informiert. Martha<br />

hörte sich ein wenig bitter an, wenn sie meinte, wäre sie ein Mann gewesen, müsste<br />

sie nicht als Näherin arbeiten, sondern hätte mit ihrer Bildung viel erreichen<br />

können. In ihrem Beruf war Wissen allerdings unnütz.<br />

"Dies ist eine Welt der Männer, Ramis", sagte sie einmal zu ihr. "Vergiss nie,<br />

dass du als Frau doppelt so hart arbeiten musst, um frei und unabhängig zu werden.<br />

Wenn du nicht heiratest, wirst du immer im gesellschaftlichen Abseits stehen. Du<br />

musst stark sein, um hier zu bestehen."<br />

Ramis hörte aufmerksam zu, doch die Worte hatten noch wenig Belang für sie.<br />

Martha gab nun das Vermächtnis ihres Vaters, sein Wissen und sein Lebensmut,<br />

der ihn nie verlassen hatte, an Ramis weiter. Auch die bescheidenen Lese- und<br />

Schreibkünste des Mädchens vervollständigte sie nach Möglichkeit. Oft glaubte<br />

Ramis, dieses oder jenes, was Martha erzählte, schon einmal gehört zu haben. Aber<br />

so sehr sie sich auch anstrengte, den Schleier der Vergangenheit zu lüften, nie<br />

gelang es ihr. Jedes Mal war es ihr, als versuche sie, sich durch zähflüssigen Nebel<br />

zu kämpfen. Sie erinnerte sich nur an ein paar der Empfindungen, die sie damals<br />

gehabt haben musste. Da waren sowohl Liebe und Geborgenheit, aber auch<br />

Schmerz, Trauer und Angst. Ramis wusste, sie würde sich dem eines Tages stellen<br />

müssen. Warum auch immer, die Zeit dafür schien noch nicht reif zu sein. Auch die<br />

Erinnerung an die Zeit der Leere, nach dem Ereignis, das ihr Leben verändert hatte,<br />

war nur noch ungenau. Erst als sie wieder begann, bewusster zu leben,<br />

verschwanden allmählich auch der Nebel und die Leere ein bisschen. Ihre<br />

Umgebung bekam wieder eine Bedeutung und sie konnte allem einen Namen<br />

zuordnen.<br />

Die große Stadt mit ihren vielen Menschen hieß London und war die Hauptstadt<br />

dieses Landes, England. Die Namen kamen Ramis vertraut vor, obwohl sie keine<br />

Zweifel daran hatte, niemals in dieser Stadt gewesen zu sein. Daher war sie sich<br />

sicher, ihre Vergangenheit nicht hier finden zu können. Von Martha erfuhr sie, dass<br />

man das Jahr 1692 schrieb und König William und Königin Mary das Land<br />

regierten. Das genügte Ramis fürs erste, doch bald wollte sie mehr wissen. Sie<br />

fragte Martha aus und erfuhr eine Menge über die Welt rings um sie herum. Martha<br />

erklärte ihr, Sir Edward gehöre zu den einflussreichsten und mächtigsten Männern<br />

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