Coaching 2.0
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<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong><br />
Die neue Dimension<br />
des <strong>Coaching</strong>s<br />
BORA<br />
TE XT<br />
BORA TeleCoachNetwork
__________________________________________________<br />
Über das Buch<br />
Die Autorengruppe des BORA TeleCoachNetwork will mit <strong>Coaching</strong><br />
<strong>2.0</strong> – Handbuch Tele<strong>Coaching</strong>. Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s sowohl<br />
Coach-Kollegen als auch Personalprofis aller Unternehmensgrößen<br />
ansprechen und für die Möglichkeiten der <strong>Coaching</strong>-Arbeit am Telefon<br />
begeistern.<br />
Diese erste Monographie zum Thema <strong>Coaching</strong> am Telefon gibt auf<br />
über 300 Seiten Antwort auf folgende Fragen:<br />
WAS ist Tele<strong>Coaching</strong> und wie unterscheidet es sich von der herkömmlichen<br />
Art zu coachen?<br />
WARUM sollten Sie das Tele<strong>Coaching</strong> für sich als Coach erschließen<br />
und welchen Wert hat es als Personalentwicklungsinstrument für Sie<br />
als Auftraggeber?<br />
WIE funktioniert Tele<strong>Coaching</strong> konkret, welche Voraussetzungen<br />
müssen Coach und Klient mitbringen und welche Aspekte gilt es<br />
beim Tele<strong>Coaching</strong> in der Praxis zu beachten?<br />
WELCHE Erfahrungen haben Auftraggeber und Klienten mit<br />
Tele<strong>Coaching</strong> inzwischen gemacht?<br />
2
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong><br />
Handbuch Tele<strong>Coaching</strong><br />
Die neue Dimension<br />
des <strong>Coaching</strong>s<br />
Ralf Borlinghaus (Hrsg.)<br />
Maren Kaiser<br />
Thomas Göller<br />
Stephan Josef Dick<br />
Dorothee Bornath<br />
Sabine Engelhardt<br />
3
__________________________________________________<br />
Das Werk ist zu beziehen bei: www.lulu.com<br />
ISBN 978-1-4457-7130-4<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers<br />
unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung<br />
in elektronischen Systemen.<br />
Copyright BORA TEXT, Dr. Ralf Borlinghaus, CH-Kreuzlingen,<br />
Besuchen Sie uns im Internet: www.bora-consulting.com<br />
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__________________________________________________<br />
Inhalt<br />
Danksagung............................................................................... 9<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> – Nur wieder ein Modetrend? .............................10<br />
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)..................................................................13<br />
Die große Sprachverwirrung – Was ist <strong>Coaching</strong>? ...................................13<br />
<strong>Coaching</strong> – Eine Erfolgsstory.......................................................................15<br />
<strong>Coaching</strong> – Zukunftstrends ..........................................................................17<br />
Fallstudie I – Die Grenzen des Präsenz<strong>Coaching</strong>s...................................21<br />
Fallstudie II – Die Möglichkeiten des Tele<strong>Coaching</strong>s..............................25<br />
Der Paradigmenwechsel im <strong>Coaching</strong> ........................................................28<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Künftig eine Selbstverständlichkeit? ..............................32<br />
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)................................................................. 35<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative ..................................35<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Klienten ...............................................36<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Auftraggeber .......................................39<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Coach ...................................................42<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s –<br />
Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s...................................44<br />
Die Welt ist Klang – Dem Hören Raum geben ........................................44<br />
Unsichtbarkeit – Den Körper zum Sprechen bringen.............................48<br />
Blind Date – Sich blind verstehen ...............................................................51<br />
Coachen auf Ohrenhöhe – Herrschaftsfreier Dialog am Telefon .........53<br />
Professionell Coachen – Methodenvielfalt am Telefon...........................55<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong> .....57<br />
Geld spielt keine Rolle? – Und ob! ..............................................................57<br />
Wert-Schätzung – Tele<strong>Coaching</strong> ist wertvoll.............................................58<br />
In der Kürze liegt die Würze – In weniger Zeit mehr erreichen............60<br />
Das können Sie sich sparen! – Reisekosten ...............................................61<br />
Nicht zur besten Sendezeit –Opportunitätskosten senken! ....................62<br />
Rechnen Sie mal nach – 40 Prozent Kostenvorteil! .................................63<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s............65<br />
Ohne Anspruch auf Exklusivität – Zielgruppen für Tele<strong>Coaching</strong>.......66<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Ein Mittel für alle Fälle? ...................................................68<br />
Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s – Eine Überraschung!.................................70<br />
5
__________________________________________________<br />
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis .. 72<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)..........................................................................74<br />
Seit über 130 Jahren telefonieren wir …....................................................74<br />
Die Infrastruktur.............................................................................................76<br />
Wie wichtig ist die beste Qualität?...............................................................77<br />
Die optimale Hardware .................................................................................77<br />
Das optimale Netz..........................................................................................79<br />
Die richtigen Endgeräte ................................................................................79<br />
Das richtige Headset......................................................................................80<br />
Die ideale Umgebung für Coach und Klient.............................................83<br />
Es muss nicht immer im Büro sein.............................................................84<br />
Technische Hilfsmittel...................................................................................85<br />
<strong>Coaching</strong> mit Gruppen..................................................................................86<br />
Alternative Video?..........................................................................................87<br />
Wo führt das noch hin?.................................................................................87<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus).......................................................................89<br />
Die Vorbereitung des Klienten auf Tele<strong>Coaching</strong> ...................................89<br />
Gestaltung des Gesprächsrahmens am Telefon........................................91<br />
Die Gesprächsführung am Telefon.............................................................93<br />
Die Auftragsklärung am Telefon .................................................................95<br />
Der Tele<strong>Coaching</strong>-Vertrag..........................................................................100<br />
Dokumentation des Tele<strong>Coaching</strong>-Prozesses.........................................103<br />
Evaluation des Tele<strong>Coaching</strong>-Prozesses ..................................................104<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick) ................................................................. 108<br />
Frei von Bildern dem Anderen begegnen................................................108<br />
Was ist wesentlich, wenn ein erster Kontakt zustande kommt? ..........111<br />
Vertrauen wachsen lassen und pflegen.....................................................121<br />
Vertrauensfördernde Tipps für <strong>Coaching</strong> am Telefon ..........................126<br />
Blitzlichter aus meinem <strong>Coaching</strong>-Alltag am Telefon ...........................128<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt) .................................................................. 132<br />
Am Telefon kommunizieren – verbal, nonverbal, paraverbal ............132<br />
Jeder hört und spricht anders – Gehörtes sichtbar machen.................139<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)..................................................................... 143<br />
Den Klienten beim Wort nehmen.............................................................143<br />
Umgang mit Schwierigkeiten......................................................................146<br />
Telefon 3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)................................................................... 152<br />
Das Potenzial von Gruppen durch Tele<strong>Coaching</strong> aktivieren...............152<br />
6
__________________________________________________<br />
Praktische Hinweise zum Gruppen-Tele<strong>Coaching</strong>................................ 154<br />
Die Doppelrolle Coach und Moderater als Herausforderung ............. 158<br />
Erprobte Tele<strong>Coaching</strong>-Formate für Gruppen...................................... 160<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)........................................................................... 165<br />
Frauen, Männer & das Telefon – unterschiedliche Welten? ................ 165<br />
Weibliche und männliche Kommunikation ............................................ 167<br />
Klischees weiblicher und männlicher Kommunikation........................ 169<br />
Stimmenvielfalt – Frauen und Männer im Tele<strong>Coaching</strong>..................... 171<br />
Fazit – Trauen Sie Ihren eigenen Ohren ................................................. 175<br />
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –<br />
Interventionen und Methoden am Telefon<br />
(Maren Kaiser) .....................................................................179<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen. 184<br />
The Work von Byron Katie ....................................................................... 185<br />
Appreciative Inquiry (Maren Kaiser und Dorothee Bornath)............ 189<br />
NLP – Neurolinguistisches Programmieren........................................... 199<br />
Von der Stimme ins Innen geführt – Trancen am Telefon.................. 204<br />
Rudern in die gleiche Richtung – Arbeit mit dem Inneren Team<br />
(Sabine Engelhardt und Maren Kaiser)................................................ 210<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer ................................ 216<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> – schnell und effektiv............................................ 217<br />
Kinästhetisches NLP am Telefon – leichter als erwartet...................... 227<br />
Aufstellungen – Kreative Lösungen für das Telefon ............................ 236<br />
Die Reise in den eigenen Körper – Körperarbeit am Telefon ............ 243<br />
Focusing – auf die Stimme des Körpers hören<br />
(Iris Dick, Stephan Josef Dick, Maren Kaiser)................................... 245<br />
EDxTM TM – Meridiane als Kompass zur Lösung................................. 249<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht .................253<br />
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong>..................258<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten.....................................258<br />
Pilotstudie Tele<strong>Coaching</strong> – 18 Probanden geben Feedback<br />
(Ralf Borlinghaus).................................................................................... 258<br />
Unsichtbare Unterstützung bei der Unternehmensentwicklung –<br />
Erfahrungsbericht von Oliver Hauff ................................................... 266<br />
Mein TeleCoach als zuverlässiger Begleiter –<br />
Erfahrungsbericht von Ulrich Haist..................................................... 270<br />
Selbst ist der Mensch –<br />
Erfahrungsbericht von Carsten Spillner .............................................. 273<br />
7
__________________________________________________<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern........................... 276<br />
Alles aus einer Hand – Tele<strong>Coaching</strong> als moderne Service-<br />
Dienstleistung bei der Clariant AG<br />
(Christopher Scheid)................................................................................276<br />
Hybrid-Seminare – Die wirksame Kombination von<br />
Präsenzveranstaltungen und Tele<strong>Coaching</strong> bei der Fraport AG<br />
(Lutz Siebert).............................................................................................282<br />
V Exkurse............................................................................... 288<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische<br />
und anthropologische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
(Thomas Göller)........................................................................ 288<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit –<br />
Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)..................................................................... 298<br />
Das BORA Geschäftsmodell .....................................................................299<br />
BORA Tele<strong>Coaching</strong>-Formate ..................................................................302<br />
Qualitätssicherung........................................................................................303<br />
BORA Academy...........................................................................................304<br />
Mitglied im BORA TeleCoachNetwork werden ....................................304<br />
Anhang ................................................................................... 305<br />
Literatur........................................................................................ 305<br />
Abbildungsverzeichnis ................................................................. 307<br />
Liste der Gastautoren und Interviewpartner ................................ 308<br />
Autorenprofile............................................................................... 309<br />
8
Danksagung<br />
__________________________________________________<br />
Danksagung<br />
Wir haben vielen Menschen zu danken, die zur Entstehung dieses<br />
Buches beigetragen haben.<br />
Wir danken unseren Auftraggebern und Kunden, die uns vertrauen<br />
und bereit sind, sich auf Tele<strong>Coaching</strong> einzulassen. Wir danken<br />
insbesondere denen, die Texte mit ihren Erfahrungen mit <strong>Coaching</strong> am<br />
Telefon für dieses Buch zur Verfügung gestellt haben.<br />
Wir danken unseren Kollegen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung mit<br />
uns geteilt haben.<br />
Wir danken den Teilnehmern der Pilotstudie, deren Ergebnis uns<br />
ermutigt hat, das Tele<strong>Coaching</strong> als eigenes <strong>Coaching</strong>-Format weiterzuentwickeln.<br />
Schließlich danken wir herzlich allen denen, die in Interviews ihr<br />
Wissen mit uns geteilt, durch Feedback, Hinweise und Korrekturlesen<br />
zur Qualität dieses Buches beigetragen sowie uns ihre Zeit, Energie<br />
und Anerkennung geschenkt haben.<br />
Kreuzlingen, Juni 2010<br />
9
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> – Nur wieder ein Modetrend?<br />
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> – Nur wieder ein Modetrend?<br />
Keineswegs. Der Titel ist Programm. Und zwar in mehrfacher Hinsicht:<br />
Mit <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> vertritt die Autorengruppe des BORA TeleCoach-<br />
Network die Auffassung, dass Tele<strong>Coaching</strong> gegenüber dem klassischen<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong> eine bedeutende Weiterentwicklung darstellt.<br />
Nicht die Tatsache, dass ein Coach zum Coachen das Telefon benutzt,<br />
ist hierbei das Besondere, sondern dass beim Tele<strong>Coaching</strong> die persönliche<br />
Begegnung nicht mehr am Anfang eines erfolgreichen <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozesses stehen muss. Dies stellt einen Paradigmenwechsel dar, der<br />
geeignet ist, unser bisheriges Verständnis von <strong>Coaching</strong> zu bereichern<br />
und ganz neue <strong>Coaching</strong>-Formate hervorzubringen – eben vergleichbar<br />
mit den neuen interaktiven Möglichkeiten des Internets, auf die der<br />
Titel anspielt.<br />
Gleichzeitig stellt sich <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> klar in die Tradition des klassischen<br />
<strong>Coaching</strong>s. Die meisten Autoren arbeiten weiterhin auch als PräsenzCoachs<br />
und wissen die Möglichkeiten der traditionellen Beratung<br />
im persönlichen Gespräch wohl zu schätzen. Darum können sie die<br />
Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Formate auch umso besser<br />
einschätzen und vergleichen.<br />
So wie das Web <strong>2.0</strong> zu einer Demokratisierung des Internets geführt<br />
hat, an dem jedermann aktiv teilhaben kann, glauben wir, dass<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> ebenso das Potenzial hat, <strong>Coaching</strong>-Dienstleistungen die<br />
Exklusivität zu nehmen und breiteren Mitarbeiter- und Bevölkerungsschichten<br />
zugänglich zu machen, ohne dass dies zu Lasten der Qualität<br />
der Beratungsleistungen erfolgt.<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> eröffnet neue Formen der Kooperation und Netzwerkbildung<br />
von Coachs, die es ermöglicht vielfältige <strong>Coaching</strong>-Leis-<br />
10
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> – Nur wieder ein Modetrend?<br />
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tungen jederzeit in vielen Sprachen weltweit anzubieten. Das BORA<br />
TeleCoachNetwork versteht sich hierbei mit seinem Geschäftsmodell<br />
als Vorreiter.<br />
Schließlich ist <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> auch ein Signal der Bescheidenheit.<br />
Denn auf <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> folgt 3.0 und den Autoren ist bewusst, dass<br />
künftige neue Ideen und Ansätze über das hier Gebotene hinausreichen<br />
und veraltet aussehen lassen werden. Wir sind der Auffassung,<br />
dass <strong>Coaching</strong> als Dienstleistung sich die neuen Formen der Kommunikation<br />
und Interaktion aneignen und mit der Zeit gehen muss.<br />
Die Idee zu diesem Buch<br />
ist aus dem gemeinschaftlichen Bestreben der Autoren mit weiteren<br />
BORA Netzwerkmitgliedern entstanden, sich im Umgang mit dem<br />
Telefon als zentrales <strong>Coaching</strong>-Instrument im Rahmen einer Online-<br />
Schulung weiter zu professionalisieren. Im Lauf eines Jahres wurde<br />
eine ganze Reihe von Trainingseinheiten vorbereitet und als Telefonkonferenzen<br />
innerhalb des Netzwerks realisiert. Da war der Gedanke<br />
nahe liegend, die Ergebnisse dieser Konferenzen in Form eines Buchs<br />
so zu sichern, dass alle wesentlichen Aspekte des telefonischen<br />
<strong>Coaching</strong>s von Einzelnen und Kleingruppen in einer sinnvollen Reihenfolge<br />
zur Sprache kommen.<br />
Auch beim Schreiben dieses Buchs sind wir neue Wege gegangen.<br />
Die einzelnen Kapitel waren während der Entstehungsphase jederzeit<br />
für alle Autoren online einsehbar und konnten von allen kommentiert<br />
und ergänzt werden. Auf diese Weise war es möglich, dass Ideen und<br />
Gedanken einzelner Autoren auch in nicht selbst verantworteten Kapiteln<br />
Eingang gefunden haben. Es handelt sich bei diesem Buch daher<br />
nicht um eine klassische Artikelsammlung, sondern um eine echte<br />
Gemeinschaftsproduktion.<br />
Das Anliegen dieses Buches<br />
Tele<strong>Coaching</strong> steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Während<br />
der Gebrauch des Telefons als zentrales <strong>Coaching</strong>-Instrument im<br />
angelsächsischen Sprachraum bereits weit verbreitet ist, macht das<br />
Tele<strong>Coaching</strong> im deutschsprachigen Raum nur erst zaghafte Gehversu-<br />
11
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> – Nur wieder ein Modetrend?<br />
__________________________________________________<br />
che. Als BORA TeleCoachNetwork verstehen wir uns hier als Vorreiter<br />
und wollen unser Erfolgswissen teilen und einer interessierten<br />
Öffentlichkeit zugänglich machen. Damit glauben wir einen relevanten<br />
Beitrag zur Etablierung von Tele<strong>Coaching</strong> als innovative und zeitgemäße<br />
Form des <strong>Coaching</strong>s zu leisten.<br />
Wir wollen mit diesem Buch sowohl Coach-Kollegen als auch<br />
Personalprofis aller Unternehmensgrößen ansprechen und Sie für die<br />
Möglichkeiten des Tele<strong>Coaching</strong>s begeistern. Mit diesem Buch erhalten<br />
Sie Antworten auf die Fragen:<br />
WAS ist Tele<strong>Coaching</strong> und wie unterscheidet es sich von der herkömmlichen<br />
Art zu coachen?<br />
WARUM sollten Sie das Tele<strong>Coaching</strong> für sich als Coach erschließen<br />
und welchen Wert hat es als Personalentwicklungsinstrument für Sie als<br />
Auftraggeber?<br />
WIE funktioniert Tele<strong>Coaching</strong> konkret, welche Voraussetzungen<br />
müssen Coach und Klient mitbringen und welche Aspekte gilt es beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> in der Praxis zu beachten?<br />
WELCHE Erfahrungen haben Auftraggeber und Klienten mit Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> inzwischen gemacht?<br />
Zwar bilden die Kapitel in ihrer Abfolge eine logische Struktur, doch<br />
ist jedes Kapitel in sich abgeschlossen und kann daher auch nach Belieben<br />
einzeln gelesen werden. Gerne treten wir in den Gedankenaustausch<br />
mit Ihnen. Teilen Sie uns Ihre Ideen mit. In den Autorenprofilen<br />
am Ende des Buches finden Sie auch die jeweiligen Kontaktdaten<br />
der Autoren.<br />
Stoßen Sie mit uns vor in eine neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s!<br />
Ihre Autoren<br />
Ralf Borlinghaus (Hrsg.), Maren Kaiser, Thomas Göller,<br />
Stephan Josef Dick, Dorothee Bornath, Sabine Engelhardt<br />
12
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? –<br />
Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Inzwischen ist <strong>Coaching</strong> als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung<br />
und als eigene Personaldienstleistung weit verbreitet und eingeführt.<br />
Doch ist <strong>Coaching</strong> keine statische Einrichtung sondern unterliegt<br />
seinerseits der ständigen Weiterentwicklung. Herkömmliche <strong>Coaching</strong>-<br />
Formate stoßen in der modernen Arbeitswelt vielfach an Grenzen und<br />
erfordern neue Lösungen. Dort wo das Telefon zum zentralen Arbeitsmittel<br />
des <strong>Coaching</strong>s gemacht wird und die persönliche Begegnung<br />
nicht mehr als notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess gesehen wird, eröffnen sich neue Möglichkeiten.<br />
In diesem Kapitel sind Sie Zeuge eines Paradigmenwechsels in der<br />
Welt des <strong>Coaching</strong>s, der vergleichbar ist mit der Revolution, deren<br />
Zeuge Sie mit Aufkommen von E-Mail und SMS auf dem Feld der<br />
schriftlichen Kommunikation selbst gewesen sind.<br />
Die große Sprachverwirrung – Was ist <strong>Coaching</strong>?<br />
"<strong>Coaching</strong>" ist nach wie vor ein ungeschützter und somit schillernder<br />
Begriff, der dem aufmerksamen Zeitgenossen an allen möglichen<br />
und unmöglichen Stellen im alltäglichen Leben als Bezeichnung für<br />
innovative Dienstleistungen begegnet: So zum Beispiel im Sport als<br />
Fussball-Coach, im Gesundheitswesen als Wellness- oder Fitness-Coach, in<br />
der Finanzbranche als Finanz-Coach, im Bereich zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen als Flirt-Coach und nicht zuletzt im Geschäftsleben als<br />
Business-Coach, um nur einen kleinen Ausschnitt der Vielzahl kreativer<br />
Wortschöpfungen zu nennen, in denen der Begriff <strong>Coaching</strong> hinein-<br />
13
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
verarbeitet ist. Allen diesen Angeboten ist gemein, dass Einzelne oder<br />
Teams durch einen anderen Menschen dabei unterstützt werden,<br />
berufliche oder private Ziele zu erreichen. Und dann fängt die<br />
Begriffsverwirrung an, weil hierbei Unterstützungsleistungen in Form<br />
von Beratung (als Experte anderen mit Rat und Tat zur Seite stehen),<br />
Training (als Experte Fertigkeiten an Schüler durch Übung vermitteln),<br />
Schulung (als Experte Wissen an Schüler durch Unterricht vermitteln)<br />
und eben <strong>Coaching</strong> wild durcheinander gebracht werden – bis dahin,<br />
dass der Finanz-Coach sogar seine eigentliche Absicht, nämlich seinem<br />
Kunden zu guter Letzt etwas verkaufen zu wollen, mit dem Begriff<br />
<strong>Coaching</strong> bewusst kaschiert.<br />
Wir beziehen uns in diesem Buch auf die jedermann zugängliche<br />
Definition von <strong>Coaching</strong> des online-Lexikons Wikipedia:<br />
"<strong>Coaching</strong> ist die lösungs- und zielorientierte Begleitung von Menschen,<br />
vorwiegend im beruflichen Umfeld, zur Förderung der Selbstreflexion<br />
sowie der selbstgesteuerten Verbesserung der Wahrnehmung,<br />
des Erlebens und des Verhaltens. Der Coach begleitet den<br />
Klienten bei der Realisierung eines Anliegens oder der Lösung eines<br />
Problems. Ziel des <strong>Coaching</strong>s im beruflichen Kontext ist vor allem<br />
die Verbesserung der Lern- und Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung<br />
der Ressourcen des Klienten." 1<br />
Der Coach tritt nicht als Experte für das Problem in Erscheinung,<br />
sondern gewissermaßen als Katalysator, durch den der Klient eine für<br />
ihn angemessene Lösung seines Anliegens aus sich heraus entwickeln<br />
kann. Die katalytischen Faktoren sind dabei im Gegensatz zu Beratung,<br />
Training und Schulung das Fragen, Zuhören, Interpretieren der Antworten.<br />
Dabei verwickelt der Coach als Experte für die Schaffung von<br />
Reflexionsräumen den Klienten in ein erhellendes und zielführendes<br />
Gespräch auf Augenhöhe. Während Arzt und Psychologe ihre Patienten<br />
behandeln und therapieren, bietet der Coach dem Klienten einen<br />
Resonanzboden, auf dem er sich mit sich selbst aktiv befassen und<br />
adäquate Lösungen für seine Themen- und Fragestellungen erarbeiten<br />
kann.<br />
1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Coaching</strong>.<br />
14
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Demnach ist <strong>Coaching</strong> nicht durch ein bestimmtes Themen- oder<br />
Zielgruppenspektrum definiert, sondern durch die Art und Weise, wie<br />
sich Coach und Klient zueinander verhalten. <strong>Coaching</strong> kann daher<br />
letztlich in allen Arbeits- und Lebensbereichen stattfinden und für die<br />
Zukunft ist zu erwarten, dass sich das Themenspektrum kontinuierlich<br />
erweitern wird. Insgesamt stellt sich <strong>Coaching</strong>, dessen Siegeszug als<br />
moderne Dienstleistung bis in die 60iger Jahre des vorigen Jahrhunderts<br />
zurückreicht, als Erfolgsgeschichte dar, die noch längst nicht<br />
abgeschlossen ist.<br />
<strong>Coaching</strong> – Eine Erfolgsstory<br />
Frank Bresser hat in seinem Global <strong>Coaching</strong> Survey 2008/09 2<br />
überzeugend den Versuch gewagt, einen Überblick über den Entwicklungsgrad<br />
von <strong>Coaching</strong> als Dienstleistung für alle Weltregionen und<br />
Länder zu geben. Dieser Studie zufolge lassen sich aus globaler Perspektive<br />
sowie für Nordarmerika und Europa folgende Aussagen<br />
treffen:<br />
• Weltweit gibt es derzeit ca. 50.000 Coachs, davon entfällt die<br />
überwiegende Anzahl auf Nordamerika und Europa mit jeweils<br />
ca. 12.300 und 18.000 Coachs.<br />
• Im weltweiten Durchschnitt kommt auf 154.000 Bewohner je ein<br />
Coach. Während die Coach-Dichte in Asien bei ca. 1:900.000<br />
liegt, beträgt sie in den USA und Kanada sowie in den Ländern<br />
der Europäischen Gemeinschaft ca. 1:29.000. Nur in Australien<br />
und Neuseeland in die Dichte mit 1:7.500 noch deutlich höher.<br />
• Mit Blick auf den Produktlebenszyklus von <strong>Coaching</strong> als<br />
Dienstleistung konstatiert die Studie für die USA und Kanada<br />
einen Wachstumsmarkt, wobei für den Zyklus folgende Phasen<br />
unterschieden werden: Die Phase vor Markteinführung, die<br />
Markteinführung, Wachstum, Reifung, Schrumpfung. Die Phase<br />
2 Die Studie ist als kostenfreier Download verfügbar unter http://www.frankbresser-consulting.com/global-coaching-survey.html.<br />
15
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
des Produktlebenszyklus korrespondiert auch mit dem Grad der<br />
Akzeptanz, den <strong>Coaching</strong> jeweils erfährt.<br />
• Für die Europäische Gemeinschaft und die Beitrittskandidaten<br />
ergibt sich für den Produktlebenszyklus ein deutlich differenziertes<br />
Bild:<br />
• Länder, die sich noch in der Phase vor Markteinführung befinden,<br />
sind Estland, Lettland und Mazedonien. Serbien ist bereits<br />
im Übergang zur Markteinführung.<br />
• In der Markteinführungsphase sind inzwischen Bulgarien,<br />
Zypern, Finnland, Griechenland, Kroatien, Malta, Polen, Rumänien,<br />
Slowenien, Türkei und Ungarn. Auch Russland ist dieser<br />
Phase zuzuordnen. Italien, Litauen und Österreich befinden sich<br />
dagegen im dem Übergang zur Wachstumsphase.<br />
• In der Wachstumsphase befinden sich bereits Belgien,<br />
Tschechische Republik, Dänemark, England, Frankreich,<br />
Deutschland, Irland, Luxemburg, Portugal, Slowakei, Spanien<br />
und Schweden. Auch die Schweiz ist dieser Phase zuzuordnen.<br />
Die Niederlande stehen am Übergang zur Reifephase.<br />
• Einzig in Norwegen ist <strong>Coaching</strong> bereits in die Reifephase übergangen.<br />
• In der Schrumpfungsphase befindet sich in Europa und weltweit<br />
noch kein <strong>Coaching</strong>-Markt.<br />
Der Studie zufolge ist <strong>Coaching</strong> in allen entwickelten westlichen<br />
Industrienationen inzwischen eine etablierte Dienstleistung mit einem<br />
hohen Wachstumspotenzial. Zwar wird in unseren Breiten <strong>Coaching</strong><br />
von Privatleuten eher zurückhaltend in Anspruch genommen und auch<br />
mittelständische Unternehmen tun sich immer noch schwer mit dem<br />
Engagement von Coachs. Jedoch haben viele Großunternehmen in<br />
ihren Personalentwicklungsabteilungen inzwischen Mitarbeiter abgestellt,<br />
die sich um die Auswahl und Vermittlung von externen Coachs<br />
für Ihre Fach- und Führungskräfte kümmern. Auch die Bereitstellung<br />
von firmeninternen Coachs ist keine Seltenheit. Das bislang zu<br />
16
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
beobachtende wenig ausgeprägte Interesse von Privatleuten an<br />
<strong>Coaching</strong> steht vermutlich im Zusammenhang mit der Tatsache, dass –<br />
anders als im angelsächsischen Kulturkreis – hiesige Arbeitnehmer es<br />
nicht gewohnt sind und bislang wenig Bereitschaft zeigen, als Selbstzahler<br />
in die eigene Aus- und Weiterbildung zu investieren. Die aktuelle<br />
Diskussion um die Einführung bzw. Abschaffung von Studiengebühren<br />
in Deutschland belegt dies eindrücklich. Stattdessen herrscht die<br />
Erwartung vor, dass staatliche Institutionen und Arbeitgeber ihrerseits<br />
das Notwendige tun sollen, um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der<br />
Arbeitnehmer sicherzustellen. Für die Zukunft ist allerdings hier mit<br />
einem allmählichen Mentalitätswandel zu rechnen, da der Rückbau des<br />
Sozialstaates und der Wettbewerb um attraktive Arbeitsplätze das Verantwortungsbewusstsein<br />
von Arbeitnehmern für die Sicherung der<br />
eigenen so genannten Employability und Attraktivität als Fach- oder<br />
Führungskraft für aktuelle oder künftige Arbeitgeber stärken wird.<br />
<strong>Coaching</strong> – Zukunftstrends<br />
<strong>Coaching</strong> ist ein inzwischen weit verbreitetes Personalentwicklungsinstrument,<br />
das insbesondere Unternehmen die Möglichkeit gibt,<br />
die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter und deren Nutzen für den<br />
Auftraggeber zu steigern oder zu regenerieren. <strong>Coaching</strong> als Dienstleistung<br />
wirkt und rechnet sich. Wo also ist das Problem? – <strong>Coaching</strong><br />
ist die Folge einer sich dynamisch entwickelnden und weiter globalisierenden<br />
Arbeitswelt, zu deren Stabilisierung eine solche auf das Individuum<br />
gerichtete Unterstützung beiträgt. In dem Maße, wie sich<br />
unsere Art des Wirtschaftens und Zusammenlebens weiterentwickelt,<br />
steht auch das <strong>Coaching</strong> vor der Herausforderung sich immer wieder<br />
neu zu erfinden und bedeutsam zu machen.<br />
Im Jahr 2007 hat die Boston Consulting Group als eine der führenden<br />
Unternehmensberatungen eine Studie veröffentlicht, in der sie<br />
über ganz Europa insgesamt 1350 Unternehmen nach den ihrer<br />
Meinung nach größten Herausforderungen im Personalmanagement<br />
bis 2015 befragt hat. Dieser Studie zufolge sind dies die Top-Themen:<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• Die Talente und Potenziale der Mitarbeiter aktiv managen.<br />
• Die Leadership-Kompetenzen bei den Führungskräften entwickeln.<br />
• Veränderungsprozesse und kulturellen Wandel im Unternehmen<br />
initiieren und begleiten.<br />
• Das Unternehmen zur lernenden Organisation transformieren.<br />
• Eine nachhaltige Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter durch eine<br />
ausgewogene Work-Life-Balance sicherstellen.<br />
• Dem demographischen Wandel durch geeignete Maßnahmen<br />
entsprechen.<br />
Der Überblick macht deutlich, dass die Herausforderungen der<br />
Personalarbeit in Zukunft weniger in der technischen Seite des Personalgeschäfts<br />
liegen, sondern in der Arbeit am Menschen. Nicht im Prozessmanagement,<br />
Outsourcing oder Vergütungsmanagement werden<br />
die strategischen Erfolgsfelder eines erfolgreichen Personalmanagements<br />
verortet, sondern in der Personalentwicklung. In diesem Kontext<br />
wird <strong>Coaching</strong> als ein direkt auf den Menschen ausgerichtetes<br />
Personalentwicklungsinstrument eine zunehmende Bedeutung erhalten.<br />
Am 13. März 2009 hat die Deutsche Bahn AG zum ersten <strong>Coaching</strong>-<br />
Tag nach Berlin eingeladen, wo sich ca. 30 Personalentwickler und<br />
Coachs zum gegenseitigen Kennenlernen und Austausch getroffen<br />
haben. Ein Schwerpunktthema war die Frage nach möglichen neuen<br />
<strong>Coaching</strong>-Trends. Diese Impulse wurden im weiteren Verlauf von<br />
einer Arbeitsgruppe unter der Überschrift "<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong>" aufgegriffen<br />
und weitergeführt. Hier werden die prognostizierten Trends aufgelistet<br />
und erläutert:<br />
1. <strong>Coaching</strong> entwickelt sich vom Status einer verdeckten Operation<br />
hin zu einer vorzeigbaren Leistung zur Persönlichkeitsentwicklung und<br />
Erfolgssteigerung. In vielen Unternehmen hat <strong>Coaching</strong> noch einen<br />
Status vergleichbar mit dem Nachhilfeunterricht in der Schule, der<br />
denjenigen erteilt wird, die nicht den allgemeinen Leistungsstandards<br />
entsprechen. Künftig wird sich <strong>Coaching</strong> als anerkanntes Instrument<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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zur Leistungssteigerung positionieren, durch das wie im Sport verborgene<br />
Ressourcen und Potenziale bei den Mitarbeitern freigelegt und<br />
erschlossen werden.<br />
2. Die Anforderungen an die Professionalität von Coachs werden<br />
steigen hinsichtlich Ausbildung, Spezialisierung und Erfolgsmessung.<br />
Der <strong>Coaching</strong>-Markt ist unübersichtlich und die Berufsbezeichnung ist<br />
nicht geschützt. Hier wird nicht der Bildung einer neuen Innung oder<br />
Zunft das Wort geredet. Gleichwohl wird der Markt den üblichen<br />
Gesetzen folgen und bei zunehmender Reife auch ein Mehr an Professionalisierung<br />
sowie an branchen- und zielgruppenspezifischer Spezialisierung<br />
fordern. <strong>Coaching</strong> wird sich vermehrt einer konsequenten<br />
Leistungs- und Erfolgsmessung unterziehen müssen.<br />
3. Der unübersehbare <strong>Coaching</strong>-Markt wird sich konsolidieren.<br />
Der Markteintritt für neue Coachs wird schwieriger. Der <strong>Coaching</strong>-<br />
Markt ist heute stark durch Einzelunternehmer geprägt, die sich zu<br />
einem bestimmten Zeitpunkt ihres beruflichen Werdeganges als Coach<br />
selbständig gemacht haben und oft mit einem Mix aus <strong>Coaching</strong>-,<br />
Seminar- und Beratungsangeboten am Markt agieren. Abgesehen von<br />
Ausnahmeerscheinungen werden Anbieter künftig nur dann erfolgreich<br />
sein, wenn sie innerhalb von starken Netzwerken agieren. Der Weg<br />
über ehemalige Arbeitgeber und über persönliche Netzwerke sich einen<br />
Marktzutritt zu verschaffen wird deutlich schwieriger.<br />
4. Seminar- und <strong>Coaching</strong>-Angebote werden zu neuen Formaten<br />
verknüpft. <strong>Coaching</strong> vertieft Seminarinhalte und stellt deren<br />
Nachhaltigkeit sicher. In dem Maße, in dem <strong>Coaching</strong> zum integrativen<br />
Teil eines Personalentwicklungsportfolios avanciert, werden sich Hybridformen<br />
ausbilden, in denen Seminarinhalte und <strong>Coaching</strong> intelligent<br />
verbunden sind, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der verschiedenen<br />
Maßnahmen wechselseitig zu stärken sowie die Effizienz auch<br />
der eingesetzten finanziellen Mittel zu erhöhen.<br />
5. Aufgrund von permanenten innerbetrieblichen Change-Prozessen<br />
wird es einen erhöhten Bedarf an Team-<strong>Coaching</strong>s geben.<br />
Durch den permanenten Change-Prozess, in den die sich rasant entwickelnden<br />
Märkte und Arbeitsbedingungen die Unternehmen hinein-<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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zwingen, wird das Veränderungsmanagement nicht nur für den Einzelnen<br />
zur Herausforderung, sondern für ganze Belegschaften, Teams und<br />
Abteilungen. Führungskräfte sind bei der Durchführung von Team-<br />
<strong>Coaching</strong>s zumeist durch die Anforderungen des operativen Tagesgeschäfts<br />
aber auch durch den latenten Rollenkonflikt häufig überfordert<br />
und auf die Unterstützung von Coachs angewiesen.<br />
6. In einer globalisierten Arbeitswelt werden international operierende<br />
Netzwerke einen klaren Wettbewerbsvorteil haben. Die<br />
Globalisierung wird auch den <strong>Coaching</strong>-Markt nicht verschonen. Die<br />
zentralen Personalentwickler von internationalen Unternehmen werden<br />
die Zusammenarbeit mit Dienstleistern zunehmend schätzen, bei<br />
denen sie auch für entfernte Standorte, in der jeweiligen Landessprache<br />
sowie Zeitzonen übergreifend zuverlässig <strong>Coaching</strong>-Leistungen einkaufen<br />
können. Insbesondere für konzernweite Zielgruppen behalten<br />
zentrale Personalentwickler gerne die Übersicht über die in Anspruch<br />
genommenen Dienstleister und die so erzielten Ergebnisse.<br />
7. Management und Administration von <strong>Coaching</strong>-Dienstleistungen<br />
werden künftig verstärkt an externe, weltweit operierende Dienstleister<br />
übertragen. Die Auslagerung von <strong>Coaching</strong>-Dienstleistungen beinhaltet<br />
die Möglichkeit des Aufbaus und der Betreuung des Coach-Pools, der<br />
Definition von Standard-Prozessen, der Präsentation der Coach-<br />
Auswahl im Intranet, der Steuerung des <strong>Coaching</strong>-Prozesses von der<br />
Auftragsklärung bis hin zu abschließender Evaluation, Qualitätsmanagement<br />
und Administration. Durch ein umfassendes Reporting haben<br />
die Verantwortlichen im Personalmanagement jederzeit die Möglichkeit,<br />
die Einhaltung ihrer Vorgaben zu überprüfen und korrigierend<br />
einzugreifen. Heute sehen viele Personalentwickler in Auswahl und<br />
Vermittlung von Coachs noch ihre Kernkompetenz, die sie nicht aus<br />
der Hand geben wollen. Das wird sich in Zukunft ändern.<br />
8. <strong>Coaching</strong> wird zum Investitionsfeld auch in der Krise, indem<br />
so Führungskräfte zur Krisenbewältigung in besonderer Weise befähigt<br />
werden. Während Training und Schulung in Krisenzeiten leicht dem<br />
Rotstift zum Opfer fallen, wird <strong>Coaching</strong> bei der Bewältigung von<br />
Unternehmenskrisen eine zunehmende Bedeutung erhalten. In dem<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Maße wie es gelingt beim <strong>Coaching</strong> Wirksamkeit und Kosteneffizienz<br />
miteinander zu verbinden, wird <strong>Coaching</strong> auch und gerade in<br />
Krisenzeiten ein gefragtes Personalentwicklungsinstrument sein.<br />
9. Künftig werden mehr Arbeitnehmer bereit sein, <strong>Coaching</strong>-Leistungen<br />
zur Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit privat einzukaufen. Der<br />
latente Fachkräftemangel schützt die Arbeitnehmer nicht vor der Herausforderung,<br />
sich den steigenden Anforderungen der Unternehmen zu<br />
stellen, denn auch Fach- und Führungskräfte können inzwischen am<br />
globalen Arbeitsmarkt beschafft werden und die Qualität der Arbeitnehmer<br />
aus aufstrebenden Industrienationen wird mehr und mehr zur<br />
ernsthaften Konkurrenz. Damit wird <strong>Coaching</strong> zur lohnenden Investition<br />
in die persönliche so genannte Employabilty.<br />
10. Das Telefon wird in einer flexibilisierten und dezentralisierten<br />
Arbeitswelt zum Hauptarbeitsinstrument im <strong>Coaching</strong>.<br />
Die Entdeckung und Erschließung des Telefons für das <strong>Coaching</strong>, die<br />
mit diesem Buch gefördert werden soll, wird dezentral und international<br />
organisierten Unternehmen eine Vielzahl von praktischen, methodischen<br />
und finanziellen Vorteilen bieten, die allesamt die erfolgreiche<br />
Bewältigung der oben genannten Herausforderungen für das Personalmanagement<br />
unterstützen. Und auch für Privatleute wird <strong>Coaching</strong><br />
damit zur willkommenen und erschwinglichen Dienstleistung.<br />
Die nachstehenden Fallstudien sollen die genannten Trends veranschaulichen.<br />
Dort wird deutlich, wo in der Praxis der Bedarf an einer<br />
Weiterentwicklung der klassischen <strong>Coaching</strong>-Formate entsteht.<br />
Fallstudie I – Die Grenzen des Präsenz<strong>Coaching</strong>s<br />
Was ist klassisches <strong>Coaching</strong>? Mit klassisch bezeichnen wir ein<br />
<strong>Coaching</strong>, wenn die persönliche Begegnung am Beginn einer <strong>Coaching</strong>-<br />
Arbeit steht. In einem persönlichen Erstgespräch haben die Beteiligten<br />
die Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen, zum so genannten<br />
"Chemistry-Check", bei dem sie feststellen, ob sie miteinander arbeiten<br />
21
I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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können. Auch während des eigentlichen <strong>Coaching</strong>-Prozesses sind<br />
persönliche Gespräche vorherrschend.<br />
Folgendes Fallbeispiel aus der <strong>Coaching</strong>-Praxis gibt Ihnen eine Idee,<br />
was uns veranlasst hat, über das klassische Präsenz<strong>Coaching</strong> hinaus<br />
nach neuen zeitgemäßen Formen des <strong>Coaching</strong>s zu suchen.<br />
1. August, 2008. Von Frau S. aus der Führungskräftebetreuung eines<br />
deutschen Automobilherstellers erhalte ich einen Anruf. Man habe<br />
einen Klienten für mich, der seit Anfang Juli von Indien aus in die<br />
deutsche Zentrale entsandt worden ist, um dort unterhalb der<br />
Bereichsleitung eine wichtige Aufgabe im Vertrieb zu übernehmen.<br />
Obwohl Herr D. als Führungskraft schon in verschiedenen Erdteilen<br />
erfolgreich für das Unternehmen gearbeitet habe, stelle die Tätigkeit<br />
in der Zentrale doch eine besondere Herausforderung dar, für die er<br />
eine Unterstützung durch einen Coach erhalten solle. Entsprechend<br />
dem festgelegten internen <strong>Coaching</strong>-Prozess wolle man mich<br />
zunächst mit dem Klienten und dessen Vorgesetzten schnellstmöglich<br />
bekannt machen. Dieses Treffen, an dem auch Frau S. teilnehmen<br />
will, wurde für den 26. August, vereinbart.<br />
21 August, 2008. Mich erreicht folgende E-Mail von Frau S.: "Hallo<br />
Herr B., wir müssen den vereinbarten Termin für das <strong>Coaching</strong>-<br />
Kick-Off Gespräch leider absagen, weil der Chef von Herrn D. überraschend<br />
ins Ausland muss. Wir suchen eine neue Alternative und<br />
melden uns wieder bei Ihnen. Durch die Urlaubssituation wird das in<br />
der Woche vom 25. August sein. Bitte entschuldigen Sie diese Extra-<br />
Schleife."<br />
26. August, 2008. Meine Antwort: "Hallo Frau S, So wie es aussieht,<br />
werde ich keinen alternativen Termin in S. in der nächsten Woche<br />
unterbringen können. Meinerseits sind frühestens der 4. und 5.<br />
September für ein Erstgespräch möglich. Gerne stehe ich zwischenzeitlich<br />
für ein erstes telefonisches Kennenlernen zur Verfügung."<br />
26. August, 2008. Mit der Terminbestätigung für den 4. September<br />
kläre ich noch die Reisekostenfrage: Hallo Frau S., …Da ich für<br />
diesen Termin eigens vom Bodensee anreise, bitte ich um Verständnis,<br />
dass ich Ihnen die Reisekosten mit 0,50 EUR/km in Rechnung<br />
stelle. – Bitte teilen Sie mir noch den genauen Ort sowie Namen und<br />
Funktion der Gesprächspartner mit."<br />
4. September 2008. Für das erste Kennenlernen ist eine Stunde<br />
anberaumt. Nachdem alle mit Kaffee versorgt sind, geht es zunächst<br />
um die Lage im Automobilsektor im Allgemeinen und des Unter-<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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nehmens im Besonderen. Dann beginnen wir mit einer Vorstellungsrunde,<br />
bei der ich mich ausführlicher als die übrigen Anwesenden<br />
vorstelle und mich als Coach präsentiere. Sodann kommen wir zur<br />
Sache. Herr D. werde, obwohl sein Deutsch eigentlich ganz gut ist,<br />
als sehr zurückhaltend, ja geradezu als schüchtern wahrgenommen –<br />
so der Vorgesetzte; da jedoch die Zentrale von Deutschen und deren<br />
Direktheit im Auftritt und in Diskussionen dominiert werde, müsse<br />
es für Herrn D. darum gehen, sich bei Kollegen und Höhergestellten<br />
durchzusetzen und Gehör zu verschaffen. Herr D. nickt zu alledem<br />
und sagt erst einmal nichts. Im Raum ist die Erwartung spürbar, dass<br />
Herr D. durch ein <strong>Coaching</strong> mit völlig neuen Waffen ausgestattet<br />
und in deren Umgang geübt werden soll, um sich in diesem<br />
herausfordernden Umfeld künftig erfolgreich zu schlagen. Ich sehe<br />
Herrn D. an, dass er es nicht erstrebenswert findet, in die Rolle eines<br />
Deutschen zu schlüpfen. Durch eine kleine Intervention kann ich<br />
ihm diese Sorge nehmen: So wie einst die Gladiatoren mit<br />
unterschiedlichen Waffen gegeneinander angetreten und erbittert<br />
gekämpft haben, gehe es auch für Herrn D. darum, sich der eigenen<br />
Waffen bewusst zu werden und diese erfolgreich gegen die<br />
Ausrüstung der Gegner einzusetzen. Die Aussicht, dass man mit<br />
indisch-angelsächsischer Zurückhaltung die deutsche Bärbeißigkeit<br />
erfolgreich parieren könne, machte Herrn D. neugierig. – Im<br />
Nachgang zu dem Gespräch bringe ich das Ergebnis der<br />
Auftragsklärung in die Form eines Angebots sende es einen Tag<br />
später Herrn D. per E-Mail zu.<br />
12. September, 2008. Acht Tage nach erfolgtem Kennenlernen<br />
erhalte ich von Frau S. diese E-Mail: "Hallo Herr B., Herr D. kann<br />
sich ein <strong>Coaching</strong> mit Ihnen vorstellen. Sie könnten also gemeinsam<br />
losstarten, am besten vereinbaren Sie die nächsten Termine mit ihm<br />
bzw. seiner Sekretärin."<br />
Gut zwei Monate nach der ersten Kontaktaufnahme findet am<br />
2. Oktober 2008 ein erstes einstündiges <strong>Coaching</strong>-Gespräch statt -<br />
aufgrund von Terminschwierigkeiten telefonisch, um überhaupt erst<br />
einmal einen Anfang zu machen. Persönlich finden wir dann am<br />
16. Oktober für rund zwei Stunden zueinander. Weitere <strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräche folgen nach mehreren Verschiebungen am 19. Januar<br />
sowie am 30. April 2009. Das Abschlussgespräch findet zehn Monate<br />
nach Aufnahme der neuen Tätigkeit durch Herrn D. am 25. Juni<br />
statt.<br />
Es ist offensichtlich, dass dieser <strong>Coaching</strong>-Prozess seinem Anspruch,<br />
eine wirksame Unterstützung entlang der Einarbeitungsphase<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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zu bieten, nicht gerecht werden konnte. Der Terminplan dieses Mitarbeiters,<br />
der zum oberen Führungskreis des Unternehmens gehört, war<br />
so eng getaktet und mit soviel Reisetätigkeit verbunden, dass mehrstündige<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche dort kaum unterzubringen waren. Hinzu<br />
kam, dass durch überraschende Arbeitsaufträge seitens des Vorstands<br />
bereits vereinbarte Termine kurzfristig abgesagt und neu festgelegt<br />
werden mussten. Zugleich gab es die Anforderung, dass die Reisekosten<br />
für einen Präsenztermin in einem vernünftigen Verhältnis zum<br />
eigentlichen Gesprächshonorar stehen sollten, d. h. keinesfalls höher<br />
ausfallen sollten. Ein Gesprächszeitfenster von nur einer Stunde einzurichten,<br />
war daher ebenfalls nicht opportun.<br />
Das Beispiel zeigt, dass das Präsenz<strong>Coaching</strong> den Anforderungen der<br />
modernen Arbeitswelt schnell nicht mehr vollumfänglich gerecht wird.<br />
Die Schwierigkeiten bei der Terminfindung führen zu Verzögerungen,<br />
die leicht den ganzen <strong>Coaching</strong>-Prozess infrage stellen können.<br />
• Durch die unnötige Verzögerung des <strong>Coaching</strong>-Prozesses kommt<br />
der Klient erst verspätet in den Genuss einer sinnvollen Hilfestellung;<br />
das Unternehmen kann erst zeitverzögert von dem<br />
vollen Leistungsbeitrag des Mitarbeiters profitieren.<br />
• In der Regel finden persönliche <strong>Coaching</strong>-Gespräche zur besten<br />
Tageszeit statt, wodurch der Klient für mehrere Stunden von<br />
seiner eigentlichen produktiven Tätigkeit für das Unternehmen<br />
abgehalten wird. Der so entstehende Produktivitätsausfall ist dem<br />
<strong>Coaching</strong>-Aufwand als Opportunitätskosten hinzuzurechnen.<br />
Hinzu kommt, dass ein Klient im Zweifel immer den Anforderungen<br />
seiner internen und externen Kunden zu entsprechen versucht,<br />
wodurch es leicht zu Terminverschiebungen kommt.<br />
• Dort, wo auf Randzeiten ausgewichen wird, entsteht durch<br />
notwendige Übernachtung und Verpflegung des Coachs zusätzlicher<br />
Reiseaufwand.<br />
• Wenn Unternehmen, um Reisekosten zu sparen, ausschließlich<br />
auf lokale Coachs zurückgreifen, schränken sie sich bei der Wahl<br />
des optimalen Coachs für den Klienten ein. Kompromisse<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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bezüglich der Qualität bei Kompetenz und Eignung würden<br />
Unternehmen bei der Auswahl erfolgskritischer Mitarbeiter oder<br />
Zulieferer sonst an anderer Stelle kaum eingehen.<br />
Ein zweites Fallbeispiel soll demgegenüber die Möglichkeiten von<br />
<strong>Coaching</strong> am Telefon deutlich machen.<br />
Fallstudie II – Die Möglichkeiten des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
Die nachstehende Begebenheit, die sich im Rahmen unserer<br />
Zusammenarbeit mit der Clariant International Ltd., dem weltweit<br />
operierendem Spezialisten für Feinchemikalien, ereignet hat, macht<br />
deutlich, welche Dynamik <strong>Coaching</strong> am Telefon entfalten kann:<br />
17. September 2008, 23:30 Uhr. Während einer spätabendlichen<br />
Bahnfahrt durch den Schwarzwald erhalte ich folgende Nachricht in<br />
englischer Sprache per E-Mail auf mein Mobiltelefon: "Lieber Herr<br />
B., Ich freue mich über die Möglichkeit als "Pionier" an dem Tele-<br />
<strong>Coaching</strong>-Programm der Clariant teilnehmen zu können. Obwohl<br />
dies mein erstes <strong>Coaching</strong> ist, glaube ich, dass es mir hilft mein<br />
Denken und mein Verhalten weiterzuentwickeln. Auch glaube ich,<br />
dass mein Team hier in China und Asien davon profitieren wird. - In<br />
der letzten Woche hatte ich mein Jahresgespräch mit meinem Vorgesetzten,<br />
in dem wir einige Bereiche identifiziert haben, in denen ich<br />
mich verbessern möchte. Nach Durchsicht der verfügbaren<br />
<strong>Coaching</strong>-Profile hat mich Ihr Profil besonders angesprochen. Wenn<br />
Sie einverstanden sind, möchte ich Sie als Coach kennen lernen. – Da<br />
ich bis nächste Woche keine größeren Reisen geplant habe, bin ich<br />
sicher, dass wir zwischen den anstehenden Meetings und Kundenbesuchen<br />
zwischendurch ein Zeitfenster für ein erstes Telefonat<br />
finden werden. Meine Büronummer lautet +86... Mobil erreichen Sie<br />
mich unter +86... Ich freue mich darauf von Ihnen zu hören. Ihr C."<br />
Herr C. ist für mehrere Produktlinien des Unternehmens in Asien<br />
verantwortlich. Er ist Chinese und lebt und arbeitet in Shanghai. Als<br />
dem Kreis der Konzernführungskräfte zugehöriger Mitarbeiter wird<br />
er in seiner beruflichen Entwicklung durch einen Personalentwickler<br />
in der Schweizer Konzernzentrale betreut. Dieser hat ihm nach<br />
seinem Mitarbeitergespräch die Profile von drei Coachs samt Kontaktdaten<br />
geschickt, von denen er sich einen zu kontaktieren ent-<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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schieden hat. In die E-Mail, die Herr C. geschrieben hat, waren sein<br />
Vorgesetzter und der Personalentwickler direkt einkopiert.<br />
17. September 2008, 23:40 Uhr. Unmittelbar nach Erhalt der E-Mail<br />
rufe ich Herrn C. auf seinem Mobiltelefon an, wo ich ihn direkt<br />
erreiche. Wir stellen uns gegenseitig kurz vor und verständigen uns<br />
auf den 19. September um 10:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit als<br />
Termin für das Auftragsklärungsgespräch. Am nächsten Tag bestätige<br />
ich Herrn C. den Termin schriftlich mit Vorgesetztem und<br />
Personalentwickler in Kopie, so dass alle Prozessbeteiligten über den<br />
Stand der Dinge im Bilde sind.<br />
19. September 2008, 10:00 Uhr. Herr C. und ich führen ein erstes<br />
halbstündiges Telefonat auf Englisch über das Internet. Verbindungskosten<br />
sind dabei eine zu vernachlässigende Größe. Nähere<br />
Fragen zu meiner Person hat Herr C. auf Nachfrage nicht. Stattdessen<br />
beginnt er sofort mit der Schilderung seines Anliegens. Es geht<br />
um die Themen Selbstsicherheit, das Beheben von Konflikten auf<br />
Kollegenebene sowie um die Wiedergewinnung einer persönlichen<br />
Work-Life-Balance durch richtiges Priorisieren und Delegieren.<br />
Während des Gesprächs spürt Herr C., dass meine ganze Aufmerksamkeit<br />
auf ihn gerichtet ist; durch gezielte Nachfragen signalisiere<br />
ich, dass ich ihn in seiner Situation verstehe; durch die Formulierung<br />
von <strong>Coaching</strong>-Zielen sowie die Beschreibung eines zielführenden<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesses erscheint die Problemstellung für Herrn C. auf<br />
einmal handlich und lösbar. Indem Herr C. in unserem Gespräch<br />
diese drei Aspekte erlebt, Aufmerksamkeit, Verständnis und Mehrwert,<br />
fasst er Vertrauen zu mir und ist bereit, sich mit mir auf den<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess einzulassen.<br />
19. September 2008, 13:00 Uhr. Nach dem Gespräch formuliere ich<br />
auf Basis der Gesprächsergebnisse ein Angebot, in dem das<br />
<strong>Coaching</strong>-Thema, die Ziele, der Prozess und das benötigte Zeitbudget<br />
festgehalten sind. Dieses geht per E-Mail an Herrn C. mit der<br />
Bitte dessen Inhalt zu prüfen und es bei Zustimmung an seinen Vorgesetzen<br />
zur Genehmigung weiterzuleiten. Bereits am Ende des<br />
Auftragsklärungsgesprächs haben wir vorbehaltlich der Genehmigung<br />
des <strong>Coaching</strong>s einen Termin für ein erstes <strong>Coaching</strong>-Gespräch<br />
für den 6. Oktober verabredet.<br />
22. September 2008. Herr C. sendet mir folgende E-Mail: "Nachstehend<br />
finden Sie die Bestätigung meines Vorgesetzten. Am 6. Oktober<br />
werde ich in Hongkong sein. Ich teile Ihnen rechtzeitig mit, unter<br />
welcher Telefonnummer ich dort erreichbar bin."<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Für die Bearbeitung der genannten Themen steht ein Zeitbudget von<br />
acht Stunden zur Verfügung, das in insgesamt zwölf Telefonaten in<br />
etwas mehr als drei Monaten bis zum 17 Januar 2009 absolviert wird.<br />
Nach dem Abschlussgespräch wird Herr C. mittels elektronischem<br />
Fragebogen um die Evaluation des <strong>Coaching</strong>s gebeten. Das Feedback<br />
wird an Vorgesetzten und den Personalentwickler weitergeleitet.<br />
Für den Juni 2009 wird ein Follow-up-Telefonat vereinbart, um die<br />
Nachhaltigkeit des <strong>Coaching</strong>-Prozesses sicherzustellen.<br />
Die praktischen Vorteile einer Transformation des <strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
auf das Telefon liegen auf der Hand:<br />
• Bereits innerhalb weniger Tage nach der <strong>Coaching</strong>-Anfrage findet<br />
das Auftragsklärungsgespräch statt.<br />
• Auf Basis des zeitnah erstellten Angebots haben alle<br />
Prozessbeteiligten im Rahmen des Genehmigungsprozesses die<br />
Möglichkeit, die dort definierten <strong>Coaching</strong>-Ziele und Prozessschritte<br />
mit dem ursprünglichen intern besprochenen <strong>Coaching</strong>-<br />
Auftrag abzugleichen und ggf. zu intervenieren. Auf diese Weise<br />
wird ein gemeinsames Verständnis des <strong>Coaching</strong>-Auftrages<br />
sichergestellt.<br />
• Das gleichwohl geringere Zeitbudget erlaubt eine höhere<br />
<strong>Coaching</strong>-Frequenz, bei der zwar die einzelnen Gesprächseinheiten<br />
kürzer sind, der Klient jedoch die Chance hat, zwischen<br />
den engeren Zeitabständen die <strong>Coaching</strong>-Themen im Bewusstsein<br />
zu halten und an ihnen zu arbeiten.<br />
• Der Klient macht seine Entwicklungsschritte in einem vergleichsweise<br />
kurzen Zeitraum und das Unternehmen kann von den<br />
Verhaltensänderungen und den damit verbundenen Leistungsverbesserungen<br />
entsprechend früher profitieren.<br />
• Die <strong>Coaching</strong>-Gespräche können auch von unterwegs und auf<br />
Dienstreisen realisiert werden, da die telefonische Erreichbarkeit<br />
nahezu überall sichergestellt ist. Dadurch lassen sich auch kurzfristig<br />
immer wieder Zeitfenster finden. Auch Zeitzonen übergreifend<br />
lassen sich Gespräche ohne größere Probleme organisieren.<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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• Können Telefontermine nicht eingehalten werden, ist eine Verschiebung<br />
leichter möglich als bei längerfristig geplanten<br />
Präsenzterminen.<br />
• Die Telefonate können leicht in Randzeiten am Morgen, Mittag<br />
oder am Abend gelegt werden, so dass andere produktive Tätigkeiten<br />
nicht tangiert und die Opportunitätskosten minimiert<br />
werden. Natürlich fallen bei diesem Vorgehen auch keine Reisekosten<br />
an.<br />
Den interessierten Leser macht dieses Fallbeispiel vielleicht neugierig,<br />
aber überzeugen wird es vermutlich noch nicht. Ganz spontan regt sich<br />
Widerspruch:<br />
• Wieso sollte ein Klient zu einem wildfremden Menschen am<br />
anderen Ende der Telefonleitung irgendwo auf der Welt<br />
Vertrauen fassen und mit ihm persönliche Entwicklungsthemen<br />
besprechen?<br />
• Wie kann ein Coach, ohne dass er den Klienten sieht, erfassen<br />
worum es wirklich geht?<br />
• Und wie kann schließlich ein Coach unter den Einschränkungen<br />
des Telefons Wirkung entfalten und den Klienten beim Erreichen<br />
seiner Entwicklungsziele unterstützen?<br />
Diese und weitere Fragen finden Sie im zweiten Teil des Buchs<br />
untersucht und beantwortet. Für den Augenblick ist es genug, wenn Ihr<br />
Interesse geweckt ist. Im nächsten Schritt finden Sie dargelegt, worin<br />
genau der Paradigmenwechsel besteht, der mit dem Buchtitel<br />
<strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong> angedeutet ist.<br />
Der Paradigmenwechsel im <strong>Coaching</strong><br />
Das klassische Paradigma im <strong>Coaching</strong> ist die Vorstellung, dass es<br />
als Voraussetzung für die Durchführung eines erfolgreichen <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozesses notwendig ist, dass Coach und Klient sich von Angesicht zu<br />
Angesicht kennen. In keinem der gängigen deutschsprachigen<br />
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(Ralf Borlinghaus)<br />
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<strong>Coaching</strong>-Handbücher wird diese Voraussetzung hinterfragt, obwohl<br />
das Medium Telefon bekanntermaßen älter ist als das <strong>Coaching</strong> selbst. 3<br />
Auch sonst sind zu dieser Fragestellung aktuell keine Buch-Veröffentlichungen<br />
zu finden.<br />
Begründungen für das klassische Paradigma könnten wie folgt<br />
lauten:<br />
• <strong>Coaching</strong> beruht auf Vertrauen. Vertrauen erfordert, dass man<br />
sich kennt. Kennenlernen erfordert die physische Begegnung.<br />
Also müssen sich Coach und Klient begegnen.<br />
• <strong>Coaching</strong> ist auf die eine ganzheitliche Unterstützung des Klienten<br />
hin ausgerichtet. Das erfordert, dass der Coach den Klienten<br />
ganzheitlich mit allen Sinnen erfasst. Das erfordert die physische<br />
Anwesenheit von Coach und Klient an einem Ort.<br />
• <strong>Coaching</strong> ist im wesentlichen Kommunikation. Kommunikation<br />
findet wesentlich verbal und nonverbal statt. Der verlustlose<br />
Empfang aller gesendeten Nachrichten und Botschaften erfordert<br />
die physische Präsenz von Coach und Klient.<br />
• Wie der Arzt und der Therapeut behandelt der Coach seinen<br />
Klienten mittels verbaler und nonverbaler Interventionen. Der<br />
Coach kann auf der gesamten Klaviatur möglicher Interventionen<br />
nur dann frei spielen, wenn Coach und Klient sich in einem<br />
Raum befinden.<br />
<strong>Coaching</strong> über das Telefon muss bei dieser Betrachtung als eine<br />
Reduktion und Begrenzung von <strong>Coaching</strong> erscheinen, die in bestimmten<br />
Fällen und Ausnahmesituationen vielleicht in Kauf genommen<br />
werden kann, die jedoch gegenüber dem Präsenz<strong>Coaching</strong> als dem<br />
eigentlichen <strong>Coaching</strong>-Setting immer den Status der Behelfsmäßigkeit<br />
und der Zweitklassigkeit haben muss. Dies erscheint übrigens als so<br />
selbstverständlich, dass man darüber nicht eigens zu Reden braucht.<br />
Das wäre dann auch der Grund dafür, dass man das Telefon als<br />
3 Vgl. z. B. Rauen (2005), Migge (2007) und Kaweh (2008).<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong>-Instrument in der Literatur nicht eigentlich thematisiert<br />
findet.<br />
In Abgrenzung zu dem klassischen Paradigma lautet das Paradigma<br />
von <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong>. <strong>Coaching</strong> kann vollumfänglich am Telefon stattfinden. Mit<br />
anderen Worten: Nicht die Tatsache, dass Coach und Klient über Telefon<br />
miteinander kommunizieren, ist das Besondere. Das tut jeder<br />
Coach mehr oder weniger häufig. Der Paradigmenwechsel besteht<br />
darin, dass ein Klient durch <strong>Coaching</strong> seine Entwicklungsziele erreichen<br />
kann, ohne dass er jemals mit seinem Coach physisch zusammentrifft.<br />
Dabei bedeutet "kann" hier nicht, dass ein <strong>Coaching</strong>-Erfolg<br />
sich am Telefon vielleicht und ausnahmsweise auch einmal einstellen<br />
kann, sondern dass dies mit der gleichen Regelmäßigkeit und Wahrscheinlichkeit<br />
der Fall ist, wie im Präsenz<strong>Coaching</strong> auch. – Dies liest<br />
sich zunächst wie eine bloße Behauptung. Das bleibt es in diesem<br />
Kapitel auch, in dem es darum geht, diesen Paradigmenwechsel seinem<br />
Inhalt und seiner Bedeutung nach herauszuarbeiten. Im Kapitel II<br />
erhält der Paradigmenwechsel dann seine eigentliche Begründung.<br />
Wie sehr Paradigmen in unseren Gewohnheiten verankert sind und<br />
wie sehr dasjenige, was wir verteidigen, auf persönlichen Vorlieben<br />
beruht, mag folgendes Beispiel zeigen. Wir alle sind in den letzten 15<br />
Jahren durch Einführung und Etablierung von E-Mail, SMS, Chat,<br />
Twitter Zeugen eines Paradigmenwechsels in der schriftlichen Kommunikation<br />
geworden. Der gute alte Brief wird im geschäftlichen wie<br />
auch im privaten Rahmen mehr und mehr durch elektronische Medien<br />
ersetzt und wird künftig nur noch ein Schattendasein führen, ähnlich<br />
wie dies bereits bei der guten alten Vinylschallplatte gegenüber der<br />
Musik-CD der Fall ist. Wer vor 15 Jahren gefragt wurde, ob er ein<br />
Angebot mittels Postbrief oder als elektronischen Brief durch das<br />
Internet zugestellt haben wolle, hat mit großer Wahrscheinlichkeit für<br />
den klassischen Postweg optiert. Heute möchte man das Angebot<br />
möglichst sofort als PDF-Datei. Dabei akzeptiert man den elektronischen<br />
Weg nicht nur der Geschwindigkeit wegen, sondern aufgrund<br />
einer ganzen Reihe von praktischen Gründen, denen gegenüber das<br />
bloße Papierformat alt aussieht.<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Derzeit erfolgt mit der Einführung des eBooks ein weiterer Anschlag<br />
auf unsere Gewohnheiten. Längst haben wir uns daran gewöhnt, aktuelle<br />
Informationen aus dem Internet zu beziehen. Die Zeitungshäuser<br />
sind immer noch händeringend auf der Suche nach alternativen<br />
Geschäftsmodellen, um den permanenten Rückgang der Zeitungsauflagen<br />
zu kompensieren. Für viele ist es aber noch immer unvorstellbar,<br />
dass sie anstelle eines gebundenen Buches ein Lesegerät in der Hand<br />
halten und in einem Text schmökern werden. Aber genau dies wird in<br />
wenigen Jahren der Fall sein. - Die Beispiele machen deutlich, dass,<br />
wenn es um einen Paradigmenwechsel geht, die Diskussionen nicht<br />
immer nur auf der Sachebene geführt werden, sondern hier vielfach<br />
lieb gewonnene Denkgewohnheiten und Praktiken zur Disposition<br />
stehen und verteidigt werden, die sich mit der Zeit ganz von selbst<br />
erledigen.<br />
Dann gilt es noch auf die Traditionalisten einzugehen, die in jedem<br />
Paradigmenwechsel zuallererst den Verlust von bestehenden Fähigkeiten<br />
und Kompetenzen beklagen und dabei vergessen, dass das, dessen<br />
Verlust sie beklagen, ehedem selbst das Resultat eines Paradigmenwechsels<br />
gewesen ist: Überall dort, wo geschrieben wird, verblasst die<br />
Erinnerung sowie die Fähigkeit und Bereitschaft Wissenswertes auswendig<br />
zu lernen. Mit der Einführung des Buchdrucks wurden die<br />
Inflationierung des Wortes und die Entwertung des Überlieferten<br />
beklagt. Wo am Computer geschrieben wird, geht die Fähigkeit verloren,<br />
Gedanken klar vorzufassen und dann ohne große Korrekturen zu<br />
Papier zu bringen etc. - Ja: Die Einführung neuer Techniken und Verfahren<br />
erfordert neue Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dies ist auch beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> der Fall. Inwiefern beim <strong>Coaching</strong> über das Telefon sich<br />
die Anforderungen an den Coach, an Methoden und Interventionen<br />
weiterentwickeln, darüber geben Kapitel III und IV dieses Buches<br />
Auskunft.<br />
Wie also die E-Mail den Schriftverkehr revolutioniert hat, so wird<br />
Tele<strong>Coaching</strong> das <strong>Coaching</strong> als moderne Dienstleistung verändern und<br />
weiterentwickeln!<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Tele<strong>Coaching</strong> –<br />
Künftig eine Selbstverständlichkeit?<br />
Wie sieht eine Arbeitswelt aus, in der <strong>Coaching</strong> über das Telefon zur<br />
Selbstverständlichkeit geworden ist?<br />
• Wie Spitzensportler haben Führungskräfte und Manager ihren<br />
Coach, mit dem sie regelmäßig in telefonischem Kontakt stehen<br />
– zu jeder Zeit und an jedem Ort. Arbeitgeber erwarten, dass ihre<br />
Leistungsträger ständig an ihrer eigenen Weiterentwicklung<br />
arbeiten. Der Coach ist der ideale Sparringspartner für Führungskräfte<br />
und Manager, um die Leadership-Qualitäten in regelmäßigen<br />
Abständen zu supervisieren und weiterzuentwickeln.<br />
• Mit dem Telefon als zentralem Arbeitsmittel ist <strong>Coaching</strong> nicht<br />
mehr nur eine exklusive Leistung für Führungskräfte. Effiziente<br />
<strong>Coaching</strong>-Produkte und Prozesse führen zu einer Demokratisierung<br />
von <strong>Coaching</strong>-Angeboten und machen diese auch für<br />
andere Mitarbeitergruppen zugänglich.<br />
• Firmen richten für Ihre Mitarbeiter im Intranet <strong>Coaching</strong>-<br />
Plattformen ein, auf denen sie in kritischen Situationen kurzfristig<br />
und unbürokratisch die telefonische Unterstützung eines Coachs<br />
in Anspruch nehmen können.<br />
• Mitarbeiter erhalten wie selbstverständlich bei der Übernahme<br />
von anspruchsvollen neuen Aufgaben und Rollen einen Coach<br />
zur Seite, der ihnen mittels regelmäßiger Telefonate über Hürden<br />
und Klippen während der Einarbeitungszeit hinweghilft.<br />
• <strong>Coaching</strong> wird durch den Einsatz des Telefons zu einem Angebot,<br />
das sich auch Privatkunden verstärkt leisten können. Menschen<br />
lassen sich bei der Entfaltung ihrer Potenziale über das<br />
Telefon langfristig begleiten. Dabei wird nicht nach Stunden oder<br />
Stundenpaketen abgerechnet, sondern in günstigen monatlichen<br />
Pauschalen, durch die alle Telefonkontakte mit dem Coach<br />
innerhalb des definierten Zeitraums abgedeckt sind.<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• Freiberufler und Unternehmen lassen sich während der<br />
Geschäftsgründung und bei besonderen Herausforderungen<br />
durch einen Telefon-Coach begleiten. Oft reichen bereits einige<br />
kurze aber regelmäßige <strong>Coaching</strong>-Impulse um das Geschäft neu<br />
zu inspirieren.<br />
• Veränderungswillige lassen sich durch einen Telefon-Coach fit<br />
für den Stellenwechsel machen. Eine Standortbestimmung, die<br />
Definition von Karrierezielen, die entsprechende Positionierung<br />
mittels Bewerbungsunterlagen, die Unterstützung der Nutzung<br />
aktueller Bewerbungswege wie Anzeigen, Jobbörsen, Personalvermittler<br />
und soziale Netzwerke – alles dies wird wirksam und<br />
kosteneffizient über Telefon und Internet unterstützt.<br />
• Lernangebote, an denen Mitarbeiter in Form von Seminaren und<br />
Schulungen persönlich oder online teilnehmen, werden durch ein<br />
integriertes Umsetzungs-<strong>Coaching</strong>, das am Telefon persönlich<br />
oder in Kleingruppen erfolgt, deutlich effizienter und nachhaltiger.<br />
Der Coach sorgt dann dafür, dass innere Blockaden, die bei<br />
der Umsetzung des Erfolgswissens im Weg stehen, beseitigt<br />
werden.<br />
Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern gibt lediglich eine<br />
Idee von dem, was in Zukunft möglich sein wird. Wird der<br />
Paradigmenwechsel vollzogen und die Möglichkeit eines erfolgreichen<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesses auch ohne physische Bekanntschaft zwischen<br />
Coach und Klient ernsthaft in Erwägung gezogen, eröffnen sich neue<br />
Anwendungsmöglichkeiten für <strong>Coaching</strong>, die über die bisher üblichen<br />
Formate des Präsenz<strong>Coaching</strong>s weit hinausreichen.<br />
WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Diese Frage ist jetzt beantwortet. Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> bedeutet <strong>Coaching</strong> auf dem Grundsatz, dass <strong>Coaching</strong> vollumfänglich<br />
am Telefon erfolgen kann. Dieser Paradigmenwechsel sieht<br />
sich nicht im Gegensatz zur bisherigen Form des klassischen Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong>s, sondern als dessen konsequente Fortentwicklung, um den<br />
Anforderungen einer globalisierten Arbeitswelt mit modernen<br />
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I WAS ist Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Paradigmenwechsel<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong>-Dienstleistungen entsprechen zu können. Jetzt gilt es zu<br />
zeigen, dass Tele<strong>Coaching</strong> hinsichtlich seiner Wirksamkeit methodisch<br />
auf Augen- bzw. Ohrenhöhe zum Präsenz<strong>Coaching</strong> agiert.<br />
Coach me<br />
if you<br />
can!<br />
Yes I<br />
can!<br />
34
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? –<br />
Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Viele praktische Vorteile der telefonischen Beratung liegen auf der<br />
Hand. Manche werden Sie überraschen. Die meisten Coachs und Auftraggeber<br />
wären jedoch nicht bereit, praktische Vorteile mit einer<br />
methodischen Zweitklassigkeit zu erkaufen. Daher ist es Ziel dieses<br />
Kapitels zu zeigen, dass Tele<strong>Coaching</strong> gegenüber dem Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> auch methodisch neue Möglichkeiten bietet, bei denen qualitativ<br />
gegenüber den klassischen <strong>Coaching</strong>-Methoden keine Abstriche<br />
gemacht werden müssen. Praktische und methodische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s generieren nachweislich Effizienzgewinne, die Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> auch finanziell für Auftraggeber zu einer interessanten Alternative<br />
werden lassen. Sie werden nachvollziehen, dass alle <strong>Coaching</strong>-<br />
Indikationen auch telefonisch bearbeitet werden können und dass die<br />
Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s eher durch die Person des Coachs als<br />
durch den Klienten oder das Medium Telefon selbst gesetzt sind.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
Im Kapitel I wurde bereits dargestellt, wie sich das Tele<strong>Coaching</strong><br />
gewissermaßen als eine Notwendigkeit aus der Alltagspraxis heraus<br />
entwickelt hat. Die Anforderungen der globalisierten Arbeitswelt an<br />
Verfügbarkeit und Flexibilität von <strong>Coaching</strong> sind dergestalt, dass sich<br />
diese im Rahmen der bisherigen Präsenz<strong>Coaching</strong>-Formate immer<br />
schwerer oder nur unter erheblichem Aufwand für alle Beteiligten realisieren<br />
lassen. Bevor die methodischen Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden, sollen zunächst<br />
35
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
dessen praktische Implikationen für die handelnden Akteure, d. h. für<br />
den Klienten, den Auftraggeber und nicht zuletzt für den Coach einzeln<br />
ausgelotet werden.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Klienten<br />
Die Lebens- und Arbeitswelt von <strong>Coaching</strong>-Klienten im beruflichen<br />
Kontext ist tendenziell geprägt von Hektik und Kurzatmigkeit. Die<br />
Terminkalender sind in einer Weise durchgetaktet, dass für Privates<br />
kaum Raum bleibt. Der moderne Dualismus von Arbeit und Freizeit<br />
lässt sich bei vielen Führungskräften nicht durchhalten, so dass vielfach<br />
auch Wochenenden und Urlaub als letzte verbliebene Reservate für ein<br />
erfülltes Privatleben bedroht sind. In diese Lebenswelt hinein, in der<br />
der Anspruch auf noch nicht genommenen Urlaub aufgrund von<br />
Arbeitsüberlastung immer wieder zu verfallen droht, in der längst<br />
anstehende Arzt- und Untersuchungstermine immer wieder verschoben<br />
werden, kommt nun die Ermunterung seitens des Arbeitgebers,<br />
sich Zeit zum Schärfen der eigenen Säge zu nehmen und sich einem<br />
<strong>Coaching</strong> zu unterziehen. "Auch das noch!", ist hier der erste natürliche<br />
Reflex des Klienten.<br />
<strong>Coaching</strong> hat seinen Preis – auch für den Klienten, selbst wenn<br />
dieser ihn nicht selbst in barer Münze bezahlen muss. Denn <strong>Coaching</strong><br />
fordert von dem Klienten<br />
• sich aus dem Alltag heraus zu begeben und innezuhalten,<br />
• die Bereitschaft, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen,<br />
• die eigene Komfortzone zu verlassen und sich zu verändern,<br />
• und sich dafür auch noch eigentlich gar nicht vorhandene Zeit zu<br />
nehmen, was zu zeitlichen Engpässen und Schwierigkeiten an<br />
anderen Stellen im Beruf oder Privatleben führt.<br />
Damit der Klient bereit ist, diesen Preis zu bezahlen, muss der innere<br />
oder äußere Druck für ein <strong>Coaching</strong> oft erst entsprechend hoch sein.<br />
Wiegt die Zeitkomponente schwer, wird sie leicht auch zur willkom-<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
menen Entschuldigung, sich nicht in die vielleicht als unangenehm<br />
vermutete Auseinandersetzung mit sich selbst begeben zu müssen.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt senkt Tele<strong>Coaching</strong> für den Klienten die<br />
Einstiegshürde und somit den persönlichen Preis für ein <strong>Coaching</strong>:<br />
• Da ein erstes Telefonat zwischen Coach und Klient viel schneller<br />
zu organisieren ist als ein persönliches Erstgespräch, vergeht<br />
weniger Zeit zwischen der Indikation des <strong>Coaching</strong>s und dem<br />
Beginn des <strong>Coaching</strong>-Prozesses. Auch ist der zeitliche Aufwand,<br />
den der Klient betreiben muss, um aus mehreren möglichen<br />
Coachs den für ihn passenden Coach auszuwählen, geringer,<br />
wenn er dies am Telefon tun kann statt jeden Coach persönlich<br />
zu treffen. 4<br />
• Sofern mit dem <strong>Coaching</strong> eine Anreise entweder des Coachs oder<br />
des Klienten verbunden ist, werden aus Gründen der Effizienz<br />
tendenziell längere <strong>Coaching</strong>-Gespräche eingeplant. <strong>Coaching</strong>-<br />
Telefonate sind demgegenüber kürzer und dauern selten länger<br />
als eine Stunde und lassen sich damit leichter in den Arbeitsalltag<br />
integrieren.<br />
• Da am Telefon <strong>Coaching</strong>-Gespräche beliebig kurz sein können,<br />
können bei gleichem Zeitbudget viel mehr Kontakte erfolgen als<br />
beim Präsenz<strong>Coaching</strong>. Während beim Präsenz<strong>Coaching</strong> Klient<br />
und Coach im Abstand von mehreren Wochen zusammentreffen,<br />
können Coach und Klient häufiger, ja sogar mehrmals wöchentlich<br />
miteinander sprechen. Der Klient taucht auf diese Weise<br />
intensiver in das <strong>Coaching</strong> ein, was für die Erreichung seiner<br />
Entwicklungsziele förderlich ist.<br />
• Tele<strong>Coaching</strong> kann abseits der "Hauptsendezeit" auch zu<br />
Randzeiten – morgens, mittags oder abends – erfolgen. Für den<br />
Klienten besteht keine Notwendigkeit produktive Zeiten für ein<br />
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zunächst unproduktives<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräch zu blockieren.<br />
4 Voraussetzung hierfür ist, dass dies am Telefon genauso gut möglich ist wie im<br />
persönlichen Gespräch. Dies wird in Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s gezeigt<br />
(S. 44 ff).<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
• Ein Telefonat kommt dem Bedürfnis einer Führungskraft nach<br />
zeitlicher Flexibilität in besonderer Weise entgegen. Denn häufig<br />
lassen sich Termine langfristig nur schwer planen und <strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräche stehen für den Klienten dann im Vergleich zu<br />
geschäftsrelevanten Terminen eher zur Disposition. Ein Telefonat<br />
lässt sich leichter umdisponieren als ein Präsenz-Termin.<br />
• Am Telefon verdichtet sich der <strong>Coaching</strong>-Prozess so, dass das<br />
<strong>Coaching</strong>-Ziel in der Regel mit weniger zeitlichem Aufwand als<br />
beim Präsenz<strong>Coaching</strong> erreicht wird: Der Gesprächseinstieg<br />
erfolgt schneller. Die Phase des Ankommens ist deutlich verkürzt,<br />
der gemeinsame Kaffee entfällt. Das Gespräch selbst<br />
bekommt eine höhere Dichte und auch der Gesprächsausstieg<br />
erfolgt weniger umständlich. Wir haben die Erfahrung gemacht,<br />
dass wir bei den üblichen <strong>Coaching</strong>-Indikationen in etwa 70 Prozent<br />
der sonst erforderlichen Zeit die vereinbarten <strong>Coaching</strong>-<br />
Ziele erreichen. 5 Für den Klienten bedeutet dies, dass er früher<br />
von dem gewünschten Zielzustand profitieren kann.<br />
• Führungskräfte und Manager sind viel unterwegs. Da die<br />
telefonische Erreichbarkeit heutzutage fast überall auf der Welt<br />
sichergestellt ist, können Reisezeiten und Hotelaufenthalte sehr<br />
gut auch für <strong>Coaching</strong>-Gespräche am Telefon genutzt werden.<br />
Auf diese Weise kann der <strong>Coaching</strong>-Prozess auch bei intensiver<br />
Reisetätigkeit und über große Distanzen aufrechterhalten werden<br />
und der Klient kann kontinuierlich an seinen Entwicklungsthemen<br />
arbeiten.<br />
Viele Coach-Kollegen hegen an dieser Stelle den Verdacht, dass sich<br />
jetzt auch noch das <strong>Coaching</strong> als einer der letzten Rückzugsräume für<br />
ein Gespräch in Ruhe und ohne Hektik dem Diktat des Zeitdrucks<br />
beugen und gewissermaßen als Tele<strong>Coaching</strong> zum seelischen Fast-<br />
Food verkommt. Die tendenziell ungesunde Lebensweise einer<br />
Führungskraft werde mittels Telefon ein weiteres Mal bestätigt statt<br />
geheilt. <strong>Coaching</strong> müsse entschleunigend wirken, eine Insel der Ruhe<br />
und Reflexion in einem Ozean der Betriebsamkeit und Hektik bilden.<br />
5 Die Gründe hierfür werden in Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s erörtert (S. 44 ff).<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
Am besten sei es daher, wenn das <strong>Coaching</strong> außerhalb der Büroräume<br />
in einer besonderen Umgebung stattfindet. Für viele Klienten sei es<br />
hilfreich, wenn sie sogar eine gute Strecke Wegs auf sich nehmen<br />
müssen, um an den Ort zu kommen, an dem das <strong>Coaching</strong> stattfindet.<br />
Auf diese Weise gewännen die Klienten erst den notwendigen Abstand,<br />
um das eigene Tun und Lassen grundsätzlich zu überdenken und die<br />
gewünschten Reflexions- und Entwicklungsprozesse auszulösen. Wie<br />
Fast Food – so räumen die Kollegen gerne ein – mag Tele<strong>Coaching</strong> ja<br />
ungemein praktisch sein. Aber wie Fast Food ist für sie <strong>Coaching</strong> am<br />
Telefon nicht gesund, zumindest nicht nahrhaft, d. h. im besten Sinne<br />
wirksam. Dies ist tatsächlich ein wichtiger Einwand, der unter "Methodische<br />
Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s" erörtert wird. Denn ein praktischer<br />
Zugewinn zu Lasten der Qualität der Ergebnisse wäre auch für uns<br />
inakzeptabel.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Auftraggeber<br />
Bei den meisten <strong>Coaching</strong>s sind Klient und Auftraggeber nicht dieselbe<br />
Person. Nach wie vor wird der deutlich überwiegende Teil aller<br />
<strong>Coaching</strong>-Aufträge durch den Arbeitgeber des Klienten erteilt, dem es<br />
immer in irgendeiner Form um entweder die Wiederherstellung, Aufrechterhaltung<br />
oder Steigerung der Leistungsfähigkeit seines Mitarbeiters<br />
geht. Inwiefern kann der Arbeitgeber ein praktisches Interesse an<br />
der Durchführung von <strong>Coaching</strong>-Prozessen am Telefon entwickeln?<br />
• In Sonntagsreden heben Unternehmensführer gerne die Bedeutung<br />
und den Wert der Mitarbeiter als einen der wichtigsten kritischen<br />
Faktoren für den Unternehmenserfolg hervor. In der<br />
Praxis kämpfen Personalentwicklungsabteilungen mit ohnehin<br />
schon knappen Budgets, die in wirtschaftlich schwierigen Situationen<br />
als erstes dem Rotstift zum Opfer fallen. Aufgrund der<br />
finanziellen Vorteile des Tele<strong>Coaching</strong>s, die leicht zu einer<br />
Kostenersparnis von 30 bis 40 Prozent gegenüber dem<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
herkömmlichen Präsenz<strong>Coaching</strong> führen 6 , lässt sich auch mit<br />
weniger Mitteln im <strong>Coaching</strong> viel erreichen.<br />
• Wie die Automobilindustrie hat auch die Personalentwicklung in<br />
Krisenzeiten ein Problem: Wie dort die sprit-fressenden Boliden<br />
sich als unverkäuflich erweisen und auf dem Hof bleiben, werden<br />
aufwändige Seminar- und <strong>Coaching</strong>-Formate durch die<br />
Führungskräfte derzeit nur zögernd angenommen und gebucht.<br />
Die Teilnahme an solchen Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
wird, während sonst im Unternehmen überall gespart und sogar<br />
Mitarbeiter entlassen werden, zunehmend als unpassend erlebt.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> und TeleSeminare wirken demgegenüber in der<br />
Personalentwicklung wie alternative Antriebskonzepte, nach<br />
denen die Automobilhersteller händeringend suchen. Dabei<br />
können Tele- und Präsenz-Einheiten nahezu beliebig zu Hybridformen<br />
verbunden werden, die ihre jeweilige Wirkung wechselseitig<br />
stärken. Der Einsatz von Tele<strong>Coaching</strong> in Verbindung mit<br />
klassischen Seminarformaten ist somit geeignet, die Personalfunktion<br />
innerhalb des Unternehmens als innovativ und zeitgemäß<br />
zu positionieren.<br />
• <strong>Coaching</strong> goes green! – Tele<strong>Coaching</strong> bringt Mitarbeiter mit ihrem<br />
Entwicklungsziel auf energieeffiziente Art und Weise intelligent<br />
von A nach B. Eingesparte Reisekosten und somit verminderte<br />
CO 2 Emissionen können gute Argumente sein, mit denen die<br />
Personalentwicklung im Rahmen der environmental awareness und<br />
corporate social responsibility Tele<strong>Coaching</strong> und damit sich selbst als<br />
umweltbewusst innerhalb und außerhalb des Unternehmens<br />
positionieren können.<br />
• Wenn ein Arbeitgeber einen <strong>Coaching</strong>-Prozess veranlasst, gibt es<br />
immer auch ein handfestes wirtschaftliches Unternehmensinteresse.<br />
Entweder gilt es ein ursprüngliches Leistungsniveau wieder<br />
herzustellen, das bisherige Niveau zu halten oder aber zu steigern.<br />
<strong>Coaching</strong> soll mittelbar immer den wirtschaftlichen Erfolg<br />
des Arbeitgebers fördern. Durch den Verdichtungseffekt beim<br />
6 Vgl. Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong> (S. 57 ff).<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
Tele<strong>Coaching</strong> 7 verkürzt sich der <strong>Coaching</strong>-Prozess und das<br />
Unternehmen kommt entsprechend früher in den Genuss der<br />
gewünschten Wirkung. Neben der größeren Wirtschaftlichkeit<br />
auf der Kostenseite entsteht somit für den Arbeitgeber durch<br />
Tele<strong>Coaching</strong> auch ein höherer Nutzen durch eine tendenziell<br />
schnellere Wirksamkeit.<br />
• Tele<strong>Coaching</strong> ist geeignet, <strong>Coaching</strong>-Prozesse auch administrativ<br />
zu verschlanken und somit zu verbilligen. Die Fallstudie II im<br />
Kapitel I gibt davon eine konkrete Vorstellung 8 . Durch eine stärkere<br />
Beteiligung der Klienten schon bei der Installation des<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesses lassen sich unnötige und teure kommunikative<br />
Umwege vermeiden und das <strong>Coaching</strong>-Ziel auf direkterem<br />
Weg erreichen. Wir zeigen, wie eine Personalabteilung <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozesse in der Endausbaustufe quasi automatisieren kann bei<br />
vollem Überblick über Kostenstrukturen und die erzielte Qualität.<br />
In der Folge ergeben sich für die Personalentwicklungsverantwortlichen<br />
zusätzliche zeitliche Freiräume, die entsprechend<br />
anderweitig investiert werden können. 9<br />
• Viele Personalabteilungen haben einen großen Coach-Pool installiert,<br />
d. h. ein eigenes Partnernetzwerk von Coachs, um möglichst<br />
eine standortnahe Versorgung mit Coachs sicherzustellen, damit<br />
der Reiseaufwand so gering wie möglich gehalten wird. Die<br />
Rekrutierung und Betreuung geeigneter Coachs ist aufwändig.<br />
Manche Unternehmen führen <strong>Coaching</strong>-Tage durch, um<br />
Unternehmen und Coachs miteinander bekannt machen. Eine<br />
weitergehende regelmäßige Betreuung der <strong>Coaching</strong>-Lieferanten<br />
ist dann jedoch durch die Personalabteilung nicht mehr zu leisten.<br />
Da man viele Coachs auf Vorrat rekrutiert hat, kommt in der<br />
Regel nur eine Minderheit mit Aufträgen zum Zuge und der Rest<br />
mutiert zu Karteileichen und ist zur Teilnahme an weiteren<br />
<strong>Coaching</strong>-Tagen nur noch schwer zu bewegen. – Was auf natio-<br />
7 Vgl. Nicht billig aber günstig (S. 57 ff).<br />
8 Siehe S. 25.<br />
9 Siehe Alles aus einer Hand – Tele<strong>Coaching</strong> als moderne Service Dienstleistung bei der Clariant<br />
AG(S. 276 ff).<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
naler Ebene, wenngleich oft nur mit großem Aufwand, noch<br />
funktioniert, geht im internationalen Rahmen häufig nicht mehr.<br />
Da werden dann für die oberen Führungskräfte entweder die<br />
Top-Coachs teuer durch die Welt bewegt oder aber die Organisation<br />
und Durchführung der <strong>Coaching</strong>-Prozesse wird an die<br />
Landes-Personalabteilungen delegiert verbunden mit einem<br />
entsprechenden Kontrollverlust. Beim Aufbau eines TeleCoach-<br />
Pools ist dagegen nur auf die gewünschten Qualifikationen zu<br />
achten. Regionale Kriterien spielen aufgrund der weltweiten<br />
Präsenz eines TeleCoachs dagegen keine Rolle. Daher kann der<br />
TeleCoach-Pool auch kleiner gehalten sein und für das Gesamtunternehmen<br />
zentral aufgebaut, betreut und gesteuert werden.<br />
Sofern methodische Bedenken gegenüber dem Tele<strong>Coaching</strong> später<br />
entkräftet werden können, eröffnen sich unter praktischen Gesichtspunkten<br />
für die Personalentwicklung erhebliche Effizienzpotenziale bei<br />
Planung und Management von <strong>Coaching</strong>-Angeboten innerhalb von<br />
Unternehmen.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – praktisch für den Coach<br />
Welche praktischen Aspekte hat die Arbeit am Telefon schließlich<br />
für den Coach?<br />
• Dass sich Coach und Klient am gleichen Ort befinden, ist eher<br />
die Ausnahme. Zwar kann die Coach-Auswahl in Ballungsgebieten<br />
auch unter dem Gesichtspunkt räumlicher Nähe erfolgen,<br />
doch ist das entscheidende Kriterium in der Regel die<br />
Passgenauigkeit des Coachs. Im Zweifel nimmt der Auftraggeber<br />
hier auch größere Distanzen in Kauf. Um die<br />
Opportunitätskosten, d. h. den Produktivitätsausfall durch<br />
<strong>Coaching</strong> gering zu halten, erwarten viele Auftraggeber, dass bei<br />
größeren Distanzen der Coach seinen Klienten aufsucht.<br />
Entweder trifft man sich im Unternehmen oder in geeigneten<br />
Lokalitäten in der näheren Umgebung. Zwar werden die<br />
Reisekosten in den meisten Fällen vergütet, der Produktivitäts-<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Tele<strong>Coaching</strong> – Eine praktische Alternative<br />
__________________________________________________<br />
verlust jedoch nicht. Nur wenige Coachs können für die<br />
Durchführung einer zwei bis dreistündigen <strong>Coaching</strong>-Sitzung<br />
mehr als einen halben Tag abrechnen, obwohl mit An- und<br />
Abreise häufig ein ganzer Tag benötigt wird. Selbstverständlich<br />
versucht der Coach weitere Termine sinnvoll um den<br />
eigentlichen <strong>Coaching</strong>-Termin herumzulegen. Umso ärgerlicher<br />
ist es dann, wenn es zu kurzfristigen Terminverschiebungen<br />
kommt, die die gesamte Reiseplanung durcheinander bringen<br />
können. Beim Tele<strong>Coaching</strong> treten diese Schwierigkeiten nicht<br />
auf. Telefongespräche können nacheinander ohne zeitlichen<br />
Aufwand für An- und Abreise geplant werden. Wird dann ein<br />
Telefonat kurzfristig abgesagt und verschoben, dann kann die<br />
freiwerdende Zeit leicht mit anderer Schreibtischtätigkeit sinnvoll<br />
gefüllt werden. – Kurz: Beim Tele<strong>Coaching</strong> bleibt im wortwörtlichen<br />
Sinn weniger Lebenszeit auf der Strecke.<br />
• Durch Tele<strong>Coaching</strong> lässt sich die Produktivität des Coachs<br />
erhöhen. Die meisten Coachs sind auf verschiedenen Geschäftsfeldern<br />
aktiv. Häufig ergänzen Tätigkeiten als Trainer oder Berater<br />
das Dienstleistungsportfolio eines Coachs. Freiräume, die sich<br />
dadurch ergeben, dass nicht immer volle Tage durch einen Kunden<br />
vor Ort oder durch konzeptionelle Schreibtischarbeit belegt<br />
sind, können für <strong>Coaching</strong>-Telefonate genutzt werden.<br />
• Ein Coach, der Klienten zu sich bestellt, muss repräsentative<br />
Büroräume vorhalten. Dieser Aufwand entfällt natürlich, wenn<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche beim Klienten oder eben am Telefon<br />
geführt werden.<br />
• Demgegenüber sind die Infrastrukturkosten beim Telefon auch<br />
im internationalen Einsatz verschwindend gering. Flatrates und<br />
Internettelefonie ermöglichen es, die Gesprächskosten auf ein<br />
Minimum zu reduzieren.<br />
• In Präsenz-Sitzungen kann sich der Coach in der Regel nur handschriftliche<br />
Notizen machen. Der Einsatz eines Laptops wird in<br />
der Gesprächssituation von dem Klienten als störend erlebt.<br />
Beim Einsatz eines Headsets am Telefon kann der im Umgang<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
mit dem Computer versierte Coach seine Notizen direkt in den<br />
PC eingeben, wodurch die Dokumentation des <strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
effizienter wird. Der Aufwand für die Nachbereitung reduziert<br />
sich deutlich.<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s –<br />
Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
Die praktischen Vorteile des Tele<strong>Coaching</strong>s sind jetzt deutlich. Wir<br />
haben sie oben aus den unterschiedlichen Perspektiven von Klient,<br />
Auftraggeber und Coach dargestellt. Fragt sich nur, ob „praktisch“<br />
auch „gut“ ist. Keiner der Beteiligten wäre bereit, zugunsten<br />
praktischer Vorteile Abstriche an der Qualität eines <strong>Coaching</strong>s zu<br />
machen. Die Frage ist, ob <strong>Coaching</strong> durch den Einsatz des Telefons als<br />
zentrales Arbeitsmittel an Qualität gewinnt oder verliert. Wir werden<br />
im Weiteren zeigen, dass <strong>Coaching</strong> am Telefon eine eigene Qualität<br />
besitzt, die hinter der des Präsenz<strong>Coaching</strong>s nicht zurückbleibt.<br />
Die Welt ist Klang – Dem Hören Raum geben<br />
Es ist das Verdienst des langjährigen und bekannten Jazz-Redakteurs<br />
beim Südwestfunk Baden-Baden, Joachim Ernst Berendt, die Bedeutung<br />
des Hörens für die menschliche Existenz in seinen wissenschaftlichen,<br />
kulturellen und spirituellen Dimensionen ausgelotet zu haben.<br />
Seine Rechercheergebnisse hat Berendt unter dem Titel, Nada Brahma.<br />
Die Welt ist Klang, 1983 im Insel-Verlag veröffentlicht. In überzeugender<br />
Weise macht Berendt den Primat des Hörens gegenüber dem<br />
Sehen geltend, ohne das Sehen selbst dabei abzuwerten. Wer Berendt<br />
in seiner Argumentation folgt, wird in der Marginalisierung des<br />
Sehsinns beim Tele<strong>Coaching</strong> keinen Verlust sehen, sondern die<br />
Chance, das Potenzial des Hörens voll zur Geltung zu bringen. Wir<br />
wollen daher in diesem Abschnitt die Perspektive nachzeichnen, die<br />
Berendt in Nada Brama in Bezug auf das Hören und Sehen einnimmt.<br />
44
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Berendt bezeichnet den Gehörsinn als den "reichsten und differenziertesten<br />
unserer Sinne". Neben dem Verweis auf moderne Experimente,<br />
durch die die größere Sensibilität des Ohres gegenüber dem<br />
Auge nachgewiesen worden sei, zitiert Berendt Georg Leonard, der die<br />
Plausibilität dieser These an einem ganz einfachen Beispiel nachweist:<br />
"Unser Gehörsinn ist in der Tat ein Wunder und übertrifft das Sehvermögen<br />
in vielerlei Hinsicht. Wenn ein Maler beispielsweise drei<br />
Farbtöne miteinander vermischt, kann unser Auge das Resultat nur<br />
als eine einzige neue Farbe wahrnehmen. Wenn Klarinette, Flöte und<br />
Oboe zusammen erklingen, kann unser Ohr die resultierende<br />
Mischung sowohl als neuen Klang wahrnehmen, wie auch die drei<br />
Instrumente, die diesen Klang hervorbringen, voneinander unterscheiden."<br />
10<br />
In Anlehnung an den Musikwissenschaftlicher Hans Kayser<br />
beschreibt Berendt das Phänomen, dass das Ohr hinsichtlich der<br />
Exaktheit des Hörens dem Sehen des Auges deutlich überlegen ist.<br />
Dabei macht er die Fähigkeit des Durchschnittshörers geltend, die<br />
Stimmigkeit bzw. Unstimmigkeit einer Oktave genau feststellen zu<br />
können. Das Ohr ist demnach in der Lage, genaue Zahlenverhältnisse,<br />
die der Harmonielehre zugrunde liegen, zu hören und Abweichungen<br />
davon als Misstöne zu identifizieren. Dagegen kann niemand "sehen,<br />
ob die Schwingungsverhältnisse zweier Farben im Lichtspektrum um<br />
das Doppelte oder um die Hälfte voneinander verschieden sind." Ein<br />
akustischer Ton lässt sich mathematisch exakt definieren und hören: als<br />
C, D, E, F usw. Ein Farbton wird dagegen im Alltagsgebrauch nur<br />
ungefähr und bildhaft beschrieben und gesehen: Preußischblau, Marineblau,<br />
Himmelblau, Veilchenblau etc. 11<br />
Sinneswahrnehmungen sind Empfindungen und Ausdruck seelischer<br />
Aktivität. Nur beim Gehörsinn – so Berendt weiter – sind Denken und<br />
Empfinden auf das engste miteinander verbunden. Nur im Vorgang<br />
des Hörens ist unsere Seele imstande, "die Richtigkeit oder Unrichtigkeit<br />
einer intellektuellen Größe festzustellen. Umgekehrt haben wir<br />
durch das Phänomen der Tonzahl aber auch die Möglichkeit, Proporti-<br />
10 Georg Leonard, Der Rhythmus des Kosmos, Scherz, Bern/ München, zit. n.<br />
Berendt (1983), S. 224.<br />
11 Behrendt (1983), S. 224-225.<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
onen und Maßzahlen im seelischen Bereich zu entwickeln." 12<br />
Demgegenüber ist die Wahrnehmung des Auges "vager" und "ungefährer".<br />
Es bleibt mehr an der Oberfläche der Dinge haften. Der bloße<br />
"Augenschein" trügt oft. Wenn man sich nicht von der Oberfläche der<br />
Dinge, ihrer bloßen "Erscheinung", täuschen lassen sondern die Dinge<br />
in der Tiefe und ihrem Wesen nach erkennen will, dann muss man sie<br />
"durchschauen". 13 Berendt zitiert den mit acht Jahren erblindeten<br />
französischen Schriftsteller und Hochschullehrer Jacques Lusseyran:<br />
"Unsere Augen gehen über die Oberfläche der Dinge. Sie bedürfen<br />
nur einiger verstreuter Punkte, und blitzartig füllen sie die Zwischenräume.<br />
Sie erahnen viel mehr, als sie sehen, und niemals, oder fast<br />
niemals, prüfen sie die Dinge. Sie geben sich mit den Erscheinungen<br />
zufrieden, und in diesen gleitet die Welt schimmernd dahin und verbirgt<br />
ihren wesentlichen Inhalt."<br />
Auf einen weiteren Aspekt im Unterschied von Sehen und Hören<br />
macht Berendt aufmerksam: Im Deutschen sind das Auge und das Ohr<br />
beides Begriffe im Neutrum. Im Lateinischen dagegen ist oculus (Auge)<br />
männlich und auris (Ohr) weiblich. Berendt hebt hervor, dass "interessanterweise<br />
auch in der chinesischen Überlieferung das Ohr ein Yin-,<br />
also ein mehr weibliches, das Auge aber ein Yang-, also ein mehr<br />
männliches Organ" ist. 14 Das Aktive und Männliche des Sehens offenbart<br />
sich im Deutschen in folgenden Ausdrücken: Ins Auge fassen, in<br />
Augenschein nehmen, sich umsehen, betrachten, spähen, fokussieren, durchschauen.<br />
Das passiv-weibliche des Hörens wird deutlich an Ausdrücken wie:<br />
zuhören, lauschen, horchen, verstehen. Welche Qualität hat das <strong>Coaching</strong>? Ist<br />
<strong>Coaching</strong> mehr Yin oder Yang? Mehr weiblich oder männlich? Es ist<br />
offensichtlich, dass das Zuhören, das Hinhören auf das Wesentliche,<br />
das reflexive und verstehende Element im <strong>Coaching</strong> grundlegend sind.<br />
Diese Elemente können dem Hören unmittelbar zugeordnet werden.<br />
Es könnte jetzt der Eindruck entstehen, als sollten Auge und Ohr<br />
gegeneinander ausgespielt werden. Dabei geht doch auch die chinesische<br />
Philosophie von der Komplementarität, der Zusammengehörig-<br />
12 Behrendt (1983), S. 225.<br />
13 Behrendt (1983), 226-227.<br />
14 Behrendt (1983), 237.<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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keit und Gleichzeitigkeit der Prinzipien Yin und Yang aus. Genau diese<br />
Gleichzeitigkeit, so könnte man jetzt einwenden, ist nur in der persönlichen<br />
Begegnung möglich und das Coachen am Telefon würde stattdessen<br />
nur zu einer künstlichen und sogar kontraproduktiven Einseitigkeit<br />
führen. Der Einwand ist berechtigt, lässt sich aber mit Blick auf<br />
die Tatsache entkräften, dass der heutige Mensch zuallererst ein<br />
Augenmensch ist. In unserer bunten Medienwelt ist das Hören durch<br />
das Sehen überlagert. "Die Ohren werden überhaupt nur noch benutzt,<br />
wenn die Augen nicht ausreichen, sie verkümmern zum Hilfs- und<br />
Ergänzungsorgan. Es ist dann fast ein Reflex: Die Funktionen der<br />
Ohren werden nur noch dann abgerufen, wenn die Informationen<br />
durch die Augen beim besten Willen nicht ausreichen." 15 Immer dort,<br />
wo das Sehen ausgeschaltet wird, erhalten die anderen Sinne die<br />
Chance, ihr volles Potenzial zu entfalten. Jacques Lousseyrant<br />
beschreibt das Erlebnis der Entfaltung seines Tastsinns nach seiner<br />
Erblindung so:<br />
"Als ich noch meine Augen hatte, waren meine Finger steif und am<br />
Ende der Hände halb abgestorben, gerade recht, die Bewegungen des<br />
Greifens auszuführen. [Nach der Erblindung begann ich zu spüren,<br />
dass] die Objekte leben, selbst die Steine. Mehr noch, sie vibrieren,<br />
sie erzittern. Meine Finger fühlten deutlich dieses Pulsieren... Wenn<br />
jeder meiner Finger verschieden stark gegen die Rundungen eines<br />
Apfels drückte, wusste ich bald nicht mehr, ob der Apfel schwer war<br />
oder meine Finger... Ich war ein Teil des Apfels geworden und der<br />
Apfel ein Teil von mir. Das war es, wie die Dinge – für mich – existierten.“<br />
Entsprechend bietet <strong>Coaching</strong> am Telefon die Chance, durch Ausschaltung<br />
des Sehsinns viel genauer hinzuhören und dem Gehörten,<br />
den Unter-, Zwischen- und Obertönen auf den Grund zu gehen. Wer<br />
meint, dass dies in einer Präsenzsituation ebenso möglich sei, mache<br />
sich den Unterschied zwischen einem Konzertbesuch und dem intensiven<br />
Hören des Musikmitschnitts am Kopfhörer (ohne Videobild!)<br />
bewusst: Der Konzertbesuch erfolgt mit allen Sinnen: Die Augen<br />
sehen den Konzertsaal, die Musiker, die Instrumente, die übrigen<br />
Konzertbesucher, die Lichteffekte. Unterschiedliche Gerüche prägen<br />
15 Behrendt (1983), S. 232.<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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die Atmosphäre. Man sitzt oder steht auf Tuchfühlung. Der Konzertbesucher<br />
gibt sich mit allen Sinnen diesem Erlebnis hin. Ganz anders<br />
ist die Situation am Kopfhörer. Der Hörer hat es sich vielleicht auf<br />
einem Sofa bequem gemacht und liegt entspannt, der Raum ist abgedunkelt,<br />
die Augen hält er geschlossen und ist ganz auf das Hören<br />
konzentriert. Nichts lenkt ihn ab. In dieser Situation hört er Feinheiten<br />
und Nuancen, die ihm im Konzert entgangen sind, vielleicht hört er<br />
sogar den einen oder anderen Patzer, den er im Konzert überhört hat.<br />
Es handelt sich hier um einen intensiven und konzentrierten Musikgenuss,<br />
der durch keine anderen Sinneseindrücke eingetrübt wird. Immer<br />
dann, wenn es für den Musikkonsumenten darum geht, in Stimmung<br />
und Atmosphäre einer Musikaufführung einzutauchen, dann sollte er<br />
ins Konzerthaus gehen. Dann, wenn er sich intensiv und konzentriert<br />
mit der Musik als solcher auseinandersetzen will, wird der Musikgenuss<br />
am Kopfhörer vermutlich gehaltvoller sein.<br />
Was bedeutet das bezogen auf das Tele<strong>Coaching</strong>? Die Präsenz-Situation<br />
schafft immer einen Rahmen, in dem das Hören abgelenkt ist<br />
durch eine Vielfalt von Sinneseindrücken. Am Telefon besteht die<br />
Chance, dass sich das Verständnis des Gehörten vertieft.<br />
Unsichtbarkeit – Den Körper zum Sprechen bringen<br />
Interaktive Kommunikation findet bekanntlich verbal und nonverbal,<br />
d. h. über das gesprochene Wort und über Körpersprache statt.<br />
<strong>Coaching</strong> ist interaktive Kommunikation. Also kann <strong>Coaching</strong> im vollumfänglichen<br />
Sinne nur in einer Präsenz-Situation stattfinden. So in<br />
etwa lautet in Kurzform die Argumentationskette derjenigen, die sich<br />
das Tele<strong>Coaching</strong> nicht so recht vorstellen können. Was ist dem entgegenzusetzen?<br />
Hört man den Mitschnitt einer Theaterinszenierung als reine Audioversion,<br />
dann vermittelt sich zwar auf diese Weise der gesprochene<br />
Text, das wesentliche des Schauspiels: Bühnenbild sowie Mimik und<br />
Gestik der Schauspieler, in der sich wesentliche Aspekte der Textinterpretation<br />
manifestieren, kommen abhanden. Die Höraufnahme eines<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Schauspiels muss gegenüber der eigentlichen Aufführung immer defizitär<br />
sein. Wie stellt sich demgegenüber eine Gesprächssituation im<br />
Business-Kontext dar? Während im Theater und auf der Bühne<br />
beinahe alles erlaubt ist, unterliegen im Geschäftsleben alle Interaktionen<br />
strikten Normen und Vorgaben. Neben der Sprache ist auch der<br />
Körperausdruck streng reglementiert: man lächelt, auch wenn einem<br />
nicht zum Lächeln zumute ist; man sitzt aufrecht auch wenn man sich<br />
lieber ausstrecken würde; man unterdrückt ein Gähnen eher als dass<br />
man ihm freien Lauf gibt; man hält die Hände still auch wenn man<br />
lieber mit seinem Stift spielen würde; man bleibt sitzen auch wenn man<br />
lieber aufstehen und herumlaufen würde. Pointiert könnte man sagen:<br />
Im Geschäftsleben hält die Körpersprache die zwischenmenschliche<br />
Interaktion im Zaum. Weil man vor Enthusiasmus und Freude nicht<br />
aufspringt, ist auch der verbale Ausdruck der empfundenen Freude ein<br />
limitierter. Das obligate Lächeln im Gesicht verhindert den verbalen<br />
Wutausbruch. Wer Haltung bewahrt, beugt der sprachlichen Erschütterung<br />
vor. Im Geschäftsleben ist demnach der Körper tendenziell<br />
gehindert, vollgültiges sprachliches Ausdrucksinstrument für aktuelle<br />
Stimmungen und Empfindungen zu sein. Mehr noch, der Körper hält<br />
durch Konventionen das Sprechen selbst im Zaum.<br />
Selbstverständlich kann der geübte Interpret auch verhaltenen<br />
körpersprachlichen Ausdrucksformen einen Sinn abgewinnen. Das ist<br />
sogar notwendig, um so das reduzierte Sprechen ein Stück weit zu<br />
kompensieren. Wer in Präsenz-Situationen der Körpersprache nicht<br />
mächtig ist, dem entgehen in der Tat wesentliche Informationen. Wie<br />
stellt sich demgegenüber die Gesprächssituation am Telefon dar? Sie<br />
werden nicht lange in Ihrem Gedächtnis nach Ausschnitten von<br />
Filmen suchen, in denen ein Manager weit zurückgelehnt auf seinem<br />
Bürosessel, die Füße auf dem Tisch, einen Kaffee in der einen und den<br />
Telefonhörer in der anderen Hand mit einem Geschäftspartner telefoniert.<br />
Der Manager meint sich diese legere und entspannte Haltung am<br />
Telefon gönnen zu können, da er weiß, dass ihn sein Gesprächspartner<br />
nicht sieht. In diesem Moment wird der Körper zum authentischen<br />
Ausdrucksinstrument einer gelassenen oder gar ausgelassenen aktuellen<br />
Stimmungslage des Managers und unterstreicht diese noch. Was<br />
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(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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passiert in dieser Situation mit der Stimme und Sprache? Sie ist ebenfalls<br />
entspannt und befreit. Und das allerdings hört der Gesprächspartner<br />
am anderen Ende der Leitung, weil er sich nun ganz auf den<br />
Audiokanal konzentrieren kann. Das ist nun wirklich nichts Neues. In<br />
jedem Buch über Verkaufen am Telefon wird auf diese Tatsache Bezug<br />
genommen. Darin wird der Telefonverkäufer aufgefordert zu lächeln,<br />
um dem Kunden am anderen Ende freundlicher zu erscheinen. Der<br />
Telefonverkäufer soll in der Kleidung telefonieren, in der er den Kunden<br />
auch persönlich aufsuchen würde. Auf diese Weise wird die Seriosität<br />
der Gesprächssituation unterstrichen. Der Telefonverkäufer wird<br />
ermuntert, in schwierigen Gesprächssituationen aufzustehen und im<br />
Stehen zu telefonieren. In dieser Haltung gibt er der Stimme mehr<br />
Volumen und kann mehr Sicherheit und Durchsetzungskraft transportieren.<br />
Ein erfolgreicher Telefonverkäufer, der auf diese Weise bewusst mit<br />
den Mitteln der Körpersprache spielt, wird zum Schauspieler, der<br />
immer das gleiche Stück zur Aufführung bringt, nämlich den Verkauf<br />
von Produkten und Dienstleistungen am Telefon. Seine Überzeugungskraft<br />
ist zum großen Teil darin begründet, dass er der Versuchung<br />
entgeht, sich am Telefon unbeachtet zu fühlen und sich gehen<br />
zu lassen. – Was ist dagegen das Geheimnis von <strong>Coaching</strong> am Telefon?<br />
Die Tatsache, dass der Klient am Telefon unsichtbar ist, hilft ihm, sich<br />
am Telefon von den Business-Konventionen zu befreien und sich<br />
gehen zu lassen. Er ist eingeladen, es sich bequem zu machen; er darf<br />
den Kopf aufstützen, wenn er sich erschöpft fühlt; er kann das<br />
gezwungene Lächeln ablegen und traurig gucken, wenn er sich traurig<br />
fühlt; niemand hindert ihn, während er sich über eine Person beklagt,<br />
ihr einen Vogel zu zeigen. Der Klient kann seinen haptischen Neigungen<br />
am Telefon freien Lauf lassen und mit Stiften und Büroklammern<br />
nach Belieben spielen. Wenn er eine Lösung für eine wichtige Fragestellung<br />
gefunden hat, kann der Klient vor Begeisterung die Arme<br />
hochreißen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass diese körpersprachliche<br />
Befreiung aus der Unsichtbarkeit heraus gleichzeitig auch die Befreiung<br />
des Sprechens mit sich bringt. Die Erfahrung zeigt, dass Klienten am<br />
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(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Telefon viel zugänglicher und sehr viel schneller bereit sind, das, was<br />
sie bewegt, offen anzusprechen.<br />
Blind Date – Sich blind verstehen<br />
Was passiert, wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal begegnen?<br />
Sie verschaffen sich einen ersten Eindruck. Den zu hinterlassen gibt es<br />
bekanntlich keine zweite Chance. Dieser verfestigt sich innerhalb der<br />
ersten Minuten einer Begegnung. Unwillkürlich nimmt jeder den anderen<br />
in Augenschein, screent ihn gewissermaßen von oben bis unten, und<br />
ordnet die so gewonnenen Eindrücke in die im Laufe des Lebens eingerichteten<br />
Schubladen ein:<br />
• Dieser gegelte Haarschnitt bei einem Vierzigjährigen – der steckt<br />
wohl in der Midlife-Crises...<br />
• Der Gesichtsausdruck erinnert mich an eine frühere Lehrerin, die<br />
ich nicht ausstehen konnte...<br />
• Männer mit Ohrringen...!<br />
• Der Anzug und Hemd sitzen perfekt – aber die Krawatte muss er<br />
im Dunkeln ausgesucht haben...<br />
• Schon ein bisschen ausgelatscht, die Schuhe, wie...?<br />
• Keine übermäßig sportliche Erscheinung...<br />
• Sehr elegant und weltmännisch...<br />
• Wirkt etwas abgehalftert...<br />
• Sieht wirklich sexy aus...<br />
Das Bild vom anderen, das auf diese Weise in den ersten Minuten<br />
einer Begegnung entsteht, ist gespeist aus der Vergangenheit und früheren<br />
Erfahrungen mit ähnlichen Merkmalen. Es ist das, was man ein<br />
Vorurteil nennt, das es im weiteren Gesprächsverlauf zu bestätigen gilt.<br />
Zumindest sind wir wacher für Wahrnehmungen, die uns in unserer<br />
vorgefassten Meinung bestätigen, als für Widersprüche. Was allgemein<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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gilt, gilt auch für die erste Begegnung zwischen Coach und Klient.<br />
Auch ein Coach ist nur ein Mensch und kann sich von diesen Automatismen<br />
nur begrenzt freimachen.<br />
Wie nimmt wohl ein Blinder einen anderen Menschen wahr und<br />
begegnet ihm? Bei meinen Recherchen bin ich auf einen beeindruckenden<br />
Text von Jennifer Sonntag gestoßen, die, selbst erblindet, als<br />
Diplomsozialpädagogin im Berufsförderungswerk für blinde und sehbehinderte<br />
Menschen im Bereich der Rehabilitations- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
tätig ist. Mit ihrer Website, www.blindverstehen.de, will sie<br />
zwischen den Wahrnehmungswelten von Blinden und Sehenden, die<br />
sie beide aus eigener Erfahrung kennt, vermitteln. In Ihrem Text,<br />
"Blind Date oder Blind vor Liebe", stellt sie sich den scheinbar naiven<br />
Fragen der Sehenden rund um das Thema Liebe und Beziehungen:<br />
"[...] wenn sich die Augen verschließen, öffnen sich die Pforten des<br />
Unsichtbaren und wer sie durchschreitet kann atemberaubende Eindrücke<br />
gewinnen. [...] Ich unterhielt mich einmal in einem Lokal eine<br />
gute halbe Stunde lang mit einem sehr imponierenden Mann, dessen<br />
Stimme und Intellekt mir einen Typen suggerierten, den ich mir wie<br />
einen Banker vorstellte. Nach unserem Gespräch erfuhr ich, dass es<br />
ein Transvestit war. Das erklärte auch die Stöckelschuhe, die mich in<br />
seinem Zusammenhang etwas irritiert hatten. Wenn ich jemanden<br />
menschlich interessant finde, ist die Optik zweitrangig. Wer mich mit<br />
seiner Ausstrahlung für mich gewinnt, könnte im Grunde nackt und<br />
mit nichts anderem als einer Pappnase und grünen Schwimmflossen<br />
bekleidet vor mir stehen, ich würde ihn ebenso ernst nehmen, wie im<br />
edelsten Designerzwirn. Andersherum kann mich eine Person mit<br />
einer unattraktiven Aura wenig beeindrucken, auch wenn sie optisch<br />
bewertet der absolute "Hingucker" wäre. [...] Aufgesetzte Autoritäten<br />
z. B. haben nur eine sehr schwache Wirkung auf mich, da ich ihr<br />
Schlips-und-Kragen-Selbstbewusstsein mit Möchtegern-Attitüde<br />
nicht wahrnehme. Ich erkenne nur das, was sie wirklich sind, ohne<br />
ihre optische Verkleidung. Während andere vor Ehrfurcht erstarren,<br />
amüsieren mich oft die hinter der Maske steckenden lispelnden und<br />
stotternden Stimmchen und die nervös am Schlüsselbund nestelnden<br />
Finger. Das wirkt dann alles andere als autoritär und prominent.<br />
[...]" 16<br />
16 Der Text ist in ganzer Länge veröffentlicht unter http://www.blindverstehen.de/<br />
bdobvl.html.<br />
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Was passiert nun bei einer ersten Begegnung zwischen Coach und<br />
Klient am Telefon? Die (Vor-)Urteilsbildungen aufgrund optischer<br />
Wahrnehmungen entfallen (übrigens auch solche Informationen, die<br />
zur Urteilsbildung über Nase (z. B. Parfüm) und Tastsinn (z. B.<br />
Händedruck) sonst zur Verfügung stehen. Letztere sind gegenüber den<br />
optischen Wahrnehmungen in der persönlichen Begegnung gewiss von<br />
eher nachrangiger Bedeutung). Ein erster Eindruck vermittelt sich am<br />
Telefon ausschließlich über die Stimme und die Art und Weise des<br />
Sprechens mit all seinen möglichen Abstufungen: Hell – dunkel, langsam<br />
– schnell, klar – undeutlich, munter – müde, fließend – stockend,<br />
einfach – gewählt, aggressiv – zurückhaltend, regionalsprachig – hochsprachig<br />
usw. Wie beim optischen Eindruck auch geben Stimme und<br />
Sprache Auskunft über die Persönlichkeit des Gesprächspartners sowie<br />
über seine Tagesform. Auch am Telefon entsteht ein Bild von dem<br />
Gesprächspartner im Kopf des jeweils anderen auf dem Hintergrund<br />
von ähnlichen früheren Hörerfahrungen. Während jedoch in der<br />
persönlichen Begegnung z. B. eine seriöse und stattliche Erscheinung<br />
von einer unsicheren Stimme abzulenken vermag, kommt letztere am<br />
Telefon voll zur Geltung. Während das Sehen naturgemäß an der<br />
Oberfläche haften bleibt, horcht das Ohr über die Stimme und Sprache<br />
gewissermaßen in den anderen hinein und dringt in tiefere Schichten<br />
vor. Während sich das Aussehen einer Person leicht durch jedermann<br />
manipulieren lässt, ist die bewusste Stimmbildung eine Mühe, der sich<br />
in der Regel nur Künstler unterziehen.<br />
Coachen auf Ohrenhöhe –<br />
Herrschaftsfreier Dialog am Telefon<br />
Das große Büro mit Glasfront, der große schwere Schreibtisch, die<br />
lederne Sitzecke, die ausgewählten Kunstwerke an der Wand zeugen<br />
von Macht und Status des Besitzers. Der edle Zwirn des Anzugs, die<br />
edlen Schuhe, das ausgesuchte Schreibgerät und die Luxus-Uhr am<br />
Handgelenk signalisieren Wohlstand und Geschmack des Trägers. Das<br />
gut sortierte Bücherregal suggeriert Bildung und Intellekt und die<br />
Fliege anstelle der Krawatte verleiht einen professoralen Habitus. Das<br />
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grau melierte Haar reklamiert Weisheit und Lebenserfahrung... So<br />
kommt es, dass eine Begegnung von Geschäftspartnern immer einhergeht<br />
mit zumeist unbewusstem Imponiergehabe, Revier- und Positionskämpfen.<br />
Es geht dabei um die Anerkennung dessen, was man<br />
darstellen möchte, durch den jeweils anderen. Welche Anzeichen gibt<br />
es, die bestätigen, dass der andere ein ernst zu nehmender Geschäftspartner<br />
ist? Dass dies bis in die Physiognomie hinein bedeutsam ist, ist<br />
längst nachgewiesen: Große, schlanke und dem allgemeinen Schönheitsideal<br />
entsprechende Menschen sind in der Regel erfolgreicher als<br />
deren Gegenteil, die ihre besonderen Qualitäten erst nachweisen<br />
müssen, die man bei den anderen vom bloßen Anblick her bereits vermutet.<br />
– Auch bei der persönlichen Begegnung von Coach und Klient,<br />
die ja auch Geschäftspartner sind, spielen diese Dinge eine Rolle. Der<br />
Coach wird auch durch seinen Habitus den Klienten überzeugen<br />
wollen, während der Klient sichergestellt wissen will, dass er Respekt<br />
und Anerkennung durch den Coach genießt.<br />
Am Telefon betreten Coach und Klient mit nichts weiter als ihrer<br />
Stimme bekleidet den virtuellen Gesprächsraum. Äußerliche Machtinsignien<br />
oder Persönlichkeitsmerkmale haben keinen Einfluss auf die<br />
Gesprächssituation. Es wirkt allein das gesprochene Wort, die Stimme,<br />
das Vermögen, ein Anliegen zum Ausdruck zu bringen, Aufmerksamkeit<br />
zu zeigen, Verständnis zu entwickeln, zu argumentieren und<br />
Mehrwert in das Gespräch einzubringen. Auch am Telefon gilt es zunächst<br />
eine wechselseitige Akzeptanz, um Vertrauen zu erzeugen. Bei<br />
dem Weg aufeinander zu ist der Ring der Äußerlichkeiten durch das<br />
Medium Telefon jedoch von vorne herein durchbrochen und die<br />
Gesprächspartner können direkt abspüren, ob sie als Persönlichkeiten<br />
zueinander passen. Die persönliche Passung lässt sich aus diesem<br />
Grund am Telefon viel schneller prüfen als in der persönlichen Begegnung.<br />
Der Coach steht dabei vor der Herausforderung, dass er sich<br />
ohne äußere Hilfsmittel unmittelbar gegenüber dem Klienten als wertvoller<br />
Gesprächspartner positionieren muss. Diese Unmittelbarkeit<br />
macht den Coach jedoch ohne Umwege in seiner eigentlichen Kompetenz<br />
sichtbar und deswegen ist das telefonische Erstgespräch aus<br />
Sicht des Klienten besonders wertvoll.<br />
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Das Telefon als Medium ist gegenüber der Präsenz-Situation flüchtiger.<br />
Der Coach hat seinen Klienten im Wortsinn nicht "im Griff",<br />
sondern nur am Hörer. Der Klient kann sich seinem Coach leichter<br />
entziehen; notfalls lässt sich ein Gespräch durch das Auflegen des<br />
Hörers abrupt beenden. Die Hemmschwelle, ein persönliches<br />
Gespräch abzubrechen, ist dagegen deutlich höher. Verabredungen am<br />
Telefon lassen sich leichter umgehen als persönlich vereinbarte Termine.<br />
Die persönliche Beziehung ist fester und stabiler, die Beziehung<br />
zwischen Coach und Klient am Telefon dagegen labiler. Der Coach<br />
tritt als Person gar nicht in Erscheinung, sondern transformiert zur<br />
externalisierten inneren Stimme des Klienten. <strong>Coaching</strong> am Telefon<br />
wird so zum geführten Gespräch des Klienten mit sich selbst. Der<br />
Coach tritt als Person dabei maximal in den Hintergrund und wird<br />
bedeutungslos. Damit beherrscht der Coach die Gesprächssituation nicht<br />
mehr, sondern er kann sie allenfalls gestalten. Solange Aufmerksamkeit,<br />
Verständnis und Mehrwert durch Intervention seitens des Coachs<br />
gegeben sind, spinnt sich der Gesprächsfaden aus diesen drei Elementen<br />
weiter, ansonsten reißt er ab. Qualitätsmängel werden so im telefonischen<br />
<strong>Coaching</strong> sofort hörbar. Hier ist der Coach mit seinem ganzen<br />
methodischen Können gefragt. Daneben benötigt der TeleCoach die<br />
Bereitschaft zur absoluten Demut und zur Zurückstellung der eigenen<br />
Person, um die Rolle der externalisierten inneren Stimme des Klienten<br />
zu übernehmen. Auf diese Weise kommt das <strong>Coaching</strong> am Telefon<br />
dem Ideal eines herrschaftsfreien Dialogs ein gutes Stück näher.<br />
Professionell Coachen –<br />
Methodenvielfalt am Telefon<br />
Bis hierher wurde gezeigt, inwiefern es möglich ist, am Telefon eine<br />
fruchtbare <strong>Coaching</strong>-Beziehung herzustellen. Es wurde gezeigt, dass<br />
Hören das Sehen beim Aufbau einer <strong>Coaching</strong>-Beziehung nicht nur<br />
kompensieren kann, sondern der Arbeit mit dem Klienten eine ganz<br />
eigene Qualität verleiht. Jetzt stellt sich die Frage nach der Einsatzmöglichkeit<br />
der im <strong>Coaching</strong> üblichen Methoden und Interventionen.<br />
Dieser Frage ist mit dem Kapitel IV, <strong>Coaching</strong> unlimited – Methoden und<br />
55
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
Interventionen am Telefon, ein eigener Abschnitt gewidmet, in dem an<br />
einzelnen Beispielen deutlich gemacht wird, wie klassische Methoden<br />
für das Telefon adaptiert werden können. An dieser Stelle sei nur auf<br />
einige wesentliche Aspekte hingewiesen.<br />
Die Arbeit am Telefon stellt an den Coach hohe Ansprüche an Präsenz,<br />
Hörvermögen und Auffassungsgabe, Sprachkompetenz gepaart<br />
mit Intensität und Sensibilität der Gesprächsführung, Spontaneität und<br />
Kreativität sowie zeitlicher Flexibilität. Außerdem benötigt der Coach<br />
eine Affinität zu den neuen Medien. Viele Coachs arbeiten mit Visualisierungen,<br />
durch die sie mittels Papier und Stift Sachverhalte, Beziehungen<br />
und Konstellationen sich selbst und dem Klienten verdeutlichen.<br />
Dies ist natürlich auch am Telefon möglich, indem man einfach<br />
eine Webcam auf einen Schreibblock oder FlipChart so ausrichtet, dass<br />
der Klient an seinem Bildschirm die Aufzeichnungen direkt mitverfolgen<br />
kann. Daneben bietet z. B. Google online eine kostenfreie Software-Plattform,<br />
auf der ohne Umstände und kinderleicht von verschiedenen<br />
Rechnern aus in dasselbe Dokument geschrieben und gezeichnet<br />
werden kann. Damit sind alle Methoden und Interventionen, die Papier<br />
und Stift erfordern, wie z. B. Aufstellungsarbeit beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
realisierbar.<br />
Bei unserer Arbeit gehen wir davon aus, dass am Telefon methodisch<br />
alles möglich ist, wobei der Klient nicht berührt werden muss. Und<br />
selbst da – so zeigt Maren Kaiser in Kapitel IV – können Berührungen<br />
häufig durch den Coach mittels anderer Reize substituiert werden oder<br />
dadurch, dass der Klient sich selbst berührt. Weil der Klient sich beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> frei im Raum bewegen, sich hinlegen, Körperhaltungen<br />
ausprobieren, Gegenstände betasten und erfühlen, singen, schreien und<br />
lachen kann, ist Körper- und Atemarbeit am Telefon möglich. Der<br />
Klient ist dabei sogar freier, weil er sich nicht direkt beobachtet weiß.<br />
Auch Trancearbeit kann telefonisch umgesetzt werden ebenso wie ganz<br />
eigene <strong>Coaching</strong>-Systeme wie das neurolinguistische Programmieren<br />
(NLP) oder die bilaterale Hemisphären-Stimulation des wingwave-<br />
<strong>Coaching</strong>.<br />
56
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
Nicht billig aber günstig –<br />
Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
Viele Auftraggeber hegen spontan die Erwartung, dass bei allen<br />
praktischen Vorteilen und methodischen Möglichkeiten Tele<strong>Coaching</strong><br />
preislich einen deutlichen Unterschied machen müsse. – Diese Erwartung<br />
ist berechtigt. In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie sich mittels<br />
Tele<strong>Coaching</strong> Kostenvorteile gegenüber dem Präsenz<strong>Coaching</strong> realisieren<br />
lassen.<br />
Geld spielt keine Rolle? – Und ob!<br />
Vor der Wirtschaftskrise war von Personalentwicklern großer Unternehmen<br />
zu hören, dass der Preis bei der Auswahl eines Coachs für eine<br />
Top-Führungskraft eine deutlich nachgelagerte Rolle spielt. Allein<br />
wichtig war es, dem Klienten den geeigneten Coach zuzuführen. Hierbei<br />
wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Der Versuch eines<br />
Coachs sich über einen preiswerteren Honoraransatz Zugang zum<br />
Kundenunternehmen zu erkaufen, wurde von den zuständigen Personalern<br />
meistens mit dem Hinweis, hier gehe es nicht um Kasse sondern<br />
um Klasse, zurückgewiesen. Ein hochpreisiger Coach ist auch Ausdruck<br />
von Wertschätzung gegenüber der Führungskraft, die als Klient<br />
in den Genuss der <strong>Coaching</strong>-Leistung kommt.<br />
Inzwischen hat die Wirtschaftskrise böse Schneisen in die Personalentwicklungsbudgets<br />
geschlagen und das <strong>Coaching</strong>-Geschäft ist preissensitiver<br />
geworden. In vielen Unternehmen sind <strong>Coaching</strong>-Aktivitäten<br />
auf ein Minimum reduziert. Doch wie es angesichts steigender Energiepreise<br />
nicht darum geht, auf Mobilität zu verzichten, sondern auf<br />
effizientere Verkehrssysteme umzusteigen, kann es auch im Personalmanagement<br />
nicht darum gehen, jedwede Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
einzustellen. So, wie sich derzeit die Automobilindustrie die<br />
Frage nach alternativen und effizienteren Antriebskonzepten stellt,<br />
geht es auch im Personalbereich um die Frage, ob es andere Möglichkeiten<br />
gibt, Fach- und Führungskräfte mit ihren Entwicklungsthemen<br />
57
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
auf günstigere Weise als durch Präsenz<strong>Coaching</strong> von A nach B zu<br />
bringen. Mit Tele<strong>Coaching</strong> ist das nachweislich der Fall.<br />
Wert-Schätzung – Tele<strong>Coaching</strong> ist wertvoll<br />
Worin liegt der Hebel für Kostensenkungen beim Tele<strong>Coaching</strong>?<br />
Nicht beim Honorarsansatz, wie man leicht vermuten könnte: Der<br />
Coach muss sich nicht auf den Weg machen und kann bequem von<br />
zuhause bzw. von überall auf der Welt aus telefonieren; auch muss der<br />
Coach kein repräsentatives Büro vorhalten. Dies sind aus Sicht der<br />
Auftraggeber gute geldwerte Gründe, die eine Absenkung des Stundenhonorars<br />
gegenüber dem Präsenz<strong>Coaching</strong> rechtfertigen. Und tatsächlich<br />
stellen die genannten Erleichterungen für viele Coachs einen<br />
besonderen Anreiz, sich auf die Herausforderungen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
einzulassen. Wir sprechen bewusst von Herausforderungen, da die<br />
Anforderungen an den TeleCoach gegenüber dem PräsenzCoach in<br />
wesentlichen Bereichen höher sind. Hinsichtlich der Anforderung an<br />
die Methodenkompetenz machen wir keine Unterschiede; hier müssen<br />
beide auf einem soliden Fundament stehen. Aber in folgenden Bereichen,<br />
die durchaus die individuelle Komfortzone berühren, gibt es<br />
relevante Abweichungen hinsichtlich der Kriterien Konzentration,<br />
Spontaneität & Kreativität, Sprachkompetenz, Flexibilität und Medienaffinität:<br />
• Konzentration: Coachen am Telefon erfordert durch die<br />
Fokussierung auf den Audio-Kanal eine höhere Konzentration<br />
und ist damit anstrengender. Das äußert sich darin, dass<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche am Telefon in der Regel kürzer sind als<br />
Präsenz-Gespräche. Während Präsenz<strong>Coaching</strong> kaum unter 90<br />
Minuten dauert, sich dagegen oft über halbe und ganze Tage<br />
erstreckt, dauert eine Tele<strong>Coaching</strong>-Sitzung selten länger als 60<br />
Minuten.<br />
• Spontaneität & Kreativität: Wir haben gezeigt, dass die<br />
Beziehung zwischen Coach und Klient am Telefon labiler ist als<br />
in der persönlichen Gesprächssituation. Daher sind die<br />
58
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
Anforderungen an den TeleCoach den aus Aufmerksamkeit,<br />
Verständnis und Mehrwert gesponnenen Gesprächsfaden<br />
fortzuspinnen, höhere. Das Gespräch verträgt keine langen<br />
Pausen, das Prozesstempo steigert sich, der Coach muss sich<br />
schneller für Interventionen entscheiden.<br />
• Sprachkompetenz: Da der Coach am Telefon allein Wirkung<br />
über die Stimme und den sprachlichen Ausdruck erzeugen kann<br />
und Defizite nicht durch Handlungen, Mimik und Gestik kompensiert<br />
werden können, muss der Coach hier seine Fähigkeiten<br />
verfeinern und weiterentwickeln. Die gewünschten Wirkungen<br />
erzielt er durch Nuancen in Wortwahl, Sprechtempo, Klangfarbe,<br />
Bildsprache etc.<br />
• Medienaffinität: Die Arbeit des TeleCoachs erfordert nicht<br />
nur die Vertrautheit im Umgang mit dem Telefon als Medium<br />
(das allein wäre nicht der Erwähnung wert), sondern auch mit<br />
den neuen Medien E-Mail, SMS, Internet, Videotelefonie,<br />
Desktop-Sharing etc. Hier sind nicht nur User-Kompetenzen<br />
gefragt, sondern auch die Fähigkeit, Gesprächspartner in die<br />
Nutzung dieser Instrumente einzuweisen.<br />
• Flexibilität: Als wesentlicher Vorteil des Tele<strong>Coaching</strong>s wurde<br />
die Möglichkeit der Terminierung von <strong>Coaching</strong>-Gesprächen zu<br />
Randzeiten in den Morgen- und Abendstunden sowie am<br />
Wochenende hervorgehoben. Damit werden erhöhte Anforderungen<br />
an die zeitliche Flexibilität und Verfügbarkeit des Coachs<br />
gestellt.<br />
Diese Übersicht zeigt, dass die Erschwernis durch erhöhten Energieaufwand,<br />
die Erweiterung des Kompetenzportfolios sowie das Arbeiten<br />
zu Randzeiten die Erleichterungen durch Wegfall der Reisetätigkeit<br />
und vielleicht eine weniger repräsentative Büroausstattung kompensiert.<br />
Wir gehen daher davon aus, dass sich das Zeithonorar des Tele-<br />
Coachs nicht von dem des Präsenz-Coachs unterscheidet. Wenn also<br />
auf diesem Wege kein Kostenvorteil zu erzielen ist, wie dann?<br />
59
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
In der Kürze liegt die Würze –<br />
In weniger Zeit mehr erreichen<br />
Wir haben den Unterschied zwischen Tele<strong>Coaching</strong> und Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> mit der dem Unterschied zwischen E-Mail und Brief im<br />
Business-Kontext zu verdeutlichen versucht. Der Geschäftsbrief ist<br />
eher formal gehalten und unterteilt in Einleitung, Hauptteil und Schluss<br />
und füllt immer mindestens eine Seite. Er wird am PC geschrieben<br />
(vielleicht sogar noch diktiert), ausgedruckt, in einen Umschlag<br />
gesteckt, frankiert und auf den Weg gebracht, damit er nach ein oder<br />
zwei Tagen den Empfänger erreicht. Die E-Mail kommt dagegen eher<br />
formlos daher, ohne lange Einleitungs- und Schlusssätze mit der<br />
Konsequenz, dass die E-Mail nur wenige Zeilen füllt. Die durch den<br />
Inhalt von E-Mail und Geschäftsbrief ausgelösten Wirkungen auf die<br />
Geschäftsprozesse sind vergleichbar, nur eben im ersten Fall deutlich<br />
effizienter und damit billiger zu haben.<br />
Übertragen auf das Tele<strong>Coaching</strong> bedeutet dies, dass eine<br />
gewünschte Wirkung nachweislich mit rund 30 Prozent weniger Zeitbudget<br />
erzielt werden kann. Dies hat seine Ursache in der Verdichtung<br />
des <strong>Coaching</strong>-Prozesses am Telefon durch deutliche Verkürzung der<br />
Einleitungs- und Schlussphase. Man muss nicht erst "ankommen",<br />
einen Kaffee trinken, sich langsam aufeinander einschwingen. Die<br />
Eröffnungsfrage Wie geht es Ihnen? ist bereits die Einladung in medias res<br />
zu gehen und wird von dem Klienten in Folgesitzungen auch so verstanden.<br />
Am Telefon sind zudem auch ganz kurze Gespräche möglich,<br />
für die ein Präsenz-Coach gar nicht eigens anreisen würde. Ein geringeres<br />
verfügbares Zeitbudget kann damit auf mehrere Telefonkontakte<br />
verteilt werden und somit die Kontaktdichte erhöhen. Auf diese Weise<br />
erlebt der Klient den <strong>Coaching</strong>-Prozess intensiver und ist deutlich<br />
schneller wieder im Gespräch.<br />
2008 haben wir mit der Clariant AG im Rahmen eines Pilotversuchs<br />
in einem Zeitraum von vier Monaten klassische <strong>Coaching</strong>-Indikationen<br />
(Führung, Durchsetzungsstärke, Kommunikation, Selbst-Management<br />
etc.) telefonisch umgesetzt. Neun Klienten, die auf vier Kontinenten<br />
verteilt (Europa, Nord- und Südamerika, Asien) waren, wurden auf drei<br />
60
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
Sprachen (Deutsch, Englisch und Spanisch) durch drei Coachs am<br />
Telefon bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsziele unterstützt. Im<br />
Schnitt wurde ein Zeitbudget von 8,8 Stunden inklusive<br />
Auftragsklärung und Follow-up <strong>Coaching</strong> benötigt. Andere<br />
vergleichbare <strong>Coaching</strong>-Fälle erforderten bis dato ein Zeitbudget von<br />
12 bis 15 Stunden. Nach Abschluss des <strong>Coaching</strong>-Prozesses waren die<br />
Klienten aufgefordert, die Ergebnisse nach den Kriterien Vertrauen,<br />
Verständnis, Effizienz im Umgang mit der Zeit und Wirksamkeit mit<br />
Schulnoten zu bewerten. Das hier im Durchschnitt erzielte Ergebnis<br />
von 1,3 zeigt, dass die Klienten mit den so erzielten Wirkungen sehr<br />
zufrieden waren. Auch von Seiten des Auftraggebers gab es keine<br />
Beanstandungen. 17<br />
Das können Sie sich sparen! – Reisekosten<br />
Der am wenigsten umstrittene Kostenpunkt dürften die Reisekosten<br />
sein, die man sich durch die <strong>Coaching</strong>-Arbeit am Telefon erspart. In<br />
der Regel erstatten die Auftraggeber die Auslagen für die An- und<br />
Abreise in Form von Flügen (economy), Bahnfahrten (1. Klasse) und<br />
Autofahrten (Kilometergeld). Während Flug- und Bahnreisen zumindest<br />
in bestimmtem Umfang z. B. durch Lektüre oder Arbeit am Laptop<br />
noch produktiv genutzt werden können, sind Fahrten mit dem<br />
Auto, bei denen der Coach oder Klient selbst fährt, weitgehend unproduktive<br />
Zeit, wenn von der Möglichkeit des Telefonierens abgesehen<br />
wird. Deshalb gewähren viele Auftraggeber für Autofahrten über die<br />
reinen Verbrauchs- und Verschleißkosten hinaus ein Aufgeld, das sich<br />
in einer erhöhten Kilometerpauschale niederschlägt.<br />
Lassen sich Präsenz<strong>Coaching</strong>s aufgrund der Terminsituation des<br />
Klienten nur zu Randzeiten durchführen, dann kommen zum Reiseaufwand<br />
noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung hinzu. Da<br />
mittlerweile bei den Auftraggebern die Erwartung besteht, dass der<br />
Honoraraufwand in einem vernünftigen Verhältnis zu den Reisekosten<br />
17 Vgl. Alles aus einer Hand – Tele<strong>Coaching</strong> als moderne Service-Dienstleistung bei der Clariant<br />
AG(S. 276 ff).<br />
61
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
steht, führt das dazu, dass bei längerer Anreise, auch ausgedehntere<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche geführt werden. 18<br />
Beim Tele<strong>Coaching</strong> reduzieren sich Reisekosten auf ein Minimum.<br />
Es ist ja nicht so, dass beim Tele<strong>Coaching</strong> die persönliche Begegnung<br />
ausgeschlossen ist. Sie wird lediglich nicht als Voraussetzung für einen<br />
erfolgreichen <strong>Coaching</strong>-Prozess betrachtet. Daneben können sich<br />
natürlich – in Abstimmung mit dem Auftraggeber – Coach und Klient,<br />
wenn das für sinnvoll erachtet wird, jederzeit persönlich treffen. Der<br />
hier vorherrschende Grundsatz lautet: So viel Telefon wie möglich, so<br />
viel persönliche Begegnung wie nötig. In unserer Tele<strong>Coaching</strong>-Praxis<br />
sind Face-to-face-Situationen die Ausnahme. Die mögliche Reisekostenersparnis<br />
wird am Rechenbeispiel unten deutlich. 19<br />
Nicht zur besten Sendezeit –<br />
Opportunitätskosten senken!<br />
Ein Kostenfaktor, der meist weniger im Bewusstsein der Auftraggeber<br />
aber in der Regel von größerer Relevanz als die Reisekosten ist,<br />
sind die Opportunitätskosten. Das sind die Kosten im Zusammenhang<br />
des <strong>Coaching</strong>s, die dadurch entstehen, dass der Klient während des<br />
<strong>Coaching</strong>s keiner anderen produktiven Arbeit für seinen Arbeitgeber<br />
nachgehen kann. Diese Kosten sind umso höher, je länger das<br />
<strong>Coaching</strong> dauert. Die Opportunitätskosten, die so durch <strong>Coaching</strong><br />
entstehen, werden auf der Basis der Brutto-Lohnkosten pro Stunde<br />
berechnet, die es zunächst für den Klienten auf der Basis der Jahresbruttogrundvergütung<br />
dividiert durch die Anzahl der Arbeitstage<br />
18 Im Vertrieb ist das beispielsweise anders: Da kann ein als wichtig erachteter kurzer<br />
Präsentationstermin im Akquiseprozess jeden Reiseaufwand rechtfertigen. Für<br />
<strong>Coaching</strong>s im Vorstandsbereich werden in Großunternehmen zwar immer noch<br />
kaum Kosten und Mühen gescheut, aber schon in den Ebenen darunter werden die<br />
verantwortlichen Stellen zunehmend aufmerksam auf die mit dem <strong>Coaching</strong><br />
verbundenen "Nebenkosten". Andererseits nehmen sich Firmen, die nur auf<br />
regional ansässige Coachs zurückgreifen, die Möglichkeit, den jeweils besten Coach<br />
für das Unternehmen zu engagieren.<br />
19 Siehe S. 57.<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
dividiert durch die Arbeitsstunden pro Tag zu ermitteln gilt. Diese<br />
werden dann mit der Anzahl vereinbarter <strong>Coaching</strong>-Stunden<br />
multipliziert. Das Delta zwischen den Kosten von Präsenz- und<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s ist dann der durch das Tele<strong>Coaching</strong> realisierte<br />
Kostenvorteil. Diese Betrachtungsweise mag auf den ersten Blick etwas<br />
befremdlich erscheinen, da die Zielgruppen für <strong>Coaching</strong> ohnehin<br />
deutlich über das reguläre Pensum hinaus arbeiten. In eine<br />
Vollkostenrechnung gehören die Opportunitätskosten gleichwohl mit<br />
hinein.<br />
Bei dieser Berechnung ist nicht berücksichtigt, dass Tele<strong>Coaching</strong><br />
tendenziell in Randzeiten stattfindet, also dann, wenn es keine wichtigen<br />
alternativen Geschäftstätigkeiten gibt. Der PräsenzCoach reist in<br />
der Regel "zur besten Sendezeit" und blockiert damit wertvolle<br />
Arbeitszeit. Eine Berücksichtung dieses Effekts würde noch einmal zu<br />
Ungunsten des Präsenz<strong>Coaching</strong>s zu Buche schlagen.<br />
Rechnen Sie mal nach – 40 Prozent Kostenvorteil!<br />
Auf Basis des Vorherigen können wir jetzt folgende Rechnung<br />
anstellen, die Sie als Auftraggeber von <strong>Coaching</strong> mit den bei Ihnen<br />
üblichen Zahlen nachvollziehen und so Ihren firmenspezifischen Kostenvorteil<br />
durch den Einsatz von Tele<strong>Coaching</strong> ausrechnen können:<br />
Kostenkalkulation Tele<strong>Coaching</strong> versus Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Bei einer Vollkostenrechnung sind folgende Faktoren von Bedeutung:<br />
Zeithonorar: Beim Honoraransatz werden aus den genannten<br />
Gründen keine Unterschiede gemacht. Die vordergründigen<br />
Erleichterungen für den Coach durch wegfallenden Reiseaufwand<br />
bzw. Vorhalten von repräsentativen Büroräumen werden durch<br />
höhere Anforderungen an den Coach ausgeglichen.<br />
Zeitbudget: Aufgrund unserer Erfahrung ist der für Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong>s angesetzte durchschnittliche Zeitbedarf von zwölf Zeitstunden<br />
pro Mandat eher vorsichtig angesetzt. Nach unseren eigenen<br />
Messungen liegt er aktuell bei 14,8 Stunden. Bezogen auf die<br />
Gesamtzahl aller Tele<strong>Coaching</strong>-Mandate, die wir im Netzwerk reali-<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Nicht billig aber günstig – Kostenvorteile beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
__________________________________________________<br />
siert haben, liegen wir bei einem durchschnittlichen Stundenbedarf<br />
von derzeit 7,7 Stunden.<br />
Reisekosten fallen beim Tele<strong>Coaching</strong> in der Regel nicht an. Das<br />
Rechenbeispiel geht für das Präsenz<strong>Coaching</strong> von der Beauftragung<br />
eines Coachs aus dem näheren Einzugsgebiet des Auftraggebers aus.<br />
Opportunitätskosten (<strong>Coaching</strong>-Kosten durch Arbeitsausfall) müssen<br />
bei einer Vollkostenrechnung in Betracht gezogen werden, da<br />
<strong>Coaching</strong> während der Arbeitszeit stattfindet und dem Unternehmen<br />
während des <strong>Coaching</strong>s keine produktiven Leistungen des Arbeitnehmers<br />
zufließen.<br />
Das Rechenbeispiel zeigt, dass durch Tele<strong>Coaching</strong> ein Kostenvorteil<br />
von rund 40 Prozent gegenüber dem Präsenz<strong>Coaching</strong> erzielt werden<br />
kann.<br />
Beispielrechnung Tele<strong>Coaching</strong> vs.<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong><br />
Tele-<br />
<strong>Coaching</strong><br />
Stundenhonorar<br />
250 €<br />
Anzahl der Stunden 12 8<br />
Gesamthonorar 3.000 € <strong>2.0</strong>00 €<br />
Anzahl der Sitzungen 6 10<br />
Entfernungskilomter 70<br />
Kosten pro Kilometer 0,50 €<br />
Reisekosten pro Sitzung 70 €<br />
Reisekosten Total 420 € 0 €<br />
Jahresgehalt Coachee<br />
Anteil Sozialkosten<br />
Jahresgesamtgehalt<br />
Arbeitstage/ Jahr<br />
Arbeitszeit in Stunden/ Tag<br />
Kosten pro Arbeitsstunde des Coachees<br />
120.000 €<br />
30%<br />
156.000 €<br />
253<br />
8<br />
77 €<br />
Kosten <strong>Coaching</strong> durch Arbeitsausfall 925 € 617 €<br />
Gesamtkosten <strong>Coaching</strong> 4.345 € 2.617 €<br />
Kostennachteil bzw. Vorteil in Prozent -40%<br />
Abbildung 1: Beispielrechnung Tele<strong>Coaching</strong> vs. Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
Eierlegende Wollmilchsau? –<br />
Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
Bis hierher könnte der Eindruck entstanden sein, dass es sich beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> um das handelt, was man despektierlich und mit großer<br />
Skepsis eine Eier legende Wollmilchsau nennt: Ist Tele<strong>Coaching</strong> tatsächlich<br />
das allein selig machende Personalentwicklungsinstrument für<br />
jeden Anlass und für jede Zielgruppe?<br />
Bemühen wir noch einmal den Vergleich zwischen Brief und E-Mail:<br />
Es gibt ihn noch, den alten Brief, aber die Post ist froh, dass es neben<br />
der E-Mail auch noch Ebay und Amazon gibt, um den Verlust von<br />
Briefsendungen durch online ersteigerte Waren- bzw. gekaufte<br />
Buchsendungen zu kompensieren. Geburtstagswünsche versendet man<br />
immer noch besser per Post, genauso wie Weihnachtsgrüße oder Beileidsbekundungen.<br />
Auch bei Werbesendungen erhofft man sich immer<br />
noch, dass dem gedruckten Werbebrief mehr Aufmerksamkeit<br />
geschenkt wird als einer Werbe-Mail, die mit einem Mausklick gelöscht<br />
oder sogar automatisiert in den Spam-Ordner befördert werden kann.<br />
Im Vergleich zur früheren Bedeutung führt der Brief mehr und mehr<br />
ein Nischendasein. Das ist ein klassischer Substitutionsprozess, der sich<br />
immer und überall dort abspielt, wo neue Techniken und Verfahren<br />
sich gegenüber herkömmlichen durchsetzen. Jeder von uns kann sich<br />
gut an die Substitution der Langspielplatte durch die CD erinnern,<br />
wobei eine geringe Zahl von Puristen wettert, dass durch die Digitalisierung<br />
die Musik ihre Seele verlöre. Schon ist die Substitution der CD<br />
durch Online-Musikbörsen in vollem Gang. Verliert das gute alte Auto<br />
seine Seele, wenn es demnächst elektrisch betrieben wird? Ist die Pädagogik<br />
von allen guten Geistern verlassen, wenn demnächst der Laptop<br />
Einzug in die Klassenzimmer hält? Die Welt um uns herum verändert<br />
sich und auch wir müssen uns verändern, denn wer nicht mit der Zeit<br />
geht, geht mit der Zeit. Auch <strong>Coaching</strong> als Dienstleistung wird sich<br />
verändern.<br />
Ein Substitutionsprozess ereignet sich üblicherweise so, dass sich<br />
neben einem eingespielten und anerkannten Verfahren plötzlich eine<br />
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II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Innovation bemerkbar macht, die eine ähnliche oder verbesserte Wirkung<br />
mit einem deutlich effizienteren Mitteleinsatz erzielt. Zunächst<br />
zeigen sich die so genannten Innovatoren offen für das neue Verfahren,<br />
dann folgen die frühen Abnehmer, sodann die frühe Mehrheit bis mit der<br />
späten Mehrheit sich das Verfahren allgemein durchsetzt, so dass zuletzt<br />
die Nachzügler den Substitutionsprozess abschließen. Vor 15 Jahren war<br />
die E-Mail noch kein allgemein eingeführtes Kommunikationsinstrument<br />
im Geschäftsleben. Heute ist sie daraus nicht mehr wegzudenken.<br />
Heute ist Tele<strong>Coaching</strong> noch eine Ausnahmeerscheinung. In 15 Jahren<br />
wird Tele<strong>Coaching</strong> der Standard und Präsenz<strong>Coaching</strong> die Ausnahme<br />
sein. Auf dem Weg dorthin werden sich Präsenz- und Tele<strong>Coaching</strong>-<br />
Formate parallel weiterentwickeln und das ist gut so. Im weiteren<br />
Verlauf wird es dann zu einer Demokratisierung des <strong>Coaching</strong>s<br />
kommen, da durch das Telefon als zentrales Arbeitsmittel <strong>Coaching</strong> als<br />
effiziente Dienstleistung für neue Mitarbeiter- und Privatkundengruppen<br />
überhaupt erst zugänglich wird – So, wie heute auch solche<br />
Menschen Nachrichten per E-Mail oder SMS versenden, die früher<br />
niemals zu Papier und Bleistift gegriffen haben.<br />
Ohne Anspruch auf Exklusivität –<br />
Zielgruppen für Tele<strong>Coaching</strong><br />
Beim <strong>Coaching</strong> gibt es keine Zwangsbeglückung; es beruht vielmehr<br />
auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Damit bedarf es auf Seiten des<br />
Klienten einer grundsätzlichen Bereitschaft, sein <strong>Coaching</strong>-Thema am<br />
Telefon zu bearbeiten. Wer heute vor die Wahl gestellt wird, sein<br />
Anliegen persönlich oder telefonisch mit einem Coach zu bearbeiten,<br />
wird in der Regel aus Gewohnheit (wichtige Dinge bespricht man am<br />
besten persönlich) zunächst zum Präsenz<strong>Coaching</strong> tendieren. Eine<br />
grundsätzliche Aufgeschlossenheit wird man am ehesten dort feststellen,<br />
wo praktische Gründe wie z. B. Terminschwierigkeiten das Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> zum Mittel der Wahl werden lassen. Ansonsten wird man wie<br />
sonst auch im Konsumentenverhalten die Experimentierfreudigen von<br />
den Traditionalisten unterscheiden können, die Innovatoren von den<br />
Nachzüglern mit den frühen Abnehmern sowie der frühen und späten<br />
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(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Mehrheit dazwischen. Abgesehen von diesen typischen Verhaltensmustern<br />
von Konsumenten lässt sich das Tele<strong>Coaching</strong> nicht auf<br />
bestimmte Zielgruppen eingrenzen. Es hängt also zunächst im großen<br />
Maße von den Auftraggebern ab, ob sie angesichts der praktischen,<br />
methodischen und finanziellen Vorteile den Mitarbeitern das<br />
Tele<strong>Coaching</strong> als erste Wahl ans Herz legen.<br />
Vertreter der – übrigens umstrittenen – Lerntypologie Frederic<br />
Vesters könnten einwenden, dass das Telefon nur einseitig den auditiven<br />
Lerntyp, also denjenigen, der das Lernen über das Zuhören, oder<br />
den verbal abstrakten Lerntyp, d. h. den rein über den Intellekt<br />
Lernenden, begünstigt. Diejenigen, die visuell (über das Sehen) oder<br />
haptisch (über das Begreifen) lernen, wären dagegen am Telefon<br />
benachteiligt. 20<br />
Der Coach am Telefon kann bestimmten lerntypischen Präferenzen<br />
des Klienten insofern entsprechen, indem er sprachlich auf diese<br />
eingeht und sie in seinen Formulierungen berücksichtigt. "Schauen wir<br />
uns das einmal näher an...", "Stellen Sie sich vor...", "Wenn wir uns hier<br />
weiter vortasten...", "Lassen Sie uns dem weiter nachspüren...", "Wie<br />
fühlt sich das für Sie an?", "Gehen wir jetzt einen Schritt weiter...", "Ich<br />
denke, dass..." etc. Der Coach kann an den Formulierungen des<br />
Klienten gewisse Lernpräferenzen erkennen und diesen entweder entsprechen<br />
oder bewusst einen Kontrapunkt setzen. Sodann kann der<br />
Klient am Telefon seine Präferenzen am Telefon freier ausleben als in<br />
der Präsenz-Situation. Er kann nach Belieben malen, mit Gegenständen<br />
spielen oder im Raum umhergehen, wenn dies seine Konzentration<br />
erhöht. Der Coach würde allerdings, da der Klient mit ca. 80 bis 90<br />
Prozent den größten Redeanteil hat, sofort merken, wenn der Klient<br />
nicht bei der Sache wäre.<br />
20 Vgl. Vester (1975).<br />
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Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
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Tele<strong>Coaching</strong> – Ein Mittel für alle Fälle?<br />
Eine Vorstellung davon, was am Telefon möglich ist, gibt folgende<br />
Aussage: Alles was Sie am Telefon mit einem guten Freund oder einer<br />
guten Freundin besprechen würden, können Sie auch mit Ihrem Coach<br />
am Telefon bearbeiten. Und das ist grundsätzlich erst einmal alles.<br />
Denn <strong>Coaching</strong> ist in Abgrenzung von Training und Schulung Auseinandersetzung<br />
mit sich selbst im jeweiligen beruflichen oder privaten<br />
Kontext zur Aktivierung von vorhandenen Entwicklungspotenzialen.<br />
Der Klient wird dabei nicht durch den Coach „behandelt“ sondern der<br />
Coach agiert als Resonanzboden für das je Eigene des Klienten und<br />
katalysiert durch seine Interventionen anstehende Veränderungsprozesse.<br />
<strong>Coaching</strong> ist also wesentlich Reflexion und diese vollzieht sich in<br />
der Interaktion zwischen Menschen wesentlich durch Sprache und auf<br />
diese wird am Telefon fokussiert.<br />
Aus diesem Zugang ergeben sich zugleich auch die wesentlichen<br />
Grenzen des Telefons: Tele<strong>Coaching</strong> funktioniert dort nicht, wo auf<br />
Seiten des Klienten Sprachlosigkeit herrscht; wo der Klient nicht in der<br />
Lage ist, seine Gedanken zu verbalisieren. Solche Situationen können<br />
auftreten, wenn der Klient beispielsweise nach einer Kündigung unter<br />
Schock steht und der Coach den Klienten erst einmal in eine „stabile<br />
Seitenlage“ bringen muss, damit er an dem Erlebten nicht erstickt.<br />
Sobald der Klient die Sprache wieder gefunden hat, kann die Arbeit am<br />
Telefon fortgesetzt werden. Sprachlosigkeit kann aber auch dann auftreten,<br />
wenn der Klient es nicht gewohnt ist, über sich selbst nachzudenken<br />
und Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Doch befinden<br />
wir uns in solchen Situationen gewissermaßen im Vorstadium von<br />
<strong>Coaching</strong>, wo therapeutische Eingriffe die eigentliche Gesprächsarbeit<br />
erst vorbereiten müssen.<br />
Andere Situationen, die sich nur schwer über das Telefon realisieren<br />
lassen, sind z. B. die Vermittlung von Präsentations- und Gesprächstechniken.<br />
Hier kommt es tatsächlich darauf an, den Auftritt des<br />
Klienten, seine Gestik, seine Mimik, seine Augenbewegungen und seine<br />
Gesprächsführung live zu erleben. Doch auch hier bewegen wir uns<br />
aus der eigentlichen Bedeutung von <strong>Coaching</strong> als Reflexionsraum her-<br />
68
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
aus und begeben uns auf das Feld des Trainings, wo es um die Vermittlung<br />
von Fähigkeiten und deren authentische Anwendung geht. In<br />
der Praxis ist jedoch jeder Coach mit solchen Themenstellungen konfrontiert<br />
und lässt diese nicht deshalb unbearbeitet, weil sie nicht im<br />
eigentlichen Sinn <strong>Coaching</strong>-Themen sind. Wie geht also Tele<strong>Coaching</strong><br />
mit Situationen um, in denen die Präsenz des Coachs gefordert ist und<br />
durch das Telefon nicht substituiert werden kann? Da gibt es zwei<br />
Möglichkeiten:<br />
1. Der Coach trifft sich mit seinem Klienten. Denn Tele<strong>Coaching</strong><br />
bedeutet nicht, dass der Coach sich nie und unter keinen Umständen<br />
mit seinem Klienten trifft. Beim Tele<strong>Coaching</strong> wird das Telefon lediglich<br />
zum zentralen Arbeitsmittel im <strong>Coaching</strong>-Prozess. Sollte es im<br />
Prozess erforderlich sein, kommen Coach und Klient physisch zusammen,<br />
um miteinander zu arbeiten. Diese Situationen werden allerdings<br />
auf ein Minimum reduziert, indem vorgelagerte Reflexionen (z. B. Wie<br />
werde ich von anderen wahrgenommen? Möchte ich so wahrgenommen<br />
werden? Wie möchte ich künftig wahrgenommen werden?) am<br />
Telefon realisiert werden und nur die Frage, wie kann ich diese Wahrnehmung<br />
erzeugen? in der Präsenzsituation praktisch geübt wird.<br />
2. Der Coach führt mit dem Klienten die notwendigen Reflexionen<br />
durch und empfiehlt dann geeignete Trainingsmaßnahmen (z. B. Rhetorik,<br />
Kommunikation, Präsentation etc.), die der Klient im Rahmen<br />
von lokalen Seminarangeboten realisiert. Die dort gemachten Lernerfahrungen<br />
werden dann anschließend in den weiteren <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess integriert. Durch eine konsequente Trennung von vergleichsweise<br />
teurer <strong>Coaching</strong>-Zeit und günstiger Seminar- bzw. Trainingszeit<br />
lassen sich einmal mehr die <strong>Coaching</strong>-Kosten optimieren.<br />
Abgesehen von dem Phänomen der Sprachlosigkeit gibt es nach<br />
unserer Erfahrung keine <strong>Coaching</strong>-Indikationen, bei denen das Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> nicht die Basis sein könnte.<br />
69
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s – Eine Überraschung!<br />
Viel bedeutender als die oben durch Sprachlosigkeit und beim Übergang<br />
zum Training markierten Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong> ist eine<br />
mögliche Limitierung in der Person des Coachs selbst. Das Funktionieren<br />
eines Tele<strong>Coaching</strong>-Prozesses hängt wesentlich von der Fähigkeit<br />
des Coachs ab, sein Portfolio an Interventionen auf das Telefon zu<br />
transferieren. Es hängt von seinem Vermögen ab, am Telefon wirklich<br />
präsent zu sein, den Problemkontext durch reines Hören zu erfassen<br />
und rein sprachlich kraftvoll zu intervenieren. Schnelle Auffassungsgabe,<br />
Spontaneität und Kreativität sowie kurze Reaktionszeiten neben<br />
einer starken Affinität zu neuen Medien sind kritische Erfolgsfaktoren.<br />
Die größte Herausforderung stellt demnach das Tele<strong>Coaching</strong> für<br />
den Coach selbst dar. Während es auf Seiten der Auftraggeber und<br />
Klienten lediglich der Aufgeschlossenheit und Bereitschaft bedarf, den<br />
Paradigmenwechsel im <strong>Coaching</strong> zu vollziehen, muss sich der Coach<br />
von alten Gewohnheiten und Vorlieben verabschieden und sich ein<br />
neues <strong>Coaching</strong>-Feld erschließen. Dabei ist selbstverständlich, dass es<br />
auch unter den Coachs die ganze Bandbreite derer gibt, die als Vorreiter<br />
gerne neues Terrain erkunden bis hin zu denen, die als Nachzügler<br />
dort noch einen Zeltplatz suchen, wo die Claims längst von der breiten<br />
Menge der Zuvorgekommenen abgesteckt sind.<br />
Interessierte Kollegen, die sich dieser Herausforderung stellen wollen,<br />
erhalten im dritten und vierten Teil dieses Buches eine methodische<br />
Einführung in das Tele<strong>Coaching</strong>, auf deren Grundlage erste<br />
eigene Erfahrungen mit dem Telefon als zentrales Arbeitsinstrument<br />
im <strong>Coaching</strong>-Prozess gesammelt werden können.<br />
WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Diese Frage ist jetzt beantwortet. Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> ist praktisch für alle Beteiligten, für Klienten, Auftraggeber<br />
und nicht zuletzt für den Coach selbst. Dabei werden die praktischen<br />
Vorteile nicht durch methodische Nachteile erkauft. Vielmehr wurde<br />
deutlich, dass Tele<strong>Coaching</strong> methodisch durch die Konzentration auf<br />
das Hören eine vollgültige Alternative zum klassischen Präsenz-<br />
70
II WARUM Tele<strong>Coaching</strong>? – Überzeugen Sie sich selbst<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Eierlegende Wollmilchsau? – Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong> darstellt. Durch Verdichtung des <strong>Coaching</strong>-Prozesses im<br />
Tele<strong>Coaching</strong>, so wurde gezeigt, können <strong>Coaching</strong>-Ziele mit weniger<br />
Zeitaufwand erreicht werden, wodurch die <strong>Coaching</strong>-Kosten<br />
signifikant sinken. Bei der Frage nach den Grenzen von Tele<strong>Coaching</strong><br />
stellte sich heraus, dass diese weniger in der Eignung des Klienten oder<br />
in möglichen <strong>Coaching</strong>-Indikationen als vielmehr in der Person des<br />
Coachs selbst liegen. Das „Tele<strong>Coaching</strong> geht nicht“ vieler Coach-<br />
Kollegen fällt am Ende auf sie selbst zurück.<br />
Guter Mann, etwas<br />
Wichtiges am Telefon zu<br />
besprechen kann ich mir<br />
überhaupt nicht vorstellen.<br />
71
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
__________________________________________________<br />
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? –<br />
Ein Ratgeber für die Praxis<br />
In diesem Kapitel präsentieren wir Ihnen unser praktisches Erfolgswissen,<br />
mit dem wir Tele<strong>Coaching</strong>-Mandate in der Arbeit mit Einzelpersonen<br />
und Gruppen erfolgreich im nationalen, internationalen und<br />
interkulturellen Rahmen ausführen.<br />
• Der gute Draht zum anderen – Die technische<br />
Infrastruktur: Beim telefonischen <strong>Coaching</strong> wird die<br />
technische Infrastruktur zum kritischen Erfolgsfaktor. Hier<br />
erhalten Sie Hinweise zu Auswahl und Einsatz von technischen<br />
Hilfsmitteln.<br />
• Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess: Das telefonische <strong>Coaching</strong> stellt teilweise andere<br />
Anforderungen an die Beteiligten als das persönliche<br />
Beratungsgespräch. Hier machen Sie sich mit den<br />
Übereinstimmungen und Besonderheiten vertraut und lernen den<br />
idealtypischen Ablauf einer Beratung kennen.<br />
• Fern und doch ganz nah – Eine vertrauensvolle<br />
Beziehung zum anderen aufbauen: Ohne gegenseitiges<br />
Vertrauen kommt kein <strong>Coaching</strong> zustande. Hier erfahren Sie,<br />
worauf es bei der Vertrauensbildung am Telefon besonders<br />
ankommt.<br />
• Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens: Beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
konzentrieren Sie sich ausschließlich auf den auditiven Wahrnehmungskanal.<br />
Hier lernen Sie besondere Aspekte der verbalen<br />
und nonverbalen Kommunikation kennen und anzuwenden.<br />
72
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
__________________________________________________<br />
• Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten:<br />
Auch beim Tele<strong>Coaching</strong> geht es um Resultate. Hier geht es um<br />
die Beantwortung der Frage, wie Sie mit dem Klienten am<br />
Telefon engagiert, konzentriert und ergebnisorientiert arbeiten<br />
und mit auftretenden Schwierigkeiten umgehen können.<br />
• Telefon 3 – Gruppen coachen am Telefon: Wie beim<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong> können auch Gruppen am Telefon durch einen<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess geführt werden. Hier machen Sie sich mit den<br />
Möglichkeiten und Verfahrensweisen bei der Arbeit mit Kleingruppen<br />
vertraut.<br />
• TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon: Inwiefern<br />
spielt das Geschlecht der Gesprächsteilnehmer beim Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> eine Rolle? Hier sensibilisieren wir Sie für die Fragestellung<br />
und Sie machen sich selbst ein Bild.<br />
Mit diesem Ratgeber steht Ihnen die breit gefächerte Erfahrung der<br />
Autoren im Umgang mit dem Tele<strong>Coaching</strong> zur Verfügung. Unser Anspruch<br />
ist, Ihnen dieses Erfahrungsspektrum reflektiert so zu<br />
präsentieren, dass Sie den Wert und das Potenzial dieser Form der<br />
Beratung nachvollziehen und die Möglichkeit erhalten, selbst Erfahrungen<br />
auf diesem Feld zu sammeln.<br />
Unsere<br />
nächste<br />
Zuschauerin…<br />
Hallo, ich bin die<br />
Heidi und werde<br />
am Arbeitsplatz<br />
gemobbt…<br />
73
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Der Gute Draht zum anderen –<br />
Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
Was brauchen wir zum Telefonieren? Ein Telefon? Ein Handy?<br />
Einen Computer mit Skype?<br />
Um sich mit einem Freund zum Kaffee zu verabreden, oder ein<br />
Familienmitglied aus dem Urlaub anzurufen, reicht das sicher aus. Ja,<br />
selbst tausende von geschäftlichen Gesprächen werden Tag für Tag<br />
geführt, ohne dass sich der Anrufer über die „Infrastruktur“ des Telefonierens<br />
Gedanken macht.<br />
Aber <strong>Coaching</strong> (!) über Telefon? – Da lohnt sich ein Blick darauf,<br />
welche Technik und welche Geräte uns besonders unterstützen. Oder<br />
behindern.<br />
In welchen Räumen telefonieren wir, und wie sind die eingerichtet?<br />
Telefonieren wir im Sitzen, im Stehen, im Auto oder im Freien? Und<br />
was gibt es da zu beachten?<br />
Ist Video eine Alternative und welche ergänzenden Techniken können<br />
wir noch nutzen?<br />
Hier bekommen Sie einen Überblick, denn Eines ist sicher: Eine<br />
optimale Infrastruktur ist die Basis für erfolgreiches Tele<strong>Coaching</strong>.<br />
Seit über 130 Jahren telefonieren wir …<br />
Von Victor Hugo stammt der Ausspruch: „Nichts auf der Welt ist so<br />
mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Und auf nichts<br />
scheint diese Weisheit so zuzutreffen, wie auf das Telefon. Allein auf<br />
Wikipedia werden acht (!) verschiedene Erfinder genannt bzw. diskutiert.<br />
74
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Abbildung 2: Telefone von low-tech bis high-tech<br />
Telefonieren ist heute absolut selbstverständlich geworden. Der Vergleich<br />
von günstigen Flatrates zu teuren Reisekosten ist eindeutig.<br />
Europaweit gibt es längst mehr Handys als Einwohner. Wir sind es<br />
gewohnt zu telefonieren. Täglich. Privat und geschäftlich. Zuhause, im<br />
Büro und unterwegs. Gerade daher lohnt sich ein bewusster Blick über<br />
den „Gewohnheits-Tellerrand“, um dieses besondere Kommunikationsmittel<br />
sinnvoll und effektiv zu nutzen.<br />
Gibt es überhaupt so etwas wie „modernes Telefonieren“? Was hat<br />
sich in den letzen 130 Jahren geändert und was hat sich bewährt? Welche<br />
Neue Medien funktionieren und welche behindern eher?<br />
"Das Telefon hat einfach zu viele Mängel,<br />
als dass man es für Zwecke der<br />
Kommunikation einsetzen könnte.<br />
Das Gerät ist wertlos für uns."<br />
(Internes Papier der Western Union, 1876)<br />
Abbildung 3: Das gute alte Telefon<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Die Infrastruktur<br />
Wenn etwas so selbstverständlich ist wie das Telefonieren, müssen<br />
wir uns dann noch mit der Technik und dem Umfeld, also der Infrastruktur<br />
des Telefonierens beschäftigen?<br />
Eindeutig ja, denn beim professionellen Coachen über das Telefon<br />
gibt es einige Dinge zu beachten, die die Qualität enorm steigern und<br />
die für ein optimales Ergebnis wichtig sind. Es geht dabei nicht (nur)<br />
um die akustische Sprachqualität, sondern um die Qualität des gesamten<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesses.<br />
Telefonieren ist heute eine Technik, die weltweit hochverfügbar ist.<br />
Das verführt uns dazu, diese Technik als selbstverständlich anzusehen<br />
und auch immer und überall zu nutzen.<br />
Würden Sie als Coach mit Ihrem Klienten in einer Kneipe eine tiefgründige<br />
Sitzung abhalten? Oder am Arbeitsplatz des Klienten, etwa in<br />
einem Großraumbüro? Ja selbst ein Zweierbüro mit einem (unfreiwilligen)<br />
Zuhörer würden Sie als Profi oder Klient nicht akzeptieren. Sie<br />
achten auf das passende „Setting“, die stimmige Umgebung. Genauso<br />
selbstverständlich wie Sie beim Einrichten Ihrer Praxis, Ihres Büro und<br />
Ihres Besprechungs- und Sitzungsraumes darauf achten, dass sich Ihr<br />
Klient wohl fühlt und dass er Vertrauen in die geschützte „<strong>Coaching</strong>-<br />
Umgebung“ entwickeln kann.<br />
Dieselbe Bedeutung hat die richtige Infrastruktur auch beim Tele-<br />
<strong>Coaching</strong>. Genauso wie Sie natürlich auch mal in einer ungewohnten<br />
oder (vermeintlich) nicht geeigneten Umgebung coachen können,<br />
könnten Sie auch immer und überall telefonieren.<br />
In der Regel werden wir aber ein Setting wählen, das unserem hohen,<br />
professionellen Anspruch gerecht wird. Das ist beim <strong>Coaching</strong> übers<br />
Telefon besonders wichtig. Warum, wird in unserem Buch ausführlich<br />
erläutert.<br />
76
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Wie wichtig ist die beste Qualität?<br />
Um es ganz klar zu sagen: Es gibt immer eine Vielzahl von Faktoren,<br />
die die Qualität eines <strong>Coaching</strong>-Prozesses beeinflussen. An oberster<br />
Stelle stehen eindeutig die Qualität des Coachs mit seiner Erfahrung,<br />
seinem Know-how und seinem Einfühlungsvermögen sowie die Intensität<br />
und die Güte des Vertrauensverhältnisses zwischen Coach und<br />
Klient. Erst danach sind die Fragen nach einer guten Sprachverbindung<br />
relevant.<br />
Auch die beste Sprachqualität nützt nichts, wenn die Basisvoraussetzungen<br />
nicht gegeben sind. Aber darum geht es in diesem Kapitel<br />
nicht. Hier setzen wir voraus, dass der Coach gut ist und ein optimales<br />
Verhältnis zu seinen Klienten aufbauen kann. Erst wenn dies gesichert<br />
ist, kann durch die optimale Sprachqualität das <strong>Coaching</strong> Ergebnis<br />
noch weiter verbessert werden.<br />
Die Notwendigkeit einer guten und zuverlässigen Technik, sowie<br />
eine hervorragende Sprachqualität, sind also nicht die Voraussetzungen<br />
für ein optimales <strong>Coaching</strong>-Ergebnis. Sie verbessern aber das Resultat<br />
deutlich bei ansonsten gleichen Vorbedingungen.<br />
Widmen wir uns also nun der Frage nach der besten Technik.<br />
Die optimale Hardware<br />
Das richtige Netz, also der Übertragungsweg der akustischen Daten<br />
zwischen den Gesprächspartnern, bildet die Grundlage für eine hohe<br />
Gesprächsqualität.<br />
Auch wenn Sie vielleicht noch einen alten analogen Anschluss haben,<br />
spätestens ab der Vermittlungsstelle werden die Sprachdaten heute<br />
digital übertragen. Das bedeutet, der analoge Klang der Stimme wird in<br />
Nullen und Einsen codiert und beim Gesprächspartner wieder decodiert<br />
und umgekehrt. Beim Telefonieren wird die Sprache also erst<br />
digitalisiert, dann digital übertragen und schließlich beim Empfänger<br />
wieder in ein analoges Signal zurückgewandelt. Jeder einzelne Tonwert<br />
77
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
und jedes Geräusch wird als 8-Bit-Zahl aufgenommen und dann 8000-<br />
mal in der Sekunde übertragen. (8 kHz * 8 Bit = 64 kBit/s bei ISDN<br />
und Bluetooth). Bei schnurlosen DECT-Telefonen sind es immerhin<br />
noch 32 kBit/s. Beim GSM-Standard der Handys sind es in der Regel<br />
nur ca. 9,6 kBit/s. Das hört sich zwar alles immens viel an, reicht aber<br />
maximal nur für eine mittlere Ton-Qualität. Zum Vergleich: Einen<br />
guten HiFi-CD-Klang erreichen wir erst mit einer Abtastrate von<br />
44100 Abtastungen pro Sekunde (also 44,1kHz). Das sind mehr als 5-<br />
mal so viele Daten als beim Telefonieren mit Festnetz und sogar 36-<br />
mal (!) so viele wie beim Telefonieren per Handy!<br />
Aber das ist nicht das Hauptproblem. Um eine möglichst niedrige<br />
Bandbreite zu erreichen, werden die Sprachdaten komprimiert und<br />
Hintergrundgeräusche weggefiltert. Adaptionslogik und Filter sorgen<br />
dafür, dass dem Mischverstärker ein Signal zugeführt wird, das dann<br />
dem Störsignal genau entgegengesetzt wirkt. So wird jede Störung am<br />
Empfänger ausgelöscht.<br />
Das klingt dann aber oft sehr unnatürlich. In den Sprechpausen<br />
haben wir den Eindruck, es bestehe gar keine Verbindung mehr. Wir<br />
vermissen geradezu ein wenig Hintergrundrauschen und fragen: „Sind<br />
Sie noch da?“ Besonders bei Verbindungen, die mit Hilfe von VoIP<br />
geführt werden, tritt dieses Phänomen häufig auf.<br />
VoIP bedeutet „Voice over IP“. Hier werden also die Sprachdaten<br />
über ein Internet-Protokoll (IP) übertragen. Leider ist die Sprachqualität<br />
dabei oft völlig unzureichend – besonders wenn parallel dazu im<br />
Internet gesurft wird, oder ein kostenloser VoIP-Dienst wie Skype<br />
verwendet wird. Je nach Datenaufkommen verschmälert sich dann die<br />
verfügbare Bandbreite.<br />
Und den Unterschied kann man hören. Beim Tele<strong>Coaching</strong> kommt<br />
es aber auf jede kleine Ton-Nuance an. Jeder Unter- und Zwischenton<br />
ist wichtig. Da sollten doch wir auf die beste Verbindung achten, oder?<br />
Im Zeitalter der Flatrates sollten die Telefon-Kosten keine entscheidende<br />
Rolle mehr spielen.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Das optimale Netz<br />
Was bedeutet das nun in der Praxis? Ein klassischer Festnetzanschluss<br />
ist einem VoIP-Anschluss immer vorzuziehen. Bitte achten Sie<br />
darauf, dass Sie auch wirklich über das Festnetz telefonieren. Bei manchen<br />
Angeboten, zum Beispiel beim Telefonieren über Kabel, ist gar<br />
nicht erkennbar, dass es sich in Wirklichkeit um einen VoIP-Anschluss<br />
handelt. Der Kabelanschluss bietet zwar recht hohe Übertragungsraten,<br />
die sterile und hoch komprimierte Sprachqualität bleibt aber.<br />
Das Handy sollte wegen seiner geringeren Sprachqualität und hohen<br />
Störanfälligkeit nur in Ausnahmefällen genutzt werden.<br />
Wie gesagt, für ein normales Telefongespräch reichen VoIP und<br />
Handy sicher aus. Sie werden aber im Verlaufe des Buches lesen, dass<br />
der Text, den wir „zwischen den Zeilen hören“, beim Tele<strong>Coaching</strong> für<br />
eine gute Arbeit elementar ist.<br />
Und zu einem Profi gehört nun mal auch eine professionelle Ausstattung.<br />
Allerdings ist eines klar: Nicht alles, was neu ist, ist auch<br />
besser.<br />
Die richtigen Endgeräte<br />
Endgeräte nennen wir die Hardware, die am Ende der Leitung sind.<br />
Vor unserem Mund und an unserem Ohr. Also das richtige Telefon<br />
oder Headset.<br />
Grundsätzlich erreichen Sie mit einem klassischen, schnurgebundenem<br />
Festnetztelefon sehr gute Ergebnisse. Keine schädliche Strahlung<br />
und sehr gute Klang-Qualität. Allerdings sind Sie natürlich ortsgebunden.<br />
Die Länge des Kabels bestimmt den Grad der Bewegungsfreiheit.<br />
Schnurlose Telefone bietet hier mehr Flexibilität. Sie sollten allerdings<br />
dem neusten DECT-Standard entsprechen. Dieser ist energiesparend<br />
und strahlungsreduziert. Aufgelegt in der Basisstation ist die<br />
Strahlung der Telefone im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen<br />
79
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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ohne Strahlungsreduzierung deutlich gesenkt. Zudem ist die Strahlung<br />
der mobilen Telefone umso niedriger, je näher sie an der Basisstation<br />
sind. Dank der Verwendung moderner Schaltnetzteile und einer optimalen<br />
Abstimmung der elektrischen Komponenten sind die Telefone<br />
zudem besonders energiesparend.<br />
Ob nun kabelgebundenes oder schnurloses Telefon, bei längeren<br />
Gesprächen bekommt man schon mal ein taubes Gefühl im Arm. Und<br />
beim Wechseln von einem Ohr zum anderen (und von einem Arm<br />
zum anderen) muss sich unser Gehirn wieder neu kalibrieren. Das<br />
heißt, für einen Moment ist unsere Aufmerksamkeit eingeschränkt.<br />
Wir entwickeln sogar Vorlieben, auf welcher Seite wir lieber telefonieren.<br />
Das kann dann zu Verspannungen und Kopfschmerzen führen.<br />
Das richtige Headset<br />
Am Besten funktioniert das Tele<strong>Coaching</strong> also mit einem Headset.<br />
Aber auch hier gibt es einige Dinge zu beachten. Wie Sie sich nach den<br />
bisherigen Ausführungen sicher schon denken können, erhalten Sie die<br />
qualitativ besten Ergebnisse mit einem kabelgebunden Headset, das Sie<br />
direkt an ein kabelgebundenes Telefon anschließen.<br />
Gute Ergebnisse und viel Bewegungsfreiraum bieten auch Headsets,<br />
die Sie per Kabel an ein kabelloses DECT-Telefon anschließen. Damit<br />
können Sie sich frei im Raum bewegen. Sie haben sogar die Hände frei,<br />
wenn Sie das Telefon in eine Tasche stecken oder an einen Gürtelclip<br />
hängen.<br />
Headsets, die Sie per Bluetooth anschließen, sind zwar einfach und<br />
preiswert, haben aber auch oft Qualitätsprobleme. Die angegebenen<br />
zehn Meter Bewegungsfreiheit sind oft eher Wunschdenken der Hersteller.<br />
Wenn Sie dennoch ein Bluetooth Headset vorziehen, achten Sie<br />
bitte darauf, dass es Bluetooth <strong>2.0</strong> und den A2SP-Standard unterstützt.<br />
DECT-Headsets sind besser, bieten aber, wenn sie an schnurlose<br />
Telefone oder direkt an ISDN-Anlagen angemeldet werden, oft nur<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
unzureichenden Komfort. Zum Beispiel ist dann bei einigen Modellen<br />
kein Wählen oder Stummschalten mehr möglich. Das bedeutet, man<br />
kann zwar ein Gespräch annehmen, aber nicht selbst wählen und auch<br />
nicht weiter verbinden. Hier kommt es besonders auf die Kompatibilität<br />
der einzelnen Komponenten an. Hier hilft nur eine wirklich kompetente<br />
Beratung.<br />
Achten Sie also auch darauf, dass Ihr Headset über Steuerungsmöglichkeiten<br />
wie z. B. Stummschaltung und Laut-Leise-Regelung verfügt,<br />
oder dass Sie dies über die entsprechende Feststation einstellen<br />
können.<br />
Gute Headsets bieten eine Noise-Cancelling-Funktion, die Hintergrundgeräusche<br />
ausfiltert, an. Auch hier gilt, zu viel des Guten bringt nichts.<br />
Das Gespräch wird steril. Die Zwischen- und Obertöne werden vollständig<br />
ausgefiltert. Achten Sie also darauf, dass Sie die Funktion einund<br />
ausschalten können.<br />
Besser als die beste Filterfunktion ist es ohnehin in einer ruhigen<br />
Umgebung zu telefonieren. Das tut Ihnen als Coach und Ihrem Klienten<br />
gut.<br />
Und noch etwas: Achten Sie auf die richtige Position des Mikrofons.<br />
Die Bügel der Mikrofonhalterung lassen sich in der Regel leicht verstellen.<br />
Das klingt zwar selbstverständlich, wird aber oft nicht beachtet.<br />
Um möglichst wenig Umgebungsgeräusche aufzunehmen, werden in<br />
guten Headsets Richtmikrofone verbaut. Wenn diese aber nicht in<br />
Richtung Mund zeigen, ist die Verständigung schwierig.<br />
Auch der Abstand ist sehr wichtig. Zu nah vorm Mund werden die<br />
Atemgeräusche zu Orkanböen. Wer das mal längere Zeit anhören<br />
musste, weiß wie unangenehm das ist. Auch wenn das Mikrofon an der<br />
(unrasierten) Wange anliegt, gibt es unschöne Störgeräusche, die auch<br />
der beste Filter nicht mehr wegzaubern kann.<br />
Und letztlich achten sie bitte auf einen angenehmen Tragekomfort.<br />
Auch nach Stunden darf das Headset nicht drücken oder unangenehm<br />
werden. Testen Sie Ihr Wunsch-Headset ausführlich auf dem eigenen<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Ohr! Nur so finden Sie heraus, ob Sie das Gerät wirklich mehrere<br />
Stunden tragen können.<br />
Optimal sind so genannte Binaurale Headsets (Duo-Headsets). Diese<br />
arbeiten zwar auch nur in Mono, (die Telefonleitungen übertragen<br />
leider nur das Mono-Signal), aber der Ton wird auf beide Hörmuscheln<br />
übertragen. Das hat sehr viele Vorteile: Hintergrundgeräusche treten in<br />
den Hintergrund 21 . Wir nehmen nur noch unseren Gesprächspartner<br />
wahr und können uns ganz auf ihn einlassen. Wir hören unseren<br />
Gesprächspartner quasi in der „Mitte“ unseres Kopfes. Und besonders<br />
faszinierend: Beide Gehirnhälften werden angesprochen. Somit können<br />
Ratio und Kreativität gleichermaßen in das <strong>Coaching</strong> einfließen.<br />
Abbildung 4: Duo-Headset<br />
Wir haben uns entschieden an dieser Stelle keine konkreten Herstellerempfehlungen<br />
auszusprechen. Dazu ist der Markt einfach zu groß<br />
und zu schnelllebig.<br />
21 Binaurale Headsets sind keine Lärmschutz-Headsets! Die Hintergrundgeräusche<br />
treten nur scheinbar in den Hintergrund, weil für unser Gehirn die<br />
Sprachinformation, die nun von beiden Seiten kommt, als Dominant<br />
wahrgenommen wird.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Lassen Sie sich bitte im einschlägigen Fachhandel beraten. Aber<br />
achten Sie darauf, dass Ihr Berater auch wirklich weiß, wovon er<br />
spricht. Ihre Anforderungen gehen über das normale Telefonieren weit<br />
hinaus. CallCenter-Ausstatter sind in der Regel eine gute Anlaufstelle.<br />
Auch im Internet finden sich gute Shops, auf denen Sie via kostenlose<br />
Hotline kompetent beraten werden. 22<br />
Die ideale Umgebung für Coach und Klient<br />
Als TeleCoach brauchen Sie neben der technischen Ausstattung eine<br />
besonders gute Arbeitsumgebung. Ein großer kahler Raum hallt viel zu<br />
sehr, mal ganz abgesehen von der mangelnden Atmosphäre. Gekachelte<br />
glatte Böden sind akustisch ungeeignet. Ein Teppich kann hier<br />
Wunder wirken. Große Glasflächen sind ebenso tabu oder mit Vorhängen<br />
zu versehen.<br />
Sorgen Sie für ein ruhiges Umfeld und eine geräuscharme<br />
Umgebung. Bei Störgeräuschen von außen schließen Sie die Fenster.<br />
Wenn zu viel Verkehrslärm herrscht, sollten Sie prüfen, ob Ihr Büro<br />
wirklich zum Tele<strong>Coaching</strong> geeignet ist.<br />
Schalten Sie auch Ihre weiteren Telefone aus oder legen Sie die<br />
Gespräche zu Ihrer Sekretärin in einen anderen Raum oder nutzen Sie<br />
einen Telefonservice. Wenn während des <strong>Coaching</strong>s ein Telefon klingelt,<br />
ist das mehr als störend. Ihr Klient sollte immer das Gefühl haben,<br />
dass er für Sie als Coach jetzt im Mittelpunkt steht. Jetzt sind Sie für<br />
ihn da und nicht für andere zu erreichen!<br />
Hintergrundgespräche von anderen Menschen in Ihrem Büro sind<br />
ebenso auszuschließen, wie Geräusche durch Büromaschinen<br />
(Drucker, Faxgeräte), laute Klimaanlagen und usw.<br />
22 Die „Headset Spezialisten“ der HEADSET COMPANY GmbH<br />
(www.comhead.de) oder der Headset Competence Karasu GmbH (www.headsetcompetence.de)<br />
sind solche Beispiele.<br />
83
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Seien Sie kritisch: Auch wenn Sie die Geräusche vielleicht gar nicht<br />
(mehr) wahrnehmen – Ihr Klient nimmt sie ganz sicher wahr. Zumindest<br />
unbewusst.<br />
Auch wenn Sie die Umgebung beim Klienten natürlich nicht direkt<br />
beeinflussen können, sollten Sie unbedingt darauf achten, dass dort<br />
prinzipiell die gleichen Anforderungen wie für Ihr Büro gelten: Also<br />
eine ruhige und ungestörte Umgebung, sowie eine technisch gute Ausstattung.<br />
Es muss nicht immer im Büro sein<br />
Bisher gingen wir (stillschweigend) davon aus, dass Sie sich beim<br />
Telefonieren in Ihrem Büro bzw. an Ihrem Arbeitsplatz befinden.<br />
Natürlich gibt es darüber hinaus auch andere Orte, an denen ein<br />
<strong>Coaching</strong> Sinn macht. Und zwar für Sie als Coach und für Ihren<br />
Klienten.<br />
Das Telefonieren von Zuhause bietet u. U. einige Vorteile – besonders<br />
für den Klienten. Die Umgebung ist hier geschützt, sicher und<br />
gewohnt. Das ist oft deutlich besser, als wenn der Klient in seinem<br />
Büro oder an seinem Arbeitsplatz ist. Der mentale Schutzpanzer ist<br />
dann nicht so mächtig. So kommen wir beim <strong>Coaching</strong> schneller in die<br />
notwendigen Tiefen. 23<br />
Auch das Auto kann in Ausnahmefällen für ein Tele<strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräch genutzt werden. Allerdings sollte das natürlich die Ausnahme<br />
bleiben. (Zumindest, wenn der Gesprächsführende keinen Chauffeur<br />
hat und selber am Steuer sitzt.) Mal ganz abgesehen von der mangelnden<br />
Sprachqualität der meisten Freisprecheinrichtungen im Auto gibt<br />
es auch große Bedenken was die Sicherheit beim Fahren angeht. Und<br />
dennoch, manchmal ist der tranceähnliche Zustand beim Autofahren<br />
genau das richtige Setting, um eine wichtigen Schritt weiter zu kom-<br />
23 Vgl. Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des Tele-<br />
<strong>Coaching</strong>s (S. 288 ff).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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men. Vertrauen Sie bitte hier auf Ihr Gefühl und denken Sie daran:<br />
Safety First!<br />
Eine andere, sehr spannende Variante ist das „Walk-the-talk“ oder<br />
auch „<strong>Coaching</strong>-in-Motion“, also das Telefonieren beim Laufen in der<br />
Natur. Hier tritt der Effekt auf, dass sich unsere Wahrnehmung ändert,<br />
weil sich unsere Umgebung ständig ändert. Wir verändern unsere<br />
äußere und(!) innere Sichtweise und nehmen neue Perspektiven ein.<br />
Und in festgefahrenen Situationen ist es leichter einen neuen Standpunkt<br />
anzunehmen. Wie schon Goethe sagte: „Müsset im Naturbetrachten<br />
immer eins wie alles achten: Nichts ist drinnen, nichts ist<br />
draußen; denn was innen, das ist außen.“<br />
Technische Hilfsmittel<br />
Beim <strong>Coaching</strong> übers Telefon brauchen wir auf weitere „State-ofthe-art-technology“<br />
nicht zu verzichten. Genau wie wir beim Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> Stift und Schreibblock, Flipchart oder Powerpoint zu Hilfe<br />
nehmen, können wir auch am Telefon weitere Hilfsmittel einsetzten.<br />
Dazu ist es notwendig, dass sowohl der Coach als auch der Klient an<br />
einem PC sitzen.<br />
Dann kann z. B. mit Hilfe des „Desktop-Sharing“ ein beliebiger<br />
Bildschirminhalt am anderen PC dargestellt werden. Charts, Zeichnungen<br />
oder PowerPoint Präsentationen können so gemeinsam betrachtet<br />
werden.<br />
Das Programm Team-Viewer bietet hier gute und sehr kostengünstige<br />
Optionen, die leicht bedienbar sind. 24<br />
Es gibt auch Whiteboard-Programme, die ein virtuelles Flipchart simulieren.<br />
25<br />
24 Vgl. www.teamviewer.com/de.<br />
25 Eine einfache und kostenlose Version können Sie unter www.Goeller-<br />
Mentoring.de/Whiteboard nutzen.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Dateien können Sie z. B. über die so genannten File-Sharing-Optionen<br />
teilen und gemeinsam nutzen. „Google-Documents“ bietet hier<br />
einen kostenlosen Dienst an. 26<br />
<strong>Coaching</strong> mit Gruppen<br />
Auch für das <strong>Coaching</strong> mit Teams und Gruppen gelten im Prinzip<br />
die gleichen Hinweise wie für die Einzelgespräche. Qualität ist immer<br />
das oberste Gebot.<br />
Damit sind kostenlose VoIP-Dienste wie Skype in der Regel leider<br />
aus dem Rennen. Es gibt aber günstige Alternativen, die sehr gute und<br />
durchaus leistungsfähige Konferenzlösungen anbieten. Der Anbieter<br />
Talkyoo (www.talkyoo.net) ist sicher so ein Kandidat.<br />
Wichtig ist, dass der Anbieter über ein „Control-Tool“ verfügt, über<br />
das sich die Teilnehmer gezielt stumm- und wieder freischalten lassen.<br />
Wichtig ist auch, dass sich der stummgeschaltete Teilnehmer per Tastenklick<br />
melden kann, um freigeschaltet zu werden.<br />
Wie bei einer Konferenz hebt der Teilnehmer quasi den Arm, um<br />
sich zu Wort zu melden, und der Gesprächsleiter teilt ihm dann<br />
Gesprächszeit zu.<br />
Hier hält die modere Telefontechnik noch viele weitere verblüffende<br />
Lösungen parat.<br />
Z. B. können ganze <strong>Coaching</strong>-Sitzungen mitgeschnitten werden und<br />
stehen als mp3-Dateien zum späteren Nachhören zur Verfügung.<br />
Das geht natürlich auch bei Einzel<strong>Coaching</strong>s. Ob das allerdings<br />
immer sinnvoll ist und genutzt wird, ist sicher vom Einzelfall abhängig.<br />
Auf jeden Fall darf die Funktion nur genutzt werden, wenn alle (!)<br />
26 Auf www.google.de/intl/ de_de/options/ finden Sie die Funktion unter „Text und<br />
Tabellen“. Hier könnten Sie z. B. auch einen gemeinsamen Terminkalender anlegen,<br />
den Sie nur für Ihren Klienten freigeben können. Öffentliche Termine lassen<br />
sich hingegen für mehr Nutzer freigeben. Diese Funktionen können auch sehr<br />
einfach in Ihre Internetseite integriert werden.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Beteiligten damit einverstanden sind. Hier gelten natürlich die gleichen<br />
Regeln wie im Präsenz<strong>Coaching</strong>. Auch hier kann unter bestimmten<br />
Umständen ein Tonband sinnvoll sein. Aber der Schutz des Klienten<br />
und seine Privatsphäre müssen gewahrt bleiben.<br />
Alternative Video?<br />
Die meisten modernen Kommunikationssysteme bieten natürlich<br />
auch das Videobild als Ergänzung zur akustischen Kommunikation an.<br />
Für das Tele<strong>Coaching</strong> ist das Videobild unseres Gesprächspartners<br />
aber eher kontraproduktiv und sollte daher bewusst nicht genutzt<br />
werden.<br />
Der Vorteil des Tele<strong>Coaching</strong>s ist ja gerade die bewusste Ausschaltung<br />
des Sehsinns und dadurch die Stärkung der anderen Wahrnehmungskanäle.<br />
Video, in welcher Form auch immer, nimmt dem Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> daher einen entscheidenden Vorteil (Gesichtswahrung, körperliche<br />
Anonymität etc.). Im weiteren Verlauf des Buches werden wir<br />
darauf noch genauer eingehen.<br />
Wo führt das noch hin?<br />
Die Kommunikationstechnik steht nach 130 Jahren eigentlich immer<br />
noch am Anfang. Selbst mit der Technik von vor 100 Jahren wäre<br />
Tele<strong>Coaching</strong> durchaus möglich gewesen.<br />
Bisher beschränkten sich die Innovationen beim Telefonieren auf die<br />
Übertragungstechniken und die attraktive Preisgestaltung. Und natürlich<br />
können wir mittlerweile dank Handytechnik immer und (fast)<br />
überall telefonieren. Aber im Prinzip halten wir immer noch einen<br />
Hörer ans Ohr und rufen „Hallo?“<br />
Und doch gibt es sie, die wirklich großen Innovationen. Noch sind<br />
sie eher im Hintergrund. Nur für abgedrehte Spezialisten und Freaks<br />
verfügbar. Aber sie sind schon real.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Der Gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur<br />
(Thomas Göller)<br />
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Ein grandioses Beispiel hierfür ist ganz sicher „Second Life“. Dabei<br />
ist „Second Life“ sehr viel mehr als nur ein 3D-Computerspiel. Die<br />
Nutzungsmöglichkeiten sind unglaublich vielfältig. Es gibt schon ca. 20<br />
Millionen Nutzer weltweit. Viele große Firmen haben den Trend<br />
bereits erkannt und betreiben eine virtuelle Vertretung in der 3D-Welt.<br />
Die Dresdner Gemäldegalerie ist das erste große Museum, das komplett<br />
in "Second Life" nachgebaut wurde.<br />
Wikipedia schreibt dazu: „Second Life fungiert auch als Plattform für<br />
soziale Interaktionen für verschiedenste Communities. Gleichgesinnte<br />
können Gruppen bilden und über den integrierten Instant Messenger<br />
nicht nur mit Einzelpersonen sondern auch mit allen Mitgliedern der<br />
jeweiligen Gruppe kommunizieren. Das Programm wurde bereits für<br />
Schulungen und virtuelle universitäre Vorlesungen genutzt, sogar Live-<br />
Konzerte lassen sich virtuell durchführen.“<br />
Wow! <strong>Coaching</strong> im virtuellen Raum. Mit einem Avatar als<br />
Gesprächspartner. Das wird <strong>Coaching</strong> 3.0 – da wette ich!<br />
Lassen Sie uns an dieser Stelle nicht über den Sinn oder Unsinn von<br />
„Second Life“ diskutieren. Auf jeden Fall zeigt es, wo die Entwicklung<br />
hingehen könnte …<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Coachen auf der Tonspur –<br />
Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Das telefonische <strong>Coaching</strong> stellt andere Anforderungen an die Beteiligten<br />
als das persönliche <strong>Coaching</strong>-Gespräch. Hier machen Sie sich<br />
mit den Besonderheiten entlang des <strong>Coaching</strong>-Prozesses von der<br />
Gesprächsvorbereitung, über Gesprächsführung und Auftragsklärung<br />
bis hin zur Prozess-Dokumentation und abschließenden Evaluation<br />
vertraut.<br />
Die Vorbereitung des Klienten auf Tele<strong>Coaching</strong><br />
Der Klient, so wurde gezeigt 27 , braucht zunächst weiter nichts mitzubringen<br />
als die Bereitschaft, das Telefon als <strong>Coaching</strong>-Instrument auszuprobieren<br />
sowie die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken. Letzteres<br />
ist im Business-Kontext sicherlich der Regelfall. Dagegen müssen<br />
Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit für das Tele<strong>Coaching</strong> zumeist<br />
erst erzeugt werden. Dies kann durch folgende Maßnahmen seitens des<br />
Auftraggebers im Vorfeld des Erstkontakts wirksam geschehen:<br />
• Dem Klienten sollte durch den Auftraggeber die Möglichkeit des<br />
Tele<strong>Coaching</strong> nahe gelegt werden. Vor die Wahl gestellt wird der<br />
Klient meistens das wählen, was ihm vertraut ist. Berührungsängste<br />
kann der Auftraggeber dem Klienten durch den Hinweis<br />
nehmen, dass er notfalls nach dem telefonischen Erstgespräch<br />
auch auf das bekannte Präsenz<strong>Coaching</strong> als Lösungsweg<br />
zurückgreifen kann.<br />
27 Vgl. Grenzen des Tele<strong>Coaching</strong>s – Eine Überraschung (S. 70 f).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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• Dem Klienten sollten vor dem Erstkontakt grundlegende<br />
Informationen zum Tele<strong>Coaching</strong> zur Verfügung stehen, in<br />
denen die wichtigsten praktischen und methodischen Aspekte<br />
kurz erläutert werden. Dabei sollte auch eine Checkliste zur<br />
Gestaltung des Gesprächsrahmens nicht fehlen (s. u.).<br />
• Anhand eines aussagekräftigen Profils sollte sich der Klient vor<br />
dem Erstgespräch ein Bild über Ausbildung und Werdegang<br />
sowie die Positionierung des Coachs machen können.<br />
• Durch ein abrufbares Kurzvideo, auf dem sich der TeleCoach<br />
präsentiert und das nicht länger als eine Minute zu sein braucht,<br />
kann dem oft vorhandenen Bedürfnis des Klienten entsprochen<br />
werden, sich einen ersten Eindruck von seinem Gesprächspartner<br />
zu machen.<br />
• Der Auftraggeber sollte dem Klienten bei Rückfragen als Ansprechpartner<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Idealerweise sind Informationen zum Tele<strong>Coaching</strong>, Profile und<br />
Videos auf einer internen Website zusammengestellt, auf die der Klient<br />
durch den Auftraggeber Zugriff erhält.<br />
Was kann der TeleCoach seinerseits im Vorfeld tun, um den Klienten<br />
auf den Erstkontakt bzw. das Auftragsklärungsgespräch vorzubereiten?<br />
In der Regel kommt es zu einer ersten Kontaktaufnahme durch<br />
den Klienten per Telefon oder E-Mail, durch die er sein Interesse an<br />
einem Erstgespräch zum Ausdruck bringt und einen gemeinsamen<br />
Termin abstimmen möchte. Diese Kontaktaufnahme kann der Tele-<br />
Coach wie folgt nutzen, um den Klienten die Schwellenangst zu<br />
nehmen:<br />
• Wertschätzende Begrüßung („Schön, dass Sie sich melden und<br />
sich für eine Zusammenarbeit interessieren.“).<br />
• Sinn und Zweck des Erstgesprächs erläutern (offene Fragen zum<br />
Tele<strong>Coaching</strong> und zur Person des Coachs klären, <strong>Coaching</strong>-<br />
Thema, -Ziel und Prozess besprechen).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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• Zeitnahe Terminvereinbarung, durch die die Service-Orientierung<br />
zum Ausdruck kommt (die Verbindlichkeit des Termins<br />
kann durch eine Terminbestätigung per E-Mail gesteigert werden,<br />
in die der Auftraggeber mit einkopiert ist; zusätzlich sollte vereinbart<br />
werden, dass der TeleCoach anruft, um Herr des Prozesses<br />
zu bleiben).<br />
• Hinweis an den Klienten, sich für das Erstgespräch einen<br />
geschützten Raum und ein genügend großes Zeitfenster (in der<br />
Regel reichen 45 bis 60 Minuten) zu reservieren, in dem er ungestört<br />
und entspannt telefonieren kann.<br />
• Wertschätzender Gesprächsabschluss („Gibt es noch dringende<br />
Fragen, die wir jetzt klären sollten? – Schön, dann freue ich mich<br />
auf das Gespräch mit Ihnen am…, um…. Das wird sicherlich<br />
eine wertvolle Erfahrung für Sie!“)<br />
Dem Klienten sollten im Vorfeld des Erstgesprächs nur dann vorbereitende<br />
Aufgaben gestellt werden (z. B. sein <strong>Coaching</strong>-Anliegen vorzuformulieren)<br />
wenn er danach fragt. Ansonsten kann bei dem Klienten<br />
leicht der Eindruck entstehen, dass er in Vorleistung treten muss, ohne<br />
den konkreten Nutzen absehen zu können.<br />
Gestaltung des Gesprächsrahmens am Telefon<br />
Nachstehende formale Aspekte sind für das Gelingen von <strong>Coaching</strong>-<br />
Gesprächen am Telefon zu beachten: 28<br />
• Für das Gespräch sollte eine gute Telefonverbindung verfügbar<br />
sein. Bei gutem Empfang kann auch mobil telefoniert werden.<br />
Auch eine Online-Verbindung parallel zum Telefonat hat sich für<br />
einen spontanen Datenaustausch bewährt.<br />
• Für das Telefonat sollte eine Umgebung aufgesucht werden, in<br />
der frei von Ablenkungen und Störungen gesprochen werden<br />
28 Vgl. Der gute Draht zum anderen – Die technische Infrastruktur (S. 74 ff).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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kann. Dies müssen nicht unbedingt geschlossene Räume sein.<br />
Ruhige und inspirierende Plätze gibt es auch draußen im Freien.<br />
• Beim Tele<strong>Coaching</strong> sollten für Notizen und Zeichnungen beide<br />
Hände frei sein und nicht durch das Halten eines Telefons bzw.<br />
Telefonhörers blockiert sein. Coach und Klient sollten sich möglichst<br />
frei im Raum bewegen können und nicht durch zu kurze<br />
Kabel an ihrer Bewegungsfreiheit gehindert sein.<br />
• Wie auch sonst bei physischen Besprechungen üblich sollte beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> für ausreichend Getränke gesorgt sein.<br />
• Bei <strong>Coaching</strong>-Telefonaten sollte der Schreibtisch aufgeräumt und<br />
die Aufmerksamkeit nicht durch andere Vorgänge abgelenkt sein.<br />
Dass während des Gesprächs keine eingehenden E-Mails gelesen<br />
werden, versteht sich von selbst. Die entsprechenden visuellen<br />
oder auditiven Benachrichtigungen des E-Mail-Programms können<br />
ausgeschaltet werden.<br />
• Je nach persönlicher Vorliebe können Notizen während des<br />
Gesprächs handschriftlich oder elektronisch gemacht werden.<br />
• Im Übrigen ist beim Tele<strong>Coaching</strong> alles erlaubt, was den<br />
Gesprächspartnern hilft, sich auf das <strong>Coaching</strong>-Gespräch zu<br />
konzentrieren: Mit Büroklammern spielen, den Kopf aufstützen,<br />
umhergehen, die Beine auf den Tisch legen, auf dem Sofa liegen,<br />
malen etc. Der Gesprächspartner nimmt jedoch jede Ablenkung<br />
sofort wahr.<br />
• Der TeleCoach sollte zwischen zwei Gesprächsterminen genügend<br />
Pausenzeit einplanen. Nach 60 bis 90 Minuten<br />
Gesprächszeit sind 15 Minuten sicherlich das Minimum, um dem<br />
nächsten Gesprächspartner wieder die volle Aufmerksamkeit<br />
schenken zu können.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Die Gesprächsführung am Telefon<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche am Telefon zeigen den auch in der Präsenzsituation<br />
üblichen Spannungsbogen von Kontaktaufbau, über Zielklärung<br />
und Interventionsphase bis hin zu Zielerreichung, Evaluation und<br />
Follow-up. Dieser Bogen erstreckt sich nicht nur über den gesamten<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess, sondern realisiert sich verdichtet in jedem einzelnen<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräch. Telefonische <strong>Coaching</strong>-Gespräche dauern in der<br />
Regel bis zu 60 Minuten und sind damit tendenziell deutlich kürzer als<br />
ein Präsenz<strong>Coaching</strong>. Der TeleCoach muss daher bei der Steuerung des<br />
Spannungsbogens effizienter und feiner vorgehen und teilweise mit<br />
anderen Ritualen arbeiten als den sonst im Präsenz<strong>Coaching</strong> üblichen<br />
Gepflogenheiten. Dabei steht der TeleCoach vor folgenden Herausforderungen:<br />
• „Wie schüttle ich im übertragenen Sinn meinem Klienten am<br />
Telefon die Hand und helfe ihm aus dem Mantel? – Bewährt hat<br />
sich, dass der Coach den Klienten anruft. So kann der Coach<br />
sofort die Gesprächsführung übernehmen. Folgender<br />
Gesprächseinstieg ist möglich: „Hallo Herr Klient, schön Sie zu<br />
hören! – Passt es bei Ihnen jetzt?“ Auf diese Weise wird der<br />
Klient eingeladen den virtuellen Gesprächsraum zu betreten und<br />
den Mantel seiner Alltagsbeschäftigung abzulegen.<br />
• „Wie lasse ich den Klienten ankommen und stimme ihn auf das<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräch am besten ein? – Der Coach weiß nicht, in<br />
welcher Stimmung der Klient zu ihm kommt und wie es ihm<br />
gerade geht. Das jedoch ist wichtig, um ihn richtig abholen zu<br />
können. Hier bieten sich offene Fragen an, auf die der Klient<br />
nach Belieben antworten kann: „Wie geht es Ihnen?“, „Haben Sie<br />
etwas besonderes erlebt?“, „Womit beschäftigen Sie sich gerade?“<br />
Auf diese Weise ergibt sich häufig bereits ein gehaltvoller<br />
Gesprächseinstieg.<br />
• „Wie strukturiere ich den Verlauf des <strong>Coaching</strong>-Gesprächs auf<br />
dem Hintergrund der verfügbaren Zeit?“ Der Coach sollte den<br />
Gesprächsverlauf nicht allein dem Zufall überlassen, sondern das<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Gespräch in den Gesamtkontext des <strong>Coaching</strong>-Prozesses verorten.<br />
Gleichwohl soll das <strong>Coaching</strong>-Gespräch für den Klienten<br />
einen konkreten Alltagsnutzen bieten. Daher eignet sich zur Planung<br />
des weiteren Gesprächsverlaufs die Frage an den Klienten:<br />
„Gibt es ein besonderes Thema, das Sie heute besprechen wollen?“<br />
Falls ja, dann sollte der Coach das Thema aufgreifen und in<br />
den Prozesskontext stellen. Falls nein, dann sollte der Coach an<br />
den Verlauf der früheren Gespräche anknüpfen und mit dem<br />
Klienten Thema und Ziel des <strong>Coaching</strong>-Gesprächs vereinbaren.<br />
• „Wie kann ich den Grad der Vorbereitung des Klienten einschätzen,<br />
wenn ich seine Notizen nicht sehen kann?“ – Der Coach<br />
sollte den Klienten direkt nach den Ergebnissen und Erfahrungen<br />
fragen, die er in Auseinandersetzung mit einer eventuellen<br />
Aufgabenstellung aus vorherigen <strong>Coaching</strong>-Gesprächen erzielt<br />
hat: „Welche Erfahrungen haben Sie bei der Umsetzung der<br />
besprochenen Verhaltensänderungen zwischenzeitlich gemacht?“<br />
Schriftliche Arbeitsergebnisse sollte sich der Coach am Besten im<br />
Vorfeld der Sitzung per E-Mail schicken lassen oder spontan<br />
während des Gesprächs.<br />
• „Wie kann ich mit dem Klienten feiern, wenn ein wichtiger<br />
Meilenstein oder ein Ziel erreicht wurde?“ – Feste soll man feiern<br />
wie sie fallen. Es ist wichtig, Erfolge für den Klienten sichtbar<br />
und erlebbar zu machen. Am Telefon sollte der Erfolg zunächst<br />
auf emotionale Weise verbalisiert werden: „Schön, dass Sie für<br />
dieses Problem eine Lösung gefunden haben. Wie geht es Ihnen<br />
damit?“ Der Klient wird aufgefordert, seinerseits das Erfolgerlebnis<br />
in Worte zu fassen und sich seiner positiven Gefühle<br />
bewusst zu werden. „Um das Erreichte gebührend zu feiern,<br />
sollten Sie sich etwas Gutes tun! Womit wollen Sie sich belohnen?<br />
(z. B. mit Partner oder Partnerin Essen gehen, Theateroder<br />
Kinobesuch, Kauf eines Buchs etc.)“ Der Coach sollte den<br />
Klienten unterstützen, sich etwas Schönes vorzunehmen, und<br />
beim nächsten Gespräch entsprechend nachfragen. Der Coach<br />
kann seinerseits eine persönliche E-Mail verfassen mit einem<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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besonderen Spruch oder Gedicht, einem Musikstück, Link etc.,<br />
und so die Bedeutung des Gesprächs unterstreichen.<br />
• „Wie sichere ich die Gesprächsergebnisse und wie gebe ich dem<br />
Klienten Arbeits- oder Übungsaufgaben mit auf den Weg?“ –<br />
Um am Telefon Missverständnisse auszuschließen, hat es sich<br />
bewährt, wichtige Gesprächsergebnisse und Vereinbarungen im<br />
Anschluss an das Gespräch kurz schriftlich per E-Mail festzuhalten.<br />
Damit bekommen die Verabredungen eine größere Verbindlichkeit.<br />
Auch sonst kann der Coach zwischenzeitlich Gedanken,<br />
Buchtipps, hilfreiche Links etc. dem Klienten per E-Mail<br />
schicken und so einen Zusatznutzen in den <strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
einsteuern.<br />
• „Wie schließe ich das <strong>Coaching</strong>-Gespräch ab und verabschiede<br />
den Klienten?“ – Am Ende des Gesprächs sollten wie auch sonst<br />
üblich die Gesprächsergebnisse und Vereinbarungen möglichst<br />
durch den Klienten zusammengefasst werden. „Was war Ihnen<br />
heute besonders wichtig, wie geht es Ihnen jetzt?“ Der Coach<br />
ergänzt dann die Äußerungen des Klienten. Als Abschlussfrage<br />
hat sich bewährt: „Gibt es jetzt noch irgendetwas, was wir heute<br />
besprechen sollten?“ Falls, ja, das Thema kurz aufgreifen und ggf.<br />
mit auf die Agenda des nächsten Gesprächs setzen. Falls nein,<br />
dann sollte sogleich der Folgetermin vereinbart werden und der<br />
Klient wertschätzend verabschiedet werden: „Ich freue mich auf<br />
die Fortsetzung unserer Arbeit am… um… Bis dahin wünsche<br />
ich Ihnen eine gute Zeit.“<br />
Weitere Hinweise für die <strong>Coaching</strong>-Arbeit am Telefon sind im<br />
Kapitel, Vom Ton zum Tun – Am Telefon intensiv arbeiten, nachzulesen.<br />
Die Auftragsklärung am Telefon<br />
Die größte Hürde beim Tele<strong>Coaching</strong> stellt das Auftragsklärungsgespräch<br />
dar, da sich hier entscheidet, ob der Klient für das <strong>Coaching</strong> am<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Telefon gewonnen werden kann oder nicht. Anders als beim Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> wird das Auftragsklärungsgespräch als Auftakt zum Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> bei Misslingen zumeist nicht einfach mit einem anderen<br />
TeleCoach wiederholt. Da der Klient seine Unzufriedenheit nicht der<br />
fehlenden Passung mit der Individualität des Coachs zuschreibt, sondern<br />
dem Format des Tele<strong>Coaching</strong> an sich, greifen viele in einer<br />
solchen Situation auf das altbekannte Präsenz<strong>Coaching</strong> zurück ohne<br />
dem Tele<strong>Coaching</strong> ein zweite Chance zu geben. Viel hängt an dieser<br />
Stelle auch von den Auftraggebern ab, die jedoch selbst aufgrund der<br />
noch fehlenden Erfahrung unsicher sind. Umso wichtiger ist es, die<br />
Chancen eines telefonischen Auftragsklärungsgesprächs zu nutzen.<br />
Zunächst gilt es zu klären, wer beim Auftragsklärungsgespräch die<br />
Gesprächspartner sind. Es gibt Auftraggeber, die großen Wert darauf<br />
legen, dass auch Vorgesetzte und ein Personalvertreter in das Erstgespräch<br />
mit Klient und Coach eingebunden sind und schon von daher<br />
sich kaum vorstellen können, ein solches Gespräch telefonisch zu führen.<br />
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Gesprächskonstellationen<br />
eher unergiebig sind. In der Regel entsteht eine eher unangenehme<br />
Situation, in der vier Anwesende über eine Person sprechen, die ein<br />
<strong>Coaching</strong> braucht, was dazu führt, dass die wirklich kritischen Themen<br />
gar nicht auf den Tisch kommen.<br />
Als zielführend hat sich erwiesen, wenn der Klient mit einer ersten,<br />
mehr oder weniger differenzierten Indikation („Sie erzeugen als Führungskraft<br />
nicht genügend Durchsetzungskraft – bitte besprechen Sie<br />
dieses Thema mit einem Coach“) in das Erstgespräch mit dem Coach<br />
geschickt wird, um im Auftragsklärungsgespräch die Ausgangslage zu<br />
analysieren, das Thema und Ziel für das <strong>Coaching</strong> zu definieren und<br />
einen Lösungsweg zu skizzieren. Im Anschluss an das Auftragsklärungsgespräch<br />
hält dann der Coach Thema, Ziel und Lösungsweg kurz<br />
schriftlich fest und stellt dieses als Angebot dem Klienten zur Verfügung.<br />
Dieser prüft das Angebot zunächst auf etwaige Missverständnisse<br />
und legt es dann seinem Vorgesetzten und/ oder der Personalabteilung<br />
zur Genehmigung vor. Diese prüfen nun ihrerseits vor der Freigabe, ob<br />
die Indikation, die zum <strong>Coaching</strong> geführt hat, aus ihrer Sicht richtig<br />
erfasst und Erfolg versprechend bearbeitet wird. Im Zweifel gehen<br />
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Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Klient und Coach mit der Auftragsklärung in die zweite Runde und<br />
klären die noch offenen Punkte. Teil der Auftragsklärung kann auch<br />
sein, dass der Coach von dem Vorgesetzten ein Briefing erhält und sich<br />
dessen Sicht der Dinge schildern lässt. Auch solche Gespräche im<br />
Umfeld der Auftragsklärung lassen sich ohne Probleme am Telefon<br />
führen.<br />
Was gilt es bei der Auftragsklärung am Telefon zu beachten?<br />
Auch für das Auftragsklärungsgespräch gilt das oben unter Die Vorbereitung<br />
des Klienten auf das Tele<strong>Coaching</strong>, Gestaltung des Gesprächsrahmens<br />
und Gesprächsführung am Telefon Gesagte. Für die Auftragsklärung sollte<br />
ein Zeitrahmen von 45 bis 60 Minuten eingeplant werden.<br />
Dieses Gespräch sollte nicht gesondert abgerechnet sondern in den<br />
<strong>Coaching</strong>-Plan eingepreist werden. Kommt es nicht zur Beauftragung,<br />
dann ist das Gespräch als Akquisitionsgespräch zu verbuchen.<br />
Entscheidend für die Auftragsklärung am Telefon ist, dass der Coach<br />
das Vertrauen des Klienten gewinnt. Hierbei sind drei Aspekte entscheidend,<br />
jeweils aus der Perspektive des Klienten betrachtet 29 :<br />
• Der Grad der Präsenz des Coachs am Telefon. – Hier geht es um<br />
die Fokussierung des Coachs und aktives Zuhören, wodurch sich<br />
erst der Klient in den Mittelpunkt des Gesprächs gerückt sieht.<br />
Ungeteilte und dabei wertschätzende Aufmerksamkeit wird Menschen<br />
im Geschäftsleben in der Regel nur ausnahmsweise zuteil<br />
und stellt für Klienten bereits einen Wert an sich dar.<br />
• Der Umfang des Verständnisses des Coachs von der<br />
Problemsituation. – Der Klient erwartet, dass der Coach in kurzer<br />
Zeit aufgrund seiner Mitteilungen eine Vorstellung von dem<br />
Problemgefüge gewinnt. Der Klient spürt schnell, ob der Coach<br />
kluge oder dumme Fragen stellt. Kluge Fragen bringen beiden<br />
Gesprächsteilnehmern Erkenntnisse, dumme Fragen nur dem<br />
Coach. Dumme Fragen sind nur in begrenztem Umfang erlaubt<br />
und führen schließlich zu Vertrauensverlust.<br />
29 Zur Vertrauensbildung vgl. Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(S. 108 ff).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• Die Höhe des Nutzens, den der Coach durch seine Fragen und<br />
Interventionen in das Gespräch hinein gibt. - Gerade beim Nutzen<br />
sollte sich der Coach im Erstgespräch nicht zurückhalten.<br />
Der Klient empfindet jede Information, die er in das Gespräch<br />
einspeist, als eine Investition, für die er einen Nutzen in Form<br />
von neuen Einsichten erhalten möchte. Diese sollten schon im<br />
Erstgespräch durch den Coach erzeugt werden. Denn so<br />
bekommt der Klient eine Vorstellung davon, was ihm das<br />
<strong>Coaching</strong> persönlich bringen kann.<br />
Diese drei Aspekte gelten prinzipiell auch für das Präsenz<strong>Coaching</strong>,<br />
deren Nichtbeachtung sich allerdings am Telefon aufgrund der Labilität<br />
der Beziehung drastischer auswirkt. Wie kann der TeleCoach das Auftragsklärungsgespräch<br />
unter Berücksichtigung dieser Aspekte führen?<br />
• Zu Beginn des Gesprächs sollte der Coach dem Klienten die<br />
Möglichkeit geben, Fragen zu seiner Person zu stellen. In der<br />
Regel hat sich der Klient bei der Coachauswahl ein Bild verschafft,<br />
so dass an dieser Stelle nicht viele Fragen kommen. Der<br />
Klient ist jetzt vielmehr daran interessiert, den Coach im direkten<br />
Gespräch zu erleben.<br />
• Sodann sollte der Coach den Klienten nach seinem Anliegen fragen<br />
(„Was kann ich für Sie tun?“, „Was führt Sie zu mir?“). Entweder<br />
stellt der Klient jetzt noch Fragen zum Prozess – diese<br />
sollten dann kurz und prägnant beantwortet werden, um dann die<br />
Aufmerksamkeit auf das Anliegen des Klienten zu richten. Oder<br />
der Klient beginnt direkt sein Gesprächsanliegen darzulegen, was<br />
sehr häufig passiert, da die Halbanonymität am Telefon es vielen<br />
erleichtert, sich zu öffnen. In diesem Fall sollte der Klient alle<br />
Erläuterungen zum Prozess hintanstellen.<br />
• Jetzt kommt es darauf an, dass der Coach, während er sich selbst<br />
durch aktives Zuhören das Thema erschließt, dem Klienten zu<br />
einem vertieften Verständnis seiner Problemlage verhilft. Dazu<br />
gehört, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten<br />
und den Klienten zu ermuntern, unterschiedliche Standpunkte<br />
einzunehmen. Am Ende dieser Gesprächsphase sollte der Coach<br />
98
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
das Thema des Klienten in seinen Worten kurz zusammenfassen<br />
und um Bestätigung bitten.<br />
• Im nächsten Schritt gilt es ein <strong>Coaching</strong>-Ziel zu definieren. Hier<br />
helfen Fragen wie: „Wann wäre aus Ihrer Sicht das <strong>Coaching</strong> ein<br />
Erfolg?“ Auch hier ist es Aufgabe des Coachs, Stichworte oder<br />
Satzfragmente des Klienten zu prägnanten Aussagen zusammenzufassen<br />
und sich durch Nachfragen bestätigen zu lassen.<br />
• Der Klient ist nun interessiert zu erkennen, in welchen Schritten<br />
der Zielzustand durch das <strong>Coaching</strong> herbeigeführt werden kann.<br />
Hier ist der Coach gefordert, sinnvolle, für den Klienten nachvollziehbare<br />
Arbeitsschritte zu beschreiben, über die das Ziel<br />
erreicht werden kann. Daneben sollte der Coach dem Klienten in<br />
aller Kürze und in einfachen Worten seine Arbeitsweise<br />
beschreiben und auch die Verantwortung des Klienten für das<br />
Gelingen des <strong>Coaching</strong>-Prozesses verdeutlichen. Auch eine Einschätzung<br />
über Zeitaufwand und Dauer des Prozesses gehören<br />
hierher. Diese Gesprächsphase ist dann gelungen, wenn der<br />
Klient neugierig wird und Zuversicht und Vorfreude auf den<br />
gemeinsamen Prozess entwickelt.<br />
• Wichtig ist, dass der Coach seinen Prozessvorschlag kommentieren<br />
lässt („Meinen Sie, dass wir auf diesem Weg das <strong>Coaching</strong>-<br />
Ziel erreichen können?“). Dies ist die Einladung an den Klienten,<br />
etwaige Verständnisfragen oder auch Zweifel zu äußern, auf die<br />
der Coach dann entsprechend eingehen kann.<br />
• Zum Schluss des Gespräches sollte der Coach unter Berücksichtung<br />
der firmenspezifischen Prozesse das weitere Vorgehen skizzieren:<br />
Abfassung eines Angebots auf dem Hintergrund des<br />
Besprochenen (s. u.). Prüfung des Angebots durch den Klienten<br />
und Berücksichtung etwaiger Änderungswünsche durch den<br />
Coach. Abstimmung des Angebots mit den internen Auftraggebern<br />
und anschließender Beginn der Arbeit. Dabei sollte es zu<br />
konkreten Vereinbarungen kommen: Bis wann erstellt der Coach<br />
das Angebot? Bis wann gibt der Klient Feedback?<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• Wenn möglich sollte der Coach gegen Ende der Auftragsklärung<br />
bereits einen Termin für ein erstes Arbeitsgespräch vereinbaren,<br />
das dann bei Auftragserteilung durch den Klienten bestätigt wird.<br />
Das verringert den Abstimmungsaufwand und gibt dem Auftragsklärungsgespräch<br />
eine größere Verbindlichkeit.<br />
• Wie in der Präsenz-Situation gilt auch beim Tele<strong>Coaching</strong>, dass<br />
nicht jeder Coach zu jedem Klienten passt, dass aber der Coach<br />
durch eine professionelle Anpassungsfähigkeit dem Klienten sehr<br />
weit entgegenkommen kann. Grundsätzlich lässt sich jedoch<br />
sagen, dass, wenn Coach und Klient am Telefon nicht zueinander<br />
finden, dies zumeist auch in der persönlichen Begegnung nicht<br />
gelingt.<br />
Der Tele<strong>Coaching</strong>-Vertrag<br />
Ein schriftlicher <strong>Coaching</strong>-Vertrag stärkt die am Telefon tendenziell<br />
labilere Beziehung zwischen Coach und Klient 30 . Er gibt der Arbeit für<br />
alle Beteiligten, also auch für die eventuellen Auftraggeber, einen Rahmen<br />
und ein klares Ziel. Der Vertrag wirkt Missverständnissen zwischen<br />
Coach und Klient, aber auch in Richtung der Auftraggeber entgegen,<br />
indem er das <strong>Coaching</strong>-Thema, das Ziel und die notwendigen<br />
Prozessschritte klar benennt.<br />
Der mündlichen Kommunikation über das Telefon entspricht die<br />
schriftliche per E-Mail. Der Vertrag kann schlicht per E-Mail<br />
aufgesetzt und mit einer aussagekräftigen Signatur (Absender)<br />
verschickt werden.<br />
Der <strong>Coaching</strong>-Vertrag sollte durch den Coach aufgesetzt werden.<br />
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Coach das Anliegen des<br />
Klienten im Auftragsklärungsgespräch richtig verstanden hat. Der<br />
Klient ist anschließend aufgefordert, den <strong>Coaching</strong>-Plan gründlich<br />
gegenzulesen und auf Missverständnisse hin zu prüfen, diese gegebe-<br />
30 Vgl. S. 55.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
nenfalls durch den Coach korrigieren zu lassen und dann entsprechend<br />
den internen Prozessen des Auftraggebers genehmigen zu lassen.<br />
Beispiel <strong>Coaching</strong>-Vertrag<br />
Sehr geehrte Frau Müller,<br />
Nach unserem Erstgespräch vom vergangenen Mittwoch bedanke<br />
ich mich zunächst für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Im<br />
Weiteren erhalten Sie auf Basis des Besprochenen meinen Vorgehensvorschlag<br />
für unsere Zusammenarbeit:<br />
Ausgangslage<br />
Besonders dann, wenn die Abteilung zeitlich unter Druck steht (das<br />
ist häufig bei Bilanz-Abschlussarbeiten der Fall) stellen Sie fest, dass<br />
die Kommunikation mit Ihrem Vorgesetzten in einer Weise eingeschränkt<br />
ist, dass Sie sich durch fehlende Abstimmung und Wertschätzung<br />
Ihrer Arbeit in Ihrer Arbeitszufriedenheit beeinträchtigt<br />
fühlen. Das führt wiederum Ihrerseits in solchen Phasen zu einem<br />
Sozialverhalten, das von Ihrem Vorgesetzten als angespannt und<br />
teilweise aggressiv wahrgenommen wird. Aus Sicht Ihres Vorgesetzten<br />
und Ihrer Kollegen geben Sie sich so den Anschein, als wären Sie<br />
dem Stress nicht hinreichend gewachsen. So gab es seitens Ihres<br />
Vorgesetzten den Hinweis, Ihre Stressresistenz aktiv zu verbessern.<br />
Zielsetzung<br />
Durch ein Tele<strong>Coaching</strong> sollen folgende Ziele erreicht werden:<br />
1. Konstruktiver Umgang mit Stresssituationen und Phasen, in denen<br />
der Vorgesetzte nur eingeschränkt als Ansprechpartner zur Verfügung<br />
steht.<br />
2. Bessere Nutzung der vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten<br />
mit dem Vorgesetzten und den Kollegen durch ein verbessertes<br />
Kommunikationsverhalten.<br />
3. Wiederherstellung der Arbeitszufriedenheit.<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
In folgenden Schritten soll die Zielsetzung realisiert werden:<br />
1. Vertieftes Verständnis der Ausgangssituation.<br />
2. Analyse vorhergehender Arbeitsverhältnisse hinsichtlich der Themen<br />
Kommunikationsverhalten und Wertschätzung.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
3. Hinterfragen und weiterentwickeln der persönlichen Auffassung<br />
von Arbeitszufriedenheit.<br />
4. Vertieftes Verständnis der Erwartungen Ihres Vorgesetzten an<br />
eine erfolgreiche Zusammenarbeit.<br />
5. Identifikation von Spielräumen für eine zeitliche und qualitative<br />
Intensivierung Ihrer Kommunikation mit Ihrem Vorgesetzten.<br />
6. Einübung von Techniken, Handlungsspielräume im Arbeitsalltag<br />
zu erkennen und aktiv zu nutzen.<br />
Zeitrahmen & Honorar<br />
Das erforderliche Zeitbudget liegt bei voraussichtlich acht Stunden<br />
(inkl. Auftragsklärung) auf Basis eines Stundenhonorars von<br />
xxx EUR. Die Honorarabrechnung erfolgt nach Auftragserteilung<br />
mit einem Zahlungsziel von xx Tagen.<br />
Das <strong>Coaching</strong> sollte in drei Monaten abgeschlossen sein.<br />
Die <strong>Coaching</strong>-Termine werden zwischen den Teilnehmern frei vereinbart<br />
und können einvernehmlich verschoben werden.<br />
Die <strong>Coaching</strong>-Gespräche finden telefonisch statt. Persönliche Treffen<br />
sind aufgrund der Themenstellung nicht erforderlich.<br />
Für Rückfragen und etwaige Änderungswünsche stehe ich Ihnen<br />
gerne zur Verfügung. Sofern das Angebot Ihren Erwartungen entspricht,<br />
leiten Sie es bitte an Ihren Vorgesetzten mit der Bitte um<br />
Freigabe weiter. Meinerseits können wir unsere Zusammenarbeit<br />
unmittelbar nach Freigabe beginnen.<br />
Freundliche Grüße<br />
Für den Fall, dass ein oder mehrere Treffen erforderlich sind, sollten<br />
Hinweise zur Reisekostenabrechnung mit in den Vertrag aufgenommen<br />
werden (Flug, Bahn, Kilometerpauschalen). Zu bedenken ist auch, dass<br />
insbesondere bei längerer Anreise durch den Coach leicht ein halber bis<br />
ein ganzer Tag durch den Coach budgetiert werden muss und damit<br />
das Stundenkontingent schnell anschwillt. Auf persönliche Treffen<br />
sollte daher nach Möglichkeit verzichtet werden bzw. sollten diese auf<br />
ein Minimum beschränkt werden.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Dokumentation des Tele<strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
Jeder <strong>Coaching</strong>-Prozess sollte durch den Coach lückenlos dokumentiert<br />
werden, nicht nur als Gedächtnisstütze und zur schnellen Orientierung<br />
für den Coach, sondern auch als Nachweis gegenüber dem<br />
Auftraggeber. Die Dokumentation hat folgende Bestandteile:<br />
• Wie oben beschrieben enthält der <strong>Coaching</strong>-Vertrag den<br />
<strong>Coaching</strong>-Anlass, die Zielsetzung, die notwendigen Prozessschritte<br />
sowie den benötigten Zeitrahmen.<br />
• In der <strong>Coaching</strong>-Historie sind alle <strong>Coaching</strong>-Gespräche mit<br />
Datum, Gesprächsbeginn und -ende dokumentiert sowie ggf. der<br />
Gesprächsort. Die <strong>Coaching</strong>-Historie sollte zur Dokumentation<br />
gegenüber dem Auftraggeber separat ausgedruckt werden können.<br />
Alternativ kann dem Klienten als Beleg nach jedem<br />
Gespräch eine E-Mail geschickt werden, bei der in der Betreff-<br />
Zeile Datum und Dauer des Gesprächs notiert wird. Diese<br />
Belege sollten dann in einem separaten E-Mailordner abgelegt<br />
werden.<br />
• Neben dem Gesprächsthema sollte der Coach wichtige Inhalte in<br />
Stichworten sowie Vereinbarungen festhalten, um sich zu Beginn<br />
eines Gesprächs schnell orientieren zu können. Anders als im<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong>, wo der Coach nur handschriftliche Notizen<br />
anfertigen kann, erlaubt die Arbeit am Telefon die Benutzung des<br />
Computers, so dass Gesprächsnotizen z. B. direkt in die elektronische<br />
Kundenkarte eingetragen und weiter verarbeitet werden<br />
können.<br />
• Jeder <strong>Coaching</strong>-Prozess sollte mit einer schriftlichen Bewertung<br />
abgeschlossen werden (s. u.). Manche Unternehmen haben ihrerseits<br />
einen Evaluationsprozess implementiert. Der Coach sollte<br />
davon eine Kopie erhalten. Ansonsten sollte er von sich aus eine<br />
Evaluation initiieren.<br />
• Bestandteil der Dokumentation ist darüber hinaus der gesamte E-<br />
Mailverkehr zwischen Coach, Klient und Auftraggebern.<br />
103
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Die nachstehende Abbildung zeigt das Beispiel einer Kundenkarte.<br />
<strong>Coaching</strong>-<br />
Monitor<br />
Name: Musterfrau<br />
Vorname: Marion<br />
Firma: Muster AG<br />
Job-Titel: Referentin Steuern<br />
Abteilung: Steuern<br />
Vorgesetzter: Dr. Martin Mustermann<br />
Stellenbezeichnung: Leiter Steuern<br />
HR-Kontakt: Petra Musterfrau<br />
<strong>Coaching</strong> Historie<br />
Nr Datum Start Ende Dauer Ort/ Medium Thema Notizen Vereinbarungen<br />
1 15.04.09 13:00 13:45 00:45<br />
2 24.04.09 10:00 11:35 01:35<br />
Telefon Auftragsklärung siehe separate Mitschrift - Klientin zeigt sich Erstellung <strong>Coaching</strong>-Vertrag bis 16.4<br />
skeptisch und neugierig; ist bereit sich auf das Feedback durch Klientin bis 17.4<br />
<strong>Coaching</strong> einzulassen<br />
Telefon Vertieftes Verständnis der Ausgangssituation siehe separate Mitschrift - Klientin sieht zunächst Klientin holt Feedback hinsichtlich<br />
Hauptschuld bei Vorgesetztem; erst nach und Kommunikationsverhalten bei zwei Kollegen ein<br />
nach sieht sie ihren Beitrag zur Situation<br />
3 29.04.09 13:30 14:45 01:15<br />
Telefon<br />
Analyse vorhergender Arbeitsverhältnisse<br />
hinsichtlich der Themen<br />
Kommunikationsverhalten und W ertschätzung<br />
siehe separate Mitschrift - Das Verhältnis zu<br />
Kollegen ist unbelastet; das Problem ist die<br />
scheinbar mangelnde Wahrnehmung und<br />
Wertschätzung durch den Vorgesetzten<br />
Klientin reflektiert ihre persönlichen<br />
Motivationsfaktoren und beruflichen<br />
Zielsetzungen; Reflektion der persönlichen<br />
Stressfaktoren<br />
4 06.05.09 10:00 10:45 00:45<br />
Telefon<br />
Hinterfragung und W eiterentwicklung der<br />
persönlichen Auffassung von<br />
Arbeitszufriedenheit<br />
siehe separate Mitschrift - Klientin hat für den Klientin erstellt "Kundenprofil" von ihrem<br />
Augenblick keine weiteren Karriere-Ambitionen; Vorgesetzten<br />
will sehr gute Performance bei guter Work-Life-<br />
Balance liefern<br />
5 1<strong>2.0</strong>6.09 09:00 09:40 00:40<br />
Telefon<br />
Vertieftes Verständnis der Erwartungen des<br />
Vorgesetzten an eine erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit<br />
siehe separate Mitschrift - Umdeutung Klientin versucht sich im Alltag auf die<br />
Vorgesetzten-Mitarbeiterverhältnis in ein Kunden- Kommunikationsbedürfnisse des Vorgesetzten<br />
Dienstleisterverhältnis löst aha-Erlebnis aus einzustellen und notiert ihre Erfahrungen damit<br />
6 16.06.09 15:00 16:30 01:30<br />
7 13.07.09 15:00 15:45 00:45<br />
Telefon<br />
Telefon<br />
Indentifikation von Spielräumen für eine zeitliche Klientin sieht zusätzliche<br />
Klientin überlegt, wie sie persönliche Interessen<br />
und qualitative Intensivierung der Kommunikation Kommunikationsmöglichkeiten mit dem und Kundeninteressen miteinander verbinden<br />
mit dem Vorges et zt en<br />
Vorgesetzten zu Randzeiten und telefonisch kann<br />
während Autofahrten<br />
Einübung von Techniken, Handlungsspielräume siehe separate Mitschrift - Klientin erhält erstes Klientin plant Gespräch mit dem Vorgesetzten<br />
im Arbeitsalltag zu erkennen und zu nutzen positives Feedback aus ihrem Arbeitsumfeld zur Abstimmung der künftigen Zusammenarbeit<br />
8 29.07.09 14:00 14:45 00:45<br />
Telefon Follow-up siehe separate Mitschrift - Gespräch mit<br />
Vorgesetztem ist erfolgreich verlaufen<br />
Klientin evaluiert <strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
In einem halben Jahr nochmals Kontakt<br />
aufnehmen und Entwicklungsstand abfragen<br />
Total 08:00<br />
Budget 08:00<br />
Abbildung 5: <strong>Coaching</strong>-Monitor<br />
Werden für einen Auftraggeber mehrere <strong>Coaching</strong>-Mandate ausgeführt,<br />
dann kann sich die Installation eines zentralen webbasierten<br />
<strong>Coaching</strong>-Monitors lohnen. Dabei werden alle Mandate zentral in einer<br />
Stammdatendatei erfasst und alle relevanten Dokumente mit dieser<br />
Datei verlinkt. Auf diese Weise können sich alle Beteiligten im Rahmen<br />
ihrer Einsichtsberechtigungen jederzeit einen Überblick über den Status<br />
eines <strong>Coaching</strong>-Mandats verschaffen. Die detaillierte Beschreibung<br />
solcher Tools würde allerdings den Rahmen dieses Buches sprengen.<br />
Evaluation des Tele<strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
Alle Beteiligten sind am Ende eines <strong>Coaching</strong>-Prozesses interessiert<br />
zu erfahren, inwieweit die mit dem Tele<strong>Coaching</strong> verbundenen Zielsetzungen<br />
schließlich erreicht worden sind. Da <strong>Coaching</strong> zumeist im<br />
104
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Business-Kontext stattfindet, sind hierfür sowohl die Einschätzung des<br />
Klienten als auch die des Vorgesetzten maßgeblich, der aufgrund seiner<br />
Nähe zum Mitarbeiter Verhaltensänderungen zeitnah beobachten kann.<br />
Daher sollte sich die Evaluation in folgenden Schritten vollziehen.<br />
1. Coach und Klient sollten – wie auch sonst üblich – im letzten<br />
Gespräch den <strong>Coaching</strong>-Prozess Revue passieren lassen und gemeinsam<br />
wertschätzend auf die ursprünglichen Ziele und das zwischenzeitlich<br />
Erreichte schauen. Noch offene Entwicklungsbereiche sollten<br />
benannt und Verabredungen getroffen werden, wie diese weiter bearbeitet<br />
werden können. Es ist gut, wenn nach offizieller Beendigung des<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesses noch der Raum für ein Follow-up-Gespräch vorhanden<br />
ist, das nach drei bis sechs Monaten geführt wird und so die<br />
Nachhaltigkeit des Erreichten überprüft.<br />
2. Nach dem offiziellen Abschluss des <strong>Coaching</strong>s sollte eine schriftliche<br />
Evaluation des <strong>Coaching</strong>-Prozesses durch den Klienten vorgenommen<br />
werden. Zu diesem Zweck erhält der Klient per E-Mail ein<br />
Formblatt, das die vereinbarten Ziele enthält sowie die Möglichkeit,<br />
jedes der Ziele hinsichtlich des Erreichten sowie der eventuell noch<br />
offenen Punkte anhand von Praxisbeispielen zu kommentieren. Zudem<br />
sollte der Klient aufgefordert werden, die Leistung des Coachs anhand<br />
von Schulnoten zu bewerten und zu kommentieren. Bewährt haben<br />
sich diese vier Fragen:<br />
• Hat der Coach eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen können?<br />
• Haben Sie sich verstanden gefühlt?<br />
• Wurde die verfügbare Zeit effizient genutzt?<br />
• Inwiefern hat Ihnen das <strong>Coaching</strong> geholfen?<br />
Die Versendung des Formulars kann entweder durch die Personalabteilung<br />
oder durch den Coach selbst erfolgen. Alle Prozessbeteiligten<br />
erhalten eine Kopie der Auswertung.<br />
105
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
BORA TeleCoachNetwork<br />
Feedback-Formular Klient<br />
Name of Coachees Marion Musterfrau<br />
Funktion/ Unternehmen Referentin Steuern, Muster AG<br />
Datum der Beurteilung 06. August 2009<br />
Vereinbarte Ziele<br />
1. Konstruktiver Umgang<br />
mit Stresssituationen und<br />
Phasen, in denen der<br />
Vorgesetzte nur<br />
eingeschränkt als<br />
Ansprechpartner zur<br />
Verfügung steht. 2<br />
2. Bessere Nutzung der<br />
vorhandenen<br />
Kommunikationsmöglichkeiten<br />
mit dem<br />
Vorgesetzten und den<br />
Kollegen durch ein<br />
verbessertes<br />
Kommunikationsverhalten.<br />
Wiederherstellung der<br />
Arbeitszufriedenheit<br />
Bitte kommentieren Sie kurz und prägnant:<br />
1. Ihre Entwicklungsfortschritte<br />
2. Bereiche, wo Sie sich weiter verbessern wollen<br />
Ich sehe meinen Vorgesetzten mehr als bisher als Kunden und mich selbst als<br />
Dienstleister. In dieser Rolle bin ich mir der Qualität meiner Leistungen bewusst und<br />
achte insbesondere bei der Weitergabe von fachlichen Informationen und<br />
1<br />
Arbeitsergebnissen auf Wesentlichkeit und Entscheidungsrelevanz, so dass mein<br />
Vorgesetzter bei einem geringen Zeitaufwand einen möglichst hohen Mehrwert aus<br />
meinen Arbeitsergebnissen für sich ziehen kann.<br />
Ich werde meine Professionalität in Hinblick auf Präzision und Präsentation der<br />
vermittelten Arbeitsergebnisse noch optimieren. Ich werde mir in Stresssituationen die<br />
grundsätzliche Wertschätzung meiner Arbeit durch das Unternehmen bewusst machen<br />
und mich auf diese Weise von meinem Wunsch nach unmittelbaren Lob und<br />
Anerkennung emanzipieren.<br />
Da ich ein Team-Player bin, ist mir ein regelmäßiger fachlicher Austausch mit Kollegen<br />
und Vorgesetztem sowie eine inhaltliche Abstimmung bei komplexen Aufgabenstellung<br />
1 grundsätzlich sehr wichtig. Durch eine proaktive Arbeitsweise versuche ich mehr<br />
Effizienz und Strukturierung zu erreichen und dadurch den Erwartungen meines<br />
Vorgesetzten mehr gerecht zu werden.<br />
Ich werde mich bei der Strukturierung sehr komplexer Sachverhalte und im inhaltlichen<br />
Ausdruck bei schriftlichen Stellungnahmen weiter verbessern.<br />
2 Kritik meines Vorgesetzten werde ich anstatt als mangelnde Wertschätzung vielmehr<br />
als Anstoß zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der eigenen Professionalität<br />
sehen.<br />
Das <strong>Coaching</strong> hat bei mir insbesondere das Bewusstsein geweckt, dass ich negativem<br />
Stress und einer dadurch verursachten Unzufriedenheit nur durch eine Verbesserung<br />
der eigenen Professionalität entgegenwirken kann. Arbeitszufriedenheit entsteht, wenn<br />
1<br />
ich mit meinen Arbeitsergebnissen zufrieden sein kann. Hierbei erlebe ich mich als<br />
Gestalter der Beziehung zu meinem Vorgesetzten, nicht als deren Opfer. Hierbei sehe<br />
ich erste Erfolge.<br />
Die weitere Professionalisierung wird langfristig die fachliche Zusammenarbeit und die<br />
2 Kommunikation mit meinem Vorgesetzten verbessern und auch zu einer Erhöhung<br />
seiner Wertschätzung meiner Arbeit und des Vertrauens mir gegenüber führen.<br />
Allgemeine Kommentare hinsichtlich der Bedeutung des <strong>Coaching</strong>s für die weitere Entwicklung; Empfehlungen<br />
Das Erreichen der <strong>Coaching</strong>-Ziele hilft mir, mich langfristig als Steuerexperte und gesuchter Ansprechpartner im<br />
Unternehmensumfeld zu positionieren.<br />
Beurteilung des <strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
Hat der Coach eine Atmosphäre des Vertrauens<br />
schaffen können?<br />
Skala<br />
(+) 1-5 (-)<br />
Haben Sie sich verstanden gefühlt? 1 Ja<br />
Wurde die verfügbare Zeit effizient genutzt? 2<br />
Inwiefern hat Ihnen das <strong>Coaching</strong> geholfen? 1<br />
Gesamtbeurteilung 1<br />
1<br />
Ihr Kommentar<br />
Meine anfängliche Skepsis habe ich schnell<br />
abgelegt.<br />
Wir sollten in einem halben Jahr nochmals eine<br />
Gesprächsmöglichkeit haben.<br />
Ich habe meine Arbeitszufriedenheit deutlich<br />
verbessern können.<br />
Abbildung 6: Feedback-Formular<br />
106
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
3. Parallel zum Klienten erhält der Vorgesetzte das Bewertungsformular<br />
per E-Mail zugeschickt. Ergänzend zu dem Klienten-Formular<br />
sollte der Vorgesetzte die Möglichkeit haben, die Erreichung der einzelnen<br />
<strong>Coaching</strong>-Ziele nicht nur zu kommentieren, sondern auch zu<br />
quantifizieren. Dies gibt dem <strong>Coaching</strong>-Prozess von vornherein eine<br />
klare Ergebnisorientierung, fordert allerdings auch, dass die Ziele im<br />
<strong>Coaching</strong>-Vertrag sorgfältig definiert sind. Abweichend von dem<br />
Klienten-Formular entfällt natürlich die Prozess-Bewertung mit den<br />
vier Fragen. Auch die Beurteilung des Vorgesetzten erhalten alle Prozessbeteiligten<br />
in Kopie.<br />
4. Die schriftlichen <strong>Coaching</strong>-Beurteilungen sollten schließlich die<br />
Grundlage für ein Abschlussgespräch zwischen Klient und Vorgesetztem<br />
ggf. unter Hinzuziehung eines Vertreters der Personalabteilung<br />
bilden. In diesem berichtet der Klient von dem Prozess und seinen<br />
Erkenntnissen und der Vorgesetzte gibt seinerseits ein Feedback.<br />
Anschließend werden die Bedeutung des <strong>Coaching</strong>s für die Zukunft<br />
besprochen sowie eventuelle weitere Entwicklungsschritte vereinbart.<br />
Die Verabredung eines weiteren Follow-up-Gesprächs sichert die<br />
Nachhaltigkeit der <strong>Coaching</strong>-Maßnahme.<br />
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Coach an<br />
einer solchen Schlussbesprechung teilnehmen sollte. Bei einem Einzel-<br />
<strong>Coaching</strong> ist das meines Erachtens nicht erforderlich. Das <strong>Coaching</strong> ist<br />
ja abgeschlossen und der Klient sollte in dem Abschlussgespräch jetzt<br />
für sich selbst frei sprechen können. Ist das nicht der Fall, dann ist das<br />
<strong>Coaching</strong> im eigentlichen Sinn noch nicht beendet.<br />
107
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
Fern und doch ganz nah –<br />
Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
<strong>Coaching</strong> per Telefon ist geeignet, obwohl oder gerade weil die<br />
Gesprächspartner sich nicht sehen, eine vertrauensvolle und intensive<br />
Arbeitsbeziehung aufzubauen.<br />
In diesem Kapitel wird die These begründet, dass es Vorteile in einer<br />
<strong>Coaching</strong>-Beziehung hat, wenn man sich nicht sieht. Das augenscheinliche<br />
Fehlen von scheinbar wichtigen Informationen hat weniger<br />
Bedeutung als allgemein angenommen. Gerade am Telefon entsteht<br />
eine außergewöhnliche Qualität von partnerschaftlicher, tiefer und<br />
vertrauensvoller Beziehung.<br />
Beim Lesen werden Sie bemerken, dass Sie immer wieder als Coach<br />
angesprochen werden. Dahinter liegt die Vermutung, dass Sie vor allem<br />
als Coach an den folgenden Ausführungen interessiert sind. Sollten Sie<br />
sich nicht zu diesem Personenkreis zählen, lade ich Sie ein, sich trotzdem<br />
als solcher ansprechen zu lassen. Denn eigentlich tragen wir alle<br />
ein „Coach-sein“ in uns und sind tatsächlich immer wieder Coach für<br />
uns selbst und andere.<br />
Frei von Bildern dem Anderen begegnen<br />
Als Coach, der seit Jahren fast ausschließlich am Telefon arbeitet, ist<br />
es für mich normal, Kunden nicht persönlich zu begegnen. Die Frage,<br />
wie vertrauensvolle Beziehungen zu Menschen übers Telefon entstehen,<br />
war deshalb erst einmal nicht leicht zu beantworten. Wie geschieht<br />
dieses für mich Alltägliche? Wodurch entsteht eine besondere Vertrauensbeziehung<br />
gerade dann, wenn Coach und Kunde sich nie gesehen<br />
haben und sich vermutlich auch nicht sehen werden?<br />
108
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
Wenn ich von der Tätigkeit als TeleCoach erzähle, schütteln viele<br />
Menschen den Kopf. Es scheint für die meisten Kollegen oder Personen,<br />
die viel mit <strong>Coaching</strong> zu tun haben, kaum vorstellbar. „Es ist doch<br />
wichtig, sich zumindest ein Mal gesehen zu haben“, so die meist vertretene<br />
Ansicht. Die Erfahrung zeigt: „Nein, ist es nicht; im Gegenteil,<br />
gerade das Nicht-Sehen eröffnet eine besondere Art von <strong>Coaching</strong>-<br />
Partnerschaft!“<br />
Auf die Frage, warum gerade über das Telefon ein besonderes Vertrauen<br />
entstehen kann, bietet sich folgende Assoziation an: Sie lesen ein<br />
Buch, dass Ihnen wirklich gefällt. Anschließend sehen Sie sich den Film<br />
dazu an. In den meisten Fällen sind Sie enttäuscht. Warum? Das Buch<br />
gab Ihnen die Möglichkeit, sich Ihre eigene Rahmengeschichte zu<br />
erfinden. Diese ist sehr besonders, einzigartig, vielfältig, kreativ. Sie<br />
haben Ihre ganz persönliche Beziehung zur Hauptfigur des Buches und<br />
eine besonders tiefe Botschaft für sich selbst. Ändern sich Aspekte und<br />
Botschaften während des Lesens, sind Sie ganz frei, Ihre Kreation zu<br />
verändern und völlig neu zu gestalten. In dem Augenblick, wo wir das<br />
Gehörte mit einem Bild verbinden, wird es „fester“. Haben wir den<br />
Film gesehen, können wir das Buch nicht mehr mit den gleichen<br />
Augen „lesen“ wie vorher.<br />
Diese Aspekte lassen sich auf <strong>Coaching</strong> per Telefon übertragen. Der<br />
Kunde erlebt seinen persönlichen Coach als einzigartig und sehr<br />
besonders. Die Intensität und häufig auch die Intimität, die am Telefon<br />
entsteht, bekommt eine Offenheit und Tiefe, die in einer räumlichen<br />
Begegnung kaum vorstellbar ist. Auch hat die Partnerschaft am Telefon<br />
etwas „leichtes und freies“. Von der Kreation des Super-Coachs bis hin<br />
zum Erleben einer Einfachheit von Beziehung entsteht eine große<br />
Bandbreite von Begegnungs- und Beziehungsmöglichkeiten. Der<br />
gewohnte Kontakt übers Telefon erzeugt eine niedrige Schwelle, in<br />
besonderen Situationen auch kurzfristig und häufig in Kontakt zu sein.<br />
Es ist ein Privileg, so nahe und unterstützend im Leben eines Menschen<br />
sein zu dürfen. Das Sich-Nicht-Sehen erleichtert dies enorm.<br />
Der Kunde hat, wie bei der Identifikation mit der Hauptfigur eines<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Buches, den Raum sich seinen „Ideal-Coach“ zu kreieren und bringt<br />
dadurch viele positive Impulse in die gemeinsame Arbeit. Natürlich<br />
könnte der Leser anmerken, dass der Kunde seinen Coach in gewisser<br />
Weise idealisiert. Ja natürlich, das passiert jedem Coach immer wieder.<br />
Wir können am Telefon mit einer gewissen Leichtigkeit damit spielen,<br />
es ansprechen, die Energie nutzen. Wir wissen sozusagen, dass wir in<br />
einer Illusion leben. Das schafft eine außergewöhnliche Energie, die<br />
sich positiv auswirkt.<br />
Es macht Freude, dass über das Telefon häufig eine Beziehung entsteht,<br />
in der der Kunde eine besondere Verbindung und Verpflichtung<br />
für die eigenen Belange in einer Qualität erlebt, wie er sie in seinem<br />
Leben sonst noch nicht erlebt hat.<br />
Ein zweiter Aspekt: Der Volksmund sagt „ein Bild sagt mehr als tausend<br />
Worte“. Das hat sicher seine Berechtigung, doch welche Botschaften<br />
übermittelt ein Bild? Sind diese Botschaften für einen<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess wesentlich? Muss der Coach als erfahrener Menschenkenner<br />
so viel über seinen <strong>Coaching</strong>-Kunden wissen? Oder<br />
könnte es auch für den Coach kraftvoller sein, „Nicht zu wissen“,<br />
einen leeren Raum zu betreten, ganz offen und frei, völlig unvorbelastet<br />
mit einer zunächst fremden Person in ein Gespräch zu kommen?<br />
Meine These, die ich aus der jahrelangen Erfahrung vertrete, lautet:<br />
„Das Bild einer Person übermittelt durch die Gesichtszüge und Haltung<br />
des Gegenübers viel über seine Erfahrungen aus der Vergangenheit.<br />
Es entsteht ein „fester“ erster Eindruck, der die gesamte<br />
<strong>Coaching</strong>-Dynamik beeinflusst. Die Stimme signalisiert durch ihre<br />
Intonation die Gegenwart“. Die gesprochenen Worte lassen leicht das<br />
Potenzial erkennen. Dies ermöglicht es, mit großer Authentizität an<br />
seinen Kunden zu glauben. Allein das hat enorme Kraft.<br />
Meine persönliche Erkenntnis: Das Sehen der äußeren Erscheinung<br />
einer Person hindert in einem <strong>Coaching</strong>-Prozess mehr als dass es nutzt.<br />
Ich hatte mehrere Fälle, bei denen ich bei einem Treffen im Lauf der<br />
Zusammenarbeit zunächst erschrocken von der äußeren Erscheinung<br />
meines Gegenübers war und den positiven Verlauf des <strong>Coaching</strong>s<br />
anzweifelte. Doch in allen Fällen stellte sich im Weiteren heraus, dass<br />
unsere gemeinsame Arbeit absolut stimmig gewesen war.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
Ein dritter Gedanke: Das Bildtelefon wurde vor mehr als 40 Jahren<br />
erfunden. Damals war es wegen des hohen technischen Aufwands nur<br />
für sehr wenige Menschen möglich, diese Form von Unterhaltung zu<br />
nutzen. In der heutigen Zeit wäre es ein Leichtes, Bildtelefonie anzubieten.<br />
Doch scheint es dafür keinen Markt zu geben. Internettechnik<br />
und Bildschirme mit eingebauter Kamera machen es zusätzlich geradezu<br />
einfach, sich auch per Bild zu unterhalten. Trotzdem telefonieren<br />
oder „skypen“ wir in der Regel ohne Bild. Anscheinend lieben wir das<br />
Nicht-Sehen. Warum?<br />
Fazit: Der Mensch ist ein außergewöhnliches Wesen, das Menschsein<br />
ist so vielschichtig und besonders. Wie ist es erklärbar, dass sich Menschen<br />
mit Behinderungen zu Weltmeistern entwickeln. Das gerade da,<br />
wo persönliche Schwächen vorhanden sind, plötzlich Experten entstehen,<br />
weil sich die Betroffenen mit dem Thema schon seit frühster<br />
Kindheit beschäftigen. Gerade in der Arbeit mit Menschen ist es möglich,<br />
dass sich der „Ackergaul zum Rennpferd“ entwickelt.<br />
Meine These: „Sich auf die Größe von Menschen zu beziehen, an<br />
diese zu glauben, unbeeinflusst von äußeren Erscheinungen, hat<br />
Kraft!“ Vor allem dann wenn der Gesprächspartner, wie in einem<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess, etwas vorhat, etwas erreichen möchte.<br />
Im Weiteren schauen wir uns die Frage nach dem Entstehen von<br />
Vertrauen und Beziehung aus folgenden drei Blickwinkeln an: Was gilt<br />
es zu beachten, bevor überhaupt ein Kontakt zustande kommt? Was ist<br />
zum Erstgespräch zu empfehlen und wie kann ich das Vertrauen im<br />
weiteren Verlauf wachsen lassen? Ein paar Tipps und Auszüge aus<br />
Erfahrungen mit Kunden kommen zum Schluss. Viel Spaß beim<br />
Lesen!<br />
Was ist wesentlich, wenn ein erster Kontakt<br />
zustande kommt?<br />
Es sind zwei Dinge, die aus meinem Blickwinkel wesentlich sind, um<br />
als Coach übers Telefon aus potenziellen Kunden tatsächliche Kunden<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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zu machen. Zum einen ist es die eigene Darstellung im Internet, zum<br />
anderen die eigene Haltung, <strong>Coaching</strong> übers Telefon „zu verschenken“.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass etwa die Hälfte der Interessenten die Möglichkeit<br />
nutzt, sich vorher ausführlich im Internet zu informieren.<br />
Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf den Lebenslauf und die<br />
Präsentation des Coachs gelegt. Kunden, die sich aktiv informiert<br />
haben, stellen keine Fragen in Bezug auf die Person des Coachs. Es<br />
entsteht sehr schnell eine große Offenheit für das Gespräch.<br />
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Coach sich im Netz ausführlich<br />
zeigt. Seien Sie mutig und repräsentieren Sie sich persönlich.<br />
Ein Coach qualifiziert sich nicht nur durch Ausbildungen, Zertifikate<br />
und berufliche Erfahrung. Vor allem ist der Coach ein interessanter,<br />
gewinnender und vertrauenswürdiger Mensch, der Anderen ein wertvoller<br />
Beitrag ist. Via Internet gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich als<br />
Person zu zeigen. Beispielsweise mit einem Lebenslauf, der sich nicht<br />
auf Daten und Fakten beschränkt, sondern auch besondere Wendepunkte,<br />
Erfahrungen und Vorlieben des Coachs aufzeigt. Kundenreferenzen,<br />
die gerne ebenfalls persönlich gehalten sein können, machen<br />
deutlich, dass der Coach Wertschätzung genießt und in welchen Bereichen<br />
bereits Erfahrung und Kompetenz gesammelt wurden.<br />
Tipp: Falls Sie zukünftig als TeleCoach aktiv sein wollen, geben Sie<br />
ihrer persönlichen Darstellung eine besonders hohe Aufmerksamkeit.<br />
Stellen Sie sich selbst immer wieder die Frage: Was habe ich zu geben?<br />
Was sind meine Kernkompetenzen? Womit bin ich für meine Kunden<br />
interessant? Seien Sie mutig. Trauen Sie sich, Ihre Einzigartigkeit darzustellen.<br />
Ziehen Sie die Menschen an, die zu Ihnen passen. Erzeugen<br />
Sie Empfindungen wie: „Bei dem bin ich richtig.“ In dem Maße, wie<br />
Sie sich zeigen und damit sozusagen in Vorleistung gehen, öffnen Sie<br />
für Ihre Kunden den Raum, deren häufig schwierige Situation offen<br />
auszusprechen.<br />
Es ist nicht die Zahl der Kunden, die Sie erfolgreich macht, sondern<br />
die richtigen Kunden, die Ihren Wert erkennen.<br />
Akquise am Telefon bedeutet, sich in seiner Qualität als Coach<br />
erlebbar zu machen. <strong>Coaching</strong> übers Telefon wird nur dann als wert-<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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voll erachtet, wenn eine persönliche Erfahrung entsteht, die als<br />
gewinnbringend bezeichnet wird. Wer immer als Coach übers Telefon<br />
arbeiten möchte, wird gut daran tun, mit seiner Qualität freizügig zu<br />
sein, sich in gewisser Weise also „zu verschenken“. Dazu ist eine innere<br />
Ausrichtung nötig, jede Gelegenheit zu nutzen, sich als Coach übers<br />
Telefon erlebbar zu machen. Dies ist von daher wesentlich, weil es<br />
immer wieder passiert, dass solche Erstgespräche unvorbereitet und<br />
spontan geschehen. Es ist von Vorteil, wenn wir die Gunst des richtigen<br />
Augenblicks nutzen können und innere Gedanken wie „Ich wollte<br />
jetzt eigentlich Dies oder Jenes tun“ schnell beiseite schieben können,<br />
um ganz für die Begegnung offen sein zu können.<br />
In diesem Sinne ist folgende Einladung zu verstehen: Seien Sie großzügig,<br />
verschenken Sie sich, verstehen Sie Akquise als gelebtes<br />
<strong>Coaching</strong>. Gönnen Sie Menschen Ihre Unterstützung, auch wenn Sie<br />
nicht sofort daraus einen Auftrag bekommen. Bedanken Sie sich für<br />
jede Gelegenheit, Menschen ein Beitrag sein zu dürfen.<br />
Das Erstgespräch ist entscheidend<br />
Als Erstgespräch bezeichne ich hier eine Terminvereinbarung zwischen<br />
einem möglichen Kunden und dem Coach, <strong>Coaching</strong> erlebbar zu<br />
machen. Ziel dieses Gesprächs ist es, eine Entscheidung zu treffen, ob<br />
<strong>Coaching</strong> eine geeignete Form ist oder auch nicht. Im Folgenden finden<br />
Sie wesentliche Aspekte die im Erstgespräch von Bedeutung sind.<br />
Lampenfieber<br />
„Ein Erstgespräch am Telefon ist für mich immer besonders aufregend.<br />
Manchmal zittere ich richtig. Gerade wenn das so ist, freue ich<br />
mich an meinem „Lampenfieber“. Es ist ernst. Für einen Menschen<br />
bin ich vielleicht Partner für einen wichtigen Lebensabschnitt.<br />
Außergewöhnliche Erlebnisse, Entscheidungen und Perspektivenwechsel<br />
stehen an. Es ist ein Privileg, diese Arbeit tun zu dürfen.“<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Stimme gut, alles gut<br />
Untersuchungen haben ergeben, dass ein Produkt nur zu ca. zehn<br />
Prozent durch die gewählten Worte verkauft wird. Der Tonfall und die<br />
Stimme haben mit etwa 40 Prozent bereits mehr Einfluss. Weitere 50<br />
Prozent können durch die Körpersprache beigetragen werden. 31 Damit<br />
soll nicht gesagt werden, dass der Inhalt des Gesagten unwesentlich ist.<br />
Wichtig an dieser Aussage ist, dass bei einer Authentizität zwischen<br />
Gesagtem, Körpersprache und Stimme, ein stimmiges „Bauchgefühl“<br />
entsteht, das zur Kaufentscheidung führt.<br />
Da beim Telefon die Körpersprache wegfällt, kommt der Stimme,<br />
bzw. der damit übermittelten Stimmung eine wesentlich höhere<br />
Bedeutung zu.<br />
Die Stimme übermittelt Informationen, Gedanken und Bedürfnisse<br />
und offenbart zugleich auch Stimmungen und Gefühle. Atmung,<br />
Stimme und Sprechweise sind ein Spiegel der Persönlichkeit. In der<br />
Stimme eines Menschen klingt sein gesamtes Wesen.<br />
Stimme ist ein „kommunikativer Schlüsselreiz“. Sie öffnet oder<br />
schließt das Ohr der Zuhörer in wenigen Sekunden. Ähnlich wie wir<br />
meist ganz unbewusst wahrnehmen, ob wir „jemanden riechen können<br />
oder nicht“, bemerken wir immer ob uns die Stimme eines Anderen<br />
angenehm ist oder nicht. Und wenn der potenzielle Kunde einen<br />
Gegensatz wahrnimmt, zwischen dem was gesagt wird und dem wie es<br />
gesagt wird, entsteht eine Dissonanz.<br />
Machen Sie doch mal einen kleinen Versuch:<br />
Hören Sie auf die Stimmen, die Ihnen zu Ohren kommen, und zwar<br />
auf Stimmen von Personen, die Sie nicht kennen. Nutzen Sie Gelegenheiten,<br />
bei denen Sie die Augen schließen können, z. B. im Bus,<br />
beim Anstehen an der Kasse – wo auch immer. Hören Sie ganz<br />
31 Nach Albrecht Mehrabian, Experimente zur Kommunikation, entfaltet<br />
Kommunikation seine Wirkung nur zu 7 Prozent durch den Inhalt des<br />
Gesprochenen, zu 38 Prozent durch den Tonfall und zu 55 Prozent durch die<br />
Körpersprache. Vgl. Klein/ Kresse (2006), S. 66.<br />
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Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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bewusst hin, ob die Stimmen authentisch klingen. Überprüfen Sie,<br />
inwieweit der Klang oder der Inhalt des gesagten ihre Meinung über<br />
den anderen prägt. Bemerken Sie, wie Sie sich unbewusst ein Bild<br />
von Ihrem Gegenüber machen und wie vielfältig dieses Bild ist.<br />
Eventuell staunen Sie, wie schnell Ihnen das gelingt. Und dann<br />
genießen Sie den Vergleich ihrer Fantasie mit der Realität.<br />
Und noch ein kleiner Test:<br />
Nennen Sie mindestens fünf Personen aus den Medien (Schauspieler,<br />
Moderatoren etc.), die Sie nicht persönlich kennen, die Sie aber<br />
besonders schätzen und mögen. Wenn Sie diese das nächste Mal<br />
sprechen hören, hören Sie genau auf deren Stimme. Hat deren<br />
Stimme (oder Synchronstimme) auch Einfluss darauf, dass sie Ihnen<br />
sympathisch wirken?<br />
Wie etwas gesagt wird, ist also lauter als was gesagt wird. In diesem<br />
Sinne empfiehlt es sich, aktuelle Stimmungen, wie beispielsweise Lampenfieber,<br />
direkt anzusprechen. Unser Gesprächspartner hört diese<br />
ohnehin und Authentizität schafft Vertrauen.<br />
Vielleicht haben Sie schon einmal bemerkt, dass Stimmen von entspannten<br />
Menschen fast immer sympathisch klingen. Entsprechend ist<br />
es besonders wichtig entspannt, authentisch freundlich, fröhlich und<br />
lebendig zu sein und eben auch so zu klingen. In diesem Sinne kommt<br />
es für den TeleCoach darauf an, für sich selbst und ein kraftvolles, entspanntes<br />
und lebendiges Leben zu sorgen.<br />
Lächeln erzeugt eine gute Stimmung obwohl es gar nicht zu sehen<br />
ist. Tatsächlich lässt die lächelnde Mundhaltung die Stimme weicher<br />
und angenehmer tönen. Und übrigens hat jeder seine individuelle<br />
optimale Stimmlage. Die können Sie finden, wenn sie sich Ihr Lieblingsgericht<br />
vorstellen und genießerisch „mmmh” machen. Oder wenn<br />
Sie beruhigend zu einem Kind sprechen. In dieser Lage klingt Ihre<br />
Stimme am besten. Probieren Sie es einfach mal aus, wenn Sie das<br />
nächste Mal telefonieren. Entspannen Sie sich, machen Sie es sich<br />
gemütlich. Gönnen Sie sich ein weiches Sofa oder Ihren Sessel bei dem<br />
Sie die Füße hochlegen können. Haben Sie Ihr Lieblingsgetränk parat.<br />
Lächeln Sie und erst dann beginnen Sie mit Ihrem Telefonat.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Gut vorbereitet für das „erste Mal“<br />
Im ersten Gespräch wird die Basis der zukünftigen Zusammenarbeit<br />
gelegt. Also geht es darum, Beziehung und Vertrauen zueinander zu<br />
entwickeln. Zwei Hauptaspekte stehen dabei im Vordergrund: Einerseits<br />
gilt es zu klären, wofür ein Kunde die Unterstützung eines Coachs<br />
haben möchte und ob er sich mit seinem Anliegen bei dem Coach<br />
richtig fühlt. Andererseits ist zu prüfen, ob der Coach das leisten kann<br />
und will. Vertrauen entsteht immer dann, wenn zwei Menschen eine<br />
freie Entscheidung treffen. Wir sprechen diese beidseitige Entscheidungsfreiheit<br />
direkt am Anfang des Gesprächs an. Dadurch wird deutlich,<br />
dass es nicht darum geht, dass der Coach möglichst viele Neukunden<br />
braucht, sondern dass er sich frei fühlt, zum richtigen Kunden ja<br />
zu sagen.<br />
Leitfaden Erstgespräch<br />
1. Begrüßung und Bedanken für die Pünktlichkeit und die<br />
Bereitschaft zu diesem Gespräch.<br />
2. Die Absicht des Gesprächs mitteilen, Überblick geben, darauf<br />
hinweisen, dass am Ende eine Entscheidung von beiden<br />
Seiten ansteht.<br />
3. Die Gesprächsdauer klären (in der Regel eine Stunde)<br />
4. Was möchte der Kunde vom Coach wissen?<br />
5. Was soll der Coach vom Kunden wissen?<br />
6. Anliegen, Hersausforderung und Problem erfragen.<br />
7. Aktiv zuhören, sicherstellen, das Problem erfasst zu haben.<br />
8. Ersten Nutzen stiften, <strong>Coaching</strong>-Kompetenz einbringen.<br />
9. Das Ziel eines möglichen <strong>Coaching</strong>-Prozesses definieren.<br />
10. Die Rahmenbedingungen des <strong>Coaching</strong>s klären (Zeit, Häufigkeit<br />
der Intervalle, Finanzielles).<br />
11. Unterstützung bei der Entscheidung für eine Zusammenarbeit<br />
geben.<br />
12. Weiterführende Vereinbarungen treffen (Termine, Experimentiervorschläge…)<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Ist ein Termin vereinbart, besteht die Möglichkeit schon vor einem<br />
ersten Gespräch vorbereitende Fragen weiter zu geben.<br />
In der Praxis haben sich folgende vier einfache Fragen bewährt, die<br />
eine optimale Mischung für die verschiedensten Menschen zu sein<br />
scheinen:<br />
1. Was soll ich als Coach von Ihnen wissen?<br />
2. Was wollen Sie von mir wissen?<br />
3. Was genau ist Ihr Anliegen, was ist Ihnen wirklich wichtig?<br />
4. Welche Art von Unterstützung wünschen Sie für Ihr Anliegen?<br />
Je nach Bedarf können interessierte Kunden auch gebeten werden,<br />
sich auf das Erstgespräch mit einem ausführlichen Fragenkatalog vorzubereiten<br />
oder auch ganz auf jede Vorbereitung zu verzichten, sich zu<br />
entspannen, aus Erfolgsdruck und Leistung einfach mal auszusteigen.<br />
Aus dieser klärenden Vorarbeit alleine entsteht meist schon Nutzen,<br />
unabhängig davon, ob es dann zu einer längerfristigen Zusammenarbeit<br />
kommt oder nicht.<br />
Es ist alles schon da<br />
Wie bei Allem, gibt es sehr unterschiedliche Menschen mit den verschiedensten<br />
Bedürfnissen. Mit dem Satz: „Es ist alles schon da“, ist<br />
gemeint, dass die überwiegend häufigste Erfahrung folgende ist: Es<br />
geht nicht darum, mit Professionalität zu beweisen, welch gute Methoden<br />
wir zum Lösen des Problems parat haben. Es geht vielmehr<br />
darum, dem Gegenüber Verständnis und Offenheit für seine Situation<br />
zu vermitteln. Das Gefühl des Verstanden-Werdens scheint ein so<br />
großer Mangel im Leben von Menschen zu sein, dass allein dieses<br />
Erlebnis für den Betroffenen eine außerordentliche Qualität darstellt.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
Bitte höre mir zu<br />
Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du fängst an, mir Ratschläge<br />
zu erteilen, dann fühle ich mich unverstanden und in meiner<br />
Art zu empfinden nicht respektiert.<br />
Wenn ich dich bitte mir zuzuhören, und du fängst an, mir zu sagen,<br />
warum ich mich nicht so fühlen sollte, dann trampelst du auf meinen<br />
Gefühlen herum.<br />
Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du meinst, du müsstest<br />
etwas tun, um mein Problem zu lösen, dann hast du mir gegenüber<br />
versagt, so seltsam das klingen mag.<br />
Bitte höre mir zu, ich will nichts weiter, als gehört und verstanden zu<br />
werden. Ja es tut gut, wenn du nachfragst. Und es ist wunderbar,<br />
wenn du die Worte für das findest, was ich nicht in Worte fassen<br />
konnte, denn es tut so gut, einfach verstanden zu werden.<br />
Und: Ich kann für mich selbst einstehen. Ich bin nicht hilflos, vielleicht<br />
gerade mutlos und unsicher, aber nicht hilflos.<br />
Ich bitte dich darum, einfach dabei zu sein und mit anzuhören, was<br />
ich fühle, was ich empfinde, auch wenn es dir noch so schwer fällt<br />
meine scheinbare Hilflosigkeit auszuhalten. Wenn ich selbst die Botschaft<br />
verstehe, dann ist dies besser als jeder Ratschlag der mich im<br />
eigentlichen Sinne davon abhält, meine innere Not zu spüren.<br />
Meine Empfindungen, meine inneren Schmerzen haben einen Sinn<br />
und ich vertraue, dass ich sie im Zulassen loslasse, dass diese einfach<br />
da sein dürfen, heilen.<br />
Vielleicht ist das der Grund warum Gebete wirken - denn Gott hört<br />
einfach zu. Das ist heilsam. 32<br />
Dieser Text vom W. Sterling Edwards zeigt, dass es eigentlich mehr<br />
darum geht die vorhandene Offenheit und das vorhandene Vertrauen<br />
nicht zu zerstören als es zu erzeugen.<br />
Dies passiert besonders dadurch, indem wir das Gespräch verlangsamen<br />
und das Gehörte mit eigenen Sätzen zurückgeben. Sich wirklich<br />
verstanden zu fühlen vermittelt das Gefühl von Heimat, angenommen<br />
32 Text W. Sterling Edwards zugeschrieben, bearbeitet von Dorothee Bornath und<br />
Stephan Josef Dick.<br />
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(Stephan Josef Dick)<br />
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zu sein, einfach sein zu dürfen, einen Freund zu haben. Der Kunde<br />
kann hier all seine Sehnsüchte von gewünschter Partnerschaft und<br />
Freundschaft auf den Coach im positiven Sinne projizieren.<br />
Nutzen stiften<br />
Eine weitere Gruppe von möglichen Kunden möchte in einem Erstgespräch<br />
die Qualität des Coachs erleben, um sich für einen <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess entscheiden zu können. Es gibt kein Patentrezept, in welcher<br />
Form und mit welchen methodischen Mitteln gearbeitet werden soll.<br />
Hier ist ganz einfach Kompetenz gefragt. Hier haben wir „Heimspiel“,<br />
können uns und unsere Fähigkeiten voll einbringen. Sollten Sie als<br />
Leser Fragen haben, wie genau methodische Kompetenz am Telefon<br />
vermittelt werden kann, verweise ich auf das Kapitel IV, <strong>Coaching</strong> unlimited<br />
– Methoden und Interventionen am Telefon, von Maren Kaiser.<br />
Was im Erstgespräch erstaunt, ist die Offenheit, auch dann, wenn bis<br />
dato keinerlei Beziehung vorhanden war. Detailfragen können in allen<br />
Aspekten gestellt werden. Es scheint so, als ob die Verschwiegenheit<br />
stillschweigend vorausgesetzt wird. Während ich zu Beginn meiner<br />
<strong>Coaching</strong>-Tätigkeit immer wieder betont hatte, dass diese Gespräche<br />
natürlich vertraulich sind, tue ich das heute nicht mehr. Die erstaunten<br />
Äußerungen der Gegenüber, dass sie das natürlicherweise voraussetzen,<br />
machten mir deutlich, dass meine Äußerungen unnötig waren und<br />
eher eine Unsicherheit erzeugten.<br />
Fazit: Bitte gehen Sie nicht schon mit einem fertigen Konzept, z. B.<br />
unbedingt etwas Besonderes als Coach leisten zu müssen, in ein Erstgespräch.<br />
Der Kunde bestimmt den Fokus. Das was bei ihm vorgeht,<br />
ist der wesentlichste Brennpunkt. Die Empfehlung lautet: Methodische<br />
Interventionen und Lösungsansätze nicht um jeden Preis anbieten. Es<br />
ist nicht notwendig zu beweisen wie gut Sie als Coach sind. Häufig<br />
stiften Sie mehr Nutzen, wenn das Gespräch an der Stelle beendet<br />
wird, wo der Kunde sich wahrgenommen und vollständig verstanden<br />
fühlt. Der Kunde sagt ja zu einer Vereinbarung, weil er sich gehört<br />
fühlt und damit das Vertrauen entsteht, dass sein Ziel in einem gemeinsamen<br />
Weg erreicht werden kann.<br />
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Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Eine Entscheidung treffen<br />
In einem Erstgespräch ist diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit<br />
zu geben, wenn der Gesprächspartner keine eindeutige Klarheit<br />
darüber hat, ob er <strong>Coaching</strong> nutzen möchte oder nicht. Es ist unsere<br />
Verantwortung als Coach, ihm dabei zu helfen. Eine Entscheidung zu<br />
treffen gibt Kraft, schafft Selbstbewusstsein und (Selbst-)Vertrauen.<br />
Drängen wir zu einer Entscheidung, stoßen wir auf Widerstand. Lassen<br />
wir den anderen jedoch völlig frei, haben wir die Chance verpasst,<br />
Menschen auf Ihrem Weg einen wertvollen Beitrag zu leisten. Wie also<br />
vorgehen?<br />
Es gilt, dieses Thema gezielt und konkret anzusprechen indem Sie<br />
z. B. sagen:<br />
„Sie können jetzt an drei möglichen Positionen stehen:<br />
• Sie haben ein klares Ja zum <strong>Coaching</strong>.<br />
• Sie sind unsicher.<br />
• Sie haben ein klares Nein.“<br />
Haben Sie als Coach eine deutliche Wahrnehmung dafür, an welchem<br />
Punkt sich Ihr Gegenüber befindet, können Sie das auch direkt<br />
ansprechen.<br />
Über das klare Ja freuen wir uns, das klare Nein akzeptieren wir.<br />
Besonders spannend ist es, wenn Unsicherheit geäußert wird. Jetzt gilt<br />
es nachzufragen, welche Bedenken vorhanden sind. Das ist eine schöne<br />
Gelegenheit, Ihre Fähigkeit als Coach einzubringen. Häufig finden Sie<br />
Parallelen zwischen dem schon genannten Anliegen und der Unsicherheit.<br />
Dies aufzuzeigen erhöht die Bereitschaft, sich auf das <strong>Coaching</strong><br />
einzulassen.<br />
Meine persönliche Erfahrung ist immer wieder, dass es am Schluss<br />
eines solchen gemeinsamen Weges sehr kraftvoll ist, dem Kunden eine<br />
klare Empfehlung zu geben. Kann der Gesprächspartner spüren, dass<br />
Ihre Aussage authentisch ist und nicht darauf abzielt, dass es Ihnen um<br />
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einen neuen Auftrag geht, kommt er Ihrer Empfehlung meist gerne<br />
nach.<br />
Klarheit über das weitere Vorgehen schaffen<br />
Hat der Kunde ein Ja zur gemeinsamen Arbeit gesagt, schaffen klare<br />
Strukturen und Vereinbarungen Sicherheit und Vertrauen. Entsprechend<br />
ist es empfehlenswert Vereinbarungen über das Gespräch hinaus<br />
zu treffen. Geklärt wird, wie in der Zeit zwischen den Gesprächen mit<br />
den bearbeiteten Themen umgegangen wird und in welcher Form<br />
Rückmeldungen gegeben werden. Die niedrigschwellige Arbeit am<br />
Telefon eröffnet hier vielfältige Möglichkeiten. Je nach Typ und Art,<br />
können z. B. tägliche Rückmeldungen über bestimmte Anliegen per E-<br />
Mailaustausch richtig kraftvoll sein. Bleibt die Rückmeldung aus,<br />
erfordert das Ihre Nachfrage. Erforschen Sie gemeinsam mit Ihrem<br />
neuen Kunden, was ihm am besten weiterhilft. Ein selbst geschriebenes<br />
Protokoll und die eigene Verpflichtung zu regelmäßigen Experimenten<br />
vertiefen den Wert des Gesprächs. Achten Sie auf die Stimmigkeit der<br />
Vereinbarung. Ihr ehrliches Interesse und Ihre Anteilname lassen den<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess sehr lebendig werden.<br />
Vertrauen wachsen lassen und pflegen<br />
Am Telefon fehlen Ausdrucksmöglichkeiten wie beispielsweise ein<br />
herzlicher Händedruck, eine freundschaftliche Umarmung oder ein<br />
freudiges Lächeln. Vertraute Erlebnisse, die uns Sympathie oder Antipathie<br />
signalisieren, sind schlichtweg nicht vorhanden. Es braucht<br />
dafür einen adäquaten Ersatz. Die Frage könnte lauten: „Wie machen<br />
wir uns als Coach erlebbar, fühlbar und wahrnehmbar? Wie gleichen<br />
wir vertraute Erlebnisse übers Telefon aus? Folgende Aspekte wollen<br />
wir an dieser Stelle ansprechen:<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Verständnis<br />
Einfühlsames Zuhören ist die Basis, die Grundlage aller <strong>Coaching</strong>-<br />
Kompetenz. Das gilt natürlich und insbesondere auch am Telefon. Der<br />
Kunde möchte umfassend in seinem Anliegen wahrgenommen werden.<br />
Da Ihre Körpersprache fehlt, ist es durch das Wiederholen des Gesagten<br />
mit eigenen Worten empfehlenswert, Ihr Verständnis zu kommunizieren.<br />
Eine besondere Herausforderung sind Menschen, die gerne viel<br />
reden. Lange Redeflüsse dürfen unterbrochen werden, z. B.: „Ich spreche<br />
jetzt dazwischen um sicherzustellen, dass ich alles verstehe. Ich<br />
habe herausgehört dass...“<br />
Stellen Sie sicher, dass Ihr Gegenüber sich vollständig verstanden<br />
fühlt. Dabei zeigt sich Ihre Kompetenz als Coach darin, das auszusprechen,<br />
was der andere nicht in Worte fassen konnte. Sie erkennen es an<br />
zustimmenden oder bestätigenden Wörtern wie „genau“ oder<br />
„stimmt“, die er Ihnen zurückgibt. Dabei staunt oder wundert er sich<br />
vielleicht über die Präzision Ihrer Rückmeldung, die seine Situation<br />
vollständiger beschreibt als er selbst es in seinen Worten hätte sagen<br />
können. Es ist für Ihren Kunden ein besonderes Erlebnis, sich von<br />
jemandem in dieser Vollständigkeit verstanden zu erleben, obwohl man<br />
sich nicht sieht.<br />
Verständnis per Telefon bedeutet auch, mal lauter oder leiser zu<br />
atmen, mit der Stimme durch Jas, Hmms, Ahas... anwesend zu sein. Das<br />
gibt ein Gefühl von Präsenz. Auch hilft es, wenn Sie Ihre Gefühle<br />
kommunizieren. Als Coach können wir uns darin üben, unsere Körpersprache<br />
in Worte zu fassen: Zum Beispiel: „Ich sitze hier, freue mich<br />
und lächle“.<br />
Bitte beachten Sie, dass das Wahrnehmen dieser Zwischentöne durch<br />
das Benutzen von Freisprecher oder Software, die mit Echo- oder<br />
Rauschunterdrücker (z. B. Skype) arbeiten, negativ beeinflusst werden<br />
kann. Diese Technik unterdrückt alle Nebengeräusche. Ein gewisses<br />
Grundrauschen ist gut, es vermittelt Anwesenheit. Es ist unangenehm<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
in einen geräuschlosen Raum zu sprechen. Ich empfehle von daher das<br />
Benutzen eines Headsets, auch für den Kunden. 33<br />
Zeig dich<br />
Das Stärkste, was in einer <strong>Coaching</strong>-Beziehung zu Vertrauen führt ist<br />
Offenheit und Authentizität. Jeder, der in einer Partnerschaft lebt, weiß<br />
das. Es ist nachvollziehbar, <strong>Coaching</strong> als eine Partnerschaft über eine<br />
definierte Zeit zu betrachten. Die Regeln einer Partnerschaft in der hier<br />
vorgeschlagenen Konsequenz auf das <strong>Coaching</strong>-Verhältnis zu übertragen,<br />
mag jedoch erst einmal ungewöhnlich klingen.<br />
Ein lebendiger <strong>Coaching</strong>-Prozess kann uns an Grenzen bringen, Fragen<br />
aufwerfen, die wir nicht beantworten können. Ja, er kann sogar<br />
Unsicherheit und Risiken erzeugen. Die besondere Herausforderung ist<br />
immer, wie spreche ich über das, was sich gefährlich, sensibel, vielleicht<br />
sogar angstvoll anfühlt? Starkes Vertrauen entsteht, wenn ein Coach<br />
sich nicht nur von seiner kompetenten Seite zeigt, sondern sich als<br />
vollständiger Mensch erlebbar macht. Etwas provokant ausgedrückt:<br />
„Wirkliche Profis stehen zu ihren Schwächen“. Sie zweifeln nicht an<br />
ihrer Kompetenz und haben es deswegen nicht nötig, etwas zu verstecken.<br />
Und gerade das macht sie vertrauenswürdig.<br />
Probieren Sie folgende Empfehlung: Vermeiden Sie besonders am<br />
Telefon eine Selbstdarstellung wie „Ich bin der perfekte Coach, habe<br />
alles in der Hand und bin in allen Aspekten meines Lebens erfolgreich“.<br />
Lassen Sie Ihr Gegenüber erleben, dass <strong>Coaching</strong> eine Gelegenheit<br />
des ständigen Wachsens und Weiterentwickelns ist. Lassen Sie<br />
Ihren Gesprächspartner wissen, dass Sie als Coach genauso <strong>Coaching</strong>-<br />
Bedarf haben. Stellen sie klar, dass <strong>Coaching</strong> ein kraftvolles Mittel für<br />
alle Menschen ist, sich ständig weiter zu entwickeln. Erzählen Sie gegebenenfalls<br />
von Ihren Prozessen mit Ihrem Coach. Sprechen Sie z. B.<br />
Grenzen an, mit denen Sie durch den gemeinsamen <strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
konfrontiert worden sind und lassen Sie Ihren Kunden in der konkre-<br />
33 Vgl. Das richtige Headset (S. 80 f).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
ten Zusammenarbeit erleben, wie Sie Ihre Professionalität auf sich<br />
selbst anwenden.<br />
Bitte verstehen Sie mich richtig: Damit ist nicht gemeint, eigene Prozesse,<br />
die durch ein <strong>Coaching</strong> angestoßen worden sind, in die Auseinandersetzung<br />
mit dem Kunden zu vermischen. <strong>Coaching</strong>-Kompetenz<br />
bedeutet immer, eigene Themen mit dem eigenen Coach zu bearbeiten.<br />
Die Einladung lautet einfach, probieren Sie aus, sich erlebbar zu machen.<br />
Wie ich schon in den ersten zwei Worten zu diesen Ausführungen<br />
geschrieben habe: Zeig dich – es ist das Stärkste.<br />
In Verbindung sein<br />
<strong>Coaching</strong> per Telefon ist eine sehr besondere Partnerschaft. Für den<br />
Kunden ist dieser gemeinsame Weg die vertrauensvolle Begleitung<br />
seines Alltags. Der Wert dieser Arbeit ist vor allem dadurch bestimmt,<br />
dass scheinbar alltägliche Dinge in Frage gestellt, neu betrachtet, und<br />
ausprobiert werden. Da passieren Fehler, es gibt Zusammenbrüche,<br />
aber auch Freude über Erreichtes.<br />
Eine <strong>Coaching</strong>-Partnerschaft über das Telefon eröffnet die Möglichkeit<br />
häufig live dabei zu sein. In Verbindung sein bedeutet den Abstand<br />
zwischen Coach und Kunde aufzugeben. Es ist die Einladung an den<br />
Kunden, dass er mitten in unserem Leben ist und wir einen wesentlichen<br />
Anteil an seinem Leben haben. Dann ist es selbstverständlich,<br />
dass jederzeit angerufen werden kann und wir über SMS, Mails oder<br />
sonstige Mitteilungen in Verbindung stehen. Es entsteht ein natürliches<br />
Bedürfnis nachzufragen, wenn bei wichtigen Ereignissen keine Rückmeldung<br />
kommt.<br />
In bestimmten Situationen sind häufige, ja tägliche Kontakte sinnvoll.<br />
Eine Lebendigkeit und Vielfalt wird möglich, die zu außergewöhnlichen<br />
Ergebnissen führt.<br />
Ist das noch professionell? Bin ich als Coach dann noch mein eigener<br />
Herr? Darf ich kein freies Wochenende oder gar Urlaub haben? So<br />
oder ähnlich könnten Sie jetzt als Leser fragen.<br />
124
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
Die Antwort darauf ist sehr einfach. Sie lautet: Ja, natürlich, Sie dürfen!<br />
In Verbindung zu stehen heißt nicht immer erreichbar zu sein oder<br />
auf freie Wochenenden oder Urlaub verzichten zu müssen. Es bedeutet<br />
nicht mehr und nicht weniger als präsent zu sein, wenn wir da sind,<br />
und uns die Zeiten für uns selbst zu nehmen, die wir benötigen.<br />
Die Angst, dass Kunden diese Offenheit ausnutzen, kann ich nicht<br />
bestätigen. Im Gegenteil, wie in jeder guten Partnerschaft freuen sich<br />
auch meine Kunden, wenn Sie mir etwas Gutes tun können, in dem sie<br />
z. B. meine Zeiten des Rückzugs respektieren.<br />
Sich auf das Potenzial im Anderen beziehen<br />
Den Anderen am Telefon nicht zu sehen beinhaltet die Chance, ihm<br />
vorurteilsfrei zu begegnen. Damit ist der Weg frei, Potenziale zu<br />
ergründen, Stärken zu untersuchen, Möglichkeiten zu entdecken. Wir<br />
verbessern nicht Fehler sondern wir beziehen uns auf Fähigkeiten. Wir<br />
sprechen über Dinge die funktionieren, wir untersuchen Wirkfaktoren,<br />
die zum Erfolg geführt haben, erzeugen eine Energie von (Selbst-)<br />
Vertrauen, Wachstum und Lebendigkeit.<br />
Je mehr wir dieses Potenzial im Anderen sehen oder besser hören,<br />
desto leichter und einfacher können unsere Kunden dieses entfalten.<br />
Vielleicht ist dadurch erklärbar, dass Methoden wie Appreciative<br />
Inquiry 34 so gut zum Telefon passen. Sie verdeutlichen, warum das<br />
Wachstum und die Entwicklung von Menschen schneller, freudiger,<br />
einfacher und kraftvoller erfolgen, wenn wir uns bei unserer <strong>Coaching</strong>-<br />
Arbeit auf die innere Größe unserer Kunden beziehen.<br />
Der eigenen Intuition vertrauen<br />
Intuition ist ein vager Begriff: Von den Einen wird er für wesentlich<br />
gehalten, während andere ihn als Esoterik abtun. Ohne einen Beweis<br />
für das Eine oder Andere führen zu wollen, ist für mich Intuition der<br />
34 Vgl. hierzu Appreciative Inquiry im Kapitel IV (S. 189 ff).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
__________________________________________________<br />
unverfänglichste Begriff, wenn es um Phänomene geht, die kaum<br />
erklärbar sind. Um dem Denken ein Modell zur Verfügung zu stellen,<br />
bietet sich der Blickwinkel der Quantenphysik an. Aus dieser Perspektive<br />
gibt es eine Fülle von Informationen, die als kleine Energieteilchen<br />
zwischen Menschen im Austausch sind. Einige Menschen können diese<br />
Energie mit der Antenne Körper wahrnehmen, indem sie z. B. Hitze,<br />
Prickeln, Kribbeln erleben oder konkrete Gefühle, Empfindungen,<br />
Bilder oder Gedanken zu bestimmten Themen entstehen lassen.<br />
Das Telefon bietet eine gute Möglichkeit, sich in Intuition zu üben,<br />
weil wir durch das fehlende bildliche Gegenüber, viel weniger Informationen<br />
verarbeiten müssen, wie wir es normalerweise in einem<br />
Gespräch tun.<br />
Hier ein möglicher Vorschlag, mit Intuition zu arbeiten: Bieten Sie<br />
dem Kunden Ihre intuitive Wahrnehmung als möglichen Blickwinkel<br />
an. Auch wenn Sie Bilder oder Gedanken haben, die im Sinnzusammenhang<br />
vielleicht abwegig erscheinen, nutzen Sie diese. Sagen Sie<br />
ausdrücklich dazu: „Es ist keine Wahrheit sondern eine mögliche<br />
Sichtweise“ und bitten Sie um Überprüfung, ob Ihr Gegenüber sich<br />
von Ihren Worten angesprochen fühlt.<br />
Meine Erfahrung: Häufig führen solche Impulse zu einem tiefen<br />
Austausch.<br />
Vertrauensfördernde Tipps für <strong>Coaching</strong> am<br />
Telefon<br />
Sollten Sie <strong>Coaching</strong> per Telefon ausprobieren wollen, hier einige<br />
Tipps zum Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung:<br />
• Wenn Sie anrufen, seien Sie pünktlich, auf die Minute.<br />
• Wenn der Kunde Sie anruft und Sie ihn an seiner Rufnummer<br />
erkennen können, begrüßen Sie ihn sofort mit dem Namen<br />
anstatt sich zuerst mit Ihrem zu melden.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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• Sorgen Sie konsequent für Ihre positive Stimmung und Ausgeglichenheit.<br />
• Lächeln Sie.<br />
• Stimmen Sie sich auf ein Gespräch ein, erinnern Sie sich an das<br />
Wesentliche aus vorherigen Gesprächen.<br />
• Melden Sie sich immer zurück, falls Sie zwischen vereinbarten<br />
Gesprächen Anrufe bekommen, damit Sie zu einem vereinbarten<br />
Gesprächstermin auf jeden Fall erreichbar sind.<br />
• Folgen Sie Ihrem Gespür und melden Sie sich auch mal<br />
zwischendurch beim Kunden, auch wenn kein Termin vereinbart<br />
ist.<br />
• Seien Sie ein Beispiel für Zuverlässigkeit und das Einhalten von<br />
Absprachen. Passieren Ihnen dabei Pannen, stehen Sie dazu.<br />
• Sprechen Sie an, wenn Sie nicht „gut drauf“ sind.<br />
• Seien Sie authentisch und ruhig auch mal konfrontierend.<br />
• Vereinbaren Sie Termine für Vorhaben und Ziele.<br />
• Thematisieren Sie jede nicht eingehaltene Vereinbarung, aber vermeiden<br />
Sie Schuldzuweisungen.<br />
• Machen Sie sich bewusst, dass der Kunde keine Fehler macht.<br />
Werten Sie alles, was als Fehler auftaucht, als willkommenes<br />
Wachstumspotenzial.<br />
• Fragen Sie bei jedem Kontakt nach, was gut gelaufen ist, und<br />
untersuchen Sie gemeinsam die Ursachen.<br />
• Überprüfen Sie regelmäßig, wie weit Sie gekommen sind und<br />
würdigen Sie Erfolge.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Blitzlichter aus meinem <strong>Coaching</strong>-Alltag am Telefon<br />
In einem Akquisegespräch sagte ein Geschäftsführer: „Sie haben<br />
mich neugierig gemacht, ich möchte Sie näher kennen lernen, können<br />
wir uns in den nächsten Tagen treffen?“ „Nein!“ war meine Antwort<br />
und führte zu Erstaunen. „Aha – ein <strong>Coaching</strong> ohne sich zu sehen?“<br />
„Genau!“ Der Geschäftsführer war von dieser Antwort so angetan,<br />
dass er nach diesem Wortwechsel einer Zusammenarbeit zustimmte.<br />
Kunden haben vielfach zurückgemeldet, dass mein Lachen für Sie<br />
etwas besonders Schönes war. Ich würde durch mein Lachen so viele<br />
Botschaften erzeugen, die mit Worten nicht gesprochen werden<br />
können.<br />
Als wir nach vier Wochen erfolgreicher Zusammenarbeit bei der<br />
Bewältigung einer Krisensituation unsere Arbeitsbeziehung beendeten,<br />
brachte der Kunde Trennungsschmerz und Traurigkeit zum Ausdruck.<br />
Ich war erstaunt und fragte, was denn für mein Gegenüber unsere<br />
Partnerschaft so wertvoll gemacht habe. "Ich konnte Ihnen alles sagen.<br />
Obwohl wir uns nie gesehen haben, gelang es Ihnen so mit mir zu<br />
sprechen, dass für mich klar war, hier kann ich mich von meiner<br />
schwächsten Seite zeigen. Gleich zu Beginn unseres ersten Gesprächs<br />
haben Sie mir sehr persönliche Dinge über sich selbst erzählt. Sie<br />
waren darin so authentisch und mir zugewandt, dass ich sofort wusste,<br />
hier habe ich einen Mensch vor mir, dem ich uneingeschränkt vertrauen<br />
kann."<br />
Eine Kundin erzählte mir, dass sie mit Ihrem Mann nur beim Autofahren<br />
wirklich wichtige Gespräche führen könne, weil dort jeder in<br />
seine Richtung schaut. Häufig führten sie die dort angestoßenen<br />
Gespräche nach Beendigung der Fahrt weiter, jeder in seinem Sitz<br />
bleibend, den Blick nach vorne gerichtet.<br />
*<br />
*<br />
*<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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Eine längerfristige <strong>Coaching</strong>-Beziehung mit einem Allgemeinmediziner<br />
scheiterte, weil ständige Hausbesuche und andere unvorhersagbare<br />
Ereignisse die telefonischen Termine zu häufig platzen ließen. Ein Jahr<br />
später kamen wir auf die Idee, die <strong>Coaching</strong>-Zeiten an drei bis fünf<br />
Vormittagen einfach in seine Hausarztpraxis einzuflechten und so<br />
genannte Kurzzeit<strong>Coaching</strong>s von fünf bis zehn Minuten zu führen. Die<br />
darauf folgende Zusammenarbeit gestaltete sich prächtig.<br />
Die Tante eines Kunden, mit der er sich sehr verbunden fühlte, lag<br />
überraschend im Sterben. Mitten in einem wichtigen Projekt war der<br />
IT-Leiter völlig aus der Bahn geworfen. Gerade aus der Intensivstation<br />
kommend rief er mich an. In nur zehn Minuten war das Wesentliche<br />
gefunden, das bisher nicht Gesagte formuliert. Er kehrte um, ging<br />
nochmals zu der Sterbenden. Er fand die richtigen Worte und erlebte<br />
eine tiefe, angemessene Verabschiedung.<br />
Ein Kunde nutzte seine regelmäßigen Zugfahrten für <strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräche. Er hatte die Möglichkeit, im Zug einen Konferenzraum zu<br />
nutzen. Die häufigen Unterbrechungen wegen schlechter Verbindungen<br />
nutzen wir als kreative Gesprächspausen, bei der wir Raum hatten<br />
den Gesprächsinhalt vertieft zu reflektieren. Diese Pausen und die<br />
daraus entstehenden Gedanken brachten häufig entscheidende Einsichten.<br />
Der Termin für das entscheidende Präsentationsgespräch stand fest.<br />
Die Aufregung meines Kunden war vorprogrammiert. Schließlich war<br />
davon die komplette Neuausrichtung des Unternehmens abhängig. Das<br />
<strong>Coaching</strong> von wenigen Minuten kurz vor dem Termin würdigte einfach<br />
das Lampenfieber, wies nochmals darauf hin, aktives Zuhören zu nutzen<br />
und erinnerte an die fachliche Kompetenz, die er zur Verfügung<br />
stellte. Die Rückmeldung zeigte den großen Wert dieses kurzen<br />
Gesprächs.<br />
*<br />
*<br />
*<br />
*<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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*<br />
Fazit<br />
Ich bin leidenschaftlicher Vertreter der Haltung von Open Space, eine<br />
Arbeitsform für große Gruppen. Im Open Space gibt es einige Richtlinien<br />
und ein Gesetz. Alles dient dazu, Menschen zu unterstützen 100<br />
Prozent Verantwortung für sich selbst und die ganze Gruppe zu übernehmen.<br />
Das einzige Gesetz im Open Space ist das „Gesetz der zwei<br />
Füße“. Damit ist gemeint: Folge dir selbst, folge deinen Füßen, lasse<br />
dich nicht von einer Gruppe, von Menschen oder Meinungen zu<br />
irgendetwas bringen, was du nicht willst. Spüre deine Inspiration und<br />
folge ihr.<br />
Am Telefon machen Menschen viel eher das, was sie wirklich wollen.<br />
Ohne sie über die Grundlagen des Open Space aufzuklären folgen sie<br />
diesen Prinzipien. Das Telefon eignet sich nicht für Erziehungsmaßnahmen<br />
oder Manipulation. Es eignet sich auch nicht für groß angelegte<br />
Überzeugungsfeldzüge. Der Hörer ist schnell aufgelegt oder wird<br />
erst gar nicht abgenommen, wenn die Nummer eines Gegenübers im<br />
Display auftaucht, mit dem man nicht (mehr) sprechen möchte. Wird<br />
ein <strong>Coaching</strong>-Prozess zu langweilig oder uninteressant, ist der Kunde<br />
plötzlich nicht mehr zuverlässig, Termine fallen aus, Vereinbarungen<br />
werden nicht erfüllt.<br />
Das Telefon ist also eine Messlatte, an der schnell deutlich wird, ob<br />
wir gute Arbeit machen oder nicht. Es erzieht uns, Menschen nicht<br />
irgendwohin bringen zu wollen, sondern uns auf ihre Geschwindigkeit<br />
einzustellen und sie auf dem gewählten Weg zu begleiten.<br />
Der wesentliche Kernpunkt von Vertrauen entsteht durch die offene,<br />
authentische Begegnung. Begegnen Sie Ihrem Kunden authentisch –<br />
Ihr Kunde wird es Ihnen nachtun. Das Telefon macht es Ihnen und<br />
Ihrem Kunden leicht, weil keine Widerstände durch äußere Reize<br />
erzeugt werden. Zuletzt hängt es von Ihrer Kompetenz und Erfahrung<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon<br />
(Stephan Josef Dick)<br />
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als Mensch und Coach ab, am Telefon die richtige Ansprache zum<br />
richtigen Zeitpunkt zu finden.<br />
Ich sehe Sie<br />
ja nicht – wie<br />
soll ich da<br />
beichten?<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
Zwar hören Sie auch im Präsenz<strong>Coaching</strong> zu, aber im Tele<strong>Coaching</strong><br />
ist das Zuhören ungleich wichtiger. Denn hier steht dem Coach nur der<br />
Hörsinn als Informationskanal zur Verfügung. Der TeleCoach nutzt<br />
diesen Kanal daher aktiver zur Informationsaufnahme. Der Fokus verlagert<br />
sich von den nonverbalen auf die verbalen und paraverbalen<br />
Aspekte der Kommunikation. Der TeleCoach erreicht dadurch eine<br />
stärkere Wahrnehmung und Präsenz im Zuhören. Die Kunst des Zuhörens<br />
ist die Kernkompetenz im Tele<strong>Coaching</strong>.<br />
Die Kunst des Zuhörens heißt nicht nur, die Bedeutung von Wörtern<br />
zu verstehen. Vielmehr geht es um das ganzheitliche Erfassen von<br />
Satz- und Stimmmelodie, den Ausdruck der Stimme, um<br />
Wortbetonung, Satzpausen und Unterbrechungen sowie um Wortwahl,<br />
Metaphern und Dialekte.<br />
Wie höre ich als Coach am Telefon? Wie bekomme ich am Telefon<br />
einen ganzheitlichen Eindruck von dem Klienten? Was funktioniert<br />
anders am Telefon als im Präsenz<strong>Coaching</strong>? – das erfahren Sie in diesem<br />
Kapitel. Zwar erläutern wir nicht explizit die Techniken des aktiven<br />
Zuhörens, wie im personenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers. Jedoch<br />
werden Sie im Praxisbeispiel diese Interventionstechniken wie z. B.<br />
Fragen, Unterbrechung, das Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte<br />
wieder finden.<br />
Am Telefon kommunizieren –<br />
verbal, nonverbal, paraverbal<br />
In manchen Fällen können Sie beides nutzen, den visuellen und den<br />
auditiven Sinneskanal, wie bei Herrn Müller, den Sie gleich kennen<br />
132
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
lernen werden. Einigen Klienten werden Sie aber nur telefonisch<br />
begegnen, ohne sie je gesehen zu haben.<br />
Ihr Klient ist Herr Müller, 43 Jahre alt, Führungskraft, Teamleiter<br />
von zehn Mitarbeitern. Sein Anliegen im laufenden <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess: Reflektion und Optimierung des eigenen Kommunikationsstils,<br />
um Mitarbeitergespräche erfolgreicher führen zu können. Herr<br />
Müller ruft Sie an, Sie hören seine Stimme, Hintergrundgeräusche ...<br />
aber Sie sehen ihn nicht. Eine Woche zuvor war er zum <strong>Coaching</strong> bei<br />
Ihnen im Büro. Er sah müde aus, trug einen Anzug, war unpünktlich<br />
und seine Hände zitterten nervös.<br />
Was ist nun anders am Telefon? Sie sehen Ihren Klienten zwar nicht,<br />
aber Sie hören ihn. Visuelle Eindrücke stehen Ihnen heute nicht zur<br />
Verfügung. Ihnen bleibt nur der auditive Kanal. Um diesen optimal<br />
nutzen zu können, ist es wichtig, die Rahmenbedingungen des Settings<br />
bei Ihrem Klienten aufmerksam wahrzunehmen und ggf. zu<br />
thematisieren.<br />
Tipp: Besprechen Sie mit Ihrem Klienten am Anfang des Prozesses<br />
optimale Rahmenbedingungen hinsichtlich Raum und Ruhe für das<br />
<strong>Coaching</strong>. Nutzen Sie veränderte Rahmenbedingungen einer Sitzung,<br />
um zusätzliche Informationen über Ihren Klienten zu gewinnen. Herr<br />
Müller ist z. B. in der nächsten <strong>Coaching</strong>-Sitzung nicht, wie gewohnt in<br />
seinem Büro, sondern draußen. Warum wählt Herr Müller heute eine<br />
neutrale Umgebung?<br />
Beabsichtigte und unbeabsichtigte Botschaften werden übermittelt,<br />
auch ohne zu sprechen. Der Kommunikationswissenschaftler, Paul<br />
Watzlawick, beschreibt eine solchermaßen para- und nonverbale Kommunikation<br />
so: „Es muss ferner daran erinnert werden, dass das „Material“<br />
jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern auch<br />
alle paralinguistischen Phänomene (wie z. B. Tonfall, Schnelligkeit …<br />
Lachen und Seufzen), Körperhaltung usw. innerhalb eines bestimmten<br />
Kontextes umfasst – kurz, Verhalten jeder Art.“ 35<br />
Die verbale Kommunikation umfasst das gesprochene Wort, den Inhalt,<br />
die Sprache. Bei der nonverbalen Kommunikation handelt es sich um den<br />
35 Vgl. Watzlawick (1969).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
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nichtsprachlichen Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation.<br />
Sie umfasst also Haltung, Gestik, Mimik, Abstand und Augenkontakt,<br />
Arm- und Beinhaltung, Bewegungsabläufe, Kleidung, vegetative<br />
Symptome wie z. B. Erröten und Schwitzen. Mit der Körpersprache<br />
gibt der Sender dem Empfänger zu verstehen, wie er zu ihm steht und<br />
wie er seine Botschaft verstanden wissen will. Den größten Teil der<br />
nonverbalen Signale senden wir unbewusst.<br />
Im Präsenz<strong>Coaching</strong> haben Sie einen unmittelbaren visuellen Eindruck<br />
von den nonverbalen Signalen. Am Telefon entfallen visuelle<br />
Eindrücke und Informationsträger. Dadurch gewinnt die paraverbale<br />
Kommunikation eine wesentlich größere Bedeutung. Bei den paraverbalen<br />
Merkmalen geht es um die Art und Weise des Sprechens (Stimmeigenschaften<br />
und Sprechverhalten). Wahrgenommen werden v. a.<br />
Stimmlage, Tonfall, Resonanzraum und das Sprechverhalten wie Artikulation,<br />
Lautstärke, Sprechtempo und Sprachmelodie einschließlich<br />
Sprechpausen und Schweigen. Auch hier werden die nichtsprachlichen<br />
Elemente meist unbewusst vermittelt. Die Erfahrung zeigt, dass nicht<br />
die expliziten Botschaften die eigentlichen Hauptinformationen senden,<br />
sondern die implizit gesendeten. 36<br />
„Sitzen Sie bequem und haben Sie dafür gesorgt, dass Sie nicht<br />
gestört werden?“ Herr Müller schweigt. Eine besondere Herausforderung<br />
liegt darin, das Schweigen am Telefon auszuhalten. Sie erleben<br />
intensiv, was gerade passiert: Herr Müller reagiert auf Ihre Frage<br />
nicht, oder er reagiert mit Schweigen? Schweigt er, weil Sie bei ihm<br />
etwas angestoßen haben oder ist er einfach nur abgelenkt? Diese<br />
Situation kann Sie verunsichern, weil Sie nicht wissen, was er aktuell<br />
tut und Sie seine Reaktion zunächst nicht deuten können. Sie fragen<br />
nach: „Herr Müller, Sie schweigen, was beschäftigt Sie derzeit? Was<br />
lässt Sie schweigen?“ Herr Müller spricht langsam, findet kaum<br />
Worte, um sein Anliegen für die Sitzung zu formulieren. Und<br />
manchmal stürzen die Worte geradezu aus ihm heraus, dann wieder<br />
schweigt er und seufzt. Nicht das, was der Klient sagt, macht hier<br />
den Unterschied, sondern wie er es sagt.<br />
36 Vgl. Schulz von Thun (1999).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
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Tipp: Wie nehmen Sie das Schweigen wahr? Spüren Sie in die Situation<br />
hinein und entscheiden Sie dann, wie Sie intervenieren wollen: Sie<br />
können z. B. das Schweigen aushalten, benennen oder hinterfragen.<br />
Herr Müller antwortet: „Ich habe gerade ein anstrengendes Mitarbeitergespräch<br />
geführt, das mich noch sehr beschäftigt.“ Er seufzt<br />
laut und seine Stimme klingt beklemmt. Vor seinem nächsten Satz<br />
holt er tief Luft und seine Stimme ist wieder klarer verständlich. Sie<br />
hören sein lautes Atmen am Telefon – manchmal langsam und<br />
manchmal schnell. Er trinkt ein Glas Wasser und Sie hören, dass er<br />
in seinem Büro auf und ab geht. Seine Sekretärin klopft an und er<br />
wimmelt sie ab. Sie hören andere Geräusche und fragen Herrn Müller,<br />
was er gerade macht. Er trinkt wieder, weil er einen trockenen<br />
Mund hat.<br />
Tipp: Die Art, wie der Klient spricht, lässt Rückschlüsse auf die<br />
Körperhaltung und somit auch den Zustand des Klienten zu. Eine<br />
Möglichkeit wäre hier, aktiv die Körperhaltung des Klienten zu thematisieren<br />
und zu verändern, z. B. durch eine gerade und entspannte Sitzhaltung<br />
und eine bewusste Atmung. So steigern Sie die Präsenz und die<br />
Eigenwahrnehmung des Klienten insbesondere seiner aktuellen<br />
Gefühle.<br />
Eine weitere Interventionsmöglichkeit ist die Arbeit mit einem analogen<br />
Bild: Durch Nachfragen können Sie Eindrücke sammeln, die<br />
Ihnen die Möglichkeit geben, die Situation von Herrn Müller zu visualisieren,<br />
ohne ihn zu sehen. So ist es möglich, den aktuellen Zustand von<br />
Herrn Müller noch vollständiger zu erfassen. Die Eindrücke vor Ihrem<br />
inneren Auge können Sie dem Klienten zur Verfügung stellen, wie es<br />
auch im Präsenz<strong>Coaching</strong> üblich ist. Durch die konzentrierte Wahrnehmung<br />
am Telefon entsteht vor Ihrem inneren Auge noch ein<br />
stärkeres Bild.<br />
„Herr Müller, ich habe das Gefühl, dass Sie unter der Last des<br />
Gesprächs leiden, als hätten Sie einen Sack voller Steine zu<br />
schleppen.“<br />
Die Metapher dient dazu, das aktuelle Anliegen zu konkretisieren<br />
und den <strong>Coaching</strong>-Prozess fortzuführen. Egal ob der Klient Ihren<br />
Eindruck bestätigt oder verneint, in beiden Fällen sind Sie wieder einen<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
Schritt weiter. Die Verneinung gibt Ihnen die Möglichkeit im Dialog<br />
mit dem Klienten das so entstandene Bild zu korrigieren.<br />
Dem Telefon-Coach stehen weitere paraverbale Informationsquellen zur<br />
Verfügung:<br />
Die paraverbale Kommunikation umfasst das ganze Spektrum der<br />
Stimme, mit der wir eine Botschaft aussprechen. Die beinhaltet: Die<br />
Stimmlage (hoch/ tief, tragend/ zitternd), die Lautstärke (angenehm/<br />
unangenehm, laut/ leise), die Betonung einzelner Wörter und<br />
Satzteile, das Sprechtempo (schnell/ langsam), die Sprachmelodie<br />
(eintönig/ moduliert/ singend). Die Stimme ist somit ein wichtiger<br />
Informationsträger. Weit über ein Drittel der empfangenen Botschaft<br />
erfolgt über die paraverbale Kommunikation. Zusammen mit der nonverbalen<br />
Kommunikation macht dies über 90 Prozent aus.<br />
Im Tele<strong>Coaching</strong> habe ich es bisher nicht erlebt, dass jemand seine<br />
Stimme bewusst verstellt. Aufgrund der vertrauensvollen Beziehung<br />
zum Klienten und der Sensibilität ist schnell zu merken, wenn etwas<br />
nicht stimmt. Wie schon Friedrich Nietzsche sagte: „Wir lügen mit<br />
dem Mund, aber sagen mit dem Maul, das wir dabei machen, doch die<br />
Wahrheit“. Es geht nicht nur darum, die Worte richtig zu verstehen,<br />
sondern auch alle anderen komplexen Signale richtig zu deuten.<br />
Kerstin Kuschik, Stimmtrainerin<br />
„Die Stimmgebung basiert auf der Ausatmung. Der Atem ist an das<br />
vegetative Nervensystem gekoppelt und wird nahezu reflexartig von<br />
ihm gesteuert. Das vegetative Nervensystem beeinflusst Zustände<br />
wie Stress, Angst, Wut, Ruhe oder Gelassenheit. Diese erfordern<br />
Fluchtreaktionen, erhöhte Atmung/ Blutdruck usw. Neben den<br />
Atemmuskeln werden Herztätigkeit und Kreislauf vom vegetativen<br />
Nervensystem gesteuert. Deshalb werden Emotionen über den Atem<br />
an der Stimme „hörbar“. Um Stimme hervorzubringen, koordinieren<br />
wir die Atemmuskeln in Kehle und Kehlkopf. Weitere Muskeln im<br />
Mundraum (Zunge, Lippen...) dienen der Sprachbildung, der Stimmstrom<br />
aus der Kehle wird „artikuliert“. Das Wahrnehmungsorgan für<br />
alles Klingende ist das Ohr, unser differenziertester Sinn. Wir<br />
„hören“ simultan Aussprachegewohnheiten, Sprechtempomuster,<br />
Sprechmelodie-Eigenheiten, Schwankungen des Atemstromes. Eine<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
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müde Stimme hat kaum hohe Frequenzen. Wir nehmen sie als<br />
„matt“ wahr. Gleichzeitig spricht der Gesprächspartner langsamer als<br />
gewöhnlich, hat eine veränderte Sprachmelodie, benutzt weniger<br />
Töne und geht zum Satzende mit der Melodie früher herunter. Dabei<br />
ist es uns gar nicht bewusst, dass wir solche Auswertungen treffen.<br />
Wir können die Stimme nur wahrnehmen und interpretieren, und<br />
leider auch falsch interpretieren.“ 37<br />
Nun wechseln wir die Perspektive von der Stimme des Klienten auf<br />
den bewussten Einsatz der eigenen Stimme des Coachs.<br />
Beziehungsaufbau: Sowohl in der Kontaktphase als auch während<br />
des laufenden Prozesses können Sie dieses Wissen um Stimme und<br />
Atmung aktiv nutzen, um eine empathische und vertrauensvolle Beziehung<br />
aufzubauen. Sie bringen als Coach Ihre innere Haltung über die<br />
Stimme zum Ausdruck. Somit geben Sie Ihrem Klienten direkt am<br />
Anfang des <strong>Coaching</strong>s das Gefühl, richtig und angenommen zu sein.<br />
Vor einem Tele<strong>Coaching</strong> nehme ich mir ausreichend Zeit, um mich<br />
zu sammeln und auf das <strong>Coaching</strong> einzustimmen und vorzubereiten.<br />
„Guten Tag, Herr Müller, ich freue mich, dass Sie mich (so pünktlich)<br />
anrufen!“<br />
Tipp: Üben Sie diesen Satz mit unterschiedlicher Körperhaltung,<br />
Mimik etc. und reflektieren Sie die Unterschiede. Was nehmen Sie<br />
wahr? Merken Sie den Unterschied?<br />
Sie hören, dass Herr Müller geräuschvoll in seinem Büro auf und ab<br />
geht. „Herr Müller, fühlen Sie sich gestresst? Sie laufen in Ihrem<br />
Büro auf und ab.“<br />
Tipp: Vielleicht gehen Sie in Ihrem Beratungsraum ebenfalls auf und<br />
ab, spüren und empfinden Sie seine Nervosität und seinen Stress. Sie<br />
hören seine Stimme und nehmen seinen Zustand sowie Stimmung<br />
wahr. Vielleicht haben Sie die Augen geschlossen und sind somit ganz<br />
auf Ihren Klienten konzentriert.<br />
Im Rapport ist die Wahrnehmungsfähigkeit nochmals gesteigert.<br />
37 Vgl. http://www.stimmbildung-kuschik.de.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
Sie fragen Herrn Müller: „Wie ist Ihr Mitarbeitergespräch gelaufen?<br />
In unserer letzten Sitzung war das Anliegen: Wie kann ich erfolgreich<br />
ein Mitarbeitergespräch führen?“ Er sagt: “Es ist sehr gut gelaufen“.<br />
Seine Stimme klingt dabei jedoch zittrig und schwach. Botschaft und<br />
Ausdruck stimmen nicht überein. Ich gebe ihm meine Wahrnehmung<br />
des Widerspruchs in seiner Aussage wider und hake nach und steige<br />
dadurch tiefer in das Thema ein. Vielen Menschen ist diese Inkongruenz<br />
oftmals nicht bewusst.<br />
Tipp: Überprüfen Sie die Stimmigkeit zwischen Aussage und Ausdruck<br />
des Klienten. Spiegeln Sie dem Klienten Inkongruenzen wider,<br />
um seine Wirkung zu verdeutlichen und seine Botschaft zu verstehen –<br />
siehe auch im nächsten Abschnitt Jeder hört und spricht anders.<br />
Vielleicht erfahren Sie sogar eine körperliche Resonanz. Sie können<br />
nicht nur mit Ihren Ohren zuhören, sondern hören mit dem ganzen<br />
Körper. Sie erfahren eine unbewusste körperliche Reaktion auf den<br />
Klienten. Das können z. B. Nackenverspannungen, körperliche und/<br />
oder geistige Schwere sein. Auch dies können Sie Herrn Müller zurückgeben<br />
und fragen, ob er sich auch gerade so fühlt.<br />
Tipp: Reflektieren Sie Ihre körperliche Wahrnehmung: Die eigene<br />
Resonanz im Körper spiegelt Ihre Reaktionen wider. Benennen Sie<br />
gegebenenfalls Gestik, Handlung und körperliche Reaktionen, die Sie<br />
gerade ausüben und wahrnehmen, z. B.<br />
„Herr Müller, ich merke, wenn Sie mir das so sagen, dass mein Kopf<br />
schwer wird.“<br />
Tipp: Lassen Sie sich Ihre Wahrnehmung bestätigen oder verneinen.<br />
Schreiben Sie Ihre Eindrücke im Tele<strong>Coaching</strong> auf. Das hilft Ihnen<br />
Kontakt zu Ihrem Klienten zu halten und steigert Ihre Konzentration<br />
beim Zuhören.<br />
Wortwahl und Metaphern: Wortwahl und Metaphern sind vielschichtig.<br />
Sie erzählen etwas über die Kultur und das Milieu, woher der<br />
Klient stammt und wie er lebt. Sie geben Einblick in den seelischen<br />
Zustand des Klienten.<br />
Herr Müller sagt: „Ich habe die Nase voll, auf die Forderungen der<br />
Mitarbeiterin einzugehen und das ohne Gegenleistung – am besten<br />
sollte sie direkt kündigen!“<br />
138
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
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Herr Müller erzählt so eine ganze Menge über seinen Zustand und<br />
seine Stimmung.<br />
Tipp: Wie im Präsenz<strong>Coaching</strong> können Sie diesen wichtigen Hinweis<br />
aufnehmen und dem Klienten die Wirkung seiner Aussage verdeutlichen.<br />
„Herr Müller, das Gespräch geht Ihnen richtig nah, Sie sind ziemlich<br />
resigniert und wütend?“ – „Stimmt. Ich bin selber überrascht, wie<br />
emotional ich auf das geführte Gespräch reagiere. Es war mir so gar<br />
nicht bewusst, wie viel Energie mir die derzeitige Situation mit meiner<br />
Mitarbeiterin raubt. Wie komme ich jetzt aus diesem Zustand<br />
heraus?“ – "Herr Müller: Was soll in unserem Gespräch geschehen,<br />
damit es sich für Sie gelohnt hat?" Herr Müller schweigt. Nach einer<br />
Pause sagt er: "Ich würde eine emotionale Entlastung spüren und<br />
handlungsfähig sein – derzeit weiß ich nicht, was ich machen soll."<br />
Jeder hört und spricht anders – Gehörtes sichtbar<br />
machen<br />
Ein äußerst hilfreiches Modell im Tele<strong>Coaching</strong> ist das Kommunikationsquadrat<br />
von Friedemann Schulz von Thun. 38 Das Modell unterstützt<br />
Sie, Ihre eigenen Gesprächs- und Hörgewohnheiten sowie die<br />
Ihres Klienten zu analysieren und zu spiegeln.<br />
Nach Schulz von Thun ist es offensichtlich „dass ein und dieselbe<br />
Nachricht stets viele Botschaften gleichzeitig enthält. Dies ist eine<br />
Grundtatsache des Lebens, um die wir als Sender und Empfänger nicht<br />
herumkommen. Dass jede Nachricht ein ganzes Paket mit vielen Botschaften<br />
ist, macht den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation<br />
so kompliziert und störanfällig, aber auch so aufregend und<br />
spannend“. 39<br />
Was sagt das Modell? Eine verbale Äußerung enthält vier Arten von<br />
Botschaften gleichzeitig: die Sach-Botschaft (den rein sachlichen Inhalt<br />
der Äußerung), die Appell-Botschaft (eine Aufforderung auf die Äuße-<br />
38 Vgl. Schulz von Thun (1999) und (2007).<br />
39 Schulz von Thun (1999).<br />
139
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
rung zu reagieren), die Beziehungsbotschaft (eine Auskunft über das<br />
Verhältnis der Kommunikationspartner zueinander und darüber, was<br />
der Sprechende vom Gesprächspartner hält) und die Selbstkundgabe-<br />
Botschaft (eine Auskunft darüber, wie es dem Sprechenden gerade<br />
geht).<br />
Gehörtes deutlich machen für den Coach: Entwickeln Sie für die<br />
Arbeit am Telefon Ihre „vier Ohren“, um zu hören, was Ihnen Ihr<br />
Klient auf allen Ebenen der Kommunikation mitteilt. So kann es gelingen,<br />
angemessen und tiefgehend auf den Klienten einzugehen und ihm<br />
zu ermöglichen, seine Selbstkundgabe weiter zu fördern.<br />
Mit welchem Ohr können Sie am Telefon hören? Folgendes Beispiel<br />
kann zu unterschiedlichen inneren oder äußeren Reaktionen führen.<br />
Herr Müller sagt Ihnen: „Ich habe das Gefühl, dass wir im <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess nicht weiterkommen“.<br />
Welche möglichen Botschaften sind in dieser Aussage enthalten?<br />
Sachohr: „Der Prozess geht nicht weiter.“<br />
Selbstkundgabe-Ohr: „Ich stehe unter Druck“ und/ oder „ich habe<br />
hohe Erwartungen an mein Umfeld“, „Ich habe Angst, Stress“, „Ich<br />
bin hilflos, pessimistisch“.<br />
Beziehungs-Ohr: „Sie sind ein schlechter Coach“ oder/und „ich bin<br />
Ihr Auftraggeber und Sie sind Dienstleister“, „Ich kann Ihnen etwas<br />
sagen, ich vertraue Ihnen“.<br />
Appell-Ohr: „Machen Sie etwas“ oder/und „Denken Sie sich etwas<br />
aus“, „Helfen Sie mir, dass ich etwas machen kann“.<br />
Nutzen Sie das 4-Ohren-Modell um besser zu hören. Durch nachstehende<br />
Fragen können Sie Ihre vier Ohren einzeln auf Empfang<br />
stellen und werden empfänglich für die Botschaften Ihres Klienten:<br />
Sachohr: Welche Informationen höre ich aus dem Gesagten des<br />
Klienten heraus?<br />
Selbstkundgabe-Ohr: Welche Mitteilungen erhalte ich über die persönlichen<br />
Eigenarten des Klienten und über seine aktuelle Stimmung<br />
und Gefühle – was bewegt ihn?<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
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Beziehungs-Ohr: Was hält der Klient wohl von mir als Coach? Wie<br />
sieht die Beziehung aus, fühlt er sich wohl in seiner Rolle oder vertraut<br />
er mir? Oder was will er mitteilen, z. B. dass ich nicht weggehen soll<br />
und er Hilfe benötigt. Doch Vorsicht: Problematisch könnte es für den<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess sein, wenn Sie als Coach das Beziehungs-Ohr zu<br />
sehr auf die Coach-Klientenbeziehung konzentrieren.<br />
Appell-Ohr: Was will der Klient als Führungskraft von seinem Mitarbeiter<br />
oder von mir als seinem Coach?<br />
Tipp: Zeichnen Sie sich am Anfang der Sitzung das Kommunikationsquadrat<br />
auf und analysieren Sie das Anliegen mit den vier Seiten.<br />
Dies ermöglicht Ihnen die unterschiedlichen Botschaften schneller und<br />
einfacher zu hören. Und spiegeln Sie verbal die vier Aspekte, um<br />
herauszubekommen, was der Klient wirklich ausdrücken will.<br />
Die Botschaften, die Sie aus dem Anliegen des Klienten heraushören<br />
können, sind vielseitig. Inkongruenzen können genauso wie versteckte<br />
Botschaften aufgedeckt werden. Die „Hör-Arbeit“ ermöglicht ein vollständiges<br />
Erfassen der Botschaft des Klienten. Die Qualität der Botschaft<br />
ist damit auch abhängig von dem Grad der Empfindlichkeit und<br />
Unempfindlichkeit der aktuellen Stimmung des Empfängers. Sie als<br />
Empfänger haben die freie Auswahl, was Sie hören möchten. Je nach<br />
persönlicher Vorliebe können Sie darauf reagieren. Um sicherzugehen,<br />
dass Sie die Botschaft nicht missverstehen, sollten Sie prüfen, ob das,<br />
was Sie gehört haben, auch das ist, was der Gesprächspartner gemeint<br />
hat. Oft ist sich der Sender selbst nicht klar, was er auf allen vier Ebenen<br />
des Gesprächs wirklich meint.<br />
Fazit<br />
Viele Coachs scheuen sich, Tele<strong>Coaching</strong> anzubieten, da ihnen die<br />
visuelle Wahrnehmung fehlt. Doch mit etwas Übung können Sie als<br />
Coach den vermeintlichen Wahrnehmungsverlust im Tele<strong>Coaching</strong><br />
mehr als ersetzten: Über die verschiedenen Facetten der verbalen und<br />
paraverbalen Kommunikation gelangen Sie mindestens genauso gut wie<br />
im Präsenz<strong>Coaching</strong> zu einem ganzheitlichen Bild Ihres Klienten.<br />
141
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens<br />
(Sabine Engelhardt)<br />
__________________________________________________<br />
Ich erlebe es persönlich als sehr unterstützend, auf den Hörsinn als<br />
Wahrnehmungskanal konzentriert zu sein. Mein Zuhören hat sich<br />
durch die Fokussierung sogar verstärkt und verfeinert. Dadurch nehme<br />
ich deutlicher und intensiver wahr.<br />
Beherrschen Sie die Kunst des Zuhörens, verschaffen Sie sich ein<br />
akustisches Bild, welches das visuelle Bild ersetzt. Klischeehafte<br />
Interpretationen, die wir in der täglichen visuellen Begegnung mit Menschen<br />
erleben, werden erheblich reduziert. Sie können sich voll und<br />
ganz auf das Zuhören konzentrieren.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> fördert eine wertneutrale Coach-Klienten-Beziehung,<br />
insbesondere fällt es dem Klienten leichter sich emotional und verbal<br />
zu öffnen.<br />
Ja, ich kann<br />
ungestört<br />
sprechen!<br />
142
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Vom Ton zum Tun –<br />
Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Auch beim Tele<strong>Coaching</strong> geht es um Resultate. In diesem Abschnitt<br />
geht es um die Beantwortung der Frage, wie Sie mit dem Klienten am<br />
Telefon engagiert, konzentriert und ergebnisorientiert arbeiten können.<br />
Der erfahrene PräsenzCoach wird bemerken, dass die meisten der<br />
genannten Aspekte nicht exklusiv für das Tele<strong>Coaching</strong> gelten, sondern<br />
beim Präsenz<strong>Coaching</strong> genau so relevant sind. Gleichwohl ergeben<br />
sich stellenweise abweichende Möglichkeiten für den TeleCoach, mit<br />
diesen Herausforderungen am Telefon konstruktiv umzugehen. Ansonsten<br />
ist die hohe Schnittmenge an Herausforderungen und möglichen<br />
Problemsituationen sowie die der jeweiligen Handlungsempfehlungen<br />
im Präsenz- und Tele<strong>Coaching</strong> ein Hinweis darauf, dass die<br />
Unterschiede zwischen beiden Formaten im praktischen Alltag zumeist<br />
weniger groß sind als zunächst vermutet.<br />
Den Klienten beim Wort nehmen<br />
Die Konzentration auf das Hören wurde eingangs als der große<br />
methodische Vorzug des Tele<strong>Coaching</strong>s gegenüber dem Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> dargestellt. 40 Erst durch den Ausschluss des Gesichtssinns<br />
kann sich demnach das ganze Potenzial des Hörens im Gespräch entfalten.<br />
Doch nicht nur das Sehen, auch Arme und Hände, die Werkzeuge<br />
des Willens und der Tat, sind am Telefon dem direkten Einfluss<br />
durch den jeweils anderen Gesprächspartner entzogen. Wie kann beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> sichergestellt werden, dass es nicht nur beim intensiven<br />
und erhellenden Gespräch bleibt, sondern das Besprochene sich in den<br />
40 Vgl. Die neue Dimension des <strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s (S. 44 ff).<br />
143
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Alltag des Klienten hinein auswirkt und die gewünschte Veränderung<br />
erzeugt?<br />
Die Gefahr ist hier in der Tat größer als beim Präsenz<strong>Coaching</strong>, da<br />
der tiefe und verpflichtende Blick in die Augen des Klienten am Telefon<br />
nicht möglich ist. Stattdessen muss der Klient beim Wort genommen<br />
werden – aber wie?<br />
Von einer starken Vertrauensbasis als notwendige Voraussetzung für<br />
einen erfolgreichen <strong>Coaching</strong>-Prozess wurde bereits an anderer Stelle<br />
gesprochen. 41 Auch die Bedeutung eines <strong>Coaching</strong>-Vertrags mit klaren<br />
Zielen und Arbeitsschritten als verbindlicher Arbeitsrahmen wurde<br />
bereits betont. 42 Demnach stellt nicht zuletzt die Aussicht auf eine<br />
qualitative und quantitative Bewertung der <strong>Coaching</strong>-Arbeit durch den<br />
Vorgesetzten einen erheblichen, wenngleich extrinsischen Motivationsfaktor<br />
dar. Doch über diese Rahmenbedingungen hinaus braucht es<br />
über den gesamten <strong>Coaching</strong>-Prozess hinweg am Telefon besonderer<br />
Anstrengungen, um vom Ton zum Tun zu gelangen:<br />
• Die <strong>Coaching</strong>-Ziele sollten dem Klienten immer wieder ins<br />
Bewusstsein gerufen werden. Je klarer dem Klienten der angestrebte<br />
Zielzustand vor dem inneren Auge steht, umso größer ist<br />
seine Bereitschaft, sich persönlich für dessen Erreichung einzusetzen.<br />
Da ein <strong>Coaching</strong>-Prozess thematisch nie in ganz engen<br />
Bahnen verläuft und auch nicht verlaufen muss, sollte nach<br />
jedem Gespräch geprüft werden, wo man sich im gesamten<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess auf dem Hintergrund des <strong>Coaching</strong>-Vertrags<br />
gerade befindet und welche Schritte als nächstes anstehen.<br />
• Damit das <strong>Coaching</strong> an den Bedürfnissen des Klienten ausgerichtet<br />
ist, sollte der Klient durch den Coach zu Beginn eines jeden<br />
<strong>Coaching</strong>-Gesprächs abgeholt werden. Was sind Themen und<br />
Erlebnisse, die den Klienten derzeit besonders absorbieren? Das<br />
<strong>Coaching</strong> sollte sich mit seinen Inhalten ganz dicht an den konkreten<br />
Bedürfnissen und der Lebenswirklichkeit des Klienten<br />
41 Vgl. Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung am Telefon (S. 108 ff).<br />
42 Vgl. Der <strong>Coaching</strong>-Vertrag (S. 100 ff).<br />
144
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
bewegen. Aktuelle Themenstellungen und Probleme sollten<br />
daher jederzeit in das <strong>Coaching</strong> integriert werden. Zumeist lässt<br />
sich dabei eine Brücke zu den eigentlichen <strong>Coaching</strong>-Themen<br />
schlagen, da dieses in der Lebenswirklichkeit des Klienten an<br />
vielen Stellen Wellen schlägt. Überhaupt sollte sich der Coach am<br />
Ende eines jeden <strong>Coaching</strong>-Gesprächs vergewissern, inwiefern<br />
das <strong>Coaching</strong> den tatsächlichen Bedürfnissen des Klienten entsprochen<br />
hat.<br />
• Damit verbunden ist das Angebot an Klienten, jederzeit Themen<br />
und Fragestellungen in den <strong>Coaching</strong>-Prozess einbringen zu<br />
können, die nicht im <strong>Coaching</strong>-Vertrag fixiert sind. Der Coach<br />
greift diese Themen auf und integriert sie nach Möglichkeit in<br />
den weiteren Prozess oder er verabredet mit dem Klienten, wie er<br />
mit der Fragestellung weiter umgehen kann (z. B. Buchempfehlung,<br />
Ansprechpartner benennen etc.). In diesem Fall erkundigt<br />
sich der Coach im nächsten Gespräch nach der weiteren Entwicklung<br />
des Themas.<br />
• Da der Redeanteil des Klienten gegenüber dem Coach gewöhnlich<br />
sehr hoch ist (80:20), finden Klienten nicht ohne weiteres<br />
Zeit und Aufmerksamkeit, wichtige Gedanken schriftlich festzuhalten.<br />
Da der Coach das Schreibverhalten des Klienten am Telefon<br />
nicht beobachten kann, sollte er in Abständen innehalten und<br />
den Klienten ermuntern, bestimmte Gedanken und Stichworte<br />
zu notieren. Hierzu sollte er dem Klienten hinreichend Zeit<br />
lassen.<br />
• Der Coach sollte den Klienten ermuntern ein <strong>Coaching</strong>-Tagebuch<br />
oder Logbuch anzulegen. Auf diese Weise wird die Bedeutung<br />
des <strong>Coaching</strong>s unterstrichen. In das Logbuch gehören Notizen,<br />
die während eines <strong>Coaching</strong>-Gesprächs angefertigt werden,<br />
sowie die Vorbereitungen und Nachbereitungen der Sitzungen<br />
und zwischenzeitliche Gedanken und Erfahrungen. Im<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräch sollte der Coach aktiv nach neuen Logbuch-<br />
Einträgen fragen.<br />
145
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• Praktische Aufgabenstellungen zwischen zwei <strong>Coaching</strong>-Gesprächen<br />
stellen sicher, dass sich der Klient auch zwischenzeitlich mit<br />
den <strong>Coaching</strong>-Inhalten beschäftigt und die Gesprächsergebnisse<br />
in die Praxis umsetzt. Wichtig dabei ist, den Klienten hierbei<br />
weder zu über- noch zu unterfordern. Der Coach kann den<br />
Klienten bitten, selbst Aufgabenstellungen aus den Gesprächsinhalten<br />
abzuleiten, die im Sinne der Selbstverpflichtung für den<br />
Klienten eine größere Verbindlichkeit haben.<br />
• Der Einsatz von Begleitliteratur ist eine weitere Möglichkeit,<br />
durch die der Klient veranlasst werden kann, sich auch zwischen<br />
zwei Gesprächen mit den <strong>Coaching</strong>-Themen zu beschäftigen.<br />
Auf diese Weise muss die wertvolle <strong>Coaching</strong>-Zeit nicht zur<br />
Vermittlung von Basiswissen (z. B. zum Thema Führung) verwendet<br />
werden, sondern kann auf die individuelle Komponente<br />
konzentriert werden.<br />
• Weiß der Klient von Erfolgen zu berichten, dann sollten diese<br />
gebührend gefeiert werden. Dabei gilt es den Klienten zu veranlassen,<br />
die Erfolgsumstände ausführlich zu erzählen, um so das<br />
Handlungsmuster möglichst tief bei dem Klienten zu verankern.<br />
Der Coach kann durch interessiertes Nachfragen die Bedeutung<br />
der Erfahrung unterstreichen und weitere Aspekte herausarbeiten.<br />
Die auf diese Weise gezeigte Wertschätzung motiviert den<br />
Klienten auf diesem Weg weiterzugehen.<br />
Umgang mit Schwierigkeiten<br />
Die bisherigen Hinweise und Empfehlungen an den Coach zielten<br />
darauf, den <strong>Coaching</strong>-Prozess am Telefon durch richtige Vorbereitung<br />
und Steuerung möglichst reibungslos zu gestalten. Doch auch beim<br />
Tele<strong>Coaching</strong> läuft nicht immer alles glatt und für solche Fälle ist es<br />
gut, als Coach ein paar Ideen für den Umgang mit auftretenden Problemen<br />
zu haben:<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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Nach erfolgtem Auftragsgespräch kommt es nicht zur Mandatierung.<br />
Das ist häufig der Fall, wenn der Klient zwischen einem Präsenz-<br />
und einem Tele<strong>Coaching</strong> frei wählen kann. Das Telefon erscheint<br />
vielen noch als ungewohnt, so dass die Präsenzsituation vorgezogen<br />
wird. Gleichwohl hängt hier viel auch von der Persönlichkeit des<br />
Coachs ab und von seiner Fähigkeit, im Rahmen des Auftragsklärungsgesprächs<br />
Verbindlichkeit herzustellen. Der Klient muss von Anfang<br />
Vertrauen, Verständnis und Kompetenz erleben 43 . Zugleich muss er<br />
die mit dem Tele<strong>Coaching</strong> verbundenen praktischen und methodischen<br />
und als Selbstzahler auch die finanziellen Vorteile verstehen. Am Ende<br />
des Auftragsklärungsgesprächs trägt zur Verbindlichkeit bei, wenn der<br />
Coach fragt: Welche grundsätzlichen Fragen sind denn jetzt noch<br />
offen, damit Sie sich für ein Tele<strong>Coaching</strong> mit mir entscheiden können?<br />
Gibt es tatsächlich noch Fragen, dann sollten diese jetzt noch<br />
abgearbeitet werden. Ansonsten hilft es dem Klienten, wenn bereits<br />
vorbehaltlich der Genehmigung des Tele<strong>Coaching</strong>s durch die Auftraggeber<br />
ein erster <strong>Coaching</strong>-Termin verabredet wird, der dann einfach<br />
nur noch zu bestätigen ist.<br />
Die Terminfindung gestaltet sich schwierig. Insbesondere wenn<br />
Telefonate von unterwegs geführt werden oder Sekretariate mit im<br />
Spiel sind, ist die Vereinbarung von Folgeterminen am Ende des<br />
<strong>Coaching</strong>-Gesprächs mit dem Klienten oft schwierig. Entweder sollte<br />
sich der Coach dann direkt mit dem Sekretariat des Klienten in Verbindung<br />
setzen oder dem Klienten per E-Mail Terminangebote für<br />
zuvor erfragte günstige Zeitfenster schicken. Insbesondere Randzeiten<br />
erhöhen die Chancen auf einen Termin. Ein enervierendes Hin und<br />
Her, das die Motivation des Klienten beeinträchtigt, sollte nach Möglichkeit<br />
vermieden werden.<br />
Vereinbarte Termine werden häufig verschoben. Dieses Phänomen<br />
kann verschiedene Ursachen haben. 1. Mangelndes Selbst-Management<br />
seitens des Klienten, der seine Terminkoordination nicht im<br />
Griff hat. In diesem Fall sollte der Coach mehr Zeit mit dem Klienten<br />
auf die Suche nach einem sicheren Terminfenster verwenden. Zudem<br />
43 Vgl. S. 97.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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sollte auf sicherere Randzeiten ausgewichen werden. 2. Das <strong>Coaching</strong><br />
hat bei dem Klienten keine hohe Priorität und wird blindlings allen<br />
alternativen Terminereignissen geopfert. In diesem Fall muss an der<br />
Motivation des Klienten gearbeitet werden (s. u.). Hier kann es als<br />
Ultima Ratio durchaus Sinn machen, dem Klienten gegenüber den<br />
Abbruch des <strong>Coaching</strong>s mit entsprechender Information an die Auftraggeber<br />
anzubieten. 3. Der Klient unterliegt Sachzwängen, die ihm<br />
die Wahrnehmung von <strong>Coaching</strong>-Terminen objektiv nicht erlauben.<br />
Auch hier kann ein Ausweichen auf Randzeiten oder Wochenenden die<br />
Lösung sein. Zudem können diese Sachzwänge dann ihrerseits zu<br />
einem <strong>Coaching</strong>-Thema gemacht werden. Oder aber die Verschiebung<br />
des <strong>Coaching</strong>s in weniger dichte Arbeitsperioden ist hier die Lösung.<br />
Der Klient ist zum verabredeten Zeitpunkt häufig nicht verfügbar.<br />
Dies ist eine Frage des Selbst-Managements. Der Coach sollte<br />
frühzeitig seine Unzufriedenheit mit diesem Zustand zum Ausdruck<br />
bringen und den Klienten bei der Vereinbarung von Folgeterminen<br />
fragen, ob er den pünktlichen Beginn des avisierten Termins auch<br />
sicherstellen kann oder ob man sich besser gleich für später verabreden<br />
sollte. Dem Klienten sollte deutlich gemacht werden, dass Wartezeiten<br />
als <strong>Coaching</strong>-Zeiten gelten. In diesem Zusammenhang versteht sich<br />
von selbst, dass der TeleCoach pünktlich ist, also selbst hinreichend<br />
Puffer für eventuelle Unwägbarkeiten einplant.<br />
Der Klient hat für das Gespräch nicht die notwendige Ruhe.<br />
Dies ist häufig der Fall, wenn das <strong>Coaching</strong> in den normalen Tagesablauf<br />
eingebunden ist und wichtige Termine vorangehen oder sich direkt<br />
anschließen. Auch hier bietet es sich an, <strong>Coaching</strong>-Termine verstärkt in<br />
Randzeiten zu verlegen. Bei privaten Verpflichtungen ist häufig auch<br />
der Abend nicht einfach zu realisieren, so dass sich die Zeit morgens<br />
vor den ersten Terminen am ehesten anbietet. Der Klient sollte<br />
ermuntert werden, das Gespräch von zuhause aus zu führen und später<br />
ins Büro gehen. Neben der Terminfindung kann der Coach dem<br />
Klienten z. B. mit einer kurzen Trance helfen, die Unruhe abzulegen<br />
und im <strong>Coaching</strong> anzukommen. Wenn der Klient diese Ruhe tatsächlich<br />
erlebt, wird er sich auf die Wiederholung dieses Zustandes bei<br />
künftigen <strong>Coaching</strong>-Gesprächen freuen.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Der Klient ist nicht vorbereitet. Auch hier sind mehrere Gründe<br />
denkbar: 1. Der Klient fühlt sich durch das <strong>Coaching</strong> nicht hinreichend<br />
tief angesprochen und spürt den Mehrwert der Aufgabenstellung nicht.<br />
In diesem Fall ist es Sache des Coachs, Gesprächsinhalte und Aufgabenstellung<br />
besser miteinander zu verbinden. Das Gespräch muss für<br />
den Klienten zum Erlebnis werden, an das sich die Aufgabenstellung<br />
unmittelbar anschließt. Der Klient muss spüren, dass das <strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräch erst im Verbund mit der Aufgabenstellung seine volle Wirkung<br />
entfaltet. Ein wesentlicher Faktor ist auch, inwiefern der Coach<br />
die Arbeitsergebnisse des Klienten mit in die <strong>Coaching</strong>-Gespräche<br />
integriert und die gemachten Erfolge feiert. 2. Der Klient hatte für die<br />
Vorbereitung keine Zeit. Der Coach sollte die Aufgaben so stellen, dass<br />
sich deren Erledigung einfach in den normalen Tagesablauf integrieren<br />
lassen: So kann z. B. ein Feedback bei einem gemeinsamen Mittagessen<br />
eingeholt werden, Momente der Selbstbeobachtung kann es in normalen<br />
Alltagssituationen geben. Für Denkaufgaben können Reisezeiten<br />
genutzt werden etc. Der Coach sollte mit dem Klienten die Möglichkeiten<br />
der Realisierbarkeit einer Aufgabe im Arbeitsalltag im Moment<br />
der Vereinbarung besprechen und dabei echte zeitliche Zusatzbelastungen<br />
eher vermeiden. Daneben bietet das Telefon die Möglichkeit,<br />
die Kontaktrate zu erhöhen, um den Klienten im Alltag bei der Umsetzung<br />
von Lösungsansätzen noch besser zu begleiten. Diese Kontakte<br />
müssen oft nicht länger als zehn Minuten dauern.<br />
Der Klient macht scheinbar keine Fortschritte. Hier ist zunächst<br />
zu unterscheiden, ob dies nur aus Sicht des Coachs der Fall ist oder ob<br />
das auch der Klient so empfindet. Im ersten Fall sollte der Coach zunächst<br />
prüfen, ob er den Klienten mit seinen Erwartungen nicht überfordert<br />
und die kleinen Erfolge des <strong>Coaching</strong>s dabei übersieht. Es kann<br />
sein, dass der Klient die <strong>Coaching</strong>-Gespräche trotzdem als wertvoll<br />
und hilfreich erlebt. Möglicherweise sind die <strong>Coaching</strong>-Ziele zu hoch<br />
gesteckt und sollten überprüft werden. Es kann aber auch sein, dass der<br />
Klient nur ungeduldig ist und seinerseits die bereits erzielten Erfolge<br />
unterbewertet. Hier bedarf es des Zuspruchs durch den Coach.<br />
Schließlich kann es sein, dass der <strong>Coaching</strong>-Prozess tatsächlich ins<br />
Stocken geraten ist und keine wirklichen Erfolge mehr erzielt werden,<br />
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Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
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ohne dass die <strong>Coaching</strong>-Ziele bereits erreicht worden wären. Dies kann<br />
seine Ursache darin haben, dass der Coach (noch) nicht den richtigen<br />
Zugang zum Klienten gefunden hat und noch nicht zum eigentlichen<br />
Problem vorgedrungen ist. Möglicherweise greifen die Interventionen<br />
des Coachs noch zu kurz. Hier ist die ganze Handwerkskunst des<br />
Coachs gefragt. Das Telefon als Arbeitsmittel ist durch eine solche<br />
Situation nicht grundsätzlich infrage gestellt.<br />
Drohender Abbruch des <strong>Coaching</strong>s. Ein <strong>Coaching</strong> kann an den<br />
Punkt kommen, dass eine Fortsetzung keinen Sinn mehr macht und<br />
der Prozess abgebrochen werden muss. Hier sollte nach Möglichkeit<br />
die Initiative von dem Coach ausgehen. Er sollte sich von dem Überdruss<br />
des Klienten nicht überraschen lassen, sondern seinerseits frühzeitig<br />
ein Gespür von dem Prozessstatus entwickeln und die Fortsetzung<br />
des <strong>Coaching</strong>s infrage stellen. Dabei sollte es beiden Beteiligten<br />
um einen sauberen Ausstieg ohne Schuldzuweisungen gehen, da der<br />
Erfolg des <strong>Coaching</strong>s nicht nur von der Professionalität des Coachs<br />
sondern auch von Art und Umfang der Mitarbeit des Klienten wesentlich<br />
mitbestimmt wird. Einen etwaigen Abbruch müssen Coach und<br />
Klient gleichermaßen gegenüber Auftraggebern konstatieren und<br />
begründen. Es ist Aufgabe des Coachs die Krise zu moderieren: „Wir<br />
haben bisher dieses und jenes erreicht und jetzt beide das Gefühl, dass<br />
wir in eine Sackgasse geraten sind. Was müsste gegeben sein, dass Sie<br />
das <strong>Coaching</strong> wieder als anregend und wertvoll empfinden können?“<br />
Jetzt ist der Klient aufgefordert, sein Unbehagen konstruktiv zum Ausdruck<br />
zu bringen. Der Coach sollte durch aktives Zuhören sicherstellen,<br />
dass alle wesentlichen Aspekte zur Sprache kommen. Jetzt sollte<br />
der Coach nicht in eine Verteidigungshaltung verfallen, sondern nach<br />
Möglichkeit dem Coach kreative Angebote machen, die eine Fortsetzung<br />
des <strong>Coaching</strong>s ermöglichen: „Wenn wir in Zukunft dieses so und<br />
jenes anders machen würden, macht dann eine Fortsetzung unserer<br />
Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht Sinn?“ Jetzt besteht die Möglichkeit,<br />
mit dem Klienten zu einer neuen Vereinbarung zu kommen. Geht der<br />
Klient auf die Angebote nicht ein, dann kann der Coach in etwa so<br />
sprechen: „Dann lassen Sie uns unsere gemeinsame Arbeit an dieser<br />
Stelle beenden, jedoch nicht ohne uns das bisher Erreichte bewusst zu<br />
150
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Vom Ton zum Tun – Am Telefon erfolgreich arbeiten<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
machen.“ Jetzt ist es Sache des Coachs den Prozess nochmals Revue<br />
passieren zu lassen und die Ergebnisse zu sichern. Anschließend sollte<br />
der Coach seine Rückmeldung an den Auftraggeber mit dem Klienten<br />
abstimmen mit dem Ziel, eine gemeinsame Begründung zu formulieren,<br />
die ohne Schuldzuweisung auskommt. Ideal wäre eine<br />
abgestimmte E-Mail von dem Coach an die Auftraggeber, in die der<br />
Klient einkopiert ist. Zuletzt sollte der Coach den Klienten<br />
wertschätzend verabschieden.<br />
Ebenso wie Verkäufer schwierige Kundengespräche oft lieber persönlich<br />
führen, fühlt sich mancher Coach zunächst mit der Konfliktsituation<br />
am Telefon überfordert. Wir hatten die reine Beziehung über<br />
das Telefon als labiler charakterisiert und es wirken hier gewissermaßen<br />
höhere Zentrifugalkräfte, die den Gesprächsfaden leichter reißen lassen.<br />
Gleichwohl lassen sich die gegebenen Empfehlungen zur Krisenintervention<br />
– das zeigen eine Vielzahl von persönlichen Erfahrungen<br />
– am Telefon erfolgreich umsetzen.<br />
Zuletzt sei bemerkt, dass viele der behandelten Schwierigkeiten vorrangig<br />
bei solchen Zielgruppen akut werden, bei denen Klient und<br />
Auftraggeber unterschiedliche Personen sind. Selbständige, Freiberufler<br />
und Privatleute, die das <strong>Coaching</strong> aus eigenen Mitteln finanzieren, zeigen<br />
tendenziell mehr Ausdauer und eine höhere Kooperationsbereitschaft<br />
als dies bei Angestellten der Fall ist. Gleichwohl gilt festzuhalten,<br />
dass die geschilderten Probleme die Ausnahme sind und nicht die<br />
Regel. Doch wird der Grad der Professionalität eines Coachs von<br />
Klienten und Auftraggebern immer auch an der Qualität des Umgangs<br />
mit Krisensituationen gemessen.<br />
151
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Telefon 3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
Wenn wir Sie mittlerweile davon überzeugen konnten, dass <strong>Coaching</strong><br />
am Telefon funktioniert und gute Resultate liefert, gehen wir hier nun<br />
einen Schritt weiter. Unserer Erfahrung nach können <strong>Coaching</strong>-Prozesse<br />
auch mit Gruppen am Telefon erfolgreich geführt werden. Wie<br />
das geht und was dabei zu beachten ist wollen wir Ihnen in diesem<br />
Kapitel aufzeigen. Wir lassen Sie an unseren Erfahrungen mit Gruppen<strong>Coaching</strong><br />
zwischen drei und fünfzehn Personen teilhaben.<br />
Das Potenzial von Gruppen durch Tele<strong>Coaching</strong><br />
aktivieren<br />
Beim Gruppen<strong>Coaching</strong> verbinden wir die Vorteile des Einzel-<br />
<strong>Coaching</strong>s mit dem Lernen in einer Gruppe In einer Gruppe von z. B.<br />
sieben Teilnehmern mit dem Durchschnittsalter von 45 Jahren kommen<br />
über 300 Jahre Lebenserfahrung zusammen! Gruppen<strong>Coaching</strong><br />
bietet die Möglichkeit, vom Wissen aller Beteiligten zu profitieren und<br />
ungeahntes Potenzial zu aktivieren.<br />
Die Gruppenmitglieder nehmen Anteil, lernen durch Zuhören,<br />
geben Feedback und können zu Vertrauten werden. Die Erfahrung,<br />
gemeinsam kreativ an Lösungen zu arbeiten, ein Vertrauensverhältnis<br />
miteinander aufzubauen und zu pflegen sowie ein Netzwerk der gegenseitigen<br />
Unterstützung zu haben, ist ein großer Gewinn für alle Beteiligten.<br />
Es entwickelt sich ein Vertrauens- und Kompetenzraum, in dem<br />
kollegiales <strong>Coaching</strong> zwischen allen Beteiligten stattfindet. In einem<br />
gewachsenen Netzwerk gegenseitiger Unterstützung wird bestenfalls<br />
auch der Coach irgendwann überflüssig.<br />
152
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Bewegt und bearbeitet werden können gemeinsame Themen und<br />
Herausforderungen wie beispielsweise Selbstmanagement, Zeitmanagement,<br />
Projekterfüllung, Wertschätzung, Kommunikation, Effektivität,<br />
Service, Verkauf, Führung oder Probleme die durch bestehende<br />
Organisationsstrukturen oder Changeprozesse in Organisationen<br />
bedingt sind. Auch die Vorbereitung auf neue Aufgaben und Situationen,<br />
die Förderung von Teamarbeit, das Auflösen unangemessener<br />
Verhaltens-, Wahrnehmungs- und Beurteilungstendenzen, können<br />
Gegenstand eines Gruppen<strong>Coaching</strong>s am Telefon sein.<br />
Die Teilnehmenden finden für konkrete Anliegen, Probleme und<br />
Themen in einer geschützten Atmosphäre zielorientiert praktikable<br />
Lösungen.<br />
Die Gruppenzusammensetzung kann dabei heterogen sein, also aus<br />
Angehörigen unterschiedlichster Berufe und verschiedenster hierarchischer<br />
Positionen bestehen, die sich zu einem vorher bestimmten<br />
Thema treffen.<br />
Gruppen<strong>Coaching</strong>s können auch mit geschlossenen firmeninternen<br />
Gruppen und Teams durchgeführt. Diese können aus Mitarbeitern<br />
einer Hierarchieebene zusammengesetzt sein, z. B alle Abteilungsleiter<br />
eines Unternehmens, alle Projektverantwortlichen eines Unternehmensbereichs<br />
oder alle Verkäufer. Möglich sind auch Gruppen, in<br />
denen Führungskräfte und die ihnen zugeordneten Mitarbeiter oder<br />
Bereichsvorstände mit ihren Abteilungsdirektoren oder Verkaufsleiter<br />
mit ihren Außendienstverkäufern zusammen arbeiten.<br />
Effektiv sind unterschiedlichste Formate. Erprobt sind einmalige<br />
Zusammenkünfte offener oder geschlossener Gruppen, genau so wie<br />
kontinuierliche Treffen. Wir haben bisher Erfahrungen gesammelt mit<br />
Gruppen, die sich einmalig zusammen finden, und Gruppen, die sich<br />
über mehrere Monate immer wieder treffen sowie mit Treffen von 1,5<br />
Stunden bis 4,5 Stunden Dauer.<br />
Die jeweilige Gruppe trifft sich in einem Telefonkonferenzraum zu<br />
einem vorher bestimmten Thema. In einem moderierten Prozess sind<br />
alle Anwesenden wertschätzend und lebendig miteinander im<br />
Gespräch.<br />
153
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Bei Gruppen, die über einen längeren Zeitraum zusammen arbeiten,<br />
findet durch das regelmäßige Anwenden von <strong>Coaching</strong>-Methoden eine<br />
Kompetenzerweiterung der eigenen kommunikativen Fähigkeiten und<br />
Problemlösetechniken statt. Die persönliche Entwicklung der Einzelnen<br />
wird durch den Gruppenprozess weiter getragen.<br />
Praktische Hinweise zum Gruppen-Tele<strong>Coaching</strong><br />
Hier nun bekommen Sie ein Bild eines möglichen Ablaufs von<br />
Gruppen<strong>Coaching</strong> übers Telefon mit dem speziellen Fokus darauf, wie<br />
Sie alle Beteiligten einbeziehen und aktiv im Prozess halten.<br />
Typische Bestandteile eines Gruppen<strong>Coaching</strong>s am Telefon sind<br />
• Ankommensphase: Wer ist da? Vorstellungsrunde<br />
• Arbeit an ausgewählten Themen mit unterschiedlichen Methoden:<br />
Selbstreflexion, Fragenkataloge, Imaginationsreisen, Diagramme,<br />
Schreibübungen, Fallbeispiele<br />
• Einzelmitteilungen und Einzel<strong>Coaching</strong> vor den Ohren aller<br />
• Fragen und Antworten<br />
• Vereinbarungen zur Weiterarbeit<br />
• Mitteilungsrunden und Austausch<br />
Vorab erhalten die Beteiligten Zugangsdaten und Teilnehmerunterlagen<br />
per E-Mail. Zu der vereinbarten Zeit wählen sich die Teilnehmenden<br />
in eine Telefonkonferenz ein und sind mit dem Coach und allen<br />
anderen verbunden.<br />
Ankommensphase<br />
In der Ankommensphase wird der Coach als Gastgeber und Moderator<br />
alle Teilnehmenden begrüßen und willkommen heißen. Da die<br />
Teilnehmenden sich nicht sehen können, ist es für deren Orientierung<br />
und Wohlbefinden wichtig immer wieder zu informieren, wer alles im<br />
Raum ist.<br />
154
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Eine Herausforderung besteht darin einen Vertrauensraum zu erzeugen<br />
bzw. entstehen zu lassen, in dem sich alle möglichst sicher fühlen.<br />
Nach einem herzlichen Willkommen und einer kurzen Vorstellung<br />
des Coachs werden wesentliche und klare Hinweise zum förderlichen<br />
Verhalten in Telefonkonferenzen gegeben. Hier empfiehlt es sich die<br />
Teilnehmenden auch um Achtsamkeit und Mitverantwortung für den<br />
Prozess zu bitten. Anschließend wird der geplante Ablauf des Treffens<br />
dargestellt. Beides kann auch vorab schon per E-Mail zugesandt<br />
werden. Aber auch dann empfiehlt es sich, kurz darauf Bezug zu<br />
nehmen.<br />
Vorstellungsrunde<br />
Treffen sich die Teilnehmenden zum ersten Mal in dieser Gruppe,<br />
gibt es eine Vorstellungsrunde. Ziel ist, dass alle Beteiligten sich einmal<br />
hören und alle einmal zu Wort kommen. Hier hat es sich bewährt, auch<br />
Raum für persönliche Mitteilungen zu geben. Dieser ist wichtig, weil<br />
das visuelle Erleben der Teilnehmer fehlt und es wesentlich ist eine<br />
besondere Qualität der gegenseitigen Wahrnehmung durch Worte<br />
aufzubauen. Mit persönlich ist nicht gemeint, dass hier besonders intime<br />
Informationen gegeben werden. Je nach Thema des Treffens können<br />
es allgemeinere Auskünfte über Alter, Beruf, Wohnort, Familienstand<br />
usw. sein ergänzt durch einen Satz „mitten aus dem Leben“ oder zur<br />
Themenstellung: „Was an dem aktuellen Inhalt ist mir gerade wichtig,<br />
wo gibt es Berührungspunkte im Alltag.“<br />
Tipp: Mit seiner persönlichen Mitteilung eröffnet der Coach den<br />
Raum für die Teilnehmenden. Gerade wenn Menschen ungeübt sind<br />
sich vor einer Gruppe zu zeigen, setzt der Coach hier entsprechend<br />
dem Vorhaben und der Thematik Maßstäbe und bereitet damit den<br />
Boden für alles Weitere.<br />
Wenn eine Gruppe längerfristig miteinander arbeitet, wird eher mit<br />
einer Ankommensrunde begonnen, bei der die Anwesenden wieder<br />
zusammen finden und sich austauschen über das, was zwischenzeitlich<br />
geschehen ist. Auch hier öffnet der Coach mit seiner Mitteilung den<br />
Raum für die anderen Teilnehmer.<br />
155
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Bei offenen Gruppen, besonders wenn sie sich erstmals zusammenfinden,<br />
bitten wir die Teilnehmenden an dieser Stelle auf ein leeres<br />
Blatt Papier einen großen Kreis zu malen und entsprechend der<br />
Teilnehmerzahl Markierungen einzufügen. Hier können sie sich<br />
während der Vorstellungsrunde und im Laufe des Gruppen-<strong>Coaching</strong>s<br />
Notizen zu den Anwesenden machen.<br />
Damit werden die Teilnehmenden direkt aktiv und die visuelle Ebene<br />
wird mit einbezogen. Obwohl sich die Anwesenden nicht sehen, fühlen<br />
sie sich doch wie an einem rundenTisch.<br />
Die Arbeit am Thema ist wie bei persönlichen Treffen auf vielfältige<br />
Art möglich.<br />
Nachdem das aktuelle Thema noch einmal genannt und die Agenda<br />
mit der Gruppe abgestimmt ist, wird es meist eine Arbeitsanleitung<br />
geben. Diese unterstützt die Teilnehmenden ihren eigenen Zugang zur<br />
Bearbeitung des Themas zu finden oder zu vertiefen. Hier können<br />
Fragen vorgegeben werden, zu denen sich alle Stichpunkte machen<br />
oder es können kreative Schreibübungen angeleitet werden. Es kann<br />
sinnvoll sein, die Teilnehmer in Gruppen aufzuteilen um bestimmte<br />
Fragestellungen zu vertiefen. Das geht einfach, indem die Teilnehmer<br />
sich in Zweiergesprächen gegenseitig anrufen oder in mehreren Gruppen<br />
in parallelen Konferenzen gearbeitet wird. 44<br />
Bestimmte Aufgaben oder Arbeitsanleitungen können den Teilnehmenden<br />
vor der Konferenz zur Verfügung gestellt werden. Dann wird<br />
an der entsprechenden Stelle Bezug darauf genommen und die Anwesenden<br />
bekommen Zeit sich an ihre Ergebnisse und Erkenntnisse zu<br />
erinnern.<br />
Wenn es Aufgaben aus vorhergehenden Treffen gibt, ist es wesentlich<br />
den Bezug herzustellen und die Ergebnisse mit einzubeziehen.<br />
44 Neuste Entwicklungen bei den Konferenzanbietern im amerikanischen Markt<br />
machen es möglich, über Websteuerung gezielt Gruppen zu erzeugen. Vgl.<br />
http://maestroconference.com/QuickTour (Stand Jan 2010).<br />
156
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Zentral ist an der Stelle, dass möglichst alle Teilnehmenden hier mit<br />
sich selbst in Kontakt kommen, mit ihrer Befindlichkeit, ihren Erfahrungen<br />
und Erkenntnissen.<br />
Eine gut vorbereitete Übung ist der Kern eines Gruppen<strong>Coaching</strong>s.<br />
Hier ein paar Grundmuster, die sich bewährt haben:<br />
• Fragen stellen, die sofort in Eigenarbeit in jeweils ca. zwei Minuten<br />
beantwortet werden.<br />
• Einen Teilnehmer zu einem Einzel<strong>Coaching</strong> zu einem bestimmten<br />
Thema einladen und die anderen einfach zuhören lassen. Im<br />
Vordergrund steht hier eine persönliche Herausforderung, die<br />
bestenfalls ein Problem aller Beteiligten ist.<br />
• Den Teilnehmern eine Aufgabe geben, die sie z. B. in fünf Minuten<br />
Eigenarbeit lösen.<br />
• Kleingruppen bilden und diese mit klarer Aufgabenstellung selbständig<br />
arbeiten lassen.<br />
Manchmal entwickeln sich aus der Vorstellungsrunde und den<br />
Themen der Teilnehmer so inspirierende und kraftvolle Gespräche,<br />
dass der Coach hier „nur“ zusätzliche Impulse setzt und eine feinfühlige<br />
Begleitung übernimmt. Die Gruppe lernt selbständig zu arbeiten<br />
und erweitert ihre kommunikativen Fähigkeiten und ihre Kompetenz.<br />
Mitteilungsrunde<br />
Anschließend findet eine Mitteilungsrunde statt, in der alle über ihre<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse berichten. Es gehört Fingerspitzengefühl<br />
dazu, einen Raum für tiefe und persönliche Mitteilungen zu<br />
öffnen und gleichzeitig die Runde so lebendig zu gestalten, dass die<br />
Aufmerksamkeit aller erhalten bleibt.<br />
Der weitere Prozess entwickelt sich aus dieser Runde. Eventuell gibt<br />
es Rückfragen oder Feedback. An dieser Stelle kann es sinnvoll sein,<br />
mit einem der Teilnehmenden eine Einzelarbeit vor den Ohren aller<br />
anzuschließen.<br />
157
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Für eine Einzelarbeit - natürlich auf der Basis von Freiwilligkeit -<br />
empfiehlt es sich die Gruppe in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen<br />
und Themen auszuwählen, die für alle Beteiligten wertvoll<br />
sind. Hierbei werden die Zuhörenden eingeladen, die Einzelarbeit in<br />
Hinblick ihre eigenen Anliegen mitzuverfolgen. Unserer Erfahrung<br />
nach ist an dieser Stelle eine Gruppe fast immer sicher und<br />
vertrauensvoll genug, dass jemand bereit und willens ist, ein <strong>Coaching</strong>-<br />
Gespräch vor Zuhörern zu führen.<br />
Abschluss<br />
Vereinbarungen zur weiteren Beschäftigung mit den Erkenntnissen<br />
und Ergebnissen des Gruppen<strong>Coaching</strong>s werden gemeinsam entwickelt<br />
oder vorgeschlagen. Wir empfehlen, die Vereinbarungen<br />
anschließend noch einmal in einer E-Mail zusammenzustellen und an<br />
die Beteiligten zu senden.<br />
Zum Schluss kommen alle Beteiligten noch einmal in einer Runde zu<br />
Wort. Hier ist Raum für Dank, Feedback und Mitteilungen über<br />
Erkenntnisse oder Vorhaben.<br />
Die Doppelrolle Coach und Moderator als<br />
Herausforderung<br />
Um das Potenzial aller Beteiligten zu nutzen und die Vorteile der<br />
Einzelarbeit mit dem Lernen in einer Gruppe zu verbinden, braucht es<br />
einerseits einen klaren, gut strukturierten Ablauf und gleichzeitig Raum<br />
und Offenheit für die Prozesse der Einzelnen und der Gruppe.<br />
Alle Beteiligten sollten ihren Prozess machen, sich klären, durch Zuhören<br />
lernen und inspiriert werden. Durch Übungen und Fragen wird<br />
allen immer wieder Gelegenheit gegeben aktiv zu werden, zu sprechen<br />
und beizutragen.<br />
Die spezielle Herausforderung für den Coach liegt hier in der Kombination<br />
von <strong>Coaching</strong> und Moderation von Gruppen im virtuellen<br />
Raum. Der Coach muss hier gleichzeitig auch feinfühliger und klarer<br />
158
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Moderator sein. Wir empfehlen, zumindest am Anfang zu zweit zu<br />
arbeiten. Das Wichtigste hierbei ist eine gute Vorbereitung und ein<br />
klares Konzept. Eine durchdachte Struktur und ein klares Konzept<br />
helfen, die Doppelrolle als Moderator und Coach zu meistern.<br />
Tipps zu einem klaren Konzept:<br />
• Legen Sie Ihrer Gruppenarbeit ein Konzept zugrunde, in dem Sie<br />
die Absicht des Gruppen<strong>Coaching</strong>s ausformulieren.<br />
• Unterscheiden Sie drei Bereiche: 1. Einführung: Mitteilungen zur<br />
Konferenztechnik, Mitteilung der Absicht, Mitteilung zum<br />
Ablauf und zur Vorstellungsrunde. 2. Arbeitsteil Gruppen-<br />
<strong>Coaching</strong>, Einführung in methodische Details, Übungen, gemeinsame<br />
Auswertung. 3. Zusammenfassen der wichtigen Ergebnisse,<br />
weiterführende Aufgaben, wertschätzende Abschlussrunde.<br />
• Setzen Sie für jedes geplante Ereignis einen zeitlichen Rahmen.<br />
Wie in jedem Gruppenprozess kann es geschehen, dass sich Teilnehmer<br />
mit weniger Einfühlungsvermögen in den Vordergrund stellen.<br />
Die Kompetenz des Leiters besteht darin, diese Menschen so einzubinden,<br />
dass sowohl der Einzelne wie auch die Gruppe davon profitieren.<br />
Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Situationen selten vorkommen<br />
und der Coach auf den Prozess und die Eigenverantwortung<br />
aller Teilnehmer vertrauen kann. Um solche Situationen zu vermeiden,<br />
sollte zu Beginn eines Gruppen<strong>Coaching</strong>s die Mitverantwortlichkeit<br />
aller Teilnehmer betont werden.<br />
Was kann man als Moderator tun, wenn alle schweigen und keiner<br />
etwas sagt? Immer wieder gibt es Momente, in denen niemand spricht.<br />
Stille am Telefon wird von Menschen vor allem in Telefonkonferenzen<br />
recht schnell als unangenehm empfunden. Rückfragen wie „Sind Sie<br />
noch da?“ spiegeln dies wieder. Allerdings können Zeiten, in denen<br />
nicht gesprochen wird, äußerst wertvoll sein. Es kann nachgespürt und<br />
reflektiert werden. Um diesen Nutzen herzustellen, ist es sinnvoll, Pausen<br />
als wertvollen Raum anzumoderieren: „Sprechen Sie dann, wenn<br />
159
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Sie den inneren Impuls spüren. Nutzen Sie Zeiten der Stille zum<br />
Durchatmen und zur Reflektion“.<br />
Es ist eine erlernbare Kunst, der Stille Raum zu geben. Die Stille gilt<br />
es also in diesem Sinne nicht nur auszuhalten, sondern zu schätzen.<br />
Erprobte Tele<strong>Coaching</strong>-Formate für Gruppen<br />
Um Ihnen eine Vorstellung zu geben wie vielfältig die Möglichkeiten<br />
von Gruppen<strong>Coaching</strong> per Telefon sind, stellen wir Ihnen nun einige<br />
erprobte Formate vor.<br />
Offene themenbezogene Telefonseminare<br />
Für maximal zwei Stunden finden sich immer wieder wechselnde,<br />
offene Gruppen zu ausgewählten Themen zusammen. Hier kreieren<br />
zwei erfahrene Telefoncoachs einen inspirierenden Raum. Diese offenen<br />
Telefonseminare sind ein wirksames Marketinginstrument für die<br />
Coachs und bieten Interessierten Gelegenheit, die Coachs und die<br />
Arbeitsweise am Telefon kennen zu lernen.<br />
Beliebte Themen sind besondere Aspekte von z. B. Selbstmarketing,<br />
Kommunikation, Konfliktlösung, Teamentwicklung oder Selbstorganisation.<br />
Aus jahrelanger Erfahrung mit offenen Gruppen, die sich zu Beginn<br />
nicht kennen, können wir sagen, dass sehr schnell intensive Räume<br />
entstehen, in denen Menschen offen und vertrauensvoll miteinander<br />
sprechen. Bei persönlichen Treffen ist solch eine Intensität in einem so<br />
kurzen Zeitraum kaum möglich. Gerade der sichere Raum des Telefons<br />
führt zu großer Effektivität.<br />
Transfer<strong>Coaching</strong> über drei Monate<br />
Mitarbeiter eines Unternehmens kommen aus dem ganzen Land oder<br />
international zu einer Fortbildungsmaßnahme zusammen, durch die sie<br />
160
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
zum Beispiel auf ihre neue Rolle als Führungskraft vorbereitet werden<br />
sollen. Während der Veranstaltung werden sie mit dem Führungskräfteleitbild<br />
und dem notwendigen Führungswissen vertraut gemacht.<br />
Anschließend soll das Gelernte im Arbeitsalltag umgesetzt werden.<br />
Damit die guten Vorsätze den Anforderungen des operativen Tagesgeschäfts<br />
nicht zum Opfer fallen, werden noch während der Veranstaltung<br />
Kleingruppen gebildet, in denen die Teilnehmer über den eigentlichen<br />
Veranstaltungsrahmen hinaus an ihren Entwicklungsthemen<br />
gemeinsam arbeiten sollen. Hierzu treffen sich die Kleingruppen mehrere<br />
Male in Telefonkonferenzen, die von einem von außen neu hinzukommenden<br />
Coach moderiert und durch <strong>Coaching</strong>-Impulse bereichert<br />
werden. Auf diese Weise kann durch kollegiale Beratung mit geringem<br />
Aufwand die Nachhaltigkeit von Seminarveranstaltungen deutlich verbessert<br />
werden.<br />
Peer<strong>Coaching</strong><br />
Peer<strong>Coaching</strong> steht für ein Gruppen<strong>Coaching</strong> von Gleichgestellten.<br />
Über einen definierten Zeitraum trifft sich die Gruppe in regelmäßigen<br />
Abständen. Peer<strong>Coaching</strong> über Telefon ist zu vielfältigen Themen und<br />
Anlässen denkbar. Gibt es ein gemeinsames Anliegen, kann ein Peer-<br />
<strong>Coaching</strong> von einer Gruppe jederzeit initiiert werden. Beim Peer-<br />
<strong>Coaching</strong> ist nicht zwingend ein professioneller Coach erforderlich.<br />
Durch Peer<strong>Coaching</strong> entsteht am Telefon ein geschützter und<br />
hierarchiefreier Gesprächsraum, in dem durch ein gegenseitiges<br />
<strong>Coaching</strong> der Teilnehmenden Ideen und Impulse hervorgebracht werden,<br />
die jeden Einzelnen in seiner Situation entscheidend voranbringen.<br />
Wenn das Peer<strong>Coaching</strong> durch professionelle Begleitung eines<br />
Coachs durchgeführt wird, besteht die Möglichkeit durch ergänzendes<br />
Einzel<strong>Coaching</strong> dem Peer<strong>Coaching</strong> eine besondere Qualität zu verleihen.<br />
Bewährt hat sich die Bereitstellung eines bestimmten Zeitkontingents<br />
für Einzel<strong>Coaching</strong> pro Teilnehmer, das von den Teilnehmern<br />
flexibel abgerufen werden kann, wenn ein auftauchendes Thema im<br />
Gruppenkontext nicht ausreichend bearbeitet werden kann.<br />
161
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
Beispiel<br />
Unternehmern und Führungskräften, die an der Spitze einer Organisation<br />
stehen, haben häufig wenige Möglichkeiten, sich über das, was<br />
sie bewegt, offen auszutauschen. In dieser Situation bietet Peer-<br />
<strong>Coaching</strong> am Telefon eine hervorragende Gesprächs-Plattform, auf<br />
der sich Angehörige einer Zielgruppe, z. B. Geschäftsführer einer<br />
Branche, ggf. auch anonym, treffen und austauschen können.<br />
Die Gruppe trifft sich in drei Monaten sechs mal 90 Minuten zum<br />
kollegialen, moderierten <strong>Coaching</strong>. Alle Teilnehmer werden auch<br />
durch weiterführendes Einzel<strong>Coaching</strong> in zwei Gesprächen unterstützt.<br />
Anonymität ist, wenn gewünscht, gewährleistet. Der Teilnehmer entscheidet<br />
selbst, ob er seinen Namen und sein Unternehmen preisgibt.<br />
Es besteht die Möglichkeit, dass die Gruppe sich über die vereinbarte<br />
Zeit verselbstständigt und z. B. den Coach beauftragt, sich einmal im<br />
Monat oder Quartal zuzuschalten<br />
Sales<strong>Coaching</strong><br />
Vertriebsmitarbeiter stehen unter hohem Druck. Sie müssen<br />
anspruchsvolle Zielvorgaben in einem häufig schwierigen Marktumfeld<br />
erreichen. An hierfür notwendigen Produkt- und Verkaufsschulungen<br />
fehlt es zumeist nicht. Etwas anderes ist es, das Gelernte in die Praxis<br />
umzusetzen. Hier ist man nur allzu oft Einzelkämpfer, der gegenüber<br />
dem Vorgesetzten seinen Mann stehen und sich als erfolgreich präsentieren<br />
muss. Vielen fällt es schwer, sich täglich immer wieder neu zu<br />
motivieren und mit Misserfolgen konstruktiv umzugehen. <strong>Coaching</strong><br />
durch die Führungskraft ist aufgrund des hierbei entstehenden<br />
Rollenkonflikts oft nur begrenzt möglich. In dieser Situation hat der<br />
Vertriebsleiter entschieden, jeweils sieben Vertriebsmitarbeiter zu einer<br />
Gruppe zusammenzufassen, die sich über drei Monate einmal<br />
wöchentlich morgens um acht Uhr zu einer Telefonkonferenz zusammenschalten.<br />
90 Minuten lang besprechen die Teilnehmer unter Moderation<br />
eines SalesCoachs Herausforderungen ihrer Vertriebstätigkeit<br />
und unterstützen sich bei deren Bewältigung durch die Besprechung<br />
und Lösung von Fallbeispielen gegenseitig. Die kollegiale Beratung<br />
162
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
bewirkt den wechselseitigen Austausch von Erfolgswissen und die<br />
gegenseitige Motivation der Teilnehmer.<br />
Dreimonatiges Telefonseminar mit <strong>Coaching</strong>-Elementen<br />
Hier setzt sich eine feste Gruppe intensiv mit einem Thema, z. B.<br />
Wertschätzung, auseinander.<br />
Innerhalb der drei Monate finden vier Seminareinheiten à drei Stunden<br />
statt. Etwa zwei Wochen nach jedem Seminarblock treffen sich die<br />
Beteiligten zum Austausch in einer Konferenz à 1,5 Stunden. Das<br />
begleitende Einzel<strong>Coaching</strong> vertieft die Inhalte und geht auf individuelle<br />
Bedürfnisse ein.<br />
Dieses TeleCoching-Format entfaltet seine Wirkung durch die Kombination<br />
von Seminarinhalten, Merkmalen eines Gruppen<strong>Coaching</strong>s<br />
und Einzel<strong>Coaching</strong>s. Dabei kann auf die individuelle Situation der<br />
Teilnehmer in besonderer Weise eingegangen werden.<br />
Per Telefon sind die Teilnehmenden schnell und effektiv verbunden.<br />
Seminarinhalte können leicht gemeinsam nachgearbeitet werden. Alle<br />
Teilnehmenden können Ihr Übungspensum und damit die Intensität<br />
ihres Trainings selbst bestimmen. Dies geschieht durch anmoderierte<br />
Freiheit in Bezug auf Übungsvorschläge und die Vielfalt an<br />
Kontaktmöglichkeiten zu anderen Teilnehmern.<br />
Besonders wirksam bei diesem Format ist, dass sich die Teilnehmer<br />
über einen längeren Zeitraum mit einem Thema (in diesem Falle Wertschätzung)<br />
beschäftigen und die Erfahrungen, die sie in ihrem alltäglichen<br />
Lebens- und Arbeitsumfeld machen, immer direkt in TeleSeminar<br />
und Tele<strong>Coaching</strong> mit einbezogen werden.<br />
Ausblick<br />
Wir gehen davon aus, dass auch hierzulande Tele<strong>Coaching</strong> für<br />
Gruppen selbstverständlich und zu einem allgemein anerkannten und<br />
163
III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
Telefon3 – Gruppen coachen am Telefon<br />
(Dorothee Bornath)<br />
__________________________________________________<br />
genutzten Medium wird. 45 . Live-Trainingsanbieter werden selbstverständlich<br />
mit weiterführenden Telefonkonferenzen arbeiten und die<br />
Kombination von Gruppen- und Einzel<strong>Coaching</strong>s mehr und mehr<br />
nutzen. Menschen werden so zu jeder Zeit in ihrem Bedürfnis nach<br />
Wachstum und Entwicklung unterstützt werden.<br />
Ende der<br />
Komfortzone<br />
nach 300<br />
Metern<br />
45 In den USA ist Training und <strong>Coaching</strong> übers Telefon schon sehr viel etablierter als<br />
in Deutschland und Europa. Verschiedene Konferenzanbieter haben sich dort auf<br />
diese Zielgruppe spezialisiert: www.maestroconference.com. Coachs und Trainer<br />
werben in kostenlosen Konferenzen mit namhaften Buchautoren<br />
(www.nvctraining.com). Trainingskonferenzen mit 100 und mehr Teilnehmern sind<br />
dort keine Seltenheit.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
__________________________________________________<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
TelefonSEX - Nein, nicht das, was Sie denken! Hier geht es um<br />
eventuell vorhandene Unterschiede von Frauen und Männern in Bezug<br />
auf Kommunikation via Telefon; um ihre vielleicht unterschiedliche<br />
Beziehung zum technischen Medium; um ihre vielleicht andere Art des<br />
Umgangs mit der Tatsache, dass sie ihren Coach nicht sehen; um ihre<br />
eventuell andere Weise, sich mit ihrer Emotionalität zwischen vier<br />
Ohren statt unter vier Augen anzuvertrauen. Dieses Kapitel wird dabei<br />
mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Es wird Ihre Beobachtungs-<br />
und Wahrnehmungsfilter sensibilisieren und Sie einladen selbst<br />
an diesem Thema zu forschen. In diesem Sinne: viel Spaß mit<br />
TelefonSEX!<br />
Frauen, Männer & das Telefon – unterschiedliche<br />
Welten?<br />
Es ist eine Binsenweisheit, dass Frauen und Männer unterschiedlich<br />
kommunizieren, und jeder kennt die Ausnahmen von der Regel:<br />
Frauen mit „männlichem“ Kommunikationsstil und Männer mit<br />
„weiblichem“ Kommunikationsstil. Viel wurde dazu bereits geschrieben.<br />
Die vielleicht populärsten Bücher sind Warum Männer nicht zuhören<br />
und Frauen schlecht einparken 46 und Männer sind vom Mars, Frauen von der<br />
Venus. 47<br />
Wie ist das nun am Telefon? Gibt es dort die gleichen geschlechtsspezifischen<br />
Unterschiede in der Kommunikation wie sie auch sonst zu<br />
46 Pease/ Pease (2007).<br />
47 Gray (2002).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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beobachten sind? Werden sie noch verstärkt oder minimieren sie sich?<br />
Oder ist alles noch ganz anders?<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, bevor Sie weiter lesen, möchten wir Sie<br />
einladen, über Ihre Erfahrungen am Telefon nachzudenken, egal, ob<br />
Sie als Coach arbeiten oder das Telefon in Ihrer ganz alltäglichen<br />
Kommunikation im Berufs- und im Privatleben nutzen.<br />
Notieren Sie bitte auf den nachfolgenden Zeilen, welche Erfahrungen<br />
Sie im telefonischen Umgang mit Ihrem eigenen und dem anderen<br />
Geschlecht gemacht haben. Können Sie Unterschiede zur Kommunikation<br />
von Angesicht zu Angesicht feststellen? Wenn, ja – welche, und<br />
worauf führen Sie sie zurück?<br />
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Und wenn Sie Lust haben, Ihre Erfahrungen mit uns zu teilen,<br />
freuen wir uns auf eine E-Mail von Ihnen. 48<br />
Bei der Beantwortung der Frage, ob die geschlechtsspezifische<br />
Kommunikation am Telefon eine andere ist als in der persönlichen<br />
Begegnung beim Präsenz<strong>Coaching</strong>, stellen wir einige – zum Teil etwas<br />
provokante – Behauptungen zur Diskussion:<br />
• Tele<strong>Coaching</strong> geht nur mit und unter Frauen, denn Männer nutzen<br />
das Telefon ausschließlich zur Informationsübermittlung,<br />
Frauen dagegen zur Beziehungspflege. 49<br />
• Am Telefon steht der Mensch im Vordergrund, nicht das<br />
Geschlecht. Da Klient und Coach sich nicht sehen, können sie<br />
auch nicht durch eine besonders attraktive äußere Erscheinung,<br />
48 Info@coaching-kaiser.de.<br />
49 Pease/ Pease (2007).<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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vielleicht sogar erotische oder auch besonders unangenehme<br />
Ausstrahlung des jeweils anderen Geschlechts, abgelenkt werden.<br />
• Wenn ich glaube, dass es einen geschlechtsspezifischen Unterschied<br />
in der Kommunikation am Telefon gibt, werde ich auch<br />
genau diesen finden. Bin ich vom Gegenteil überzeugt, finde ich<br />
auch das Gegenteil.<br />
Haben Sie eigene Hypothesen zu dem Thema und vielleicht auch<br />
eigene Erfahrungen, die diese untermauern? Halten Sie diese hier<br />
schriftlich fest und lassen Sie uns gern per Mail daran teilhaben.<br />
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Weibliche und männliche Kommunikation<br />
Ein sehr bekanntes Kommunikationsmodell sind die „Vier Seiten<br />
einer Nachricht“. Friedemann Schulz von Thun (2006) geht in seinem<br />
Modell davon aus, dass jede Kommunikation vier Aspekte enthält:<br />
• Die Sachebene oder Sachaussage – das, was tatsächlich ist.<br />
• Die Appellebene – der Sprecher will den Angesprochenen bewegen,<br />
etwas zu tun.<br />
• Die Beziehungsebene – der Sprecher drückt direkt oder indirekt<br />
aus, wie er zu dem anderen steht, was er über ihn denkt.<br />
• Die Selbstoffenbarung – der Sprecher äußert sich zu seiner eigenen<br />
Befindlichkeit und seinen eigenen Wünschen, wiederum<br />
direkt oder auch indirekt.<br />
Frauen haben in der Regel ihre Stärke (ihr „Heimspiel“) auf der<br />
Selbstoffenbarungs- und Beziehungsseite, Männer eher auf der Sachund<br />
Appellseite. Und – wie Schulz von Thun in seinem Vorwort zu Sie<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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sagt, er sagt 50 schreibt – es hat sich viel getan! „Männer äußern sich<br />
spontan, sprechen über ihre Gefühle, Frauen haben sich im Berufsleben<br />
die bedachtsame Sprache der nüchternen Sachlichkeit angeeignet“.<br />
Und egal, welche Ursachen die Unterschiede in der Kommunikation<br />
haben, beide Geschlechter sind lernfähig und in der Lage, ihre Kommunikationsmuster<br />
zu verändern.<br />
Die Ursachen für eine „weibliche“ und eine „männliche“ Art der<br />
Kommunikation sind auf verschiedenen Ebenen zu finden. Eine unterschiedliche<br />
Gen-Ausstattung entstand in einem Zeitraum von ca. 2,4<br />
Millionen Jahren menschlicher Entwicklung mit ausgeprägter Arbeitsteilung.<br />
Die Frau als „Hüterin des Nestes“, wie es Allan und Barbara<br />
Pease 51 nennen. Der Mann als Jäger, der auszieht, um das Überleben<br />
seiner Familie zu sichern. Beide Rollen mit ganz unterschiedlichen<br />
Anforderungen an die Fähigkeiten von Mann und Frau. Das hat über<br />
die lange Zeit zu genetisch verschiedenen Ausstattungen der beiden<br />
Geschlechter geführt und nachhaltig die Arbeitsweise und z. T. auch<br />
die Struktur des Gehirns männlich bzw. weiblich geprägt. Markus<br />
Hausmann und Ulrike Bayer 52 fanden heraus, dass Männer sprachliche<br />
Aufgaben stärker mit der darauf spezialisierten linken Hirnhälfte<br />
bewältigen, Frauen scheinen dagegen beide Hemisphären etwa zu<br />
gleichen Teilen einzusetzen. Das weibliche Gehirn ist also funktionell<br />
symmetrischer organisiert als das männliche. Dies zeigen den Autoren<br />
zufolge auch moderne bildgebende Verfahren der Gehirnforschung.<br />
Zurückgeführt wird diese funktionale Symmetrie auf die weiblichen<br />
Geschlechtshormone. Es konnte demnach gezeigt werden, dass bei<br />
Frauen während der Menstruation, wenn der Hormonspiegel am niedrigsten<br />
ist, eine typisch männliche Hirnasymmetrie beim Lösen sprachlicher<br />
und räumlicher Aufgaben auftritt. Bei hohem Hormonspiegel ist<br />
dagegen die funktionale Symmetrie zu beobachten.<br />
Aber auch die Sozialisation der Kinder - Schulz von Thun nennt es<br />
die Leitbilder vom „richtigen“ Mädchen und vom „richtigen“ Jungen,<br />
mit denen wir „genetisch flexibel und plastisch“ zu Frauen und Män-<br />
50 Krummbier (2006).<br />
51 Pease/ Pease (2007).<br />
52 Hausmann/ Bayer (2009).<br />
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TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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nern „gemacht“ werden - beeinflussen den Kommunikationsstil. 53 Ob<br />
einer der beiden Faktoren überwiegt und ggf. welcher – der genetische<br />
oder die Sozialisation – ist letztlich unwichtig für unsere weiteren<br />
Betrachtungen.<br />
Klischees weiblicher und männlicher<br />
Kommunikation<br />
Im Durchschnitt reden Frauen viel mehr als Männer. Laut Allan und<br />
Barbara Pease 54 geben Frauen täglich mühelos zwischen 6.000 und<br />
8.000 Wörter, <strong>2.0</strong>00 bis 3.000 Tongeräusche und 8.000 bis 10.000 Körpersignale<br />
(Mimik, Gestik, Kopfbewegungen etc.), also insgesamt ca.<br />
20.000 Kommunikationseinheiten von sich. Bei einem Mann sind es<br />
dagegen nur <strong>2.0</strong>00 bis 4.000 Wörter, 1.000 bis <strong>2.0</strong>00 Tonsignale und<br />
<strong>2.0</strong>00 bis 3.000 Körpersignale. Also im Schnitt ca. 7.000 Kommunikationsträger.<br />
Dieser Unterschied wird besonders am Ende eines Tages<br />
offensichtlich: Der Mann hat seine Wörter bereits aufgebraucht. Er hat<br />
kein Bedürfnis mehr zu reden und würde sich gerne wie seine Vorfahren<br />
einfach ans Lagerfeuer setzen und schweigend in die Flammen<br />
starren. Die Frau hat dagegen vielleicht das Bedürfnis noch 3.000 oder<br />
4.000 Wörter „an den Mann zu bringen“. Sie können sich sicherlich<br />
alle lebhaft das entstehende Gespräch vorstellen. Ausführliche, mit<br />
Informationen gespickte Fragen der Frau und äußerst karge, meistens<br />
nur aus einem Wort bestehende Antworten des Mannes – „ja“, „nein“,<br />
„weiß nicht“ etc. Der schönste Beziehungsknatsch ist vorprogrammiert…<br />
Frauen reden viel über ihre Gefühle und reden „um des Redens willen“.<br />
Damit ist gemeint, dass sie sich besser fühlen, wenn sie über das,<br />
was sie erlebt haben oder über ihre Probleme reden. Das Ziel ist dabei<br />
selten sofort eine Lösung zu finden, sondern das Reden dient der emotionalen<br />
Verarbeitung. Und wehe dem Mann, der in dieser Situation<br />
53 Krummbier (2006).<br />
54 Pease/ Pease (2007).<br />
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(Maren Kaiser)<br />
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eine Lösung anbietet. Die Frau hat dann das Gefühl, dass er nicht zuhören<br />
kann oder will, kein Interesse an ihr hat. 55<br />
Männer legen großen Wert darauf, autonom zu sein, etwas zu<br />
erschaffen und vor allem ihre Probleme allein zu lösen. Das bedeutet,<br />
dass sie nicht oder nur in den seltensten Fällen laut über die Dinge, die<br />
sie gerade beschäftigen, oder über ihre Probleme reden. Und erst recht<br />
nicht über ihre Gefühle, die genauso intensiv sind wie die der Frauen.<br />
Das Reden der Männer erfolgt nur in ihrem Kopf. Und am allerwenigsten<br />
wollen sie Ratschläge oder Lösungsvorschläge von anderen, es<br />
sei denn, sie haben explizit darum gebeten. Vor allem wollen sie keine<br />
ungebetenen Ratschläge von Frauen. Denn dann glauben sie, dass diese<br />
sie für einen Versager halten. 56<br />
Angenommen, diese Klischees würden absolut gelten, stellt sich<br />
natürlich die Frage: Bezahlen Frauen einen Coach nur, damit ihnen<br />
jemand zuhört? Und gehen Männer nur ins <strong>Coaching</strong>, weil sie in ihrem<br />
Umfeld nicht als Versager gelten wollen, sich dort also keinen Rat<br />
holen können? Sicherlich nicht! Beiden Geschlechtern geht es, wenn<br />
sie einen Coach aufsuchen, um Reflexion, persönliche Entwicklung,<br />
Unterstützung bei Herausforderungen, Problemlösungen, Konfliktbewältigung<br />
etc.<br />
Aufgrund der beschriebenen Klischees und der eingangs erwähnten<br />
Tatsache, dass Frauen das Telefon zur Beziehungspflege nutzen, Männer<br />
vorrangig zur Informationsübermittlung, wäre zu erwarten, dass<br />
geschlechtsspezifische Unterschiede beim Tele<strong>Coaching</strong> zu verzeichnen<br />
sind. Zum Beispiel dergestalt, dass Frauen sich schnell am Telefon<br />
öffnen und Männer sich nicht wirklich „in die Karten gucken lassen“.<br />
Doch lesen Sie im nachfolgenden Kapitel selbst, wie vielfältig hierzu<br />
unsere Erfahrungen sind.<br />
55 Gray (2002).<br />
56 Pease/ Pease (2007).<br />
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Stimmenvielfalt –<br />
Frauen und Männer im Tele<strong>Coaching</strong><br />
Die in diesem Kapitel folgenden Erfahrungen zu geschlechtsspezifischen<br />
Unterschieden beim <strong>Coaching</strong> am Telefon stammen sowohl von<br />
Mitgliedern des BORA TeleCoachNetwork als auch von Coachs<br />
außerhalb, die viel am Telefon arbeiten. In den Interviews waren die<br />
allgemeinen Erfahrungen der Coachs zu diesem Thema nicht leicht<br />
von ihren professionellen Beobachtungen am Telefon zu trennen. Dies<br />
spiegelt sich zum Teil in den wiedergegebenen Zitaten.<br />
Beginnen wir die Schilderung der Interviewergebnisse mit den Aussagen<br />
weiblicher Coachs. Sie erwarten vielleicht, dass es zumindest<br />
innerhalb der Gruppe der weiblichen und männlichen Coachs jeweils<br />
ähnliche Sichtweisen auf das Thema gibt. – Bei den Frauen unter den<br />
Coachs ist das jedoch nicht der Fall:<br />
Meine Erfahrung ist, dass Frauen beim <strong>Coaching</strong> am Telefon eher<br />
gebremst werden müssen, ich also häufiger unterbrechen, auf den<br />
Punkt bringen, und strenger auf die Zeit achten muss als bei Männern.<br />
Männer brauchen im Unterschied dazu häufiger Ermunterung<br />
quantitativ mehr zu reden. Und natürlich gibt es Ausnahmen, also<br />
auch Männer, die am Telefon viel reden. Sodann öffnen sich Männer<br />
am Telefon qualitativ tiefer und schneller als im Präsenz<strong>Coaching</strong>,<br />
denn dank des Telefons können sie im wahrsten Sinne des Wortes<br />
„das Gesicht nicht verlieren“. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass<br />
Männer am Telefon ein kritisches Feedback leichter annehmen als im<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong>.<br />
Diese Aussage bestätigt eines der oben beschriebenen Klischees zur<br />
geschlechtsspezifischen Kommunikation: Frauen reden mehr als Männer.<br />
Und die Beobachtung, dass Männer am Telefon offener sind für<br />
kritische Rückmeldungen, bestätigt auch die zweite befragte Kollegin:<br />
Meine Erfahrung ist, dass ich als Frau Männern besonders gut am<br />
Telefon Feedback geben kann, weil sexuelle Ablenkung/Attraktion<br />
wegfällt. Männer sind von mir als Frau nicht abgelenkt. Mir scheint,<br />
Männer sind dann leichter emotional berührbar. Es können Bilder<br />
und Phantasien entstehen. Auch heikle Themen finden leichter<br />
Raum, weil man nicht gesehen wird.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
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(Maren Kaiser)<br />
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Die dritte Kollegin beschreibt allerdings genau die entgegengesetzte<br />
Erfahrung:<br />
Ich erlebe am Telefon kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern.<br />
Bei Frauen ist anfänglich eine eher vorsichtige Haltung spürbar,<br />
während Männer in der Regel durchaus zielgerichtet und fest wirken.<br />
Das ändert sich im Laufe des <strong>Coaching</strong>s dahingehend, dass Frauen<br />
sich in psychologischen Sphären wohler fühlen und sicherer werden<br />
und Männer zunächst ihre "rationale Bastion" zu verlieren glauben<br />
und sich dann eher vorantasten. Im weiteren Verlauf gleicht sich das<br />
aber aus und durch die entstehende Vertrautheit entwickelt sich bei<br />
beiden Geschlechtern eine gute Bereitschaft zur Veränderung.<br />
Unterschiede erlebe ich in den Themenbereichen. Frauen sind sehr<br />
viel offener und bereiter, über partnerschaftliche Themen zu reflektieren.<br />
Hier ist bei Männern anfänglich die Zurückhaltung sehr deutlich.<br />
In beruflichen Themen erlebe ich bei Männern relativ großen<br />
Widerstand, Unzulänglichkeiten in der Führungsqualität anzusprechen<br />
und zuzugeben. Frauen sind bei diesem Thema sehr viel<br />
offener.<br />
Eine ähnliche Erfahrung wie in dem letzten Zitat, dass der Einstieg<br />
in den <strong>Coaching</strong>-Prozess mit Männern und Frauen am Telefon unterschiedlich<br />
ist, findet sich auch bei der vierten Kollegin:<br />
Männer sind sehr zielorientiert und kommen am Telefon sofort auf<br />
den Punkt. Frauen brauchen eine emotionale Abholung und der<br />
Kontaktaufbau benötigt mehr Zeit. Diesen Unterschied erlebe ich im<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong> sogar noch ausgeprägter. Nach dem Kontaktaufbau<br />
lassen sich Frauen allerdings schneller und tiefer als Männer auf<br />
ihre Themen ein. Frauen sind in Bezug auf einen Methodenwechsel<br />
flexibler als Männer. Da sie die größere Phantasie haben, fällt es<br />
ihnen leichter, mit abstrakten Methoden, wie z. B. dem Inneren<br />
Team 57 , zu arbeiten. Männer benötigen möglichst konkrete Methoden.<br />
Sie haben auch die größere Skepsis, ob etwas „funktioniert“.<br />
Frauen sind eher bereit etwas Neues auszuprobieren. Trotz dieser<br />
Unterschiede arbeite ich mit den gleichen Methoden bei Frauen und<br />
Männern. Ein weiterer Vorteil des Telefons ist das Wegfallen der<br />
gegenseitigen Geschlechteranziehung und der dadurch vielleicht entstehenden<br />
Verwirrung.<br />
57 Vgl. Rudern in die gleiche Richtung – Arbeit mit dem Inneren Team, S. 210 ff.<br />
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(Maren Kaiser)<br />
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Bei der letzten befragten Kollegin taucht erneut der Aspekt auf, dass<br />
es Männern am Telefon leichter fallen kann, sich zu ihren Gefühlen zu<br />
bekennen:<br />
Es ist kein wesentlicher Unterschied, ob ich einen Mann oder eine<br />
Frau am Telefon coache. Ich arbeite als „Intuition“, nicht als Frau.<br />
Es scheint allerdings, dass es Männern am Telefon, wenn ihnen keiner<br />
ins Gesicht schaut, leichter fällt über Gefühle zu sprechen. Andererseits<br />
wird der Wunsch nach Präsenz- statt Tele<strong>Coaching</strong> häufiger<br />
von Männern als von Frauen an mich herangetragen.<br />
Die Palette der Erfahrungen der weiblichen Coachs reicht also von<br />
„kaum ein Unterschied zwischen Männern und Frauen“, was sich mit<br />
meiner persönlichen Erfahrung deckt, über „die gleichen Unterschiede<br />
wie auch sonst“ bis hin zu „bestimmte Themen sind für Männer am<br />
Telefon leichter anzusprechen als im Präsenz<strong>Coaching</strong>“. Die letzte<br />
Aussage weist nicht nur auf einen Geschlechterunterschied hin, sondern<br />
auch auf einen generellen Vorteil des Tele<strong>Coaching</strong>s gegenüber<br />
dem Präsenz<strong>Coaching</strong>, nämlich der Möglichkeit, „das Gesicht zu wahren“,<br />
was möglicherweise für Männer eine größere Bedeutung hat als<br />
für Frauen.<br />
Lassen Sie sich nun überraschen, was männliche Coachs zu diesem<br />
Thema sagen!<br />
Die meisten Antworten sind deutlich kürzer ausgefallen, als die der<br />
Frauen. Vielleicht eine Bestätigung des Klischees, dass Frauen mehr<br />
reden als Männer? Oder hatten die Männer bereits ihre 4.000 Worte an<br />
diesem Tag aufgebraucht? Nein, es hängt mit den Beobachtungen der<br />
Kollegen zusammen:<br />
Am Telefon treten die gleichen Unterschiede zwischen Frauen und<br />
Männern auf wie im Präsenz<strong>Coaching</strong>. Im Bereich des Business-<br />
<strong>Coaching</strong>s habe ich mehr Männer im Tele<strong>Coaching</strong>. Geht es um<br />
Beziehungsthemen, sind es mehr Frauen. Im Business<strong>Coaching</strong> gibt<br />
es Unterschiede bei den Themen, die angesprochen werden. Die<br />
Themen der Frauen sind vor allem Abgrenzung, Selbstbewusstsein,<br />
zwischenmenschliche Konflikte. Die Themen der Männer sind eher<br />
operativ: wie gewinne ich mehr Kunden, wie verdiene ich mehr Geld,<br />
wie setze ich mich durch?<br />
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TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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Ein weiterer Kollege nimmt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />
wahr:<br />
Ich habe eine Vielzahl von Gesprächen mit beiderlei Geschlecht am<br />
Telefon geführt und kann rückblickend keine grundsätzlichen<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede feststellen.<br />
Ein anderer nur die, die er auch im Präsenz<strong>Coaching</strong> erlebt:<br />
Bei meinen Klienten sind Frauen und Männer gleich häufig im Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> vertreten. Ich kann keine anderen geschlechtsspezifischen<br />
Unterschiede feststellen als die, die ich auch im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
erlebe.<br />
Eine sehr differenzierte Wahrnehmung zu Geschlechtsunterschieden<br />
am Telefon hat der nachfolgende Kollege:<br />
Frauen sind feinfühliger dafür, wer sie wirklich sind. Das macht die<br />
Arbeit mit ihnen am Telefon leichter als mit Männern. Ausnahmen<br />
dazu erlebe ich bei Unternehmerinnen. In der Regel reicht im Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> mit Frauen ein erster Impuls für Veränderung, dann kommen<br />
sie in ihre Kraft. Sie merken, dass sie alles, was sie brauchen, in<br />
sich tragen, und laufen los. Hier hat das Telefon den großen Vorteil,<br />
dass ich als Coach mit meiner Persönlichkeit nicht im Weg stehe. Es<br />
ist gut bei Frauen als Coach unsichtbar zu sein.<br />
Männer wollen dagegen möglichst konkrete und handfeste Dinge, die<br />
weit über einen ersten Impuls für Veränderung hinausgehen:<br />
Ratschläge, Tipps, Struktur, sofortige Ergebnisse, Kontrolle. So verabrede<br />
ich mit Männern z. B. tägliche Rückmeldungen von ihnen.<br />
Bleiben die aus, fasse ich nach. Für diesen engen zeitlichen Kontakt,<br />
den Männer oft wollen, ist das Tele<strong>Coaching</strong> ideal. Dann beobachte<br />
ich, dass Männer im Schutzraum des Telefons und von Mann zu<br />
Mann sehr offen mit Themen wie Ehekrise, Sex etc. umgehen. Was<br />
nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie auch über ihre damit verbundenen<br />
Gefühle sprechen. Das fällt Männern generell schwerer als<br />
Frauen, ist für sie am Telefon jedoch einfacher als im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong>.<br />
Der Einstieg in Körperarbeit fällt am Telefon generell beiden<br />
Geschlechtern leichter als im Präsenz<strong>Coaching</strong>, weil der Klient sich<br />
unbeobachtet weiß. Besonders profitieren hiervon jedoch Männer, da<br />
sie in der Regel sehr viel ungeübter sind in sich hineinzuspüren, ihre<br />
Wahrnehmungen zu beschreiben und eine größere Hemmschwelle<br />
haben, sich auf diese Art der Arbeit einzulassen.<br />
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III WIE geht Tele<strong>Coaching</strong>? – Ein Ratgeber für die Praxis<br />
TelefonSEX – Frauen, Männer & das Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
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Ein Kollege berichtet aus einem Gruppen<strong>Coaching</strong> im Business-<br />
Kontext am Telefon:<br />
In einer Gruppe von elf Männern und einer Frau hat die Frau ihre<br />
Grund-Emotion Einsamkeit auch sehr deutlich im Tele<strong>Coaching</strong><br />
erlebt. Vergleichbare Emotionen waren bei den Männern sehr viel<br />
weniger ausgeprägt, bzw. gar nicht zu bemerken. Im Übrigen haben<br />
beide Geschlechter sehr frei über ihre Erfahrungen gesprochen.<br />
Bei den befragten Kollegen fallen die Antworten also deutlich ähnlicher<br />
aus als bei den Kolleginnen. Sie haben überwiegend keine<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede im Tele<strong>Coaching</strong> festgestellt oder<br />
keine anderen als im Präsenz<strong>Coaching</strong>. Was könnte das bedeuten? Sind<br />
Frauen in der Regel sensibler dafür solche kommunikativen Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern wahrzunehmen? Coachen Männer<br />
anders als Frauen, so dass geschlechtsspezifische Unterschiede nicht<br />
zum Tragen kommen? Ich hatte Ihnen ja angekündigt - wir werfen<br />
mehr Fragen auf, als wir beantworten.<br />
Fazit – Trauen Sie Ihren eigenen Ohren<br />
Lassen Sie uns zum Abschluss dieses Kapitels schauen, ob sich im<br />
entstandenen Mosaik, dem noch viele Steinchen fehlen, erste Strukturen<br />
abzeichnen.<br />
Gleichen wir zunächst unsere Behauptungen vom Anfang mit den<br />
geschilderten Erfahrungen der Kollegen ab. Dem Leser mit wissenschaftlichem<br />
Anspruch mag dies wie „Kaffeesatz lesen“ vorkommen –<br />
zu Recht! Wir nehmen uns die Freiheit, es dennoch zu tun.<br />
1. These<br />
Tele<strong>Coaching</strong> geht nur mit und unter Frauen, denn Männer nutzen<br />
das Telefon ausschließlich zur Informationsübermittlung, Frauen<br />
dagegen zur Beziehungspflege.<br />
Diese Behauptung ist offensichtlich falsch. Schon deswegen, weil es<br />
viele männliche Klienten und TeleCoachs gibt. Und gerade männliche<br />
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Klienten scheinen von der Möglichkeit, am Telefon das Gesicht wahren<br />
zu können, zu profitieren, indem sie sich leichter auf emotionale<br />
Aspekte oder Körperarbeit einlassen können. Eine Beobachtung, die<br />
von den weiblichen Coachs und einem männlichen Coach gleichermaßen<br />
gemacht wurde. Ist das nur ein Effekt des Telefons? Möglicherweise<br />
liegt die Ursache zusätzlich auch darin, dass Männer leichter mit<br />
einem weiblichen Coach über ihre Gefühle sprechen. Oder weibliche<br />
Coachs lenken die Aufmerksamkeit ihrer Klienten häufiger auf<br />
Gefühle, da sie im Beziehungsbereich und damit auch bei den Emotionen<br />
kommunikativ ihr Heimspiel haben (Schulz von Thun in Krummbier<br />
2006).<br />
2. These<br />
Am Telefon steht der Mensch im Vordergrund, nicht das<br />
Geschlecht. Da Klient und Coach sich nicht sehen, können sie auch<br />
nicht durch eine besonders attraktive äußere Erscheinung, vielleicht<br />
sogar erotische oder aber auch besonders unangenehme Ausstrahlung<br />
des jeweils anderen Geschlechts abgelenkt werden.<br />
Ein äußerlich sehr attraktives, genauso wie ein extrem unattraktives<br />
Gegenüber stellt, anders als im Präsenz<strong>Coaching</strong>, beim Tele<strong>Coaching</strong><br />
weniger Ablenkung dar. Denn es fehlt ja schließlich der visuelle Eindruck.<br />
Diesen Vorteil haben zwei der befragten Kolleginnen auch<br />
benannt. Anderseits wird Attraktion und sexuelle Anziehung natürlich<br />
auch über die Stimme transportiert, kann also auch am Telefon wirken.<br />
Wir gehen jedoch davon aus, dass dieser Effekt deutlich geringer ist, da<br />
wir „Augentiere“ sind und sehr stark auf visuelle Reize reagieren. Fakt<br />
ist, dass über die Stimme am Telefon häufig ein anderer Eindruck vermittelt<br />
wird bzw. der Mensch am anderen Ende der Leitung sich ein<br />
anderes Bild macht als bei einer persönlichen Begegnung. Jeder von<br />
uns kennt den manchmal auftretenden Überraschungseffekt bei einer<br />
persönlichen Begegnung mit Menschen, die wir vorher nur vom Telefon<br />
kannten. Unbewusst haben wir uns ein inneres Bild vom anderen<br />
gemacht. Wenn wir die Person dann sehen, sind wir überrascht, obwohl<br />
wir dieses innere Bild gar nicht klar hätten beschreiben können.<br />
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Persönlich mache ich häufiger die Erfahrung, dass mich Menschen am<br />
Telefon aufgrund meiner Stimme für deutlich jünger halten als ich<br />
tatsächlich bin. Welches erste Bild "richtiger" ist, jenes durch die<br />
Stimme am Telefon oder jenes durch eine persönlichen Begegnung<br />
vermittelte, sei dahingestellt. In der Regel ist es so, dass sich dieser erste<br />
Eindruck im Zuge des <strong>Coaching</strong>-Prozesses, genau wie bei jeder<br />
anderen persönlichen Begegnung zwischen zwei Menschen, verändert.<br />
3. These<br />
Wenn ich glaube, dass es einen geschlechtsspezifischen Unterschied<br />
in der Kommunikation am Telefon gibt, werde ich auch genau diesen<br />
finden. Bin ich vom Gegenteil überzeugt, finde ich auch das Gegenteil.<br />
Ob diese Aussage wirklich so zutrifft, lässt sich aufgrund obiger<br />
Erfahrungssammlung nicht beurteilen. Sicher ist aber, dass am Telefon,<br />
wie auch in einer persönlichen Begegnung, unsere Wahrnehmungsfilter<br />
wirksam sind. Wir registrieren also bevorzugt die Dinge, die mit unseren<br />
Annahmen konform gehen und überhören zunächst das, was nicht<br />
in unser Bild passt. Und natürlich sollte ein Coach – egal, ob am Telefon<br />
oder im Präsenz<strong>Coaching</strong> – sehr geübt darin sein, seine persönlichen<br />
Wahrnehmungsfilter auszuschalten und offen für alles zu sein,<br />
was sein Klient an Botschaften sendet.<br />
Welche weiteren Hinweise glauben wir in unserem Mosaik zu erkennen?<br />
Vielleicht den, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der<br />
Kommunikation am Telefon von weiblichen Coachs eher wahrgenommen<br />
werden als von männlichen. Aber gibt es sie wirklich oder<br />
sind sie das Produkt der eigenen Vorannahme? Sie sehen, das Mosaik<br />
bedarf der Ergänzung, ist noch sehr lückenhaft und bietet nicht viel<br />
mehr als Interpretationsmöglichkeiten. Es gibt mehr Ausnahmen als<br />
Regeln und es kann jedes Mal ganz anders sein.<br />
Entscheidend ist unserer Meinung nach, dass Coach und Klient<br />
davon überzeugt sind, dass Tele<strong>Coaching</strong> einen genau so großen Nutzen<br />
bringt wie Präsenz<strong>Coaching</strong>. Geschlechtsspezifische Kommunikationsunterschiede<br />
spielen dann eine genau so kleine oder große Rolle<br />
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wie im Präsenz<strong>Coaching</strong>. Mit Sicherheit bietet das Telefon aufgrund<br />
des Nicht-Sehens einen zusätzlichen Schutzraum, der bei bestimmten<br />
Themen mehr Tiefe ermöglichen kann.<br />
Sollten wir Sie mit unseren Überlegungen zum Widerspruch gereizt<br />
haben, freuen wir uns. Ist es uns doch damit gelungen, das Thema in<br />
Ihr Bewusstsein zu rücken. Und sollten Sie Coach sein – trauen Sie<br />
Ihren eigenen Ohren!<br />
Tele<strong>Coaching</strong> ?! – Das<br />
klingt interessant.<br />
Treffen wir uns, um<br />
das näher zu<br />
besprechen!<br />
Gerne, aber<br />
am Telefon!<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
__________________________________________________<br />
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –<br />
Interventionen und Methoden am Telefon<br />
(Maren Kaiser)<br />
Kürzlich habe ich zu einem eigenen Problem bei einem befreundeten<br />
Coach-Kollegen Hilfe gesucht. Da wir beide zeitlich sehr eingebunden<br />
sind und uns eine dreiviertel Stunde Fahrtzeit voneinander trennt, habe<br />
ich ihm angedeutet, dass er auch gerne mit mir über das Telefon arbeiten<br />
könne. Wie aus der Pistole geschossen kam der Einwand, dass er<br />
meine Körpersprache sehen müsse. So ist es im Moment noch oft!<br />
Wenn wir <strong>Coaching</strong> am Telefon vorschlagen, ist die erste Reaktion<br />
häufig Skepsis oder "Geht das denn überhaupt?" oder sogar klare<br />
Ablehnung. Diese Reaktion erleben wir bei potenziellen Klienten und<br />
Personalentwicklern. Wie das obige Beispiel zeigt, glauben aber auch<br />
(noch) viele Coachs, dass sie am Telefon einen großen Teil Ihres<br />
Handwerkszeugs nicht einsetzen können.<br />
Die praktischen Vorteile des Tele<strong>Coaching</strong>s liegen auf der Hand,<br />
wurden sie doch, ebenso wie die Grenzen, ausführlich in Kapitel II<br />
beschrieben. Jetzt treten wir an, Ihnen an ausgewählten Beispielen zu<br />
zeigen, dass sich sehr viele Methoden des klassischen Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong>s auf das Tele<strong>Coaching</strong> übertragen lassen. In den meisten<br />
Fällen müssen sie nur geringfügig adaptiert werden. Coachs möchten<br />
wir ermuntern, sich vom Nicht-Sehen zu kreativen Erneuerungen Ihrer<br />
Methoden inspirieren zu lassen. Personalentwickler und <strong>Coaching</strong>-<br />
Klienten wollen wir einladen, die Möglichkeiten des Tele<strong>Coaching</strong>s zu<br />
erproben.<br />
Wir gehen bei unserer Arbeit als TeleCoachs - gestützt auf langjährige<br />
Erfahrung - davon aus, dass alles geht, bei dem der Coach den Klienten<br />
nicht berühren muss, und selbst in solchen Fällen lässt sich häufig die<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
__________________________________________________<br />
Berührung durch den Coach durch andere Reize oder dadurch, dass<br />
sich der Klient selbst berührt, substituieren.<br />
Wir stellen die Hypothese auf: „Die einzige Grenze des Tele-<br />
<strong>Coaching</strong>s ist die Beschränkung des Coachs, der seine Methoden nicht<br />
transferieren und an die besonderen Gegebenheiten des Telefons<br />
anpassen kann.“ Mit kreativen Ideen und Übung wird es möglich, dem<br />
Klienten am Telefon ganz neue Erfahrungsräume zu eröffnen – eben<br />
(Tele-) „<strong>Coaching</strong> unlimited“.<br />
Zeigen wollen wir Ihnen dies zunächst anhand sprachlicher Interventionen.<br />
Dies können sich die meisten Coachs noch vorstellen –<br />
allerdings in der Regel mit der Einschränkung, dass sie den Klienten<br />
schon aus dem Präsenz<strong>Coaching</strong> kennen müssen. In einem zweiten<br />
Kapitel, Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer, gehen wir einige Stufen<br />
höher auf der Erfolgsleiter des Tele<strong>Coaching</strong>s und wenden uns der<br />
Herausforderung zu, Methoden, die den Körper aktiv einbeziehen, auf<br />
das Telefon zu übertragen.<br />
Wir beginnen die Betrachtung sprachlicher Interventionen am Telefon<br />
mit The Work von Byron Katie, einem System von Fragen, um<br />
Stress verursachende Gedankenmuster zu erschüttern und zu verändern.<br />
Neben der kurzfristigen Relativierung von Stress auslösenden<br />
Situationen zielt diese Methode auf eine langfristige Veränderung von<br />
Denkstrukturen, Glaubenssätzen und mentalen Konzepten ab. Dies<br />
erfordert eine kontinuierliche, wiederkehrende Auseinandersetzung mit<br />
diesen Denkmustern – nicht umsonst heißt die Methode „The Work“<br />
– die Arbeit. Gerade bei solchen kontinuierlichen Prozessen kommen<br />
die praktischen Vorteile des Telefons zum Tragen. Der Klient kann,<br />
unterstützt von seinem Coach, fortlaufend am Ball bleiben, ohne zusätzlichen<br />
Aufwand durch Reisezeiten etc. zu haben.<br />
Appreciative Inquiry ist ursprünglich eine Methode, um<br />
Gruppen in Veränderungsprozessen zu begleiten, und wurde<br />
mittlerweile auch für das Einzel<strong>Coaching</strong> angepasst. Mit Appreciative<br />
Inquiry wird die Aufmerksamkeit vollständig auf positive Erlebnisse<br />
und Erfahrungen gerichtet. Potenziale und Stärken von Menschen und<br />
Organisationen werden beleuchtet. Die Aufmerksamkeit wird darauf<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
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gelenkt, was bereits funktioniert. Analysiert werden Erfolgsfaktoren<br />
anstelle von Problemen. Anhand dieses Ansatzes zeigen wir, wie<br />
Prozesse mit Gruppen am Telefon gestaltet werden können. Hier wird<br />
deutlich, worauf es bei der Arbeit mit AI in Gruppen am Telefon<br />
ankommt.<br />
Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) ist eine Sammlung<br />
sehr effektiver Methoden, die auf ein optimales Selbstmanagement,<br />
konstruktive Kommunikation, Ressourcenaktivierung und Zielerreichung<br />
ausgerichtet sind. NLP hat breiten Eingang in das <strong>Coaching</strong> und<br />
auch in die Ausbildung von Führungskräften gefunden. Wir stellen<br />
Ihnen vor, wie sowohl rein sprachliche als auch den Körper einbeziehende<br />
Interventionen auf das Telefon transferiert werden können.<br />
Trancen können in jedem <strong>Coaching</strong>-Prozess, also auch am Telefon,<br />
beabsichtigt oder unbeabsichtigt eine Rolle spielen. Denn Menschen<br />
gehen spontan in Trance – ein alltägliches Phänomen. Wir wollen darlegen,<br />
wie Trancen beim Tele<strong>Coaching</strong> einbezogen werden können und<br />
auch klar die Grenzen benennen.<br />
Die Arbeit mit dem Inneren Team, einem Modell unserer inneren<br />
Stimmen bzw. Persönlichkeitsanteile, die wir alle haben, eignet sich<br />
aufgrund der Parallelität zwischen den Dynamiken in realen Arbeitsteams<br />
und im Inneren Team hervorragend für das Business<strong>Coaching</strong>.<br />
An diesem Beispiel wird deutlich, dass auch eine Methode, die sehr<br />
ausgeprägt mit visuellen Elementen arbeitet – die Mitglieder des Inneren<br />
Teams werden aufgezeichnet – mit geringem Aufwand auf das<br />
Telefon transferiert werden kann.<br />
Mit all diesen Beispielen wollen wir Sie inspirieren und ermutigen, die<br />
verschiedensten sprachlichen Methoden und Interventionen selbst auf<br />
das Telefon zu übertragen und eigene Erfahrungen zu sammeln.<br />
Dann setzen wir unsere Darstellung des Methodentransfers mit solchen<br />
Methoden fort, die den Körper aktiv einbeziehen. Warum<br />
beschränken wir uns nicht einfach auf rein sprachliche Interventionen?<br />
Die Antwort lautet Methodenvielfalt und „Lieblingsmethoden“ des<br />
Coachs. Warum uns beides wichtig ist, erfahren Sie am Anfang des<br />
Kapitels Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer. Darin setzen wir uns<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
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exemplarisch mit folgenden Methoden, die aus dem Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
bekannt sind, auseinander:<br />
wingwave-<strong>Coaching</strong> ist eine sehr wirkungsvolle Kurzzeit-Intervention.<br />
Aufgrund ihrer großen Wirksamkeit ist es äußert attraktiv, sie<br />
auch am Telefon einzusetzen. Wir werden zeigen, wie dies gehen kann,<br />
obwohl die Methode u. a. auf visuellen und kinästhetischen Reizen<br />
beruht – nämlich durch Winken herbeigeführte Augenbewegungen.<br />
Zusätzlich kommt ein kinesiologischer Muskeltest zum Einsatz. wingwave-<strong>Coaching</strong><br />
am Telefon ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie wir<br />
mit Kreativität und kleinen Kniffen Methoden auf das Telefon übertragen<br />
können.<br />
Mit dem kinästhetischen NLP gehen wir den nächsten Schritt zur<br />
Erweiterung der Methodenvielfalt am Telefon. Anhand der Walt-<br />
Disney-Strategie erleben Sie, wie eine weitere Variante der Arbeit mit<br />
Persönlichkeitsanteilen – die erste ist das Innere Team – am Telefon<br />
realisiert werden kann. Gleichzeitig ist diese Arbeit auch schon eine<br />
Form der Aufstellung am Telefon. Aufstellungen dienen dazu,<br />
Beziehungen in Systemen sichtbar zu machen. In der systemischen<br />
Strukturaufstellung werden nicht nur Personen, sondern z. B. auch<br />
Persönlichkeitsanteile, Organisationen, Teams, Ziele, Ideen, Hindernisse,<br />
Produkte, Aufgaben etc., eigentlich alles, was im Kontext der<br />
Fragestellung des Klienten bedeutungsvoll erscheint, aufgestellt. Verblüffend<br />
ist bereits, was im Präsenz<strong>Coaching</strong> mit Aufstellungen möglich<br />
wird. Wir zeigen Ihnen, dass diese Methode, unter anderem softwareunterstützt,<br />
auch am Telefon hervorragend funktioniert.<br />
Mit Focusing und EDxTM TM betrachten wir zwei weitere körperorientierte<br />
Methoden. Beide Methoden haben neben dem körperlichen<br />
auch einen energetischen Aspekt. Focusing nutzt die innere Stimme,<br />
die sich in Körpergefühlen und Empfindungen ausdrückt. Das damit<br />
verbundene energetische Entwicklungspotenzial, das in einem Thema<br />
steckt, wird aktiviert. EDxTM TM wirkt über das Klopfen von Meridianpunkten<br />
auf Energiezustände ein, die durch Probleme in Disharmonie<br />
geraten sind. Überraschend ist, dass es beim Focusing am Telefon<br />
überhaupt keine Einschränkungen gibt. Beim EDxTM TM wachsen die<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
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Anforderungen an den Coach am Telefon, da er sich statt auf kinesiologische<br />
Muskeltests verstärkt auf seine Intuition verlassen muss.<br />
Die Beispiele für den Transfer von Methoden aus dem Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> auf das Tele<strong>Coaching</strong> beginnen jeweils mit einem Brückenschlag<br />
zum Tele<strong>Coaching</strong>, gefolgt von einer auf das Wesentliche<br />
beschränkten kurzen Methodeneinführung. So ist sichergestellt, dass<br />
alle Leser ein gleiches Grundverständnis von der Methode haben.<br />
Daran schließt sich ein Abschnitt an, in dem auf die Besonderheiten im<br />
Tele<strong>Coaching</strong> eingegangen wird. Ergänzend gibt es einzelne Erfahrungsberichte,<br />
um zu zeigen wie die Arbeit am Telefon ganz konkret<br />
erfolgen kann.<br />
In beide Kapitel fließen Erfahrungen von Kollegen, die eigenen<br />
Erfahrungen der Autorin sowie theoretische Überlegungen ein. Dieser<br />
Basis und der persönlichen Vorliebe der Autorin für bestimmte<br />
Methoden ist geschuldet, dass die einzelnen Methoden unterschiedlich<br />
lang und detailliert beschrieben werden.<br />
Den Kolleginnen und Kollegen, die mir ihr Wissen zur Verfügung<br />
gestellt und teilweise sogar eigene Textpassagen beigesteuert haben,<br />
danke ich ganz herzlich.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Wirksamkeit am Telefon entfalten –<br />
Sprachliche Interventionen<br />
Auf dem Feld der persönlichen Entwicklung gibt es eine große Vielfalt<br />
an <strong>Coaching</strong>-Methoden, die rein sprachlicher Natur sind. Nachfolgend<br />
werden einige dieser Methoden exemplarisch aufgegriffen, um zu<br />
zeigen, wie sich diese am Telefon einsetzen lassen und worauf es dabei<br />
ankommt.<br />
Die meisten dieser Methoden sind in zahlreichen Büchern zum<br />
Thema <strong>Coaching</strong> beschrieben worden. Es ist per se klar, dass die gängigen<br />
sprachlichen Muster und Interventionen wie z. B. Paraphrasieren,<br />
Zusammenfassen, Unterbrechen, unterschiedlichste Fragearten, Feedback,<br />
Perspektivenwechsel, Reframing 58 etc. auch am Telefon genutzt<br />
werden können. Sie werden im Folgenden daher nicht besprochen.<br />
Manche dieser Interventionen können jedoch zusätzlich durch körperliche<br />
Aktivitäten unterstützt werden. Dies kann z. B. beim Perspektivenwechsel<br />
oder bei einer Entscheidungsfindung durch das Verwenden<br />
von zwei Stühlen oder Bodenankern erfolgen. Doch dazu später mehr<br />
im Kapitel Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer.<br />
Worauf es grundsätzlich beim <strong>Coaching</strong> am Telefon und bei den rein<br />
sprachlichen Interventionen seitens des Coachs ankommt, wurde<br />
bereits in den Kapiteln Coachen auf der Tonspur – Der Tele<strong>Coaching</strong>-Prozess<br />
und Ganz Ohr – Die Kunst des Zuhörens ausführlich dargestellt. Es soll<br />
hier daher nicht weiter Thema sein.<br />
58 Positive Umdeutung einer Situation, Absicht, Handlung, eines Gefühls, eines<br />
Gedankens etc.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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The Work von Byron Katie<br />
The Work ist ein System von Fragen, das dazu dient Stress auslösende<br />
mentale Konzepte außer Kraft zu setzen. Die Grundidee der Methode<br />
geht davon aus, dass unsere Überzeugungen oft im Widerspruch zur<br />
Realität stehen bzw. wir uns wünschen, die Realität sei anders als sie ist.<br />
Wir klammern uns an Gedanken bzw. Gedankenfolgen, erzeugen<br />
Geschichten über unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und<br />
reden uns ein, dass diese wahr sind. Indem die Gedankenfolgen, die<br />
uns Leid verursachen, mit der Methode hinterfragt werden, lösen sie<br />
sich auf und gleichzeitig auch die damit verbundenen negativen Emotionen.<br />
Denn wir begreifen, dass es keine absolute Wahrheit gibt und<br />
auch andere Perspektiven und Sichtweisen möglich sind. So gewinnen<br />
wir die Flexibilität und Freiheit, die Dinge zu akzeptieren wie sie sind<br />
und adäquat damit umzugehen (IFAPP 2008).<br />
Diese Methode ist zum Selbst<strong>Coaching</strong> geeignet, entfaltet aber sehr<br />
viel mehr Kraft und Wirksamkeit, wenn ein Coach den Klienten<br />
begleitet, wie ich aus eigener Erfahrung mit der Methode sowohl als<br />
Klientin als auch als Coach berichten kann. Die in Stress auslösenden<br />
Momenten wirksam werdenden mentalen Konzepte und Gedankenfolgen<br />
haben häufig ein sehr großes Beharrungsvermögen – wir fallen<br />
immer wieder darauf herein. Dem liegt eine wunderbar etablierte neuronale<br />
„Datenautobahn“ zugrunde. Daher benötigen wir für das Verlernen<br />
und Neulernen solcher Gedankenfolgen relativ viel Zeit – mindestens<br />
drei Wochen, regelmäßiges Üben im Dreitageabstand vorausgesetzt.<br />
Erst dann ist eine neue gut befahrbare Datenstraße im Gehirn<br />
durch Auflösen der alten und Wachsen neuer Verknüpfungen zwischen<br />
den Gehirnzellen entstanden. Dieser kontinuierliche Umlernprozess<br />
lässt sich hervorragend durch Tele<strong>Coaching</strong> unterstützen.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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The Work im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Zunächst werden die eigenen belastenden und Stress auslösenden<br />
Gedanken auf einem speziellen Arbeitsblatt 59 aufgeschrieben. Es können<br />
Gedanken über den Klienten selbst sein, aber auch Gedanken, die<br />
sich auf Situationen mit anderen Menschen beziehen. Anschließend<br />
werden diese Gedanken mit vier Fragen auf ihren Wahrheitsgehalt und<br />
ihre Wirkung untersucht:<br />
• Ist das wahr?<br />
• Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?<br />
• Wie reagieren Sie? Was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben?<br />
• Wer wären Sie ohne diesen Gedanken?<br />
Anschließend werden diese Gedanken umgekehrt, jeweils mindestens<br />
drei Beispiele für die Umkehrung gesucht und hinterfragt, ob diese<br />
genau so wahr oder sogar wahrer sind als die Ausgangsgedanken.<br />
Der Stress verursachende Gedanke wird folgendermaßen umgekehrt:<br />
1. bezogen auf sich selbst,<br />
2. bezogen auf den anderen,<br />
3. in sein Gegenteil.<br />
Dies lässt sich am besten anhand eines Beispiels verstehen 60 :<br />
„Er sollte mir besser zuhören“ wird beispielsweise zu:<br />
1. „Ich sollte mir selbst besser zuhören.“<br />
2. „Ich sollte ihm besser zuhören.“<br />
3. „Er sollte mir nicht besser zuhören.“<br />
59 Zu finden unter http://www.thework.com/deutsch/thework.asp#1.<br />
60 In Anlehnung an Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/The_Work_of_Byron_<br />
Katie.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Für die erste Umkehrung „Ich sollte mir selbst besser zuhören“ zeigen<br />
folgende Beispiele, dass dieser neue Gedanke genauso wahr oder<br />
wahrer ist als der ursprüngliche Gedanke:<br />
„Ich habe meine Wünsche nicht klar ausgedrückt, habe also mir<br />
selbst nicht so zugehört, dass ich es gut weitergeben konnte.“<br />
„Ich habe schon lange gedacht, dass ich mehr Sport machen will,<br />
habe dies aber nicht umgesetzt, also mir und meinen Bedürfnissen<br />
nicht zugehört.“<br />
„Wenn ich auf meine innere Stimme gehört und vertraut hätte, wäre<br />
mir diese Fehlentscheidung nicht passiert.“<br />
Entsprechend werden weitere Beispiele für die anderen Umkehrungen<br />
gefunden. Als Ergebnis relativieren sich durch dieses Vorgehen die<br />
Ursprungsgedanken. Die damit verbundenen Emotionen wie Wut,<br />
Verletztheit, Traurigkeit etc. lösen sich auf und der Klient entwickelt<br />
neue Handlungsmöglichkeiten für diese Art von Situationen.<br />
In der Regel wird The Work vorbereitet, indem der Klient vorher den<br />
Arbeitsbogen ausfüllt, also schon die Situation analysiert und reflektiert.<br />
Der Coach lässt sich dann den Arbeitsbogen vorlesen. In dieser<br />
Phase kann der Coach durch Nachfragen mehr Tiefe in den Überlegungen<br />
des Klienten erzeugen und die Aufmerksamkeit dahin lenken,<br />
wo der Klient sich nicht mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontieren<br />
will oder wo er seinen blinden Fleck hat. Dann werden die Gedanken<br />
und Aussagen, die die stärkste Wirkung haben oder die stärksten<br />
oder unangenehmsten Emotionen beim Klienten auslösen, in der oben<br />
beschriebenen Weise hinterfragt. Manchmal reicht es aus The Work nur<br />
mit diesem einen Gedanken durchzuführen. Manchmal kann es auch<br />
erforderlich sein, weitere Gedanken, die der Klient auf dem Arbeitsblatt<br />
festgehalten hat oder die ggf. im Laufe des Prozesses neu dazu<br />
gekommen sind, ebenfalls noch zu bearbeiten.<br />
Die Methode lässt sich aber auch spontan ohne schriftliche Vorbereitung<br />
des Klienten anwenden, z. B. um einen Glaubenssatz, der den<br />
Klienten behindert, zu erschüttern und zu verändern.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Was gilt es bei The Work am Telefon zu beachten?<br />
In der Regel wird der Klient befragt, welche Stress auslösenden<br />
Gedanken die größte Wirkung haben. Bei vielen davon ist es für den<br />
Klienten hilfreich, die Wahrnehmung des Coachs zusätzlich gespiegelt<br />
zu bekommen. Wichtig ist also, dass der Coach sich darauf konzentriert,<br />
aus der Stimme des Klienten heraus zu hören, wo sich die stärksten<br />
Emotionen zeigen. Hier ist hilfreich, wenn der Coach eine Kopie<br />
des durch den Klienten ausgefüllten Arbeitsblattes vorliegen hat (einscannen<br />
und per E-Mail übersenden), so wird der Coach nicht durch<br />
eigene Notizen vom Zuhören abgelenkt.<br />
Bei der spontanen Arbeit mit The Work am Telefon kann der Coach<br />
seinen Klienten darin unterstützen, indem er die Kerngedanken des<br />
Klienten mitschreibt. So kann sich der Klient innerlich ganz auf seinen<br />
Prozess konzentrieren. Anschließend liest der Coach dem Klienten die<br />
Gedanken noch einmal vor und der Klient spürt nach, welcher die<br />
stärkste Wirkung in ihm entfaltet. Wenn er die Sätze selbst laut wiederholt,<br />
wird er selbst leichter herausfinden, welche Gedanken den größten<br />
Einfluss auf seine Emotionen haben. Sollten Coach und Klient<br />
einen Rechner zur Verfügung haben, kann der Coach seine Notizen<br />
dem Klienten in Echtzeit per Mail zur Verfügung stellen. Mitschriften<br />
auf dem Computer sind allerdings nur zu empfehlen, wenn der Coach<br />
sehr gut und schnell schreibt, so dass er mit seiner Aufmerksamkeit<br />
ganz beim Klienten bleiben kann.<br />
Fazit<br />
Abschließend lässt sich sagen, dass sich The Work auch am Telefon<br />
sehr gut durchführen lässt. Die Unterschiede zwischen The Work im<br />
Tele<strong>Coaching</strong> und im Präsenz<strong>Coaching</strong> sind nur gering, sofern der<br />
Coach die Kunst des Zuhörens beherrscht.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Appreciative Inquiry<br />
(Maren Kaiser und Dorothee Bornath)<br />
Appreciative Inquiry (AI), zu Deutsch „wertschätzende Erkundung“, ist<br />
eine Methode aus der Unternehmensberatung zur Begleitung von Veränderungsprozessen<br />
in Unternehmen.<br />
Berater und Coachs, die sie kennen und nutzen, können sich vielleicht<br />
nur schwer vorstellen, dass dieser Prozess auch am Telefon oder<br />
überwiegend am Telefon gestaltet werden kann. Wir treten hier an, zu<br />
zeigen, wie dies möglich ist.<br />
Appreciative Inquiry – das Grundprinzip<br />
Konzipiert war der AI-Ansatz ursprünglich für kleine Gruppen und<br />
Organisationen. Auch für die Einzelarbeit ist er hervorragend geeignet.<br />
In den letzten Jahren wird AI mehr und mehr auch in<br />
Veränderungsprozessen mit großen und sehr großen Gruppen in und<br />
außerhalb von Unternehmen und Organisationen genutzt.<br />
Die Grundidee liegt darin Erfolgsfaktoren zu analysieren, um sie für<br />
Wachstum und Entwicklung zu nutzen. Dieses Vorgehen ist sehr viel<br />
wirksamer und effektiver, als sich auf das Verbessern von Fehlern oder<br />
Lösen von Problemen zu konzentrieren. Dabei wird von folgenden<br />
Annahmen ausgegangen:<br />
• Jeder Mensch, jede Beziehung, jedes System hat ein ungeahnt<br />
großes Potenzial, das in der Gegenwart nur zum Teil gelebt wird.<br />
• Menschen und Beziehungen entwickeln sich immer in die<br />
Richtung ihrer Aufmerksamkeit.<br />
• Menschen gehen mit mehr Vertrauen und Wohlbehagen in die<br />
Zukunft (das Unbekannte), wenn sie Vergangenes (Bekanntes)<br />
fortsetzen.<br />
Mit Appreciative Inquiry wird die Aufmerksamkeit vollständig auf<br />
positive Erlebnisse und Erfahrungen gerichtet. Potenziale und Stärken<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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von Menschen und Organisationen werden beleuchtet. Die<br />
Aufmerksamkeit wird darauf gelenkt, was bereits funktioniert.<br />
Analysiert werden Erfolgsfaktoren, nicht Probleme.<br />
Appreciative Inquiry mit ganzen Systemen zielt darauf ab, die Kultur<br />
einer Gruppe oder eines Unternehmens in die Richtung eines wertschätzenden<br />
Umgangs auf allen Ebenen zu entwickeln. Der Einsatz ist<br />
dort angemessen, wo Fähigkeiten, Verhaltensweisen oder Leistungen<br />
von Einzelnen oder Gruppen weiterentwickelt werden sollen oder wo<br />
es darum geht, Zukunft zu entwerfen und neu zu gestalten. Appreciative<br />
Inquiry lässt sich beispielsweise anwenden, um<br />
• die Wettbewerbsposition zu verbessern,<br />
• den Kundenservice zu optimieren,<br />
• die Qualität der Produkte bzw. Dienstleistungen zu steigern,<br />
• Projektmanagement einzuführen bzw. zu begleiten,<br />
• die Zusammenarbeit von Teams zu verbessern.<br />
Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht, welche Ergebnisse ein Appreciative<br />
Inquiry-Prozess erzielen kann: Die Hunter Douglas Window<br />
Fashions Niederlassung in Broomfield in den USA startete einen<br />
Appreciative Inquiry-Prozess mit 100 Mitarbeitern, an dem sich schließlich<br />
über einen Zeitraum von zwei Jahren alle 1.000 Mitarbeiter beteiligten.<br />
Bereits nach einem Jahr konnte Hunter Douglas eine Erhöhung<br />
der Produktivität, des Umsatzes und des Mitarbeiterengagements<br />
nachweisen. Zurückgeführt werden konnte dieses Ergebnis u. a. darauf,<br />
dass die Mitarbeiter unternehmerische Ziele verstanden, sich mit ihnen<br />
identifizierten und ihre eigenen Leistungen mit diesen Zielen in Verbindung<br />
bringen konnten. Sie fühlten sich für ihre Arbeit verantwortlich,<br />
waren motivierter und kreativer.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Der Appreciative Inquiry-Prozess<br />
Ein wertschätzender Erkundungsprozess durchläuft klassischerweise<br />
vier Phasen. In allen Phasen können verschiedene, auch kreative<br />
Methoden genutzt werden.<br />
1. Erkunden und Verstehen<br />
Herzstück und Basis des Prozesses sind gegenseitige Interviews der<br />
Beteiligten. Damit werden Augenblicke, Ereignisse oder Geschichten<br />
aufgedeckt, die mit den besten Gefühlen und Erinnerungen verbunden<br />
sind. Die Fragen regen an, Wünsche, Ziele und Träume zu äußern und<br />
ein positives Bild für die Zukunft entstehen zu lassen.<br />
Zwei Personen interviewen sich anhand eines vorbereiteten<br />
Leitfadens. Wenn sich beide Partner befragen, dauert dies bis zu zwei<br />
Stunden. Die Interviews sind in der Regel für beide ein inspirierendes<br />
Erlebnis. Die beteiligten Menschen kommen einander nicht nur näher,<br />
sie berühren sich zuweilen gegenseitig sehr tief.<br />
In dieser Phase wird freigelegt, was bereits da ist. Die im Interview<br />
entdeckten Juwelen und Schätze werden anschließend aufmerksam<br />
untersucht, gewürdigt und verstanden. Die Rahmenbedingungen, die<br />
sie ermöglichten, werden herausgefiltert und deren Zusammenhänge<br />
verstehbar gemacht. Vitalität und Kraft hervorbringende Faktoren und<br />
die dahinterliegenden Werte werden identifiziert. Die Vergangenheit<br />
wird zu einer Quelle, aus der positive Möglichkeiten für die Zukunft<br />
geschöpft werden können. Diese positive Atmosphäre bildet das<br />
Fundament für alles Weitere.<br />
2. Visionieren<br />
In der zweiten Phase werden Wünsche vertieft, Bilder und Visionen<br />
werden von dem entworfen, was sein könnte. Die entdeckten Juwelen<br />
sind sozusagen die Farben, mit denen die Bilder der Zukunft entwickelt<br />
werden. Welche Schätze sollen in die Zukunft getragen werden?<br />
Wovon wollen wir mehr? Die Zukunft, die hier entworfen wird, ist<br />
sowohl bodennah als auch visionär. Sie gründet einerseits auf<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Beispielen aus der Vergangenheit und weist andererseits neue Wege.<br />
Motivation, Inspiration und Lust auf die Zukunft entstehen.<br />
Durch den Einsatz kreativer Methoden (Bilder, Collagen, Traumreisen,<br />
...) wird die Zukunft greifbar und lebendig.<br />
3. Gestalten<br />
Die kreativen Visionen werden in der dritten Phase in klare Aussagen<br />
gefasst. Es werden so genannte „Zukunftsaussagen“ formuliert, die<br />
präzise beschreiben, was entstehen soll. Zukunftsaussagen sind<br />
ausdrucksstark und bejahend formuliert. Sie sind provokantherausfordernd<br />
und gehen über das bereits Erreichte hinaus. Sie sind<br />
konkret- motivierend und in der Gegenwartsform geschrieben. Die<br />
Zukunftsaussagen sind wie eine Brücke zwischen dem Status quo und<br />
dem, was sein soll. Sie beschreiben Idealvorstellungen, regen die<br />
Kreativität an und stellen bisherige Muster und Annahmen in Frage.<br />
4. Umsetzen<br />
In der vierten Phase wird geplant, wie die entwickelten Ziele realisiert<br />
werden und was sie konkret bedeuten. Wo genau lässt sich etwas<br />
bewegen und mit welchen Maßnahmen? Wer engagiert sich wofür?<br />
Was bedeutet das bisher Entwickelte für mein Verhalten? Wie geht das<br />
Ganze im Alltag weiter? Wie werden künftige Erfolge gewürdigt und<br />
gestärkt? Hier wird geplant, was zukünftig sein wird.<br />
Appreciative Inquiry im Tele<strong>Coaching</strong><br />
Die Kraft von Appreciative Inquiry entfaltet sich in Gesprächen und ist<br />
somit gut für die Arbeit am Telefon geeignet. Im Einzel<strong>Coaching</strong> sind<br />
alle vier Phasen sehr gut am Telefon durchzuführen. Das Interview<br />
wird auf die Themen und Anliegen des Klienten ausgerichtet. Dafür<br />
bereitet der Coach einen entsprechenden Leitfaden vor. Beim Interviewgespräch<br />
macht er sich genaue Notizen und sammelt besonders<br />
inspirierende Geschichten und bildhafte Zitate! Gemeinsam werten<br />
Coach und Klient das geführte Interview aus. Der Coach spiegelt, was<br />
besonders kraftvoll, inspirierend und berührend war. Und es werden<br />
192
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Schlüsselfaktoren für Erfolg und die dahinter liegenden Werte untersucht.<br />
In der Phase des Visionierens sind die wesentlichen Fragen: Welche<br />
Schätze sollen in die Zukunft getragen werden? Wovon wollen Sie<br />
mehr? Hier empfiehlt sich der Einsatz kreativer Methoden, um die<br />
Zukunft greifbar und lebendig werden zu lassen. Denkbar sind hier<br />
direkt im Telefongespräch zum Beispiel Traumreisen, Wortspiele oder<br />
Zukunftsgeschichten. Klienten können auch eingeladen werden<br />
zwischen zwei Tele<strong>Coaching</strong>-Einheiten Bilder oder Collagen zu<br />
entwickeln. Die Klienten können ihre Kreationen entweder im<br />
nächsten Gespräch beschreiben oder technische Möglichkeiten nutzen,<br />
um dem Coach die Bilder zukommen zu lassen. Wesentlich ist an<br />
dieser Stelle die Inspiration des Klienten. Der Coachs verstärkt diese<br />
bestmöglich.<br />
Die beiden letzten Phasen, Zukunftsaussage entwickeln und Umsetzung<br />
sicherstellen, bedürfen in der Einzelbegleitung am Telefon lediglich der<br />
normalen Kompetenzen eines Coachs am Telefon.<br />
Appreciative Inquiry lässt sich also in der Einzelarbeit am Telefon sehr<br />
gut einsetzen. Entscheidend sind die Qualifikation des Coachs und<br />
seine Fähigkeit Wertschätzung zu verkörpern.<br />
Appreciative Inquiry mit Gruppen am Telefon<br />
Das Telefon eröffnet viele neue Möglichkeiten in Bezug auf Appreciative<br />
Inquiry mit Gruppen. Im Folgenden beschreiben wir nun den AI-<br />
Prozess am Telefon, um deutlich zu machen, was möglich ist und wo<br />
auch Grenzen sind. Die Nutzung des Telefons vereinfacht die Einbeziehung<br />
vieler Mitarbeiter sowie verschiedenster Ebenen und Bereiche<br />
von Unternehmen. Für die Prozessschritte sollten die Telefonkonferenzen<br />
in der Regel eine Anzahl von sechs bis zehn Teilnehmern<br />
haben. Wenn andere Gruppengrößen vorteilhaft sind, wird dies im<br />
Text erwähnt. Bei allen schriftlich festgehaltenen (Zwischen-) Ergebnissen<br />
können diese im Intranet oder Internet allen Beteiligten zur<br />
Verfügung gestellt werden.<br />
193
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Ein wertschätzender Erkundungs-Prozess konzentriert sich auf ein<br />
bis maximal fünf „Kernthemen“. Jede Richtung, in die ein System sich<br />
entwickeln, lernen oder wachsen will, kann als Kernthema gewählt<br />
werden, z. B. glaubwürdige Kommunikation, begeisternde Führung,<br />
inspirierende Zusammenarbeit, Erhöhung der Produktivität, ...<br />
Idealerweise werden die Kernthemen im Vorfeld vom Berater<br />
gemeinsam mit einer Planungsgruppe identifiziert. Die Planungsgruppe<br />
besteht aus einem Querschnitt der Beteiligten. Sie ist auch bei der Entwicklung<br />
des Interviewleitfadens beteiligt und ihre Mitglieder sind<br />
Multiplikatoren für den Prozess. Alternativ können Kernthemen auch<br />
durch das Management eines Unternehmens vorgegeben werden.<br />
1. Erkunden und Verstehen<br />
Gestartet wird der Prozess mit Partnerinterviews am Telefon. Die<br />
Auswertung der Interviews erfolgt in Telefonkonferenzen. Dies bietet<br />
schon in dieser Anfangsphase die Chance, jeweils Interviewpartner<br />
verschiedener Standorte miteinander ins Gespräch zu bringen. Bei der<br />
Auswertung der Interviews in der Gruppe erzählen die Interviewer die<br />
besten Geschichten, Zitate und was sie am meisten berührt hat. Bei<br />
größeren Systemen geschieht diese Auswertung in Untergruppen.<br />
Vertreter dieser Untergruppen bringen dann wiederum ihre jeweils<br />
stärksten Geschichten in einer zweiten Auswertungsrunde zusammen.<br />
Die besten Geschichten und Zitate aus jeder Gruppe werden<br />
zusammengefasst, schriftlich festgehalten und an alle Beteiligten<br />
weitergegeben. Dabei werden die Erfolgsfaktoren und die<br />
dahinterliegenden Werte identifiziert. Auch dieser Schritt kann in<br />
Telefonkonferenzen mit sechs bis zehn Personen erfolgen.<br />
Diese Gruppen brauchen im Vorfeld entweder sehr klare<br />
(schriftliche) Arbeitsanweisungen oder werden vom Begleiter des AI-<br />
Prozesses moderiert.<br />
Für ein Unternehmen mit verteilten Standorten können in dieser<br />
Phase aber auch moderierte Telefonkonferenzen mit sehr viel größeren<br />
Teilnehmerzahlen sinnvoll sein, um ein standortübergreifendes<br />
Miteinander zu ermöglichen.<br />
194
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
2. Visionieren<br />
Anschließend werden von einzelnen und Gruppen Visionen<br />
entworfen, die wiederum an alle verbreitet und gemeinsam weiter<br />
entwickelt werden. In moderierten Telefonkonferenzen schöpfen alle<br />
Beteiligten aus der Inspiration der Interviews. Initiiert durch die Frage<br />
„Wovon wollen wir mehr?“ entstehen aus den Ergebnissen der<br />
Interviews visionäre Zukunftsbilder. Sollen in der Phase des<br />
Visionierens kreative Methoden eingesetzt werden (z. B. Malen,<br />
Kollagen etc.) dann funktioniert dies am besten im Rahmen von<br />
Präsenzworkshops.<br />
3. Gestalten<br />
Die Entwicklung von Zukunftsaussagen kann in einem moderierten<br />
Prozess durchaus in einer großen Gruppe computerunterstützt am<br />
Telefon durchgeführt werden. Aus den Visionen werden zu einzelnen<br />
Kernthemen von Freiwilligen entsprechende Zukunftsaussagen in<br />
separaten Telekonferenzen entwickelt. Auch hier bekommen alle<br />
Beteiligten die Ergebnisse anschließend schriftlich.<br />
4. Umsetzen<br />
Das Umsetzen findet ebenfalls in moderierten Telefonkonferenzen<br />
mit handhabbaren Gruppengrößen von sechs bis zehn Personen statt.<br />
Auch hier werden die entwickelten Vorhaben und Vereinbarungen<br />
beispielsweise im Intranet veröffentlicht, so dass sich die verschiedenen<br />
Gruppen und Arbeitsbereiche gegenseitig inspirieren und unterstützen<br />
können. In dieser Phase können mit Menschen, die am gleichen<br />
Standort von der Umsetzung betroffen sind, alternativ leicht<br />
Präsenzworkshops durchgeführt werden. Telefonkonferenzen werden<br />
dann nur für die standortübergreifende Umsetzungsthemen durchgeführt.<br />
195
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Praxisbeispiel –<br />
Appreciative Inquiry im BORA TeleCoachNetwork<br />
Um unser Netzwerk weiterzuentwickeln, hat das BORA TeleCoach-<br />
Network einen eigenen Appreciative Inquiry-Prozess gestaltet, um sich<br />
der Stärken und Qualitäten im Netzwerk bewusst zu werden und diese<br />
noch mehr für alle Mitglieder nutzbar zu machen. Die Phasen<br />
Interview und Visionieren wurden am Telefon durchgeführt, das<br />
Gestalten und Umsetzen in einem Präsenztreffen.<br />
Im Juli 2009 wurde in einer der regelmäßig stattfindenen Netzwerk-<br />
TeleKonferenzen von den Mitgliedern beschlossen, gemeinsam einen<br />
AI-Prozess zu durchlaufen. Im Anschluss wurde zur Gründung einer<br />
Planungsgruppe eingeladen. Mit dem Initiator bestand die Gruppe aus<br />
sechs Mitgliedern. Um die Kernthemen für den AI-Prozess zu<br />
identifizieren, führten diese Personen jeweils zu zweit wechselseitig ein<br />
so genanntes Basisinterview am Telefon durch. In diesem Interview<br />
wurden Fragen zum eigenen Start im Netzwerk gestellt, zu den bis<br />
dahin gemachten positiven Erfahrungen sowie zu dem, was die<br />
Mitglieder an sich selbst, der Arbeit im Netzwerk, schätzen. Es wurden<br />
die Schlüsselfaktoren für die Vitalität, Lebendigkeit und Stärke des<br />
Netzwerkes erkundet sowie das künftige Entwicklungspotenzial.<br />
Ende August 2009 wurden dann in einer TeleKonferenz aus diesen<br />
Basisinterviews die wesentlichen Gedanken und Entwicklungbereiche<br />
herausgearbeitet:<br />
• Die Weiterentwicklung des BORA TeleCoachNetwork als<br />
lebendiges Nutzen stiftendes Netzwerk.<br />
• Die Aktivierung unserer Potenziale, um neue Auftraggeber von<br />
unserer Arbeit zu begeistern.<br />
• Die Entwicklung von BORA als Marke, die allseits bekannt ist<br />
und für Tele<strong>Coaching</strong> steht.<br />
• Die Pflege der außergewöhnlichen Qualität unserer Zusammenarbeit.<br />
196
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Zu diesen Entwicklungsbereichen wurde ein zweiter Interviewleitfaden<br />
entwickelt, mit dem dann alle Netzwerkmitglieder Zweier-<br />
Interviews geführt haben. In diesem Interview wurde der Fokus auf die<br />
Besonderheiten des Netzwerks gerichtet, die Rolle der Einzelnen im<br />
Netzwerk, ihre herausragenden positiven Erfahrungen in ihrer Arbeit,<br />
eigene Beiträge für das Netzwerke, Erlebnisse aus der Kundengewinnung,<br />
eigene Beiträge zum Thema „Außergewöhnlichkeit erzeugen“,<br />
eigene Erlebnisse zur besonderen Qualität des Netzwerkes sowie<br />
Zukunftsvisionen für das Netzwerk. Bei letztem Aspekt wurde in die<br />
Zukunft geschaut: An welchen BORA-Projekten würde das Mitglied<br />
beteiligt sein? Wie hat sich das BORA-Netzwerk entwickelt? Wodurch<br />
wurde das möglich? Was hat die Person dazu beigetragen? Und<br />
schließlich wurde noch gefragt: Was sind die ganz konkreten nächsten<br />
Schritte dieser Person, um die Vision wirklich werden zu lassen?<br />
Die Ergebnisse dieser Interviews wurden Ende September 2009 in<br />
einer weiteren Telekonferenz aller Netz-Mitglieder zusammengeführt.<br />
Zunächst wurde in zwei Gruppen in zwei separaten Telekonferenzen<br />
gearbeit. Vorgestellt wurden die Interviewpartner und das Konzentrat<br />
der Interviews in Form von inspirierenden Geschichten, Zitaten und<br />
belebender Fakten. Die Ergebnisse aus diesen beiden Untergruppen<br />
wurden dann verdichtet nochmals allen Mitgliedern in der<br />
TeleKonferenz vorgestellt und diskutiert. Es entstand eine erste Vision:<br />
BORA goes global. Zur Umsetzung dieser Vision sollte die hohe interne<br />
Netzwerkenergie, die sich bis dahin z. B. in der gemeinsamen<br />
Entwicklung eines Ausbildungscurriculums niedergeschlagen hatte, nun<br />
nach außen gerichtet werden, also in das zahlenmäßige Wachstum<br />
durch Gewinnung von neuen Kunden und Coachs.<br />
Als weitere Prozessschritt wurden dann die vier Kernthemen per E-<br />
Mail verteilt, um sie weiter zu diskutieren. Die beiden Untergruppen<br />
hatten den Auftrag, die Ergebnisse zu sichten und in einer selbst<br />
organisierten Telefonkonferenz Visions-Statements daraus zu<br />
entwickeln. An dieser Stelle kam der Prozess dann zunächst zu einem<br />
Stillstand. Es beteiligten sich nur sehr wenige Mitglieder an diesem E-<br />
Mailaustausch.<br />
197
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Ende November 2009 wurde der Prozess in einem Präsenz-<br />
Netzwerktreffen wieder aufgenommen. Es traf sich ein kleines Team<br />
von fünf Mitgliedern, die gewillt waren, sich auch aktiv in die<br />
Umsetzungsphase einzubringen. Zunächst wurden in einem<br />
Brainstorming unsere Ideen und Vorstellungen zu den Kernthemen<br />
gesammelt und dann nochmals Visionen entwickelt. Daraus entstand<br />
ein Slogan, der den Weg von BORA vorzeichnet: BORA TCN - The<br />
Global <strong>Coaching</strong> Company. In diesem Präsenztreffen war trotz der kleinen<br />
Teilnehmerzahl wieder der Spirit des BORA-Netzwerkes präsent.<br />
Die Phase der Umsetzung wurde in der Form eines Open Space<br />
gestaltet. Überraschenderweise ließ sich in dieser für Großgruppen<br />
entwickelten Form auch in einer kleinen Gruppe sehr gut arbeiten. Aus<br />
diesem Treffen ging eine Gruppe von vier Key Account Managern<br />
hervor, die sich regelmässig trifft, über die Strategie des BORA-<br />
TeleCoach-Netzwerkes entscheidet und sich in der Kundenakquise<br />
engagiert.<br />
Erfahrungen aus dem Prozess<br />
Die Partnerintervies wurden von allen Beteiligten als sehr intensiv<br />
erlebt, ebenso die Telefonkonferenzen der Planungsgruppe und des<br />
gesamten Netzwerkes. In den Telekonferenzen der Untergruppen<br />
wurde deutlich, dass vorab ein gutes Briefing durch den jeweiligen<br />
Moderator nötig ist, um den Prozess gut zu steuern und den Schwung<br />
aus den Partnerinterviews in die Gruppe hineinzubringen und<br />
fortzusetzen. Sodann ist es wichtig beim Gründen von Untergruppen,<br />
die eigenständig arbeiten sollen, jeweils Verantwortliche zu finden, die<br />
die Gruppenaktivitäten vorbereiten und steuern.<br />
Der Austauschprozess über die Kernthemen per E-Mail war deutlich<br />
weniger lebendig und dynamisch als die persönliche Begegnung in den<br />
Telefon-Interviews und den Telefonkonferenzen. Die Fortsetzung<br />
eines inhaltlichen Austauschs sollte daher ebenfalls in Kleingruppen<br />
über Telefonkonferenzen oder in Präsenztreffen organisiert werden.<br />
Für den Abschluss des AI-Prozesses war in unserem Fall das<br />
Präsenztreffen ein notwendiger Schritt, da der Prozess ins Stocken<br />
geraten war. Wir sind jedoch überzeugt, dass bei einem durchgängig<br />
198
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
gut begleiteten und geführten Prozess alle Schritte am Telefon möglich<br />
sind.<br />
Fazit<br />
Die Arbeit mit Gruppen verschiedenster Größe am Telefon birgt<br />
enormes Kreativitätspotenzial in der Prozessgestaltung. Das Telefon<br />
bindet Menschen verschiedener Standorte gleichberechtigt in den Prozess<br />
ein. Vor allem die Partnerinterviews sind am Telefon leicht durchführbar,<br />
so dass sich auch Mitarbeiter verschiedener Standorte von<br />
Unternehmen oder Organisationen gut begegnen können. Die Auswertung<br />
der Interviews in moderierten Telefonkonferenzen ermöglicht<br />
ein standortübergreifendes Zusammenwachsen. Sinnvoll kann dann –<br />
je nach eingesetzten Kreativitätsmethoden – eine Kombination von<br />
Interviews am Telefon, Präsenz-Workshops, kleinen und großen Telefonkonferenzen,<br />
Videokonferenzen und moderierten Telefonkonferenzen<br />
mit paralleler Kommunikation via Internet sein. Es ist jedoch<br />
auch möglich, den gesamten Prozess am Telefon zu gestalten.<br />
Einen Appreciative Inquiry-Prozess in einer Gruppe am Telefon zu<br />
begleiten erfordert neben ausreichender Methodenkompetenz und der<br />
Fähigkeit, Wertschätzung zu verkörpern, unbedingt auch entsprechende<br />
Erfahrung in der Moderation von Gruppen in virtuellen Räumen<br />
und im Gruppen<strong>Coaching</strong>. Auf jeden Fall sollte zu zweit<br />
gearbeitet werden, um sowohl inhaltlichen als auch organisatorischen<br />
und technischen Notwendigkeiten gerecht zu werden.<br />
NLP – Neurolinguistisches Programmieren<br />
Das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP) ist ein bedeutsames<br />
Konzept für effektive Kommunikation, Analyse von Wahrnehmung<br />
und Verhaltensänderung. Es wird ganz besonders von Menschen<br />
genutzt, die beruflich mit Kommunikation zu tun haben. Dies sind<br />
Coachs, Berater und Trainer, aber auch Personalentwickler und<br />
zunehmend Führungskräfte, denen an einer konstruktiven und effekti-<br />
199
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
ven Kommunikation gelegen ist. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist das<br />
Selbst- und Zustandsmanagement. NLP hat einen sehr ausgeprägten<br />
Fokus auf Ziele, Lösungen und Ressourcen. Es bietet ein umfangreiches<br />
Spektrum effektiver, sehr schnell zu Ergebnissen führenden Interventionen<br />
und hat daher breiten Eingang in das Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
gefunden. So ist es nur logisch, es auch im Tele<strong>Coaching</strong> einzusetzen.<br />
Manche dieser Interventionen sind rein sprachlicher Natur. Viele<br />
beziehen aber auch den Körper, Bewegungen im Raum und leichte<br />
Trancen mit ein. Bereits bei den rein sprachlichen Interventionen<br />
haben Augenzugangshinweise, Körperausdruck und Körpersprache<br />
(Haltung, Mimik, Gestik) sowie idiomotorische Körperbewegungen<br />
eine große Bedeutung 61 . Sie unterstützen den Coach darin, anhand von<br />
Inkongruenzen unbewusste oder unausgesprochene Einwände des<br />
Klienten zu erkennen, sowie generell die emotionalen Zustände und<br />
Prozesse des Klienten zu erkennen und zu verstehen. Die in der Einführung<br />
zu Kapitel IV beschriebene Reaktion auf den Vorschlag, am<br />
Telefon zu coachen, stammt von einem NLP-Experten. Im Weiteren<br />
geht es um die Frage, wie am Telefon NLP erfolgreich eingesetzt werden<br />
kann, wenn alle die genannten Hinweise fehlen.<br />
Augenzugangshinweise<br />
Beim Verschlüsseln und Abspeichern von Informationen in unserem<br />
Gehirn spielen einer oder mehrere unserer fünf Sinneskanäle –<br />
visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch – eine<br />
Rolle. Rufen wir Informationen ab oder konstruieren wir<br />
Informationen, indem wir uns z. B. einen Gegenstand vorstellen oder<br />
uns die Zukunft ausmalen, aktivieren wir die Repräsentationssysteme<br />
in unserem Gehirn, die diesen Sinneskanälen entsprechen. Dies wird<br />
begleitet von jeweils charakteristischen Bewegungen unserer Augen.<br />
Als Beobachter können wir anhand dieser Augenbewegungen, den so<br />
genannten Augenzugangshinweisen, erkennen, welchen Sinneskanal<br />
die betreffende Person gerade aktiviert.<br />
61 Im NLP werden diese Beobachtungen unter dem Begriff „Physiologie“<br />
zusammengefasst.<br />
200
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
V k<br />
Visuell konstruiert<br />
V e<br />
Visuell erinnert<br />
A k<br />
Auditiv konstruiert<br />
A e<br />
Auditiv erinnert<br />
K<br />
Kinästhetisch<br />
A id<br />
Innerer Dialog<br />
Abbildung 7: Augenzugangshinweise<br />
Aktiviert eine Person den visuellen Kanal, blickt sie nach oben. Nutzt<br />
sie den auditiven Kanal, sind die Augen in der Mitte, etwa auf<br />
Ohrenhöhe. Hierbei ist es bei den meisten Personen so, dass der<br />
Blick nach links (links aus der Beobachterperspektive gesehen)<br />
zusätzlich bedeutet, dass Bilder bzw. auditive Eindrücke konstruiert,<br />
also sich vorgestellt werden. D. h. die Person ist mit der Zukunft<br />
beschäftigt und kreativ. Blickt die Person vom Beobachter aus gesehen<br />
nach rechts, so erinnert sie Bilder bzw. Gehörtes. Der Blick nach<br />
rechts unten zeigt, das die Person in einem inneren Dialog ist, der<br />
Blick nach links unten, dass sie den kinästhetischen Kanal benutzt<br />
bzw. etwas bewertet (Wie schmeckt Seifenwasser?). Diese Augenzugangshinweise<br />
sind bei ca. 80 Prozent der Rechtshänder identisch.<br />
Bei Linkshändern ist in der Regel die Bedeutung der Bewegungen<br />
nach rechts und links genau gegengleich zu den Rechtshändern. 62<br />
Wie funktioniert NLP?<br />
Die Interventionen und Techniken des NLP entstanden in den<br />
70iger Jahren durch Beobachtung, Beschreibung und Modellierung 63<br />
62 Quelle: http://www.nlp.at/lexikon_neu/index.htm.<br />
63 Beim Modellieren im NLP werden besondere Fähigkeiten oder Eigenschaften<br />
anderer Personen so genau analysiert und beschrieben, dass daraus eine Anleitung<br />
oder ein Format entsteht, das es anderen Menschen ermöglicht, sich diese Fähigkeit<br />
oder Eigenschaft anzueignen.<br />
201
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
erfolgreicher Berater und Therapeuten. Seitdem wird das NLP kontinuierlich<br />
von seinen Anwendern weiterentwickelt.<br />
Zusätzlich fließen Erkenntnissen der modernen Systemtheorie, Linguistik,<br />
Neurophysiologie, Gehirnforschung und Psychologie in die<br />
Entwicklung des NLP ein. Es beschreibt die wesentlichen Prozesse,<br />
wie Menschen sich selbst und ihre Umwelt wahrnehmen, diese Informationen<br />
auf ihre eigene Weise verarbeiten, auf dieser Grundlage handeln,<br />
entsprechend miteinander kommunizieren, lernen und sich und<br />
ihr Verhalten verändern 64 . Geändert wird das eigene Verhalten durch<br />
Analyse des bisherigen Verhaltens und Entwicklung von neuen Reaktionen,<br />
unter anderem indem die eigenen Reiz-Reaktions-Ketten neu<br />
gestaltet werden. Zentrale Elemente sind sprachliche Muster, Perspektivenwechsel,<br />
Wechsel der zeitlichen Ebenen, Ressourcenaktivierung,<br />
Zustandsmanagement, Arbeit mit Glaubenssätzen, inneren Bildern<br />
sowie Persönlichkeitsanteilen.<br />
NLP besteht aus einer ständig wachsenden Sammlung so genannter<br />
Formate. Das sind Anleitungen für Interventionen, die z. T. im<br />
Selbst<strong>Coaching</strong> durchgeführt werden können. In der Mehrzahl wird für<br />
ihr Durchführen jedoch die Anleitung durch den Coach benötigt, um<br />
ausreichende Wirkung zu erzeugen. Logischerweise ist dabei die Sprache<br />
das wichtigste Kommunikationsmittel kombiniert mit den oben<br />
beschriebenen Beobachtungen des Körperausdrucks des Klienten. Und<br />
wie in jedem <strong>Coaching</strong>-Prozess ist natürlich guter Rapport, der sich<br />
körperlich, stimmlich und gefühlsmäßig ausdrücken kann, auch hier<br />
eine Grundvoraussetzung. Körperbewegungen und Bewegungen im<br />
Raum sind Bestandteile vieler NLP-Formate. Sie erleichtern dem<br />
Klienten einen Perspektivenwechsel, also z .B. ein Problem aus der<br />
Sicht des Konfliktpartners oder auch aus der Sicht eines unbeteiligten<br />
Dritten wahrzunehmen. Ebenso unterstützen sie den Klienten darin,<br />
Veränderungen herbeizuführen und erwünschte Zielzustände durch so<br />
genanntes Ankern (siehe unten) wieder abrufbar abzuspeichern. Viele<br />
NLP-Formate sind also keineswegs nur rein sprachlicher Natur. Wie<br />
64 Vgl. http://www.livia-berlin.de/cms/alexandra-kuehr/45-alexandra-kuehr.html.<br />
202
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
mit diesen „kinästhetischen“ Formaten am Telefon gearbeitet werden<br />
kann, wird anhand der „Walt-Disney-Strategie“ 65 weiter unten<br />
beschrieben.<br />
Neurolinguistisches Programmieren am Telefon<br />
Zur Verdeutlichung, wie am Telefon mit sprachlichen NLP-Interventionen<br />
gearbeitet werden kann, wird nachfolgend eine Ressourcenaktivierung<br />
als Praxisbeispiel der Autorin beschrieben:<br />
Es handelt sich um einen Klienten, den ich beim Schreiben eines<br />
wissenschaftlichen Buches begleitet habe. Nachdem er die Rückmeldung<br />
bekommen hatte, er schreibe zu kompliziert und zu ausführlich,<br />
stand die Frage im Raum, wie er das ändern könne. Durch<br />
Nachfragen ergab sich, dass der Klient in der Vergangenheit durchaus<br />
in der Lage war, kurz, klar und flüssig zu schreiben. Er bezeichnete<br />
dies als Lexikonstil, da er sich an eine Situation erinnerte, wo er<br />
einen Beitrag für ein Lexikon geschrieben hatte. Ich habe den Klienten<br />
unterstützt, diesen Zustand erneut zu erleben, indem er sich so<br />
genau wie möglich an die konkrete Situation erinnerte. Dazu habe ich<br />
mir genau die Situation beschreiben lassen: Wo war er? Was war um<br />
ihn herum? Was war zu sehen, zu hören, zu fühlen? Welche Jahreszeit?<br />
War ihm warm oder kalt? Gab es Geräusche, Musik, Körperwahrnehmungen?<br />
Die Fragen zielen darauf ab, alle Sinneskanäle<br />
zu aktivieren, um eine Assoziation mit der damaligen Situation zu<br />
erzeugen. Schließlich sagte der Klient, er könne genau die Energie<br />
wieder fühlen, die ihm diesen Schreibstil ermöglicht habe. Anschließend<br />
habe ich ihn eingeladen eine Bewegung, ein Bild, eine Farbe,<br />
ein Wort, einen Ton, eine Melodie oder einen Gegenstand zu finden,<br />
d. h. etwas, das genau jetzt diese Energie symbolisieren könne. Der<br />
Klient nannte die Farbe Blau, ein sehr leuchtendes intensives Blau.<br />
Nachdem er die Farbe innerlich mit diesem Gefühl verbunden hatte,<br />
haben wir mehrfach geübt, sich aus dieser Situation und diesem<br />
Zustand zu lösen und ihn wieder herzustellen. Dazu wird der Klient<br />
mit einer Frage zu einem anderen Thema abgelenkt – ein so<br />
genannter Separator gesetzt – und anschließend wieder aufgefordert,<br />
sich mit Hilfe der Farbvorstellung in den Zustand des Schreibens im<br />
Lexikonstil mit der entsprechenden Energie hineinzuversetzen. Die<br />
Erinnerung an die Farbe dient als Anker, um den gewünschten<br />
65 Siehe Kapitel „Kinästhetisches NLP“ am Telefon – leichter als erwartet, S. 227 ff.<br />
203
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
Zustand jederzeit abrufen zu können. Der Klient hatte selbst die Idee<br />
für seinen Schreibtisch zusätzlich einen Gegenstand in dem entsprechenden<br />
Blau als zusätzlichen Anker zu besorgen. Er hat dies<br />
auch getan und mit Leichtigkeit und im gewünschten Stil an seinem<br />
Buch schreiben können.<br />
Fazit<br />
Bei dieser telefonischen Intervention war entscheidend, sich genau<br />
beschreiben zu lassen und vermehrt nachzufragen, was der Klient in<br />
der Ressourcensituation wahrgenommen hat. So wurde sichergestellt,<br />
dass er assoziiert ist und das dazugehörige Gefühl, also die wahrgenommene<br />
Energie, stark aufgebaut war. Gleichzeitig ist eine gute Intuition<br />
notwendig, um als Coach dem Klienten Zeit zuzugestehen, wenn<br />
der Klient mitten in einem Prozessschritt ist und es noch in ihm arbeitet.<br />
Ebenso gibt ein veränderter Klang der Stimme einen Hinweis darauf,<br />
dass ein bestimmter Zustand erreicht ist. Auf diese Weise lässt sich<br />
kompensieren, dass die Physiologie des Klienten nicht direkt beobachtet<br />
werden kann.<br />
Für den Einsatz aller rein sprachlichen NLP-Interventionen am Telefon<br />
gelten alle generellen Anforderungen an einen TeleCoach sowie die<br />
in den Kapiteln zum Zuhören und zum Beziehungsaufbau beschrieben<br />
Fähigkeiten 66 .<br />
Von der Stimme ins Innen geführt –<br />
Trancen am Telefon<br />
Warum überhaupt das Thema Trance und Hypnose in einem Buch<br />
über Tele<strong>Coaching</strong>? Ganz einfach, das Phänomen Trance spielt in<br />
jedem <strong>Coaching</strong>-Prozess eine Rolle, also auch beim Tele<strong>Coaching</strong>.<br />
Schon mit der Aufforderung an den Klienten sich an eine bestimmte<br />
Situation zurückzuerinnern oder sich eine Situation in der Zukunft<br />
66 Ganz Ohr - Die Kunst des Zuhörens, S. 132 ff; Fern und doch ganz nah – Beziehungsgestaltung<br />
am Telefon, S. 108 ff.<br />
204
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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auszumalen, lädt der Coach den Klienten ein, in eine leichte Trance zu<br />
gehen. Für den TeleCoach stellt sich jedoch die Frage, ob er darüber<br />
hinaus unter Verwendung von gezielten Trance-Induktionen und hypnotischen<br />
Techniken seine Klienten auch am Telefon in tiefe Trancen<br />
führen sollte.<br />
Bevor wir diese Frage beantworten, laden wir den Leser zu einem<br />
Exkurs zu den Themen Trance und Hypnose ein.<br />
Was ist eine Trance?<br />
Trance ist ein nach innen gerichteter Bewusstseinszustand, in dem<br />
man so intensiv mit seinen inneren Bildern, Denkprozessen und<br />
Gefühlen beschäftigt ist, dass man die Außenwelt nur noch reduziert<br />
oder gar nicht mehr wahrnimmt. Wir wechseln in unserem Alltag<br />
ständig zwischen einem nach außen gerichteten Wachzustand und<br />
einem nach innen gerichteten Trancezustand. Der Übergang ist fließend<br />
und die Trance kann von einer leichten „Alltagstrance“ bis hin<br />
zu tiefer Trance gehen. Trancen werden – je nach Tiefe – begleitet<br />
von physiologischen Reaktionen, wie sinkendem Muskeltonus,<br />
verlangsamter Atmung, verlangsamtem Puls, leichte Amnesien etc.<br />
(Moll 2006). Diese Phänomene können auch schon bei<br />
Alltagstrancen auftreten: Wir fahren mit dem Auto eine vertraute<br />
Strecke, z. B. von der Arbeit nach Hause und hängen dabei unseren<br />
Gedanken nach. Plötzlich sind wir vor der eigenen Haustür angekommen<br />
und fragen uns, wie wir dort hingekommen sind (Amnesie).<br />
Die Trance war jedoch nur so tief, dass wir noch in der Lage waren,<br />
Auto zu fahren, vor roten Ampeln zu halten und dem Verkehrsgeschehen<br />
zu folgen. Manchmal fragen wir uns sogar, ob die gerade<br />
eben passierte Ampel rot oder grün war. Sie war natürlich grün –<br />
unser Unbewusstes schützt uns davor, eine rote Ampel zu überfahren.<br />
Andere Beispiele für Alltagstrancen sind das völlige Abtauchen<br />
in ein spannendes Buch oder einen spannenden Film. Auch jede intensive<br />
Beschäftigung mit einer Aufgabe erzeugt eine leichte Trance.<br />
So erfolgt das konzentrierte Lesen dieses Textes ebenfalls in einer<br />
leichten Trance.<br />
Im NLP, aber sonst im <strong>Coaching</strong> werden sehr häufig diese leichten,<br />
durch einfache Fragen herbeizuführenden Trancen für die Arbeit mit<br />
dem Klienten genutzt. Hierbei handelt es sich meistens um so<br />
genannte fraktionierte Trancen: Der Klient geht entsprechend der<br />
Instruktion des Coachs kurz in Trance, z. B. „Spüren Sie nach, wie<br />
205
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
__________________________________________________<br />
sie sich in der Situation gefühlt haben“, kommt heraus, schildert dem<br />
Coach seine Erfahrung und geht mit einer neuen Instruktion wieder<br />
in Trance (Moll 2006).<br />
Was ist Hypnose?<br />
Die Begriffe Trance und Hypnose stehen in engem Zusammenhang<br />
und werden selten genau unterschieden. Der Begriff Hypnose weckt<br />
in manch einem von uns Skepsis und Vorsicht, kommen uns doch<br />
vielleicht Szenen aus Filmen in den Sinn, wo jemand unter Hypnose<br />
ein Verbrechen begeht. Oder wir kennen die Show-Hypnosen aus<br />
dem Fernsehen, wo jemand in eine Zitrone beißt, keine Miene verzieht<br />
und schwärmt wie süß und lecker die Frucht schmeckt. Oder<br />
wir haben das Bild von einem sich bewegenden Pendel vor dem<br />
Gesicht des Klienten vor Augen. All dies sind Klischees, die wenig<br />
mit der seriösen Nutzung von Hypnose zu tun haben.<br />
Am einfachsten lässt sich Hypnose beschreiben als eine von einer<br />
anderen Person induzierte und geführte Trance. Hypnose ist also das<br />
Verfahren, mit dem eine Trance eingeleitet wird. Dies geschieht in<br />
der Regel über verbale Anweisungen für den Klienten. Nur wer<br />
innerlich bereit ist, sich in eine Trance führen zu lassen, kann hypnotisiert<br />
werden. Es ist nicht möglich, mit Hypnose eine andere Person<br />
unter die eigene Kontrolle zu bringen und sie zu Handlungen zu veranlassen,<br />
die sie nicht will und die ihren Werten widersprechen. In<br />
dem Moment, wo der Hypnotiseur dies versucht, taucht der Klient in<br />
der Regel aus der Trance auf. Er erlebt solch einen Versuch als Rapportbruch<br />
und groben Vertrauensmissbrauch. 67<br />
Trance im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Im Präsenz<strong>Coaching</strong> ergeben sich leichte Trancen ganz automatisch<br />
durch die Art des Arbeitens, indem sich der Klient intensiv mit Situationen<br />
in der Vergangenheit und in der Zukunft beschäftigt. Doch wann<br />
wird zusätzlich mit explizit induzierten Trancen, also mit Hypnose,<br />
gearbeitet? Bandler und Grinder, die Entwickler des NLP, setzen das<br />
Arbeiten in Trance dann ein, „wenn ihnen danach ist“ bzw. wenn sie<br />
Lust auf „phantasievolleres“ Arbeiten haben. 68 Alexandra Moll empfiehlt<br />
Hypnose bzw. das Arbeiten in Trance bei Menschen, „….die sehr<br />
67 Moll (2006).<br />
68 Grinder/ Bandler (1984).<br />
206
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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kontrolliert sind, bei denen das Bewusstsein oder auch ein unbewusster<br />
Teil…“ sehr misstrauisch gegenüber jeder Art von Veränderung ist.<br />
Die Veränderungsarbeit kann dann z. B. durch ein NLP-Format erfolgen,<br />
das komplett in Trance oder in fraktionierten Trancen durchgeführt<br />
wird. Oder es wird mit reinen Prozessinstruktionen für das<br />
Unbewusste gearbeitet wie z. B. „…Aufforderungen etwas zu lernen,<br />
ein neues Verständnis zu entwickeln, sich zu verändern etc.“. 69 Und<br />
natürlich bieten sich Trancen immer dann an, wenn ein Klient sehr<br />
angespannt und im Stress ist. Über eine geführte Entspannung, z. B.<br />
eine Reise an einen Ort der Ruhe oder Kraft, kann der Coach dem<br />
Klienten zum Innehalten, Luftholen und Kraftschöpfen verhelfen.<br />
Manchmal ist dies der erste notwendige Schritt, damit der Klient aus<br />
der Alltagshektik zu sich findet und damit überhaupt in die Lage<br />
gelangt sich auf den <strong>Coaching</strong>-Prozess einzulassen. Letztlich ist es der<br />
Intuition und der Vorliebe des Coachs für bestimmte Methoden und<br />
seinem Können überlassen, ob er verstärkt mit Trancen arbeitet. Und<br />
natürlich ist vor allem wichtig, auf welche Methoden der Klient positiv<br />
reagiert und mit welchen Methoden er am leichtesten die angestrebten<br />
Ziele erreicht.<br />
Trance im Tele<strong>Coaching</strong><br />
Welche Themen eignen sich nun für das gezielte Bearbeiten in<br />
Trance am Telefon? Dies sind alle Themen, in denen es um ein positives<br />
Erleben geht. Das kann z. B. eine reine Tiefenentspannung oder<br />
eine Phantasiereise für einen gestressten Klienten sein. Oder das Entwickeln<br />
von Zielbildern, die Aktivierung von Ressourcen für einen<br />
Vortrag, eine Prüfung oder einen Wettkampf, die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit<br />
oder der Kreativität. Die Arbeit mit der Walt-<br />
Disney-Strategie 70 ist ein Beispiel, wie zum Formulieren und Erreichen<br />
von Zielen Trancen genutzt werden können.<br />
Warum die Beschränkung auf Themen mit einem positiven Erleben?<br />
Wenn wir einen Klienten unterstützen in eine tiefe Trance zu gehen,<br />
69 Moll (2006).<br />
70 Siehe Kapitel „Kinästhetisches NLP“ am Telefon – leichter als erwartet, S. 227 ff.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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können wir nicht vorhersehen, ob er vielleicht mit unangenehmen<br />
Erinnerungen oder sogar traumatischen Erlebnissen in Berührung<br />
kommt. Daher lautet unsere Empfehlung sich am Telefon auf Trancen<br />
mit positivem Erleben zu beschränken. Vermute ich als Coach hinter<br />
einem Thema ein größeres Problem, vielleicht sogar mit traumatischen<br />
Aspekten, sollte ich von einer Arbeit in Trance am Telefon Abstand<br />
nehmen. Hier ist unbedingt eine Präsenz-Sitzung angezeigt bzw. die<br />
Frage zu stellen, ob das Thema besser in die Hände eines Psychotherapeuten<br />
gehört.<br />
Was ist nun bei der Arbeit in Trance am Telefon zu beachten? Als<br />
allerwichtigste Vorraussetzung brauchen wir die Bereitschaft des<br />
Klienten in Trance zu gehen bzw. sich hineinführen zu lassen. Sodann<br />
erleichtert es dem Klienten in Trance zu gehen, wenn der Coach parallel<br />
selbst in eine leichte Trance geht. Dies ist in der Regel automatisch<br />
der Fall. Denn ein guter Coach ist bereits dann in einer typischen Alltagstrance,<br />
wenn er mit seiner ganzen Aufmerksamkeit beim Klienten<br />
und dessen Prozess ist und seine eigenen Belange komplett zurückstellt.<br />
Der TeleCoach sollte ausschließlich mit fraktionierten Trancen<br />
arbeiten. Er bleibt also im ständigen sprachlichen Kontakt mit dem<br />
Klienten und hat so die Möglichkeit, dessen Befinden immer wieder zu<br />
erfragen. Es kann zusätzlich ein akustisches Feedbacksystem vereinbart<br />
werden, z. B. die typischen Zuhörgeräusche wie „mh“, „ja“, „nein“, so<br />
dass der Klient dem Coach z. B. bei Tiefenentspannung und Phantasiereisen<br />
signalisieren kann, dass er den Anweisungen folgt und für den<br />
nächsten Schritt bereit ist. Zusätzlich wird der Klient aufgefordert, alles<br />
zu benennen, was ihn und seine Konzentration stört. Außerdem gibt<br />
der Hörsinn dem Coach weitere Hinweise auf die Trancetiefe des<br />
Klienten: Ist der Atem des Klienten langsamer und tiefer geworden?<br />
Hat sich seine Stimme verändert? Antwortet er mit Zeitverzögerung?<br />
Wenn der Coach am Telefon zu lange nichts vom Klienten hört, stellt<br />
er Fragen, um sicherzustellen, dass der Klient wach bleibt. Dies gilt<br />
insbesondere bei einer Tiefenentspannung oder Phantasiereise. Dem<br />
Einschlafen kann auch dadurch vorgebeugt werden, dass der Klient auf<br />
208
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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einem Stuhl sitzt, anstatt sich hinzulegen, was bei einer Tiefenentspannung<br />
oder Phantasiereise ja durchaus nahe liegt.<br />
„... Millionen von Jahren hat der Mensch nur mit dem gesprochen,<br />
was er sehen konnte. Plötzlich innerhalb eines einzigen Jahrhunderts<br />
wurden „sehen“ und „sprechen“ voneinander getrennt. Wir glauben,<br />
dass wir daran gewöhnt sind und bemerken die ungeheuren Auswirkungen<br />
nicht, die diese Trennung auf unsere Reflexe hat. Unser<br />
Körper ist einfach noch nicht daran gewöhnt. Diese Trennung<br />
bewirkt, dass wir beim Telefonieren in eine Art Trancezustand geraten.<br />
Unser Geist arbeitet auf einer anderen Wellenlänge, bleibt aber<br />
für die sichtbare Welt empfänglich, ...“. 71<br />
Fazit<br />
Auch beim Tele<strong>Coaching</strong> können Trancen bewusst induziert und als<br />
Intervention erfolgreich eingesetzt werden. Daneben ergeben sich auch<br />
am Telefon, wie auch sonst im Alltag, Trancen einfach so. Sicherlich<br />
sollte ein Coach, der gerade erst gelernt hat seine Klienten bewusst in<br />
eine Trance zu leiten, zunächst damit Erfahrungen im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> sammeln. Bevor der Coach einen Klienten bewusst am Telefon<br />
in eine Trance führt, sollte er schon einige Tele<strong>Coaching</strong>-Sitzungen<br />
mit diesem Klienten durchgeführt haben. So kann er dessen normale<br />
Reaktionen im nach außen gerichteten Wachzustand und seine Reaktionen<br />
in spontan entstehenden leichten Trancezuständen beim Arbeiten<br />
über das Telefon gut unterscheiden. Dies wird dem Coach einen guten<br />
Rapport bei einer bewusst eingeleiteten Trance erleichtern. Des Weiteren<br />
gilt: Solange sich der Coach mit dem, was er macht, sicher und<br />
wohl fühlt und davon überzeugt ist, wird ihm der Klient folgen und<br />
eine positive Erfahrung machen.<br />
Quellen: persönliche Mitteilungen von Robert Geier und Thomas<br />
Göller<br />
71 Aus „Brida“ von Paulo Coelho (2009).<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Rudern in die gleiche Richtung –<br />
Arbeit mit dem Inneren Team<br />
(Sabine Engelhardt und Maren Kaiser)<br />
Die Arbeit mit dem Inneren Team ist eine Methode, die sich hervorragend<br />
für das Business<strong>Coaching</strong> eignet, da es viele Parallelen zwischen<br />
der Gruppendynamik in Arbeitsteams und im Inneren Team gibt. Sie<br />
ist sehr vielseitig einsetzbar, z. B. für den Umgang mit inneren Konflikten,<br />
zur Entwicklung der Persönlichkeit, zur Zielerreichung, Konfliktbewältigung,<br />
Entscheidungsfindung etc. Daher lag es sehr nahe,<br />
diese Methode auf das Tele<strong>Coaching</strong> zu übertragen. Dies hat Mitautorin<br />
und BORA Netzwerkkollegin Sabine Engelhardt erfolgreich getan<br />
und im nachfolgenden Text ihre Erfahrungen zur Verfügung gestellt.<br />
Was ist das Innere Team?<br />
Die Methode des Inneren Teams ist eine gruppendynamische<br />
Modellvorstellung von der inneren Pluralität des Menschen, die sich in<br />
Form innerer Stimmen ausdrückt. 72 Sie sind ein Synonym für die<br />
Persönlichkeitsanteile des Menschen. Die Methode dient der Selbstklärung<br />
in Problemsituationen sowie der Entwicklung von verschütteten<br />
bzw. abgespalteten Persönlichkeitsanteilen. Das Miteinander, Gegeneinander<br />
und Nebeneinander der Mitglieder des Inneren Teams wird<br />
hier betrachtet und analysiert. Welche Botschaften stecken in den Mitspielern?<br />
Welches Anliegen verfolgen sie? Und wie gehen sie miteinander<br />
um? In der Regel melden sich zu einem Thema nicht nur ein<br />
Teammitglied (eine innere Stimme) zu Wort, sondern mehrere – oft<br />
durcheinander, häufig gegeneinander. Teammitglieder können gewollt<br />
oder ungewollt gering ausgeprägt sein. Sie sind in jedem Fall unkündbar.<br />
Gemeint ist damit, dass unsere inneren Anteile in unserem Denken<br />
und Handeln wirksam werden, egal ob wir sie lieben, unangenehm<br />
finden, vielleicht sogar hassen, verleugnen oder gar nicht bewusst<br />
wahrnehmen. Das Team kann auch durch neue Teammitglieder erwei-<br />
72 Schulz von Thun (2006).<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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tert werden, um etwa einen bisher nicht vorhandenen Persönlichkeitsaspekt<br />
zu entwickeln, wie z. B. die Fähigkeit sich abzugrenzen.<br />
Der Klient lernt durch die Arbeit seine verschiedenen Mitspieler und<br />
deren Ungleichgewichte kennen sowie sein Inneres Team gezielt einzusetzen.<br />
Er übernimmt eine bewusste Einsatzplanung für verschiedenste<br />
Situationen und Probleme. Zudem findet eine persönliche Entwicklung<br />
durch Anschauen, sich Auseinandersetzen und Integrieren statt. Dies<br />
ist die Innere Teamentwicklung.<br />
Vorgehensweise im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Als erstes wird das Anliegen des Klienten als positive Frage formuliert<br />
und schriftlich festgehalten, z. B. “Was brauche ich, um meine<br />
Faulheit zu überwinden, um mir endlich die Zeit zu nehmen, mir einen<br />
neuen Arbeitgeber zu suchen?”, „Was kann ich tun, um meine Ziele<br />
erfolgreich umzusetzen“? Der Coach lädt den Klienten ein, eine<br />
Bestandsaufnahme seiner Inneren Teammitglieder zu machen, die für<br />
sein Anliegen relevant sind, und sie kennen zu lernen. Dazu sollte ausreichend<br />
Zeit (in der Regel 60-90 Minuten) vorhanden sein.<br />
Der Coach fragt zunächst nach dem äußeren Kontext zur Situationserkundung:<br />
In welchem äußeren Rahmen liegt das Anliegen des<br />
Klienten? Welche Personen sind vom Anliegen des Klienten betroffen?<br />
Der Klient beschreibt das System, in dem er sich befindet. Parallel dazu<br />
zeichnet und schreibt der Coach (Flipchart oder Papier) mit. Erfasst<br />
werden Organisationsstruktur, Arbeitszusammenhänge und Personen.<br />
Welche Rahmenbedingungen sind fest, welche sind variabel, wer ist<br />
nötig?<br />
Im zweiten Schritt geht es um den inneren Kontext, d. h. die inneren<br />
Stimmen werden exploriert und betrachtet. Der Coach zeichnet das<br />
Innere Team nach den Vorgaben des Klienten auf einem Flipchart oder<br />
einem Blatt Papier auf. Dazu wird ein Kopf mit Hals für den Teamchef,<br />
der über den Streitpartnern steht, und direkt darunter ein großer Körper<br />
ohne Extremitäten über den Rest des Blattes gezeichnet. Der Körper<br />
kann mit einem Spielfeld verglichen werden, das für etwa sechs bis<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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sieben Teammitglieder Raum haben muss. Dabei können die Teammitglieder<br />
verschiedene Größen und Positionen haben. Der Klient<br />
entscheidet, wie groß und klein die einzelnen Teamspieler sind. Die<br />
Stimmen der Teammitglieder, die in den Körper gezeichnet werden,<br />
bekommen Gesichter mit Sprechblasen und einem sprechenden<br />
Namen. Der Name des Mitglieds muss zum Wesen des Teammitglieds<br />
passen. Teilweise sind die Namen der Mitglieder vorläufig, da ihre<br />
Wesen und Anliegen noch nicht klar sind, z. B. bei einem inneren Schweinehund.<br />
In die Sprechblase wird die Kernaussage des Teammitglieds zur<br />
bearbeiteten Situation geschrieben. Zudem kann ein Symbol die Kernaussage<br />
unterstützen, z. B. beim Inneren Antreiber eine Peitsche.<br />
Die verschiedenen Teammitglieder können sowohl negative als auch<br />
positive Stimmen haben. Eine typische Anfangsfrage lautet: Welche<br />
Teammitglieder melden sich zu Ihrem Anliegen? Dann erfolgt ein<br />
Abgleich – passen der äußere und innere Kontext zusammen? Wie<br />
wirkt das Bild des Inneren Teams auf den Klienten? Gibt es besonders<br />
wichtige oder dominante Spieler? Was fällt dem Klienten auf? Gibt es<br />
Ungleichgewichte? Wer ist im Hintergrund? Fehlt noch jemand?<br />
Eine vertiefende Erhebung erfolgt in der „Inneren Ratsversammlung“.<br />
Es werden die wichtigsten Mitglieder befragt. Dies kann unter<br />
anderem in Form einer Stuhlarbeit geschehen. Dazu werden für den<br />
Teamchef, also den Klienten, und ein oder mehrere Teammitglieder<br />
Stühle aufgestellt. Der Klient nimmt dann den jeweiligen Platz ein,<br />
fühlt sich in dieses Teammitglied ein und verleiht ihm eine Stimme.<br />
Jedes Teammitglied und auch der Teamchef äußern sich zum eingangs<br />
formulierten Anliegen. Typische Fragen, um die Anliegen der einzelnen<br />
Mitglieder zu verstehen, sind: Wie lange gibt es dieses Teammitglied?<br />
Wer steht im Wege? Welche Funktion und Nutzen hat das Mitglied im<br />
Team? Wovor schützt das Mitglied den Teamchef? Wie sieht es aus?<br />
Was brauchen die einzelnen Teamspieler? Es geht darum, sich einzufühlen<br />
und nachzuvollziehen, was jedes Teammitglied auf dem Herzen<br />
hat. Abschließend verhandelt der Teamchef mit den Mitgliedern und<br />
ordnet die Aufstellung des Teams so, dass ein optimales Zusammenspiel<br />
der Teammitglieder entsteht. Die einzelnen Mitglieder sollen zu<br />
einem handlungsfähigen Team integriert werden.<br />
212
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Vorgehensweise im Tele<strong>Coaching</strong><br />
Bei der Arbeit am Telefon besteht die Herausforderung darin, dass<br />
der Klient das Bild vom Inneren Team unter Anleitung des Coachs<br />
selbst zeichnet und der Coach sich parallel eine Vorstellung von dem<br />
entstehenden Bild machen muss. Es empfiehlt sich, dass der Coach<br />
parallel eine Skizze macht, allerdings ohne den Klienten durch Nachfragen<br />
zur Zeichnung zu verwirren und in seinem Prozess zu stören.<br />
Klient und Coach sollten mit Stiften und Papier (Empfehlung: DIN<br />
A4) ausgestattet sein. Der Coach beschreibt möglichst plakativ die<br />
Vorgehensweise. Er fordert den Klienten auf, sein Blatt quer zu legen<br />
und die Skizze mit einem Kopf mit Hals (Teamchef) im oberen Bereich<br />
des Blattes zu beginnen. Anschließend wird er Körper möglichst groß<br />
über den Rest des gesamten Blattes gezeichnet. Alternativ könnte der<br />
Coach den Kopf, Hals und Körper vorher skizzieren, einscannen und<br />
dem Klienten vorab per E-Mail zusenden. Für die Arbeit am Telefon<br />
sollte der Coach die drei Größen „klein“, „mittel“ und „groß“ vorgeben.<br />
Das erleichtert ihm, nachzuvollziehen, was der Klient aufmalt.<br />
Genau wie im Präsenz<strong>Coaching</strong> erhalten die Teammitglieder, die in den<br />
Körper gezeichnet werden, Gesichter mit Sprechblasen und Namen.<br />
Der Klient erklärt, was er visualisiert hat. Im weiteren Prozess werden<br />
die gleichen Fragen zum Erkunden der Teammitglieder gestellt wie im<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong>. Zusätzlich kann der Coach eigene Wahrnehmungen<br />
und Interpretationen als Hilfestellung anbieten.<br />
Um die Teammitglieder weiter zu erforschen, kann auch am Telefon<br />
die innere Ratsversammlung als Stuhlarbeit durchgeführt werden. Oft<br />
reicht es aber auch, den Klienten zu bitten sich in dieses Mitglied einzufühlen.<br />
Alternativ kann mit Bodenankern, die die Teammitglieder<br />
symbolisieren, oder – wie im Kapitel Aufstellungen 73 beschrieben – mit<br />
einer Skizzierung auf Papier gearbeitet werden.<br />
73 Vgl. Aufstellung am Telefon, S. 238.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Fazit<br />
Die Arbeit mit dem Inneren Team lässt sich gut auf das Telefon<br />
transferieren. Wichtig ist hierbei eine gute anschauliche Anleitung des<br />
Klienten zum Aufzeichnen des Inneren Teams. Der Coach ist herausgefordert<br />
sehr genau zuzuhören, um sich ein Bild vom aufgemalten<br />
Team des Klienten zu machen. Es können gleich gute Ergebnisse<br />
erzielt werden wie im Präsenz<strong>Coaching</strong>. Da es bei der Arbeit mit dem<br />
Inneren Team viele Parallelen zum Führen von Teams im Berufsalltag<br />
gibt, ist diese Methode hervorragend für das <strong>Coaching</strong> von Führungskräften<br />
geeignet. Also genau für den Kontext, in dem Tele<strong>Coaching</strong><br />
zurzeit am häufigsten genutzt wird.<br />
Sprachliche Interventionen – Zusammenfassung<br />
Sie haben nun einen bunten Strauß von Möglichkeiten kennen<br />
gelernt, wie sprachliche Interventionen aus dem Präsenz<strong>Coaching</strong> auf<br />
das Telefon transferiert werden können. Bei allen vorgestellten Methoden<br />
ist am Telefon das besonders aufmerksame Zuhören erfolgskritisch.<br />
Zudem ist es nötig vermehrt Fragen zu stellen, aber auch Pausen<br />
auszuhalten und z. B. bei der Arbeit mit Trancen ein akustisches Feedbacksystem<br />
zu vereinbaren. Dies ist generell beim Tele<strong>Coaching</strong> hilfreich,<br />
insbesondere wenn Coach und Klient am Anfang der gemeinsamen<br />
Arbeit stehen.<br />
Für Methoden wie The Work, Appreciative Inquiry und das Innere<br />
Team ist es hilfreich vorab schriftliche Unterlagen zwischen Coach und<br />
Klient auszutauschen – im Zeitalter der elektronischen Kommunikation<br />
eine leichte Übung. Es besteht sogar die Möglichkeit gemeinsam<br />
ein elektronisches Dokument zu bearbeiten.<br />
Das Innere Team ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie eine<br />
Methode mit einer starken visuellen Komponente am Telefon eingesetzt<br />
werden kann. Entscheidend ist hier, dass der Coach dem Klienten<br />
vorab einen Überblick gibt, worauf es bei der anzufertigenden Zeichnung<br />
hinaus laufen soll und ihm präzise Instruktionen gibt.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
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Mit einem Appreciative Inquiry Prozess am Telefon öffnen sich für<br />
Unternehmen mit dezentralen Standorten und virtuellen Teams ganz<br />
neue Dimensionen. Es können viele oder ggf. sogar alle Mitarbeiter an<br />
einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung beteiligt werden, was sich normalerweise<br />
durch Reisekosten- und Reisezeiten verbieten würde. Hier<br />
sind zusätzlich zu den „normalen“ Fähigkeiten eines TeleCoachs<br />
Erfahrungen in der Moderation von Gruppenprozessen und Telekonferenzen<br />
gefragt.<br />
Bei allen Methoden ist es sinnvoll, dass der TeleCoach zunächst im<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong> Methodensicherheit gewinnt und zumindest bei der<br />
Arbeit mit Trancen sollte er seinen Klienten schon aus einigen Tele-<br />
<strong>Coaching</strong>-Sitzungen kennen.<br />
Geht es darum, einen längerfristigen Umlernprozess zu begleiten, ist<br />
das Telefon unschlagbar – wir haben dies am Beispiel von The Work<br />
gezeigt.<br />
Die erste Stufe auf der Erfolgsleiter des Tele<strong>Coaching</strong>s ist erklommen.<br />
Nun kommt der nächste große Schritt: Methoden, die zusätzlich<br />
den Körper involvieren, auf das Telefon zu transferieren. Lassen Sie<br />
sich überraschen, was alles möglich ist!<br />
Liebling, wir müssen jetzt<br />
Schluss machen… bitte noch<br />
nicht… dann leg du auf…<br />
ichkannnicht…nein du…<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
Der Leser mag sich fragen, warum nicht die Beschränkung auf rein<br />
sprachliche Interventionen? Da liegt die Übertragbarkeit auf das Telefon<br />
doch sehr viel eher auf der Hand als bei Methoden, die den Körper<br />
einbeziehen.<br />
Eine Antwort heißt Methodenvielfalt. Zum einen haben die Klienten<br />
unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich unserer drei wichtigsten Sinneskanäle:<br />
visuell, auditiv, kinästhetisch, also sehen, hören, fühlen. Den<br />
einen Klienten erreiche ich hervorragend auf der rein sprachlichen<br />
Ebene. Ein visueller Typ kann vielleicht besonders gut mit dem Inneren<br />
Team arbeiten, da ein Bild des Teams gezeichnet wird. Ein anderer<br />
Klient profitiert besonders von der Arbeit mit Bodenankern oder<br />
Stühlen – denn der kinästhetische Kanal wird angesprochen. Und eine<br />
andere Person bekommt über das Hineinspüren in den eigenen<br />
Körper, wie z. B. beim Focusing, einen ganz anderen oder überhaupt<br />
den ersten Zugang zu einem Problem. Trotzdem können Klienten in<br />
ihrem Klärungsprozess feststecken. Hier erhöht ein Methodenwechsel,<br />
der auch einen Wechsel des primär angesprochenen Sinneskanals<br />
beinhaltet oder einen weiteren einbezieht, die Chance dem Klienten<br />
über die nächste Hürde zu helfen.<br />
Die zweite Antwort lautet: Der Coach hat methodische Vorlieben.<br />
Auch wir Coachs präferieren bestimmte Sinneskanäle und haben einen<br />
unterschiedlichen Zugang zu den verschiedenen Methoden. Deswegen<br />
sind wir mit ihnen auch unterschiedlich erfolgreich. Ich bin als Coach<br />
somit gut beraten meine Lieblingsmethoden, mit denen ich meine<br />
Klienten optimal unterstützen kann, auch im Tele<strong>Coaching</strong> zu nutzen.<br />
Und natürlich ist es gut möglich, dass wir am Telefon andere Methoden<br />
vorziehen als im Präsenz<strong>Coaching</strong>, eben weil das Telefon viele<br />
216
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Vorteile bietet 74 . Es gibt also gute Gründe auch die Methoden, die wir<br />
uns vielleicht auf den ersten Blick nicht am Telefon vorstellen können,<br />
zu transferieren und kreativ anzupassen. Schauen wir uns gemeinsam<br />
an, welche Möglichkeiten sich bieten.<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> – schnell und effektiv<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> ist eine sehr effektive und wirkungsvolle Kurzzeit-Intervention,<br />
die im Rahmen verschiedenster <strong>Coaching</strong>-Prozesse<br />
zum Einsatz kommen kann.<br />
Die große Wirksamkeit macht das wingwave-<strong>Coaching</strong> besonders<br />
attraktiv für das Telefon. Visuelle Reize und ein kinesiologischer Muskeltest<br />
sind im wingwave-<strong>Coaching</strong> entscheidende Elemente. Wir werden<br />
zeigen, dass es sich trotzdem hervorragend für das Tele<strong>Coaching</strong><br />
adaptieren lässt.<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> wird genutzt zur Steigerung der individuellen<br />
Leistung und Kreativität, zur nachhaltigen Umsetzung individueller<br />
Ziele im Sport, in der Zahnarztpraxis zum Abbauen von Angst, in der<br />
Lernpädagogik etc. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind die Reduktion<br />
von emotionalem und körperlichem Stress (z. B. Schlafmangel,<br />
Erschöpfung) sowie das Auflösen von "Post-Achievement-Stress"<br />
(Leistungsstress). Hier ist jede Art von Stress gemeint, die in<br />
anspruchsvollen und arbeitsintensiven Berufen auftreten kann und sich<br />
nicht mehr von allein abbaut. Des weiteren ist wingwave-<strong>Coaching</strong><br />
geeignet für das Auflösen einschränkender persönlicher Glaubenssätze,<br />
das Auflösen negativer bzw. behindernder Emotionen in Verbindung<br />
mit Kränkungen, Enttäuschungen, Trennung und Verlust sowie zum<br />
Regulieren eines Zuviel an Genuss, seien es z. B. Kekse, Gummibärchen<br />
oder Nikotin. 75<br />
74 Vgl. Tele<strong>Coaching</strong> - Eine praktische Alternative (S. 35 ff) und Die neue Dimension des<br />
<strong>Coaching</strong>s – Methodische Aspekte des Tele<strong>Coaching</strong>s (S. 44 ff).<br />
75 Besser-Siegmund/ Siegmund (2003), Blume-Matzke (2009).<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Zunächst wird ein Überblick über die drei Grundelemente des<br />
wingwave-<strong>Coaching</strong>s gegeben. Da die Methode auf den ersten Blick<br />
recht ungewöhnlich wirkt, – Probleme werden „weg gewinkt“– wird<br />
sodann die Wirkungsweise des wingwave-<strong>Coaching</strong>s erläutert. Es folgt<br />
die Beschreibung des Vorgehens im Präsenz<strong>Coaching</strong>, um<br />
anschließend die Brücke zum Telefon zu schlagen.<br />
Im wingwave-<strong>Coaching</strong> werden die Grundprinzipien des EMDR<br />
(Eye Movement Desensitization and Reprocessing) mit einem kinesiologischen<br />
Muskeltest und Elementen des NLP kombiniert.<br />
EMDR wurde von Francine Shapiro in den USA Ende der achtziger<br />
Jahre zur Behandlung von Vietnam-Veteranen mit posttraumatischen<br />
Belastungsstörungen entwickelt. Es hat sich als äußerst effektiv und<br />
schnell wirkend bei der Behandlung von traumatischen Stressreaktionen<br />
erwiesen. Oft kann schon mit einer Sitzung eine große Veränderung<br />
beim Klienten erzielt werden. Sowohl bei EMDR als auch bei<br />
wingwave-Interventionen winkt der Coach mit seiner Hand vor dem<br />
Gesichtsfeld des Klienten im Sekundentakt hin und her. Der Klient<br />
folgt mit seinen Augen den Fingern des Coachs. Auf diese Weise<br />
werden so genannte wache REM-Phasen (REM = Rapid Eye<br />
Movement - schnelle Augenbewegungen in bestimmten Schlafphasen)<br />
erzeugt, die der Emotionsverarbeitung dienen.<br />
Abbildung 8: wingwave-<strong>Coaching</strong><br />
218
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Bereits Francine Shapiro fand heraus, dass neben dem Winken<br />
genauso wirkungsvoll eine auditive oder taktile Rechts-links-Stimulierung<br />
eingesetzt werden kann. Dies erfolgt durch abwechselndes Fingerschnipsen<br />
neben den Ohren des Klienten oder mit speziell komponierter<br />
Musik, die mit einem entsprechenden wechselseitigen Tonsignal<br />
unterlegt ist und über Kopfhörer gehört wird. Durch wechselseitiges<br />
leichtes Klopfen der Schultern, Hände oder Knie des Klienten kann<br />
taktil stimuliert werden. 76 Da diese Methoden der Stimulation genauso<br />
wirkungsvoll sind wie das Winken, wird davon ausgegangen, dass der<br />
eigentliche Wirkmechanismus eine bilaterale Hemisphärenstimulation<br />
des Gehirnes ist. Dadurch wird die Zusammenarbeit der linken und<br />
rechten Gehirnhälfte optimiert und so neuronale Netze aktiviert, die<br />
einen "...intensiven mentalen Lösungs- und Heilungsprozess auf der<br />
Basis bereits vorhandener Ressourcen.... " ermöglichen. 77<br />
Der kinesiologische Muskeltest (O-Ringtest) dient der gezielten<br />
Themenfindung für die Intervention und auch zur Erfolgskontrolle.<br />
Hierbei hält der Klient Daumen und Zeigefinger kräftig zu einem<br />
Ring geformt zusammen, während der Coach versucht diesen Ring<br />
durch kräftiges Ziehen mit beiden Händen zu öffnen. Ist eine<br />
Situation, ein Gedanke oder ein Gefühl relevant für ein Problem, so<br />
testet der Muskel schwach, der Ring lässt sich leicht öffnen. Stehen<br />
sie nicht in einem bedeutsamen Zusammenhang mit dem fraglichen<br />
Problem, testet der Muskel stark und der Ring lässt sich nicht öffnen.<br />
Ein Beispiel soll es verdeutlichen: Bei Prüfungsangst kann mit dem<br />
Test ermittelt werden, was genau der Auslöser für ein Blackout in<br />
einer Prüfung ist - das Setting, der Raum, bestimmte Worte des<br />
Prüfers, sein Aussehen, seine Stimme? So kann anschließend<br />
punktgenau der Auslöser mit der wingwave-Intervention bearbeitet<br />
und „deaktiviert“ werden.<br />
Abbildung 9: Kinesiologischer Muskeltest<br />
76 Lipke (2001), Besser-Siegmund/ Siegmund (2001).<br />
77 Besser-Siegmund/ Siegmund (2001).<br />
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Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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In der generellen Vorgehensweise bei einer wingwave-Intervention<br />
kommen Grundtechniken des NLPs zum Tragen, wie z. B. die Auswahl<br />
eines sicheren Ortes (siehe unten), das Setzen eines entsprechenden<br />
Ankers sowie der Ausblick auf zukünftige vergleichbare Situationen<br />
(Future Pace), um zu testen, ob das Problem gelöst ist. Des Weiteren<br />
liegen der Arbeit Grundannahmen des NLPs zugrunde, wie z. B.<br />
„Jeder Mensch trägt alle benötigten Ressourcen in sich“ und „Jedes<br />
Problem trägt die Lösung schon in sich“ sowie die generelle systemische,<br />
lösungs-, ziel- und ressourcenorientierte Vorgehensweise im<br />
NLP. Darüber hinaus lassen sich viele NLP-Interventionen sehr gut<br />
mit wingwave-Interventionen kombinieren.<br />
Wirkungsweise des wingwave-<strong>Coaching</strong>s<br />
Ein wesentlicher Teil der Emotionsverarbeitung erfolgt nachts in<br />
unseren Träumen während der Schlafphasen mit den schnellen Augenbewegungen<br />
(REM-Phasen). Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund<br />
78 haben dafür eine anschauliche Metapher gefunden: Nach<br />
einem Großeinkauf werden zunächst nur die Einkaufstüten im Flur<br />
abgestellt. Nachts in den (REM-Phasen) werden sie dann ausgepackt<br />
und die Inhalte in die verschiedenen Schränke sortiert. Entsprechend<br />
werden nachts in den REM-Phasen Erlebnisse und Emotionen im<br />
limbischen System verarbeitet und im Kortex des Großhirns als Informationen<br />
abgespeichert. Manchmal können diese „Erlebnis-Brocken“<br />
aufgrund der damit verbundenen unangenehmen Emotionen so sperrig<br />
sein, dass das Gehirn Probleme mit dem Einordnen bekommt – sie<br />
passen nirgendwo hin. Die Verarbeitung stockt. Ein Problem oder ein<br />
angstbesetztes Erlebnis hinterlassen nachhaltige Spuren, die uns in<br />
unserem Handlungsspielraum und damit auch in unserer individuellen<br />
Leistungsfähigkeit und unserem Wohlgefühl stark einschränken. Tritt<br />
die Schlüsselsituation oder der Schlüsselreiz wieder auf, läuft immer das<br />
gleiche unerwünschte Reaktionsmuster ab.<br />
78 Besser-Siegmund/Siegmund (2003).<br />
220
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Dies erklärt sich laut Besser-Siegmund und Siegmund folgendermaßen:<br />
79 Alle unsere Sinneswahrnehmungen werden vom limbischen<br />
System bewertet und ggf. emotional positiv oder negativ eingefärbt,<br />
bevor sie eine halbe Sekunde später im Kortex – dem denkenden Teil<br />
unseres Gehirns – ankommen. Die neuronale Verbindung vom limbischen<br />
System in den Kortex gleicht einer breiten „Datenautobahn“.<br />
Für unsere „Notfallreaktionen“ Flucht, Angriff oder Totstellen war<br />
dies in der Steinzeit überlebenswichtig. Das limbische System konnte<br />
sofort die rettende Reaktion einleiten und tut dies auch heute noch,<br />
obwohl es selten um Leben oder Tod geht. Wenn wir einem unverarbeiteten<br />
Erlebnis in Form einer Schlüsselsituation oder eines Schlüsselreizes<br />
begegnen, erfolgt in der Regel – ohne dass wir den Auslöser<br />
bewusst wahrnehmen - durch das limbische System die negative emotionale<br />
Bewertung und es startet eine entsprechende Notfallreaktion.<br />
Das Beispiel extremer Prüfungsangst kann dies verdeutlichen:<br />
Durch einen Schlüsselreiz ausgelöst überflutet das limbische System<br />
das Großhirn über die neuronale Datenautobahn, z. B. mit Angst.<br />
Der Prüfling „erstarrt“ und hat ein Black-out. Obwohl er gerade<br />
eben noch den gesamten Prüfungsstoff parat hatte, versagt das<br />
Großhirn den Dienst. Das gelernte Wissen ist nicht mehr abrufbar.<br />
Nach der Prüfungssituation, wenn die Emotionen abgeklungen sind,<br />
ist auch das Wissen wieder verfügbar. Da es vom Großhirn in das<br />
limbische System hinein keine „Datenautobahn“, sondern nur einige<br />
wenige Nervenbahnen gibt, ist es uns in diesen Momenten praktisch<br />
unmöglich, durch Denken Einfluss auf unseren aktuellen Zustand zu<br />
nehmen. Darüber hinaus zeigen EEG-Aufnahmen, dass in so<br />
genannten Flash-Back-Momenten, wenn die Betroffenen ein altes<br />
Trauma emotional erneut wie real erleben, das Sprachzentrum in der<br />
linken Gehirnhälfte ausgeschaltet ist. Das bedeutet, dass uns die<br />
Sprache, die wesentlich für unser Selbstmanagement in Form unbewusster<br />
innersprachlicher Abläufe ist, in diesen Momenten nicht zur<br />
Verfügung steht. 80 Auch diese Beobachtungen erklären, warum es<br />
kaum möglich ist das uns emotional überflutende limbische System<br />
allein mit unserem Verstand zu beruhigen.<br />
Wie können wir hier nun mit wingwave-<strong>Coaching</strong> ansetzen? Mit<br />
Hilfe des oben beschriebenen kinesiologischen Muskeltestes lässt sich<br />
79 Besser-Siegmund/ Besser (2003).<br />
80 Besser-Siegmund & Besser (2001).<br />
221
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
der Auslöser des Black-outs genau herausfinden und welches frühere<br />
Erlebnis ggf. nicht vollständig verarbeitet wurde. Über die bilaterale<br />
Hemisphärenstimulation wird die Verarbeitung der mit dem früheren<br />
Erlebnis verbundenen negativen Emotion, also z. B. der Angst, angestoßen.<br />
Dies führt dazu, dass die betreffende Person in zukünftigen<br />
Prüfungssituationen gelassen bleibt und ihr Wissen wiedergeben kann.<br />
Die große Effizienz des wingwave-<strong>Coaching</strong>s wird darauf zurückgeführt,<br />
dass über die bilaterale Hemisphärenstimulation ein natürlicher<br />
Verarbeitungsprozess, den das Gehirn seit Urzeiten beherrscht, wieder<br />
angestoßen wird.<br />
Wingwave im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Nun wird der Ablauf einer wingwave-Intervention beim Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> skizziert, um anschließend die abweichende Vorgehensweise<br />
am Telefon darzustellen:<br />
1. In der inhaltlichen Vorbereitung benennt der Klient sein Problem,<br />
ihm wird die Methode erklärt und die bilaterale Hemisphärenstimulation<br />
durch das Winken vor dem Gesichtsfeld eingeführt.<br />
Beim Präsenz<strong>Coaching</strong> nutzt man in der Regel mit dem<br />
Winken den visuellen Sinneskanal, da dies bei den meisten<br />
Klienten sehr gut funktioniert. Auf auditive oder taktile Reize<br />
wird ausgewichen, wenn dem Klienten z. B. das schnelle Augenbewegen<br />
schwer fällt, unangenehm ist oder er sonstige Augenprobleme<br />
hat.<br />
2. Es werden ein „sicherer Ort“ definiert und Signale vereinbart,<br />
mit denen der Klient das Winken unterbrechen oder den Coach<br />
zum Weitermachen auffordern kann.<br />
3. Mit dem O-Ringtest wird festgestellt, welches innere Bild oder<br />
welcher innere Satz in der Problemsituation die größte behindernde<br />
Wirkung auf den Klienten hat, um punktgenau intervenieren<br />
zu können.<br />
222
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
4. Im nächsten Schritt wird die blockierende negative Ich-Aussage<br />
ermittelt.<br />
5. Nun wird eine positive Ich-Aussage formuliert, die der Klient der<br />
Situation angemessen und unterstützend erlebt. Die momentane<br />
Glaubwürdigkeit der positiven Ich-Aussage wird auf einer Skala<br />
von eins (gar nicht glaubwürdig) bis sieben (sehr glaubwürdig)<br />
skaliert, um den Fortschritt im Prozess erfahrbar machen zu<br />
können.<br />
6. Anschließend wird die mit dem Bild oder dem Satz verbundene<br />
Emotion benannt. Benennt der Klient mehrere Emotionen, kann<br />
über den O-Ringtest ermittelt werden, welche die größte Wirkung<br />
entfaltet. Mit ihr beginnt die Arbeit.<br />
7. Der Klient benennt das Ausmaß der aktuell auftretenden<br />
subjektiven Berührtheit auf einer Skala von -10 (stärkstes Unbehagen)<br />
bis +10 (stärkstes Ressourcenerleben), wenn er jetzt an<br />
die Ausgangssituation denkt. Auch diese Skalierung dient der<br />
Erfolgskontrolle.<br />
8. Sodann sucht der Klient nach einem Körperecho der betreffenden<br />
Emotion, indem er in seinen Körper hineinhorcht. Damit<br />
wird festgestellt, wo sich diese Emotion in einer Körperreaktion<br />
bemerkbar macht.<br />
9. Während der jetzt durch das Winken erfolgenden bilateralen<br />
Hemisphärenstimulation fokussiert der Klient auf das betreffende<br />
Ereignis und diese Körperwahrnehmung. Das Winken<br />
erfolgt in Sets von ca. 20 Hin- und Herbewegungen. Zeigt der<br />
Klient schon während eines Sets eine physiologische Reaktion,<br />
z. B. durch Schlucken oder tiefes Atmen, wird das Winken unterbrochen<br />
und der Coach erfragt kurz, was sich verändert hat.<br />
Dann wird das Winken mit weiteren Sets fortgesetzt, bis der<br />
Klient einen positiven Zustand erreicht hat. Im Prozess wird ein<br />
möglichst schnelles Tempo vorgegeben. Ist ein ressourcenvoller<br />
Zustand erreicht, wird dieser über langsame Augenbewegungen<br />
verstärkt und stabilisiert (eingewoben). Ggf. kann es erforderlich<br />
sein, weitere mit der Situation in Verbindung stehende Emotio-<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
nen zu bewinken. Oft haben diese sich aber schon gemeinsam<br />
mit der stärksten Emotion aufgelöst.<br />
10. Zur Erfolgskontrolle wird erneut skaliert, wie glaubwürdig jetzt<br />
die positive Selbstaussage ist und wie die subjektive Berührtheit<br />
erlebt wird. Ebenso kann kinesiologisch getestet werden, ob noch<br />
andere behindernde Emotionen vorhanden sind. Diese werden<br />
ggf. in gleicher Weise bearbeitet.<br />
11. Im abschließenden Bodyscan werden kleine Restempfindungen<br />
gesucht und ggf. wird erneut, wie unter 9. und 10. beschrieben,<br />
verfahren.<br />
12. Schließlich wird mit dem so genannten Future Pace aus dem NLP<br />
überprüft, ob der Klient jetzt eine positive und stabile Überzeugung<br />
hat, sich in der ursprünglich problematischen Situation auf<br />
die gewünschte Weise verhalten zu können.<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> am Telefon – wie geht das?<br />
Aufgrund der bilateralen Hemisphärenstimulation und des kinesiologischen<br />
Muskeltests erscheint es auf den ersten Blick unerlässlich, dass<br />
sich Coach und Klient persönlich treffen, da Sehen und Berühren<br />
Kernelemente der Methode sind. Doch es geht auch am Telefon!<br />
Zur Vorbereitung eines wingwave-<strong>Coaching</strong>s am Telefon werden<br />
dem Klienten vorab per Mail die Skalen für die Glaubwürdigkeit der<br />
positiven Ich-Aussage und der subjektiven Berührtheit zugesandt. Da<br />
am Telefon der kinesiologische Muskeltest komplett entfallen muss,<br />
gewinnen diese Skalen zur Verfolgung der eintretenden Veränderungen<br />
eine zusätzliche Bedeutung.<br />
Der Einstieg in die Intervention mit Aufklärung über die Methode<br />
etc. erfolgt wie oben bereits beschrieben. Da der Coach den Klienten<br />
und seine Physiologie nicht sieht, ist es – wie immer beim Arbeiten am<br />
Telefon – besonders wichtig, genau zuzuhören und auf Stimmklang,<br />
Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Atem etc. zu achten.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Der Einbau von Sicherheiten erfolgt am Telefon genau so wie beim<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong>. Ich lasse mir vom Klienten einen Ort beschreiben,<br />
an dem er sich absolut sicher und geborgen fühlt und lasse ihn dafür<br />
einen Begriff finden, der diese Erinnerung sofort in ihm wach ruft.<br />
Indem der Klient diesen Begriff mehrfach ausspricht, während er in<br />
seiner Vorstellung an seinem sicheren Ort ist und auch der Coach ihn<br />
wiederholt, wird ein auditiver Anker gesetzt, der es ermöglicht, den<br />
Klienten ggf. aus einem schlechten Zustand herauszuholen. Alternativ<br />
kann ein kinästhetischer Anker gesetzt werden, indem sich der Klient<br />
selbst berührt oder einen Gegenstand in die Hand nimmt. Des Weiteren<br />
werden ein Stopp- und ein Go-Signal vereinbart, falls der Klient<br />
wünscht, dass die bilaterale Hemisphärenstimulation unterbrochen<br />
bzw. nicht unterbrochen wird. Beim Präsenz<strong>Coaching</strong> nimmt man in<br />
der Regel eine Handbewegung, am Telefon entsprechende Wörter, wie<br />
z. B. "stopp" und "weiter", die der Klient auswählt.<br />
Für die schnellen Augenbewegungen weist der Coach den Klienten<br />
an, zwei Punkte rechts und links vor sich in Augenhöhe zu suchen.<br />
Wichtig ist dabei, dass er den Kopf nicht dreht und die Punkte am<br />
linken und rechten Rand seines Blickfeldes liegen. Der Coach gibt das<br />
Tempo der Augenbewegungen vor, indem er über das Telefon die<br />
Anweisungen rechts - links - rechts - links etc. gibt. Der Coach kann,<br />
um den richtigen Rhythmus zu treffen, selbst winken als wäre der<br />
Klient anwesend. Über Anweisungen wie "höher" und "tiefer", kann<br />
der Coach steuern, dass der Klient die Augen nicht nur im auditiven<br />
Bereich (Augenhöhe), sondern auch im visuellen (oben) und kinästhetischen<br />
(unten) Bereich der Augenbewegungsmuster bewegt. 81<br />
Anstelle der Stimulation über die Augenbewegungen kann der Klient<br />
beim Tele<strong>Coaching</strong> leise die bereits erwähnte wingwave-Musik hören,<br />
entweder über zwei entsprechend links und rechts aufgestellte Musikboxen<br />
oder besser noch mit zwei Knöpfen im Ohr, die unter dem<br />
Telefon-Headset getragen werden. Eine dritte Möglichkeit am Telefon<br />
besteht darin, dass der Klient die Arme kreuzt und sich selbst abwech-<br />
81 Vgl. die Textbox Augenzugangshinweise Kapitel NLP – Neurolinguistisches Programmieren<br />
(S. 200).<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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selnd auf die Oberarme oder die Oberschenkel klopft. Auch hier gibt<br />
der Coach das Tempo vor.<br />
Beim Benennen des Themas und Herausarbeiten des Fokus für die<br />
wingwave-Intervention entfällt am Telefon der O-Ring-Test. Hier ist<br />
der TeleCoach genau so wie jeder andere Coach, der seine Arbeit ohne<br />
kinesiologische Muskeltests macht, auf seine Intuition, Nachfragen und<br />
auf sehr genaues Hinhören angewiesen. Zusätzlich kann er, um den<br />
fehlenden Blick auf die Physiologie des Klienten zu kompensieren, die<br />
beiden eingeführten Skalen zur Befindlichkeit des Klienten häufiger<br />
abfragen, als er dies im Präsenz<strong>Coaching</strong> tun würde. Ebenso kann er<br />
sich vermehrt die Veränderung der Körperwahrnehmung und der<br />
Gefühle des Klienten beschreiben lassen.<br />
Um einen guten Kontakt über das Telefon zum Klienten aufzubauen,<br />
kann sich der Coach kurz beschreiben lassen, in welchem Raum<br />
sich der Klient befindet und ob er steht, sitzt oder liegt. Dies erleichtert<br />
dem Coach sich in die Situation des Klienten einzufühlen und guten<br />
Rapport herzustellen.<br />
Fazit<br />
Wingwave-<strong>Coaching</strong> lässt sich erfolgreich am Telefon durchführen.<br />
Es gibt zwar zwei Einschränkungen: Der Coach kann vor dem Klienten<br />
nicht direkt winken und der kinesiologische Ringtest entfällt. Beide<br />
Einschränkungen lassen sich aber kompensieren: Zur bilateralen Hemisphärenstimulation<br />
bewegt der Klient die Augen gemäß den akustischen<br />
Anweisungen des Coachs. Oder sie erfolgt über Musik oder auf<br />
kinestätischem Wege durch den Klienten selbst. Der Coach erfragt<br />
verstärkt den Zustand des Klienten und setzt die beiden Befindlichkeitsskalen<br />
häufiger ein. Idealerweise wird das wingwave-<strong>Coaching</strong> am<br />
Telefon durch eine E-Mail mit den benötigten Unterlagen vorbereitet.<br />
Entscheidet sich der Coach spontan für eine wingwave-Intervention<br />
am Telefon, kann er improvisieren, indem er die Skalen nur abfragt<br />
oder der Klient sie sich aufzeichnet. Möglicherweise dauert der Prozess<br />
am Telefon etwas länger, da nicht ganz so punktgenau wie mit dem<br />
kinesiologischen Muskeltest gearbeitet werden kann. Trotzdem bleibt<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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die Methode sehr effektiv und schnell und ist daher auch für den Einsatz<br />
am Telefon gut geeignet!<br />
Wie schon beim Arbeiten mit Trancen und dem Inneren Team empfehlen<br />
wir auch hier, dass der Coach zunächst Erfahrungen im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
sammelt und dann die Methode ins Tele<strong>Coaching</strong> übernimmt.<br />
Weitere Quellen: Persönliche Mitteilungen von Claudia Simmerl<br />
und Harry Siegmund sowie Simmerl (2009).<br />
Kinästhetisches NLP am Telefon –<br />
leichter als erwartet<br />
Im Kapitel Wirksamkeit am Telefon entfalten – Sprachliche Interventionen<br />
wurde bereits der Einsatz rein sprachlicher NLP-Interventionen am<br />
Telefon beschrieben. Hier geht es darum, auch die kinästhetischen<br />
Dimensionen des NLPs nutzbar zu machen, um das volle methodische<br />
Spektrum auch am Telefon nutzen zu können. Mit dem Begriff<br />
kinästhetisches NLP sind all die Formate gemeint, die Körperbewegungen<br />
und Bewegungen im Raum, wie die Arbeit mit Bodenankern<br />
oder Stühlen, beinhalten. Zunächst wird die Funktion von Bodenankern<br />
erläutert. Dann wird am Beispiel der Logischen Ebenen dargestellt,<br />
welche Möglichkeiten es grundsätzlich gibt, mit diesen<br />
„kinästhetischen Formaten“ am Telefon zu arbeiten. Daran schließt<br />
sich ein Erfahrungsbericht zur Walt-Disney-Strategie unter Verwendung<br />
von Bodenankern am Telefon an. Die Erfahrungen werden<br />
sowohl aus der Sicht des Klienten als auch des Coachs beschrieben.<br />
Aus diesen Erfahrungsberichten werden abschließend allgemeine Hinweise<br />
für die Arbeit mit „kinästhetischem NLP“ abgeleitet.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Bodenanker<br />
Die Arbeit mit Bodenankern ist ein typisches Element zahlreicher<br />
Interventionen des NLPs 82 . Ein Bodenanker ist ein kinästhetischer<br />
Anker: Indem der Klient einem bestimmten Platz im Raum eine<br />
besondere Bedeutung zuweist, wird dieser Platz zur örtlichen Repräsentation<br />
dieser Bedeutung. Hierbei kann es sich z. B. um ein Ereignis<br />
in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft handeln. Oder der<br />
Bodenanker repräsentiert einen bestimmten gefühlsmäßigen Zustand,<br />
einen inneren Persönlichkeitsanteil, einen bestimmten Gedanken, ein<br />
Ziel oder auch eine andere Person. Die Zuweisung kann rein gedanklich<br />
erfolgen oder sie wird mit einem Blatt Papier mit einem sprechenden<br />
Namen darauf markiert. Sich auf oder neben den Bodenanker zu<br />
stellen unterstützt den Klienten, sich in die gewünschte Situation, den<br />
gewünschten Zustand, den Persönlichkeitsanteil etc. einzufühlen. Es<br />
erleichtert ihm die Assoziation mit der Bedeutung des Bodenankers.<br />
Gleichzeitig hilft der Bodenanker dem Klienten, diese Bedeutung von<br />
anderen Situationen oder Zuständen zu unterscheiden. Durch das<br />
räumliche Verlassen des Bodenankers kann er sich wesentlich leichter<br />
wieder von der Bedeutung dissoziieren, als wenn der ganze Prozess<br />
rein gedanklich ablaufen würde. Zusätzlich helfen die Bodenanker dem<br />
Klienten dabei einen Perspektivenwechsel durchzuführen, eine<br />
bestimmt Situation aus der Beobachterperspektive zu betrachten und<br />
sie erleichtern die Arbeit mit den eigenen inneren Persönlichkeitsanteilen.<br />
Der Coach kann anhand der sich verändernden Physiologie des<br />
Klienten auf den verschieden Positionen erkennen, ob der Klient dissoziiert<br />
oder assoziiert ist, und den Verlauf des Prozesses ablesen. Über<br />
das Umpositionieren der Bodenanker im Laufe des <strong>Coaching</strong>-Prozesses<br />
werden zusätzlich die eintretenden Veränderungen visualisiert.<br />
82 Circle of Excellence, New Behaviour Generator, Timeline, Walt-Disney-Strategie,<br />
Walking Belief Change etc.<br />
228
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Logische Ebenen<br />
Ein Beispiel für ein Format, das die Bewegung im Raum nutzt, sind<br />
die Logischen Ebenen. Das Format zielt darauf ab, eine neue Sicht auf<br />
eine Problemsituation zu erlangen, um so neue Handlungsmöglichkeiten<br />
zu finden oder Ressourcen für eine Situation zu erschließen und zu<br />
stärken. Zu der entsprechenden Situation führt der Coach den Klienten<br />
durch die Ebenen Kontext, Umgebung, Handlung, Fähigkeiten, Glaubenssätze,<br />
Werte, Identität, Zugehörigkeit und Vision. Der Coach lässt<br />
sich auf jeder Ebene die inneren Bilder, Gefühle und Gedanken des<br />
Klienten schildern. Dadurch wird die Ausgangslage bewusst. Auf der<br />
obersten Ebene versorgt sich der Klient, unterstützt vom Coach, mit<br />
Ressourcen. Anschließend geht er die Ebenen wieder zurück und<br />
nimmt wahr, was sich verändert hat. In der Regel erscheinen die inneren<br />
Bilder lebendiger, die Gefühle positiver, die Fähigkeiten reichhaltiger<br />
und der Klient erkennt neue Handlungsoptionen. Im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> bewegt sich der Klient begleitet vom Coach von Ebene zu<br />
Ebene durch den Raum. Die Ebenen können ggf. durch Bodenanker in<br />
Form eines Blattes Papier, auf dem die jeweilige Ebene steht, symbolisiert<br />
werden.<br />
Im Tele<strong>Coaching</strong> gibt es mehrere Möglichkeiten:<br />
• Der Coach lässt den Klienten je ein Blatt Papier für die Ebenen<br />
schreiben, als Bodenanker auslegen und führt ihn dann am Telefon<br />
durch das Format.<br />
• Der Coach lässt den Klienten diese Schritte durch die Logischen<br />
Ebenen in seiner Gedankenvorstellung machen.<br />
• Der Coach stellt nur die entsprechenden Fragen zu jeder Ebene<br />
und verzichtet auf reale oder imaginative Bewegungen von Ebene<br />
zu Ebene.<br />
Die letzte dieser Varianten habe ich sowohl in der Rolle des Coachs<br />
als auch des Klienten bereits mehrfach als völlig ausreichend erlebt.<br />
Bei der Entscheidung, wie der Coach vorgeht, kommt es letztlich auf<br />
seine Erfahrungen mit dem jeweiligen Klienten an. Bei Menschen, die<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
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__________________________________________________<br />
sehr kognitiv sind, reicht es u. U. aus, nur die Fragen zu den jeweiligen<br />
Ebenen zu stellen. Andrerseits ermöglicht vielleicht gerade diesen Personen<br />
das Einbeziehen des kinästhetischen Sinneskanals durch die<br />
Bewegung im Raum eine vertiefte Erfahrung. Hier möchten wir die<br />
Coachs unter den Lesern ermuntern mit den verschiedenen Möglichkeiten<br />
zu experimentieren und eigene Erfahrungen zu sammeln.<br />
Andere kinästhetische NLP-Formate, wie z. B. „1. 2. 3. Position“,<br />
nutzen den Wechsel zwischen zwei Stühlen und einer dritten Meta-<br />
Position, um Assoziation, Dissoziation und den Blickwinkel von außen<br />
zu unterstützen bzw. zu ermöglichen. Mit diesem Format können Ressourcen<br />
verstärkt, Kommunikationsprobleme mit anderen Personen<br />
und auch körperliche Symptome bearbeitet werden. Genau wie bei den<br />
Logischen Ebenen hat der Coach bei der Arbeit am Telefon die drei<br />
schon beschrieben Vorgehensweisen, um das Nicht-Sehen zu<br />
kompensieren.<br />
Walt-Disney-Strategie – Stell-dich-ein am Telefon<br />
Die Walt-Disney-Strategie ist eine Kreativitätstechnik aus dem NLP.<br />
Sie unterstützt den Klienten darin, Visionen, Ziele und Projekte sowie<br />
Strategien zur Umsetzung zu entwickeln. Es wird mit inneren Anteilen,<br />
unterstützt durch Bodenanker, ähnlich wie in einer Aufstellung gearbeitet.<br />
Das Prinzip der Walt-Disney-Strategie<br />
Im Prozess der Walt-Disney-Strategie werden die drei inneren Persönlichkeitsanteile<br />
Träumer, Realist und Kritiker miteinander in Kontakt<br />
gebracht. Beginnend mit dem Träumer entwickeln sie gemeinsam<br />
eine Vision oder ein Projekt. Mit Hilfe der Erinnerung an frühere entsprechende<br />
Zustände wird der Klient vom Coach nacheinander in die<br />
drei Anteile geführt und legt jeweils einen Bodenanker für den Anteil<br />
aus. Von der Meta-Position aus überprüft der Klient die Positionen der<br />
drei Anteile zueinander und verändert sie gegebenenfalls noch einmal.<br />
Anschließend begibt sich der Klient auf die Bodenanker in der Reihenfolge<br />
Träumer, Realist und Kritiker, assoziiert sich mit diesen Rollen<br />
230
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
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__________________________________________________<br />
und entwickelt das Projekt. Unter Umständen ist in der Startphase<br />
noch eine Rollenklärung und gegenseitige Würdigung dieser Anteile<br />
untereinander notwendig, um eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen.<br />
Die Positionen der drei Anteile werden vom Klienten mehrmals<br />
durchlaufen, bis ein zufrieden stellendes Ergebnis erreicht ist. Gegebenenfalls<br />
moderiert der Coach die Diskussion der Anteile untereinander<br />
und lässt den Klienten zwischendurch auf der Metaposition die Perspektive<br />
eines unbeteiligten Dritten einnehmen.<br />
Walt-Disney-Strategie am Telefon – ein Erfahrungsbericht<br />
Mit folgender Vision, die der Klient mir vorab per Mail übersandt<br />
hatte, ist er in die Arbeit gestartet: “Mein Unternehmen wird zu einem<br />
weltweiten Keyplayer auf dem Gebiet der persönlichen Transformation,<br />
der Transformation von Organisationen sowie der Transformationen<br />
von menschlichen Systemen generell.“ Folgende Ziele zur Realisierung<br />
innerhalb von zwei Jahren hatte der Klient bereits formuliert:<br />
• Veröffentlichung eines Buches.<br />
• Testen und Dokumentieren der Methode sowie ihre Einordnung<br />
in ein System.<br />
• Schaffung eines weltweiten Netzwerks von mindestens 200<br />
ausgebildeten und zertifizierten Beratern, das weiter wächst.<br />
Erfahrungsbericht des Klienten<br />
In der ersten Phase habe ich den Träumer im Wohnzimmer, den<br />
Kritiker im Esszimmer und den Realisten im Raum, der diese beiden<br />
Zimmer verbindet, positioniert. Die Metaposition habe ich in der Nähe<br />
der Tür gewählt, die ins Verbindungszimmer und das Esszimmer führt,<br />
so dass der Blick auf die drei anderen Positionen möglich war. Nach<br />
zwei Durchläufen durch alle Positionen hatte der Träumer seinen Platz<br />
im Esszimmer dicht bei der in den Garten führenden Terrassentür, so<br />
dass er nach draußen sehen konnte. Der Realist und der Kritiker standen<br />
Seite an Seite ebenfalls im Esszimmer. Die Meta-Position befand<br />
sich dicht dahinter. Von der Metaposition habe ich die endgültige<br />
Anordnung der drei Anteile als sehr kraftvoll wahrgenommen und<br />
fühlte einen starken Energiestrom, der vom Kritiker und Realisten zum<br />
231
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Träumer führte. Diesen Energiestrom konnte ich ebenfalls in der Rolle<br />
des Kritikers fühlen.<br />
Meine wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Prozess sind:<br />
• Das schon bestehende Basis-Konzept ist ausgereift ist und muss<br />
nicht weiter verändert werden.<br />
• Die Form, in der es umgesetzt werden kann, kann in viele<br />
Richtungen gehen.<br />
• Daher ist es an der Zeit, das Basis-Konzept an einer Testgruppe<br />
auszuprobieren, um es durch Feedback erfolgreich zu machen.<br />
Aus der Arbeit haben sich für mich fünf konkrete nächste Schritte<br />
zur Realisierung meiner Vision ergeben.<br />
Bewertung des Prozesses durch den Klienten<br />
Es war für mich einfach, dem Prozess zu folgen und mich durchführen<br />
zu lassen. Zum Teil fand ich den Aufbau der drei Positionen etwas<br />
langsam, andererseits war ich überrascht, wie schnell die Zeit vergangen<br />
ist. Ich habe über dieses Projekt seit mehr als einem Jahr nachgedacht,<br />
so dass ich schon häufig in diesen drei Rollen war und schnell<br />
zwischen ihnen wechseln konnte. Wäre das Projekt noch ganz neu<br />
gewesen, hätte ich sicherlich mehr Zeit gebraucht, die einzelnen Rollen<br />
einzunehmen. Es ist ein guter Weg, um Klarheit in ein solches Projekt<br />
zu bringen, vielleicht aber auch etwas zeitaufwändig für eine Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> Session. (Anmerkung der Autorin: Der gesamte Prozess hat<br />
50 Minuten gedauert.)<br />
Erfahrungsbericht des Coachs<br />
Durch das Tele<strong>Coaching</strong> sollte die berufliche Vision meines Klienten<br />
weiter konkretisiert und mit noch mehr Leben gefüllt werden. Er<br />
beschäftigte sich schon ein gutes Jahr damit. Per E-Mail hatte er mir<br />
seine Vision und seine Ziele vorab zugeschickt. Bei dem Klienten handelt<br />
es sich um einen Coach-Kollegen, den ich nur aus Telefonkonferenzen<br />
kenne und bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal gecoacht<br />
habe.<br />
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Ablauf des Tele<strong>Coaching</strong>s: Im Prinzip bin ich wie im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong>, also wie oben beschrieben, vorgegangen. Beim Etablieren<br />
der drei Persönlichkeitsanteile habe ich mir beschreiben lassen, was der<br />
Klient gerade sieht und hört, sowie nachgefragt, ob er sich gut in die<br />
jeweilige Situation einfühlen konnte, in der er schon einmal die Qualitäten<br />
eines Träumers, Realisten bzw. Kritikers hatte. An der Beschreibung<br />
der jeweiligen Situation konnte ich erkennen, ob der Klient mit<br />
der Rolle assoziiert oder von ihr dissoziiert war, und konnte ggf. eingreifen,<br />
um die Assoziation zu verstärken. Ich habe mir die Anordnung<br />
der drei Räume, in denen der Klient gearbeitet hat, kurz beschreiben<br />
lassen und mir eine grobe Skizze dazu angefertigt. Dort habe ich mir<br />
eingetragen, wo der Klient die Bodenanker im Raum ausgelegt hat,<br />
ohne genau zu wissen, ob dies exakt mit der Anordnung der Anteile im<br />
Raum, wie sie der Klient vorgenommen hat, übereinstimmte. Zusätzlich<br />
habe ich erfragt, in welche Richtung der Anteil blickt und ob er die<br />
anderen Anteile sehen kann. Beim Durchlauf durch die Positionen<br />
habe ich mir dann jeweils vermerkt, wenn der Klient die Anteile nochmals<br />
verrückt hat. Dabei habe ich vor allem auf Schlüsselhinweise<br />
geachtet, wie z. B. „steht mitten auf dem Teppich“, „blickt in den Garten“,<br />
muss weg vom Schrank und mehr ins Licht“ etc.<br />
Ergebnis und Bewertung des Prozesses durch den Coach<br />
Neben den konkreten fünf Schritten, die mein Klient als Ergebnis<br />
des Prozesses festgelegt hat, konnte ich Folgendes beobachten: Der<br />
Träumer hat den Traum weiter entwickelt, indem er neue Aspekte und<br />
Ideen hinzugefügt hat. Dem Klienten ist bewusst geworden, dass er<br />
dem Träumer einen guten zentralen Platz geben will und es eine<br />
energetische Verbindung zwischen den drei Teilen gibt. Der Realist<br />
und der Kritiker haben weitere Teilschritte definiert und die Idee geboren,<br />
die Methode in Elemente zu strukturieren, die auch einzeln für<br />
sich angewendet werden können. Insgesamt hat das Projekt des Klienten<br />
an Energie gewonnen, wurde konkretisiert und der Klient hat weitere<br />
Handlungsschritte festgelegt. Der Klient hat es als sehr angenehm<br />
empfunden, dass er sich bei der Arbeit im Raum bewegen konnte und<br />
nicht nur auf seinem Stuhl saß.<br />
233
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Arbeitet man im Präsenz<strong>Coaching</strong> mit der Walt-Disney-Strategie,<br />
erkennt man meistens bereits an der Körpersprache, ob der Klient mit<br />
dem jeweiligen Persönlichkeitsanteil assoziiert ist. Mimik und Gestik<br />
der drei Anteile sind oft sehr unterschiedlich. Am Telefon entfallen<br />
diese Beobachtungen. In der Regel ändern sich je nach Assoziation mit<br />
einzelnen Anteilen allerdings Wortwahl, Tonfall, Lautstärke und Modulation<br />
der Stimme. Tatsächlich konnte ich in diesem Beispiel sowohl<br />
im Tonfall als auch in der Sprechgeschwindigkeit einen Unterschied<br />
zwischen den drei Anteilen feststellen. Außerdem konnte ich aus den<br />
Äußerungen des Klienten heraushören, wie gut er assoziiert war. Zum<br />
Teil sprach er in der Ich-Form als Träumer, also gut assoziiert, zum<br />
Teil sprach er über den Träumer „Der Träumer meint, dass….“, war<br />
also von der Rolle dissoziiert. Indem ich den Klienten in diesem Fall an<br />
die Ausgangssituation beim Etablieren der Rolle erinnerte und direkt<br />
als Träumer angesprochen habe, konnte ich ihm die erneute Assoziation<br />
mit der Rolle erleichtern.<br />
Hinweise für die Arbeit am Telefon<br />
Der Erfahrungsbericht zeigt, dass eine Arbeit mit Bodenankern, Persönlichkeitsanteilen<br />
und Aufstellungselementen auch am Telefon möglich<br />
ist. Folgende Hinweise lassen sich für diese Art von Interventionen<br />
am Telefon ableiten: Grundvoraussetzung ist, dass der Klient ein<br />
mobiles Telefon, möglichst mit Headset und am Gürtel hängend trägt,<br />
so dass er sich frei im Raum bewegen kann. Wichtig bei der Arbeit mit<br />
Bodenankern und Aufstellungselementen ist, dass der Coach – wie<br />
immer beim Tele<strong>Coaching</strong> – besonders aufmerksam ist für sprachliche<br />
Schlüsselhinweise sowie Stimmlage, Tonfall etc., um festzustellen, ob<br />
der Klient mit der Position, der Rolle, dem Thema assoziiert oder dissoziiert<br />
ist. Diese Hinweise ermöglichen ihm zu erkennen, wie sich der<br />
Prozess entwickelt. So kann er das Nicht-Sehen kompensieren. Falls<br />
dies aus den Äußerungen des Klienten dem Coach nicht deutlich wird,<br />
der Coach daher Gefahr läuft den Anschluss zu verlieren, muss er<br />
gezielt nachfragen. Der Klient sollte seine Wahrnehmungen genau<br />
beschreiben und aus welcher Perspektive er auf die Bodenanker bzw.<br />
die Persönlichkeitsanteile schaut. Dieses gezielte Nachfragen kennt<br />
jeder Coach aus dem Präsenz<strong>Coaching</strong>. Auch dort muss ich nachfra-<br />
234
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
gen, wenn ich mit einem Klienten arbeite, der eine verhaltene Körpersprache<br />
hat oder seine Emotionen kaum über die Stimme ausdrückt.<br />
Eine grobe Skizze der Lage der Bodenanker zueinander und der Veränderungen<br />
der Positionen sollte dem Coach ausreichen. Fragt er<br />
zuviel nach und verliert er sich an dieser Stelle in Details, besteht die<br />
Gefahr, dass er den Klienten aus seinem inneren Prozess immer wieder<br />
herausreißt.<br />
Aus obigem Erfahrungsbericht lässt sich des Weiteren ableiten, dass<br />
solche komplexen Interventionen dem Klienten und dem Coach am<br />
Telefon leichter fallen, wenn es schon eine gewisse gemeinsame Erfahrung<br />
mit dem Tele<strong>Coaching</strong> gibt. Sie sollten also nicht in der ersten<br />
Sitzung erfolgen.<br />
Als eine Vorübung für eine solche Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen<br />
und Bodenankern am Telefon bietet sich nachfolgende Vorgehensweise<br />
an. Der Coach lässt den Klienten Kerngedanken eines komplexen<br />
zu klärenden Themas auf einzelne Blätter schreiben. Diese<br />
Kerngedanken sowie ein Blatt als Bodenanker für den Klienten selbst<br />
legt dieser dann im Raum aus. Der Coach lässt sich die Positionen<br />
beschreiben und macht sich eine grobe Skizze, in die er ebenfalls sich<br />
ergebende Veränderungen einträgt. Damit werden die Gedanken in<br />
eine sichtbare Beziehung zueinander gebracht. Indem der Klient nacheinander<br />
seine eigene Position und die einzelner Gedanken einnimmt,<br />
kann er erleben, was es in ihm bewirkt genau diese Gedanken zu dem<br />
Thema zu haben, und er kann evtl. eine Priorität für deren Bearbeitung<br />
aufstellen. Dieses Vorgehen ist hervorragend geeignet, als Situationsanalyse<br />
Licht in ein konfuses Gedankendickicht zum Beispiel zu<br />
Beginn eines <strong>Coaching</strong>-Prozesses zu bringen. Das Vorgehen hat also<br />
für sich eine Existenzberechtigung und ist weit mehr als eine Vorübung.<br />
Gleichzeitig ist es für den Coach eine gute Möglichkeit, sich auf<br />
die sprachliche Ausdrucksweise des Klienten bei der Arbeit mit Bodenankern<br />
zu kalibrieren. Der Klient erlebt die Wirksamkeit der Arbeit mit<br />
Bodenankern. Dies wird ihm erleichtern, in einer nächsten Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> Session z. B. mit Persönlichkeitsanteilen zu arbeiten oder<br />
eine Aufstellung am Telefon mit Hilfe von Bodenankern durchzuführen.<br />
235
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Fazit<br />
Die Arbeit mit Bodenankern, Aufstellungselementen und Persönlichkeitsanteilen<br />
ist also auch am Telefon sehr gut und effektiv durchführbar.<br />
Coach und Klient sollten sich schon aus einigen gemeinsamen<br />
Tele<strong>Coaching</strong> Sessions kennen, so dass der Coach Gelegenheit hatte,<br />
sich auf den Klienten zu „kalibirieren“. Die oben beschriebene Situationsanalyse<br />
kann hierzu gezielt als „Vorübung“ eingesetzt werden.<br />
Aufstellungen – Kreative Lösungen für das Telefon<br />
Aufstellungen dienen dazu, Beziehungen in Systemen sichtbar zu<br />
machen. Sie wurden ursprünglich nur in Gruppen mit so genannten<br />
Stellvertretern bzw. Repräsentanten zu familiären Themen und Problemen<br />
durchgeführt. Heute werden in der systemischen Strukturaufstellung<br />
alle nur denkbaren Systeme aufgestellt. Die Elemente können<br />
nicht nur lebende und verstorbene Personen sein, sondern auch Persönlichkeitsanteile,<br />
Organisationen, Teams, Strukturen, Aufgaben,<br />
Produkte, Ziele, Hindernisse, Entscheidungen, Gedanken, Ideen,<br />
Krankheiten, Eigenschaften, Fähigkeiten, Qualitäten, Gefühle - eigentlich<br />
alles, was im Kontext des Klienten bedeutungsvoll erscheint.<br />
Im Business<strong>Coaching</strong> und damit auch im Tele<strong>Coaching</strong> stammen die<br />
Themen des Klienten in erster Linie aus dem beruflichen System. Es<br />
gibt zahlreiche Wechselwirkungen zwischen dem Individuum und dem<br />
System. Organisationsaufstellungen sind hier das Mittel der Wahl, Verflechtungen<br />
zu entwirren und Licht ins Dunkel zu bringen. Wie kann<br />
das gehen, wenn Coach und Klient nur über das Telefon in Verbindung<br />
stehen und weitere Repräsentanten fehlen? Sehen Sie selbst, wie<br />
viele kreative Varianten es gerade bei dieser Methode für das Telefon<br />
gibt.<br />
Wir erklären einleitend das Grundprinzip von Aufstellungen. Es folgt<br />
ein Überblick, welche Varianten und verschiedenen Aufstellungsmethoden<br />
es für das Telefon gibt. Abschließend fassen wir die Besonderheiten<br />
bei Aufstellungen am Telefon zusammen.<br />
236
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Das Prinzip von Aufstellungen<br />
Bei einer klassischen Aufstellung in einer Gruppe formuliert der<br />
Klient zunächst sein Anliegen. Dann wählt er Personen aus der<br />
Gruppe als Repräsentanten für die Personen bzw. Aspekte, die im<br />
betrachteten System relevant sind. Außerdem wählt er einen Stellvertreter<br />
für sich selbst, auch Fokus genannt, bleibt also als Beobachter<br />
zunächst außerhalb des Systems. Der Klient stellt diese Repräsentanten<br />
intuitiv in einer räumlichen Anordnung zueinander auf.<br />
Aufstellungen basieren auf der Voraussetzung, dass wir in Kräfte,<br />
Felder und Energien eingebunden sind, die weit über unsere Person<br />
hinausgehen. Die Repräsentanten nehmen wahr, wie sich die Personen<br />
fühlen, die sie repräsentieren. Teilweise spüren sie sogar deren körperliche<br />
Symptome. Bei einer systemisch-konstruktivistischen Aufstellung<br />
werden die Repräsentanten zu ihren Wahrnehmungen innerhalb des<br />
Systems befragt und der Aufsteller (= die Person, die die Aufstellung<br />
leitet) nimmt so lange Veränderungen der Positionen vor, bis sich eine<br />
befriedigende Lösungskonstellation ergibt. Dagegen erfolgt eine systemisch-phänomenologische<br />
Aufstellung überwiegend schweigend, die<br />
Repräsentanten geben ihren Bewegungsimpulsen nach und bewegen<br />
sich entsprechend im Raum bis zu einer zufrieden stellenden Lösungsanordnung.<br />
Der Aufsteller greift bei dieser Vorgehensweise deutlich<br />
seltener ein, indem er Repräsentanten befragt und Bewegungen oder<br />
Sätze vorschlägt. 83 In beiden Varianten nimmt der Klient im Verlauf<br />
spätestens am Ende die Position seines Repräsentanten ein. Dort kann<br />
er die Lösungskonstellation ganz intensiv und gefühlsmäßig im<br />
assoziierten Zustand erleben. Dabei entsteht nochmals eine deutlich<br />
größere Wirkung für den Klienten, als wenn er nur als Außenstehender<br />
das Ergebnis rein kognitiv aufnimmt. Die Lösungskonstellation erzeugt<br />
nicht nur im Klienten eine Veränderung, sondern wirkt auf scheinbar<br />
magische Weise auch in das aufgestellte System zurück. Dies erfolgt<br />
letztlich dadurch, dass der Klient selbst aufgrund des in der Aufstellung<br />
Erlebten anders innerhalb des Systems agiert.<br />
83 Vgl. Baur (2009).<br />
237
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Aufstellungen im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
Im Präsenz<strong>Coaching</strong> steht nur der Coach selbst als Repräsentant zur<br />
Verfügung, um Beziehungen des Klienten zu einzelnen Menschen zu<br />
klären. Er kann aber auch die oben genannten verschiedenen Aspekte<br />
der Fragestellung des Klienten, also z. B. ein Ziel oder ein Hindernis,<br />
repräsentieren. Weitere Möglichkeiten im Einzel<strong>Coaching</strong> sind<br />
Aufstellungen mit Figuren oder Gegenständen sowie mit Hilfe von<br />
Bodenankern. Bei der Aufstellung eines Systems mit Figuren können<br />
der Klient und auch der Coach sich in die einzelnen Positionen<br />
hineinspüren und wahrnehmen, was ist, indem sie die Figuren<br />
berühren. Bei der Arbeit mit Bodenankern können sich der Klient und<br />
ggf. auch der Coach nacheinander in die einzelnen Positionen<br />
einfühlen, indem sie sich auf die entsprechenden Bodenanker stellen,<br />
wie dies schon im vorhergehenden Abschnitt zur Walt-Disney-Strategie<br />
am Telefon beschrieben wurde. Bei diesen Vorgehensweisen im Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
handelt es sich keineswegs nur um Ersatz-Aufstellungen,<br />
die mit methodischen Nachteilen behaftet sind, sondern um eigenständige<br />
Methoden für die Arbeit zu zweit. Sie machen sich genau wie die<br />
Aufstellungen in der Gruppe das Phänomen zunutze, dass wir in der<br />
Lage sind, Kräfte und Felder in Systemen wahrzunehmen, die über das<br />
hinausgehen, was wir mit Verstand und Logik erfassen und erklären<br />
können.<br />
Aufstellung am Telefon<br />
Bei Aufstellungen in der Gruppe oder mit den beschriebenen Möglichkeiten<br />
im Präsenz<strong>Coaching</strong> befinden sich Klient und Repräsentanten<br />
bzw. Klient und Coach im gleichen Raum. Es liegt der Gedanke<br />
nahe, dass dies eine Voraussetzung ist, um gemeinsam ein System aufzustellen.<br />
Weit gefehlt! Die in der Aufstellungsarbeit wirkenden Prinzipien<br />
funktionieren auch, wenn Klient und Coach sich an verschiedenen<br />
Orten befinden und über das Medium Telefon in Verbindung stehen.<br />
Es ist eine essentielle Voraussetzung, dass der Coach – genau wie beim<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong> – mit seiner ganzen Aufmerksamkeit beim Klienten<br />
ist, sich und seine Persönlichkeit in den Hintergrund stellt, sich in die<br />
238
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
innere Haltung begibt, dem Klienten dienen zu wollen, sich frei und<br />
offen macht für das, was sich zeigt, und seiner Intuition vertraut.<br />
Wie funktioniert eine Aufstellung am Telefon?<br />
Aufstellung mit Bodenankern<br />
Die Arbeit mit Bodenankern, bei der der Klient sich nacheinander<br />
mit den verschiedenen durch die Bodenanker symbolisierten Rollen<br />
oder Aspekte innerlich verbindet und so das System wahrnimmt,<br />
wurde bereits im vorangehenden Kapitel zur Walt-Disney-Strategie<br />
beschrieben. Ergänzend zu den Impulsen des Klienten schlägt der<br />
Coach vor, neue Anordnungen auszuprobieren, und regt zum Dialog<br />
der Anteile untereinander an.<br />
Aufstellung mit Figuren und Gegenständen<br />
Am Telefon ist ebenfalls eine Aufstellung mit Figuren oder<br />
Gegenständen möglich. Am einfachsten ist es, Alltagsgegenstände, die<br />
sich auf jedem Schreibtisch finden, zu benutzen. Dann können Klient<br />
und Coach die gleichen Gegenstände als Stellvertreter benutzen. Bei<br />
der Verwendung von Figuren wäre es günstig, wenn Klient und Coach<br />
ein identisches Figurenset nutzten - am ehesten findet sich hierfür<br />
vermutlich ein Schachspiel oder andere bunte Spielsteine. Sind die<br />
Figuren oder Gegenstände bei Klient und Coach unterschiedlich, ist es<br />
wichtig, dass sich der Coach genau merkt, was jeder Gegenstand für<br />
den Klienten repräsentiert. Tut er das nicht und muss er nachfragen,<br />
wird der Klient in seinem Prozess gestört. Er gewinnt den Eindruck,<br />
dass der Coach nicht wirklich bei der Sache ist. Hier leisten kleine Klebezettel<br />
mit der jeweiligen Bezeichnung, wofür ein Gegenstand steht,<br />
gute Dienste. Der Coach baut die Figuren oder Gegenstände – ich<br />
nenne sie nachfolgend der Einfachheit halber auch Repräsentanten –<br />
parallel zum Klienten auf, so dass beide gemeinsam auf das gleiche<br />
System schauen. Auch hier ist es wieder – wie bei der Arbeit mit<br />
Bodenankern – die Aufgabe des Coachs, das Wesentliche herauszuhören.<br />
Er sollte sich nicht an zu exakten Details, wie die Repräsentanten<br />
ganz genau zueinander stehen, aufhalten. Entscheidend sind die Beziehungs-<br />
und Systemqualitäten, Gefühle und Empfindungen, die in den<br />
Anordnungen der Repräsentanten zueinander zum Ausdruck kommen.<br />
239
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Der Coach kann sich wie der Klient durch Berühren der Repräsentanten<br />
intensiver in die dargestellte Situation hineinspüren. Indem er<br />
zusätzlich seine eigenen Wahrnehmungen des Systems dem Klienten<br />
anbietet, kann er ihn unterstützen, neue Sichtweisen und Ideen für<br />
Veränderungen im System zu entwickeln. Zusätzlich kann der Coach<br />
dem Klienten vorschlagen, bestimmte Positionsveränderungen der<br />
Figuren auszuprobieren oder die Figuren bestimmte Sätze sprechen zu<br />
lassen.<br />
Aufstellung mit Zu-Papier-Bringen<br />
Eine weitere im Tele<strong>Coaching</strong> nutzbare Variante ist das Zu-Papier-<br />
Bringen: Klient und Coach einigen sich auf Quer- oder Hochformat<br />
eines Stapels von DinA4-Blättern, die jeder vor sich liegen hat. Das<br />
Blatt entspricht dem Spielfeld, der vorhandenen Bühne. Die Positionsbeschreibungen<br />
des Klienten werden auf dem Papier skizziert. Jede der<br />
aufgestellten Personen oder Aspekte wird als Kreis mit Namenskürzel,<br />
und die Blickrichtung durch einen Pfeil dargestellt. Natürlich kann man<br />
auch etwas anschaulicher, aber komplizierter, mit verschiedenen<br />
Farben oder Formen arbeiten. Wenn sich die Repräsentanten bewegen,<br />
nimmt man ein neues Blatt Papier, um dies zu dokumentieren. Beide<br />
können dann mit ihrem Stift oder dem Finger den entsprechenden<br />
Kreis antippen, um mit der dort zentrierten Energie in Berührung zu<br />
kommen. Diese Methode hat neben der Einfachheit noch den Vorteil,<br />
dass der Coach sich direkt neben die Kreise auf dem Papier Notizen zu<br />
den Qualitäten machen kann. Am Ende sind so verschiedene Stadien<br />
des Aufstellungsprozesses auf getrennten Seiten kurz dokumentiert.<br />
Aufstellung mit Softwareunterstützung<br />
Eine sehr moderne Form der Aufstellung ist die mit Softwareunterstützung.<br />
Hier arbeiten Klient und Coach über das Internet mit einer<br />
Software, die das Aufstellen von abstrakten Figuren auf einem Tisch<br />
mit wenigen einfachen Mausklicks simuliert. Der Betrachter kann aus<br />
verschiedenen Perspektiven und Entfernungen die Aufstellungen<br />
betrachten, als ob er um den Tisch herum ginge. Zusätzlich kann er in<br />
die Blickperspektive jeder Figur wechseln und mit wenigen Tastenklicks<br />
aus dieser Perspektive die anderen Figuren im System wahrneh-<br />
240
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
men und die Konstellationen so auf sich wirken lassen (siehe<br />
Abbildungen).<br />
Nicht nur der Klient, auch der Coach kann Figuren verrücken und in<br />
deren Blickperspektive wechseln. Das Figurenrücken sollte er jedoch<br />
nur mit größter Zurückhaltung und gebührendem Respekt<br />
durchführen. Dabei greift er nur mit Zustimmung des Klienten ein.<br />
Anders als beim Aufstellen von Figuren sind zwar nicht die direkte<br />
Kontaktaufnahme und das Einfühlen durch Berühren der Figuren<br />
möglich. Durch das Einnehmen der jeweiligen Blickperspektive der<br />
Figuren wird jedoch über den visuellen Eindruck und die dadurch im<br />
Klienten entstehenden Gefühle, Assoziationen und Ideen ebenso eine<br />
Wahrnehmung des Systems und der im System wirkenden Beziehungen<br />
und Kräfte möglich. Der Klient hat die gleichen Erkenntnisse wie in<br />
anderen Aufstellungsformen. Und auch hier ist der Coach gefordert, in<br />
einen Zustand erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit zu gehen und seiner<br />
Intuition zu vertrauen, wenn es darum geht, den Klienten in seinem<br />
Klärungsprozess zu begleiten. Zusätzlich bietet die Software die<br />
Möglichkeit, einzelne Anordnungen abzuspeichern: So kann der<br />
Prozess dokumentiert werden. Außerdem bietet dies die Möglichkeit,<br />
eine Sitzung zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt<br />
fortzusetzen.<br />
Sicht von außen auf das System:<br />
Abbildung 10: Beispiel (1) Aufstellungsarbeit mit<br />
Softwareunterstützung<br />
241
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Aus dem Blickwinkel einer Figur:<br />
Abbildung 11: Beispiel (2) Aufstellungsarbeit mit<br />
Softwareunterstützung 84<br />
Die Klientenversion ist kostenfrei, für die Zusammenarbeit über das<br />
Internet braucht der Coach eine Lizenz bzw. Nutzungsberechtigung.<br />
Aufstellung mit inneren Bildern<br />
Die imaginative Aufstellung mit inneren Bildern sei der Vollständigkeit<br />
halber auch erwähnt. Dies ist eine Form der Aufstellung,<br />
die ganz ohne Hilfsmittel auskommt. Coach und Klient gehen am Telefon<br />
gemeinsam in einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit und<br />
Wahrnehmungsfähigkeit. Nach der Klärung des Anliegens geleitet der<br />
Coach den Klienten, ggf. mit konkreten Anweisungen, durch die<br />
Aufstellung oder lässt ihn seine eigenen inneren Bilder und Prozesse<br />
finden. Anschließend wird das Erleben des Klienten gemeinsam<br />
ausgewertet.<br />
Fazit<br />
Auch Aufstellungen sind am Telefon sehr wohl möglich. Wie immer<br />
bei der Arbeit am Telefon ist der Coach gefordert, besonders<br />
konzentriert und genau zuzuhören und ggf. auch mehr nachzufragen,<br />
als er es vielleicht im Präsenz<strong>Coaching</strong> täte. Welche der beschriebenen<br />
Formen Coach und Klient auswählen, ob Bodenanker, Figuren, Zu-<br />
84 Die Bilder wurden mit Hilfe der Klientenversion der Software LPScocoon der<br />
Firma CSG Medien, Oberhausen, erzeugt: http://www.lpscocoon.de.<br />
242
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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Papier-Bringen, Softwareunterstützung, imaginativ, ist letztlich eine<br />
Frage der persönlichen Präferenzen des Klienten und des Coachs. Sehr<br />
visuell ausgerichtete und technikaffine Menschen arbeiten gerne mit<br />
der Software. Manch einem mag es dagegen gar nicht liegen, sich bei<br />
der Auseinandersetzung mit sich selbst auch noch mit einem Computer<br />
zu beschäftigen, der viel Aufmerksamkeit abseits des eigentlichen<br />
Anliegens bindet. Ein sehr kinästhetisch veranlagter Klient wird es<br />
vorziehen, mit Bodenankern oder Figuren zu arbeiten. Eine Person, die<br />
einerseits eine starke Präferenz für den auditiven Kanal hat und gleichzeitig<br />
gut mit inneren Bildern (also visuell) arbeiten kann, wird hervorragend<br />
mit einer imaginativen Aufstellung in der eigenen Gedankenwelt<br />
oder dem Zu-Papier-Bringen zurechtkommen. Hier möchten wir<br />
angehende und auch erfahrene TeleCoachs einladen kreativ zu experimentieren.<br />
Bei all diesen „Experimenten“ ist es entscheidend, dass der<br />
Coach für den guten Draht zum Klienten sorgt. Natürlich empfehlen<br />
wir auch hier wieder, zunächst Methodenkompetenz im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> zu erwerben und den Klienten in einigen Tele<strong>Coaching</strong><br />
Sessions kennen zu lernen.<br />
Quellen: Aufstellungen am Telefon allgemein: persönliche Mitteilung<br />
Iris Dick. Aufstellungen am Telefon mit Software: persönliche<br />
Mitteilung Thomas Göller .<br />
Die Reise in den eigenen Körper –<br />
Körperarbeit am Telefon<br />
In allen körperorientierten Verfahren wird die enge Wechselbeziehung<br />
zwischen Körper, Geist und Seele angesprochen. Stress, belastende<br />
Situationen, Erlebnisse und Gefühle, die nicht verarbeitet und<br />
aufgelöst werden, manifestieren sich auf unterschiedlichste Weise in<br />
unserem Körper. Der Volksmund kennt dafür viele Redewendungen:<br />
„Das liegt mir im Magen, das sitzt mir im Nacken, da kaue ich noch<br />
dran“. Dahinter stehen verspannte und schmerzende Muskeln,<br />
Haltungsschäden und belastete Organe. Oft liegen Wirkung und Ursache<br />
zeitlich weit auseinander. Da die körperliche Manifestation ein<br />
243
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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schleichender Prozess ist, bleiben uns die Zusammenhänge zu unserem<br />
Erleben oft verborgen oder wir verdrängen sie.<br />
Erstens neigen beruflich sehr stark eingespannte, erfolgsorientierte<br />
oder unter Erfolgsdruck stehende Menschen dazu, Signale und Warnsignale<br />
des Körpers zu ignorieren; manchmal sind sie nicht mehr in der<br />
Lage diese wahrzunehmen. Manche Klienten sehen sich wiederum<br />
nicht imstande, gesundheitsfördernde Verbesserungen zeitlich im Alltagsablauf<br />
unterzubringen, ohne ihren sozialen Status gefährdet zu<br />
sehen.<br />
Zweitens haben Klienten, beispielsweise in Umbruchsituationen oder<br />
beruflichen Konflikten, meist bereits selbst über längere Zeit alles Vernünftige,<br />
strategisch Sinnvolle und ihnen Menschenmögliche getan, um<br />
eine Klärung oder Lösung der Situation herbeizuführen. Der Coach,<br />
der von außen etwas beitragen möchte, erzielt häufig mit der Fortsetzung<br />
derselben Bewältigungsmethoden keine wirklich neuen Ergebnisse.<br />
In diesen beiden Fällen können körperorientierte Verfahren dem<br />
Klienten zeitsparend ganz neue und bisher unentdeckte Zugänge,<br />
Lösungsansätze und Einsichten zu seinen Themen und Problemen<br />
eröffnen und damit häufig die psychischen Ursachen für eine Erkrankung<br />
lösen oder positiv verändern. So ist es nur konsequent, diese<br />
Verfahren auch im Tele<strong>Coaching</strong> einzusetzen.<br />
Mit zwei sehr unterschiedlichen Methoden, Focusing und EDxTM TM ,<br />
wollen wir Sie ermutigen, weitere körperorientierte Verfahren auf das<br />
Telefon zu übertragen. Denn wir sind überzeugt, dass alle Methoden,<br />
bei denen der Coach seinen Klienten nicht berühren muss bzw. dieser<br />
Berührungsreiz anderweitig ersetzt werden kann, für die Arbeit am<br />
Telefon geeignet sind.<br />
Focusing und EDxTM TM (Energy Diagnostic Treatment Method) wurden<br />
ursprünglich als Therapieformen entwickelt und werden inzwischen<br />
auch in <strong>Coaching</strong> und Supervision erfolgreich eingesetzt. Das<br />
Besondere beider Methoden ist, dass sie neben dem körperlichen auch<br />
einen energetischen Aspekt haben. Die beiden Methoden werden<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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jeweils grundsätzlich beschrieben, um dann auf die Besonderheiten am<br />
Telefon einzugehen.<br />
Focusing – auf die Stimme des Körpers hören<br />
(Iris Dick, Stephan Josef Dick, Maren Kaiser)<br />
Eugene T. Gendlin, geboren 1938, entwickelte auf Carl Rogers Klientenzentrierter<br />
Psychotherapie aufbauend das körperzentrierte Focusing. 1978<br />
veröffentlichte er ein Grundlagenbuch zum Focusing, das 1981 in zehn<br />
Sprachen herausgegeben wurde und auch in Nicht-Fachkreisen großen<br />
Zuspruch fand.<br />
Er hatte ein positives Potenzial im Menschen entdeckt, welches sich<br />
durch ein Fokussieren, d. h. durch die umfassende ungeteilte<br />
Aufmerksamkeit auf einen im Jetzt auch körperlich wahrnehmbaren<br />
Zustand, den so genannten Felt Sense, eröffnet. Dieses Potenzial wollte<br />
er durch seine Veröffentlichungen und Ausbildungen sowohl Therapeuten<br />
als auch Laien zur Verfügung stellen, da er darin einen Methoden<br />
übergreifenden Nutzen sah.<br />
Das erlebensbezogene Focusing ist eine grundlegende Methode der<br />
Körper- und Bewussteinsarbeit, die Menschen hilft:<br />
• mit sich selbst in Beziehung zu treten;<br />
• auf sich selbst zu hören;<br />
• den Kontakt zwischen Denken und Fühlen herzustellen;<br />
• sich auf die unbewusste/vorbewusste Seite des Erlebens als eine<br />
körperlich gefühlte Qualität („gefühlte Bedeutung“) direkt zu<br />
beziehen;<br />
• das Gefühl für „richtig/falsch für mich“ zu entwickeln und ernst<br />
zu nehmen;<br />
• als Begleitmethode andere Menschen in ihrem Prozess der<br />
Selbstauseinandersetzung konstruktiv zu begleiten;<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
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• beim Umgang mit belastenden Alltagssituationen. 85<br />
Gendlin beobachtete, „dass Menschen, die besonders gut mit Konflikten<br />
umgehen können, offenbar über eine andere Art der Selbstwahrnehmung<br />
verfügen. Anstatt nur theoretisch und abstrakt über<br />
Probleme zu sprechen, beziehen sie körperliche Empfindungen mit<br />
ein.“ 86<br />
Heute wird Focusing auch im <strong>Coaching</strong> und als Methode des<br />
Selbstmanagements angewendet. Es können damit Hemmungen überwunden<br />
sowie destruktive Selbstkritik und innere Konflikte aufgelöst<br />
werden. Ein weiterer nicht zu unterschätzender positiver Effekt ist die<br />
damit unmittelbar verbundene körperliche Erleichterung, die bei einem<br />
gelungenen Focusing-Prozess auftritt.<br />
Unter den körperzentrierten <strong>Coaching</strong>-Ansätzen ist Focusing erfahrungsgemäß<br />
eine für den Klienten leicht annehmbare Methode, da sie<br />
weder ein körperliches noch ein gefühlsmäßiges Ausagieren der Problemstellung<br />
erfordert. Sie benötigt lediglich eine sachliche, beobachtende<br />
und wertschätzende Einstellung des Klienten, die er durch seinen<br />
eigenen Aufmerksamkeits-Focus steuern kann. Dadurch erfährt sich<br />
der Anwender als selbstbestimmt handelnd und kompetent in seinen<br />
eigenen Angelegenheiten. Gendlin legt Wert darauf, dass Focusing nicht<br />
exklusiv eine therapeutische Interventionsmethode ist, sondern auch<br />
als ein einfach handhabbares Werkzeug für die Selbstanwendung zur<br />
Verfügung steht.<br />
Focusing am Telefon<br />
Ist nun eine solche körperzentrierte Methode im <strong>Coaching</strong> ohne<br />
visuelle Wahrnehmung des Körpers des Klienten überhaupt umfassend<br />
durchführbar?<br />
Wir antworten eindeutig aus vielfacher eigener <strong>Coaching</strong>-Erfahrung<br />
am Telefon mit „Ja!“. Der nachfolgende Erfahrungsbericht der BORA<br />
85 Vgl. http://www.focusing.de/files/focusing_2010_basistraining_1.pdf.<br />
86 Schröder (2006).<br />
246
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Netzwerkkollegin Iris Dick gibt einen Eindruck über Focusing am<br />
Telefon:<br />
„Eine Klientin, Lehrerin, hat seit der Geburt ihres vierten Kindes ihr<br />
normalerweise fröhliches Lebensgefühl verloren. Sie fühlt sich<br />
unglücklich, eingeengt und sozial vom Erwachsenenleben und vom<br />
Beruf abgeschnitten. Nebenbei erwähnt sie, dass sie dieses Mal nach<br />
der Geburt ihr um zehn Kilogramm zu hohes Gewicht nicht reduziert<br />
bekommt, worüber sie sehr unglücklich ist.<br />
Im Focusing werden die Hintergründe klar: Bei der sachlichen<br />
Beschreibung ihrer dazugehörigen Körperempfindungen nennt sie<br />
ein „schweres, pelziges Gefühl von ca. drei Zentimetern Dicke und<br />
einen Druck auf den gesamten Bauchraum, als wenn ein hartes Material<br />
eng darüber gezogen wäre. Bei näherem Hineinspüren zeigt sich<br />
dieser pelzige Druckbereich wie eine Art Panzer, der gleichzeitig einengt<br />
und schützt. Ein für das Focusing typischer Kunstgriff, ein so<br />
genannter Perspektivenwechsel, ermöglicht es der Klientin aus der<br />
Sicht dieses Panzers zu sprechen: Er erklärt, dass er dazu da sei,<br />
etwas Wichtiges hinter sich zu beschützen. An dieser Stelle atmet die<br />
Klientin erleichtert auf, weil sie ihr ungemütliches, ja teilweise<br />
bedrohlich enges Lebensgefühl plötzlich nicht mehr als feindlich,<br />
sondern als motiviert und sinnvoll erlebt. Auf die Frage, was der<br />
harte Panzer denn beschütze, entdeckt und erlebt sie entzückt ein<br />
sprudelig lebendiges, buntes und kraftvolles Lebensgefühl unter dem<br />
Panzer innen in ihrem gesamten Bauchbereich. Dies ist ein von<br />
Gendlin so genannter felt shift, eine energetische Wende im Geschehen.<br />
Ermutigt, dort hineinzuspüren, wird sie ganz fröhlich und fühlt sich<br />
so leicht und beschwingt, dass sie zu lachen beginnt. Wohin diese<br />
Energie denn fließen wolle, wird sie gefragt. „Überall hin, und zuerst<br />
in den Schutzpanzer“, antwortet sie und lässt den Worten auf Aufforderung<br />
gleich die Tat folgen. Nach dieser freundlichen Ausweitung<br />
positiver Energie fühlt sich ihr Bauch für die Klientin ganz verändert<br />
an, wie ein leichtes, wärmendes Kleid nämlich, das sowohl<br />
durch Elastizität Schutz bietet, als auch die fröhliche spritzige Energie<br />
der Persönlichkeit der Klientin unbehindert nach außen fließen<br />
lässt.<br />
In Folge des Telefon-Focusings fühlt sich die Klientin leicht, mit ihrer<br />
Umwelt verbunden und „bunt und kraftvoll“. Sie ist plötzlich voller<br />
Mut und Tatendrang für ihre Familie und ihre sozialen Kontakte da.<br />
Damit lässt es der Coach bewenden und verzichtet auf eine<br />
zusätzliche intellektuelle Auswertung, wohl wissend, dass das<br />
247
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Wesentliche, was die Situation zum Guten gewendet hat, energetisch<br />
bereits nachhaltig im Körper- und Lebensgefühl wahrnehmbar ist.<br />
Nach drei Monaten ruft die Klientin wieder an und bestätigt das<br />
Andauern ihres leichten und beschwingten Lebensgefühls. Sie<br />
möchte noch einen unerwarteten Nebeneffekt des Focusings mit<br />
ihrem Coach teilen, über den sie selbst staunt: Sie hat inzwischen<br />
sieben Kilogramm abgenommen, ohne zusätzliche Diät, Training<br />
oder Ähnlichem. Ursache hierfür war die die seelisch gefühlte Leichtigkeit,<br />
die sich als Leichtigkeit auch im Körper manifestiert hat - als<br />
Gewichtsverlust.“<br />
Focusing lässt sich in ähnlicher Weise auf alle beruflichen Themen<br />
anwenden, in denen ein tiefer gehendes Forschen als das augenscheinlich<br />
Naheliegende gewünscht ist, oder wo ein körperlich spürbares oder<br />
in seinem Ausmaß unbekanntes gefühlsmäßiges Geschehen vorliegt,<br />
dessen Potenzial nutzbar gemacht werden soll.<br />
Focusing am Telefon ist also möglich. Auch Gendlin, der Begründer<br />
der Methode, arbeitet mit Focusing am Telefon – was viele, die sich in<br />
Focusing auszubilden beginnen, zunächst erstaunt. Bei näherer<br />
Betrachtung des Focusing-Ansatzes wird jedoch deutlich, dass keine<br />
Körperübungen oder -bewegungen durchgeführt und beobachtet werden<br />
müssen. Der Coach braucht den Klienten auch nicht zu berühren,<br />
um die Dynamik und die Selbstorganisationskräfte im Körper des<br />
Klienten nutzbar zu machen.<br />
Das Fehlen des visuellen Eindrucks beim <strong>Coaching</strong> am Telefon stellt<br />
demnach keine Einschränkung dar, weil Focusing auf die sachliche<br />
Formulierung der für den Coach sowieso visuell unsichtbaren Körperempfindungen,<br />
Gefühle und inneren Bilder des Klienten aufbaut, die<br />
sprachlich übermittelt werden.<br />
Für den erfahrenen Focusing-Anwender ist der telefonische Kontakt<br />
sogar von Vorteil, weil nichts Äußeres ablenkt und er direkt in die Welt<br />
des Kunden eintauchen kann. Im Focusing ist es wie in einem Tanz. Wir<br />
wissen nicht, was der nächste Schritt ist, zu dem uns der Klient führt.<br />
Doch sein Körper ist hier ein sehr klarer Spiegel. Er zeigt sehr deutlich,<br />
ob dieser Schritt zur Lösung (Entspannung) beiträgt oder ob das<br />
Gespräch in die falsche Richtung geht (Verspannung).<br />
248
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Auch Hinweise, die der Klient durch sein Atmen gibt, zum z. B. ein<br />
Aufatmen als Zeichen der Lösung einer körperlich-psychischen Blockade,<br />
können am Telefon gut gehört werden; ebenso auch eine Änderung<br />
des Tonfalls oder der Satzmodulation, die auf eine innere Bewegung,<br />
den felt shift, hinweisen, auf die der Coach beim Focusing besonders<br />
aufmerksam achtet.<br />
Das Telefon kann sogar den Einstieg in eine den meisten Menschen<br />
zunächst unbekannte Körperarbeit wie das Focusing erleichtern. Für<br />
Klienten, die im differenzierten Empfinden des eigenen Körpers und<br />
im Beschreiben ihrer Wahrnehmungen und Gefühle ungeübt sind,<br />
erleichtert es die visuelle Anonymität, sich auf diese neuen Erfahrungen<br />
einzulassen und unbeobachtet bei sich zu bleiben.<br />
Beim Focusing am Telefon kommt es hauptsächlich auf dieselben,<br />
vom Visuellen unabhängigen Fähigkeiten und Qualitäten des Coachs<br />
an wie im Präsenz<strong>Coaching</strong>: seine Fähigkeit zur Empathie, seine<br />
Bereitschaft, sich dem Klienten aktiv zur Seite zu stellen und dabei die<br />
Übersicht über den Prozess zu wahren. Nicht zuletzt ist seine Angstfreiheit<br />
vor jedem möglicherweise aufkommenden Thema wesentliche<br />
Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit.<br />
EDxTM TM – Meridiane als Kompass zur Lösung<br />
Diese von Fred Gallo entwickelte Methode wird im Deutschen auch<br />
als energetische Psychologie oder Klopfakupressur bei emotionalem Stress<br />
bezeichnet. Die Methode ist eine Kombination aus Elementen der<br />
Kinesiologie (Muskeltests), des NLP, der Hypnotherapie, der Akupressur,<br />
der Meridiantherapie (TFT TM ) nach Roger J. Callahan und der<br />
Emotional Freedom Techniques (EFT TM ) nach Gary Craig. Die Methode,<br />
ursprünglich als Psychotherapie entwickelt, wird in Beratung, Pädagogik,<br />
Karriereberatung, <strong>Coaching</strong>, physischer Gesundheit, Schmerzbehandlung,<br />
Sport, Höchstleistung und Selbstmanagement eingesetzt. 87<br />
87 Gallo/ Vicenzin (2007), www.energypsych.com.<br />
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IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
EDxTM TM beruht auf dem Zusammenspiel des menschlichen Energiesystems<br />
mit bewussten und unbewussten kognitiven Prozessen,<br />
Verhalten und Gesundheit. Diese Systeme beinhalten die elektrischen<br />
Aktivitäten des Nervensystems, des Herzens, der Meridiane, von Biophotonen<br />
88 und biologischen Feldern 89 . Zum Einsatz kommen neben<br />
klassischen Elementen wie Zuhören, Rapport, Gespräch, weitere<br />
Elemente, die die energetischen Aspekte eines Problems adressieren.<br />
Dies sind z. B. die emotionale Einstimmung auf das Problem,<br />
Visualisierung, Affirmationen, das Ausdrücken von Absichten und<br />
unbegründeten Behauptungen, kinesiologisches Muskeltesten 90 , das<br />
Stimulieren von Meridianpunkten durch Klopfen, Massieren oder<br />
Halten 91 .<br />
Eine EDxTM TM -Intervention läuft im Prinzip so ab: Dem Klienten<br />
werden die Methode und das kinesiologische Muskeltesten erklärt.<br />
Über den Muskeltest wird ermittelt, ob es generelle Störungen im<br />
energetischen System des Klienten gibt (eine so genannte<br />
neurologische Desorganisation und / oder psychologische Umkehrung).<br />
Diese werden – so vorhanden – durch bestimmte Körperübungen<br />
und Klopfen bestimmter Meridanpunkte behoben. Der<br />
Klient stimmt sich auf das Problem ein und gibt seinen subjektiven<br />
Stresslevel auf einer Skala von 1 bis 10 an. Über weitere Muskeltests<br />
und Tests der Alarmpunkte der Meridiane wird ermittelt, in welchen<br />
88 Biophotonen ist ein in der Biophysik und Alternativmedizin genutzter Begriff für<br />
diejenigen Lichtquanten, die ein Teil der ultraschwachen Photonenemission<br />
biologischer Herkunft sind. Die hier gemeinte Strahlung unterscheidet sich von der<br />
Biolumineszenz durch ihre um mehrere Größenordnungen geringere Intensität und<br />
durch ihre sehr geringe Quantenausbeute (http://de.wikipedia.org/wiki/-<br />
Biophotonen).<br />
89 Biologische Felder wird hier synonym zum Begriff morphische Felder genutzt. Der<br />
britische Biologe Rupert Sheldrake postuliert ein hypothetisches Feld, das als<br />
formbildende Verursachung für die Entwicklung von Strukturen sowohl in der<br />
Biologie, Physik, Chemie, als auch in der Gesellschaft verantwortlich sein soll. Von<br />
der großen Mehrheit der Naturwissenschaftler wird die Hypothese als<br />
pseudowissenschaftlich abgelehnt, eine Minderheit fordert die wissenschaftliche<br />
Überprüfung der Hypothese. Auch einige Vertreter der Sozialwissenschaften und<br />
der Gestalttherapie haben die Hypothese ernsthaft diskutiert<br />
(http://de.wikipedia.org/wiki/Morphisches_Feld).<br />
90 Siehe Erläuterung zum kinesiologischen Muskeltest S. 219.<br />
91 http://www.energypsych.com<br />
250
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
Meridianen in Zusammenhang mit dem adressierten Problem eine<br />
energetische Störung vorliegt. Der Klient stimuliert durch Klopfen,<br />
Massieren oder Halten den oder die Behandlungspunkte der beteiligten<br />
Meridiane. Das subjektive Stresslevel wird nochmals getestet. In der<br />
Regel sinkt es rasch durch die Intervention. Passiert dies nicht, wird das<br />
Klopfen abgewechselt mit Übungen zum Stimulieren und<br />
Synchronisieren beider Gehirnhälften und dem Verwenden positiver,<br />
auf das Problem bezogener Affirmationen. Hat der subjektive<br />
Stresslevel den Wert 0 erreicht, lässt man den Klienten das Ergebnis in<br />
die Zukunft projizieren. Er visualisiert ein anderes Verhalten für die<br />
Problemsituation in der Zukunft und skaliert, wie sicher er ist dieses<br />
Verhalten tatsächlich zu zeigen. Ist er noch nicht ausreichend sicher,<br />
wird die Intervention fortgesetzt, z. B. mit der Suche nach weiteren<br />
beteiligten Meridianen oder auch neu aufgetauchten, mit dem Problem<br />
in Zusammenhang stehenden Aspekten. 92<br />
Es ist ein großer Vorteil dieser Methode, dass sie leicht zu erlernen<br />
ist. Die Klienten können sie selbständig zwischen zwei <strong>Coaching</strong>-Sessions<br />
anwenden, sollte ein Problem doch noch einmal aufflackern, was<br />
jedoch selten eintritt. Ein allgemeines, leicht zu erlernendes Klopfprotokoll<br />
93 gegen Stress kann der Klient jederzeit selbst einsetzen.<br />
Wie wird bei EDxTM TM am Telefon vorgegangen? 94<br />
Am Telefon entfällt der manuelle Muskeltest, mit dem zu Beginn der<br />
Intervention generelle energetische Störungen und die beteiligten<br />
Meridiane ermittelt werden. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten dieses<br />
zu kompensieren. Am Telefon empfiehlt es sich, mit einem allgemeinen<br />
Protokoll, das auf die Stressreduktion abzielt und für sehr viele<br />
Arten von Problemen geeignet ist, zu beginnen. Sodann gibt es<br />
spezifische Protokolle, die dem Beseitigen bestimmter Emotionen, wie<br />
z. B. Ärger, Frustration, Angst etc. und körperlicher Symptome, wie<br />
92 Gallo (2006).<br />
93 Protokoll bedeutet in diesem Kontext eine bestimmte Abfolge von zu klopfenden<br />
Meridianpunkten.<br />
94 Die nachfolgende Beschreibung beruht auf Gallo (2006).<br />
251
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Vom Sehen zum Hören – Methodentransfer<br />
__________________________________________________<br />
z. B. Schmerzen, Erschöpfung, Jetlag etc. dienen. 95 Anhand der<br />
Problemschilderung entscheidet der Coach, mit welchem Protokoll<br />
begonnen wird und benutzt bei ausbleibender Wirkung eine andere<br />
Punkteserie. Des Weiteren sind den Meridianen bestimmte positive<br />
und negative Emotionen zugeordnet, z. B. dem Magenmeridian u. a.<br />
Angst und Enttäuschung sowie Zufriedenheit und Ruhe. Aus der<br />
Problemschilderung des Klienten und den darin auftauchenden<br />
Emotionen schlussfolgert der Coach, welche Meridiane beteiligt sein<br />
könnten. Die entsprechenden Behandlungspunkte werden vom<br />
Klienten geklopft. Wichtig ist, dass sich der Coach bei seiner<br />
Entscheidung, wie er vorgeht, nicht nur von seinem Wissen über die<br />
Meridiane, sondern auch von seiner Intuition leiten lässt. Laut Gallo<br />
kann es dazu hilfreich sein, sich den Klienten als inneres Bild mit allen<br />
Alarmpunkten vorzustellen. Mit wachsender Erfahrung mit der<br />
Methode wächst auch das intuitive Gespür für die relevanten<br />
Behandlungspunkte. Bleibt der Prozess stecken (erkennbar daran, dass<br />
das Stresslevel des Klienten nicht komplett zu reduzieren ist), werden<br />
Sequenzen zum Beseitigen genereller energetischer Störungen<br />
angewendet.<br />
Meine eigenen Erfahrungen mit der Methode zeigen, dass bereits mit<br />
dem allgemeinen Protokoll gegen Stress am Telefon gute Erfolge<br />
erzielt werden können.<br />
Fazit<br />
Am Telefon muss der Coach dem Klienten die Lage der zu<br />
klopfenden Punkte anschaulich beschreiben, damit er sie lokalisieren<br />
kann. Zur Unterstützung erhält der Klient vorab per E-Mail ein Bild<br />
oder eine graphische Darstellung zur Lage der Meridianpunkte. Der<br />
TeleCoach klopft parallel zum Klienten – genau wie im Präsenz-<br />
<strong>Coaching</strong> – selbst die entsprechenden Punkte. So stellt er guten<br />
Rapport her und gibt die Geschwindigkeit für den Wechsel der Punkte<br />
vor. Ggf. dauert die gesamte Prozedur etwas länger als im<br />
95 Gallo (2008).<br />
252
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht<br />
__________________________________________________<br />
Präsenz<strong>Coaching</strong>, da das genaue Austesten der Meridianpunkte nicht<br />
möglich ist. Im Vergleich zu den beim Präsenz<strong>Coaching</strong> anfallenden<br />
Reisezeiten ist dies ein geringer in Kauf zu nehmender Nachteil.<br />
Zudem bekommt der Klient eine Methode an die Hand, mit der er sich<br />
selbst helfen kann.<br />
Tipps und Tricks –<br />
Methodentransfer leicht gemacht<br />
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir – was den Methodentransfer<br />
auf das Telefon angeht – gemeinsam steigende Schwierigkeitsstufen<br />
genommen. Der Transfer von sprachlichen Interventionen ist<br />
dabei mit Sicherheit der leichteste Schritt, fordert allerdings vom Coach<br />
in besonderer Weise einfühlendes Zuhören und eine bildhafte, klare<br />
Sprache. Bereits auf dieser Stufe der sprachlichen Interventionen<br />
eröffnet das Telefon ganz neue Erfahrungsräume, wie z. B. einen<br />
Appreciative Inquiry-Prozess am Telefon zu gestalten. Oder mit The Work<br />
täglich daran zu arbeiten, eingefahrene hinderliche Denkstrukturen zu<br />
verändern.<br />
Der große Schritt ins Neuland ergibt sich für die meisten Coachs und<br />
Klienten, wenn wir die im weitesten Sinne körperorientierten Methoden<br />
auf das Telefon übertragen. Am Beispiel der Aufstellungen wird<br />
deutlich, wie mit Kreativität und Einfallsreichtum vielfältige Arbeitsweisen<br />
für das Telefon kreiert werden können. Sie reichen von rein<br />
imaginativer Arbeit, über Unterstützung durch Stift und Papier, dem<br />
Nutzen von Bodenankern oder Figuren bis hin zur Softwareunterstützung.<br />
Focusing ist ein Beispiel dafür, dass weniger manchmal mehr sein<br />
kann. Manchem Klienten gelingt es am Telefon leichter, sich auf seinen<br />
Körper und dessen Signale einzulassen, gerade weil ihm keiner<br />
zuschaut. Besonders für Männer tun sich hier neue Erfahrungsräume<br />
auf, die im Präsenz<strong>Coaching</strong> für sie sehr viel schwerer zu erschließen<br />
sind.<br />
253
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht<br />
__________________________________________________<br />
Zu jeder der vorgestellten Methoden wurde bereits im vorangehenden<br />
Kapitel herausgearbeitet, worauf es ankommt, was zu beachten ist<br />
und wo vielleicht auch Grenzen sind. Nachfolgend tragen wir zusammen,<br />
was wir aus diesen Erkenntnissen an allgemeinen Schlussfolgerungen<br />
für einen Methodentransfer auf das Telefon ziehen können.<br />
Bei der Übertragung von Methoden auf das Telefon gibt es zwei<br />
Gruppen von Aspekten: Die eine bezieht sich auf den Coach selbst, bei<br />
der zweiten handelt es sich um praktische Tipps.<br />
Bezogen auf den Coach sind die nachfolgenden Hinweise für einen<br />
Methodentransfer aufgrund unserer Erfahrungen wichtig. Uns ist dabei<br />
bewusst, dass manches davon auch für das Präsenz<strong>Coaching</strong> gilt.<br />
• Lernen Sie Ihren Klienten zunächst in einigen Tele<strong>Coaching</strong>-Sitzungen<br />
kennen, bevor Sie mit komplexeren Methoden arbeiten.<br />
• Tasten Sie sich schrittweise an das Tele<strong>Coaching</strong> heran. Beginnen<br />
Sie mit sprachlichen Interventionen, mit denen sie sich wohl und<br />
sicher fühlen.<br />
• Verwenden Sie komplexe Methoden erst dann, wenn Sie deren<br />
Ablauf sicher beherrschen.<br />
• Nehmen Sie zunächst solche Methoden zum Transferieren, mit<br />
denen Sie am liebsten arbeiten.<br />
• Vertrauen Sie sich selbst als Coach! Wenn Sie selbst überzeugt<br />
sind von dem, wozu Sie Ihren Klienten am Telefon einladen,<br />
wird es auch Wirkung entfalten. Ggf. können Sie beim Einsetzen<br />
neuer Methoden explizit die Zustimmung Ihres Klienten einholen,<br />
ihn bewusst zu einer neuen Erfahrung oder einem Experiment<br />
einladen. Damit befreien Sie sich vom Erfolgsdruck.<br />
• Wenn Sie eine Methode auf das Telefon übertragen, gibt es häufig<br />
verschiedene Möglichkeiten, wie Sie am Telefon arbeiten<br />
können. Das Beispiel der Aufstellungen im vorherigen Kapitel<br />
zeigt Ihnen, wie Sie variantenreich vorgehen können. Wählen Sie<br />
die Variante, die den bevorzugten Sinneskanälen Ihres Klienten<br />
entspricht (visuell, auditiv, kinästhetisch). Seien Sie dabei flexibel.<br />
254
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht<br />
__________________________________________________<br />
Wenn der Klient zu einer Variante keinen Zugang findet, versuchen<br />
Sie etwas Anderes. Allerdings ist wichtig, dem Klienten ausreichend<br />
Zeit zu geben, sich hineinzufinden in das, was Sie ihm<br />
vorschlagen. Bedenken Sie, auch er bewegt sich vermutlich im<br />
Neuland.<br />
• Vermuten Sie bei einem bestimmten Thema eines Klienten ein<br />
Trauma, prüfen Sie die Frage, ob das Thema in die Hände eines<br />
Therapeuten gehört. In jedem Fall sollten Sie Ihren Klienten darauf<br />
hinweisen, dass für sein Problem ggf. eine Psychotherapie<br />
und nicht ein <strong>Coaching</strong> angemessen ist.<br />
Praktische Tipps für das Tele<strong>Coaching</strong><br />
• Vereinbaren Sie mit Ihrem Klienten einen akustischen Feedback-<br />
Prozess insbesondere dann, wenn Sie ihn in eine Tiefenentspannung<br />
oder Phantasiereise begleiten.<br />
• Bei Methoden wie dem Inneren Team, The Work, EDxTM TM etc. ist<br />
es hilfreich, dem Klienten vorab eine Instruktion, das Arbeitsblatt<br />
oder eine Abbildung der Behandlungspunkte zu schicken.<br />
• Wollen Sie mit Ihrem Klienten gemeinsam ein Dokument über<br />
das Internet bearbeiten, bereiten Sie dies vor und machen Sie sich<br />
mit der Programm-Software vorher vertraut.<br />
• Falls Sie am Telefon parallel Notizen am Computer machen, sollten<br />
Sie dies nur tun, wenn es nicht zu viel Ihrer Aufmerksamkeit<br />
bindet. Persönlich lasse ich selbst im Präsenz<strong>Coaching</strong> den Stift<br />
ruhen, wenn es gilt, den Klienten durch einen intensiven Prozess<br />
zu begleiten. Nur so bin ich mit meiner ganzen Wahrnehmung<br />
bei ihm.<br />
• Für alle Methoden, bei denen sich der Klient im Raum bewegt,<br />
benötigt er ein mobiles Telefon, möglichst mit Headset und am<br />
Gürtel hängend.<br />
• Wenn Sie Ihren Klienten, z. B. beim Arbeiten mit dem Körper,<br />
gezielt Körperteile berühren lassen, tun Sie dies parallel selbst<br />
255
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht<br />
__________________________________________________<br />
auch, um sich gut einfühlen zu können in das, was der Klient<br />
Ihnen schildert.<br />
• Fragen Sie Ihren Klienten konkret nach einem sicheren Ort, an<br />
dem er sich geborgen, wohl und sicher fühlt. Finden Sie heraus,<br />
wie der Klient sich gut und schnell innerlich an diesen Ort begeben<br />
kann und Sie ihn unterstützen können, in den entsprechenden<br />
ressourcevollen Zustand zu gehen.<br />
• Gerät der Klient in einen schlechten Zustand und Sie haben den<br />
Eindruck, es wäre gut die Intervention zu beenden, so können<br />
Sie den Klienten an seinen sicheren Ort begleiten, so dass er<br />
wieder in einen guten Zustand findet. Sollte das nicht reichen,<br />
lassen Sie ihn aufstehen, den Platz wechseln, sich ausschütteln,<br />
sich mit den Händen abklopfen oder fragen Sie ihn nach etwas<br />
ganz Anderem.<br />
Abschließender Blick auf die Anfangshypothese<br />
„Die einzige Grenze des Tele<strong>Coaching</strong>s ist die Beschränkung des<br />
Coachs, der seine Methoden nicht transferieren und an die besonderen<br />
Gegebenheiten des Telefons anpassen kann.“<br />
Mit den vielfältigen Beispielen des Methodentransfers haben wir zeigen<br />
können, dass unsere Hypothese in der Praxis des Tele<strong>Coaching</strong>s<br />
ihre Bestätigung findet, dass das Nicht-Sehen zu kreativen Weiterentwicklungen<br />
bewährter Methoden einlädt und sogar ganz neue Möglichkeiten<br />
eröffnet, die Vorteile gegenüber dem Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
haben. Verdeutlicht haben wir dies am Beispiel eines Appreciative Inquiry<br />
Gruppenprozesses und des Focusings.<br />
Wir hoffen, dass Sie, lieber Leser, sich jetzt ermuntert fühlen –ob Sie<br />
nun Personalentwickler, Coach oder Klient sind – die methodischen<br />
Möglichkeiten des Tele<strong>Coaching</strong>s auszuprobieren. Bitte bedenken Sie<br />
dabei: Wie auch im Präsenz<strong>Coaching</strong> kommt es am Telefon nicht darauf<br />
an, bestimmte Anleitungen für Interventionen präzise wie eine<br />
chemische Syntheseanleitung durchzuführen. Betrachten Sie es wie ein<br />
Kochrezept – variieren Sie die Zutaten gemäß Ihrer Intuition und dem<br />
256
IV <strong>Coaching</strong> unlimited –Interventionen und Methoden am Telefon (Maren Kaiser)<br />
Tipps und Tricks – Methodentransfer leicht gemacht<br />
__________________________________________________<br />
vermuteten oder bekannten Geschmack Ihres Klienten. Solange Sie<br />
gewisse Grundregeln beachten, wie z. B. die Pfanne nicht überhitzen<br />
oder Salz und scharfe Gewürze mit Fingerspitzengefühl verwenden,<br />
wird Ihr Gericht gelingen, sprich: Es gibt eine Entwicklung und ein<br />
Ergebnis für Ihren Klienten.<br />
Houston,<br />
wir haben<br />
ein Problem!<br />
Jungs, kommt<br />
einfach vorbei,<br />
dann können wir<br />
alles persönlich<br />
besprechen.<br />
257
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
V Best practice –<br />
Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Wie beim Präsenz<strong>Coaching</strong> entscheiden Auftraggeber und Klienten<br />
über den Erfolg eines Tele<strong>Coaching</strong>s. Hier lesen Sie über Erfahrungen,<br />
die Klienten, Auftraggeber und Coachs mit Tele<strong>Coaching</strong> in Einzelund<br />
Gruppen-Formaten gemacht haben.<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
Pilotstudie Tele<strong>Coaching</strong> –<br />
18 Probanden geben Feedback<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Der systematische Einsatz des Telefons als <strong>Coaching</strong>-Instrument<br />
erfolgte bei BORA International seit 2007 zunächst als Begleitung von<br />
Seminarformaten. Die Begegnung des Seminarteilnehmers mit seinem<br />
künftigen Telefon-Coach, der zugleich auch Seminarleiter war, stand<br />
am Anfang. Im Sinne des in diesem Buch vertretenen Paradigmenwechsels<br />
fehlte bis dahin der Nachweis, dass eine erfolgreiche<br />
<strong>Coaching</strong>-Arbeit auch ohne ein vorheriges persönliches Zusammentreffen<br />
zwischen Coach und Klient möglich ist. In diesem Zusammenhang<br />
entstand der Gedanke, diesen Nachweis im Rahmen einer Pilotstudie<br />
zu erbringen. Design und Ergebnis der im Mai 2007 durchgeführten<br />
Pilotstudie werden in diesem Abschnitt vorgestellt.<br />
258
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Fragestellung<br />
Die Studie sollte Antworten auf folgende Fragen liefern: Inwieweit<br />
kann über das Telefon<br />
• …eine belastbare Vertrauensbasis zwischen Coach und Klient<br />
entstehen?<br />
• …ein adäquates Verständnis von der Problemsituation des Klienten<br />
gewonnen werden?<br />
• …ein positives und konstruktives Gesprächsklima erzeugt werden?<br />
• …dem Klienten durch den Coach effizient eine relevante Hilfestellung<br />
zuteil werden?<br />
Dieser Nachweis sollte im Rahmen der Pilotstudie auf Basis eines<br />
einstündigen einmaligen <strong>Coaching</strong>-Gesprächs erbracht werden. Dabei<br />
sollten Coach und Klient erstmalig am Telefon zusammenkommen,<br />
um eine Vertrauensbasis herzustellen, die Problemstellung zu<br />
erarbeiten und durch erste Interventionen seitens des Coachs einen<br />
relevanten Nutzen für den Klienten zu stiften.<br />
Methode und Vorgehen<br />
Die Teilnehmer an der Pilotstudie wurden durch Direktansprache<br />
von Mitgliedern der Netzwerkplattform Xing 96 gewonnen. Mitglieder,<br />
die dort in ihrem Profil unter „Ich suche“ eine „neue Herausforderung“<br />
angegeben hatten, wurden gezielt per E-Mail angesprochen.<br />
Diesen Mitgliedern wurde angeboten, eine Stunde Tele<strong>Coaching</strong> gegen<br />
eine anschließende Evaluierung kostenfrei zu erhalten. Alle weiteren<br />
Kontakte zu den Teilnehmern im Vorfeld des <strong>Coaching</strong>s (z. B. zur<br />
Terminvereinbarung) erfolgten per E-Mail. Die Teilnehmer hatten die<br />
Möglichkeit, sich im Vorfeld anhand der BORA Website über Dienstleistungen,<br />
Gesprächspartner und Referenzen eingehend zu informieren.<br />
96 www.xing.com.<br />
259
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Zu Beginn des Gesprächs wurde dem Teilnehmer Gelegenheit gegeben,<br />
Fragen zu Person und Vorgehen zu stellen. Der Teilnehmer<br />
wurde ermuntert, sein Gesprächsanliegen vorzutragen. Durch Mitteilung<br />
des Teilnehmers sowie gezielte Fragen seitens des Coachs ging es<br />
darum, ein gemeinsames Verständnis der Problemlage zu gewinnen. In<br />
der zweiten Hälfte des Gesprächs ging es um die Erarbeitung von<br />
Möglichkeiten für einen konstruktiven Umgang mit der Herausforderung.<br />
Die Ergebnisse wurden zusammengefasst und das weitere Vorgehen<br />
in Bezug auf die Evaluation besprochen. Nach dem Gespräch<br />
erhielt der Teilnehmer den Evaluierungsbogen per E-Mail zugeschickt<br />
mit der Bitte um zeitnahe Rücksendung.<br />
Die Evaluierungs-Fragen<br />
Dem <strong>Coaching</strong>-Teilnehmer wurden folgende Fragen zur Bewertung<br />
anhand von Schulnoten (1 sehr gut bis 5 mangelhaft) vorgelegt:<br />
• Haben Sie Vertrauen zu dem Berater fassen können?<br />
• Haben Sie sich verstanden gefühlt?<br />
• Wie beurteilen Sie das Gesprächsklima?<br />
• Wurde die verfügbare Zeit effizient genutzt?<br />
• Hat Ihnen das Gespräch weitergeholfen?<br />
Jede Bewertung konnte sowohl einzeln als auch in einer Gesamtbewertung<br />
zusammengefasst und kommentiert werden. Am Ende des<br />
Fragebogens war Raum für Verbesserungsvorschläge und für die Formulierung<br />
einer persönlichen Referenz.<br />
Ergebnisse<br />
Der Auswertung liegen die schriftlichen Beurteilungen von insgesamt<br />
18 Teilnehmern zugrunde.<br />
260
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Übersicht Teilnehmerbewertungen nach Kategorien<br />
Vertrauen Verstehen Atmosphäre Effizienz Nutzen Gesamt<br />
27% 28%<br />
22%<br />
30%<br />
17%<br />
11%<br />
Sehr gut<br />
gut<br />
befriedigend<br />
ausreichend<br />
40%<br />
55%<br />
72%<br />
50% 61%<br />
53%<br />
33%<br />
22%<br />
22%<br />
17% 17%<br />
17%<br />
6%<br />
Abbildung 12: Ergebnisse Pilotstudie Tele<strong>Coaching</strong><br />
• 67 Prozent der Teilnehmer haben gut (40%) bis sehr gut (27%)<br />
Vertrauen zum Berater fassen können. 33 Prozent bewerten<br />
dieses Kriterium mit befriedigend.<br />
• 78 Prozent der Teilnehmer haben sich gut (50%) bis sehr gut<br />
(28%) verstanden gefühlt. 22 Prozent bewerten dieses Kriterium<br />
mit befriedigend.<br />
• 83 Prozent der Teilnehmer bewerten die Gesprächsatmosphäre<br />
als gut (61%) bis sehr gut (22%). 17 Prozent bewerten dieses<br />
Kriterium mit befriedigend.<br />
• 83 Prozent der Teilnehmer bewerten die Zeit-Effizienz als gut<br />
(53%) bis sehr gut (30%). 17 Prozent bewerten dieses Kriterium<br />
mit befriedigend.<br />
• 72 Prozent der Teilnehmer bewerten den Nutzen des Gesprächs<br />
als gut (55%) bis sehr gut (17%). Ein Teilnehmer (6%) bewertet<br />
den Nutzen nur als ausreichend, alle übrigen (22%).<br />
261
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
• 83 Prozent der Teilnehmer bewerten das Tele<strong>Coaching</strong> insgesamt<br />
als gut (72%) bis sehr gut (11%). Zwei Teilnehmer (11%) bewerten<br />
mit gut-befriedigend und nur einer (6%) mit befriedigend.<br />
Aussagen zur Frage: Haben Sie Vertrauen zu dem Berater<br />
fassen können?<br />
„Überraschend schnell.“ (Rainer K.)<br />
„Ja, zu keiner Zeit Vorbehalte gehabt.“ (Frederik H.)<br />
„Holte mich sehr gut ab.“ (Ferdinand F.)<br />
„Ich hatte keine Schwierigkeiten mich zu öffnen.” (Dieter B.)<br />
“Im Laufe des Gespräches konnte zunehmendes Vertrauen aufgebaut<br />
werden.” (Jürgen T.)<br />
“Sehr offen und direkt.” (Mick H.)<br />
Aussagen zur Frage: Haben Sie sich verstanden gefühlt?<br />
„In Anbetracht der relativ kurzen Zeit ist das nur eingeschränkt<br />
möglich.” (Rainer K.)<br />
“Ja, aber ein persönliches Gespräch hat mehr Aussagekraft.“<br />
(Frederik H.)<br />
“Ja, Sie haben meine Gedanken aufgegriffen und weiterentwickelt,<br />
um Lösungsansätze anbieten zu können.” (Dieter B.)<br />
“Meine Hinweise wurden aufgenommen und gut in die weitere<br />
Gesprächsführung eingebunden.“ (Jürgen T.)<br />
„Sehr gute Intuition und viel Erfahrung beim Berater.” (Mick H.)<br />
Aussagen zur Frage: Wie beurteilen Sie das Gesprächsklima?<br />
„Sehr angenehm, allerdings ist die „Qualität“ der Verbindung durch<br />
Skype eingeschränkt.“ (Rainer K.)<br />
„Ruhig, sachlich, zielgerichtet.“ (Frederik H.)<br />
„Sachlich, konstruktiv.” (Karsten S.)<br />
“Die Atmosphäre war offen und verständnisvoll.” (Dieter B.)<br />
“Ein persönlicher Erstkontakt würde sich auf die späteren Telefontermine<br />
sicher positiv bzgl. Vertrauen und Gesprächsklima<br />
auswirken.“ (Martin G.)<br />
262
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
„Angenehmes, ruhiges und zielorientiertes Gesprächsklima.” (Jürgen<br />
T.)<br />
“Guter und aktiver Zuhörer.” (Mick H.)<br />
“Die Tonqualität war zwischendurch nicht so gut. Wahrscheinlich<br />
wegen VOIP (Internet-Telefonie)“ (René F.)<br />
„Telefon ist distanziert.” (Thomas B.)<br />
Aussagen zur Frage: Wurde die verfügbare Zeit effizient<br />
genutzt?<br />
„Ja, leider kurze Unterbrechungen durch mich verursacht.”<br />
(Frederik H.)<br />
“Mehr war wohl nicht machbar.” (Dieter B.)<br />
“In Anbetracht des Zeitraumes von ca. 1h konnten m. E gute<br />
Ergebnisse erzielt werden.” (Jürgen T.)<br />
“Zu keinem Zeitpunkt in dem Gespräch hatte ich einen gehetzten<br />
Eindruck. Die Nutzung der Zeit war optimal.” (Mick H.)<br />
Aussagen zur Frage: Hat Ihnen das Gespräch weitergeholfen?<br />
„Jein: Richtungshilfe wurde gegeben, den Weg zum Ziel muss aber<br />
jeder selber finden und gehen.“ (Frederik H.)<br />
„Ansatzweise schon.” (Dieter B.)<br />
“Sehr.” (René F.)<br />
“Ich gewann in Teilen neue Perspektiven, die ich in meine weiteren<br />
Überlegungen einbeziehen kann.” (Jürgen T.)<br />
“Ja, ich bin mir jetzt sicher, das ich ein persönliches <strong>Coaching</strong><br />
benötige.“ (Mick H.)<br />
„Ich hätte mir in dem Gespräch gewünscht, dass wir mehr auf<br />
meinen Lebenslauf eingegangen wären.” (Stefan G.)<br />
“Ja. Auf jeden Fall hat es mir zwei Dinge klar gemacht: Meine<br />
Wettbewerbssituation und die Begrenzungen, die mir mein Ausbildungshintergrund<br />
auferlegt. Vielen Dank dafür schon einmal!”<br />
(Karsten S.)<br />
Aussagen Gesamtbewertung<br />
„Ich fand es schon bemerkenswert, wie schnell Sie sich in meine<br />
Situation ‚hineingefühlt’ und die Kernregion meiner Angelegenheit<br />
263
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
berührt haben. In der Kürze der Zeit war meiner Ansicht nach nicht<br />
mehr realisierbar.” (Dieter B.)<br />
“Es ist sehr interessant und anregend für mich gewesen. Habe viele<br />
neue Denkanreize erfahren, die mir persönlich gar nicht bewusst<br />
waren.” (René F.)<br />
“Positiv aufgefallen ist das schnelle Hineindenken des Beraters in<br />
meine berufliche Situation, die angewandte Mischung aus Methodik<br />
und Fachkompetenz.“ (Martin G.)<br />
„Innerhalb von 60 Minuten am Telefon eine produktive, effektive<br />
und Ergebnisse liefernde Beratung durchzuführen ist sehr schwierig.<br />
Der Berater schafft diesen Klimmzug spielend. Die<br />
Gesprächsführung erfolgte zielgerichtet ohne dass dabei ein<br />
gehetzter Eindruck entstanden wäre. Ich war über die Ergebnisse des<br />
Gespräches positiv sehr überrascht – damit hatte ich nicht<br />
gerechnet.“ (Mick H.)<br />
„Ich habe versucht sehr knapp zu beschreiben wie meine ersten<br />
<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen waren: Verstanden wissen und fühlen.<br />
Gemeinsam Ziele aufstellen und selbst erreichen.“ (Wolfgang S.)<br />
„Insgesamt finde ich den Ansatz sehr interessant. Meiner Meinung<br />
nach sollten sich Arbeitnehmer viel intensiver mit der Thematik<br />
auseinandersetzen und die Zeit als Investition in ihren beruflichen<br />
Werdegang sehen. Allein schon Gedanken, die durch ein Gespräch<br />
angestoßen werden, können dazu beitragen, in der Zukunft<br />
erfolgreicher zu sein. Man wird befruchtet durch Sichtweisen/<br />
Meinungen anderer und stellt vielleicht Dinge, die bisher immer<br />
selbstverständlich waren, in Frage.“ (Claudio P.)<br />
„Der Coach schöpft aus viel praktischer Erfahrung und einem<br />
fundierten theoretischen Background. Dadurch ist seine Hilfe sehr<br />
pragmatisch, verständlich und auch umsetzbar. Vielen Dank.“<br />
(Thomas B.)<br />
Zusammenfassung<br />
Sofern der Beratungsrahmen (Beraterprofil, Thema und Konditionen)<br />
geklärt ist, wirkt das Telefon nicht als Bremse, sondern als<br />
Katalysator mit Blick auf die Öffnung des Teilnehmers. Teilweise<br />
wurden im Vorfeld sogar Lebensläufe von den Teilnehmern zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
264
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Fehlender Blickkontakt ist kein Hinderungsgrund für das Führen von<br />
konzentrierten <strong>Coaching</strong>-Gesprächen. Im Gegenteil: aller bloßen<br />
Inszenierung ist die Bühne entzogen.<br />
Innerhalb einer Stunde lässt sich die Problemlage herausarbeiten und<br />
ein erster Nutzen aus Sicht der Klienten erzielen. Durch ein erweitertes<br />
Zeitbudget könnte dieser Nutzen selbstverständlich noch erhöht<br />
werden: Zwei Teilnehmer haben sich entschlossen, den <strong>Coaching</strong>-<br />
Prozess fortzusetzen.<br />
Ein persönliches Kennenlernen im Vorfeld erleichtert dem Klienten<br />
den Gesprächseinstieg, ist jedoch keine Voraussetzung für ein<br />
erfolgreiches Tele<strong>Coaching</strong>.<br />
Sie klingen aber<br />
heute frisch<br />
frisiert, Frau<br />
TeleMayer<br />
265
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Unsichtbare Unterstützung bei der<br />
Unternehmensentwicklung –<br />
Erfahrungsbericht von Oliver Hauff<br />
Als Geschäftsführer der Hauff DruckArt GmbH habe ich 2008 über<br />
insgesamt sechs Monate hinweg (zweimal 3-Monats-Zyklen) Tele-<br />
<strong>Coaching</strong> in Anspruch genommen. Im Folgenden möchte ich einen<br />
Überblick über den Ablauf, die Problemstellung und die Ergebnisse<br />
geben.<br />
Ablauf<br />
Für die Teilnahme am Tele<strong>Coaching</strong> wurde ich mehr oder weniger<br />
zufällig akquiriert. Im Rahmen seiner eigenen Akquisebemühungen<br />
hatte mein Coach, der in unserer Branche bereits Trainings durchgeführt<br />
hatte, mich angerufen und nach meinem Interesse an einer solchen<br />
Möglichkeit gefragt. Nach Zusendung einiger Referenzunterlagen,<br />
in denen unter anderem Kollegen aus Unternehmen derselben Branche<br />
zitiert wurden, erkundigte ich mich dort nach den Erfahrungen mit<br />
dieser Form des Trainings im Allgemeinen und dem Mentor im<br />
Speziellen. Das positive Feedback und auch die grundsätzliche inhaltliche<br />
Sympathie der ersten beiden Telefonate mit dem Coach sowie die<br />
in unserem Haus vorhandenen Fragestellungen (siehe Problemstellung)<br />
veranlassten mich, den ersten begleitenden <strong>Coaching</strong>-Zyklus zu<br />
buchen.<br />
Mein Training erfolgte im 1:1-Gespräch über das Telefon zu vorher<br />
vereinbarten Zeiten. Im Regelfall wurde ich zu diesem Zeitpunkt von<br />
meinem Gesprächspartner angerufen. Darüber hinaus gab es auch<br />
Feedback per E-Mail durch meinen Coach oder ich konnte ihn per E-<br />
Mail kontaktieren. Ebenso gab es die Möglichkeit, bei kurzfristig<br />
auftauchenden Fragestellungen individuelle Telefonate zeitnah zu vereinbaren.<br />
Aber die Hauptarbeit wurde in den wöchentlich fix vereinbarten<br />
Telefonzeiten geleistet.<br />
266
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Der wöchentliche Rhythmus ist meines Erachtens eine gute Basis, da<br />
die Zeitabstände eine Reflektion des <strong>Coaching</strong>s ermöglichen, genug<br />
Zeit für die Umsetzungen und das Einholen von Feedback bis zum<br />
nächsten Telefontermin lassen. In meinem Fall, als Nachfolger in<br />
einem Familienunternehmen, konnte ich dadurch auch weitere Gespräche<br />
über das im <strong>Coaching</strong> besprochene mit den entsprechenden Familienmitgliedern<br />
im Unternehmen führen und so einen viele Aspekte<br />
beinhaltenden Meinungsbildungsprozess anstoßen.<br />
Die Telefonate waren auf die Dauer von einer Stunde angesetzt,<br />
dauerten aber häufig etwas länger. Dies stellte natürlich dann ein<br />
Problem dar, wenn der Coach einen Anschlusstermin hatte und eventuell<br />
dadurch der Gedankengang unterbrochen werden musste, um ihn<br />
dann kurzfristig etwas später wieder weiter zu führen. Andererseits ist<br />
die Begrenzung hilfreich, da sonst die Gefahr bestehen könnte, sich in<br />
einem Gedankengang zu sehr zu verstricken oder im Kreis zu drehen.<br />
Es war auch wichtig, sich nach einer Stunde auf die lessons learned bzw.<br />
die angestrebte Vorgehensweise bis zum nächsten Gespräch zu konzentrieren.<br />
Für mich war zudem wichtig, dass der vereinbarte Termin zu einem<br />
Tageszeitpunkt stattfand, an dem ich ungestört sein konnte (in meinem<br />
Fall früh morgens) und mich wirklich auf das <strong>Coaching</strong>-Gespräch konzentrieren<br />
konnte. Im Endeffekt wurde das auch von meinem Berater<br />
zu Recht verlangt.<br />
Zu Beginn der Zusammenarbeit wurden gemeinsam generelle<br />
Themengebiete abgesteckt, die der Mentor und ich über die Dauer<br />
dann abarbeiteten. Selbstverständlich ergaben sich aus der Situation<br />
heraus immer wieder individuelle Themengebiete, auf die dann ebenfalls<br />
eingegangen wurde.<br />
In den ersten zwei, drei Gesprächen musste man sich vielleicht auch<br />
noch ein wenig aneinander gewöhnen und die Regeln abstecken. Dann<br />
war die Gesprächsatmosphäre im Umgang locker, sachlich jedoch fordernd<br />
und hochinteressant.<br />
Im Regelfall erläuterte ich in einem Telefonat zunächst die Problemstellung<br />
aus meiner Sicht – häufig auch mit meinen Lösungsgedanken –<br />
267
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
und der Coach fragte zu seinem Verständnis an zentralen Punkten<br />
nach. Dabei offerierte bereits das Nachfragen Einblick in mögliche<br />
Ursachen der Problematik und neue Lösungsansätze. Im weiteren<br />
Verlauf bot der Mentor seine Sichtweise und seine Gedanken als Alternative<br />
oder Ergänzung an. Gegen Ende des Gesprächs wurden mögliche<br />
Vorgehensweisen und Aufgaben bis zum nächsten Termin diskutiert<br />
und festgelegt. In der jeweils nächsten Sitzung wurden diese Umsetzungen<br />
vom Coach nachgefasst und eventuelle Erkenntnisse flossen<br />
in die weiteren Gespräche ein.<br />
Am Ende des Gesprächszyklus wurden die Themengebiete rekapituliert<br />
und die Ergebnisse festgehalten. Darauf aufbauend erfolgte dann<br />
in meinem Fall ein weiterer Zyklus an dessen Ende die erfolgreiche<br />
Umsetzung der Themen stand.<br />
Problemstellung<br />
Die Druckbranche, in der sich unser Haus bewegt, wird von gewaltigen<br />
technischen Umbrüchen und einem durch ca. 30 Prozent Überkapazität<br />
am Markt verstärkten Wettbewerbsdruck gebeutelt. Um die<br />
eigenständige Überlebensfähigkeit unseres familiengeführten, mittelständischen<br />
Unternehmens in diesem Markt zu gewährleisten, hat die<br />
Geschäftsleitung eine Strategie, die auf einen starken Umbruch in der<br />
Kundenstruktur und damit in den Produkten sowie in den technischen<br />
Gegebenheiten im Haus setzt. Diese Strategie wurde gemeinsam mit<br />
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet und ist in ihrer Gänze<br />
allen Beteiligten klar kommuniziert worden. Jedoch fühlten sich die<br />
Angestellten von den Ansprüchen teilweise überfordert und wussten<br />
nicht, so wurde von mir vermutet, wie dies umzusetzen wäre, obwohl<br />
vielfältige Schulungsmaßnahmen stattgefunden hatten.<br />
Daraufhin hatte die Unternehmensleitung selbst die Grundlagen für<br />
diesen Umbruch geschaffen. Die Umsetzung lastete auch in den<br />
Details stark auf mir persönlich. Ich war überzeugt, wenn ich es vorlebe,<br />
folgen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach. Dem war nicht<br />
so. Die Widerstände wurden mit dem Erfolg der Strategie größer und<br />
ich ratloser. Wir hatten alle Instrumente der Führungskunst im Haus<br />
268
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
etabliert und dennoch hatte ich das Gefühl, bzgl. der Weiterentwicklung<br />
der Kolleginnen und Kollegen auf der Stelle zu treten.<br />
Im Endeffekt ging das <strong>Coaching</strong> darum, wie ich die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter dazu bewegen konnte, die erfolgreiche Strategie sich zu<br />
Eigen zu machen und engagiert weiterzuentwickeln.<br />
Ergebnisse<br />
Das <strong>Coaching</strong> erwies sich in vielerlei Hinsicht als erfolgreich. In der<br />
Tat führte mein eigenes Training bei mir zu dem Gedankengang, einigen<br />
meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls für einen<br />
begrenzten Zeitraum einen externen Mentor zur Seite zu stellen. Insgesamt<br />
wurden bisher drei weitere Führungskräfte erfolgreich auf diese<br />
Weise geschult und persönlich wie beruflich positiv weiterentwickelt.<br />
In vielerlei Hinsicht ergaben sich wertvolle Ansatzpunkte durch die<br />
regelmäßigen Feedback-Gespräche mit meinem Gesprächspartner.<br />
Für mich war es enorm wichtig, den kritischen Blick auf mich selbst<br />
zu richten. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird im Regelfall<br />
dem Chef nicht wirklich gesagt, was sie an seiner Kommunikationsweise<br />
oder Führungsweise stört. Mein Coach hatte da kein Problem<br />
damit.<br />
Während ich in der Vergangenheit häufig nach den Fehlern der<br />
Angestellten suchte und versuchte, mit diesen daran zu arbeiten, lernte<br />
ich nun, meine eigenen Fehler im Verhalten zu suchen, die zu entsprechenden<br />
Reaktionen bei den Angestellten führten. So konnte ich durch<br />
meine eigene Verhaltensänderung eine andere Reaktion bei den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern hervorrufen.<br />
Zusammen mit den bereits vorhandenen umfangreichen Führungsinstrumenten<br />
ergab sich innerhalb eines halben Jahres eine sehr dynamische<br />
Entwicklung, insbesondere auch dadurch, dass später die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, die selbst in den Genuss eines <strong>Coaching</strong>s<br />
kamen, ihrerseits einen gewissen Einstellungswandel vollzogen.<br />
269
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Das Ergebnis ist ein sehr motiviertes, selbständiges Team, dass<br />
bezüglich der Umsetzung unserer anspruchsvollen Strategie voll hinter<br />
dem Unternehmer steht und dies auch durch Taten beweist.<br />
Als Fazit lässt sich festhalten, dass sowohl mir persönlich, als auch<br />
dem Unternehmen mit seinem Personal das <strong>Coaching</strong> sehr gut getan<br />
hat. Bemerkenswert ist für mich dabei, dass dies übers Telefon auf eine<br />
Art und Weise möglich ist, die mich oder meine Mitarbeiter in keiner<br />
Weise in ihren täglichen Aufgaben unterbricht. Auch hat für die Vorbereitung<br />
einer Zusammenarbeit mit weiteren Personen im Unternehmen<br />
allein ein Gespräch zwischen mir und den Betroffenen genügt.<br />
Weder ich noch einer meiner Mitarbeiter haben den Coach je persönlich,<br />
also von Angesicht zu Angesicht kennen gelernt. Wir werden in<br />
der Zukunft sicherlich mit einer Mischung aus internem und externem<br />
<strong>Coaching</strong> an der Weiterentwicklung des Hauses arbeiten. Als besonders<br />
effektiv hat sich dabei das 1:1-Training per Telefon erwiesen. Die Tiefe<br />
und Individualität der Analyse der Fragestellungen ist hier besonders<br />
zielführend.<br />
Mein TeleCoach als zuverlässiger Begleiter –<br />
Erfahrungsbericht von Ulrich Haist<br />
Mein Name ist Ulrich Haist, ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und habe<br />
zwei Kinder im Alter von ein und vier Jahren. Ich lebe zurzeit in der<br />
Nähe von Genf in der Westschweiz, und arbeite bei Cadbury Europe<br />
im Innovationsteam für Kaugummi und erfinde sozusagen neue Kaugummis.<br />
Es gab so manche Entwicklung während der letzten zwei Jahre, bei<br />
der mich das <strong>Coaching</strong> nicht nur unterstützt, sondern mir geholfen hat,<br />
meinen Weg zu finden, die für mich beste Wahl zu treffen und Schritte<br />
zu gehen, die mir ohne diese Arbeit wohl verwehrt geblieben wären.<br />
Hier ein kurzer Überblick:<br />
Meine ersten Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong> habe ich während eines<br />
dreimonatigen Seminars im Herbst 2007 gemacht. In dieser Zeit war<br />
270
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
wöchentlich eine Stunde telefonisches <strong>Coaching</strong> vorgesehen. Da diese<br />
Übung fester Baustein des Seminars war, habe ich wenig darüber nachgedacht,<br />
sondern habe mich einfach auf diese neue Erfahrung eingelassen.<br />
Da ich für das Seminar einmal die Woche von München nach<br />
Frankfurt musste - meine Frau war gerade in einer sensiblen Phase<br />
ihrer Schwangerschaft - und ich mich beruflich total eingespannt<br />
fühlte, war ich entschlossen, das Seminar kurz nach Beginn abzubrechen.<br />
Da erfuhr ich plötzlich durch das <strong>Coaching</strong> am Telefon eine so<br />
wertvolle Unterstützung und Verpflichtung für mich und meine Anliegen,<br />
was mir vorher völlig unbekannt war. Ich war nicht einfach nur<br />
ein Seminarteilnehmer (meine Gebühr hatte ich ja schon bezahlt), ich<br />
war Menschen so wichtig, dass diese alles in deren Möglichkeit stehendes<br />
taten, mich zu unterstützen. Das Seminar erwies sich für mich als<br />
voller Erfolg.<br />
Zeitgleich bahnte sich 2007 eine größere Veränderung in meinem<br />
Leben an. In dieser Zeit war ich Marketingmanager bei Wrigley.<br />
Allerdings hatte ich mich um einen Job in Lausanne in der Schweiz<br />
beworben, für den ich nach mehreren Interviewrunden auch den<br />
Zuschlag erhielt. Sollte ich diese Chance wahrnehmen, wohl wissend,<br />
dass damit viele Umwälzungen im privaten und beruflichen Bereich<br />
verbunden waren und dass die Firma, die mich einstellen wollte mit<br />
Gerüchten einer feindlichen Übernahme umrankt war? Sollte ich ein<br />
solches Risiko eingehen, obwohl meine Frau gerade zum zweiten Mal<br />
schwanger war? Was, wenn etwas schief gehen sollte? Die intensiven<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche aus dieser Zeit haben mir geholfen den für mich<br />
besten Weg zu identifizieren, wie wir es damals ausgedrückt haben – im<br />
Nebel der Ungewissheit eine Wahl zu treffen, zu der ich stehe und der<br />
ich entschlossen folge. Also bin ich gesprungen und habe in der<br />
Schweiz unterschrieben mit dem Ziel, dort eine neue Existenz für<br />
unsere Familie aufzubauen, in einer Gegend, die wir lieben (meine Frau<br />
ist Französin) und in der wir unser Leben genießen wollen.<br />
Im folgenden Schritt musste ich mich dann erst einmal in einem ganz<br />
neuen Umfeld zurechtfinden. Andere Sprache, andere Firmenstruktur,<br />
andere Branche usw. Und, wie vermutet wurde die Firma tatsächlich<br />
nur zwei Monate nach meinem ersten Arbeitstag von einem größeren<br />
271
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Konkurrenten aufgekauft – genau an dem Tag als mein Möbelwagen<br />
aus München in der Schweiz ankam. Was war zu tun, wie konnte ich<br />
am Besten mit dieser für mich neuen Situation umgehen, wie das<br />
Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit und fortgeschrittener<br />
Schwangerschaft mit anstehender Geburt managen, dabei<br />
positiv und vorwärts denkend bleiben? Für mich war der Weg schnell<br />
klar und ich habe wieder einen dreimonatigen <strong>Coaching</strong>-Block bei<br />
meinem Coach gebucht. Wir haben zu dieser Zeit das 100 Prozent-<br />
Spiel zum Einsatz gebracht – jeden Tag 100 Prozent geben, privat und<br />
im Job, egal wie die Umstände sind. Wir haben dadurch nicht nur die<br />
berufliche Seite abgedeckt, sondern auch ganz wichtige Themen aus<br />
meinem Privatleben. Zum Beispiel haben wir es auch geschafft meine<br />
Angst vor der Geburt zu überwinden, so dass ich meiner Frau hilfreich<br />
zur Seite stehen konnte als unser Sohn Rafael zur Welt kam. Und<br />
schlussendlich konnte ich mir durch das <strong>Coaching</strong> einen Mindset<br />
kreieren der es mir ermöglicht hat, im Juli 2008 einen neuen Job im<br />
Innovationsteam bei Cadbury, einem multinationalen Konzerns zu<br />
ergattern und somit der Firmenschließung nach der Übernahme zu<br />
entgehen.<br />
Dann habe ich erst mal eine <strong>Coaching</strong>-Pause eingelegt, habe aber in<br />
dieser Zeit versucht, die Lehren aus den <strong>Coaching</strong>-Gesprächen für<br />
mich präsent zu halten. Kurz nach dem Einstieg in die neue Firma<br />
habe ich mich dann aber entschlossen, in einen neuen <strong>Coaching</strong>-Block<br />
zu investieren. Ich benutze ganz bewusst das Wort ‚Investition’ da ich<br />
es wirklich als solche sah. Mein Ziel war, einen perfekten Start im<br />
neuen Umfeld hinzulegen, da der neue Job eine große Chance, gleichzeitig<br />
aber auch eine gewaltige Herausforderung darstellte, noch verstärkt<br />
durch die Tatsache, dass mein Jüngster zu der Zeit den Tag-<br />
Nacht-Rhythmus noch nicht wirklich verstanden hatte.<br />
In dieser Phase habe ich die bisher wichtigsten Methoden aus dem<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess mitgenommen. Ich habe meine Organisation von<br />
einer simplen ToDo Liste auf Wochenpläne mit tagesgenauem Plan<br />
umgestellt. Ich habe mir einen Jahres- und einen Fünfjahresplan erarbeitet<br />
wie ich mein Leben gestalten will, und ich habe mich in Methoden<br />
wie Wertschätzung, Verstehen kommunizieren, ins Risiko gehen<br />
272
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
und Gefahr laufen auch einmal anzuecken (wir nannten es pragmatisch<br />
‚schlecht dastehen’) trainiert; immer das Ziel vor Augen zu einem<br />
unentbehrlichen Mitglied des Innovationsteams zu werden. Auf diese<br />
Weise konnte ich nicht nur zwei krisenbedingte Umstrukturierungen<br />
überstehen, sondern bin zwischenzeitlich auch als High-Potential bei<br />
Cadbury identifiziert und diskutiere mit meinen Vorgesetzten die<br />
nächsten anstehenden Karriereschritte.<br />
Nach einer längeren Sommerpause ohne <strong>Coaching</strong>, steige ich gerade<br />
wieder in ein dreimonatiges <strong>Coaching</strong>-Programm mit dem Ziel ein,<br />
weiter an Effizienz zu gewinnen, um neue Herausforderungen anzugehen<br />
(globale Innovations- und Strategieprojekte) und sie erfolgreich mit<br />
dem Team umzusetzen. Ich freue mich jetzt schon auf einen intensiven<br />
Prozess mit viel Lernpotenzial und auf die intensive Arbeit mit meinem<br />
Coach. Es bewegt sich etwas in mir und ich spüre schon jetzt wie neue<br />
Energie in mir aufsteigt. Vielleicht würde ich den Weg auch alleine<br />
gehen können, aber er macht mehr Spaß mit der Unterstützung durch<br />
den Coach.<br />
Fazit: Ich habe mir vor 2007 nie die Frage gestellt ob ich wohl einen<br />
Coach brauchen würde. Aus heutiger Sicht bedaure ich das, weil mir<br />
diese Arbeit in den letzten zwei Jahren ganz neue Horizonte geöffnet<br />
hat und mich als Mensch, Vater, Ehemann und Manager ganz erheblich<br />
weitergebracht hat.<br />
Selbst ist der Mensch –<br />
Erfahrungsbericht von Carsten Spillner<br />
Mein Name ist Carsten Spillner, ich bin verheiratet und habe zwei<br />
Kinder. Ich kenne meinen Coach schon seit mehreren Jahren und wir<br />
haben ein sehr intensives, spannendes und für mich neue Horizonte<br />
eröffnendes Jahr von <strong>Coaching</strong> am Telefon hinter uns. Ich kann vorweg<br />
sagen, dass dieses Jahr in meinem Leben sehr vieles in eine Richtung<br />
gelenkt hat, die ich mir vorher gar nicht vorstellen konnte. Diese<br />
Punkte werde ich im Folgenden näher erläutern.<br />
273
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
Ich hatte meinen Coach auf einem Seminar kennen gelernt, auf dem<br />
wir beide als Teilnehmer waren. Hier haben wir in diversen Partnerübungen<br />
zusammen gearbeitet und ich habe ihn sofort für seine Intuition,<br />
sein Einfühlungsvermögen und seine Fähigkeit, Dinge auf den<br />
Punkt zu bringen, schätzen gelernt.<br />
Nach dem Seminar kamen wir ins Gespräch, in dem er mir seine<br />
berufliche Tätigkeit als TeleCoach vorgestellt hat. Ich fand das interessant,<br />
auch wenn ich zu dem Zeitpunkt weder offen für ein <strong>Coaching</strong><br />
war noch das Bedürfnis nach einem langfristigen <strong>Coaching</strong>-Projekt<br />
hatte.<br />
Ungefähr zwei Jahre später war ich an einem Punkt, bei dem ich mit<br />
praktisch allen meinen Lebensbereichen unzufrieden war. Ich war<br />
regelmäßig krank in Form von mehr oder weniger starken Grippeanfällen<br />
und mein Arzt konnte kein weiteres Mittel finden als mir Antibiotika<br />
zu geben. In meiner Arbeit war ich unzufrieden und hatte wenig<br />
Kraft. Ich fühlte mich ausgelaugt und benutzt. Meine Ehe war zu dem<br />
Zeitpunkt am Boden; ich hatte mich gerade von meiner Frau getrennt<br />
und meine eigene Wohnung bezogen. Mir war klar, dass ich kein<br />
Problem hatte, dass über einen Psychologen oder Psychiater angegangen<br />
werden musste. Ich wusste, dass ich nur einen kleinen Stoss in die<br />
richtige Richtung brauchte. Da kam mir die Idee, doch einmal jene<br />
Seminarbekanntschaft anzurufen, um einen <strong>Coaching</strong>-Termin auszumachen.<br />
Dies war dann der Anfang für unsere intensive <strong>Coaching</strong>-<br />
Beziehung über das folgende Jahr.<br />
Der Ablauf des <strong>Coaching</strong>s übers Telefon ist relativ simpel: Es wird<br />
ein Termin für ein Gespräch vereinbart, ich habe mir den Raum<br />
geschaffen an diesem Zeitpunkt körperlich und geistig voll verfügbar<br />
zu sein, um den vollen Nutzen zu haben. Ich kann sagen, dass der<br />
telefonische Rahmen für mich praktisch die einzige Möglichkeit ist,<br />
regelmäßiges <strong>Coaching</strong> zu machen.<br />
• Ich führe ein Leben – privat und beruflich – dass mich regelmäßig<br />
auf Reisen sein lässt; ich bin geschäftlich in ganz Europa<br />
unterwegs und bin privat viel in Spanien und in Hamburg. Das<br />
274
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Klienten<br />
__________________________________________________<br />
<strong>Coaching</strong> übers Telefon kann ich unabhängig vom meinem Aufenthaltsort<br />
durchführen.<br />
• Es war für mich ein großer Vorteil das <strong>Coaching</strong> in kleinen Einheiten<br />
durchzuführen. Ich fand es praktisch 3x die Woche für<br />
eine Viertelstunde zu telefonieren. Die Effektivität des <strong>Coaching</strong>s<br />
war durch diese kurzen Abstände enorm.<br />
• Immer meine Sichtweise durchsetzen wollen und andere in ihren<br />
Fähigkeiten anstatt Fehlern zu betrachten, war meine Herausforderung.<br />
Da ich beruflich in der Kommunikationsbranche tätig<br />
bin, habe ich ständig mit vielen Menschen zu tun, die ich für<br />
mich und meine Anliegen gewinnen musste. Durch das regelmäßige<br />
kurze <strong>Coaching</strong> lernte ich sozusagen learning by doing, wie ich<br />
das umsetzen kann. Rückfälle passieren mir nur noch selten.<br />
Die Ergebnisse, die ich aus der Zusammenarbeit erreicht habe, sind<br />
sehr konkret und greifbar:<br />
• Ich bin wieder in meine Frau verliebt wie zu Beginn; wir wohnen<br />
wieder zusammen und wünschen uns ein weiteres Kind.<br />
• Ich bin während des <strong>Coaching</strong>s meinen zweiten Marathon gelaufen,<br />
und habe so dafür gesorgt, dass mein körperliches Wohlsein<br />
wieder stimmt.<br />
• Ich habe im Laufe des <strong>Coaching</strong>s die Firma gewechselt und habe<br />
jetzt ein Umfeld, das meine Fähigkeiten schätzt und in dem ich<br />
mich erheblich besser einbringen und verwirklichen kann.<br />
Das Entscheidende, was ich im <strong>Coaching</strong> gelernt und auch wirklich<br />
verinnerlicht habe ist, dass ich alleine es in der Hand habe, mir mein<br />
Umfeld so zu gestalten, wie ich es möchte. Es liegt allein an mir wie<br />
meine Chefs auf mich reagieren, und ich kann beeinflussen wie sie mir<br />
zuhören. Ich alleine kann bewirken, die Frau geheiratet zu haben, die<br />
ich wirklich möchte. Es ist ganz allein an mir dieses alles zu kreieren.<br />
275
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-<br />
Erfahrungen von Auftraggebern<br />
Alles aus einer Hand – Tele<strong>Coaching</strong> als moderne<br />
Service-Dienstleistung bei der Clariant AG<br />
(Christopher Scheid)<br />
Die Clariant AGmit Sitz in Muttenz bei Basel in der Schweiz<br />
befindet sich als Global Player der Feinchemikalienbranche seit einigen<br />
Jahren in einem umfassenden Restrukturierungsprozess. Der<br />
Veränderungsdruck kommt aus der Branche selbst, von neuen<br />
Märkten, durch erodierende Margen, aufgrund von steigenden Rohstoff-<br />
und Energiekosten sowie durch steigende Kundenanforderungen.<br />
Dabei wurde die Organisation gehörig durchgeschüttelt und viele<br />
Führungskräfte und Mitarbeiter fanden sich in neuen Positionen wieder.<br />
Wo sonst die Personalarbeit ein leichtes Opfer des allgegenwärtigen<br />
Sparwillens ist, hatten bei der Clariant die Verantwortlichen weiterhin<br />
ein besonderes Auge auf die Führungskräfteentwicklung, in<br />
deren Rahmen auch <strong>Coaching</strong> eine wichtige Rolle spielen sollte. Nicht<br />
zuletzt aus pragmatischen und finanziellen Gründen war Clariant bereit<br />
dem methodischen Potenzial des Tele<strong>Coaching</strong>s eine Chance zu geben.<br />
Aus einer Reihe von erfolgreichen Pilot-Tele<strong>Coaching</strong>s in Zusammenarbeit<br />
mit der BORA International GmbH resultierte der Wunsch<br />
Tele<strong>Coaching</strong> als festen Bestandteil des Personalentwicklungsportfolios<br />
zu installieren. Dieses konzernweite <strong>Coaching</strong>-Angebot wird in diesem<br />
Abschnitt vorgestellt.<br />
Ausgangslage<br />
Clariants Engagement in der Personalentwicklung teilt sich seit 2002<br />
in zwei weitestgehend unabhängige Teile: zum einen in „Management<br />
Development“ für die ca. 500 oberen und mittleren Führungskräfte im<br />
276
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
Konzern, und zum anderen in landesbasierte Personalentwicklung für<br />
die Breite der Mitarbeiter.<br />
Management Development konzentrierte sich auf größere Programme,<br />
welche gemeinsam mit Business Schools firmenspezifisch<br />
ausgearbeitet waren. Schwerpunkt war die Fundierung von Business<br />
Skills sowie die Vernetzung der Führungskräfte untereinander. Interpersonal<br />
and Personal Skills wurden zwar auch trainiert, standen aber<br />
eher am Rande. In der landesbasierten Personalentwicklung wurden<br />
jene zwar in Programmen adressiert, jedoch ausschließlich als Gruppenmaßnahmen.<br />
Als begleitende Maßnahme im Rahmen einer größeren Restrukturierung<br />
führte Clariant 2006 zusätzlich einen Assessment basierten<br />
Talent-Management-Prozess ein, welcher bei dreihundert Führungskräften<br />
Stärken und Entwicklungsbereiche diagnostizieren half. Schon<br />
die Ergebnisse aus den ersten einhundert Assessments zeigten deutlich,<br />
dass neben Strategie und Finanzen auch Führung ein wichtiger Bereich<br />
war, in dem Kompetenzen zu verbessern waren.<br />
Traditionelle gruppenbasierte Business School Programme konnten<br />
dies nicht leisten; <strong>Coaching</strong> bot sich als viel versprechende individualisierte<br />
Methode auf der Ebene der oberen Führungskräfte an. Allerdings<br />
war <strong>Coaching</strong> bis 2007 lediglich unkoordiniert genutzt worden,<br />
um bei oberen Führungskräften konkrete Defizite im Verhaltensbereich<br />
zu adressieren. Auswahl der Coachs, der <strong>Coaching</strong>-Prozess selbst<br />
sowie die Ergebnissicherung waren bis dato erratisch, auf Einzelfälle<br />
bezogen und intransparent. Eine fehlende Positionierung von<br />
<strong>Coaching</strong> im Gesamtangebot von Management Development bewirkte<br />
zudem einen zweifelhaften Ruf der Maßnahme.<br />
<strong>Coaching</strong> sollte zum zentralen Instrument der Führungskräfteentwicklung<br />
werden. Hierzu war es notwendig von einer Fall-zu-Fall-<br />
Betrachtung abzusehen und zu einer Systematisierung und Einbindung<br />
in den Talent-Management-Prozess zu gelangen.<br />
In kurzer Zeit wurde eine <strong>Coaching</strong>-Strategie für obere Führungskräfte<br />
entwickelt und ein kleinerer, aber internationaler Pool an Coachs<br />
aufgebaut, welcher sich an einen von Clariant definierten Prozess<br />
277
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
gebunden fühlte; für eine kleine Zielgruppe machbar und effektiv.<br />
Clariant positionierte <strong>Coaching</strong> nicht mehr nur als kurzfristige Maßnahme<br />
zur problemfokussierenden Verhaltensänderung (Performance<br />
<strong>Coaching</strong>), sondern auch im Rahmen von Veränderungsprozessen<br />
sowie zur Vorbereitung auf eine neue Aufgabe als so genanntes „Firsthundred-day-<strong>Coaching</strong>“.<br />
Anforderungen<br />
Der nächste Integrationsschritt war nur über eine kritische Masse zu<br />
erreichen, welche mit dem Instrument <strong>Coaching</strong> in Kontakt kommen<br />
würde. Das klassische Executive <strong>Coaching</strong> erfordert häufige persönliche<br />
Kontakte zwischen Coach und Klient. Die Mobilität einer international<br />
ausgerichteten Klientel sowie erheblicher Reise- und damit<br />
Administrations- und Kostenaufwand für Coach und Klient, um sich<br />
zu treffen, wirkten behindernd.<br />
Tele<strong>Coaching</strong> schien diese Nachteile nicht zu haben. Zeitliche Flexibilität,<br />
Schnelligkeit einen <strong>Coaching</strong>-Kontakt zu realisieren und ein<br />
zentraler standardisierbarer Prozess von der Auftragsklärung bis hin<br />
zur Evaluation waren die Argumente sich mit dem Produkt zu<br />
beschäftigen. Dagegen standen Vorurteile, inwieweit ein Vertrauensverhältnis<br />
in einem <strong>Coaching</strong> aufgebaut werden könne, ohne sich persönlich<br />
kennen zu lernen.<br />
Clariant startete in Zusammenarbeit mit BORA International einen<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Piloten mit zehn Mitarbeitern, welche alle ein Assessment<br />
Center absolviert hatten und daraus resultierend Entwicklungsempfehlungen<br />
zu Verhaltensthemen erhalten hatten. Die Mitarbeiter<br />
stammten aus drei Kontinenten und waren alle in der Lage, einem<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozess in Englisch zu folgen.<br />
Während der Prozess für den Klienten und den Vorgesetzten so einfach<br />
wie möglich sein sollte, musste auch für Management Development<br />
eine Möglichkeit geschaffen werden sich jederzeit über den Stand<br />
der Dinge einen Überblick verschaffen zu können: Stand der einzelnen<br />
<strong>Coaching</strong>-Prozesse; verbrauchtes bzw. übriges Budget; nächste erfor-<br />
278
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
derliche Aktivitäten seitens Management Development. Mit Hilfe eines<br />
in der zweiten Hälfte des Piloten entwickelten Software-Tools<br />
„<strong>Coaching</strong>-Monitor“ wurde dies erreicht.<br />
Beschreibung des <strong>Coaching</strong> Prozesses<br />
Vorbereitend wurde eine interaktive Internet-Seite erstellt, auf der<br />
Clariant die Positionierung von <strong>Coaching</strong> darstellen konnte sowie den<br />
damit verbundenen Prozess. Für den Piloten wurden drei Coachs aus<br />
dem BORA TeleCoachNetwork ausgewählt, die sich ebenfalls auf der<br />
Internet-Seite je mit einem Profil und einer Video-Botschaft präsentieren<br />
konnten.<br />
Der idealtypische Prozess war:<br />
1. Zieldefinition und Auswahl des Coachs<br />
• Grobdefinition des Ziels: Klient und Manager einigen sich über<br />
ein <strong>Coaching</strong>-Ziel – in der Regel aus den Rückmeldegesprächen<br />
zu den Assessment Centern entstanden.<br />
• Vorauswahl des Coachs: Der Klient entscheidet sich anhand der<br />
Information auf der Internetseite für einen der drei Coachs, mit<br />
dem er Kontakt aufnehmen möchte.<br />
• Chemistry Meeting: Der Klient verabredet sich telefonisch mit<br />
dem ausgewählten Coach, schildert ihm sein Anliegen und entscheidet<br />
sich danach, ob er mit diesem Coach weiter zusammenarbeiten<br />
möchte oder einen anderen kennen lernen möchte.<br />
• Auftragsklärung: Idealerweise Dreier-Gespräch Klient-Vorgesetzter-Coach.<br />
In diesem Gespräch wird konsensuell ein realisierbares<br />
Ziel festgelegt samt Kriterien, anhand derer später der Erfolg<br />
der Maßnahme beurteilt werden kann. Das gemeinsam erarbeitete<br />
Mandat wird schriftlich fixiert und Management Development<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
279
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
2. Persönliches <strong>Coaching</strong><br />
• Tele<strong>Coaching</strong>: Dieser Teil findet ausschließlich am Telefon im<br />
vertraulichen Rahmen statt.<br />
• Persönliches Treffen: In einzelnen Fällen können Coach und<br />
Klient im Verlauf des <strong>Coaching</strong>-Prozesses ein Treffen ohne viel<br />
Aufwand realisieren.<br />
3. Evaluation<br />
• Fragebogen: Vorgesetzter und Coachee erhalten je einen offenen<br />
Fragebogen. Dieser enthält das originale Mandat und fragt detailliert<br />
nach Zielerreichungsgrad sowie nach offenen Punkten, welche<br />
weitere Entwicklung erfordern. Der Klient wird zudem nach<br />
seiner Prozesszufriedenheit befragt.<br />
• Three-Way-Talk: Die Fragebogenergebnisse dienen als Grundlage<br />
für ein Gespräch zwischen Klient, Vorgesetztem, und Management<br />
Development. Dort wird sich über erreichtes und offenes<br />
unterhalten sowie der subjektiv empfundene Erfolg der Maßnahme<br />
ermittelt. Ergebnis dieses Gesprächs ist ein weiterführender<br />
Aktionsplan.<br />
• Gesamtbewertung: Nach Abschluss mehrerer <strong>Coaching</strong>s erfolgt<br />
regelmäßig ein Qualitätstreffen, um die Zusammenarbeit mit der<br />
BORA International GmbH als externen Dienstleister sowie das<br />
Produkt weiterzuentwickeln.<br />
Erste Erfahrungen<br />
In der Zusammenschau aller Pilot-Fälle stellten sich interessante<br />
Rückmeldungen ein. Neben den Fragebogenrückläufen wurde auch ein<br />
persönliches Gespräch mit jedem Teilnehmer geführt.<br />
Die Hypothese, ein <strong>Coaching</strong> kann nur im direkten physischen<br />
Kontakt stattfinden, wurde widerlegt. Die Rückmeldungen aus den<br />
Fragebögen zu „Atmosphere of Trust“ sowie zu „Feel understood“<br />
waren erstaunlich hoch. Allerdings waren die Bewertungen der Teil-<br />
280
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
nehmer, welche im Laufe ihres <strong>Coaching</strong>s ihren Coach einmal persönlich<br />
kennen gelernt hatten tendenziell positiver. Dabei spielte es keine<br />
Rolle zu welchem Zeitpunkt im <strong>Coaching</strong>-Prozess der persönliche<br />
Kontakt stattgefunden hatte; sogar wenn er im letzten Gespräch erst<br />
stattgefunden hatte, hatte dies einen positiven Einfluss auf die Rückmeldung<br />
der Teilnehmer. Zum Teil hatten die Teilnehmer den Coach<br />
auch nach seinem Standort und der Möglichkeit ihn zu treffen ausgewählt.<br />
Interessanterweise gab es auch gegenläufige Tendenzen, wo sich<br />
Teilnehmer Coachs ausgewählt hatten, welche offensichtlich subjektiv<br />
besser zu ihnen gepasst hatten; selbst wenn diese Coachs bis zu acht<br />
Zeitzonen entfernt operierten, waren sie bereit, die zeitlichen Unannehmlichkeiten<br />
auf sich zu nehmen.<br />
Offensichtlich gibt es einen Vorteil im direkten Kontakt. Dieser ist<br />
jedoch nicht so groß, dass er Tele<strong>Coaching</strong> oder eine Mischform ausschließt.<br />
Letzteres vereint die psychologischen Vorteile des klassischen<br />
<strong>Coaching</strong>s mit den ökonomischen des Tele-Ansatzes.<br />
…Ach weißt du, ich bin<br />
richtig froh, dass mich<br />
mein TeleCoach auf der<br />
Strasse nicht erkennt. Der<br />
weiß mehr über mich als<br />
mein Mann…<br />
281
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
Hybrid-Seminare – Die wirksame Kombination von<br />
Präsenzveranstaltungen und Tele<strong>Coaching</strong> bei der<br />
Fraport AG (Lutz Siebert)<br />
Seit 2008 bietet die Fraport AG ihren Führungskräften unter der<br />
Überschrift Strategisches SelbstManagement in Zusammenarbeit mit<br />
der BORA International GmbH die Gelegenheit zur persönlichen<br />
Standortbestimmung an. Hierbei werden in wirksamer Weise kollektive<br />
Präsenzveranstaltungen mit individuellem <strong>Coaching</strong> am Telefon kombiniert.<br />
Dieser Abschnitt beschreibt exemplarisch die Vorgehensweise<br />
bei diesem Hybrid-Format.<br />
Ausgangslage<br />
Die Fraport AG gehört zu den international führenden Flughafen-<br />
Betreibern und betreibt mit dem Flughafen Frankfurt eines der bedeutendsten<br />
Luftverkehrsdrehkreuze der Welt. Fraport entwickelt den<br />
Flughafen Frankfurt gemeinsam mit Partnern zur „Frankfurt Airport<br />
City“ – einem Mobilitäts-, Erlebnis- und Immobilienstandort. Zum<br />
Dienstleistungsspektrum der Fraport AG gehören nicht nur sämtliche<br />
Dienstleistungen rund um den Flugbetrieb, Fraport ist auch kompetenter<br />
Partner für das Retailing-Geschäft und die Immobilienentwicklung.<br />
Mit dem Börsengang 2001 haben ein steigender Wettbewerbs- und<br />
Veränderungsdruck zu einer umfassenden Neuausrichtung des Unternehmens<br />
nach den Kriterien Wirtschaftlichkeit und Kundennähe<br />
geführt. Managementleistung wird nach außen transparent und ist für<br />
den Geschäftserfolg entscheidend. Vor diesem Hintergrund kommt der<br />
Führungskräfteentwicklung eine zentrale Bedeutung bei der Entwicklung<br />
von geeigneten Managementpotenzialen zu.<br />
Aus einer Vielzahl von Entwicklungsgesprächen mit Potenzialkandidaten<br />
nach dem Durchlaufen von Assessment Centern wird deutlich,<br />
282
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
dass bei vielen eine klare Orientierung im Hinblick auf die eigenen<br />
Vorstellungen über die weitere berufliche Entwicklung fehlt. Auch sehr<br />
gut ausgebildete Kandidaten möchten zwar herausforderndere Aufgaben<br />
auf einer höheren Führungsebene wahrnehmen, sind sich aber<br />
unsicher, ob sie den Mut haben und wie sie nach einer Klärung zielorientiert<br />
vorgehen können. Dabei geht es nach vorliegenden<br />
Erfahrungen immer wieder zentral um Fragen der Selbstklärung:<br />
• Was sind meine beruflichen Ziele, mittel- und langfristig?<br />
• Kann ich diese Ziele mit meinen persönlichen Rahmenbedingungen,<br />
Familie, Wohnort in Einklang bringen?<br />
• Bin ich bereit, zusätzliche Belastungen in Kauf zu nehmen?<br />
• Welche Faktoren schränken mich ein, die auch in der Außenwahrnehmung<br />
limitierend sind?<br />
• Wie kann ich mich selbst im Hinblick auf diese Punkte klären?<br />
• Wie kann ich erfolgreich an der Gestaltung meiner Zukunft<br />
arbeiten?<br />
Innerlich ungeklärte Kandidaten sind für das Unternehmen schwer<br />
berechenbar. Ganz besonders deutlich wird dies bei vorliegenden<br />
Vakanzen und Besetzungsentscheidungen, vor allem, wenn es um die<br />
Übernahme von Aufgaben im Ausland geht. In internen Bewerbungsgesprächen<br />
ist diese Unsicherheit und Unentschlossenheit immer wieder<br />
spürbar und die Frage ob die Kandidaten, trotz guter AC-Ergebnisse,<br />
eine „neue Flughöhe“ schaffen können, ist für die Besetzungsentscheider<br />
oft nicht eindeutig beantwortbar.<br />
Das Konzept Strategisches SelbstManagement®<br />
Bei der Suche nach einem geeigneten Instrument um die „schlafenden<br />
PS auf die Piste zu bringen“, hat sich Fraport für den Ansatz Strategisches<br />
SelbstManagement® entschieden. Fraport hat bewusst ein<br />
Instrument gewählt, dass neben dem Einzel<strong>Coaching</strong> auch für Grup-<br />
283
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
pen eingesetzt werden kann, weil gerade der Aspekt der Selbstpositionierung<br />
handlungsorientiert entwickelt werden soll.<br />
Unterstützung von Führungskräften bei der Selbstpositionierung<br />
durch Strategisches SelbstManagement bedeutet zunächst, alle herkömmlichen<br />
Stützen abzubauen und diese radikal auf eigene Füße zu<br />
stellen. Das geschieht durch eine Beförderung, durch die der Manager<br />
zum Unternehmer in eigener Sache wird. In der Rolle des Unternehmers<br />
erlebt er sich als Dienstleister in einer strategisches Kundenbeziehung<br />
zu seinem Arbeitgeber, in der er vor der Herausforderung steht,<br />
diesen als seinen Kunden erfolgreich zu machen. Als Unternehmer in<br />
eigener Sache reicht es nicht mehr nur exzellente Leistungen zu erzielen,<br />
sondern auch mit diesen im Unternehmenskontext positiv wahrgenommen<br />
zu werden und Vorgesetzte, interne und externe Kunden zu<br />
finden, die ihn mit seinen Leistungen kaufen und gerne mit ihm<br />
zusammenarbeiten. Nicht zuletzt muss es ihm darum gehen, durch<br />
Zusatzangebote und Zusatznutzen die bis dato erfolgreiche Kundenbeziehung<br />
zu seinem Arbeitgeber in die Zukunft hinein abzusichern<br />
und sich im Stand des Preferred Suppliers zu halten.<br />
Im Rahmen von Strategisches SelbstManagement wird der Teilnehmer<br />
daher ermuntert und angeleitet, auf dem Hintergrund des im<br />
Assessment Center erhaltenen Feedbacks das anschließende Entwicklungsgespräch<br />
mit seinem Vorgesetzten und seinem Personalbetreuer<br />
so vorzubereiten, wie ein Unternehmer einen Besuch bei seinem wichtigsten<br />
Großkunden plant.<br />
Strategisches SelbstManagement bei der Fraport AG<br />
Die Fraport AG hat sich bei der Realisierung des Personalentwicklungskonzepts<br />
Strategisches SelbstManagement für ein Format entschieden,<br />
das aus zwei Präsenzworkshops im Abstand von vier<br />
Wochen mit bis zu 15 Teilnehmern besteht. Die Wirksamkeit der<br />
Präsenzmodule wird zwischenzeitlich durch geeignete Hausaufgaben<br />
sowie zwei Stunden Tele<strong>Coaching</strong> unterstützt. Abgerundet wird das<br />
Seminar durch Entwicklungsgespräche der Teilnehmer mit ihrem<br />
jeweiligen Vorgesetzten und ggf. einem HR-Vertreter.<br />
284
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
Strategisches SelbstManagement®<br />
1. 1. Präsenzworkshop<br />
Präsenzworkshop<br />
(1<br />
(1<br />
Tag<br />
Tag<br />
–<br />
–<br />
15<br />
15<br />
TN)<br />
TN)<br />
Interaktive Präsentation<br />
Einführung ins Strategische<br />
SelbstManagement (Methode,<br />
Werkzeuge, Prozesse)<br />
Normatives SelbstMgmt.<br />
- Talkshops: Erfolg, Freiheit, Angst,<br />
Individualität<br />
- Arbeit an Vision, Mission,<br />
Biographisches Layout, Zielfindung<br />
Strategische Analyse<br />
Persönliche Performance, Image<br />
Position, Marketing Position,<br />
Benchmarking, Networking,<br />
Kundenbedürfnisse<br />
4 Wochen Wochen<br />
Hausaufgabe<br />
(basierend auf SSM Handbuch)<br />
- Vision/ Mission<br />
- Strategische Analyse<br />
- Persönlicher Business Plan<br />
Indiv. Tele<strong>Coaching</strong><br />
(2h x 15 TN)<br />
2 Stunden max. persönliches<br />
<strong>Coaching</strong> zur Unterstützung des<br />
SSM-Prozesses<br />
2. 2. Präsenzworkshop<br />
Präsenzworkshop<br />
(1<br />
(1<br />
Tag<br />
Tag<br />
–<br />
–<br />
15<br />
15<br />
TN)<br />
TN)<br />
Business Strategie<br />
Finalisierung der persönlichen<br />
Business Strategien<br />
Self-Branding<br />
Talkshop: Wie man ein<br />
persönliches Brand kreiert<br />
Sales & Marketing<br />
Talkshop: Sich selbst verkaufen<br />
Smart Networking<br />
Talkshop: Wie man belastbare<br />
Netzwerke knüpft und pflegt<br />
Outlook<br />
Smart Career Management<br />
Entwicklungsgespräch<br />
mit<br />
mit<br />
Chef/<br />
Chef/<br />
HR<br />
HR<br />
Abbildung 13: Seminarformat Strategisches SelbstManagement<br />
Nominiert werden Führungskräfte der dritten und vierten Ebene<br />
unterhalb des Vorstands, die das Potenzial-Auswahlverfahren der<br />
Fraport AG absolviert haben. Ziel des Workshops ist die Entwicklung<br />
einer persönlichen Business Strategie durch jeden Teilnehmer im Sinne<br />
eines Angebots an die Fraport AG. Handlungsleitend ist dabei die<br />
Frage: Was kann die Fraport AG künftig von Ihnen als Führungskraft<br />
erwarten? Das Entwicklungsgespräch mit Vorgesetztem und HR wird<br />
dabei umgedeutet als Kundengespräch, auf das sich der „Verkäufer“<br />
durch die Erstellung eines entsprechenden Angebots unter Berücksichtigung<br />
der vermuteten Kundenbedürfnisse vorbereitet.<br />
Der erste Workshoptag dient der Entwicklung des Managers zum<br />
Unternehmer in eigener Sache und zur Einführung in das Strategische<br />
SelbstManagement samt Tools und Methoden. Dies erfolgt mittels<br />
interaktiver Vorträge, so genannter Talk-Shops (offene Gespräche),<br />
Übungsaufgaben und Kurzpräsentationen.<br />
285
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
Die Hausaufgabe dient der Vorbereitung von Vision, Mission und<br />
Business Strategie auf Grundlage des elektronischen Handbuchs Strategisches<br />
SelbstManagement. Als sehr wirkungsvolle Unterstützung hat<br />
sich hierbei das Tele<strong>Coaching</strong> erwiesen. In zwei etwa einstündigen<br />
Telefonaten können die Teilnehmer ihre berufliche Situation reflektieren<br />
und mögliche Entwicklungsoptionen mit dem Seminarleiter, der<br />
zugleich auch ausgebildeter Business Coach ist, ausloten.<br />
Am zweiten Workshoptag haben die Teilnehmer Gelegenheit, sich<br />
gegenseitig ihre Mission Statements und Entwicklungsstrategien zu<br />
präsentieren. Die Teilnehmer machen von dieser Möglichkeit in der<br />
Regel gerne Gebrauch, da sie dabei Formen ausprobieren können, ihre<br />
beruflichen Ambitionen sichtbar zu machen. Haben sich die Teilnehmer<br />
bis dahin auf dem Handlungsfeld der Innovation bewegt, wenden<br />
sie sich im weiteren Programm zur Strategieimplementierung den Feldern<br />
Marketing und Vertrieb zu. Die Teilnehmer werden mit Verfahren<br />
zum erfolgreichen Selbst-Marketing und Networking vertraut<br />
gemacht.<br />
Resultate<br />
Insbesondere die folgenden Erfahrungen haben die Fraport<br />
Academy veranlasst, Strategisches SelbstManagement über die Pilotphase<br />
hinaus zum festen Bestandteil des Angebotsportfolios für die<br />
Führungskräfteentwicklung zu machen:<br />
• Die tendenzielle Erwartungshaltung bei vielen Führungskräften<br />
hinsichtlich einer automatischen Beförderung nach der<br />
erfolgreichen Absolvierung des Potenzial-Auswahlverfahrens<br />
konnte bei den Seminarteilnehmern vielfach in Bereitschaft zur<br />
aktiven Gestaltung der persönlichen Entwicklungsperspektiven<br />
transformiert werden.<br />
• Die klare Ergebnisorientierung des Seminarkonzepts führt die<br />
Teilnehmer über mehrere Stufen zur Entwicklung einer persönlichen<br />
Business-Strategie, mit der sie sich ihrer Ambitionen und<br />
286
V Best practice – Erfahrungen mit Tele<strong>Coaching</strong><br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Erfahrungen von Auftraggebern<br />
__________________________________________________<br />
ihres Potenzials bewusst und in die Lage versetzt werden, ihre<br />
Entwicklungsziele klar zu kommunizieren.<br />
• Könnte dieses Ziel einer umfassenden Standortbestimmung auch<br />
durch ein rein persönliches <strong>Coaching</strong> erreicht werden, so liegt der<br />
Wert des Seminar-Formats darin, dass sich die Teilnehmer in der<br />
Bemühung um Konkretisierung gegenseitig wahrnehmen und<br />
geeignete Formen ausprobieren, ihre sonst eher verborgen<br />
gehaltenen Entwicklungsziele sichtbar zu machen.<br />
• Durch die Konzeption von Strategisches SelbstManagement als<br />
Anleitung zum Selbst<strong>Coaching</strong> ist die Nachhaltigkeit des Seminaransatzes<br />
sichergestellt. Durch das Begleitbuch 97 werden die<br />
Teilnehmer in die Lage versetzt jederzeit den Prozess der<br />
Standortbestimmung bis hin zur Entwicklung ihrer Business-<br />
Strategie erneut zu vollziehen.<br />
Die Tatsache, dass Strategisches SelbstManagement nicht an<br />
bestimmte Formate gebunden ist, eröffnet auch für andere Unternehmen<br />
eine Vielzahl von Durchführungsmöglichkeiten mittels Einzelarbeit<br />
(Präsenz- und Tele<strong>Coaching</strong>) oder Präsenz- und Teleseminar sowie<br />
möglichen Kombinationen aus allen Elementen.<br />
97 Borlinghaus (2008).<br />
287
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische<br />
und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat einmal<br />
gesagt: „Wir können nicht nicht kommunizieren.“ Und Menschen<br />
kommunizieren. Das macht uns Menschen aus. Und wir Menschen<br />
kommunizieren ganzheitlich. Mit allem, was wir haben. Mit allen Sinnen,<br />
verbal, nonverbal, bewusst und unbewusst.<br />
Aber was ist dann telefonieren? Kommunizieren für Arme, oder was?<br />
Wieso kann unser Gehirn das? Telefonieren. Nur über die Stimme und<br />
das Gehör. Ganz und gar nicht ganzheitlich. Oder doch?<br />
Sind wir überhaupt imstande, unser Gegenüber rein über den Hörsinn<br />
ganzheitlich zu erfassen? Hier geht es um die biologischen und<br />
anthropologischen Grundbedingungen für das Tele<strong>Coaching</strong>.<br />
Tauchen Sie ein in die „Schaltzentrale Gehirn“ und entdecken Sie,<br />
wie uns die Evolution auf die Erfindung des Telefons vorbereitet hat.<br />
Schaltzentrale Gehirn<br />
Unsere Sinnesorgane nehmen die physikalischen Reize unserer Umgebung<br />
wahr. In unserem Gehirn werden diese Reize dann bewertet,<br />
sortiert und abgespeichert. Wie genau das passiert, ist für die Wissenschaft<br />
immer noch nicht hundertprozentig klar. Aber so langsam erlangen<br />
wir durch neueste bildgebende Techniken einen Einblick in die<br />
Schaltzentrale „Gehirn“.<br />
288
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Um zu verstehen, was Kommunikation wirklich ist, müssen verschiedene<br />
wissenschaftliche Disziplinen zusammenarbeiten. Biologie,<br />
Physik, Psychologie und Anthropologie sind nur einige dieser Bereiche.<br />
Immer wieder entsteht der Eindruck, dass wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
eher durch empirische Verfahren, das heißt durch Beobachtung,<br />
anstatt durch exakte Wissenschaft gefunden werden.<br />
Das scheint so zu sein, wie in dem Witz über die Physikprüfung im<br />
ersten Semester, bei der der Professor fragt, was denn wohl schneller<br />
sei: das Licht oder der Schall? Der erste Student antwortet wie aus der<br />
Pistole geschossen, dass natürlich der Schall schneller sei als das Licht.<br />
Unser Professor ist wegen der spontanen, allerdings falschen Antwort<br />
irritiert und fragt den Studenten, wie er denn auf diese Antwort<br />
gekommen sei. „Na, ja“, meint dieser „wenn ich zuhause unseren Fernseher<br />
einschalte, dann kommt zuerst der Ton und dann erst das Bild!“<br />
Entsetzt entschließt sich der Professor die Frage etwas zu vereinfachen<br />
und fragt den Studenten: „Wenn ich jetzt in die Hände klatsche - sehen<br />
Sie dann zuerst das Zusammenschlagen der Hände, oder hören Sie<br />
zuerst den Klatsch-Ton?“ Der Prüfling antwortet: „Ah, das ist leicht -<br />
ich sehe zuerst das Zusammenschlagen der Hände. Daher ist wohl<br />
doch das Licht schneller als der Schall.“ Erfreut fragt der Professor den<br />
Studenten, wie er denn nun auf diese richtige Antwort gekommen sei.<br />
Da antwortet dieser: „Ist doch ganz klar, die Augen sind doch viel<br />
weiter vorne am Kopf, als die Ohren …“<br />
Wir verhungern nicht in einem fremden Land<br />
Aber mal im Ernst - visuelle Reize scheinen doch für unsere Kommunikation<br />
von enormer Bedeutung zu sein. Wir können sogar ausschließlich<br />
über den visuellen Kanal miteinander kommunizieren. Stellen<br />
Sie sich einmal vor, Sie werden in einem Land ausgesetzt und haben<br />
keine Ahnung von der Sprache, die dort gesprochen wird. Und auch<br />
wenn keiner ein Wort versteht, von dem was Sie sagen, können Sie sich<br />
über Mimik und vor allem Gestik eindeutig verständlich machen und<br />
zeigen, ob Sie Hunger oder Durst haben.<br />
289
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Wenn wir in der evolutionären Entwicklungsgeschichte zurückschauen,<br />
stellen wir fest, dass die Kommunikation bei den meisten<br />
Arten visuell orientiert ist. Wölfe fletschen die Zähne, Hunde wedeln<br />
mit dem Schwanz und Pfauen schlagen ihr Rad, um dem „Gesprächspartner“<br />
zu zeigen, was gerade Sache ist.<br />
Und auch für Steinzeitmenschen hatte die Kommunikation über<br />
Sichtzeichen große Vorteile. Sich bei der Jagd auf Mammuts auf Rufe<br />
und Grunztöne zu verlassen, war sicher keine gute Idee. Aber sich auf<br />
eine größere Entfernung über eindeutige Gesten zu verständigen, das<br />
klappt, wenn man sich von hinten anschleicht, ganz gut.<br />
Beim Militär wird diese Praxis heute noch erfolgreich angewendet.<br />
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Zeit für Militärstrategen<br />
in der Steinzeit stehen geblieben ist. Aber das ist ein anderes<br />
Thema.<br />
Der Kommunikationsmodus<br />
Auf jeden Fall war die Zeichensprache in unserer Evolution zuerst<br />
da. Die Wort-Sprache kam erst viel später. Unser Gehirn schaltet also<br />
in einen Kommunikations-Modus, wenn wir unseren Gesprächspartner<br />
sehen. (Erst dann!)<br />
Was aber passiert, wenn uns jemand aus dem Nachbarzimmer etwas<br />
zuruft? Schalten wir dann nicht auch in den Kommunikations-Modus?<br />
Ich würde das eher als eine Art Antwort-Modus einsortieren. Stellen<br />
Sie sich die Situation bitte einmal vor: Im Büro ruft Ihr Kollege aus<br />
dem Nachbarbüro „Gehst Du mit in die Mittagspause?“ Darauf geben<br />
wir dann Antwort. Meistens jedenfalls. Aber ist das schon eine Kommunikation?<br />
Ja sicher, im Sinne Watzlawicks ganz bestimmt. Im Sinne<br />
einer offenen, ganzheitlichen Unterhaltung, die mit allen Sinnen<br />
geführt wird, eher nicht. Wenn sich aus dieser kurzen Frage doch ein<br />
Gespräch entwickelt, haben wir in der Regel das drängende Gefühl<br />
aufzustehen, ins Nachbarbüro zu gehen und das Gespräch dann dort<br />
(mit Blickkontakt) fortzusetzen. Daher spreche ich auch hier von verschiedenen<br />
Modi bzw. Intensitäten der Kommunikation.<br />
290
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Zum "Einschalten" des Kommunikationsmodus genügt oft ein aufforderndes<br />
Zunicken oder ein in die Augen schauen. Wichtig dabei ist,<br />
dass wir die Mimik und die Bewegung des Mundes wahrnehmen.<br />
Daran erkennen wir, der Andere will reden. Ein tiefer Blick in die<br />
Augen - ohne zu reden - hat eine andere Bedeutung. Jeder der schon<br />
mal geflirtet hat, weiß das.<br />
Wenn Sie einmal erleben wollen, wie man den Kommunikationsmodus<br />
ganz schnell und einfach einschalten kann, probieren Sie doch<br />
einmal Folgendes aus: Stellen Sie bei der nächsten Konferenz, der<br />
nächsten Besprechung oder dem nächsten Seminar eine einfache Frage<br />
in den Raum und schauen Sie daraufhin einen der Teilnehmer sehr<br />
intensiv an. Dieser wird sich daraufhin ganz sicher aufgefordert fühlen,<br />
Ihnen zu antworten.<br />
Und alle anderen wissen, dass Sie die Antwort genau von diesem<br />
Teilnehmer erwartet haben.<br />
Das Ganze können sie noch steigern: Sprechen Sie den Menschen,<br />
dem Sie intensiv in die Augen schauen, doch mal mit dem Namen<br />
eines Teilnehmers an, der fünf Plätze weiter hinten sitzt. Was glauben<br />
Sie, wer wird antworten?<br />
Die optische Aufforderung in den Kommunikationsmodus zu wechseln<br />
ist also viel stärker ausgeprägt, als die akustische Aufforderung.<br />
Selbstgespräche mit Anderen<br />
Wenn also unser visuelles Wahrnehmen den Kommunikationsmodus<br />
erst einschaltet, was passiert dann, wenn wir telefonieren? Ist Telefonieren<br />
etwa gar kein richtiges Kommunizieren?<br />
Da unser Gehirn beim Telefonieren keine Reize vom Kommunikations-Partner<br />
über den visuellen Kanal bekommt, bleibt es quasi in einer<br />
Art Selbstgesprächsmodus.<br />
Mit faszinierenden Folgen: Telefonieren ist pures Kommunizieren<br />
(nur) über Sprache und Stimme - und ohne (!) das horden- und stammestypische<br />
Gehabe, mit dem wir sonst unsere Stellung in der Sippe<br />
291
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
(Gesellschaft) behaupten. Wir müssen uns in diesem Modus nicht verstellen<br />
und so tun als ob.<br />
Die Mauern des Seins<br />
Heißt das nun, dass Kommunizieren übers Telefon rein sachlich und<br />
emotionslos stattfindet? Ganz bestimmt nicht. Und dennoch wirken<br />
hier andere Gesetze, als wenn wir unseren Gesprächspartner auch<br />
sehen und ihm gegenüberstehen (oder sitzen).<br />
Dazu muss ich etwas ausholen: Unser Selbst („Ich bin.“) ist für andere<br />
in der Regel erst einmal verborgen. In unserer Erziehung haben wir<br />
gelernt, was beziehungsweise wer wir angeblich sind. Unsere Eltern<br />
(und andere an unserer Entwicklung beteiligte Personen) haben es uns<br />
immer wieder gesagt: „Du bist ...!“<br />
Es war und ist dieser eine Satz, den wir immer und immer wieder<br />
hören: „Du bist ein liebes Kind.“ – „Du bist ein böses Kind.“. „Du<br />
bist ein ungezogenes Mädchen“ – „Du bist ein fauler Junge.“. „Du bist<br />
frech/verlogen/vorlaut/unpünktlich/unmöglich …!“<br />
Ihnen fallen sicher noch viele weitere Variationen von „Du bist …–<br />
Aussagen“ ein.<br />
Dabei sind wir gar nicht so: Was hier nämlich gemeint ist, ist nur<br />
unser Verhalten! Nicht aber unser Sein!<br />
Es müsste also heißen, „Du bist ein liebenswerter Mensch, und Dein<br />
Verhalten (!) ist jetzt gerade so oder so und damit nicht in Ordnung.“<br />
Leider wird dieses „Du bist …“ in unserem Sprachgebrauch sehr<br />
häufig falsch benutzt. Mit fatalen Folgen.<br />
Verhalten und Sein sind nicht das Gleiche!<br />
Instinktiv wissen wir das. Aber so ist das mit den Glaubenssätzen in<br />
unserem Leben. Wenn wir etwas nur früh genug und oft genug gesagt<br />
bekommen, dann nehmen wir einfach an, dass es so ist.<br />
292
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Und weil wir so nicht sein wollen, bauen wir in unserem Leben<br />
Mauern um unseren wahren Kern herum. Im tiefsten Innern schlummert<br />
dann unser wahres „Ich bin …“.<br />
Um diesen inneren Kern haben wir die Mauer „Ich befürchte, dass<br />
ich wirklich so bin.“ – „Ich will aber kein böses Kind sein.“ aufgebaut.<br />
Und damit davon auch wirklich niemand etwas mitbekommt, bauen<br />
wir die nächste Mauer (noch höher) um uns herum, die da heißt: „Um<br />
gut zu wirken, tue ich so, als ob ich so bin...“ Und so laufen wir dann durchs<br />
Leben.<br />
Abbildung 14: Die Mauern der Persönlichkeit<br />
Damit glauben wir uns gut gerüstet für das, was wir als horden- und<br />
stammestypisches Gehabe oder moderne Sozial-Rang-Spiele kennen.<br />
Nach dem Motto mein Haus, mein Boot, mein Auto, mein sozialer<br />
Status, mein Erfolg.<br />
Beispiel gefällig? „Ich bin ein großartiger, einfühlsamer und emotionaler<br />
Mensch. Aber ich fürchte, dadurch bin ich sehr verletzlich. Daher<br />
tue ich mal lieber so, als ob ich besonders cool und tough bin.“<br />
Und dieser „Ich tue so …-Modus“ wird immer genau dann eingeschaltet,<br />
wenn wir unseren „Gesprächspartner“ sehen (!). Erst der visuelle<br />
Kontakt ist der Auslöser für den „Ich-schlag-Rad“- oder „Ich-zeige-die-<br />
293
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Zähne“-Modus. Wenn kein Weibchen oder kein Feind zusieht, wäre das<br />
ja auch sonst reine Energieverschwendung.<br />
Ja, sogar im Tierreich werden eifrig „Ich-tue-so-als-ob-Mauern“ gebaut:<br />
Wenn zum Beispiel in einem Wolfsrudel ein Tier verletzt ist, wird es so<br />
lange wie möglich so tun, als ob nichts geschehen wäre. Schwäche<br />
zeigen, bedeutet gnadenloser Abstieg in der Rangordnung und kann<br />
sogar den Tod bedeuten.<br />
Wen wundert es da, dass auch wir Menschen dieses Spiel perfekt<br />
beherrschen.<br />
Und was hat das alles mit dem <strong>Coaching</strong> übers Telefon zu tun?<br />
Es ist eindeutig klar, dass erst der visuelle, optische Kontakt mit<br />
anderen Menschen der Auslöser für dieses Sozialgehabe ist. Jeder<br />
Coach oder Therapeut kennt das. Aber auch jeder Lebenspartner, jeder<br />
Vorgesetzte oder jeder Verkäufer. Erst nach einer Phase der Vertrauensbildung<br />
und des gegenseitigen Abklopfens, werden die Mauern die<br />
wir um uns herum aufgebaut haben so nach und nach kleiner. Jede<br />
erfolgreiche Persönlichkeitsarbeit kann erst dann beginnen, wenn wir<br />
mit dem wahren Kern, dem echten „Ich bin …“ kommunizieren.<br />
Wer (bzw. wann) sind wir wirklich?<br />
Mal Hand aufs Herz, lieber Leser: Schlagen Sie auch manchmal Rad<br />
oder zeigen Ihre Zähne, obwohl Sie in Wirklichkeit ganz anders sind?<br />
Bestimmt. Ich tu's auch.<br />
Jetzt, genau in diesem Augenblick, in dem Sie diese Zeilen hier lesen,<br />
sind Sie da alleine und ungestört? Und wenn ja, wie ist Ihr Verhalten?<br />
Ziehen Sie den Bauch ein und tun so, als ob Sie besonders schlank und<br />
attraktiv sind? Sitzen Sie sehr gerade, obwohl ihnen gar keiner dabei<br />
zusieht und daraus schließt, was für ein aufrechter Mensch Sie sind?<br />
Und richten Sie, jetzt, wo ich Sie persönlich anspreche, Ihre Krawatte<br />
gerade, weil Sie so ordentlicher und zuverlässiger wirken?<br />
Ich spekuliere mal: Da Sie gerade alleine und ungestört sind, ist es<br />
Ihnen völlig egal, wie Sie wirken. Es sieht (!) Sie ja keiner. Vielleicht<br />
294
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
sitzen Sie sogar auf dem Klo und lesen unser Buch. Entspannen Sie<br />
sich. Es ist mir egal. Ich sehe (!) es ja nicht.<br />
Genau das ist es! Ohne den visuellen Kanal können wir viel eher so<br />
sein, wie wir wirklich sind. Und da beim Telefonieren der visuelle<br />
Kanal ausgeschaltet bleibt, sagt uns unser Unterbewusstsein: „Entspann<br />
Dich, Du kannst so sein, wie Du wirklich bist.“<br />
Am Telefon sind also unsere Persönlichkeits-Mauern viel niedriger,<br />
als bei jedem Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Oft sind diese<br />
Mauern gar nicht mehr erkennbar und wir kommen als Coach über das<br />
Telefon sehr viel schneller zum Kern des Menschen.<br />
Zum wahren Sein und zum „Ich bin wirklich ...“.<br />
Aber fehlt da nicht was?<br />
Angeblich findet unsere Kommunikation zu ca. 90 Prozent nonverbal<br />
statt. Manche Quellen gehen sogar von einer noch viel höheren<br />
Quote aus! Das bedeutet also, dass nur höchstens zehn Prozent der<br />
Kommunikation über den Audio-Kanal, das Hören, stattfinden. Heißt<br />
das nun etwa, dass mindestens 90 Prozent der Information verloren<br />
gehen? Dass die Qualität des Gespräches über das Telefon schlechter<br />
ist, als wenn wir uns dabei in die Augen sehen?<br />
Ganz sicher nicht. Unser Gehirn ist überaus effizient und effektiv!<br />
Es findet immer ein Ausgleich statt. Die freien Kapazitäten, die durch<br />
das Fehlen von nonverbalen Kanälen entstehen, liegen nicht etwa<br />
brach, sondern werden umgehend dem Audio-Kanal zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Das heißt, wir sind ohne den visuellen Kanal auf unserem auditiven<br />
Kanal viel sensitiver. Wir hören Dinge, die wir sonst nicht hören, bzw.<br />
wahrnehmen.<br />
Der Filter in unserem Ohr wird durchlässiger. Wir nehmen plötzlich<br />
die kleinste Pause, das kleinste Zögern wahr. Jedes "Hmhm" und jedes<br />
Räuspern gewinnt an Bedeutung. Unsere ganze Aufmerksamkeit richtet<br />
295
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
sich nun auf das Hören. Das alles geschieht vollkommen automatisch,<br />
wenn wir telefonieren.<br />
Was ist ihre Lieblingsmusik? Wenn Sie Ihre Kopfhörer aufsetzen,<br />
wollen sie den Klang noch intensiver hören. Und manchmal, bei den<br />
besonders leisen Stellen, schließen Sie schon mal die Augen, um die<br />
Musik intensiver zu genießen.<br />
Erforschen sie selbst: Bitte hören Sie mal Musik mit offenen Augen.<br />
Wie intensiv hören Sie die Musik? Wie intensiv sind andere Sinne oder<br />
Ihr Körper beteiligt? Wie gefällt Ihnen dies Erlebnis? Nun schließen<br />
Sie bitte die Augen. Was verändert sich? Wie hören Sie jetzt? Was entdecken<br />
Sie?<br />
Wenn sie einmal besonders eindrucksvoll erleben wollen, was passiert,<br />
wenn unser Sehsinn Pause hat, dann besuchen Sie einmal die<br />
„unsicht-Bar ® “ in Berlin, das größte Dunkelrestaurant weltweit. Beeindruckend.<br />
Wie viele Sinne hat der Mensch?<br />
Haben wir fünf Sinne? Und was ist mit dem viel zitierten sechsten<br />
oder gar siebten Sinn? Oder haben wir sogar zwölf Sinne wie es der<br />
Anthroposoph Rudolf Steiner einst postulierte? 98<br />
Wie dem auch sei, wenn Menschen einen Sinneskanal verlieren, oder<br />
wenn ein Sinn von Geburt an fehlt, dann entwickelt sich häufig ein<br />
anderer Kanal sehr viel stärker und wird den Mangel mehr als ausgleichen.<br />
98 Die zwölf Sinne nach Rudolf Steiner sind: 1. Ich-Sinn (Individualität: wichtig für<br />
Beziehung.), 2. Gedanken-Sinn (Intuition - erfasst z. B. Zusammenhang zwischen<br />
Ursache und Wirkung), 3. Worte- oder Sprach-Sinn (der Sinn für die Sprache an<br />
sich) – Diese ersten drei Sinne haben nur höhere Lebewesen wie z. B. der Mensch,<br />
4. Hör-Sinn, 5. Seh-Sinn, 6. Geschmacks-Sinn, 7. Geruchs-Sinn, 8. Tast-Sinn-Sinn –<br />
4. bis 8. sind die klassischen fünf Sinne, 9. Wärme-Sinn (Bewusstsein für warm und<br />
kalt, 10. Gleichgewichts-Sinn (Gefühl für rechts & links, oben & unten, vorne &<br />
hinten), 11. Bewegungs-Sinn (Bedürfnis nach Bewegung), 12. Lebens-Sinn (sich<br />
wohl- oder unwohl fühlen, müde o. ausgeruht, gesund o. krank, hungrig o. satt),<br />
vgl. Steiner (1963).<br />
296
V Exkurse<br />
Was war zuerst: Bild oder Ton? – Biologische und anthropologische Aspekte des<br />
Tele<strong>Coaching</strong>s (Thomas Göller)<br />
__________________________________________________<br />
Genau das geschieht auch kurzfristig, wenn wir telefonieren und<br />
dabei auf die optischen Eindrücke von unserem Gesprächspartner<br />
verzichten (müssen).<br />
Was war denn nun zuerst: Bild oder Ton?<br />
Kommen wir zurück zu der Frage, mit der wir begonnen haben:<br />
Das Bild war also eindeutig zuerst da. Erst im Laufe der Zeit kam der<br />
Ton dazu. Unser Gehirn hat also in Jahrmillionen gelernt, die Bilder<br />
von Menschen zu interpretieren. Ihre Mimik, ihre Gestik und ihre<br />
Körperhaltung.<br />
Doch mit der Erfindung des Telefons hat sich unser Gehirn auf eine<br />
neue Art der Kommunikation eingestellt, die nur über Sprache und<br />
Geräusche übertragen wird. Und wie wir gesehen haben, ergeben sich<br />
daraus (mindestens) zwei entscheidende Vorteile: Die Kommunikation<br />
ist einerseits intensiver und andererseits vorurteilsloser und direkter.<br />
Wann greifen Sie zum Telefon und erleben <strong>Coaching</strong> <strong>2.0</strong>?<br />
297
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit –<br />
Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
Im Abschnitt I wurden aktuelle <strong>Coaching</strong>-Trends vorgestellt, von<br />
denen diese drei zu Beginn dieses Kapitels in Erinnerung gerufen werden<br />
sollen: 99<br />
„In einer globalisierten Arbeitswelt werden international operierende<br />
Netzwerke einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.“<br />
„Management und Administration von <strong>Coaching</strong>-Dienstleistungen<br />
werden künftig verstärkt an externe, international operierende<br />
Dienstleister übertragen.“<br />
„Das Telefon wird in einer flexibilisierten und dezentralisierten<br />
Arbeitswelt zum Hauptarbeitsinstrument im <strong>Coaching</strong>.“<br />
Im Weiteren wird mit dem BORA TeleCoachNetwork ein<br />
Geschäftsmodell vorgestellt, das diesen Anforderungen in besonderer<br />
Weise gerecht wird. Dabei ist nicht die Netzwerkbildung an sich innovativ,<br />
sondern der Art und Weise des Zusammenwirkens von starken<br />
Individualitäten innerhalb einer intelligenten Netzwerkstruktur. Die so<br />
entstehende Identität in der Vielfalt ermöglicht einen kraftvollen<br />
Marktauftritt sowie die professionelle Umsetzung von verschiedensten<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Formaten für unterschiedliche Zielgruppen im nationalen<br />
und internationalen Kontext. Das BORA TeleCoachNetwork kann<br />
derzeit <strong>Coaching</strong>-Mandate in den Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch,<br />
Italienisch, Spanisch, Niederländisch und Polnisch übernehmen.<br />
Die BORA TeleCoachs sind aktuell in der Schweiz, in Deutschland,<br />
Frankreich, Niederlande, USA und Südafrika ansässig. Kundenaufträge,<br />
die über die derzeitigen Netzwerkkompetenzen hinausgehen, sind<br />
immer wieder Anlass, entsprechende Kandidaten zur Mitarbeit im<br />
BORA TeleCoachNetwork einzuladen.<br />
99 Vgl. <strong>Coaching</strong> – Zukunftstrends, S. 17 ff.<br />
298
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
Das BORA Geschäftsmodell<br />
Das BORA TeleCoachNetwork ist als ein Geschäftsbereich der<br />
BORA International GmbH ein internationaler Zusammenschluss von<br />
Coachs unter der Dachmarke BORA verbunden durch ihre Bereitschaft<br />
und Fähigkeit, innerhalb des Netzwerks hauptsächlich am Telefon<br />
zu arbeiten. Das BORA TeleCoachNetwork stellt eine Aktionsplattform<br />
dar, auf der die selbständigen Netzwerkmitglieder die Art<br />
und den Grad ihres Engagements selbst frei bestimmen. Die Mitglieder<br />
können sich gleichzeitig in drei Aktionsbereichen engagieren, nämlich<br />
in der Auftragsabwicklung als TeleCoachs, in der der Kundengewinnung<br />
und –Betreuung als Account-Manager sowie bei der Geschäftsentwicklung<br />
als Produktmanager. Die Koordination dieser Aktionsbereiche<br />
erfolgt durch das Netzwerkmanagement. Jede der genannten<br />
Rollen partizipiert nach Maßgabe ihres Beitrags an den realisierten<br />
Geschäftsumsätzen.<br />
Diese Form der Kooperation erlaubt es jedem Mitglied, seine besonderen<br />
Fähigkeiten so in das Netzwerk einzubringen, dass sie dort eine<br />
größere ökonomische Wirksamkeit entfalten als bei einer rein auf sich<br />
allein gestellten Tätigkeit. Weil dabei die Selbständigkeit vollumfänglich<br />
erhalten bleibt, wird diese Form der Kooperation als synergetisches Unternehmertum<br />
bezeichnet.<br />
Die Mitgliedschaft im BORA TeleCoachNetwork ist kostenfrei,<br />
Aufnahmegebühren oder laufende Mitgliedsbeiträge werden nicht<br />
erhoben. Die Finanzierung des Netzwerkmanagements erfolgt über die<br />
laufenden Geschäftsumsätze.<br />
Die Rolle des TeleCoachs<br />
Als TeleCoach übernimmt das Netzwerkmitglied einzelne <strong>Coaching</strong>-<br />
Mandate. Er wird aufgrund seiner besonderen Qualifikationen und<br />
Arbeitsschwerpunkte durch den Account-Manager eingeladen in Kundenprojekten<br />
mitzuwirken. Der TeleCoach ist frei, diese Einladung<br />
anzunehmen oder abzulehnen. Trotz standardisierter <strong>Coaching</strong>-For-<br />
299
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
mate und –Produkte gibt es keinen einheitlichen BORA <strong>Coaching</strong>-<br />
Ansatz. Der TeleCoach tritt als Individualität auf, die mit ihren persönlichen<br />
Mitteln und Möglichkeiten <strong>Coaching</strong>-Aufträge bearbeitet. Die<br />
methodische Vielfalt ist ausdrücklich gewollt. Was allein zählt, ist das<br />
Ergebnis, das nach dem Abschluss eines Mandates nach einheitlichen<br />
Kriterien evaluiert wird.<br />
Das Netzwerk-Management stellt sicher, dass für die akquirierten<br />
Kundenprojekte eine hinreichende Anzahl von TeleCoachs mit den<br />
erforderlichen Qualifikationen bereitsteht. Die Rekrutierung von Tele-<br />
Coachs erfolgt unter nachstehenden Gesichtspunkten:<br />
• Eine in Hinblick auf die <strong>Coaching</strong>-Schwerpunkte und Zielgruppen<br />
adäquate Berufserfahrung als Linienverantwortlicher und<br />
Coach nachgewiesen durch entsprechende Referenzen.<br />
• Eine adäquate Aus- und Weiterbildung sowie entsprechende<br />
Qualifikationen und methodisches Wissen nachgewiesen durch<br />
entsprechende Zertifikate.<br />
• Eine klare Profilierung als Coach, die standardisiert mittels<br />
Bewerbungsformular abgefragt wird und sowohl die Philosophie<br />
als auch die konkrete Herangehensweise erläutert.<br />
Der TeleCoach ist verpflichtet an den vierteljährlichen telefonischen<br />
Netzwerkkonferenzen sowie an den intern angebotenen Fortbildungsmaßnahmen<br />
teilzunehmen.<br />
Die Rolle des Account Managers<br />
In der Rolle des Account Managers begeistert das Netzwerkmitglied<br />
potenzielle Kundenunternehmen von der Zusammenarbeit mit dem<br />
BORA TeleCoachNetwork. Hierbei bringt es entweder bestehende<br />
Kundenbeziehungen in das Netzwerk ein oder es akquiriert unter der<br />
Dachmarke BORA neue Kunden am Markt. Auf dem Hintergrund des<br />
gesamten Netzwerkpotenzials kann das Netzwerkmitglied, das bei<br />
eigenen Kunden bisher nur Aufträge im Rahmen des persönlichen<br />
Fähigkeitspotenzials akquirieren konnte, seiner persönlichen Akquisiti-<br />
300
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
onstätigkeit eine starke zusätzliche Hebelwirkung verschaffen. In der<br />
Rolle des Account Managers kann das Netzwerkmitglied jetzt glaubwürdig<br />
im großen Stil Aufträge einwerben, die bisher außerhalb seiner<br />
persönlichen Reichweite lagen. An diesen Aufträgen partizipiert das<br />
Netzwerkmitglied auch dann mit einem bestimmten Umsatzanteil,<br />
selbst wenn es an der Auftragsabwicklung als TeleCoach nicht unmittelbar<br />
beteiligt sein sollte.<br />
Über die Akquisition hinaus ist der Account Manager auch für die<br />
Kundenbetreuung zuständig. Er steht in direktem Kontakt mit dem<br />
Kunden und wickelt – in Abstimmung mit dem Netzwerkmanagement<br />
– die Kundenprojekte ab. Der Account Manager ist somit, modern<br />
gesprochen, das One-face-to-the-customer und bleibt damit Herr und<br />
Gestalter dieser Kundenbeziehung.<br />
In der Rolle des Account Managers trägt das Netzwerkmitglied<br />
wesentlich zur Geschäftsentwicklung des BORA TeleCoachNetwork<br />
bei, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Denn je nach seinen<br />
persönlichen Präferenzen und seinem individuellen Marktzugang wird<br />
das Netzwerkmitglied diese oder jene Kunden auf zunächst solche<br />
Produkte ansprechen, bei denen es sich selbst unmittelbar in die<br />
Umsetzung als TeleCoach einbringen kann. Dann hat es als Verkäufer<br />
nicht nur die höchste Glaubwürdigkeit, sondern als Account Manager<br />
und TeleCoach auch einen größeren Umsatzanteil an den realisierten<br />
Projekten.<br />
Die Rolle des Produkt Managers<br />
Jedes Netzwerkmitglied ist eingeladen, seine Kompetenzen nicht nur<br />
als TeleCoach in konkrete Kundenprojekte einzubringen, sondern aus<br />
seinem Kompetenzportfolio neue Netzwerk-Produkte zu kreieren, die<br />
den Kunden des BORA TeleCoachNetwork angeboten werden können.<br />
Zu der Aufgabe des Produktmanagers gehören sowohl die<br />
Erstellung von entsprechenden Verkaufsunterlagen, mittels derer<br />
Kunden von der Anwendung des neuen Produkts überzeugt werden<br />
können, als auch die Produktdokumentation, mittels derer die Netzwerk-Coachs<br />
zur Lieferung des Tele<strong>Coaching</strong>-Produkts befähigt wer-<br />
301
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
den. Gegebenenfalls führt der Produktmanager auch selbst entsprechende<br />
Trainings durch. Je nach Komplexität des Produkts partizipiert<br />
der Produktmanager ebenfalls mit einem bestimmten Anteil an den mit<br />
seinem Produkt erzielten Umsätzen.<br />
Das Netzwerkmanagement<br />
Das Netzwerkmanagement schließlich bietet den Rahmen, innerhalb<br />
derer die beschriebenen Netzwerkfunktionen synergetisch agieren<br />
können. Damit sind insbesondere folgende Aufgaben verbunden:<br />
• Pflege und Entwicklung des Markenauftritts.<br />
• Definition und Umsetzung der Netzwerkstrategie unter<br />
Einbeziehung der Account Manager.<br />
• Rekrutierung von neuen Netzwerkmitgliedern.<br />
• Bereitstellung der IT-Infrastruktur.<br />
• Steuerung und Administration aller Geschäftsprozesse.<br />
• Definition und Sicherstellung der Einhaltung aller Qualitätsstandards.<br />
Nicht zuletzt wird durch das Netzwerkmanagement die Zusammenarbeit<br />
aller Netzwerkfunktionen koordiniert. Hierzu gehören die<br />
Durchführung von regelmäßigen Telefonkonferenzen zum Informationsaustausch<br />
zwischen den Mitgliedern sowie die Koordination von<br />
sonstigen Netzwerkaktivitäten wie interne Supervisionen, Trainings,<br />
Messeauftritte oder auch die Projekte wie die gemeinschaftliche Produktion<br />
des vorliegenden Buchs.<br />
BORA Tele<strong>Coaching</strong>-Formate<br />
Die folgende Übersicht gibt einen Eindruck von den aktuellen<br />
<strong>Coaching</strong>-Formaten, die derzeit durch das BORA TeleCoachNetwork<br />
realisiert werden:<br />
302
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
• BORA Tele<strong>Coaching</strong>: Telefonisches <strong>Coaching</strong> für alle gängigen<br />
Indikationen für Fach- und Führungskräfte.<br />
• BORA START Programm: Telefonisches Einarbeitungsprogramm<br />
für Fach- und Führungskräfte in neuen Funktionen.<br />
• BORA Expat<strong>Coaching</strong>: Telefonische Begleitung von Fach- und<br />
Führungskräften bei Auslandsentsendungen.<br />
• BORA Strategie<strong>Coaching</strong>: Telefonisches Business<strong>Coaching</strong> für<br />
Führungskräfte auf Basis Strategisches SelbstManagement®.<br />
• BORA Transfer<strong>Coaching</strong>: Telefonische Unterstützung von<br />
Kleingruppen beim Praxistransfer von Erfolgswissen in den<br />
Arbeitsalltag.<br />
• BORA Sales<strong>Coaching</strong>: Telefonische Vertriebsunterstützung für<br />
Vertriebsmitarbeiter in Kleingruppen.<br />
• BORA HR Fach<strong>Coaching</strong>: Telefonisches Praxisforum für HR<br />
Fach- und Führungskräfte in Kleingruppen.<br />
• BORA Team<strong>Coaching</strong>: <strong>Coaching</strong> von Organisationen und<br />
Teams auf Basis von Appreciative Inquiry (wertschätzende Erkundung).<br />
Qualitätssicherung<br />
Der Erfolg des BORA TeleCoachNetwork als reines People Business<br />
steht und fällt mit der Qualifikation der Mitwirkenden und der in der<br />
Tele<strong>Coaching</strong>-Praxis erzielten Qualität.<br />
Daher wird bereits beim Rekrutierungsprozess auf eine entsprechende<br />
Passung der Kandidaten geachtet. Neben aussagekräftigen<br />
Bewerbungsunterlagen und ausführlichen Interviews werden Referenzen<br />
von Klienten und Auftraggebern gründlich geprüft.<br />
Darüber hinaus wird mittels eines standardisierten Reportings durch<br />
Klient und Coach während und am Ende eines jeden <strong>Coaching</strong>-Man-<br />
303
V Exkurse<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit – Das BORA TeleCoachNetwork<br />
(Ralf Borlinghaus)<br />
__________________________________________________<br />
dats an das Netzwerkmanagment und den Auftraggeber sichergestellt,<br />
dass bei etwaigen Problemen sofort und wirksam interveniert werden<br />
kann.<br />
Durch regelmäßige Telefonkonferenzen und jährliche Netzwerktreffen<br />
werden ein intensiver Erfahrungsaustausch und eine wechselseitige<br />
Supervision der TeleCoachs sichergestellt. Nicht zuletzt ist die vorliegende<br />
Publikation, die sich aus den praktischen Erfahrungen der<br />
Netzwerkarbeit speist, Ausdruck einer qualitätsorientierten Haltung, in<br />
der das eigene Tun ständig begründet, hinterfragt und weiterentwickelt<br />
wird.<br />
BORA Academy<br />
Wem es wie uns ein Anliegen ist, dem Telefon als zentralem<br />
<strong>Coaching</strong>-Instrument für Einzelne und Gruppen zum Durchbruch zu<br />
verhelfen, der ist aufgefordert, das eigene Wissen und die gesammelte<br />
Erfahrung einer interessierten Öffentlichkeit verfügbar zu machen.<br />
Dies ist in einem ersten Schritt mit dieser Buchveröffentlichung<br />
geschehen. Dabei bleibt es nicht. Mit einem differenzierten Online-<br />
Schulungsangebot rund um das Thema Tele<strong>Coaching</strong> geben wir<br />
Coach-Kollegen und Unternehmen die Chance, von unserem Knowhow<br />
rund um das Thema Tele<strong>Coaching</strong> zu profitieren und sich die<br />
Welt des Telefons als <strong>Coaching</strong>-Instrument zu erschließen.<br />
Informieren Sie sich über aktuelle Schulungen und Veranstaltungen<br />
unter www.bora-consulting.com.<br />
Mitglied im BORA TeleCoachNetwork werden<br />
Wenn Sie als Coach an einer Mitarbeit im BORA TeleCoachNetwork<br />
interessiert sind, sprechen Sie uns an. Die Ansprechpartner finden Sie<br />
im Autorenverzeichnis.<br />
304
Anhang<br />
Literatur<br />
__________________________________________________<br />
Anhang<br />
Literatur<br />
Borlinghaus, Ralf: Strategisches SelbstManagement. Berufliche Herausforderungen erfolgreich<br />
meistern. Eine Anleitung zum Selbst-<strong>Coaching</strong>, BORA TEXT (www.daserfolgsbuch.com),<br />
Kreuzlingen (Schweiz), 2008.<br />
Berendt, Joachim Ernst: Nada Brahma. Die Welt ist Klang, Insel, Frankfurt a.M., 1983.<br />
Grinder, John/ Bandler, Richard: Therapy in Trance, Stuttgart 1984, zitiert nach Moll<br />
(2006).<br />
Baur, Angelika: Weiterbildung Organisationsaufstellung, Teilnehmerunterlagen,<br />
unveröffentlicht, 2009.<br />
Besser-Siegmund, Cora/ Siegmund, Harry: Erfolge bewegen. Coach limbic, Junfermann,<br />
Paderborn, 2003.<br />
Besser-Siegmund, Cora/ Siegmund, Harry: EMDR im <strong>Coaching</strong> – wie der Flügelschlag eines<br />
Schmetterlings, Junfermann, Paderborn, 2001.<br />
Blume-Matzke, Helga: Was passiert beim wingwave-<strong>Coaching</strong>? Ein neues und verblüffend<br />
effizientes Verfahren zum Stressabbau und zur Stabilisierung der Persönlichkeit,<br />
www.wingwave.com, 2009.<br />
Coelho, Paul: Brida, Haper, London, 2009.<br />
Gallo, Fred P.: Energy Psycholgy – Energetische Psychotherapie. Ein Einführungsworkshop mit<br />
Fred Gallo, DVNLP, Future Tools III, Joachimsthal, 2006.<br />
Gallo, Fred, P.: EDxTM TM Trainingsmanual Levels I – IV, inklusive ausgewählter Protokolle,<br />
deutsche Ausgabe: IAK Institut für Angewandte Kinesiologie GmbH, 2.<br />
erweiterte Auflage, Kirchzarten, 2006.<br />
Gallo, Fred, P./ Vicenzi, Harry: Gelöst – entlastet – befreit. Klopfakupressur bei emotionalem<br />
Stress, 5. Auflage, VAK Verlags GmbH, Kirchzarten, 2007.<br />
Gray, John: Männer sind anders. Frauen auch, Sonderausgabe 2002, 1. Auflage, Goldmann,<br />
München, 2002.<br />
Hausmann, Markus/ Bayer, Ulrike: Hormonelle Harmonie, in: Gehirn und Geist, Heft Nr.<br />
9, p. 60 – 65, 2009.<br />
IFAPP (Institut für angewandte positive Pychologie), Teilnehmerunterlagen zum NLP<br />
Master Kurs 08M10, unveröffentlicht, 2008.<br />
Kaweh, Babak: Das <strong>Coaching</strong>-Handbuch für Ausbildung und Praxis, 2. unveränderte<br />
Auflage, VAK Verlags GmbH, Kirchzarten, 2008.<br />
305
Anhang<br />
Literatur<br />
__________________________________________________<br />
Klein, Hans-Michael/ Kresse, Albrecht: Psychologie – Vorsprung im Job. Die Gesetzte der<br />
Psychologie verstehen und anwenden. Menschen psychologisch beeinflussen. Sich vor<br />
Manipulationstechniken schützen, Cornelsen, Berlin, 2006.<br />
Krämer, Gesa/ Quappe, Stephanie: Interkulturelle Kommunikation mit NLP, uni-edition,<br />
Berlin, 2006.<br />
Krummbier, Dagmar: Sie sagt, er sagt, Kommunikationspsychologie für Partnerschaft, Familie<br />
und Beruf, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 2006.<br />
Lipke, Howard: EMDT & andere Ansätze der Psychotherapie – ein integratives Modell,<br />
Junfermann, Paderborn, 2001.<br />
Migge, Björn: Handbuch <strong>Coaching</strong> und Beratung. Wirkungsvolle Modelle, kommentierte<br />
Falldarstellungen, zahlreiche Übungen, 2. überarbeitete Auflage, Beltz, Weinheim, 2007.<br />
Moll, Alexandra: Der große Zauberlehrling, Teil 2, Junfermann, Paderborn, 2006.<br />
O' Connor, Joseph/ Seymour, John: Neurolinguistisches Programmieren: Gelungene<br />
Kommunikation und persönliche Entfaltung, 18. Auflage, VAK Verlag für angewandte<br />
Kinesiologie, Kirchzarten, 2009.<br />
Pease, Allan/ Pease Barbara: Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken,<br />
1. ungekürzte Sonderauflage (englische Originalausgabe 1998), Ullstein, Berlin,<br />
2007.<br />
Rauen, Christopher (Hrsg.): Handbuch <strong>Coaching</strong>, 3. überarb. und erw. Aufl., Hogrefe,<br />
Göttingen-Bern-Wien [u.a.], 2005.<br />
Schröder, Jörg Peter: Der Omega-Faulpelz, Die Weniger-ist-mehr-Erfolgststrategie, GABAL<br />
Verlag GmbH, Offenbach, 2006<br />
Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden 1, Störungen und Erklärungen,<br />
Allgemeine Psychologie der Kommunikation, Reinbek bei Hamburg, 1981,<br />
Sonderausgabe 2006.<br />
Schulz von Thun, Friedmann: Miteinander Reden 3, Das „Innere Team“ und situationsgerechte<br />
Kommunikation. Kommunikation, Person, Situation, Reinbek bei Hamburg, 1981,<br />
Sonderausgabe Nov. 2006.<br />
Steiner, Rudolf: Die zwölf Sinne des Menschen, Vortrag vom 20. Juni 1916, in:<br />
Weltwesenheit und Ichheit, Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Band 169, Rudolf<br />
Steiner Verlag, Dornach, 1963.<br />
Simmerl, Claudia: Wingwave-<strong>Coaching</strong> gegen Trennungsschmerz am Telefon, in: Besser-<br />
Siegmund, Cora/ Siegmund, Harry (Hrsg.): Erfolge zum Wundern. wingwave in<br />
Aktion. Fünfzig und eine <strong>Coaching</strong>geschichte, Junfermann, Paderborn, 2009.<br />
Vester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen, dtv Sachbuch, Neuauflage 1998, München,<br />
1975.<br />
Watzlawik, Paul/ Beavin, Janet H./ Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation -<br />
Formen, Störungen, Paradoxien, Huber, Bern, 1969.<br />
306
Anhang<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
__________________________________________________<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Beispielrechnung Tele<strong>Coaching</strong> vs. Präsenz<strong>Coaching</strong><br />
(Quelle: Ralf Borlinghaus) ................................................................................................ 64<br />
Abbildung 2: Telefone von low-tech bis high-tech<br />
(Quelle: Thomas Göller/ Fotolia.de) ............................................................................. 75<br />
Abbildung 3: Das gute alte Telefon<br />
(Quelle: Thomas Göller/ Fotolia.de) ............................................................................. 75<br />
Abbildung 4: Duo-Headset<br />
(Quelle: (Thomas Göller/ Fotolia.de)............................................................................ 82<br />
Abbildung 5: <strong>Coaching</strong>-Monitor<br />
(Quelle: Ralf Borlinghaus) .............................................................................................. 104<br />
Abbildung 6: Feedback-Formular<br />
(Quelle: Ralf Borlinghaus) .............................................................................................. 106<br />
Abbildung 7: Augenzugangshinweise<br />
(Quelle: Maren Kaiser) .................................................................................................... 201<br />
Abbildung 8: wingwave-<strong>Coaching</strong><br />
(Quelle: www.wingwave.com)........................................................................................ 218<br />
Abbildung 9: Kinesiologischer Muskeltest<br />
(Quelle: Maren Kaiser) .................................................................................................... 219<br />
Abbildung 10: Beispiel (1) Aufstellungsarbeit mit Softwareunterstützung<br />
(Quelle: Maren Kaiser/ www.lpscocoon.de) .............................................................. 241<br />
Abbildung 11: Beispiel (2) Aufstellungsarbeit mit Softwareunterstützung<br />
(Quelle: Maren Kaiser/ www.lpscocoon.de) .............................................................. 242<br />
Abbildung 12: Ergebnisse Pilotstudie Tele<strong>Coaching</strong><br />
(Quelle: Ralf Borlinghaus) .............................................................................................. 261<br />
Abbildung 13: Seminarformat Strategisches SelbstManagement<br />
Quelle: BORA International .......................................................................................... 285<br />
Abbildung 14: Die Mauern der Persönlichkeit<br />
(Quelle: Thomas Göller:)................................................................................................ 293<br />
Umschlaggestaltung und Karikaturen: Ralf Borlinghaus<br />
307
Anhang<br />
Liste der Gastautoren und Interviewpartner<br />
__________________________________________________<br />
Liste der Gastautoren und Interviewpartner<br />
Iris Amrita Dick – Interview zu Aufstellungen am Telefon,<br />
Hainstraße 5, 95336 Mainleus – Veitlahm, Tel.: +49-9229 974 369,<br />
info@iris-dick-coach.de, www.iris-dick-coach.de.<br />
Ulrich Haist – Textbeitrag: Mein TeleCoach als zuverlässiger Begleiter – Erfahrungsbericht,<br />
Innovation Platform Leader, Cadbury Europe, 3. Av des Uttins, CH-1180 Rolle,<br />
Schweiz, +41-79 788 8468, ulrich.haist@cadbury.com.<br />
Oliver Hauff – Textbeitrag: Unsichtbare Unterstützung bei der Unternehmensentwicklung –<br />
Erfahrungsbericht, Geschäftsführer, Hauff DruckArt GmbH, Viktor-Frankl-Straße 5,<br />
D-86916 Kaufering, +49-8191 9473 100, info@hauff-medien.de,<br />
www.hauff-medien.de.<br />
Robert Geier – Interview zu Hypnose und Trance am Telefon,<br />
Postfach 1353, D-65782 Hattersheim, Tel.: +49 -6190-888 335,<br />
office@seminare-coaching-hypnose.de, www.seminare-coaching-hypnose.de.<br />
Christopher Scheid – Textbeitrag: Alles aus einer Hand – Tele<strong>Coaching</strong> als moderne Service-<br />
Dienstleistung bei der Clariant International Ltd, Leiter Führungskräfteentwicklung,<br />
Clariant, International Ltd, Rothausstraße 41, CH-4132 Muttenz,<br />
Tel.:+41-61-469 7583, christopher.scheid@clariant.com, www.clariant.com.<br />
Lutz Siebert – Textbeitrag: Hybrid-Seminare – Die wirksame Kombination von<br />
Präsenzveranstaltungen und Tele<strong>Coaching</strong> bei der Fraport AG,<br />
Leiter Führungskräfte- und Organisationsentwicklung, Fraport AG,<br />
PSL-PF, D-60547 Frankfurt am Main, Tel: +49-69-690 66415, l.siebert@fraport.de,<br />
www.fraport.de.<br />
Harry Siegmund – Interview zu wingwave-<strong>Coaching</strong> am Telefon, Besser-Siegmund-<br />
Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, Mönckebergstr. 11,<br />
D-20095 Hamburg, Tel.: +49-40-3200 4936, info@besser-siegmund.de,<br />
www.besser-siegmund.de.<br />
Claudia Simmerl –Interview zu wingwave-<strong>Coaching</strong> am Telefon<br />
Kommunikationstraining Simmerl GbR, Vandaliastraße 7, 96215 Lichtenfels,<br />
Tel.: +49-9571-4333, claudia@simmerl.de, www.simmerl.de.<br />
Carsten Spillner – Erfahrungsbericht: Selbst ist der Mensch,<br />
Vice President Business Development and Sales, Simfonics Iberia, Avenida de la<br />
Vega 1, 28108 Alcobendas, Spanien, +34 6444 26 760, carsten.spillner@gmail.com.<br />
308
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Autorenprofile<br />
Dr. Ralf Borlinghaus<br />
Dr. Ralf Borlinghaus, Jahrgang 1965, ist Geschäftsführer der<br />
schweizerischen BORA International GmbH und Gründer des BORA<br />
TeleCoachNetwork. Er ist als Management-Coach und -Berater sowie<br />
als Autor aktiv. Dabei greift Ralf Borlinghaus auf langjährige Erfahrung<br />
im Personalgeschäft als Spezialist und Generalist im internationalen<br />
Umfeld zurück mit Stationen u. a. in Frankfurt, Brüssel und Zürich.<br />
Die globalisierte Arbeitswelt hat er als Berater und Manager auf<br />
betrieblicher, regionaler und globaler Konzernebene kennen gelernt<br />
und mitgestaltet. Nach seiner Promotion in Philosophie an der<br />
Universität Heidelberg setzte er sich mit den Spielregeln des<br />
Wirtschaftslebens während seiner betriebswirtschaftlichen Studien in<br />
St. Gallen auseinander.<br />
Kontaktdaten<br />
BORA International GmbH<br />
Besmerweg 14<br />
CH-8280 Kreuzlingen<br />
Tel.-CH: +41 44 586 6157<br />
Tel.-D: +49 7531 209 384<br />
ralf.borlinghaus@bora-consulting.com<br />
www.bora-consulting.com<br />
309
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Dorothee Bornath<br />
Dorothee Bornath, Jahrgang 1966 arbeitet seit zwölf Jahren<br />
erfolgreich als Coach und Trainerin am Telefon. Daneben ist Sie als<br />
Moderatorin von Veränderungsprozessen in der Stadt- und<br />
Regionalentwicklung aktiv. Als Diplom-Ingenieurin für Umweltschutz<br />
war Sie fünf Jahre Geschäftsführerin eines Ingenieurbüros. Ihre Liebe<br />
zu der Entwicklung und das Wachstum von Menschen statt der<br />
Bearbeitung technischer Verfahren führte sie in die<br />
Erwachsenenbildung und Beratung. Als Coach und Moderatorin von<br />
Veränderungsprozessen arbeitet sie gerne mit Ansätzen wie<br />
beispielsweise Open Space und Appreciative Inquiry.<br />
Kontaktdaten<br />
Schmerwitz 12c<br />
D-14827 Wiesenburg<br />
Tel.: +49 33849 905 23<br />
mail@bornath.de<br />
www.bornath.de<br />
310
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Stephan Josef Dick<br />
Stephan Josef Dick, Jahrgang 1964, ist Diplom-Sozialpädagoge. Er<br />
unterstützt Unternehmer, Führungskräfte und Vertriebler, besonders<br />
im Bereich Mitarbeiterführung und Kundenmanagement, ihr Potenzial<br />
zu entfalten. Seinen Schwerpunkt legt er auf die Analyse von<br />
Erfolgsfaktoren, um diese für Wachstum und Entwicklung zu nutzen.<br />
Dadurch wird eine Lebenshaltung von Wertschätzung erzeugt, die<br />
weniger auf die eigene Anstrengung baut, sondern auf das optimale<br />
Zusammenspiel aller verfügbaren Fähigkeiten. Es entsteht ein Sog für<br />
Vitalität, Inspiration und Produktivität. Und Vorsicht: Wertschätzung<br />
als Lebenshaltung wirkt ansteckend! Sein Slogan: "Wir selbst sind<br />
unsere größten Kritiker, wechseln Sie die Seite, werden Sie Ihr größter<br />
Fan!<br />
Kontaktdaten<br />
Hainstrasse 5<br />
D-95336 Mainleus<br />
Tel: +49 9229 9569<br />
dick@das-trainingsjahr.de<br />
www.das-trainingsjahr.de<br />
311
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Sabine Engelhardt<br />
Sabine Engelhardt, Diplom-Betriebswirtin und Coach (FH), geboren<br />
1969, ist Inhaberin von Sabine Engelhardt coacht. in Frankfurt am Main.<br />
Sie arbeitet als Business-Coach und Beraterin mit den Schwerpunkten<br />
Kommunikation, Führungskompetenz und Karriereentwicklung.<br />
Sabine Engelhardt verfügt über 15 Jahre einschlägige Berufserfahrung.<br />
Sie kennt die Herausforderungen und Besonderheiten im<br />
Wirtschaftsleben insbesondere bei Finanzdienstleistern und<br />
Werbeagenturen. Ihr betriebswirtschaftliches und psychologisches<br />
Know-how stellt Sie bei ihren <strong>Coaching</strong>s und Beratungen erfolgreich<br />
unter Beweis.<br />
Kontaktdaten<br />
Günthersburgallee 32<br />
D-60316 Frankfurt am Main<br />
Tel.: +49 69 410 786 27<br />
mail@sabine-engelhardt-coacht.de<br />
www.sabine-engelhardt-coacht.de<br />
312
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Thomas Göller<br />
Thomas Göller, Diplom-Ingenieur (FH), Jahrgang 1958, ist DER<br />
Mentor unter den Coachs und Experte für Strategie & Management. Er<br />
selbst ist seit über 20 Jahren Entrepreneur und begleitet schon seit<br />
1996 als Mentor für Unternehmer viele Unternehmensleiter,<br />
Führungskräfte und Teams bei allen Aufgaben auf dem Weg zu mehr<br />
Wachstum, Entfaltung und Erfolg. Sein Wissen beruht dabei auf<br />
langjährigen, intensiven Ausbildungen und Studien, sowie auf seiner<br />
umfangreichen Erfahrung als Unternehmer. Die <strong>Coaching</strong>- und<br />
Mentoring-Programme von Thomas Göller sind Tuning für Ihr<br />
Business und die Strategie für Ihren unternehmerischen Erfolg.<br />
Kontaktdaten<br />
Göller Mentoring GmbH<br />
Im Herzenacker 12A<br />
D-55435 Gau-Algesheim<br />
Tel.: +49 6725 308 228<br />
Fax: +49 6725 307 702<br />
Mobil: +49 171 324 7758<br />
Achtsamkeit@Goeller-Mentoring.de<br />
www.Goeller-Mentoring.de<br />
313
Anhang<br />
Autorenprofile<br />
__________________________________________________<br />
Dr. Maren Kaiser<br />
Dr. Maren Kaiser, Meeresbiologin, Jahrgang 1959, ist seit 2005 als<br />
Coach und Beraterin tätig. Sie ist Expertin für professionelle<br />
Kommunikation und Rhetorik, Konfliktmanagement, Vertrieb und<br />
Kommunikation am Telefon. Als Coach und TeleCoach arbeitet sie mit<br />
Führungskräften, Teams und Einzelpersonen. Eine wichtige Grundlage<br />
ihrer Arbeit sind 20 Jahre vielfältige Berufserfahrung in der IT-<br />
Branche, in der öffentlichen Verwaltung und an der Universität. In<br />
ihrem früheren beruflichen Leben ist ihr deutlich geworden, wie<br />
wichtig klare Kommunikation, Konfliktfähigkeit, Zielorientierung,<br />
Führungskompetenz, Selbstreflexion, Authentizität und Mut in<br />
alltäglichen und schwierigen Situationen sind. Heute unterstützt sie<br />
Menschen darin, diese Fähigkeiten in sich zu entdecken und sie zu<br />
leben.<br />
Kontaktdaten<br />
Illigstraße 6A<br />
D-12307 Berlin<br />
Tel.: +49 30 746 832 00<br />
info@coaching-kaiser.de<br />
www. coaching-kaiser.com<br />
314
__________________________________________________<br />
315