WIRTSCHAFT+MARKT
WIRTSCHAFT+MARKT ist das führende ostdeutsche Wirtschaftsmagazin für den Mittelstand. In dem überregional verbreiteten Magazin kommen regelmäßig Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zu Wort. Ein ausführlicher Serviceteil, u.a. zu den Themen Steuern, Recht, Geld, Versicherung, Immobilien, Marketing und Kommunikation, ist auf die spezifischen Bedürfnisse der Leser zugeschnitten. Das Magazin verfügt über ein klares, unverwechselbares Profil, welches spezielle Probleme und Bedürfnisse ostdeutscher Unternehmen im hohen Maße berücksichtigt. Es werden konjunkturelle Entwicklungen einzelner Branchen analysiert und erfolgreiche Unternehmer aus Ost und West vorgestellt.
WIRTSCHAFT+MARKT ist das führende ostdeutsche Wirtschaftsmagazin für den Mittelstand. In dem überregional verbreiteten Magazin kommen regelmäßig Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zu Wort. Ein ausführlicher Serviceteil, u.a. zu den Themen Steuern, Recht, Geld, Versicherung, Immobilien, Marketing und Kommunikation, ist auf die spezifischen Bedürfnisse der Leser zugeschnitten. Das Magazin verfügt über ein klares, unverwechselbares Profil, welches spezielle Probleme und Bedürfnisse ostdeutscher Unternehmen im hohen Maße berücksichtigt.
Es werden konjunkturelle Entwicklungen einzelner Branchen analysiert und erfolgreiche Unternehmer aus Ost und West vorgestellt.
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25. Jahrgang | Heft 4 | August/September 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618
WIRTSCHAFT+
MARKT
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN
Gründerzeit
im Osten
Energiewende
auf dem
Prüfstand
Im Interview:
Christine
Lieberknecht
Berlin · Rostock · Leipzig · Dresden · Erfurt · Schwerin · Magdeburg · Potsdam · …
W+M BusinessClub
für Unternehmer
und alle, die
Wirtschaft bewegen
ab Herbst 2014
Miteinander ins Gespräch kommen, Erfahrungen austauschen, Wissen vermitteln,
Ideen entwickeln, Impulse geben, Tipps erhalten, interessante Menschen kennenlernen,
neue Trends erkennen, Gefahren und Probleme früh aufdecken, Unternehmerverantwortung
wahrnehmen, Menschen anspornen, Mitarbeiter motivieren, Zeitmanagement
beherrschen, Entspannung finden, soziales Engagement stärken, …
www.wundm.info/businessclub
W+M Editorial | 3
Energie muss auch in Deutschland bezahlbar bleiben!
Foto: Torsten George, Titelfoto: Susanne Welscher, Titelillustration: Christian Drechsel
In der deutschen Wirtschaft wachsen die Sorgen mit
Blick auf die von der Bundesregierung angeschobene
Energiewende. Um es vorweg zu schicken:
Kaum jemand stellt dabei in Abrede, dass es richtig
war, nach der Reaktorkatastrophe im japanischen
Fukushima die Reißleine für den Ausstieg aus dem
Atomstrom zu ziehen. Auch halten es viele Unternehmer
für alternativlos, neue Quellen erneuerbarer
Energien zu identifizieren und zu erschließen,
um Deutschland perspektivisch unabhängiger von
unkalkulierbaren Importen fossiler Energieträger zu
machen. Schon heute ist unser Land international
führend bei der Entwicklung erneuerbarer und energiesparender
Technologien. Dieser Markt wird sich
in den kommenden zehn Jahren nahezu verdoppeln und bietet dem
heimischen Mittelstand ein überaus interessantes Geschäftsfeld.
Bei aller Zustimmung überwiegt derzeit jedoch die Skepsis. Überall
werden neue Windparks errichtet, sei es auf dem flachen Land oder
auf hoher See. Nicht selten entsteht dabei der Eindruck, dass dies alles
eher unkoordiniert geschieht. Selbst Metropolen wie Berlin wollen
künftig vermehrt eigenen Ökostrom produzieren und streben dafür
die Bildung eines kommunalen Stadtwerkes an. Dabei wird völlig
außer Acht gelassen, dass speziell im nordostdeutschen Raum bereits
heute so viel Strom aus erneuerbarer Herkunft vorhanden ist,
dass er weder in der Bundeshauptstadt noch in ganz Ostdeutschland
verbraucht werden kann und über teure Energietrassen gen Süden
weitergeleitet werden muss. Die Errichtung neuer Anlagen erfolgt
offenkundig nicht im Einklang mit der Bereitstellung praktikabler
Speichersysteme für die aus Sonne und Wind erzeugte Energie.
Impressum
WIRTSCHAFT+MARKT
Das ostdeutsche Unternehmermagazin
Ausgabe 4/2014
Redaktionsschluss: 04.07.2014
Verlag: Verlag Frank Nehring GmbH
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin
Tel.: 030 479071-0
Fax: 030 479071-20
www.NehringVerlag.DE
Verlagsleiter: Dr. Robert Nehring
Herausgeber/Geschäftsführer: Frank Nehring
Tel.: 030 479071-11, FN@NehringVerlag.DE
(Alleiniger Inhaber und Gesellschafter, Wohnort Berlin)
Chefredakteur: Karsten Hintzmann
Tel.: 030 479071-24, KH@wundm.info
Karsten Hintzmann
Chefredakteur
KH@wundm.info
Redaktion: Janine Pirk-Schenker
Tel.: 030 479071-21, JP@NehringVerlag.DE
Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann, Tomas
Morgenstern, Matthias Salm, Thomas Schwandt,
Anke Templiner
Abo- und Anzeigenverwaltung; Vertrieb:
Tobias Meier
Tel.: 030 479071-28
TM@NehringVerlag.DE
Daher lautet eine berechtigte Forderung: Erst Speicherkapazitäten
entwickeln und dann neue Solar- und Windkraftanlagen bauen. Ansonsten
droht der Traum von einer grünen Energiewende
zu einem finanziellen Desaster zu werden.
Die Politik ist gehalten, die Rahmenbedingungen
zu schaffen, damit Energie in Deutschland
bezahlbar bleibt. Die Energiekosten sind ein entscheidender
Standortfaktor für die Industrie und
für unternehmerische Investitionsentscheidungen.
Schon jetzt stehen deutsche Unternehmen
im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz
schlechter da, weil sie die hohe EEG-Zulage schultern
müssen, die in den kommenden Jahren viele
Milliarden Euro verschlingen wird. Das ist ein klarer
Wettbewerbsnachteil.
Ein deutscher Alleingang in Sachen Energiewende könnte zum Bumerang
werden und die Abwanderung energieintensiver Unternehmen
beschleunigen. Daher braucht es eine Europäisierung der Energiepolitik.
Es kann doch nicht sein, dass hierzulande hohe Preise
für Strom aus erneuerbaren Quellen gezahlt werden müssen, während
die östlichen und westlichen Nachbarn an ihrer konventionellen
Energiepolitik festhalten und sogar neue Atomkraftwerke planen
und bauen.
Das Thema Energiewende treibt zunehmend auch ostdeutsche Politiker
um. Und das nicht nur, weil in Sachsen, Brandenburg und
Thüringen nach der Sommerpause gewählt wird. Durch die Erfahrungen
aus dem Transformationsprozess der vergangenen zwei Jahrzehnte
haben sie eine ausgeprägte Sensibilität in der Frage, was es
finanziell und beschäftigungspolitisch bedeutet, wenn Fehlplanungen
nicht frühzeitig erkannt und korrigiert werden. Lesen Sie
dazu das Interview mit Thüringens Ministerpräsidentin Christine
Lieberknecht (ab Seite 28) und den W+M-Schwerpunkt zur Energiewende
(ab Seite 38).
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und Abonnementpreis:
Die Zeitschrift WIRTSCHAFT+MARKT erscheint zweimonatlich. Als
Magazin der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände
Ostdeutschlands und Berlin erhalten die Mitglieder die Zeitschrift
im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 €, Jahresabonnement
(Inland): 20 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement
(Ausland): 20 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.
Layout & Design: Drechsel Kommunikations-Design,
www.drechsel-berlin.com
Druck: möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur mit vorheriger
schriftlicher Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete
Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos
übernehmen wir keine Haftung.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
4 | W+M Inhalt
10
Gründerzeit im Osten
22
Schwedt: Leuchtturm
in der Uckermark
28
„Blühende Landschaften”:
Interview mit
Christine Lieberknecht
56
Brandenburger Sommerabend: Pause vom Wahlkampf
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Inhalt | 5
Foto: Christian Drechsel
20
Streit um
Porzellan-
Manufaktur
Meissen
38
Chancen und
Risiken der
Energiewende
W+M Titelthema
Gründerzeit im Osten 10
W+M Aktuell
Köpfe 6
Nachrichten 8
W+M Titelthema
Brandenburger Gründerklima 10
Die neue Unternehmergeneration 12
Praktische Tipps für Unternehmensgründer 14
Analyse von ifo-Chef Professor Ragnitz 16
W+M Länderreports
Thüringen: Aufschwung am Airport Erfurt 18
Sachsen: Streit um Porzellan-Manufaktur Meissen 20
Brandenburg: Erdölmetropole als Leuchtturm in der Uckermark 22
Mecklenburg-Vorpommern: Auf dem Weg zum führenden Gesundheitsland 24
Sachsen: Flaggschiff auf dem Gasmarkt 26
W+M Politik
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht im Interview 28
Kolumne: Klaus von Dohnanyi 34
Ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland 35
Mindestlohn schwächt Mittelstand 36
Pro und Contra: Braucht der Mittelstand eine Frauenquote für Führungspositionen? 37
W+M Schwerpunktthema Energiewende
Experten-Umfrage vor dem Ostdeutschen Energieforum 38
Studie: Unternehmen befürworten Energiewende 43
Regionaler Wildwuchs bei Stromnetzentgelten unter der Lupe 44
W+M International
Rostocker Schiffsdesigner erobern den Weltmarkt 46
W+M Ratgeber
Finanzen: Chancen der SEPA-Umstellung werden verkannt 48
Steuern und Management: Liquiditätsreserven im Einkauf heben 50
Büro: Kaffeemaschinen im Vergleich 52
Kultur: Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur 54
Kultur: Die schönsten Konzerte des Sommers 55
W+M Netzwerk
Brandenburger Sommerabend in Potsdam 56
Der Konsum lud zum Fest 57
Handwerkskammer feiert in Berlin 58
Frauenpower am Nordpier des BER 59
VBIW: Aktuelles aus dem Verein 60
Neues aus den Unternehmerverbänden 62
W+M Rückblick
Was macht eigentlich Waldemar Cierpinski, zweifacher Marathon-Olympiasieger? 64
W+M Die letzte Seite
Ausblick und Personenregister 66
W+M Weitere Beiträge
Editorial 3
Impressum 3
Medienpartnerschaften 33, 49
Beilagenhinweis: Teilen der Auflage liegt eine Information der Zentralkonsum eG bei.
Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
6 | W+M Köpfe
Jürgen Schmidberger (52)
Berlin. Dr. Jürgen Schmidberger wurde durch
den Aufsichtsrat zum neuen Mitglied des Vorstands
bei der Gasag Berliner Gaswerke AG bestellt.
Er ist zuständig für das Ressort Netz und
Finanzen und hat seine Tätigkeit am 1. Juni angetreten.
Schmidberger ist Nachfolger des ruhestandsbedingt
ausgeschiedenen langjährigen
Gasag-Vorstands Olaf Czernomoriez. Nach Funktionen bei Ruhrgas,
Dresden Gas und langjähriger Tätigkeit bei der Gasag war der 1961
in Friedrichshafen am Bodensee geborene Schmidberger zuletzt Finanzvorstand
der Vattenfall Wärme AG in Berlin.
Peter-Michael und Antje Diestel mit ihren Trauzeugen
Lothar de Maizière (l.) und Gregor Gysi (r.).
Peter-Michael Diestel (62)
Zislow. Der prominente Anwalt und letzte DDR-Innenminister hatte rund 200 Unternehmer, Politiker, Künstler und Freunde zur traditionellen
Herrentagsfeier auf sein Anwesen im mecklenburgischen Zislow geladen. Dort staunten die Partygäste nicht schlecht, als ihnen Diestel,
der in den 1990er Jahren den FC Hansa Rostock als Vereinspräsident in der Fußball-Bundesliga etabliert hatte, offenbarte, er habe unmittelbar
vor dem Unternehmertreffen am Himmelfahrtstag seine Lebensgefährtin, die Zahnärztin Antje Langer, geheiratet. Kennengelernt hatten
sich beide in ihrer Potsdamer Praxis, die Diestel wegen akuter Zahnschmerzen aufgesucht hatte. Es ist seine dritte Ehe und soll, so Peter-
Michael Diestel, „in jedem Fall meine letzte Ehe“ sein. Trauzeugen waren übrigens langjährige Freunde und Weggefährten des CDU-Politikers:
Gregor Gysi, Linken-Fraktionschef im Bundestag, und Lothar de Maizière, letzter DDR-Ministerpräsident.
Peter Gebauer (70)
Leipzig. Unter den 23 Mittelständlern und
selbst ständigen Unternehmern, die im Mai in
den neuen Stadtrat von Leipzig gewählt wurden,
ist Peter Gebauer einer der erfahrensten.
Der gelernte Fuhrunternehmer und Verkehrskaufmann,
der bereits 1969 die anno 1896 gegründete
Familienspedition übernahm, kandidierte
für die FDP. Im Rathaus will sich Gebauer, der sich auch im Unternehmerverband
Sachsen engagiert, dafür einsetzen, dass hier die
Interessen des Mittelstandes Gehör finden und die Stadt mehr für
Schulsanierungen und gegen „Buckelpisten“ tut.
Fotos: Inez Bandoly, Staatskanzlei Sachsen-Anhalt/Ines Rosse, Gasag, Harald Lachmann, Jürgen Lösel, Privat, Thomas Schwandt, Nordmetall
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Köpfe | 7
Anke Lamprecht (39)
Gera. Die selbstständige Landwirtin und Gastronomin
hat nicht nur ein Händchen für die 60
Pferde und 50 Rinder, die sie auf ihrem Pferdehof
im Ort Korbußen bei Gera betreut. Dank der
angehenden Pferdewirte, die sie hier ausbildet,
wurde ihr Unternehmen wiederholt als „Erfolgreicher
Ausbildungsbetrieb“ geehrt. Ihr Betrieb
diente jahrelang als Deckstation für das sächsische Landgestüt Moritzburg.
Den alten Familienhof hatte ihre Mutter erst vor wenigen
Jahren zurückerhalten – seitdem baut ihn Anke Lamprecht zusammen
mit ihrem Mann Sirko Schlegel zu einem Schmuckstück samt
Landgasthof aus.
Markus Kopp (47)
Schkeuditz. Neben seiner Funktion als Alleinvorstand
der Mitteldeutschen Flughafen AG in
Schkeuditz (Landkreis Nordsachsen) ist Markus
Kopp nunmehr in Personalunion auch Geschäftsführer
der beiden sächsischen Flughäfen
Leipzig/Halle und Dresden. Darüber hinaus
agiert er seit 2012 als Honorarkonsul der Republik
Polen in Leipzig. Kopp hat Luftverkehrskaufmann bei der Deutschen
Lufthansa gelernt. Seit er mit zwei Jahren erstmals in einem
Flugzeug – mit seinen Eltern flog er von Düsseldorf nach Klagenfurt
– saß, weiß er, dass er Kerosin im Blut hat, wie er es nennt.
Gerhard Fettweis (52)
Dresden. Der Koordinator des Center for Advancing
Electronics Dresden stellte jüngst in Seoul
die neue Forschungsinitiative „Dresden 5G
Lab“ vor, mit der 16 Professoren der TU Dresden
und 500 Wissenschaftler die fünfte Generation
des Mobilfunks auf den Weg bringen wollen.
Zur Vision seines Teams gehört zum Beispiel
vollautomatisiertes Fahren im Straßenverkehr und robotergestützte
Tele-Chirurgie. Herausforderungen wie extrem kurze Übertragungszeiten,
sehr große Datendurchsätze, hochsensible Sensortechnik,
hohe Ausfallsicherheit und effiziente Datensicherung sind dabei zu
lösen.
Brigitte Schirmer (54)
Strausberg. Es ist ein gutes Jahr für Brigitte
Schirmer – im März wurde die Geschäftsführende
Gesellschafterin der Allresist GmbH in Strausberg
mit dem zweiten Preis als Brandenburger
Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet. Im
Mai erhielt Allresist den Brandenburger Innovationspreis
Kunststoffe und Chemie für seinen
Hochtechnologielack CSAR 62. Dieser ermöglicht in der Elektronenstrahllithographie
extrem kleine Strukturen unter zehn Nanometer
für höchst integrierte Schaltkreise von Mikrochips. Grund zur Freude
auch für ihren Mann Matthias, mit dem die 54-Jährige das innovative
Unternehmen führt.
Jens Aurel Scharner (48)
& Gernot Tesch (47)
Rostock. Die Hafen-Entwicklungsgesellschaft
Rostock mbH (Hero)
erhält eine Doppelspitze. Die Fährreederei-Manager
Jens Aurel Scharner
(TT-Line) und Gernot Tesch
(Scandlines) sind vom Aufsichtsrat
des kommunalen Betriebes zu Geschäftsführern bestellt worden.
Scharner und Tesch lösen mit Beginn des Jahres 2015 Geschäftsführer
Dr. Ulrich Bauermeister ab, der in den Ruhestand geht und seit
2000 die Geschicke der Hero lenkt. Gesellschafter der Hero sind das
Land Mecklenburg-Vorpommern (25,1 Prozent) und die Hansestadt
Rostock (74,9 Prozent).
Thomas Lambusch (61)
Schwerin. Die Vereinigung der Unternehmensverbände
für Mecklenburg-Vorpommern
(VUMV) hat einen neuen Präsidenten. Thomas
Lambusch wurde im Juni vom neugewählten
Vorstand als Nachfolger von Hans-Dieter Bremer
bestimmt. Nach einer Managerkarriere bei
Siemens hatte sich der Diplom-Kaufmann 2006
selbstständig gemacht und leitet seitdem als geschäftsführender Gesellschafter
die Rostocker Sear GmbH. Das Unternehmen mit 180 Mitarbeitern
baut unter anderem elektrotechnische Anlagen für Kraftwerke
und Umspannplattformen für die Energiewende. Im November
2013 wurde Lambusch zudem Präsident des Arbeitgeberverbandes
der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie NORDMETALL.
In Memoriam
Reinhard Höppner (65)
Magdeburg. Der ehemalige Ministerpräsident
von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner
(SPD), ist am 9. Juni nach langer schwerer
Krankheit im Alter von 65 Jahren verstorben.
Der promovierte Mathematiker wurde
1948 in Haldensleben bei Magdeburg geboren
und war von 1972 bis 1994 Mitglied der
Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Sachsen. Nach der Wende
trat Höppner den Sozialdemokraten bei und wurde 1990 Vizepräsident
der frei gewählten DDR-Volkskammer. Von 1994 bis
2002 war Höppner Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
Nachdem die SPD bei den Landtagswahlen 2002 16 Prozent der
Stimmen verlor, trat Höppner von seinem Amt zurück, blieb aber
noch bis 2006 Mitglied des Landtages. Höppner hinterlässt seine
Ehefrau und drei Kinder.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
8 | W+M Nachrichten
+ Trends + + + Entwicklungen + + + Zahlen + + + Perspektive
Merkel verspricht Rabatte
Zeitz/Senftenberg. In einem Brief an die
Staatskanzleien von Brandenburg, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen hat Bundeskanzlerin
Angela Merkel versichert, dass die
ostdeutschen Braunkohleförderer nicht bei
den Ökostromrabatten benachteiligt werden.
Die Unternehmen Mibrag (Zeitz) und
Vattenfall (Senftenberg), die tausende Mitarbeiter
beschäftigen, in Größenordnungen
Lehrlinge ausbilden und für eine Vielzahl regionaler
Mittelstandsfirmen als Auftraggeber
unverzichtbar sind, würden zwar nicht
in eine EU-Liste mit Ausnahmen aufgenommen,
doch sollten sie Bestandsschutz erhalten.
Damit müssten sie nicht mit höheren Abgabenbelastungen
rechnen, stellte die Kanzlerin
klar. Die vier Länder hatten befürchtet,
dass die Braunkohleförderung im Vergleich
zur Steinkohle bei der EEG-Umlage benachteiligt
wird.
Rolls-Royce sucht Ingenieure
Dahlewitz. Für die Flugzeuggetriebeentwicklung
in Dahlewitz bei Berlin sucht der
Triebwerkhersteller Rolls-Royce 200 Ingenieure.
Sie werden nach Unternehmensauskunft
auf der ILA 2014 für die Entwicklung
neuer Triebwerke benötigt, die leichter, sparsamer,
und stärker als bisherige sind. Derzeit
errichtet Rolls-Royce ein neues Prüfzentrum
in Dahlewitz.
Porsche investiert weiter
Leipzig. Porsche wird ab 2016 das viertürige
Sportcoupé Panamera komplett in Leipzig
fertigen. Anfang Mai bestätigte der Konzern
die Investition von nochmals 500 Millionen
Euro unter anderem in eine Karosseriefertigung.
Für die aktuelle Panamera-Version
werden die Karosserien noch aus Hannover
geliefert. Derzeit hat das Leipziger Werk rund
2.500 Mitarbeiter.
Netzwerk im Nordosten
Stralsund. Zum zwölften Mal seit 2003 trafen
sich am 13. Mai dieses Jahres Politiker,
Wissenschaftler, Unternehmer und Studenten
zur Stralsunder Tagung für erfolgreiche
Partnerschaften (STeP). Das von Wirtschaftsstudenten
der Fachhochschule Stralsund organisierte
und gemeinsam mit der Stralsunder
Mittelstandsvereinigung und der Hansestadt
Stralsund initiierte jährliche Treffen
soll dazu dienen, einen Meinungsaustausch
über Potenziale und Chancen des Standortes
Stralsund im nationalen und internationalen
Wettbewerb zu pflegen sowie neue Partnerschaften
zu knüpfen und Netzwerke auszubauen.
2014 stand der STeP-Kongress im
Stralsunder Rathaus unter dem Motto „Zusammenarbeit
als Chance: Visionär denken
– regional handeln“. Zu den Referenten gehörten
der Europaabgeordnete Werner Kuhn
(CDU) und der Manager Thomas Kühmstedt
von der Stralsunder Firma Ostseestaal.
Turbinen für Thüringen
Mühlhausen. Im Gasturbinenkraftwerk Grabe
bei Mühlhausen (Unstrut-Hainich-Kreis)
der Thüringer Energie AG sind zwei neue Gasmotoren
in Betrieb genommen worden. Die
beiden rund 30 Tonnen schweren 16-Zylinder-Kolbenmotoren
ersetzen zwei Gasturbinen,
die bis zum Vorjahr über angeschlossene
Generatoren elektrischen Strom erzeugten.
Der Einbau der neuen Gasmotoren war
notwendig geworden, da sich der Gasdruck
in den natürlichen Erdgasvorkommen rund
um Grabe in jüngster Zeit spürbar verringert
hat. Die aktuellen Berechnungen gehen
davon aus, dass noch genug Erdgas in
der Lagerstätte vorhanden ist, um die jetzt
installierten Motoren die nächsten 20 Jahre
in Betrieb zu halten. Die Motoren mit einer
Leistung von insgesamt rund fünf Megawatt
erzeugen den Jahresstrombedarf von
12.000 Haushalten.
Inbetriebnahme der neuen Gasmotoren in
Mühlhausen.
Abwanderung gestoppt
Köln. Die Abwanderungswelle aus Ostdeutschland
ist aufgrund der guten Wirtschaftslage
fast gestoppt, dagegen stieg sogar
die Zahl der Zuwanderer aus den alten
Bundesländern. So kommen verstärkt Studierende
aus dem Westen in die weniger überlasteten
ostdeutschen Universitäten. Auch
die Binnenwanderung innerhalb Deutschlands
ist in den letzten zehn Jahren deutlich
zurückgegangen. Das besagt eine Studie
des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft.
2002 wanderten noch 141.650 Menschen
in ein anderes Bundesland aus, 2012
waren es nur noch 43.640.
Schweizer Monopol geknackt
Glashütte. Die Uhrenmanufaktur NOMOS
Glashütte hat mit Hilfe des Instituts für Maschinenelemente
und Maschinenkonstrukti-
Fotos: TEAG, LMBV, Rolls-Royce
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Nachrichten | 9
n + + + Trends + + + Entwicklungen + + + Zahlen + + + Perspe
on der Technischen Universität Dresden ein
eigenes Schwingsystem für mechanische
Uhren entwickelt. Damit wird das sächsische
Traditionsunternehmen unabhängig
von der Swatch-Tochter Nivarox, die bei den
Schwingsystemen einen Marktanteil von 95
Prozent besitzt.
Mit einem Spezialschiff bekämpft die LMBV
die Eisenbelastung in Gewässern in der Lausitz,
wie hier auf dem Lichtenauer See.
Brüssel fördert weniger
Leipzig. Die drei mitteldeutschen Länder
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhalten
aus Brüsseler Fördertöpfen bis zum
Jahr 2020 gut zwei Milliarden Euro weniger.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums
umfassen die Zahlungen rund 6,5
Milliarden Euro. Davon gehen etwa 2,7 Milliarden
Euro nach Sachsen, was gut einer Milliarde
Euro Minus gegenüber dem bisherigen
Niveau entspricht. Sachsen-Anhalt soll rund
zwei und Thüringen rund 1,7 Milliarden Euro
bekommen, womit beide Länder je eine halbe
Milliarde Euro einbüßen. Die EU will stattdessen
stärker die neuen Mitglieder in Osteuropa
fördern.
Kaum Vorstandsposten
Frankfurt/Main. Die 30 DAX-Unternehmen
zählen in Summe 182 Vorstände. Unter ihnen
befinden sich unter anderem 17 US-Amerikaner,
fünf Briten, vier Inder – sowie 25 Jahre
nach der Einheit auch gerade einmal vier
gebürtige Ostdeutsche. Konkret handelt es
sich hierbei um Kathrin Menges (Henkel),
Torsten Jeworrek (Munich-Re), Hauke Stars
(Deutsche Börse) und Mike Winkel (Eon). Ermittelt
hatte dies die Personalberatung Korn-
Ferry. Für deren Senior Client Beraterin Berit
Bretthauer – selbst gebürtige Ostberlinerin
und heute als „Headhunterin“ weltweit auf
der Suche nach Top-Führungskräften – rührt
die Unterrepräsentierung Ostdeutscher aus
einer anderen Ausbildung in der DDR. Diese
habe die Menschen „nicht für die Managerebene
qualifiziert. Leistung wurde im dortigen
System nur teilweise belohnt, vieles war
politisch.“ So fehle es ihnen bis heute an „aggressiver
Selbstvermarktung“.
256 Millionen Euro für Braunkohlesanierung
Senftenberg. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV)
hat eine positive Bilanz des zurückliegenden Geschäftsjahres gezogen. LMBV-Chef Klaus
Zschiedrich sagte beim Bilanzpressegespräch: „Das Jahr 2013 war zum einen von der planmäßigen
und kontinuierlichen Fortsetzung der Sanierungsprozesse im Lausitzer und im mitteldeutschen
Braunkohlerevier bestimmt, zum anderen durch besondere Herausforderungen
im Sanierungsablauf wie dem Abschluss der Ursachenforschung zum Böschungsunglück in
Nachterstedt, der weiteren Durchdringung der geotechnischen Prozesse der Tagebauinnenkippen
in der Lausitz sowie der Bewältigung neuer drängender Fragen der Gewässergüte in
den Vorflutern geprägt.“ Von den im Jahr 2013 eingesetzten finanziellen Mitteln von etwa
256 Millionen Euro für die Braunkohlesanierung entfielen auf Brandenburg 115, auf Sachsen
97, auf Sachsen-Anhalt 42 und auf Thüringen zwei Millionen Euro.
Mittelstandsgesetz für die Hauptstadt
Berlin. Nach Hessen und Nordrhein-Westfalen
soll auch Berlin ein Mittelstandsgesetz
bekommen. Eine entsprechende Initiative
wurde auf dem 1. Berliner Mittelstandskongress
gestartet, der maßgeblich von der
Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung
der CDU Berlin (MIT) organisiert wurde und
an dem rund 800 Unternehmer teilnahmen.
Christian Gräff, Landesvorsitzender der Berliner
MIT: „Ich gehe davon aus, dass das Mittelstandsgesetz
noch in diesem Jahr vom Berliner
Abgeordnetenhaus verabschiedet wird.“
Zu den zentralen Punkten zählt Gräff eine
zwingende Mittelstandsverträglichkeitsprüfung,
der alle Gesetze und Verordnungen unterzogen
werden müssten. Darüber hinaus
soll jedes neue Gesetzgebungsvorhaben einer
Anhörung der IHK und der Handwerkskammer
unterliegen. Christian Gräff: „Ganz
wichtig ist uns, endlich Chancengleichheit
für den Mittelstand bei der Auftragsvergabe
zu gewährleisten. Das bedeutet, dass künftig
kleinere Lose und Teillose ausgeschrieben
und vergeben werden. Nur so haben
Mittelständler wirklich eine Chance, etwas
von dem Auftragskuchen abzubekommen.“
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
10 | W+M Titelthema
Brandenburger Gründerklima
Laut aktuellem KfW-Gründungsmonitor liegt Brandenburg an der Spitze der neuen Bundesländer.
Über 600 Gründungsberatungen hat die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) im
vergangenen Jahr durchgeführt. Sie bietet passgenaue Unterstützung an. Von Dr. Ulrich Conrad
Einen langen Atem brauchen
Finanzinvestoren
besonders in der Medizintechnik.
Die Branche hat sich
rasant entwickelt im Land,
zu den Newcomern gehört die
Potsdamer Emperra GmbH E-
Health Technologies. „Wir wandeln
uns gerade aus einem reinen
Entwicklerteam zum kommerziellen
Unternehmen“, sagt
Geschäftsführer Dr. Christian
Krey. „Seit 2008 unterstützt uns
die ILB, jetzt endlich bringen
wir unsere Produktentwicklung
ESYSTA® auf den Markt.“ Die ILB
ist die Spezialistin für Risikokapital
im Land. Nach der Frühphasenbeteiligung
durch den
BFB BeteiligungsFonds Brandenburg
und den Risikokapitalfonds
der Sparkassen des Landes
Brandenburg wird Emperra seit 2011
durch den BFB Wachstumsfonds Brandenburg
finanziert.
Hinter dem Kürzel ESYSTA® steckt ein internetgestütztes
Monitoringsystem für Menschen
mit Diabetes, die regelmäßig Insulin
benötigen. Bei nicht gut eingestellten
Patienten steigen die Risiken für Folgeerkrankungen
enorm, so können zum Beispiel
Erblindung, Nierenversagen oder Amputationen
die Folge sein. Eine ständige Betreuung
ist notwendig, doch die wird angesichts
des Ärztemangels in den ländlichen
Räumen für manche Gegenden zunehmend
komplizierter. Telemedizin kann hier Abhilfe
schaffen, wenn geeignete Systeme für Erfassung,
Dokumentation, Übertragung und
Telemedizin: Das Monitoringsystem ESYSTA®
verbessert die Versorgung von insulinpflichtigen Diabetikern.
Auswertung wichtiger Diagnose- und Therapiedaten
der Diabetes-Patienten dem Arzt
zur Verfügung stehen. Emperra hat ein solches
System entwickelt und zur Marktreife
geführt. Aufgrund des hohen Patientennutzens
konnte darüber hinaus auch die AOK
Nordost als langfristiger Partner für ein gemeinsames
Projekt gewonnen werden. Im
März gab es dafür den Industriepreis des
Huber Verlags für neue Medien in der Kategorie
Medizintechnik.
„Emperra ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche
Gründungsfinanzierung“, bestätigt
Tillmann Stenger, Vorstandsvorsitzender
der ILB. „Gründung ist ja kein ‚Big-Bang‘,
sondern ein mitunter komplizierter Prozess.
Wir bieten Instrumente an, die in den unterschiedlichen
Entwicklungsphasen junger
Unternehmen passgenau eingesetzt werden.“
Dabei geht es nicht nur um Geld, so
wichtig dies ist. „Für uns war die ILB-Unterstützung
besonders wertvoll, weil wir neben
der Finanzierung auch vom Know-how der
Fachleute im Beteiligungsfonds profitieren
konnten“, erklärt Oliver Thiel, Finanzchef
der castaclip GmbH in Potsdam. Das Unternehmen
betreibt ein Videoclip-Portal im Internet
und nutzte eine Finanzierung durch
den Frühphasenfonds. Mit Venture-Capital
als Nachrangdarlehen wurde die Eigenkapitalausstattung
verbessert, der Fondsmanager
bmp Media Investors AG brachte
Branchen-Know-how ein. Mit Erfolg: Ende
des Jahres soll das Darlehen zurückgezahlt
werden. Von zwei Mitarbeitern ist casta clip
auf 20 gewachsen. „Gründer sind die Arbeitgeber
von morgen“, unterstreicht Till-
Fotos: Emperra, Ulrich Conrad
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Gründerzeit | 11
mann Stenger.
Deshalb werde
die Existenzgründungsförderung
auch in Zeiten knapper werdender EU-
Fördermittel fester Bestandteil der Brandenburger
Wirtschaftsförderung bleiben. Zwar
sinken die Fördersätze bei der regionalen
Wirtschaftsförderung um zehn bis 20 Prozent.
Zuschüsse, zinsgünstige Darlehen,
Haftungsfreistellungen und Beteiligungskapital
werden jedoch auch in der neuen EU-
Förderperiode bis 2020 bereitstehen.
Tillmann Stenger
Vorstandsvorsitzender
der ILB
„Die Mittel, die wir künftig erhalten, müssen
und werden wir noch zielgenauer einsetzen“,
betont Stenger. Dass die ILB das kann, belegte
er in der Bilanzpressekonferenz Ende
Mai mit Zahlen: Das ILB-Ergebnis nach Risikovorsorge
lag 2013 mit 44,7 Millionen Euro
deutlich über dem Vorjahresniveau. Mit einem
guten Bewertungsergebnis im Wertpapierportfolio
und geringen Wertberichtigungen
konnte die Bank den Auswirkungen der
Niedrigzinsphase trotzen. Dadurch können
dem ILB-Förderfonds zusätzlich 7,5 Millionen
Euro zugeführt werden, aus dem
eigene zinsgünstige Finanzierungsprodukte
– ohne EU- oder Landesmittel –
angeboten werden. Eine Ergänzung, die
Handlungsspielräume erweitert und auch positiv
auf das Gründungsklima im Land ausstrahlt.
deGUT – Treffpunkt für
Gründer und Unternehmer
Bereits zum 30. Mal finden im Oktober
die Deutschen Gründer- und Unternehmertage
deGUT in Berlin statt. Die größte
Existenzgründermesse Deutschlands
wird von der Investitionsbank des Landes
Brandenburg und der Investitionsbank
Berlin gemeinsam veranstaltet.
Gründer und Unternehmer finden bei
rund 130 Ausstellern Informationen und
Beratung sowie Kontaktmöglichkeiten
zu Förderern, Mentoren und Gleichgesinnten.
Am 17. Oktober startet außerdem
der 20. Businessplan-Wettbewerb
Berlin-Brandenburg.
17. und 18. Oktober 2014
10:00 – 18:00 Uhr
Hangar 2, Flughafen Berlin-Tempelhof
Eingang Columbiadamm 10
www.degut.de
Derzeit werden die Programme für die neue
EU-Förderperiode entwickelt. Bewährte sollen
weiterlaufen, zum Beispiel „Gründung
innovativ“ oder „Nachhaltige Stadtentwicklung“,
das von Existenzgründern intensiv genutzt
wurde. Neu ist „Brandenburg Garantie
Innovativ“, ein Angebot, mit dem die ILB
der Hausbank innovativer Firmen eine Haftungsfreistellung
von 60 Prozent, bei Kooperation
mit der Bürgschaftsbank Brandenburg
sogar von bis zu 80 Prozent bei der Kreditvergabe
ermöglicht. Deutlich aufgestockt werden
sollen in der Förderperiode 2014–2020
die Mittel der revolvierenden Fonds für Eigenkapital-
und Darlehensfinanzierungen.
Die Palette der Förderdarlehen soll durch ein
neues „Mikrodarlehen“ erweitert werden, um
den Bedarf vieler Kleinunternehmen an Krediten
bis 25.000 Euro besser decken zu können.
Auch aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
werden Existenzgründer weiterhin
Unterstützung erhalten, zum Beispiel
durch Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen.
Die dafür zuständige Landesagentur
für Struktur und Arbeit (LASA) ist seit
Jahresbeginn eine Tochter der ILB.
Die größte
Gründermesse
Deutschlands
deGUT findet
im Oktober
2014 zum
30. Mal statt.
Der Banker Stenger mahnt nochmals, nicht
allein auf die monetäre Förderung zu setzen.
„Beratung, Networking und Know-how-
Transfer gehören unbedingt zu einer erfolgreichen
Gründung.“ Herausragend unter den
Angeboten auf diesem Gebiet sind der Businessplan-Wettbewerb
Berlin-Brandenburg
(BPW) und die Deutschen Gründer- und Unternehmertage
deGUT. Die beiden deutschlandweit
bekannten Existenzgründungsinitiativen
werden seit Jahren durch die ILB
gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin
und den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg
(UVB) organisiert. Im Oktober
ist es wieder soweit, dann dürften
auch die Förderprogramme
durch Brüssel bestätigt
sein. Am 17. Oktober
startet in Berlin mit der
deGUT auch der 20. Businessplan-Wettbewerb.
Eine ideale Möglichkeit
für Existenzgründer, um
sich notwendiges Handwerkszeug
anzueignen
und Netzwerke zu knüpfen.
W+M
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
12 | W+M Titelthema
Die neue Unternehmergeneration im Osten
Pfiffige Geschäftsideen und technischer Pioniergeist zeichnen viele ostdeutsche Start-ups aus.
Drei Beispiele von erfolgreichen Existenzgründungen mit großem Marktpotenzial. Von Matthias Salm
Innovativer Sichtschutz hält
unerwünschte Späher ab
Serial Entrepreneur – so heißen Gründer,
die mehrere Geschäftsideen in Folge an den
Start bringen. Der Physiker und Ingenieur
Dr. Markus Klippstein zählt zu dieser raren
Spezies. 2013 hat der 39-Jährige mit der
siOPTICA GmbH schon seine zweite Firma aus
der Taufe gehoben. Die siOPTICA entwickelt
einen innovativen Sichtschutzfilter, der die
Eingabe der PIN an Geldautomaten oder auf
dem Tablet-PC vor Ausspähungen schützt.
Dr. Markus Klippstein
Gründer von siOptica
Den geglückten ersten Anlauf unternahm
Klippstein 2006 als Teil des Gründerteams
der VisuMotion GmbH, einem Anbieter von
Soft- und Hardware für die 3D-Visualisierung.
„Die VisuMotion-Gründung hat mir bei
der Finanzierung der siOPTICA natürlich Türen
geöffnet“, so Seriengründer Klippstein.
Den Anstoß für die Gründung gab der Markt.
Ein Geldautomatenhersteller signalisierte
den Bedarf der Branche an einem dynamischen
Sichtschutzfilter. Solche Filter geben
die Sicht auf die Eingabefelder auf dem
Touchscreen nur für den Benutzer frei. Wer
aus einem anderen Winkel einen Blick erhaschen
will, für den bleibt der Monitor dunkel.
Doch die gebräuchlichen Filter weisen
Nachteile auf: Sie sind permanent aktiv
und verursachen Lichtverluste von bis
zu 40 Prozent. Das treibt die Stromkosten
in die Höhe.
In Jena entwickelt Klippstein nun mit den
Mitgründern Ambrose Peter Nari und Ravi
Srivastava einen dynamischen Filter, der
per Software schaltbar ist und bei dem der
Lichtverlust auf unter zehn Prozent gesenkt
werden kann. Die Kombination aus Software
und Folie ermöglicht es, dass der Filter nicht
mehr durchgängig aktiv sein muss, sondern
nur bei Bedarf in den Privacy-Modus geschaltet
wird.
„Die weltweit jährlich neu installierten
150.000 bis 200.000 Geldautomaten zeigen
das Potenzial dieser Technologie“, erklärt
Klippstein, der in fünf Jahren einen Marktanteil
zwischen zehn und 15 Prozent bei Bezahlterminals
und Geldautomaten erreichen
will. Die zweite Generation des Filters zielt
auf den noch größeren Markt der Tablet-PC
und Smartphones.
Die VisuMotion GmbH wurde 2010 übrigens
von einem malaysischen Investor übernommen.
Für die siOPTICA mag Klippstein ein
ähnliches Szenario langfristig nicht aus-
Fotos: siOptica GmbH, LAREMIA, Pepperbill GmbH, Anna Wasilewski
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Anna Mangold (l.) und Claudia von Boeselager,
Gründerinnen von LAREMIA.
Gründerzeit | 13
schließen – doch nun gilt es
erst einmal, das große Marktpotenzial
für den softwaregesteuerten
Privacy-Filter auszuschöpfen
(www.sioptica.com).
Großer Auftritt zum
kleinen Preis
Designerkleider für feierliche Anlässe
stehen bei Frauen hoch im Kurs.
Doch die Anschaffung geht ins Geld
– und selbst die elegantesten Kleider
werden oft nur wenige Male getragen.
Der Online-Verleih für Designerkleider
LAREMIA schafft Abhilfe.
Die Idee entstand beim Feiern und gewissermaßen
aus der Not heraus: Anna
Mangold und Claudia von Boeselager,
Freundinnen seit der Studienzeit, tanzten
einen Sommer lang buchstäblich auf
vielen Hochzeiten. Und da stellte sich
zwangsläufig die Kleiderfrage: „Wir haben
einen ähnlichen Freundeskreis und
konnten nicht zu jedem Anlass das gleiche
Kleid tragen“, erinnert sich Anna Mangold.
Immer aufs Neue für den Kleiderkauf loszuziehen
– das kostet Zeit und schlägt auf den
Geldbeutel. Ein Dilemma, da waren sich die
beiden Gründerinnen schnell sicher, das sie
mit vielen anderen Frauen teilen. LAREMIA
war geboren – ein Internet-Verleih für Designerkleider
und Accessoires, der seit Mitte
Dezember 2013 online ist.
Wenn eine Neugründung auf einer Trendwelle
surfen kann, dann ist dies stets eine gute
Startvoraussetzung. In diesem Falle heißt
das Zauberwort Share-Economy: teilen statt
besitzen. Das Prinzip spricht nicht nur die
Altersgenossinnen der beiden Berlinerinnen
an, wie Anna Mangold zunächst erwartete:
„Wir haben auch Anfragen von älteren
Frauen ebenso wie von jungen Mädchen, die
sich z. B. für den Abi-Ball einen besonderen
Auftritt wünschen.“
Für sie alle gilt: Die Kundin sendet nach einer
Leihfrist von vier oder acht Tagen das
geliehene Designerkleid zurück. Die Reinigung
übernimmt LA-
REMIA. Dafür zahlt
die Kundin eine Leihgebühr,
die bei rund
15 Prozent des Kaufpreises
liegt. Wenn
vorhanden, erhalten
die Kundinnen das
Kleid in zwei Größen
geliefert.
Was LAREMIA von
ähnlichen Konzepten
unterscheidet, ist die
Vision: Anna Mangold
und Claudia von Boeselager
zielen nicht
auf lokale Märkte, sondern
denken europaweit.
Dafür konnten
bereits starke Finanzierungspartner
gewonnen
werden,
die sowohl die Anschaffung
hochwertiger
Outfits als auch die Entwicklung
einer anspruchsvollen technischen Lösung
für den Online-Auftritt ermöglichten (www.
laremia.com).
Moderne Kassensysteme
für die Gastronomie
Es ist ein vertrautes Bild, aber auch ein Anachronismus
in der digitalen Welt: Die Kellnerin,
die im Biergarten die Bestellungen ihrer
Gäste auf einem Papierblock notiert. So
empfand es auch der Thüringer Informatiker
Marcel Mansfeld bei einem abendlichen
Pepperbill im Einsatz.
Kneipenbesuch. Die Erkenntnis, wie veraltet
doch der Stand der IT in der Gastronomie
ist, mündete in eine Geschäftsidee: ein
mobiles Kassensystem für iPad, iPhone und
iPod touch. Aus der Idee entstand die von
Marcel Mansfeld und Andreas Stein 2012 in
Erfurt gegründete pepperbill GmbH.
Marcel Mansfeld
Gründer der
pepperbill GmbH
Mit der von ihnen entwickelten pepperbill-
App können Gastronomen Bestellungen mobil
aufgeben und die wichtigsten Daten finanzamtkonform
aufbereiten. Zusätzlich
speichert pepperbill über eine verschlüsselte
WLAN-Verbindung alle Daten sicher in der
Cloud. Gastronomen können mittels pepperbill
zudem Bewirtungsbelege personalisieren
und Rechnungen direkt ausdrucken oder
per E-Mail verschicken.
Herzstück der App ist laut pepperbill-Gründer
Marcel Mansfeld ein Dashboard, über das
Wirte ortsunabhängig und in Echtzeit ihre
Umsätze einsehen können. Das weckte bereits
das Interesse von Investoren: Mittlerweile
hat der Berliner Company-Builder Sky
& Sand GmbH knapp 60 Prozent der Anteile
erworben, nachdem zuvor bereits die Beteiligungsgesellschaft
bm-t Beteiligungsmanagement
Thüringen GmbH der Thüringer
Aufbaubank in das Potenzial des iOSbasierten
Kassensystems investiert hatte
(www.pepperbill.com).
W+M
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
14 | W+M Titelthema
Praktische Tipps für Unternehmensgründer
Mit guter Planung den Fehlstart
vermeiden
Beratung
Niemand ist allwissend – lassen Sie sich beraten
und nehmen Sie Hilfe an. Profitieren Sie
von Menschen, die auf dem Gebiet der Existenzgründung
bereits Erfahrungen gemacht
haben, informieren Sie sich in Netzwerken
und bei öffentlichen Stellen.
Konzept
Starten Sie nicht planlos. Erstellen Sie einen
ausführlichen Businessplan, in dem Sie
Inhalte, Zielgruppen, Chancen, Risiken und
die Wirtschaftlichkeit Ihrer Geschäftsidee
vorstellen. Analysieren Sie vorher genau das
wirtschaftliche Umfeld und die Mitbewerber.
Was unterscheidet Sie von der Konkurrenz?
Welches Alleinstellungsmerkmal hat Ihre Geschäftsidee?
Und gibt es genug Menschen,
die bereit sind, Geld dafür auszugeben?
Kunden-Orientierung
Seien Sie flexibel und hören Sie darauf, was
Ihre Kunden sagen. Auch wenn Sie der größte
Fan Ihrer Geschäftsidee sind, interessieren
Sie sich für Kritik und überlegen Sie, was
man noch besser machen könnte. Vor allem:
Investieren und wirtschaften Sie nicht am
Kunden vorbei.
Portale für Gründer
Hier finden Sie hilfreiche Informati -
onen rund um das Thema Geschäftsgründung:
www.existenzgruender.de
Existenzgründerportal des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie mit Behördenwegweiser
und Expertenforum
www.gruenderlexikon.de
Lexikon, Ratgeber und Magazin für Gründer
www.foerderland.de
News- und Wissensportal für Gründer, Mittelstand
und Finanzen
www.junge-gruender.de
Portal für junge Gründer bis 29 Jahre
Bei der Gründung eines Unternehmens lauern unzählige
Fallstricke und können viele Fehler gemacht werden.
Dies belegt nicht nur die Menge an Literatur zu
diesem Thema. W+M hat die elf wichtigsten Tipps für
Sie zusammengefasst.
Finanzierung
Suchen Sie nach geeigneten Gründungsförderungen,
aber planen Sie diese nicht mit
ein. Kalkulieren Sie vor allem Verzögerungen
ein und achten Sie darauf, dass Sie nicht das
gesamte Kapital bis zur Eröffnung des Unternehmens
aufgebraucht haben. In der Regel
benötigt das Unternehmen eine gewisse Zeit,
bis es wirtschaftlich wird.
Rücklagen bilden
Nicht nur für die Anfangsfinanzierung Ihres
Unternehmens sollten Sie Reserven bilden,
auf die Sie zurückgreifen können, bis das Geschäft
angelaufen ist. Schaffen Sie auch danach
genügend Rücklagen für Umsatzsteuer,
Einkommenssteuer und andere mögliche Kosten.
Planen Sie vor allem die gefürchtete Finanzlücke
im dritten Geschäftsjahr mit ein,
wenn erste Steuernachzahlungen mit den laufenden
Vorauszahlungen zusammenkommen.
Preise
Nehmen Sie nicht jedes Geschäft zu jedem
Preis an, auch wenn anfangs die Angst groß
ist, nicht genügend Aufträge zu erhalten.
Ein zu niedriger Preis erweckt den Eindruck,
dass Ihr Produkt nicht von Qualität ist. Zudem
ist es später umso schwerer, höhere Preise
zu verlangen.
Lohn
Berechnen Sie Ihren persönlichen Bedarf und
kalkulieren Sie ihn mit ein – auch wenn es
anfangs schwierig ist, weil Unternehmensgewinne
sich nicht konkret prognostizieren
lassen. Unterschätzen Sie auch Renten- und
Krankenversicherungsbeiträge nicht.
Steuern und Buchführung
Auch wenn es nicht Ihre Lieblingsbeschäftigung
werden wird, führen Sie ab dem ersten
Tag ordentlich Ihre Buchführung. Ein
Steuerberater kann diese Arbeit zwar für
Sie übernehmen, dennoch haften Sie für alle
Fehler. Daher empfiehlt es sich, beim Thema
Finanzen etwas genauer hinzuschauen. Es
geht schließlich um Ihr Geld. Versuchen Sie
außerdem von Anfang an, betriebliche und
private Ausgaben zu trennen. Das erspart Ihnen
viel Ärger mit dem Finanzamt.
Marketing
Gerade bei Kleinunternehmern hapert es oft
am Marketing. Eine Website zu erstellen und
Flyer zu drucken ist auf die Dauer nicht ausreichend.
Erörtern Sie, wer Ihre Zielgruppe
ist und suchen Sie nach Wegen, wie Sie diese
erreichen können. Ziehen Sie auch Kooperationen
mit anderen Unternehmen in
Betracht.
Versicherungen
Vergessen Sie nicht, sich abzusichern. Gerade
am Anfang sind die finanziellen Mittel
oft knapp. Daher informieren Sie sich genau,
welche Versicherungen Sie unbedingt benötigen
und welche vorerst verzichtbar sind.
Privatleben
Denken Sie daran, dass Sie auch noch ein
Privatleben haben. Auch wenn Sie von Ihrer
Geschäftsidee begeistert sind, planen
Sie Phasen ein, in denen Sie abschalten und
die Sie mit Familie und Freunden verbringen
können. Das Arbeitspensum wird hoch bleiben
– teilen Sie sich Ihre Kräfte ein. W+M
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Gründer | 15
Perfekt für Ihre Firma –
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16 | W+M Titelthema
Gründerzeit im Osten?
Eine Analyse von Prof. Joachim Ragnitz, Chef des Ifo Dresden
Unternehmensgründungen sind wichtig für den Strukturwandel
in der Wirtschaft: Neue Unternehmen sind dauerhaft
nur dann erfolgreich, wenn sie mit einer neuen Marktidee
an den Start gehen. Dadurch machen sie etablierten
Unternehmen Konkurrenz und zwingen diese im Idealfall zu Innovationen,
die den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt
und damit das Wirtschaftswachstum erhöhen. Zudem schaffen erfolgreiche
Gründungen neue Arbeitsplätze. Nicht zuletzt aus diesem
Grund ist die Erhöhung der Zahl der Existenzgründungen ein
wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik sowohl auf Landes- wie auf
Bundesebene.
Prof. Joachim Ragnitz
Geschäftsführer des Ifo Dresden
Ein Blick auf die Zahlen führt allerdings schnell zu Ernüchterung: Die
Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland ist seit Jahren
rückläufig und liegt inzwischen um
mehr als 40
Prozent unter dem bisherigen ig Höchst-
stand des Jahres 2004. In Ost-
deutschland ist die Zahl der Unternehmensgründungen
sogar
noch etwas stärker zurückgegangen.
In den
vergangenen
beidenen Jahren wurden da-
mit mehr
Unternehmen geschlossen
s als zeitgleich neu
gegründet. Die Erneue-
rung
der Wirtschaftsstruk-
tur kommt ganz
offenkun-
dig nicht mehr so
stark voran
wie es wünschenswert wäre.
Vor allem vor dem Hintergrund
der aus demographischen Grün-
den notwendigen Nachfolgepro-
zesse für Unternehmen muss dies
bedenklich erscheinen.
Ein Grund für den Rückgang der Zahl
der Unternehmensgründungen insbe-
sondere in Ostdeutschland könn-
te es natürlich sein, dass auch
die Zahl der potenziellen
Gründer infolge des Bevölkerungsrückgangs
kleiner wird. Aber hier liegt ganz offenbar nicht
der entscheidende Grund; die Gründungsintensität (gemessen an der
Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter) ist in den letzten zehn
Jahren in den ostdeutschen Flächenländern um mehr als 60 Prozent
zurückgegangen. Mit rund 40 Gründungen je 10.000 Einwohner
zwischen 18 und 64 Jahren liegen die ostdeutschen Länder allesamt
auf den hinteren Plätzen der Gründungsstatistik, nachdem
sie zur Mitte des letzten Jahrzehnts noch in der Spitzengruppe zu
finden waren. Dies spricht dafür, dass es sich hierbei eher um ein
strukturelles Problem handelt.
Ein Grund könnte die deutlich verbesserte Arbeitsmarktlage in den
neuen Ländern sein. Wenn Unternehmensgründungen eher „aus der
Not“ geboren sind (um drohender Arbeitslosigkeit zu entgehen), ist
es nicht weiter verwunderlich, wenn Unternehmensgründungen und
Beschäftigungsaufbau sich gegenläufig entwickeln. Da derartige
Notgründungen auch nicht unbedingt viel zur Stärkung der Wirtschaftskraft
beitragen, wäre die zeitliche Entwicklung der Gründungszahlen
insoweit auch kein wirklicher Grund zur Besorgnis. Es
bleibt jedoch der eher pessimistisch stimmende Befund, dass die
Gründungsneigung auch relativ zum Westen deutlich niedriger ist.
Hierfür dürften vor allem zwei Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen
sind die regionalen Marktpotenziale im Osten begrenzt, insbesondere
in den wirtschaftlich schwachen Regionen mit niedriger
Kaufkraft und rückläufiger Bevölkerung. Für diese Sichtweise
spricht auch eine stärker räumlich differenzierte Betrachtung des
Gründungsklimas in den neuen Län dern. Gründungen finden besonders
häufig in den Ballungszentren statt, und von diesen gibt es
in Ostdeutschland, sieht man einmal von Berlin ab, bestenfalls eine
Handvoll. Und zum Anderen scheint das Unternehmerbild in den ostdeutschen
Ländern noch immer eher negativ besetzt zu sein, nicht
zuletzt wegen bestimmender Einflüsse durch Elternhaus und Schule.
Hier wirken ganz offenkundig noch entsprechende Prägungen
aus DDR-Zeiten nach. Außerdem mussten viele Menschen in den vergangenen
25 Jahren auch die Erfahrung machen, dass die unternehmerische
Selbstständigkeit mit hohen Risiken verbunden und keineswegs
immer auch von Erfolg gekrönt ist – dies dürfte auch heute
noch viele potenzielle Existenzgründer von einer unternehmerischen
Tätigkeit abschrecken.
Fotos: ifo Dresden
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Gründerzeit | 17
Von einer echten Gründerzeit im Osten kann insoweit noch keine
Rede sein. Dennoch: Es gibt zahlreiche Beispiele auch für positive
Ausnahmen. Hierzu zählen zum Beispiel die gar nicht so seltenen
technologieorientierten Ausgründungen aus Hochschulen, die vor
allem deshalb bedeutsam sind, weil sie einen positiven Beitrag zur
technologischen Erneuerung der Wirtschaftsstruktur leisten können
und deshalb auch künftig jede nur denkbare Unterstützung
verdienen. Positiv ist zudem, dass nach Ergebnissen des KfW-Gründungsmonitor
immer mehr Gründer eine explizite Geschäftsidee zu
verwirklichen suchen, also zum Beispiel mit Marktneuheiten antreten
oder vorab sorgfältige Marktanalysen vorgenommen haben. Dies
ist insbesondere auch mit Blick auf die Überlebenswahrscheinlichkeit
von neu gegründeten Unternehmen wichtig, denn nach wie vor
scheitert rund ein Drittel der Neugründungen eines Jahres innerhalb
der kommenden 36 Monate. Gut geplante Vorhaben können dieses
Risiko des Scheiterns deutlich vermindern. Insoweit: Eine niedrige
Gründungsneigung ist dann nicht so problematisch, wenn die geringere
Anzahl durch eine höhere Qualität von Unternehmensneugründungen
kompensiert wird.
Unternehmensgründungen benötigen dennoch auch künftig Unterstützung
durch die Politik. Diese dürften sich freilich nicht allein
der Bereitstellung finanzieller Hilfen erschöpfen. Wichtiger
erscheinen vielmehr Beratungs- und Weiterbildungsangebote, ein
Die Niederlassung Dresden des ifo Instituts.
Abbau bürokratischer Hindernisse bei Unternehmensgründungen
und nicht zuletzt Bemühungen um einen gesellschaftlichen Wertewandel,
also eine verstärkte Akzeptanz des Unternehmertums als
Motor wirtschaftlichen Fortschritts. Das alles ist nicht so einfach
umzusetzen wie die Bereitstellung finanzieller Mittel, und es sind
auch nicht unbedingt schnelle Erfolge zu erwarten, zumal es hierzu
im Zweifel auch einer institutionellen Unterfütterung bedarf,
die heute erst in Ansätzen vorhanden ist. Dennoch sollten entsprechende
Initiativen zügig gestartet werden; ansonsten besteht die
Gefahr, dass der Aufbau Ost irgendwann womöglich an einem Mangel
an Unternehmerpersönlichkeiten scheitert.
W+M
LEIDENSCHAFT
FÜR ERDGAS
Gastransport
Exploration & Produktion
© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag
Gashandel & Dienstleistung
Gasspeicherung
Die VNG-Gruppe um die VNG – Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft ist in der gesamten Wertschöpfungskette der deutschen
und europäischen Erdgaswirtschaft aktiv und konzentriert sich auf die vier Kerngeschäftsbereiche Exploration & Produktion,
Gashandel & Dienstleistung, Gastransport und Gasspeicherung. Mit dieser Expertise leisten wir einen entscheidenden Beitrag
für ein nachhaltiges Energiesystem.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
VNG – Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Telefon +49 341 443-0 | Fax + 49 341 443-1500 | info@vng.de | www.vng.de
18 | W+M Länderreport
Aufschwung am Airport Erfurt
Leere Rollfelder, missglückte Privatisierungen – den regionalen Flughäfen in Deutschland haftete
zuletzt häufig das Image öffentlicher Fehlinvestitionen an. Zu Unrecht, wehrt sich Uwe Kotzan,
Geschäftsführer der Flughafen Erfurt GmbH. Sein Airport verzeichnet steigende Passagierzahlen.
Von Matthias Salm
Das Flughafengelände in Erfurt.
Es ist Wahlkampfzeit in Thüringen. Bevor
die Bürger am 14. September an die
Urnen gerufen werden, lassen es sich
deshalb die führenden Politiker des Landes
kaum nehmen, gute Nachrichten zu verbreiten.
So auch Mitte Juni am Erfurter Flughafen.
„100 neue qualifizierte Arbeitsplätze in einer
Boombranche sind eine gute Nachricht
für die gesamte Region“, freute sich Thüringens
Wirtschaftsminister Uwe Höhn (SPD)
anlässlich der Ansiedlung des Flugzeugwartungsunternehmens
HAITEC Aircraft Maintenance
GmbH am Erfurter Flughafen. In die
gleiche Kerbe schlug sein christdemokratischer
Kabinettskollege Christian Carius, Thüringer
Minister für Bau, Landesentwicklung
und Verkehr: „Heute ist ein guter Tag für den
Freistaat, denn die Ansiedlung der HAITEC
stärkt den Luftverkehrsstandort Thüringen.“
Insgesamt investiert HAITEC rund drei Millionen
Euro am Erfurter Airport. Hier sollen
künftig im neuen Unternehmensbereich
„VIP Maintenance“ VIP- und Geschäftsreiseflugzeuge
gewartet und repariert werden.
Dazu hat das Unternehmen mit Hauptsitz am
rheinland-pfälzischen Flughafen Hahn einen
Hangar auf dem Flughafengelände in der
Domstadt angemietet. Das Thüringer Wirtschaftsministerium
fördert das Vorhaben mit
knapp 1,2 Millionen Euro.
Trotz der guten Nachrichten aus der Landeshauptstadt:
Die Förderung von Regionalflughäfen
hatte zuletzt einen eher schlechten
Leumund in der Öffentlichkeit. Der Bau des
umstrittenen Flughafens Kassel-Calden und
die Insolvenz des privatisierten Lübecker
Airports sorgten für negative Schlagzeilen.
Zu dicht gestrickt sei das Netz der regionalen
Flughäfen, heißt es, um bei hohen Fixkosten
betriebswirtschaftlich erfolgreich sein
zu können. Die infrastrukturelle Bedeutung
werde hingegen überschätzt.
Die Zahlen geben den Kritikern auf den ersten
Blick Recht. Nur sechs der 22 internationalen
Verkehrsflughäfen, die neben 16 weiteren
Regionalflughäfen und Flugplätzen
im Flughafenverband ADV organisiert sind,
schrieben 2013 schwarze Zahlen.
Fotos: Flughafen Erfurt GmbH, www.fotonikola.de
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Thüringen | 19
Die Gründe für die schwierige Marktlage der
Flughafenbranche sind vielfältig. Die europäischen
Airlines stehen unter enormem
wirtschaftlichen Druck. Die Folge sind Streckenstreichungen,
Einsparmaßnahmen und
der Rückzug aus der Fläche, die auf das Geschäft
der Flughäfen durchschlagen. Betroffen
sind von der Krise vor allem kleine und
mittelgroße Flughäfen.
Darüber hinaus bleibt die Luftverkehrssteuer
als Wachstumsbremse der Branche ein Dorn
im Auge: So hat der Branchenverband ADV errechnet,
dass fünf Millionen Passagiere 2013
aufgrund der Steuer verlustig gingen, weil
diese zu Ausweichverhalten auf Flughäfen
jenseits der deutschen Grenzen führe.
Uwe Kotzan
Geschäftsführer der
Flughafen Erfurt GmbH
Uwe Kotzan, seit November 2013 Flughafenchef
in Erfurt-Weimar und mit jahrelanger
Erfahrung als Flughafen-Manager ausgestattet,
nimmt die Kritik an den regionalen Airports
gelassen. Dabei hatten gerade seine
Vorgänger im Amt die Folgen des Sparkurses
bei den Airlines zu spüren bekommen. Der
Rückzug von Air Berlin 2011 dezimierte innerhalb
kürzester Zeit die Passagierzahlen
in Erfurt um rund 113.000.
Seit die Fluglinie Germania in der Landeshauptstadt
neue Strecken zu den Stränden
der Türkei, der Kanaren und auf die spanischen
Inseln anbietet, geht es nun langsam
wieder bergauf. 2013 stieg die Zahl der anund
abreisenden Fluggäste in Erfurt um 16,8
Prozent auf rund 215.000.
Doch es sind nicht die Sonnenanbeter, mit
denen Kotzan die infrastrukturelle Bedeutung
des Regionalflughafens begründet.
„Die Verlängerung des Vertrags mit TNT-Express,
einem der führenden Spezialisten für
weltweite Expressdienstleistungen für Geschäftskunden,
ist ein wichtiger Standortfaktor
für die Wirtschaft“, erläutert Kotzan
und betont, dass die Frage der
Anbindung an den Luftverkehr
– ob Fracht oder Geschäftsreisen
– bei vielen Unternehmensansiedlungen
eine Rolle spiele.
Insbesondere die Automobilindustrie
im Land profitiere logistisch
vom Flughafen.
„Der Flughafen steht außerdem
für seine 130 Mitarbeiter und
rund 450 weitere Beschäftigte
in den Unternehmen im Umfeld.“
Von diesen Vorteilen profitieren
nicht nur die Thüringer, das Einzugsgebiet
reiche auch nach Sachsen, Ost-Hessen
und Nord-Franken, so Kotzan.
Brüssel hingegen sieht die Flut von Provinzflughäfen
als regionale Prestigeprojekte
in ganz Europa schon seit längerem mit
gemischten Gefühlen. Mit neuen Leitlinien
für Flughafensubventionen will die EU-Kommission
nun verhindern, dass weitere Steuergelder
in unrentable Landebahnen fließen.
Denn auch bei steigenden Nutzerzahlen wie
in Erfurt, das räumt auch Uwe Kotzan ein,
bleiben die allermeisten Flughäfen auf Subventionen
aus den öffentlichen Kassen angewiesen.
Deshalb fordert Brüssel nun: Zuschüsse
für den laufenden Betrieb von kleinen
und mittleren Airports sollen zwar
möglich sein, aber nur für einen begrenzten
Zeitraum von zehn Jahren. Dann muss
der rentierliche Betrieb des Flughafens sich
Verkehrsflughäfen in
den neuen Ländern
und Berlin
Berlin-Tegel
Berlin-Schönefeld
Dresden
Erfurt-Weimar
Heringsdorf
Leipzig/Halle
Magdeburg/Cochstedt
Neubrandenburg
Rostock-Laage
Schwerin-Parchim
Stralsund-Barth
selbst tragen. Aufwendungen
für hoheitliche Aufgaben
können auch weiterhin
bezuschusst werden.
Flughafen-Chef Kotzan begrüßt
die Brüsseler Regelung:
„Nun herrschen klare
Vorgaben, welche Beträge
ein Flughafen erwirtschaften
muss.“ 3,8 Millionen Euro
erhielt der Erfurter Flughafenbetreiber
zuletzt vom
Freistaat. Weniger als zuvor
erwartet, doch für die Gegner der Regionalflughäfen
immer noch zu viel.
Kotzan hält dagegen: „Die Fixkosten für die
hoheitlichen Aufgaben, etwa Flugsicherheit
oder Luftsicherheit, fließen nicht in
das Brüsseler Berechnungsverfahren ein.“
Ohne diese reduziere sich die operationelle
Deckungslücke, die es beim Erfurter Airport
zu schließen gelte, auf etwa 700.000 Euro.
„Nun müssen wir unsere Hausaufgaben machen.
Die Hauptaufgabe heißt Konsolidierung“,
gibt sich der Chef der Flughafen Erfurt
GmbH optimistisch, dass dem Erfurter
Flughafen langfristig vom Brüsseler Beihilferecht
keine Gefahr drohe. Der „wichtige Meilenstein
zur Erweiterung des Serviceangebotes
am Landesflughafen“ wie Uwe Kotzan
das Millionen-Investment des Dienstleisters
HAITEC nennt, ist dazu der erste gelungene
Schritt.
W+M
Passagierzahlen ausgewählter Flughäfen in den neuen
Bundesländern und Berlin 2013
Berlin-Tegel
Berlin-Schönefeld
Dresden
Erfurt
Leipzig/Halle
- 7 %
+ 16,8 %
- 2,0 %
- 5,2 %
+ 7,9 %
0 5 10 15 20
Quelle: Flughafenverband ADV Jährliche Passagierzahlen in Millionen
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
20 | W+M Länderreport
Figuren aus dem klassischen Schwanenservice und das Ess-Service aus der neuen COSMOPOLTAN-Serie der Porzellan-Manufaktur Meissen.
Die Schlammschlacht
Christian Kurtzke baut die Porzellan-Manufaktur Meissen zum Luxuskonzern um. Der Streit
darum tobt im Lande und ist zu einer regelrechten Schlammschlacht ausgewachsen. Doch
der Eigentümer, der Freistaat Sachsen, schaut bislang tatenlos zu.
Von Steffen Uhlmann
Die mächtige Schlammlawine kam über
Nacht und machte in Meißen erst kurz
vor der Porzellan-Manufaktur in der
Talstraße halt. Glück gehabt: Die altehrwürdige
Manufaktur mit ihren Schätzen aus über
drei Jahrhunderten blieb Anfang Juni von
den Unwetterfolgen verschont. Dafür brach
umso härter die schon seit Monaten anhaltende
Schlammschlacht um die Zukunft von
Europas ältester Porzellanmanufaktur nun
auch öffentlich aus. Das längst formierte
Heer von Leviten-Lesern macht seinem Ärger
über den Kurs von Geschäftsführer Christian
Kurtzke medienöffentlich Luft, Meissen zu
einem global agierenden Luxuskonzern umzubauen.
Ein Sammelsurium von Vorwürfen
haben Manufaktur-Fundamentalisten, Meißner
Bürgerbewegte, sächsische Lokal- und
Landespolitiker zusammengetragen. Ein regelrechtes
Scherbengericht tagt. Hier die Ankläger,
die die Zukunft der über 300 Jahre alten
Meissner Manufaktur ausschließlich mit
dem Porzellan und seiner Kunst verbinden.
Dort der Angeklagte Kurtzke, der die Tradition
genauso bewahren will, aber überzeugt
davon ist, dass sich die Manufaktur dafür
mittels neuer Produkte neue Märkte erschließen
muss, damit die traditionsreiche Porzel-
Geschäftsführer Christian Kurtzke
überreicht Sachsens Ministerpräsident
Stanislaw Tillich einen Füllfederhalter aus
dem Hause Meissen.
Fotos: Meissen, Osaka
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Sachsen | 21
lanherstellung langfristig finanziell abgesichert werden kann. Mit
seiner Luxusmarken-Strategie rackert Kurtzke dafür, als ginge es
ums Überleben. Geht es jetzt vor dem Scherbengericht auch – für
die Manufaktur, vor allem aber für ihren Chef selbst. Das weiß man
seit der griechischen Antike.
Was sichert Zukunft – Luxus oder Tradition? Die schon 1710 von
Sachsenkönig August dem Starken in Meißen gegründete Manufaktur
hat in den Folgejahrhunderten elf Kriege, Adel, Nazis und
Planwirtschaftler überlebt, ehe sie 1991 in die Hände des Freistaates
Sachsen geriet. Seitdem aber macht ihr der postsozialistische
Niedergang bürgerlicher Tischkultur schwer zu schaffen. Nicht nur
ihr, der ganzen Branche. Die neue Lifestyle- und Coffee-to-go-Generation,
die moderne Single-Haushalt-Bewegung hat mit Zwiebelmuster-
und Goldrand-Tassen, Kerzenhaltern im Barockstil, Tellern
oder Schüsseln im Rosendekor nicht mehr viel am Hut. Mehr mit
streng designten Sushi- oder Müsli-Sets. Und um die gut betuchten
Sammler und Silver-Ager buhlen nicht nur die Manufaktur-Betreiber,
sondern auch unzählige Fundus-Besitzer, die ihre über Jahre
angehäuften Klassiker nun direkt oder per Auktion anbieten. „Der
größte Konkurrent von Meissen“, sagt Kurtzke, „ist Meissen selbst.“
Europaweit, so Schätzungen von Branchenexperten, haben im letzten
Jahrzehnt gut drei Dutzend Porzellanmanufakturen diesen drastischen
Wechsel im Bereich Tisch und Tafel nicht überstanden. Die Not
war und ist groß, auch bei den deutschen Manufakturen. Keine
von ihnen ist in den letzten Jahren allein mit Porzellan wirtschaftlich
erfolgreich gewesen. So sind die öffentliche Hand
oder private Geldgeber gefordert, wenn es um die Bewahrung
von Porzellankunst und Tradition geht.
Als Kurtzke im Oktober 2008 als neuer Geschäftsführer er von
Meissen installiert wurde, wies die Manufaktur im gleichen
Jahr bei 32 Millionen Euro Umsatz satte 21 Millionen
Euro Verluste aus. Kurtzke aber legte los. Wie ein serker und für manche wie ein Elefant im Porzellanladen.
Er baute um, feuerte fast 200 der damals noch 800 Be-
Berschäftigten,
trennte sich von Mitgeschäftsführern und
verschlissenen Lagerbeständen. Der Wandel der Manuefaktur
in ein diversifiziertes Unternehmen, das neben
dem Kerngeschäft Porzellan andere Luxusgüter vertreibt,
nahm Gestalt an. Und damit die Chance, künftig
die verbliebenen über 600 Arbeitsplätze vor Ort zu
sichern, ohne dass Meissen dafür weitere Subventionen
vom Eigner Freistaat benötigt.
Zum feinen Porzellan kamen zunächst Schmuck, Füll-lfederhalter
und Uhren, später Möbel, Stoffe und Accessoires
und zuletzt auch die erste Meissner Modekollektion
– edle Kleider, entworfen von der jungen
Berliner Designerin Frida Weyer. Während Kurtzke
sich damit auf dem Weg wähnt, an dessen Ende in
Ein bis auf die Bücher vollständig mit Produkten der
Firma Meissen eingerichtetes Wohnzimmer.
einigen Jahren aus Meissen eine international bedeutende Luxus-
Gruppe, ein sächsisches Hermés mit Kerngeschäft Porzellan, geworden
ist, rechnen seine Kritiker mit ihm ab: Was bitteschön, fragen sie,
habe die Luxus-Expansion, außer Kosten für die öffentliche Hand
und Gefahren für die Porzelliner, bislang gebracht? Taumelt die Manufaktur
unter Kurtzke jetzt erst recht in eine lebensbedrohliche
Schuldenfalle? Wer sind die Leute hinter ihm, die seinen Kurs stützen?
Vermutet wird ein dubioses Netzwerk an Lieferanten und Abnehmern.
Und über allem die Frage: Steht am Ende des Weges gar die
Verschleuderung von „Sachsens Seele“ an einen privaten Investor?
Antworten darauf müsste der Eigner Freistaat geben. Doch der
hüllt sich in hartnäckiges Schweigen. Sachsens Finanzminis-
ter Georg Unland, dessen Emissär im Aufsichtsrat sitzt, will
sich prinzipiell nicht zu Meissen äußern. Bilanzen, Zah-
len und Strategien seien in Prüfung, heißt es lediglich
aus seinem
Hause. Dauer unbekannt. So muss Kurtz-
ke im Alleingang liefern. Und steht dabei enorm unter
Druck. Für den Aufbau seiner schönen neuen Luxuswelt
benötigt er
frisches Kapital, um die Anlaufinvestitio-
nen in Höhe
von etwa 25 Millionen Euro finanzieren zu
können. Die Manufaktur allein kann das nicht stem-
men, dafür fehlt ihr einfach die Kraft. Zumal der Umsatzsprung
mit Hilfe der Luxusgüter auf sich warten
lässt. 2013 hat Meissen nicht viel mehr als 40 Millio-
ne n Euro umgesetzt und dabei wieder Verluste eingefahren.
Doch für 2017 kündigt Kurtzke den Break
even an, sofern er seine Strategie konsequent umsetzen
kann. 2020 will der Meissen-Chef mit Hil-
fe von Franchisemodellen weltweit 300 Läden
betreiben und beim Umsatz die 100-Millionen-Grenze
überschreiten. Dann wäre das
sächsische Hermés unter seiner Leitung
aufgebaut. Bleibt die Frage, ob es dann
noch im Besitz des Freistaates ist.
Kleid „Grace“ von
W+M
Meissen Couture
(Preis: 8.250 Euro).
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
22 | W+M Länderreport
Erdöl-Metropole
als Leuchtturm in
der Uckermark
Die Stadt Schwedt an der Oder genießt als einer
der regionalen Wachstumskerne Brandenburgs
die besondere Förderung des Landes.
Einst eines der bedeutendsten Zentren des Tabakanbaus
in Deutschland, wird sie seit 50 Jahren
geprägt durch die Petrolchemie. Wichtigster
Arbeitgeber ist seit den 1960er Jahren die
heutige PCK Raffinerie GmbH.
Von Tomas Morgenstern
Die PCK Raffinerie GmbH
ist eine der modernsten
und effizientesten Erdöl-
Raffinerien in Europa.
Annähernd jedes zehnte Auto in Deutschland fährt mit Kraftstoff
aus der Uckermark. Doch die Stadt an der deutsch-polnischen
Grenze hat mit gravierenden Problemen zu kämpfen:
Seit 20 Jahren schrumpft die Bevölkerung, und die Arbeitslosigkeit
ist mit rund 15 Prozent überdurchschnittlich hoch.
Vor allem Ostdeutsche bringen Schwedt mit Erdöl in Verbindung:
Dass in der Oder-Stadt russisches Erdöl verarbeitet wird, das von
den sibirischen Ölfeldern bei Tjumen über die 5.300 Kilometer lange
Fernleitung „Druschba“ (Freundschaft) nach Schwedt fließt,
war in der DDR Allgemeinbildung. Vor genau 50 Jahren floss das
erste Öl durch die Pipeline. Das ab 1960 erbaute und 1970 zum Petrolchemischen
Kombinat (PCK) umgewandelte Werk beschäftigte
einmal mehr als 8.000 Mitarbeiter. In den 1990er Jahren privatisiert,
ist die heutige PCK Raffinerie GmbH eine der größten
und modernsten Raffinerien in Europa. Jährlich bis zu zwölf Millionen
Tonnen Erdöl werden hier zu Otto- und Dieselkraftstoffen
sowie Heizöl verarbeitet. „Wir gelten international als vorbildlich
hinsichtlich der Kosten, der Wirtschaftlichkeit, der Anlagenverfügbarkeit
und der Ausbeute an hellen Erdölprodukten“, erklärt
Pressesprecherin Vica Fajnor. Mit 1.200 Mitarbeitern und einem
Jahresumsatz von 2,1 Milliarden Euro sei PCK der größte Arbeitgeber
in der Uckermark. Weitere 2.000 Arbeitskräfte seien bei Service-Firmen
tätig.
PCK-Geschäftsführer Jos van Winsen hatte sich jüngst nachdrücklich
zu Schwedt bekannt: „Wir werden unseren Standort Stück für
Stück weiter modernisieren und seine Effizienz steigern.“ Und er
betonte, dass angesichts der Tatsache, dass ab 2017 nahezu die
Hälfte der derzeitigen Belegschaft das Rentenalter erreiche, auch
in Zukunft kein Mangel an Arbeitsplätzen herrschen werde.
Fotos: PCK Raffinerie GmbH, Stadt Schwedt/Oder
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Brandenburg | 23
Fünf Teile hat das längste Wandbild Deutschlands, mit dem der Künstler Hartmut Lindemann das PCK-Gebäude in Schwedt gestaltet hat.
Das vordringlich benötigte Personal lasse
sich nicht durch Umschuldung von Langzeitarbeitslosen
gewinnen, stellt die PCK-
Sprecherin klar. „Wir setzen zum einen auf
die Jugend in der Uckermark“, sagt sie und
verweist auf die langfristige, enge Kooperation
mit den Schulen in der Region. Das Unternehmen
bilde den Großteil seines Personalbedarfs
selber aus und schicke viele junge
Leute zum Studium. „Unsere Ausbildung
genießt einen exzellenten Ruf.“ Doch immer
häufiger wird auch ein Blick über die Grenze
nach Polen geworfen: Allein 40.000 junge
Leute studieren derzeit an der Technischen
Universität von Szczecin (Stettin).
Milliarden wurden investiert
Die Gesellschafter der PCK Raffinerie GmbH
haben in den vergangenen 20 Jahren rund
zwei Milliarden Euro in moderne Technologien
und den Umweltschutz investiert. Doch
nun wächst die Erwartungshaltung gegenüber
dem Land, der Stadt Schwedt und dem
Bund. Die Branche ist international unter
großem Druck. Vor allem die Konkurrenz im
arabischen Raum und in Asien sei enorm gewachsen,
heißt es. Die PCK kämpfe in einem
rückläufigen Markt mit hohen Stromkosten
und wachsenden Überkapazitäten. Daher
müsse mehr unternommen werden, um den
Standort attraktiver zu machen.
Demonstrative Zuversicht äußern alle Akteure
hingegen, wenn es um etwaige Auswirkungen
der aktuellen Krise in der Ukraine
und vor allem auch in den Beziehungen des
Westens zu Russland auf den Standort geht.
Groß ist das in 50 Jahren gewachsene Vertrauen
in Liefertreue der russischen Partner
und in Gesetzeskraft bestehender Verträge,
nicht zuletzt aber auch darin, dass die Vernunft
in dem Konflikt bald wieder die Oberhand
gewinnen wird.
Die Leiterin der Stabsstelle Wirtschaftsförderung
im Rathaus, Annekathrin Hoppe, erklärt:
„PCK ist für uns das absolut wichtigste
Unternehmen in der Region.“ Aber natürlich
gebe es auch andere bedeutsame Unternehmen
in Schwedt. Mit vier Papierfabriken und
-verarbeitungsfirmen zählt die Stadt zu den
größten Papierstandorten Deutschlands. Allein
auf dem PCK-Gelände arbeiten etwa 80
Unternehmen, vor allem Dienstleister. Verbio
betreibt hier sogar Anlagen zur Erzeugung
von Bio-Ethanol und -Diesel. Ein ebenso
wertvoller Standortfaktor ist das Uckermark-Klinikum
der Asklepios-Kette, ein
Krankenhaus der Schwerpunktversorgung
mit 420 Betten und 850 Angestellten.
Ein Schwedter Dauerproblem ist die Verkehrsinfrastruktur.
Zwar ist die Stadt über Bundesstraßen
(B 2 und B 166) an das Autobahnnetz
angebunden, verfügt über einen Bahnanschluss,
einen eigenen Grenzübergang und
einen modernen Binnenhafen mit Ostsee-Zugang
und Verbindung zum europäischen Wasserstraßennetz,
doch es hapert beim Ausbau.
Erst Mitte Mai hatte der Stopp des seit
fast 20 Jahren geplanten Ausbaus der B 198
zwischen der A 11 bei Joachimsthal und der
B 2 bei Herzsprung Schlagzeilen
gemacht.
Die Wirtschaftsförderung
mache Lobbyarbeit auf allen
Ebenen, sagt Annekathrin
Hoppe. Doch bei so
wichtigen Themen, wie der
Ertüchtigung der Hohensaaten-Friedrichsthaler
Wasserstraße
oder der Eisenbahnverbindung
nach Polen
sowie bei der Schaffung eines
neuen Grenzübergangs
außerhalb der Stadt komme
man allein nicht weiter. Hier müssten Land
und Bund mit ihren jeweiligen Partnern in
Polen zu Lösungen kommen. Die Pressesprecherin
von Schwedt, Corinna Müller, ist überzeugt,
dass die wirtschaftliche Zukunft von
der Stadt eng mit dem dynamisch wachsenden
Metropolenraum Szczecin mit seinen
schon heute mehr als 500.000 Einwohnern
verknüpft sein wird. Das frühere Stettin sei
bis 1945 das natürliche Einzugsgebiet der
Schwedter gewesen, erinnert sie.
Auf der Suche nach einem attraktiveren
Image versucht sich Schwedt unter Bürgermeister
Jürgen Polzehl (SPD) vorsichtig
vom Bild der Erdöl-Metropole zu lösen.
Der deutsch-polnische Nationalpark Unteres
Odertal, der in geschützten Naturräumen
zahlreiche seltene Tierarten beherbergt,
reicht bis an die Stadtgrenze. 10.000 Naturfreunde
zählt das Besucherzentrum im Ortsteil
Criewen jedes Jahr. Inzwischen wirbt die
Stadt auf ihrer Website auf grüne Art. „Herzlich
willkommen in der Nationalparkstadt
Schwedt/Oder“ heißt es da. Schwedt hat im
Oktober 2013 als erste Stadt in Deutschland
sogar seine Ortseingangsschilder mit dem Zusatz
„Nationalparkstadt“ versehen.
W+M
Schwedt wurde nach seiner Zerstörung am
Ende des Krieges als Wirtschaftsstandort neu aufgebaut.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
24 | W+M Länderreport
Auf dem Weg zum führenden Gesundheitsland
Mecklenburg-Vorpommern hat sich zum Ziel gesetzt, Gesundheitsland Nummer eins in
Deutschland zu werden – und bietet dafür beste natürliche Voraussetzungen für Genesung
und Erholung.
Von Steffen Piechullek
Der Hybrid-OP-Saal im Klinikum
Karlsburg ist einer der modernsten
in Norddeutschland.
Die Gesundheitsbranche in Vorpommern
hat sich in den vergangenen
zwei Jahrzehnten überaus dynamisch
entwickelt und zählt inzwischen zu
den wichtigsten Wirtschaftsfeldern der Region.
Etwa 30.000 Beschäftigte arbeiten mittlerweile
in den unterschiedlichen Bereichen
von Forschung über Pflege und Rehabilitation
bis hin zu Wellness – Tendenz steigend.
Der Gesundheits- und Wellness-Sektor zählt
zu den fortschrittlichsten und leistungsfähigsten
in Europa. Eine Vielzahl an Rehaund
Kureinrichtungen sowie Medical-, Wellness-
und Sporthotels mit einem vielfältigen
Angebot, moderner und leistungsorientierter
Infrastruktur und hohen Qualitätsstandards
profitiert von den natürlichen Gegebenheiten
der Region. Es sind vor allem das maritime
Klima, die saubere Luft und die intakte
Natur, vielseitige und abwechslungsreiche
Ausflugsmöglichkeiten wie die einmaligen
Sand- und Naturstrände sowie Küstenlandschaften
oder die traditionsreichen Seebäder,
die das Land so besonders machen.
Ergänzt wird diese Gesundheitsversorgung
durch Spitzenforschung. Schwerpunkte liegen
in den Bereichen Biowissenschaften,
Medizin und Medizintechnik, Molekularbiologie,
Plasmaphysik, Neurowissenschaften
und Onkologie. Hoch qualifizierte Mitarbeiter
und ein innovationsfreundliches Wirtschaftsklima
ziehen Unternehmen der Life
Sciences, Biotechnologien und Gesundheitswirtschaft
an. Vor allem zahlreiche kleine
Unternehmen nutzen die Nähe zur Universität
Greifswald, um sich anzusiedeln.
Die Universitäten und Fachhochschulen
in der Region bieten spezialisierte Ausbildungsmöglichkeiten
für den wachsenden Bedarf
an qualifizierten Fachkräften in allen
Fotos: Klinikum Karlsberg, INP Leibniz-Institut Ehlbeck/Derm
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Mecklenburg-Vorpommern | 25
Bereichen der Gesundheitswirtschaft und
Life Sciences. Das Medizinstudium an der
Universität Greifswald beispielsweise belegt
seit Jahren Spitzenplätze in bundesweiten
Hochschulrankings und ist äußerst beliebt
und begehrt.
In Greifswald steht das modernste Universitätsklinikum
Deutschlands, das auch international
eine hohe Reputation genießt.
Es versorgt mit seinen 870 Betten und 4.400
Mitarbeitern jährlich etwa 146.000 Patienten,
davon etwa 36.000 stationär, und gliedert
sich in 21 Kliniken und 19 Institute.
Das Klinikum Karlsburg hat sich national
und international als Herz- und Diabeteszentrum
einen guten Ruf erworben und plant
derzeit die Errichtung eines hochmodernen
Diabetes-Innovationszentrums mit integriertem
Klinikbereich. Hier werden die Voraussetzungen
dafür geschaffen, dass auch
zukünftig beste Bedingungen für Spitzenmedizin
und -forschung in Vorpommern vorhanden
sind.
Synergien finden sich ebenfalls mit Forschungsinstituten
und Kompetenzclustern.
Dazu zählt unter anderem die BioCon Valley
GmbH, welche sich als professionell organisiertes
Landesnetzwerk um die interdisziplinäre
Vernetzung von Wirtschafts- und Forschungsaktivitäten
kümmert.
Inkubatoren wie das BioTechnikum in Greifswald
bieten nicht nur günstige Labore und
Büroflächen, sondern entlasten unter anderem
die jungen Unternehmen von administrativen
Arbeiten, unterstützen das Management
und vermitteln die Kontakte für Kooperationen
und Projekte. Mit der beabsichtigten
Erweiterung des BioTechnikums und
dem Neubau eines PlasmaTechnikums wird
bis zum Jahr 2016 die erforderliche Infrastruktur
für die Aufnahme und Erweiterung
von Unternehmen der Branche geschaffen.
Spitzentechnologien vom Labor zum
Patienten – Plasmaforschung am
Leibniz-Institut in Greifswald.
Das Leibniz-Institut für Plasmaforschung
und Technologie e. V. (INP Greifswald) ist
europaweit die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung
zu Niedertemperaturplasmen.
Hier wurde der erste in Deutschland
zugelassene Plasma-Pen zur Wundheilung
entwickelt.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Region Vorpommern
die besten Voraussetzungen für
Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft,
Medizintechnik, Biotechnologie,
Plasmaforschung und -technologie bietet.
W+M
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
VOLKSSOLIDARITÄT
Greifswald-Ostvorpommern e.V.
26 | W+M Länderreport
Sächsisches Flaggschiff auf dem Gasmarkt
Die Verbundnetz Gas AG in Leipzig, die über Töchter mittlerweile
in 14 Ländern aktiv ist, zählt zu den führenden Erdgasimporteuren
Deutschlands. Konsequent baut man derzeit die eigene
Fördertätigkeit aus, um die Abhängigkeit von Lieferländern zu
verringern, und verbreitert zugleich die eigene Wertschöpfung
auch auf dem deutschen Markt.
Von Harald Lachmann
Als die Norweger am 17. Mai ihren Nationalfeiertag
begingen, wurde auch
in Leipzig gefeiert. Denn Dr. Karsten
Heuchert, der Vorstandsvorsitzende der Verbundnetz
Gas AG (VNG), ist auch norwegischer
Honorarkonsul für Brandenburg, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und
diese Nähe des drittgrößten deutschen Erdgasimporteurs
zum nordischen Königreich
kommt nicht von ungefähr. Erst zu Jahresbeginn
beendete VNG mit Erfolg weitere Erdgaserkundungen
auf dem norwegischen Kontinentalschelf.
Mittlerweile ist der einzige deutsche Top-
100-Konzern mit Hauptsitz im Osten über
seine Töchter VNG Norge und VNG Danmark
an über 30 Produktionslizenzen in Nordeuropa
beteiligt. Die Exploration, so Heuchert,
sei ein „wichtiger Teil unserer Unternehmensstrategie“.
Denn mit dem direkten
Zugriff auf eigenes Erdgas stärke man die
Unabhängigkeit des Gashandels gegenüber
Marktschwankungen. Mittel- bis langfristig
soll ein „bedeutender Anteil“ der jährlichen
Erdgasbeschaffung aus eigenen Quellen
sprudeln.
Der Leipziger Konzern will damit seine Position
im Markt festigen, stärker an der gesamten
Energiewertschöpfungskette teilhaben
und nicht zuletzt weniger abhängig von den
großen Lieferländern sein – neben Norwegen
auch Russland. Dennoch spielt der Handel
mit russischem Gas eine wichtige Rolle.
Immerhin hat VNG hier seine Wurzeln: Hervorgegangen
ist man aus einem DDR-Betrieb,
über den bereits seit 1973 russisches Erdgas
in den deutschen Osten floss. VNG – zwei
Tage vor der Währungsunion 1990 als erstes
ostdeutsches Großunternehmen privatisiert
– übernahm diese Lizenzen. Und als Heuchert
mit Gazprom-Vizechef Alexander Medwedjew
2013 in Leipzig den 40. Jahrestag der
russischen Erdgaslieferungen nach Deutschland
feierte, waren bereits über eine Billion
Kubikmeter durch die Pipelines zu VNG
geströmt.
Verdichterstation an der Erdgasleitung
von VNG bei Bobbau (Sachsen-Anhalt).
Fotos: VNG, Harald Lachmann
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Sachsen | 27
So ist es schon wichtig, wenn der Erdgasgroßhändler
vor dem Hintergrund der Ukraine-
Krise erst wieder im Juni versicherte, auch
weiter auf die Beziehungen zum Staatskonzern
Gazprom zu setzen. „Wir sind sicher und
haben das Vertrauen, dass sich daran nichts
ändert“, so Heuchert. Bestehe doch ein wechselseitiges
Interesse daran: Der russische
Energiegigant hält gut jede zehnte Aktie an
VNG und will dies gar weiter aufstocken.
Dr. Karsten Heuchert
VNG-Vorstandsvorsitzender
Dennoch bezieht die VNG-Gruppe, die heute
1.400 Mitarbeiter beschäftigt und in 14 Ländern
Europas aktiv ist, kaum noch ein Fünftel
des Gases aus dem angestammten Liefergebiet.
Von den 365 Milliarden Kilowattstunden
Erdgas, die sie 2013 einkaufte, basieren
nur noch 18 Prozent auf Langfristverträgen
mit Russland. Das Gros beziehe man nun über
Spotmärkte und nationale sowie internationale
Handelsplattformen, so Heuchert.
Dabei versetzte die etablierte Russland-
Kooperation VNG lange in eine privilegierte
Lage. Denn über jene Langfristverträge
schien man vor schwankenden Weltmarktpreisen
gefeit. Doch seit die USA durch Fracking
eigenes Schiefergas gewinnen, damit
Inspektion eines Erdgasspeichers von
VNG in Bad Lauchstädt. Durch dieses
riesige Ventil strömt Erdgas mit hohem
Druck in die unterirdischen Speicherkavernen
– und auch zurück.
als Abnehmer ausfallen und zudem noch Kohle
günstig nach Europa verschiffen, schwächelte
zuletzt spürbar der Gaspreis. Jene Verträge
und die darin vereinbarten Abnahmemengen
wurden damit zum Bumerang: VNG
rutschte 2011 in die Verlustzone, zahlte zwei
Jahre keine Dividende.
VNG mit Rekordergebnis
Doch das ist Geschichte. Als Heuchert zur Bilanzpressekonferenz
für 2013 bat, herrschte
wieder eitel Sonnenschein in der Leipziger
Braunstraße: Man hatte als VNG-Gruppe
dem bereits positiven Vorjahresergebnis
noch ordentlich etwas draufsetzen können.
Mit einem Jahresüberschuss von 174 Millionen
Euro (Vorjahr: 132 Millionen) verkündete
der Vorstandschef allein für das Mutterhaus,
die VNG AG in Leipzig, ein Rekordergebnis.
Vor allem die Geschäftsbereiche Gastransport
sowie Gashandel – gerade dieses Segment
baut man konsequent aus – hätten hierzu
beigetragen.
Zuvor war es gelungen, die Langfristverträge
mit Russland der neuen Marktsituation anzupassen.
Zudem bietet VNG in nun schon zehn
bundesweiten Verkaufsbüros seinen Kunden
– Stadtwerke, Regionalversorger, Industrieabnehmer
– „maßgeschneiderte Produkte“
an und verschaffe ihnen zugleich Zugang
zu den Großhandelsmärkten, so Heuchert.
Durch den Erwerb der Goldgas-Gruppe im hessischen
Eschborn war VNG überdies 2013 in
das bundesweite Privat- und Gewerbekundengeschäft
eingestiegen.
Unterm Strich erlöste die VNG AG im Vorjahr
mit 8,8 Milliarden Euro rund eine Milliarde
mehr als 2012. Bezogen auf die Gruppe mit
Standorten unter anderem in Litauen, Polen,
Tschechien und der Slowakei betrug der Umsatz
knapp elf Milliarden Euro. Der zum Konzern
gehörende Netzbetreiber Ontras bewirtschaftet
zudem mit über 7.200 Kilometern
das zweitgrößte deutsche Ferngasleitungsnetz.
Es durchzieht alle ostdeutschen Länder.
Mit vier Untergrundgasspeichern in Bad
Lauchstädt, Bernburg, Buchholz und Kirchheilingen
ist die VNG Gasspeicher GmbH auch
der drittgrößte deutsche Speicherbetreiber.
In Summe kann sich der Konzern mit 2,7 Milliarden
Kubikmetern Erdgas bevorraten.
Mithin verkörpern die Leipziger genau das,
was sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw
Tillich (CDU) noch deutlich mehr
wünscht: „Hauptsitze von Konzernen, die
auf dem Weltmarkt die erste Geige spielen“.
Man benötige „sächsische Flaggschiffe, die
andere Firmen mitziehen“. Immerhin kauft
VNG zwei Drittel aller Waren und Dienstleistungen
in Ostdeutschland ein, 2013 für 142
Millionen Euro. Zu 57 Prozent profitieren davon
Firmen aus Sachsen, was einen neuen
Rekord darstellt, gefolgt von Sachsen-Anhalt
(20 Prozent) und Brandenburg (11 Prozent).
Mithin sei man trotz der wachsenden
internationalen Ausrichtung „fest in unserer
Heimatregion Ostdeutschland verwurzelt“,
so Bodo Rodestock, Vorstand für Finanzen
und Personal.
Natürlich erzeugt all das Begehrlichkeiten.
Seit Jahren bereits rangeln große westdeutsche
Energiekonzerne um mehr Einfluss bei
VNG. Erst unlängst gelang es der EWE in Oldenburg,
durch den Zukauf von VNG-Aktien
ihre Mehrheit am Ostkonzern von zuvor
48 auf 63 Prozent zu erhöhen. Die Norddeutschen
stellen mit EWE-Finanzvorstand Heiko
Sanders den Aufsichtsratschef.
Eine Sperrminorität sicherten sich indes
schon vor Jahren Stadtwerke aus Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen. Sie bündeln ihre Anteile in
einer Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft
(VuB) mit Sitz in Leipzig, die für sie
treuhänderisch 25,79 Prozent der VNG-Anteile
hält. Gemeinsames strategisches Ziel sei es
hierbei, auch künftig Leipzig als Konzernsitz
zu sichern, so Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister
der Messestadt. Laut Sanders wurde
nun auch jene Standortsicherungszusage
in Form einer Vereinbarung gegeben. W+M
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
28 | W+M Politik
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht
im W+M-Interview:
„Wir haben blühende Landschaften“
Am 14. September 2014 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. In den Umfragen liegt die
CDU deutlich vorn. Allerdings macht sich auch die Linke Hoffnungen, erstmals in einem deutschen
Bundesland den Ministerpräsidenten zu stellen. WIRTSCHAFT+MARKT sprach mit der
christdemokratischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht über die politischen Konstellationen
in Erfurt, die Ergebnisse ihrer Wirtschaftspolitik und ihr persönliches Verhältnis zu Bundeskanzlerin
Angela Merkel.
W+M: Frau Lieberknecht, wie steht die thüringische
Wirtschaft ein Vierteljahrhundert
nach der politischen Wende im Osten
Deutschlands da?
Christine Lieberknecht: Ich habe großen
Respekt vor der Aufbauleistung, die hier
über ein Vierteljahrhundert inzwischen erbracht
worden ist. Die thüringische Wirtschaft
startete Anfang der 1990er Jahre aus
einem tiefen Tal der Tränen. Aber sie hat sich
heute robust aufgebaut, mit einer enormen
Branchenvielfalt. Vor allem die kleinen und
mittelständischen Unternehmen, sie sind
das Rückgrat der thüringischen Wirtschaft.
In den bundesweiten Dynamik-Rankings bezüglich
des Wirtschaftswachstums nehmen
wir seit Jahren Spitzenplätze ein. Darüber
hinaus sind wir Investitionsstandort Nummer
eins in Deutschland.
W+M: Wo liegen die Stärken der Wirtschaft
Thüringens?
Christine Lieberknecht: Die thüringische
Wirtschaft ist besonders geprägt durch kleine
Unternehmen und den Mittelstand in den
für unser Land typischen Branchen – allerdings
inzwischen technologisch hochmodern
aufgestellt. Das betrifft beispielsweise
die Automobilindustrie und die Zulieferindustrie,
sie ist der Wirtschaftsfaktor Nummer
eins. Was für Thüringen aber auch sehr
prägend ist, ist die Nahrungsmittelindustrie.
Und natürlich die optische Industrie. Sehr
zukunftsträchtig ist die Kunststoffindustrie
und wir haben Metall-, Elektro-, Maschinen-
und Werkzeugbau, die sich hervorragend
entwickelt haben. Es gibt kaum eine
Branche, die Sie in Thüringen nicht finden.
W+M: Wagen Sie eine Prognose, bis wann
eine Angleichung des wirtschaftlichen Niveaus
etwa an das Nachbarbundesland Hessen
gelingen kann?
Christine Lieberknecht: Wir haben eine topaufgestellte
Wirtschaft. Aber bei einigen signifikanten
Daten gibt es immer noch einen
Unterschied zur gewachsenen Struktur
in den alten Bundesländern. In Hessen oder
Bayern gibt es nicht wenige Hauptsitze von
großen Unternehmen und an einen Bankenplatz
Frankfurt kommen wir natürlich nicht
heran. Wir müssen nach wie vor in die Eigenkapitalausstattung
investieren. Unsere Wirtschaftsförderung
zielt darauf ab, die unverändert
vorhandene Produktivitätslücke zu
schließen. Wir fördern daher zunehmend den
Bestand, damit technische und technologische
Innovationen möglich werden, um mehr
Wertschöpfung und eine höhere Produktivität
zu erreichen. Was die Arbeitnehmer betrifft,
haben wir nach wie vor einen Aufholbedarf
bei den Löhnen. Die Zukunft liegt hier
in der Formel: Gute Arbeit für faire Löhne.
W+M: Braucht es für die Angleichung einen
Solidarpakt III für die neuen Länder
nach 2019?
Christine Lieberknecht: Wir haben bestehende
Verträge, die 2019 auslaufen. Für die
Zeit danach brauchen wir eine Neuordnung
des Länderfinanzausgleichs. Das schließt die
Antworten auf die Frage ein, wie geht man
künftig mit strukturschwächeren Ländern,
unabhängig von der traditionellen Ost-West-
Zuordnung, um. Einen Solidarpakt III schließe
ich von der Begrifflichkeit her aus. Für
temporäre Bedarfe als Hilfe zur Selbsthilfe
habe ich bereits im letzten Jahr die Einrichtung
eines Deutschland-Fonds angeregt.
Künftig ist die Solidarität aller Länder
für jene Regionen erforderlich, die Hilfe zur
Selbsthilfe benötigen.
W+M: Was hat Ihre Regierung in den vergangenen
fünf Jahren konkret getan, um die
heimische Wirtschaft weiter anzukurbeln?
Christine Lieberknecht: Man darf es nicht
vergessen: Wir kamen im Jahr 2009 aus der
tiefsten Wirtschaftskrise, die Deutschland
und Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs
erlebt haben. Daher mussten wir zunächst
die Wirtschaft flankierend unterstützen
– mit Förderpaketen, Kreditprogrammen,
Bürgschaften. Die Thüringer Unternehmen
hatten die Zeit der Krise bereits hervorra-
Foto: Susann Welscher
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Landtagswahlen 2014 | 29
Zur Person
Christine Lieberknecht wurde am 7.
Mai 1958 in Weimar geboren. Sie
wuchs als ältestes von vier Geschwistern
in Leutenthal auf, wo ihr Vater als
Pfarrer tätig war. Ihre Mutter arbeitete
als Krankenschwester. Nach dem Abitur
studierte sie bis 1984 Evangelische
Theologie an der Friedrich-Schiller-
Universität Jena. Anschließend wirkte
sie bis zum Jahr 1990 als Pastorin im
Kirchenkreis Weimar. Bereits 1981 trat
sie der CDU der DDR bei.
1990 startete ihre politische Karriere –
als Thüringer Kultusministerin. Später
war sie Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten,
Präsidentin des
Thüringer Landtags, CDU-Fraktionsvorsitzende
im Erfurter Landtag sowie
Sozialministerin. Seit 30. Oktober 2009
ist Lieberknecht Thüringer Ministerpräsidentin.
Christine Lieberknecht ist verheiratet
und Mutter zweier Kinder.
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30 | W+M Politik
gend dafür genutzt, sich auf die Zeit danach
vorzubereiten, mit Planungen, Weiterbildung
und der Entwicklung neuer Patente.
Hier konnten wir mit unserer Förderpolitik
erfolgreich ansetzen. Heute geht es den
Firmen und den Menschen besser als 2009.
Wir haben die Arbeitslosigkeit im Vergleich
zur letzten Dekade nahezu halbiert. Wir liegen
jetzt das erste Mal in einem Monat Mai
bei der Arbeitslosenquote unter acht Prozent
und wir werden insgesamt an die 7-Prozent-
Marke herankommen. In den Landkreisen an
den Grenzen zu Bayern, Hessen und Niedersachsen
haben wir schon heute eine wesentlich
geringere Arbeitslosigkeit, die mit den
benachbarten Alt-Bundesländern vergleichbar
ist. Das heißt: Thüringen als Land in der
Mitte holt auf und in Sachen Arbeitslosigkeit
haben wir uns bereits in die Mitte der Bundesländer
katapultiert. Ein Schlüssel unseres
Erfolgs ist das enge Zusammenspiel vieler
Firmen und Branchen mit der Wissenschaft.
Hier entstehen systemische Lösungen, die
unsere Firmen von ihrem technischen und
handwerklichen Know-how her international
wettbewerbsfähig machen.
W+M: Am 14. September 2014 wählen die
Thüringer einen neuen Landtag. Ihre Partei
liegt derzeit in den Umfragen bei 36 Prozent.
Wie wollen Sie Ihr Wahlziel 40 Prozent
+ x erreichen?
Christine Lieberknecht: Wir stehen ganz
solide da, aber es ist noch Luft nach oben.
Unser Ziel ist es, dass gegen die Thüringer
CDU keine Regierung gebildet werden kann.
Deswegen strengen wir uns in den verbleibenden
Wochen weiter an. Ganz wichtig ist
mir der direkte Kontakt zu den Bürgerinnen
und Bürgern. Es gibt in Thüringen etwa 2,2
Millionen Einwohner. Ich kann nicht jeden
Einzelnen kennen. Aber ich kenne sehr viele
Menschen in unserem Land. Ich habe in den
letzten fünf Jahren etwa 500 Unternehmen
in Thüringen besucht. Habe dort mit den Unternehmern
und Beschäftigten gesprochen.
Es gibt eine Tour, die ich Ende Mai gestartet
habe: „Lieberknecht direkt“. Hier sind die
Menschen eingeladen, auf die Marktplätze
oder zu den Veranstaltungsorten zu kommen.
Dort können sie mir jede Frage stellen. So
kennen mich die Menschen und so ist auch
meine Partei unterwegs.
W+M: Warum sollten Thüringens Unternehmer
Christine Lieberknecht wählen?
Christine Lieberknecht: Damit es den Unternehmen,
den Unternehmern, aber auch
den Beschäftigten nach den kommenden
fünf Jahren besser geht als heute. So wie es
ihnen heute besser geht als im Jahr 2009.
Politik muss ein Ziel haben: Den Menschen
muss es am Ende einer Wahlperiode besser
gehen als zuvor. Dieses Ziel haben wir in dieser
Legislaturperiode erreicht. Und das ist
gelungen – ohne Aufnahme neuer Schulden.
Wir mussten in den Jahren 2010 und 2011
mehr als 600 Millionen Euro Schulden zur
Überwindung der Krisenlasten aufnehmen.
Diese Schulden werden wir zum Ende dieses
Jahres komplett getilgt haben. Wir in Thüringen
machen keine neuen Schulden, das verbietet
sich von selbst. Eine schuldenfreie Legislaturperiode
– so etwas gab es in der Geschichte
des Freistaates noch nie.
W+M: Was wollen Sie in den kommenden
fünf Jahren für die Thüringer Wirtschaft
tun, sollten Sie erneut Ministerpräsidentin
werden?
Christine Lieberknecht: Ich möchte den
2009 eingeschlagenen Weg fortsetzen: Wir
haben blühende Landschaften, es ist sehr
viel entstanden. Wir haben technologisch
hervorragend aufgestellte Betriebe, die
weltmarktfähig sind, ein hervorragendes
Bildungssystem, wir haben mit der Polizeireform
in die innere Sicherheit investiert,
wir betreiben aktiv Landschaftsschutz, unsere
Landwirtschaft steht ausgezeichnet da.
Diesen Kurs wollen wir fortsetzen. Und ich
sage ganz klar, es ist ein realistisches Ziel
für Thüringen, am Ende der kommenden Legislaturperiode
Vollbeschäftigung zu haben
bei fairen Löhnen. Das ist meine Zielstellung.
Und diese Zielstellung ist dank unserer Unternehmer,
die die Ärmel hochkrempeln und
anpacken, auch realistisch.
W+M: Der flächendeckende Mindestlohn in
Höhe von 8,50 Euro wird von vielen Unternehmern
in den neuen Ländern als zu hoch
angesehen. Fürchten Sie, dass dadurch Arbeitsplätze
in Thüringen verloren gehen?
Christine Lieberknecht: Die Koalition in
Berlin hat ein Versprechen abgegeben, in
Sonderheit die Bundeskanzlerin: Es müssen
faire Löhne erzielt werden, aber sie dürfen
keine Arbeitsplätze kosten. Deswegen ist es
wichtig, dass wir eine Übergangsklausel haben
bis Ende 2016 und danach bei vorliegenden
Tarifverträgen überall der Mindestlohn
ab Januar 2017 gilt. Ich denke, dass das für
die Branchen, die betroffen sind, ein hinreichender
Übergangszeitraum ist, sich umzustellen.
Aber es gibt auch viele Betriebe, die
heute schon sagen, dass der Mindestlohn für
sie kein Thema mehr ist, weil sie ein deutlich
Fotos: Susann Welscher
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Landtagswahlen 2014 | 31
über dem Mindestlohn angesiedeltes Lohngefüge
haben. Wir sind in Thüringen von einem
sehr niedrigen Lohnniveau gekommen,
daher haben wir in der Tat im bundesweiten
Vergleich noch einigen Nachholbedarf.
Allerdings gibt es kein Bundesland, in dem
die Löhne mit einer ähnlichen Dynamik gestiegen
sind wie bei uns in Thüringen. Wir
kommen an der Tatsache nicht vorbei, dass
die Menschen von ihrer Arbeit leben müssen.
Daher bin ich der festen Überzeugung, dass
wir den Mindestlohn auch schultern werden.
W+M: Die von Bundeswirtschaftsminister
Gabriel konzipierte Energiewende sieht unter
anderem die Errichtung zusätzlicher Nord-
Süd-Stromtrassen vor, von denen auch Thüringen
betroffen wäre. Was halten Sie davon?
Christine Lieberknecht: Ich bin ein technologischer
Optimist. Ich habe die Energiewende
von Bundeskanzlerin Angela Merkel
vorbehaltlos unterstützt. Ich gehörte zu
den ersten Ministerpräsidenten, die unmittelbar
nach dem Reaktorunglück in Fukushima
eine Regierungserklärung abgaben.
Darin habe ich energiepolitische Ziele für
Thüringen definiert. Wir haben einen Energiepotenzialatlas
für Thüringen, der alle
Energiearten im Land auflistet. Und somit
leisten wir aktiv unseren Beitrag zur Energiewende.
Diesen Beitrag leisten wir auch
als Land in der Mitte Deutschlands, was den
Transport von Energie betrifft. Hier nenne
ich die Thüringer Strombrücke durch das
sensible Gebiet des Thüringer Waldes. Das
ist uns nicht leicht gefallen. Es hat dazu viele
Bürgergespräche und auch Proteste gegeben.
Aber wir haben eingesehen, dass wir
um diesen Beitrag nicht herum kommen. Ich
sage aber: Das ist der Thüringer Beitrag und
damit reicht es auch.
W+M: Ist die angestrebte Energiewende aus
Ihrer Sicht derzeit ausreichend durchdacht
und geplant?
Zum Interview in der Thüringer Staatskanzlei: Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht
mit W+M-Verleger Frank Nehring (r.) und Chefredakteur Karsten Hintzmann.
Christine Lieberknecht: Es ist etwas gelungen,
was die größten Kritiker anfangs
nicht geglaubt haben: Wir sind heute bereits
technologisch in der Lage, den Energiebedarf
über erneuerbare Energien zu decken.
Das hat noch vor drei Jahren kaum
jemand geglaubt. Wir haben natürlich das
Problem des Energietransports. Hier müssen
die Argumente stimmen und es muss einen
fairen Interessenausgleich geben. Was
ich nicht mache, sind falsche Deals. Die Notwendigkeit
der geplanten Trasse von Sachsen-Anhalt
nach Bayern stellt sich für mich
nach der Novelle des Erneuerbare-Energien-
Gesetzes deutlich anders dar als vorher. Wir
haben inzwischen begrenzte Ausbauziele
und wir haben überall entlang der geplanten
Trasse Menschen, die ihre Energieversorgung
über erneuerbare Energien selbst in
die Hand genommen haben. Ich kann doch
beispielsweise den Bauern in Bayern nicht
untersagen, dass sie ihre eigenen Potenziale
für die Energieversorgung nutzen und ihnen
dann, quasi als Dank, die Energie trasse
vor die Tür stellen. Das nenne ich Entmündigung.
Das würde die Vorzüge der Versorgung
mit erneuerbaren Energien von den Füßen
auf den Kopf stellen. Die Dezentralisierung
bietet jedem Menschen die Möglichkeit, Akteur
dieser Energiewende zu sein. Das war
das Credo der Energiewende in den letzten
drei Jahren. Die Novelle, die wir jetzt auf
dem Tisch haben, führt dieses Credo leider
nicht fort, sondern ist angehaucht von einem
Rest zentralistischen und monopolistischen
Denkens. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Jeder muss von der Energiewende profitieren
können, auch die Betreiber kleinerer
Anlagen, über die beispielsweise auch
unsere Landwirte verfügen. Bevor die Notwendigkeit
für die aktuelle Novelle des Gesetzes
nicht nachgewiesen ist, wird es dazu
aus Thüringen kein Ja geben.
W+M: Kommen wir noch einmal zur Landtagswahl:
Dank Ihrer persönlich guten Kontakte
zu maßgeblichen SPD-Politikern kam
es 2009 trotz der Althaus-Krise zur Bildung
einer schwarz-roten Landesregierung. Setzen
Sie auch diesmal auf diesen engen Draht?
Christine Lieberknecht: Ich bin immer dafür,
die Dinge klar beim Namen zu nennen.
Die Wahrheit ist: Im Thüringer Landtag gibt
es seit September 2009 eine Mehrheit von
SPD und Linken. Und es gibt eine satte Mehr-
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
32 | W+M Politik
W+M: Noch einmal nachgefragt: Was schätzen
Sie an der Bundeskanzlerin besonders?
Christine Lieberknecht: Die Kanzlerschaft
Angela Merkels zeichnet sich aus durch eine
hohe Souveränität. Sie hat eine sehr tiefgehende
Analysefähigkeit, die sie befähigt,
sich niemals treiben zu lassen, sondern dann
zu handeln, wenn sie es für richtig hält. Das
finde ich bemerkenswert und das hat der
deutschen Politik gut getan. Das Vertrauen,
das sie sich dadurch erworben hat, sowohl
bei den Menschen in Deutschland als auch
bei ihren internationalen Aufgaben, hat mit
dafür gesorgt, dass Deutschland gut durch
die vielen Stürme – sei es die internationale
Wirtschaftskrise oder die sich anschließende
Krise der nationalen Finanzmärkte
– gekommen ist.
heit von Rot-Rot-Grün. Dennoch ist die Koalition
unter Federführung der CDU seinerzeit
gebildet worden. Das heißt, Mathematik ist
das eine, aber die Chemie gehört auch dazu.
Aus dieser Mischung ist unsere Koalition gebildet
worden. Mein Ziel ist es, dass an der
CDU vorbei keine Regierung gebildet werden
kann. Nach der Wahl müssen wir sehen,
welche Koalitionsoptionen dann tatsächlich
möglich sind. Was ich ausschließen kann,
ist eine Koalition mit der Linken, da haben
wir diametral entgegengesetzte Programme.
Was ich ferner ausschließe, ist eine Koalition
mit der AfD. Die AfD ist keine Alternative für
Deutschland und auch nicht für Thüringen.
Über alles andere müssen wir reden. Neu ist,
dass die SPD nicht mehr ausschließt, einen
Linken zum Ministerpräsidenten zu wählen.
Ich kann nur sagen, ich verstehe die Sozialdemokraten
mit ihrer mehr als 150-jährigen
Geschichte hier nicht, wie sie als eigentlich
stolze Volkspartei freiwillig die Meinungsführerschaft
im linken Lager abgeben kann.
Ich vermute, alte Kampa-Strategen, die zuletzt
auch in Thüringen im Einsatz waren,
hätten das möglicherweise anders entschieden.
W+M: Können Sie sich wirklich vorstellen,
dass Ihr bisheriger Regierungspartner der
Linken erstmals in einem deutschen Bundesland
zur Übernahme eines Ministerpräsidentenamtes
verhilft?
Christine Lieberknecht: Ob ich mir das vorstellen
kann, ist sicher sekundär. Entscheidend
ist, dass die SPD das nicht mehr ausschließt.
So wie ich vor der Wahl Klarheit
hinsichtlich möglicher Koalitionen schaffe,
täte auch die SPD gut daran, für Klarheit
zu sorgen. Denn der Wähler will wissen, was
ihn nach der Wahl erwartet.
W+M: Sie und Ihr Politikstil werden manchmal
mit Angela Merkel verglichen. Wie eng
ist Ihr Draht zur Kanzlerin und wie sehr hat
sie Sie geprägt?
Christine Lieberknecht: Es wird Sie sicher
nicht überraschen, wenn ich sage, das
ist ein von Sympathie getragenes Verhältnis
seit vielen Jahren. Wir sind Anfang der
1990er Jahre gemeinsam in das CDU-Präsidium
gewählt worden, auf dem Dresdner Parteitag
1991. Seitdem haben wir einen engen
Kontakt. Und Sie wissen ja, wie Angela Merkel
ihre Kontakte pflegt, die Bilder mit dem
Handy sind sprichwörtlich. Und wenn Bedarf
besteht, gibt es jederzeit die Möglichkeit,
miteinander zu sprechen.
W+M: Die Wende in der DDR erlebten Sie
als Pastorin im Kirchenkreis Weimar. Woran
denken Sie speziell, wenn Sie persönlich auf
die Zeit des Umbruchs und Ihre Entwicklung
in den letzten 25 Jahren blicken?
Christine Lieberknecht: Ich war damals
nicht nur Pastorin im Landkreis Weimar. Ich
war DDR-weit in der evangelischen Jugendarbeit
tätig. Unvergessen ist mir der 9. November
1989, als ich in Berlin war. Da hatten
wir gerade im Keller des Berliner Doms den
ersten nichtstaatlichen Jugendverband gegründet
– die CDJ, den Jugendverband der
CDU, aus der dann später die Junge Union
wurde. Ich hielt dort ein recht emotionales
Plädoyer für die Wiederherstellung der Länder.
Bei dieser Konferenz erreichte uns dann
die Kunde, dass die Mauer offen ist.
W+M: Könnten Sie sich vorstellen, nach ihrer
Zeit als Ministerpräsidentin noch einmal
als Pastorin zu arbeiten?
Christine Lieberknecht: Ich kann mir so
vieles vorstellen. Eines weiß ich: Langweilig
wird es mir nie werden.
Interview: Karsten Hintzmann
und Frank Nehring
Foto: Susann Welscher
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
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34 | W+M Politik
Dohnanyi-Kolumne
Aufholjagd muss fortgesetzt werden
Der 9. November 1989 entblößte eine
DDR-Wirtschaft, die zu schwach
war, um in Freiheit zu überleben.
Ein staatlich getragener „Aufbau Ost“ war
die unvermeidliche Antwort.
Aber anders als Polen und die übrigen mittel-
und osteuropäischen Länder konnte
dies nicht ein Staat mit eigener Währung
sein. Die sofortige Vereinigung mit der alten
BRD war unausweichlich. Denn eine
neue und wiederum künstliche Grenze mit
Pass- und Zollkontrollen mitten in Deutschland
– und mitten in Berlin – war undenkbar
und auch politisch undurchführbar:
Man hätte sie sofort erneut gestürmt.
Doch die Vereinigung unter einer starken
D-Mark und mit dem kostspieligen Sozialsystem
der alten Bundesrepublik verschlang
viel Geld. Die Region der ehemaligen
DDR hätte damals eine Welle mutiger
Unternehmensgründungen gebraucht
– aber da ging man dann eben lieber gleich
nach Polen, die Slowakei, Ungarn oder noch
weiter nach Osten; wegen der niedrigeren
Löhne und günstigeren Gesamtkosten.
In den Industriestandorten der DDR gab es
viele Arbeitnehmer, die oft nur in diesen
Betrieben und auf diesem Technikstand
einsetzbar waren. Eine Erneuerung durch
betriebliche Dezentralisation und unternehmerischen
Gründergeist wäre erforderlich
gewesen, aber das war aus Kostengründen
schwierig.
Außerdem war in jahrzehntelanger Propaganda
das freie Unternehmertum als Klassenfeind
verunglimpft worden. Und bürgerliche
Eigenverantwortung hatte ebenfalls
unter sozialistischem Kollektivismus
gelitten. Dennoch erlebten wir eine Stimmung
des Aufbruchs: Erstickte Freiheit und
individuelle Tatkraft drängten nach vorn.
Aber die Bedingungen waren eben aus Währungs-
und Kostengründen oft erschwert.
Dennoch: Die Aufbruchstimmung zu nutzen
war wichtig. Und wo es gelang, ortsnahe
Unternehmer zu mobilisieren, zeigten
gerade diese oft beachtliche Erfolge im
„Aufbau Ost“.
Heute ist diese erste Aufbruchstimmung
verflogen; wirtschaftlicher Alltag bestimmt
das gesellschaftliche Klima Deutschlands.
Aber die „neuen“ Länder dürfen ihre Aufholjagd
nicht aufgeben. Anders als im Westen
fehlt es ja im Osten nicht an moderner
Infrastruktur. Aber neue Ideen, Unternehmensgründungen,
Wagniskapital und eine
privatwirtschaftlich-orientierte, staatliche
Aufbaustrategie bleiben unerlässlich.
Dazu bedarf es nicht nur guter ökonomischer
Rahmenbedingungen, einer anregenden
Wissenschafts- und Forschungsnähe
und risikobereiter Banken. Die Wirtschaftspolitiker
der neuen Länder wissen
das. Aber auch das politische Klima der
Parteien muss sich danach richten: Marktwirtschaft
segelt nicht gut mit Gegenwind!
Die sinnlose Kapitalismusschelte der Linken
ist keine gute Werbung für den deutschen
Osten.
Unser Kolumnist Klaus von Dohnanyi
ist Wirtschaftsexperte und war von
1972 bis 1974 Bundesminister für Bildung
und Wissenschaft und von 1981
bis 1988 Erster Bürgermeister der Freien
und Hansestadt Hamburg. Von 1990
bis 1994 arbeitete er an der Privatisierung
des Kombinats Tagebau-Ausrüstungen,
Krane und Förderanlagen TAK-
RAF. Von 2003 bis 2004 war er Sprecher
des Gesprächskreises Ost der Schröder-
Regierung.
Das gilt insbesondere deswegen, weil heute
viele gut ausgebildete junge Menschen
nach Deutschland strömen. Hier wäre eine
große Chance für die neuen Länder, ihre
demographischen und Gründerdefizite anzupacken.
Doch die „neuen“ Länder gelten
leider nicht als offen genug gegenüber Migranten;
gelegentlich wird ihnen sogar
Fremdenfeindlichkeit nachgesagt. Migranten
zeigen aber im Westen eine besonders
starke Gründerbereitschaft. Die Frage
der Offenheit für Migration ist deswegen
für die neuen Länder heute besonders
wichtig. Ostdeutschland ist auf Migranten
noch mehr angewiesen als der Westen. Eine
standortbezogene Offensive der „neuen“
Länder für Zuwanderung würde die Gründerchancen
in der neuen Ländern wesentlich
verbessern.
W+M
Foto: Privat
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Politik | 35
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Mai 2014
Stabilisierung der ostdeutschen
Wirtschaft auf hohem Niveau
20
15
10
5
0
-5
-10
-15
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-25
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20
10
0
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-20
-30
ifo Geschäftsklima und ifo Beschäftigungsbarometer für
die gewerbliche Wirtschaft* Ostdeutschlands
ifo Geschäftsklima und ifo Beschäftigungsbarometer für die
gewerbliche Wirtschaft a) Ostdeutschlands
ifo Geschäftsklima
ifo Beschäftigungsbarometer
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten
Quelle: ifo Konjunkturtest 05/2014 ©
ifo Geschäftsklima für die einzelnen Wirtschaftsbereiche
in Ostdeutschland
ifo Geschäftsklima für die einzelnen Wirtschaftsbereiche in
Ostdeutschland
Bauhauptgewerbe
Verarbeitendes
Gewerbe
Groß- und Einzelhandel
Der ifo Geschäftsklimaindex für die
gewerbliche Wirtschaft* der ostdeutschen
Bundesländer hat sich im
Mai etwas verschlechtert. Die pessimistischen
Stimmen in der ostdeutschen
Wirtschaft werden wieder etwas
lauter. Mit ihrer derzeitigen Geschäftssituation
sind die Befragungsteilnehmer
in Ostdeutschland nicht
so zufrieden wie noch im April 2014.
Auch die Erwartungen an den zukünftigen
Geschäftsverlauf haben sich eingetrübt.
Trotz des Rückgangs des ifo
Geschäftsklimaindex befindet sich
die ostdeutsche Wirtschaft weiter auf
Wachstumskurs. Für den Arbeitsmarkt
in Ostdeutschland hingegen werden
die Wolken am Himmel etwas dunkler:
Das ifo Beschäftigungsbarometer für
die ostdeutsche Wirtschaft ist im Mai
das dritte Mal in Folge gefallen. Die
hiesigen Unternehmen planen insgesamt,
ihren Personalbestand in der nahen
Zukunft zu reduzieren.
In den einzelnen Bereichen zeigt sich,
mit Ausnahme des Bauhauptgewerbes,
eine ähnliche Tendenz. Während
der Klimaindikator im Verarbeitenden
Gewerbe nur minimal zurückging,
trübte sich das Geschäftsklima
im ostdeutschen Handel merklich ein.
Einzig im Bauhauptgewerbe ist eine
Verbesserung zu beobachten.
Robert Lehmann und
Prof. Joachim Ragnitz
-40
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Saisonbereinigte Saldenwerte in Prozentpunkten
Quelle: ifo Konjunkturtest 05/2014 ©
*Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation
aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe
sowie Groß- und Einzelhandel
verstanden.
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36 | W+M Politik
Mindestlohn schwächt Mittelstand
Trotz vielfacher Kritik hält Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles unbeirrt an der geplanten Einführung
des gesetzlichen Mindestlohns fest. Dies trifft besonders die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer
Unternehmen in Ostdeutschland. Der Unternehmerverband Sachsen fordert deshalb
Korrekturen.
Von Matthias Salm
Für Jürgen Zeibig steht fest: „Die
meisten kleineren Mittelständler
ahnen noch gar nicht, was auf
sie zukommt.“ Zeibig spricht als Vorstandsmitglied
im Unternehmerverband
Sachsen, mehr noch aber als von
der Mindestlohn-Regelung betroffener
Unternehmer. Aus Gesprächen mit
vielen sächsischen Unternehmerkollegen
hat Zeibig den Eindruck gewonnen,
dass die Folgen des Mindestlohns
insbesondere für ostdeutsche Mittelständler
bislang noch unterschätzt
werden.
Für den Geschäftsführer eines Oberlausitzer
Industrieunternehmens hingegen
sind die Konsequenzen eines
flächendeckenden Mindestlohns von
8,50 Euro für das eigene Unternehmen
bereits jetzt absehbar. „Es wird zu einem
Abbau von Arbeitsplätzen kommen“,
erklärt Zeibig, demzufolge der
Mindestlohn damit gerade die treffen
werde, denen er eigentlich helfen solle.
Im Gegenzug zu anderen Branchen wie etwa
dem Friseurhandwerk, in denen Unternehmen
bereits angekündigt haben, die Kostensteigerungen
an die Verbraucher weiterzureichen,
stehen beispielsweise Zulieferer der
Automobilindustrie in einem starken Wettbewerb
auch mit Unternehmen jenseits der
Grenze mit deutlich geringerem Lohnniveau.
Ähnlich sieht es der Unternehmerverband
Sachsen, der deshalb seine Kritik an der Mindestlohn-Einführung
in einem jüngst veröffentlichten
Positionspapier eindringlich
formuliert. Diese entzündet sich schon am
Begriff des Mindestlohns, „erfasst er doch
weder die Leistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld
sowie die Leistungszuschläge
und stellt sich als Grundlohn dar“, heißt es
in dem Positionspapier des Unternehmerverbands,
der stattdessen für eine Lohnuntergrenze
plädiert, bei der diese Leistungen mit
einfließen.
Der Unternehmerverband Sachsen fordert
Korrekturen des Gesetzesentwurfs. Diese
sollten berücksichtigen, dass bei der Einführung
einer Lohnuntergrenze
• eine Differenzierung nach Branchen und
Regionen erfolgen müsse,
• eine Ausnahmeregelung für die von der
Lohnuntergrenze gefährdeten Unternehmen
geschaffen werden müsse,
Erntehelfer erhalten häufig Niedriglöhne.
• sonstige Lohn- und Sonderzahlungen einzubeziehen
sind und
• der Anreiz für Jugendliche bestehen bleibe,
eine Ausbildung anzutreten. Eine Altersgrenze
von 18 Jahren erscheint aus
diesem Grund für nicht ausreichend, da
viele die Ausbildung erst deutlich später
antreten.
Der Mindestlohn gilt ab 1. Januar 2015. Ausnahmen
gibt es bis Anfang 2017 für Branchen
mit einem Tarifvertrag, der Stundenlöhne
von weniger als 8,50 Euro vorsieht.
Ausgenommen sind auch Jugendliche bis 18
Jahre, Langzeitarbeitslose und Pflichtpraktikanten.
Auszubildende bekommen keinen
Mindestlohn.
W+M
Fotos: Alexander Spörr/fotolia.com, Inga Haar, Thomas Kierok, pressmaster/fotolia.com
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Politik | 37
+
Die mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind den großen
Konzernen in Sachen Diversity häufig weit voraus. Viele Unternehmen
haben erkannt, dass Frauen in Führungspositionen einen
wichtigen Beitrag leisten: Vielfältig besetzte Management- und
Kontrollgremien sorgen – so das Ergebnis zahlreicher Studien – auch
für bessere Unternehmensergebnisse. Wichtig ist aber vor allem das
Signal nach außen: Wer hoch qualifizierte AbsolventInnen gewinnen
will, muss zeigen, dass Karrierewege im Unternehmen beiden
Geschlechtern offen stehen und
dies mit Frauen in Führungspositionen
als Vorbild auch verdeutlichen.
Bei börsennotierten und öffentlichen
Unternehmen hat die freiwillige
Selbstverpflichtung der
Wirtschaftsverbände aus dem
Jahr 2001 bisher keine nachhaltige
Verbesserung gebracht. Daher ist es erforderlich, mit einer Mindestquote
den im Grundgesetz geregelten Anspruch auf gleichberechtigte
Teilhabe von Frauen und Männern durchzusetzen. Nur so
kann das Ähnlichkeitsprinzip bei der Auswahl der KandidatInnen
für Spitzenpositionen überwunden werden.
Die Bundesregierung setzt beim Gros der Unternehmen weiterhin
auf eine freiwillige Regelung. Sie werden sich künftig an den eigenen
Vorgaben messen lassen müssen. Kleinere Betriebe sind zu Recht
Monika Schulz-
Strelow
Präsidentin
des FidAR
– Frauen in
die Aufsichtsräte
e. V.
Braucht auch der Mittelstand
eine Frauenquote
für Führungspositionen?
ausgespart. Wer dann immer
noch glaubt, null Prozent
Frauen an der Spitze seien
genug, wird gegenüber
Bewerberinnen wie
Kundinnen in Erklärungsnot
geraten.
Unternehmen mit einem
innovativen Selbstverständnis,
die Frauen die
gleichen Chancen
eröffnen
wie Männern,
gehört die
Zukunft.
Mit der Frauenquote von 30 Prozent greift die Politik direkt
in die Personalentscheidungen der Aktionäre großer
Unternehmen ein. Aber als börsennotierte oder mitbestimmte
Unternehmen sind auch viele Mittelständler zumindest
von der sogenannten Flexiquote bei der Auswahl von
Vorständen und anderen
Führungspositionen
betroffen.
Sie dürfen zwar
selbst bestimmen,
welchen Frauenanteil
sie sich zum
Ziel setzen. Viele
in der Wirtschaft
befürchten aber,
dass hier ein Einfallstor für weitergehende Pflichten aufgemacht
wird.
Viel sinnvoller wäre es, sich mit den Gründen zu beschäftigen,
warum weniger Frauen als Männer in Spitzenpositionen gelangen.
Vor allem längere Familienpausen, die Beschäftigung
mit wenigen Wochenstunden, fehlende Vereinbarkeit von Beruf
und Familie und ein zu enges Berufswahlspektrum
sind hier
ausschlaggebend. Ausreichende
Kinderbetreuung
in Kitas und Ganztagsschulen
sind Grundvoraussetzung
dafür, dass
mehr Frauen Führungsjobs
übernehmen können.
Hier sollte der Staat
ansetzen, damit die
Karriere junger Frauen
mit Kindern in
Top-Positionen
zur Selbstverständlichkeit
wird.
Dr. Eric Schweitzer
Präsident des
Deutschen
Industrie- und
Handels kammertages
(DIHK)
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
38 | W+M Politik
Die Energiewende darf nicht
zum Standortnachteil werden
Die von der Bundesregierung eingeläutete Energiewende birgt enorme Chancen und Entwicklungsperspektiven
für die heimische Wirtschaft. Aber auch erhebliche Risiken. Über all diese
Aspekte soll auf dem Ostdeutschen Energieforum debattiert werden, das am 3. und 4. September
in Leipzig stattfindet. W+M befragte im Vorfeld wichtige Teilnehmer des Energieforums zu
Ihren Positionen.
Kosten müssen
kalkulierbar sein
Hartmut Bunsen
Präsident des Unternehmerverbandes
Sachsen
Als Chance sehe ich, dass wir uns durch die
Umsetzung der gesteckten Ziele von Rohstofflieferungen
aus dem Ausland unabhängig
machen können. Die Ukraine-Krise zeigt
uns diese Gefahr gerade mehr als deutlich.
Darüber hinaus müssen wir uns immer wieder
die ökologischen Vorteile vor Auge führen.
Hier können wir weltweit eine Vorreiterrolle
einnehmen.
Wir müssen aber aufpassen, dass die Energiewende
für Deutschland nicht zum finanziellen
Desaster wird. Die Kosten müssen
kalkulierbar bleiben und auf alle gleich
verteilt werden. Die kleinen und mittelständischen
Unternehmen in Ostdeutschland
sind von den steigenden Energiepreisen
schon jetzt besonders stark betroffen. Weitere
Investitionen in die benötigen Netze,
die ja regional auf die Preise umgelegt werden,
kann sich die ostdeutsche Wirtschaft
einfach nicht leisten. Hier muss die Bundesregierung
unbedingt nachbessern und bezahlbare
Energie für alle gewährleisten, unabhängig
vom Standort. Für Gesamtdeutschland
muss der Schwerpunkt auf Forschung
und Entwicklung im Bereich der ökonomischen
Speicherung gelegt werden. Nur mit
dieser ist, aus meiner Sicht, die Umsetzung
der Energiewende zu schaffen. Dies werden
wir auf dem 3. Ostdeutschen Energieforum
am 3. und 4. September in Leipzig mit den
Vertretern von Politik, Energiewirtschaft,
Wissenschaft und dem Mittelstand diskutieren
und unsere Forderungen klar artikulieren.
Die neuen Technologien in Bereichen wie
beispielsweise der Solarenergie und -thermie,
Windkraft und Biogas haben tausende
neue Jobs geschaffen und sind mittlerweile
ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auf den bisherigen
Erfolgen dürfen wir uns aber nicht
ausruhen. Die Forschung und Entwicklung
sowie die Produktion muss in Deutschland
bleiben – dafür haben Politik und Wirtschaft
gemeinsam Sorge zu tragen. Von den steigenden
Energiepreisen sprach ich bereits.
Viele der Mittelständler in Ostdeutschland
stehen im nationalen, europäischen und internationalen
Wettbewerb und weitere Preissteigerungen
sind von den recht knappen
Gewinnen nicht abzufedern. Die Mehrheit in
Deutschland hat die Energiewende gewollt,
jetzt müssen wir sie für alle verträglich umsetzen
und uns gegebenenfalls nicht scheuen,
einzelne Ziele zu korrigieren.
Netzentgelte
zu hoch
Wolfgang Topf
Präsident der IHK
zu Leipzig
Die Auswirkungen der Energiewende sind
differenziert zu betrachten. Je nach Branche
kommt sie den einen Unternehmen zugute,
während andere mit großen Belastungen
konfrontiert werden. Einerseits bietet der
Fokus auf erneuerbare Energien viel Innovationspotenzial.
Neue Geschäftsmodelle mit
g uten Renditeaussichten haben sich entwickelt;
im Forschungsbereich wurde ein Innovationsschub
ausgelöst. Andererseits ist
die Energiewende mit unerwünschten Nebenwirkungen
verbunden: Deutsche Unternehmen
sehen sich innerhalb Europas mit einem
der höchsten Strompreise konfrontiert,
die sächsischen Unternehmen zusätzlich mit
Netzentgelten über dem Bundesdurchschnitt.
Die steigenden Kostenbelastungen aufgrund
staatlicher Abgaben – allen voran die EEG-
Umlage – werden für sie zum Standortnachteil
innerhalb Europas. Für energieintensive
Unternehmen müssen deshalb weiterhin Ausnahmeregelungen
möglich sein, um Abwanderungen
zu vermeiden. Zumindest führt der
Kostendruck bei den Unternehmen immerhin
dazu, mehr für Energieeffizienz zu tun.
Fotos/Graphik: Sächsische Staatskanzlei/Jürgen Jeibmann, Uwe Schossig, angelha/fotolia.com
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Energiewende | 39
Europäisierung
der Energiepolitik
Günther Oettinger
EU-Kommissar für Energie
Bei der Energiewende ist auf die richtige Reihenfolge zu achten:
Deutschland braucht dringend eine Initiative für den Netzausbau.
Erst müssen leistungsstarke Verbindungen geschaffen und
parallel dazu Speicherkapazitäten entwickelt werden – dann erst
hat es Sinn, neue Solar- und Windanlagen zu fördern. Wichtig ist
auch, dass die Anlagen an Orten errichtet werden, wo das Verhältnis
zwischen Kosten und Nutzen stimmt – also wo die Sonne
zur Genüge scheint, beziehungsweise der Wind auch ausreichend
weht. Das war in der Vergangenheit nicht immer so.
Es bedarf generell einer Europäisierung der Energiepolitik, besonders
auch im Hinblick auf die Erneuerbaren. Die Kommission
hat mit den neuen Leitlinien für die Förderung von Erneuerbaren
und den Vorschlägen im Rahmen des Energie- und Klimapakets
für 2030, die Ende Juni von den Staats- und Regierungschefs
beraten wurden, wichtige Weichenstellungen in diese Richtung
vorgenommen.
Kohleverstromung
mittelfristig unverzichtbar
Stanislaw Tillich
Ministerpräsident Sachsen
Die Energiewende bietet uns die Chance auf eine nachhaltige Energieversorgung,
unabhängig von Rohstoffimporten. Das wird uns aber nur
gelingen, wenn wir die Fehler der Vergangenheit künftig vermeiden.
Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif – wir dürfen sie aber
auch nicht unnötig weiter verteuern. Deshalb können wir es uns
nicht leisten, mittelfristig aus der Kohleverstromung auszusteigen.
Die Braunkohle ist der Partner der erneuerbaren Energien, denn sie
garantiert als grundlastfähiger und kostengünstiger Energieträger
Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Stroms.
Bei der künftigen Förderung der erneuerbaren Energien benötigen
wir zudem mehr marktwirtschaftliche Elemente, um die Kosten vertretbar
zu halten. Die EEG-Novelle ist ein erster Schritt in die richtige
Richtung – weitere, mutigere Schritte müssen folgen. Wenn wir im
Herbst über weitere Bestandteile der Energiewende – wie die Netzentgelte
oder mögliche Kapazitätsmechanismen – entscheiden, wird sich
zeigen, ob am Ende Chancen oder Risiken überwiegen.
Neue Produkte sind gefragt
Jens-Mathias Diener
Leiter Dezentrale Geschäftsmodelle bei envia
Mitteldeutsche Energie AG (enviaM)
Die Energiewende verändert den Vertrieb fundamental. Die Energieversorgung
wird dezentraler, grüner und effizienter. Der Kunde
möchte Strom zunehmend selbst erzeugen, speichern und vermarkten
und angesichts anhaltend hoher Endkundenpreise möglichst intelligent
und energiesparend nutzen. Dies stellt den Vertrieb vor völlig
neue Herausforderungen. Mit dem klassischen Verkauf von Kilowattstunden
ist es da nicht mehr getan. Gefragt sind neue Produkte
und Dienstleistungen, die den veränderten Kundenbedürfnissen
entsprechen. Wer hier nicht rasch handelt, wird gegenüber der Konkurrenz
sehr schnell das Nachsehen haben. Dies gilt insbesondere
in Ostdeutschland, wo die Energiewende an vielen Stellen sehr viel
weiter vorangeschritten ist als in anderen Regionen Deutschlands.
Ausbau der Stromnetze
alternativlos
Dr. Andreas Reichel
Mitglied des Vorstands der E.DIS AG
Die Energiewende stellt für Netzbetreiber in Ostdeutschland eine große
Chance, aber auch eine enorme Herausforderung dar. Im Netzgebiet
der E.DIS in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, treffen
eine hohe Grünstromeinspeisung und ein geringer Stromverbrauch
aufeinander. So lag der Grünstromanteil im Vergleich zum Netzabsatz
der E.DIS in 2013 bei 80 Prozent. Deshalb führt am Ausbau der
Stromnetze – hauptsächlich zum Abtransport des Grünstroms in verbrauchsstarke
Regionen – kein Weg vorbei. Dafür haben wir rund 100
Millionen Euro im Jahr eingesetzt, was sich in den Netzentgelten im
Nordosten niederschlägt. Andererseits sind wir gemeinsam mit einem
Schwesterunternehmen dabei, Speichertechnologien im brandenburgischen
Falkenhagen zu erproben, wo aus überschüssigem Windstrom
Wasserstoff hergestellt wird, der dann in den Gasnetzen gespeichert
und später wieder in Strom oder Wärme umgewandelt wird. So könnten
Grünstrom-Einspeisespitzen beherrscht und gleichzeitig nur soviel
neue Leitungen gebaut werden, wie wirklich erforderlich sind.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
40 | W+M Politik
Ostdeutschland nicht
über Gebühr belasten
Iris Gleicke
Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium
und Ostbeauftragte
bis 2050 und der globale Trend steigender Rohstoffpreise werden
auch in Zukunft eine verlässliche Grundlage für Unternehmen im
Bereich der erneuerbaren und energieeffizienten Technologien sein.
Erdgas hat Zukunft
Ostdeutschland ist bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren
Energien führend und damit Vorreiter bei der Umsetzung der Energiewende,
die dem Industriestandort Ostdeutschland neue Perspektiven
eröffnet, etwa bei den Speichertechnologien, bei der Steuerung
von Energienetzen oder bei der Energieeffizienz. Und dennoch ist
auch im Osten bei der Energiewende nicht alles eitel Sonnenschein.
So führt der Bau von Windrädern ebenso wie das Thema Netzausbau
zu Akzeptanzproblemen vor Ort, und an der Entwicklung der Stromkosten
und an den im Osten höheren Netzentgelten gibt es zum Teil
massive Kritik. Die gegenüber Westdeutschland durchschnittlich höheren
Stromkosten dürfen nicht dazu führen, dass die Ostdeutschen
über Gebühr belastet werden. Mit ihrer aktuellen EEG-Reform setzt die
Bundesregierung an, den weiteren Kostenanstieg spürbar zu bremsen
und zugleich die Marktintegration der erneuerbaren Energien voranzutreiben
– der Neustart der Energiewende hat bereits begonnen.
Wachstumspotenziale für
den Mittelstand
Dr. Barbara Hendricks
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
Klimaschutzpolitik und Energiewende haben in Deutschland weitreichende
Anreize für Investitionen, Technologieentwicklung und
Beschäftigung gesetzt. Diese Anreize werden durch global rasant
steigende Rohstoffkosten verstärkt. Erneuerbare und energiesparende
Technologien werden damit weltweit attraktiv. Der Weltmarkt
wird in diesem Bereich bis 2025 um mehr als das Doppelte wachsen.
Deutsche Unternehmen sind hier Weltmarktführer. Insbesondere in
Mittelstand und Handwerk bestehen große Wachstumspotenziale.
Hier entstehen die Arbeitsplätze von morgen. Studien gehen davon
aus, dass die Zahl der Beschäftigten in der Umweltbranche binnen
zehn Jahren um eine Million auf 2,4 Millionen im Jahr 2025 steigen
wird. Die deutschen Energiewendebeschlüsse mit ihren Klimazielen
Dr. Karsten Heuchert
Vorstandsvorsitzender der Verbundnetz Gas AG
(VNG)
Die Diskussionen um die Energiewende haben die Erkenntnis gebracht,
dass diese ohne Erdgas nicht zu schaffen ist. Wir brauchen
auch dann Energie, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht
weht. Hier ist Erdgas noch viele Jahrzehnte wegen seiner Flexibilität,
Sauberkeit und Zuverlässigkeit unverzichtbar. Jedoch ist das Potenzial
von Erdgas noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn Deutschland und
die EU die CO 2 -Emissionen kostengünstig reduzieren wollen, kommen
sie an Erdgas nicht vorbei – weder im Wärme- und Strommarkt noch
bei der Mobilität. In Ostdeutschland hat der Energieträger Erdgas in
den 1990er Jahren schon einmal bewiesen, dass eine Energiewende
möglich ist, denn gemeinsam mit unseren kommunalen Partnern
haben wir das mit Hilfe von Kohlevergasung hergestellte Stadtgas
durch das umweltfreundliche Erdgas ersetzt. Auch im anbrechenden
Zeitalter der erneuerbaren Energien wird Erdgas ein nachhaltiger
Bestandteil einer sicheren, klimafreundlichen und bezahlbaren
Energiezukunft in Europa sein.
Transparenz beim Netzausbau
Boris Schucht
Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz
Die Energiewende gilt als größtes Transformationsprojekt seit der
Wiedervereinigung. Gerade für die neuen Länder stellt der Systemumbau
hin zu den Erneuerbaren eine große wirtschaftliche Chance
dar. Der Anteil des grünen Stroms am Gesamtstromverbrauch im
50Hertz-Gebiet lag 2013 bereits bei 37 Prozent. Dies ist eine Erfolgsstory,
die fortgeschrieben werden muss!
Größte Herausforderung ist, Gesellschaft und Politik auf diesem Weg
Fotos/Graphik: Bundesregierung/Sandra Steins, VNG AG/Michael Handelmann, angelha/fotolia.com
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
OSTDEUTSCHES ENERGIEFORUM
03./04. SEPTEMBER 2014
ENERGIE FÜR DIE ZUKUNFT
3. SEPTEMBER 2014
ERÖFFNUNGSABEND IM HOTEL
‘THE WESTIN LEIPZIG’ VERANSTALTET
DURCH DIE IHK ZU LEIPZIG
ab 19:00 Uhr
Eintreffen der Gäste / Registrierung
19:30 Uhr
Begrüßung der Gäste durch die Veranstalter
Dr. Thomas Hofmann, Hautgeschäftsführer
der IHK zu Leipzig und Hartmut Bunsen,
Sprecher der IG der Unternehmerverbände
Ostdeutschlands und Berlins
Europa und die Versorgungssicherheit
Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie
(in Anfrage)
Thema in Abstimmung
Christian Lindner, Bundesvorsitzender
der FDP – Die Liberalen
anschließend Get-together
Buffet
4. SEPTEMBER 2014
ab 8:30 Uhr
Eintreffen der Gäste / Registrierung/ Kaffee/Tee
9:00 Uhr
Begrüßung durch Hartmut Bunsen,
Sprecher der IG der Unternehmerverbände
Ostdeutschlands und Berlin
9:15 Uhr
Was macht die Bundesregierung, um die
Ungleichheit zwischen Ost und West bei den
Belastungen der Energiewende mittelfristig
abzubauen?
Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie
und Beauftragte der Bundesregierung für die
neuen Bundesländer
9:45 Uhr
Welche Rolle spielt der Energiestandort
Ostdeutschland – Fragen und Antworten
aus Sicht der EWE AG
Dr. Werner Brinker, Vorsitzender des
Vorstandes der EWE AG
10:15 Uhr
Die Herausforderungen der
Energieversorgung der Zukunft –
dezentrale Lösungen im Spannungsfeld
zwischen Speichermöglichkeiten und
Versorgungssicherheit
Mike Winkel, Mitglied des Vorstandes
der E.ON SE
10:45 Uhr
Energiewende 2.0 – Herausforderungen
für Ostdeutschland
Tim Hartmann, Vorstandsvorsitzender der
envia Mitteldeutsche Energie AG
11:15 Uhr
Braunkohle als Wirtschaftsfaktor
Ostdeutschlands. Welche Rolle spielt
die Braunkohle bei der Umsetzung der
Energiewende?
Tuomo J. Hatakka, Vorsitzender der
Geschäftsführung der Vattenfall GmbH
11:45 – 13:15 Uhr
Mittagspause
FORUM 1 | 13:15 – 14:15 UHR
ENERGIEEFFIZIENZ
UND BEZAHLBARE ENERGIE
Moderation: Dr. Ralf Neubauer, ehemaliger
stellvertretender Chefredakteur ‘DIE WELT’
Impulsreferat: Dr. Andreas Reichel,
Vorstandsmitglied der E.DIS AG
Podiumsdiskussion mit
Dr. Hubertus Burkhart, Vorstandsvorsitzender
der Kübler & Niethammer Papierfabrik
Kriebstein AG
Christian Pegel, Minister für Energie,
Infrastruktur und Landesentwicklung des Landes
Mecklenburg-Vorpommern
Dr. Mathias Reuschel, Vorsitzender S&P-Gruppe
Jochen Stotmeister, Vorstandsvorsitzender
der Sto AG
FORUM 2 | 13:15 – 14:15 UHR
VERSORGUNGSSICHERHEIT,
KONVENTIONELLE KRAFTWERKE IM
SPANNUNGSFELD DER PREISE
Moderation: Thilo Boss, Leiter
Wirtschaftsressort der SuperIllu
Impulsreferat: Boris Schucht, Vorsitzender
der Geschäftsführung der 50Hertz Transmission
GmbH
Podiumsdiskussion mit:
Dr. Frank Büchner, Leiter Energy Sector
Siemens Deutschland
Ralf Christoffers, Minister für Wirtschaft
und Europaangelegenheiten des Landes
Brandenburg (in Anfrage)
Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der
InfraLeuna GmbH
FORUM 3 | 14:30 – 15:30 UHR
WIRTSCHAFTLICHKEIT VON
SPEICHERMÖGLICHKEITEN – WIE LANG
MUSS DIE BRÜCKE AUS GAS UND
BRAUNKOHLE SEIN?
Moderation: Bernd Hilder, Chefredakteur der
Thüringischen Landeszeitung
Impulsreferat: Dr. Joachim Geisler,
Vorsitzender der Geschäftsführung der MIBRAG
Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH
Podiumsdiskussion mit
Frank Blome, Geschäftsführer der Li-Tec Battery
GmbH (in Anfrage)
Dr. Volker Busack, Geschäftsführer der VNG
Gasspeicher GmbH
Jochen Staschewski, Staatssekretär im
Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
Technologie
Michael Kretschmer, MdB, Generalssekretär
des CDU-Landesverbandes Sachsen
FORUM 4 | 14:30 – 15:30 UHR
DEZENTRALE GESCHÄFTSMODELLE –
CHANCEN DER ENERGIEWENDE NUTZEN
Moderation: Tobias Frevel, Geschäftsführer der
Energieforen Leipzig GmbH
Impulsreferat: N.N.
Podiumsdiskussion mit:
Jens-Mathias Diener, Leiter Dezentrale
Geschäftsmodelle der envia Mitteldeutsche
Energie AG (enviaM)
Klaus Lellé, Vorstandsvorsitzender der Halloren
Schokoladenfabrik AG
Arnold Vaatz, MdB, stellvertretender
Vorsitzender der CDU/CSUFraktion
15:30 – 16:00 Uhr
Kaffeepause
16:00 Uhr
Thema in Abstimmung
Dr. Karsten Heuchert, Vorstandsvorsitzender
der VNG – Verbundnetz Gas AG
16:30 Uhr
Auswirkungen der Energiepolitik des Bundes
auf Ostdeutschland
Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des
Freistaates Sachsen
17:00 Uhr
Ziele und Ausblick / Abschlussbuffet
Interessengemeinschaft der
Unternehmerverbände
www.ostdeutsches-energieforum.de
UV
Ostdeutschlands und Berlin
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
42 | W+M Politik
„mitzunehmen“. Die Zauberworte lauten Transparenz‚ Verständnis
und Akzeptanz. Den für das Gelingen der Energiewende nötigen Netzausbau
werden wir nur schaffen, wenn wir in Zivilgesellschaft und
Bundesländern breites Verständnis finden. Deshalb ist die derzeitige
öffentliche Diskussion gut; alle Argumente gehören auf den Tisch.
50Hertz stellt sich diesem Diskurs aktiv. Als Dienstleister an der Gesellschaft
werden wir unsere Leitungen nicht gegen Bürger und Politik
bauen. Aber eines ist klar: Ohne Akzeptanz kein Netzausbau,
und ohne Netzausbau keine Energiewende.
Versorgungsengpässe vermeiden
Dr. Joachim Geisler
Vorsitzender der Geschäftsführung der
Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH
(MIBRAG)
Damit die Energiewende gelingt, muss der Ausbau der Erneuerbaren
besser gesteuert und mittel- bis langfristig ihre Integration in den
Energiemarkt erfolgen. Sonst laufen wir Gefahr, dass die Strompreise
immer weiter steigen. Ich halte es für richtig, dass Deutschland
seine Energieversorgung insgesamt breiter aufstellt. Dafür braucht
es Zeit, Realitätssinn, den Ausbau der Netze und Speichermöglichkeiten.
Nur so können Versorgungsengpässe vermieden werden. Wir
sehen die Erneuerbaren nicht als Konkurrenz zu unserer Braunkohle,
sondern als Partner. Deutschland kann auch in Zukunft nicht auf
die fossilen Energieträger verzichten. Gerade die Braunkohle leistet
zahlreiche Beiträge dazu, dass die Versorgung von Haushalten und
Industrie mit Strom und Wärme sicher und bezahlbar bleibt. In einem
Industrieland wie Deutschland hängen Wohlstand und Arbeitsplätze
an dieser Frage. Die Politik sollte daher darauf achten, diesen
positiven Beitrag der Braunkohle nicht zu gefährden.
Generationenprojekt braucht
Akzeptanz
Dr. Heiko Sanders
Finanzvorstand der EWE AG
Wir sind dabei, die Energieversorgung in Deutschland nachhaltig in
Richtung erneuerbarer Energien umzubauen und uns unabhängiger
von fossilen Brennstoffen zu machen. Dabei gehen wir viele Schritte
früher als andere und zahlen Lehrgeld, gewinnen aber unter dem
Strich einen Vorsprung, der die deutsche Wirtschaft im globalen Wettbewerb
stärkt. Unterschiedliche Schwerpunkte finden sich dabei eher
zwischen Stadt und Land sowie zwischen nördlichen und südlichen
Bundesländern. Auch in Ostdeutschland mit seinem teilweise sehr
hohen Zubau an Erneuerbaren geht es darum, diesen Zuwachs besser
mit dem Netz und den Verbrauch intelligenter mit der Erzeugung zu
harmonisieren, um die Kosten zu begrenzen. Am wichtigsten aber ist,
die Menschen vor Ort in die Entwicklungen einzubeziehen, um nicht
noch mehr Akzeptanz für die Energiewende zu verlieren. Denn davon
würde sich dieses Generationenprojekt vermutlich nicht erholen.
Braunkohle gehört zum
Energiemix
Tuomo J. Hatakka
Vorsitzender der Geschäftsführung der
Vattenfall GmbH
Eine verlässliche und zukunftsfähige Stromversorgung braucht neben
den erneuerbaren Energien eine gesicherte, jederzeit verfügbare
Leistung, wie sie die Braunkohle zur Verfügung stellen kann. Beide
gemeinsam gehören in den Energiemix der nächsten Jahrzehnte.
Die Partnerschaft zwischen der Braunkohle und den erneuerbaren
Energien ist bereits heute gelebte Praxis. Braunkohlekraftwerke sind
der Anker im energiewirtschaftlichen System. Gerade weil sie schon
heute flexibel reagieren können, gelingt es überhaupt, den hohen
Anteil der Erneuerbaren im Netz unterzubringen.
Die Lausitzer Braunkohle ist ein tragender Pfeiler der deutschen Wirtschaft.
Wenn wir über Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz und
Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung sprechen, führt an Kohle
in Deutschland, Europa und weltweit kein Weg vorbei. Nur mit der
heimischen Braunkohle als verlässlichem Partner der Erneuerbaren
haben wir die ökonomische Sicherheit, den ambitionierten Weg in
eine mögliche Vollversorgung durch erneuerbare Energien gehen zu
können, ohne dabei untragbare Risiken einzugehen.
Graphik: angelha/fotolia.com
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Energiewende | 43
Ostdeutsche Unternehmen befürworten
zunehmend Energiewende
Die Zustimmung der energieintensiven Unternehmen in Ostdeutschland zur Energiewende hat
sich seit 2012 fast verdoppelt. Mittlerweile befürwortet eine Mehrheit die Energiewende und die
damit zusammenhängenden Maßnahmen.
Die Zustimmung der Bevölkerung in Ostdeutschland
zur Energiewende ist unverändert
hoch. 73 Prozent der Bürger aus den
neuen Ländern stehen nach wie vor hinter
dem Umbau der Energieversorgung. Auch die
Kommunen beurteilen die Neuausrichtung
der Energieversorgung mit 74 Prozent ähnlich
positiv. Erstmals befürworten aber auch
die energieintensiven Unternehmen Ostdeutschlands
mehrheitlich die Energiewende
(61 Prozent). Dies ergab eine Studie der
envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM),
für die – gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum
Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur
und Daseinsvorsorge e. V. der Universität
Leipzig – 1.650 Haushalte, 789 Kommunen
und 388 Unternehmen der energieintensiven
Industrie in Ostdeutschland befragt wurden.
Bürger, Kommunen und Unternehmen: Befürworten Sie die
Energiewende und die damit zusammenhängenden Maßnahmen?
Ja
Haushalte 2014
Haushalte 2013
Haushalte 2012
Komunen 2014
Komunen 2013
Komunen 2012
Quelle: Studie „Energiewelt Ost 2014“
37 %
47 %
61 %
Unternehmen 2014
Unternehmen 2013
Unternehmen 2012
73 %
76 %81
%
74 %
71 %
69 %
Unternehmen: Haben Sie im Rahmen der Energiewende Ihr Einkaufsverhalten
bezüglich Gas-/Strombezug angepasst?
ja und Anpassung geplant (2014)
ja (2013)
nein
Wenn ja, in welcher Form?
Langfristverträge mit Preisbindung
Bündelung des Energiebezugs
Ausbau der Eigenerzeugung
Sonstiges
7 %
2014
Quelle: Studie „Energiewelt Ost 2014“
14 %
20 %
18 %
2013
33 %
34 %
40 %
40 %
48 %
47 %
66 %
67 %
Die Bezahlbarkeit von Energie ist für Haushalte,
Kommunen und energieintensive Unternehmen
das beherrschende Thema beim
Umbau der Energieversorgung. Alle Befragten
halten es für wahrscheinlich, dass die
Strompreise weiter erheblich steigen werden
und befürworten angesichts dessen mit großer
Mehrheit Bestrebungen zur Unabhängigkeit
der Stromversorgung. Gemeint ist damit,
Strom selbst zu erzeugen und zu verbrauchen.
Der Großteil der Unternehmen hat zudem
sein Einkaufsverhalten beim Strom- bzw.
Gasbezug in Folge der Energiewende angepasst
oder plant dies für die Zukunft (66 Prozent).
Bevorzugt werden hier vor allem Langfristverträge
mit Preisbindung. Spielten diese
im letzten Jahr noch für 20 Prozent der
Unternehmen eine Rolle, werden sie im laufenden
Jahr bereits von 48 Prozent der Befragten
favorisiert. Hoch im Kurs steht mit
konstanten 40 Prozent weiterhin die Bündelung
des Energiebezugs. Dagegen ist das Interesse
an der Eigenerzeugung deutlich gesunken.
In 2014 treiben nur 18 Prozent der
befragten energieintensiven Unternehmen
den Ausbau der Eigenerzeugung von Energie
voran. Im letzten Jahr waren es noch 47
Prozent und damit knapp die Hälfte der befragten
Unternehmen.
Die gesamte Studie kann unter www.energiezukunft-ostdeutschland.de
eingesehen
werden.
Janine Pirk-Schenker
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
44 | W+M Politik
Regionaler Wildwuchs bei Stromnetzentgelten
weder berechtigt noch wettbewerbsfördernd
Die Diskussion über Chancen und Risiken der Energiewende ist in der Gesellschaft angekommen.
Und dies ist gut so, denn alle Fakten und Argumente gehören öffentlich debattiert, will man für
mehr Verständnis und Akzeptanz in Gesellschaft und Politik werben. Bei dieser vielschichtigen
Diskussion geht es um zahlreiche Themen, wie Versorgungssicherheit, Infrastrukturausbau oder
Standortfragen bei Erzeugungsanlagen. Es geht aber immer auch um die Frage der Kosten, kein
Wunder angesichts steigender Strompreise für Privathaushalte und Wirtschaft in den letzten Jahren.
Von Boris Schucht
Dominierte bislang das Thema EEG-Förderung
und das dazu gehörige Umlageverfahren
die öffentliche Kostendebatte,
scheint nun das Thema Netzentgelte
stärker in den Fokus zu rücken. Hierfür sorgen
nicht zuletzt aktuelle Studien im Auftrag
politischer Akteure. So forderte jüngst
der sächsische Ministerpräsident Stanislaw
Tillich, angesichts deutschlandweit unterschiedlich
hoher regionaler Netzentgelte für
Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden,
ein bundeseinheitliches Netzentgelt. Eine
Studie der Technischen Universität Dresden
im Auftrag der Staatskanzlei Sachsens hatte
erneut klar festgestellt, dass es zum Teil
eine erhebliche Kluft bei den Netzentgelten
gibt zwischen ländlichen Regionen und Städten
einerseits sowie zwischen dem Nordosten
und dem Westen beziehungsweise Süden
Deutschlands andererseits.
Dass dies aus standortpolitischen Gründen
kritisiert und der Ruf nach einem bundesweit
einheitlichen Netzentgelt laut wird, liegt
auf der Hand. Auch für 50Hertz, als Übertragungsnetzbetreiber
(ÜNB) in den neuen
Bundesländern sowie Berlin und Hamburg
tätig, wäre die Schaffung eines bundesweit
einheitlichen Netzentgeltes „bis zur Steckdose“
ein langfristig anzustrebendes Ziel.
Zwar beträgt der Anteil der Netzentgelte des
ÜNB am Strompreis von Haushaltskunden nur
drei bis vier Prozent und der der Verteilnetzbetreiber
(VNB) rund 16 bis 17 Prozent, doch
es sind vor allem diese regional unterschiedlich
hohen Netzentgelte, die für die generellen
Strompreisunterschiede sorgen.
Zusammensetzung des Strompreises für einen Haushaltskunden.
Steuern, Abgaben und Umlagen
Strombeschaffung, Vertrieb
50 %
30 %
16,5 %
3,5 %
Netznutzungsentgelt
Verteilnetzbetreiber
Netznutzungsentgelt
Übertragungsnetzbetreiber
Quelle: 50Hertz
Was sind die Gründe für die großen Netzentgeltdifferenzen?
• Hohe Investitionskosten und hohe betriebliche
Kosten
Netzbetreiber wie 50Hertz, in deren Gebiet
ein hoher Anteil von erneuerbaren Erzeugungsanlagen
installiert ist, weisen nicht
nur hohe Investitionen in den Netzausbau
auf, sondern haben auch höhere betriebliche
Kosten für die Integration des volatilen
grünen Stroms ins elektrische System – hierunter
fallen zum Beispiel Kosten für Redispatch,
also Kosten für Eingriffe in die Fahrweise
von konventionellen Kraftwerken bei
Netzengpässen, und Entschädigungszahlungen
bei Einsenkung von EEG-Anlagen. Obwohl
diese Eingriffe das gesamte elektrische
System stabilisieren, werden deren Kosten,
immerhin jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag,
nur vom Nordosten Deutschlands
getragen.
• Historisch bedingte Netzinvestitionen aus
der Nachwendezeit
Nach der Wiedervereinigung mussten die
Netze der DDR gründlich renoviert und umgebaut
werden. Diese historisch bedingten
Investitionen werden noch heute über Abschreibungen
in den ostdeutschen Bundesländern
getragen.
• Geringere Siedlungs- und Verbrauchsdichte
Regionen mit hohem Anteil an Grünstrom
sind meist dünner besiedelt und verfügen
über weniger industrielle Verbraucher. Damit
können die Entgelte dort auf weniger Verbraucher
umgelegt werden – was ebenfalls
zu höheren Netzentgelten für jeden Einzelnen
führt.
• Vermiedene Netzentgelte für volatile Einspeiser
Ein gewichtiger Faktor sind die sogenannten
„vermiedenen Netzentgelte“, ein Relikt
aus der Zeit der ersten dezentralen Anlagen:
Man ging vor einigen Jahren davon aus, dass
der vor Ort erzeugte Strom auch komplett vor
Ort verbraucht werden kann. Deshalb wurde
gesetzlich festgelegt, dass VNB mit vielen
dezentralen Anlagen aus Photovoltaik und
Wind mit zusätzlichen Kosten belegt werden,
Foto: Christian Drechsel, 50Hertz
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Energiewende | 45
und Marktprozesse effizienter zu gestalten,
sollte langfristig ein bundesweit einheitliches
Netzentgelt bis zur Steckdose (also sowohl
auf ÜNB- wie VNB-Ebene) geschaffen
werden. Als Zwischenschritte und zur Vermeidung
des weiteren Auseinanderdriftens
der Netzentgelte müssten zunächst die auf
der Verteilnetzebene anfallenden „vermiedenen
Netzentgelte“ für volatil einspeisende
Anlagen (also Photovoltaik und Wind) sofort
abgeschafft und Kosten für die Systemintegration
der Erneuerbaren bundesweit gewälzt
werden. Zudem könnten die Netzentgelte der
ÜNB zunächst vereinheitlicht werden. Dabei
ist weiterhin durch hohe Kostenkontrolle
der Regulierungsbehörden auf Effizienz jedes
einzelnen Netzbetreibers genau zu achten.
da die einen geringeren Ausbaubedarf hätten.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat allerdings
das Gegenteil gezeigt: Der Ausbau
von Wind und Photovoltaik führt zu einem
höheren Ausbaubedarf, sowohl beim ÜNB
als auch beim VNB – insbesondere durch die
Rückspeisung in die vorgelagerten Netze. Für
VNB in Gegenden mit hohem Anteil an Wind
und Photovoltaik heißt das: Sie bleiben heute
auf Kosten, die ihnen de facto insbesondere
durch die Ein- und Rückspeisung der
Wind- und Sonnenenergie entstehen, sitzen.
Zusätzlicher Druck auf die Netzentgelte entsteht
seit geraumer Zeit durch die Regelungen
zum sogenannten Eigenverbrauch. Eigenversorger
sind derzeit von Netzentgelten
komplett befreit. Hierdurch ist es sowohl für
Industrie- als auch Privatkunden attraktiv,
durch Eigenversorgung die eigenen Kosten
zu reduzieren – zu Lasten der Allgemeinheit.
Quelle:
ene‘t GmbH
Übersicht über die Netzentgelte in Deutschland in Cent pro
Kilowattstunde (kWh) bei einem Abnahmefall von 4.000 kWh im Juli 2014.
Denn die Eigenversorger profitieren immer
noch von der Bereitstellung und der Rundum-
Verfügbarkeit des Netzes, zahlen aber nicht
mehr für diese Dienstleistung. Die Zahl derer,
die Eigenversorgung betreiben, nimmt
bei Unternehmen und Haushalten stetig zu
– die Zahl derer, die die Kosten für einen sicheren
Netzbetrieb tragen, nimmt durch dieses
falsche Anreizsystem hingegen stetig ab.
Um dieser wachsenden Entsolidarisierung an
den Kosten der Bereitstellung eines sicheren
elektrischen Systems entgegen zu wirken,
bietet sich an, bei der Berechnung der Entgelte
künftig stärker die Größe des Netzanschlusses
(Kapazität) in Rechnung zu stellen
und weniger den Verbrauch (Arbeit).
Und was ist darüber hinaus zu tun? Um eine
faire Verteilung der Kosten der Systemintegration
erneuerbarer Energien zu erreichen
Die jetzige Form der Netzentgeltberechnung,
die die regionalen Disparitäten in Deutschland
fördert, ist energie(wende)politisch weder
fair noch standortpolitisch berechtigt.
Sie hemmt zudem den Wettbewerb bei den
Stromvertrieben, wenn diese bundesweit
agieren wollen und mit regional und lokal
unterschiedlichen Netzentgelttarifen von
knapp 900 Netzbetreibern zu tun haben. Dies
macht es kaum möglich, nachhaltige Angebote
für Kunden in verschiedenen Regionen anzubieten.
Von einem wettbewerbsorientierten
„Level Playing Field“ zur bundesweiten
Stromvermarktung kann man so nur bedingt
sprechen. Aus all diesen Gründen wäre ein
bundesweit einheitliches Netzentgelt zielführend.
In welchen Schritten dies politisch
umzusetzen geht, bleibt abzuwarten. W+M
Zur Person
Boris Schucht (47) ist seit
2010 Vorsitzender der Geschäftsführung
von
50Hertz. Zuvor war er
kauf männischer Vorstand
bei der WEMAG AG in
Schwerin und fünf Jahre lang Geschäftsführer
der Vattenfall Europe Venture
GmbH in Berlin.
50Hertz sorgt mit über 800 Mitarbeitern
für den Betrieb und Ausbau des Übertragungsnetzes.
Darüber hinaus ist das Unternehmen
für die Führung des elektrischen
Gesamtsystems auf den Gebieten
der Bundesländer Berlin, Brandenburg,
Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
verantwortlich.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
46 | W+M International
Rostocker Schiffsdesigner erobern
den Weltmarkt
Schiffsprojekte aus einer Hand bietet die Neptun Ship Design GmbH. Vom ersten Entwurf über
das Design und die Detailplanung bis zu den Tests bei der See-Erprobung. Der All-in-one-Service
des Rostocker Ingenieurbüros ist weltweit in der Schiffbaubranche gefragt. Von Thomas Schwandt
Bei der ersten Bordbesichtigung
kann der künftige
Schiffseigner bis in den
letzten Winkel blicken. In Laderäume,
in Maschinenräume,
auf die Brücke. Veränderungswünsche
en détail werden per
Mausklick erledigt. Der virtuelle
Modell-Check in 3D ermöglicht
es dem Reeder, sein Schiff bereits
kennenzulernen, bevor auf
der Werft die erste Stahlplatte
zugeschnitten wird. „Das komplette
Schiff ist im Rechner“,
sagt Helge Sell, Geschäftsführer
von Neptun Ship Design in
Rostock. „Der computeranimierte
Rundgang erlaubt unkompliziert
Modifizierungen und reduziert
aufwendige Nacharbeiten
beim Bau des Schiffes.“
Vor zwei Jahrzehnten haben
im Konstruktionsbereich einer
Werft etwa 120 Mitarbeiter
gut ein Jahr dafür benötigt, ein
neues Schiff zu entwickeln und
die Unterlagen für die Produktion
zu erstellen. Heute schaffen
ebenso viele Mitarbeiter bei
Neptun Ship Design jährlich drei
bis vier Schiffe. Das Ingenieurbüro hat seine Wurzeln in der einst
volkseigenen Neptun Werft, die an der Warnow, unweit der Rostocker
City, Frachtschiffe mit einer Tragfähigkeit von bis zu 17.000 Tonnen
fertigte. Auch Schiffbauingenieur Helge Sell gehörte zu den 7.000
Mit diesem Typ eines 1.200-TEU*-Containerfrachters gelang Neptun
Ship Design der Einstieg in den chinesischen Markt.
Beschäftigen im Stammbetrieb. Als Leiter der Abteilung Schiffbau
stand er zu Beginn der 90er Jahre gemeinsam mit Chefkonstrukteur
Gerald Hadaschik vor der undankbaren Aufgabe, sehr viele Leute entlassen
zu müssen. „In der Privatisierungsphase war politisch ent-
Foto/Graphik: Thomas Schwandt, NSD
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M International | 47
schieden worden, eine der vier großen Werften im
Nordosten dicht zu machen. Es traf Neptun, auch
weil in Warnemünde eine zweite Werft am Standort
Rostock existierte.“
Sell und Hadaschik erkannten in dem Niedergang
aber auch die Chance für einen beruflichen Neustart.
Sie gründeten ihr eigenes Ingenieurbüro
Neptun Stahlkonstruktion. „Mit 16 Ingenieuren
legten wir los“, blickt der heute 54-jährige Sell zurück.
Im vereinten Deutschland habe es damals einen
„wahnsinnigen Überhang an Ingenieuren in
der maritimen Industrie“ gegeben. Aber anders als
im Westen war im DDR-Schiffbaukombinat bereits
Ende der 80er Jahre begonnen worden, Computertechnik
in der Konstruktion einzusetzen. Entsprechend
kostengünstiger konnten die Rostocker ihre Dienstleistungen
anbieten. „Die westdeutschen Werften haben das Preisgefälle bei der
Auftragsvergabe gnadenlos ausgenutzt.“
Neben Neptun Stahlkonstruktion waren mit Neptun Engineering und
der Wismarer Ingenieursgesellschaft zwei weitere, in den 1990er Jahren
gegründete maritime Dienstleister aus der Region unterwegs. Die
drei Büros ergänzten sich in den schiffbaulichen Bereichen Stahlbau/Design,
Maschinentechnik und Ausrüstung/Innenausstattung.
„Wir konnten zwar alle ingenieurtechnischen Felder abdecken, doch
bei der Jagd nach Aufträgen marschierte jedes Büro für sich.“ Das
erschwerte es, größere Projekte zu ordern, bei denen der Kunde „alles
aus einer Hand“ wünscht.
Fokussiert auf den deutschen Markt wehte den Schiffbauingenieuren
von der Warnow wenig später zudem ein kräftiger Ostwind der
Konkurrenz aus Polen, Bulgarien und Kroatien entgegen. Die Büros
dort waren „nur halb so teuer“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war
klar: „Wir müssen raus aus dem hiesigen Markt, uns internationaler
aufstellen.“ Sell und Hadaschik sowie die Geschäftsführer Roland
Gräber von Neptun Engineering und Stephan Merkel von der Wismarer
Ingenieurgesellschaft rückten enger zusammen. „Ganzheitliche
Projekte“, wie Sell sagt, sollten die Chance erhöhen, in Asien und
anderen aufstrebenden Schiffbaumärkten Fuß zu fassen. Als erste
ganzheitliche Referenz konnten sie zur Jahrtausendwende das Fischereischutzboot
„Seeadler“ vorweisen, das auf der Wolgaster Peene-
Werft gebaut wurde und für das sie das Gesamtdesign erstellt hatten.
Schließlich gelang 2003 der Sprung auf den chinesischen Markt. Im
Bunde mit der Reederei Buss aus dem niedersächsischen Leer. Deutsche
Schifffahrtsunternehmer ließen zu jener Zeit vor allem Containerfrachter
in China bauen. Die Rostocker Spezialisten hatten für
Buss das Schiffsprojekt eines 1.200-TEU*-Frachters realisiert. Damit
im Gepäck beauftragte die Reederei in China die Ouhua-Werft, zwölf
Schiffe dieses Typs zu bauen.
Spezialschiffe für die Offshore-Industrie gehören zu den Schiffstypen,
die bei Neptun Ship Design entwickelt werden.
Als 2008 infolge der globalen Finanzkrise der Containerschiff-Boom
implodierte, waren die Rostocker international bereits gut verankert,
so auch auf dem amerikanischen Kontinent. Das erleichterte den Umstieg
auf Spezialschiffe für die Offshore-Industrie, für Schwerlast-
Projektladung und Rohstofftransporte. Ein Anteil von 20 Prozent internationaler
Fachkräfte im Team, Wissenstransfer mit der Universität
Rostock und ein Forschungsetat in Höhe von zehn Prozent des
Umsatzvolumens (zwölf Millionen Euro) gewährleisten langfristig
das erforderliche Know-how.
Neptun Ship Design hat sich auch auf die Umrüstung vorhandener
Schiffe spezialisiert. So muss auf vielen Frachtern umweltschonende
Technik eingebaut werden, um verschärfte Emissions-Regulierungen
in der Schifffahrt zu erfüllen. An Bord werden die Maschinenräume
visuell erfasst und dann auf das jeweilige Schiff zugeschnittene Lösungsvarianten
entworfen. Auch ist Neptun Ship Design führend in
das Forschungsprojekt „Polar“ integriert. Zehn Firmen und drei Institutionen
aus Mecklenburg-Vorpommern entwickeln technische Lösungen
zur Lagerung und zum Transport von Erdgas aus der Arktis.
Konkret forschen Sell und Co. zu einer schwimmenden Plattform, auf
der unter arktischen Bedingungen Erdgas verflüssigt werden soll.
Das Polargebiet stellt auch an die benötigten Spezialschiffe höchste
Anforderungen. Sie müssen noch bei minus 60 Grad Celsius einwandfrei
funktionieren. Für die Rostocker Experten ist das kein Problem.
„Wir sind in der Lage, jedes erdenkliche Schiff zu projektieren“,
sagt Sell stolz und in der Gewissheit, dass 2010 mit der Fusion
der drei Ingenieurbüros zur Neptun Ship Design GmbH die Basis dafür
geschaffen wurde. Die einstigen vier Firmenchefs bilden heute
das Führungsquartett. Schiffsprojekte aus einer Hand sind längst
Markenzeichen des Shipdesign-Büros, das vom alten Neptun-Werft-
Gelände aus weltweit operiert.
W+M
* TEU = Twenty-foot Equivalent Unit, Einheit zur Zählung von
ISO-Containern und Ladekapazität von Schiffen
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
48 | W+M Ratgeber Finanzen
Pflichten erfüllt – Chancen verkannt
Der deutsche Mittelstand hat die Umstellung auf die SEPA-Verfahren fast vollständig vollzogen.
Doch eine Vielzahl von Unternehmen sieht in der Umstellung mehr Aufwand als Nutzen, wie
eine aktuelle Umfrage der Commerzbank AG belegt.
Von Matthias Salm
Die Überraschung kam im Januar: Statt der
Umstellung des Zahlungsverkehrs auf die SE-
PA-Formate zum 1. Februar gewährte Brüssel
Unternehmen eine zusätzliche sechsmonatige
Übergangsfrist. Aus Sicht des deutschen
Mittelstands hätte es dieser Fristverlängerung
allerdings kaum bedurft: Laut einer im Auftrag
der Commerzbank AG von der Bielefelder
Fachhochschule des Mittelstands (FHM)
durchgeführten Befragung unter mittelständischen
Unternehmen hatten bereits zum 1.
Februar 91,6 Prozent der Unternehmen ihre
SEPA-Vorbereitungen abgeschlossen. Weitere
acht Prozent gingen davon aus, dass sie den
Umstellungsprozess bis zum 1. August vollzogen
haben werden.
Allerdings räumten einige Unternehmen bei
der Umstellung qualitative Abstriche ein. So
konnten 79 Prozent der befragten Mittelständler
bei der SEPA-Einführung alle fachlichen
Gesichtspunkte berücksichtigen. 21 Prozent
beschränkten sich bisher nur auf die Erfüllung
der Mindestanforderungen.
Die Pflicht ist also weitgehend erfüllt – doch
den Nutzen der SEPA-Verfahren können viele
Mittelständler nicht erkennen. 69 Prozent
der Unternehmen gaben an, durch SEPA bisher
keine Vorteile für den eigenen Betrieb verwirklicht
zu haben. Gerade Firmen ohne internationale
Geschäftskontakte scheinen SEPA
kritisch zu sehen. Moniert wurden die Kosten
der SEPA-Einführung und eine hohe Fehleranfälligkeit,
etwa aufgrund unübersichtlicher
und unterschiedlich langer IBAN in Europa
oder wegen der erschwerten Zuordnung
von Zahlungen.
„Es ist bedenklich, dass einem Teil der Mittelständler
noch immer nicht bewusst ist, was
die neuen SEPA-Verfahren überhaupt leisten
können“, urteilt Volker Wittberg, verantwortlicher
Leiter der Umfrage. Sein Fazit: „Die Chancen
von SEPA sind unentdeckt.“
Frank-Oliver Wolf, Global Head Cash Management
& International Business bei der Commerzbank
AG und SEPA-Experte des Kreditinstituts,
rät Mittelständlern deshalb, sich mit
den Möglichkeiten von SEPA intensiver auseinanderzusetzen:
„SEPA bietet Chance und
Impuls gleichermaßen, den Zahlungsverkehr
zu vereinheitlichen und das Clearing zu beschleunigen.
Wir empfehlen deshalb insbesondere
unseren Firmenkunden, die noch
‚Restarbeiten‘ erkannt haben, generelle Optimierungsoptionen
zu prüfen.“ Eine solche
Optimierung der Abläufe kann dazu genutzt
werden, den Zahlungsverkehr im Unternehmen
einfacher und billiger zu gestalten und
von einem schnelleren Zahlungsfluss zu profitieren.
W+M
33 Länder vereint
SEPA ist das Kürzel für die 33 Länder
umfassende „Single Euro Payments
Area“. Neben den 28 EU-Staaten gehören
dazu auch die Schweiz, Liechtenstein,
Island, Norwegen, Monaco
und San Marino. Mit SEPA werden in
Deutschland europaweit einheitliche
Verfahren für den bargeldlosen Zahlungsverkehr
eingeführt. Zu den Vorteilen
der SEPA-Verfahren zählt beispielsweise,
dass grenzüberschreitende
Bankgeschäfte innerhalb eines
Arbeitstages abgewickelt werden
können. Auslandsüberweisungen sollen
künftig nicht mehr teurer sein als
Geldtransfers im Inland.
Anteil von SEPA-Zahlungen an allen
Überweisungen in Deutschland in Prozent
2013 – Q1
2013 – Q2
2013 – Q3
2013 – Q4
2014 – Januar
2014 – Februar
2014 – März
2014 – April
8,7 %
10,6 %
13,9 %
33,2 %
58,5 %
77,9 %
80,3 %
86,5 %
Quelle: Commerzbank AG, EZB
Foto: Rainer Sturm/pixelio.de, Joachim Kloock
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Medienpartnerschaft | 49
Lübzer Pils-Ostsee-Meeting
14. – 17. August 2014, Traditionsrennbahn Bad Doberan–Heiligendamm
Programm:
14.08.: Eröffnungsrenntag um den Glashäger Cup
15.08.: Renntag und Ladies Day/Hutwettbewerb
16.08.: Großer Lübzer Pils Ostseepreis/Goldene Peitsche von
Bad Doberan
17.08.: Lotto Mecklenburg-Vorpommern-Renntag
Preise:
Eintrittskarten: 4 – 8 €
Tribünenkarten: 8 – 11 €
VIP-Karten: 60 – 105 €
Vorbestellung VIP-Karten telefonisch unter 0381 6438062 oder per E-Mail unter info.treffpunkt@ospa.de.
Kartenvorverkauf ab Mitte Juli: Tourist-Information Doberan-Heiligendamm, Severinstraße 6, 18209 Bad
Doberan, www.bad-doberan-heiligendamm.de.
www.doberaner-renntage.de
22. August 2014
12:00 – 18:30 Uhr
ab 19:00 Uhr Abendveranstaltung
Golfpark Strelasund
Kaschow 14, 18516 Süderholz
Preise: 55 € Turnier, 30 € Schnupperkurs
Anmeldung bis 8. August 2014
per E-Mail an info@uv-vorpommern.de
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
50 | W+M Ratgeber
Unterschätztes Risiko
Der Vertrieb verdient das Geld, die Produktion realisiert
die Aufträge – so wird das Unternehmen am Leben erhalten,
wächst und gedeiht. Der Einkauf und die Lieferantenbeziehungen
werden dagegen oft vernachlässigt.
Der kürzlich aufgedeckte Korruptionsskandal am Berliner
Flughafen BER im Zusammenhang mit dem Inhaber
eines sächsischen Projektierungsbüros und BER-Technikmanagers
in Personalunion hat deutlich gezeigt, welche
Risiken für Unternehmer gerade in Einkaufs- und Lieferantenbeziehungen
liegen.
Ein externer Blick in die Abläufe in diesem Bereich bringt
nicht nur zusätzliche Liquidität, sondern bewahrt auch
vor nachhaltigen Imageschäden. Und nicht zuletzt: Auch
die Banken und Finanzierungspartner sind Lieferanten
fürs Unternehmen und sollten vom Unternehmer ab und
an einem Rentabilitätscheck unterzogen werden.
Die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner mit ihren
Büros in Berlin und Dresden begleitet die Leser von
WIRTSCHAFT+MARKT in diesem Jahr bei Finanzierungsund
Steuerthemen. Scheuen Sie sich nicht, uns zu fragen,
was Sie bewegt. Wir freuen uns auf Sie.
Ihr Michael Bormann
bdp.Berlin@bdp-team.de
Liquiditätsreserven
Unternehmen jeder Größenordnung können
Der Einkauf ist insbesondere in produzierenden Unternehmen regelmäßig,
noch vor dem Personal, der größte Kostenblock in der Firma.
In manchen Unternehmen macht der Materialeinsatz bis zu 75
Prozent der Umsatzerlöse aus. Dennoch wird er oft wie das fünfte
Rad am Wagen behandelt. „Mitarbeiter fristen ihr Dasein als einfache
Disponenten, vielfach führen die Einkäufer neben dem Einkauf
noch weitere Nebentätigkeiten aus, die IT-Infrastruktur ist veraltet,
kurzum, der gesamte Beschaffungsprozess ist unproduktiv und
ineffizient organisiert“, berichtet Steffen Russ von der bdp Venturis
Management Consultants GmbH und rät, den Einkauf als strategische
Komponente zu betrachten. „Der Einkaufsvorgang darf sich
nicht in der klassischen Erfüllung von Bedarfsmeldungen erschöpfen“,
so Russ. „Regelmäßig liegen im Einkauf die meisten Reserven.
Fünf bis zehn Prozent lassen sich nach der Reorganisation im
Einkauf immer sparen und schaffen so frische Liquidität im Unternehmen.“
Beim Restrukturierungsprozess können externe Berater
oft hilfreich sein.
Einkaufsvolumina werden üblicherweise in A-, B- und C-Kategorien
unterteilt: Dabei machen die Kategorien A und B mit einer kleinen
Anzahl, manchmal nur von fünf bis 15 Artikeln oder Komponenten,
bis zu 95 Prozent des Einkaufsvolumens aus. Das restliche Umsatzvolumen
in der Kategorie C macht wiederum 70 bis 80 Prozent aller
Artikel aus, die in einem Unternehmen geordert werden. Dies sind
meist so genannte Pfennigartikel, wie Gegenstände für den Instandhaltungsbedarf,
Arbeitsschutz oder Bürobedarf.
Es empfiehlt sich, den Einkauf als Ganzes im Blick zu behalten,
in die Fertigungssteuerung einzubinden und das Lieferantenmanagement
zu professionalisieren. Für klein- und mittelständische
Foto: Brenda Carson/shutterstock
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Steuern und Management | 51
Versteuerung
des Chef-Gehalts
im Einkauf heben
ihr Beschaffungsmanagement optimieren
Unternehmen bieten sich der Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften und die
Nutzung moderner, so genannter e-Procurement-Einkaufsplattformen an. Diese offerieren
nicht nur die Bestellabwicklung, sondern vereinfachen und reduzieren durch
monatliche Sammelrechnungen den Buchungsaufwand erheblich. So können die monatlichen
Rechnungen bei Vorhandensein entsprechender Schnittstellen auch direkt
in das Buchhaltungssystem des Unternehmens eingespeist werden. Auch Zahlungskonditionen
sollten möglichst vereinheitlicht und Skontozahlungen genutzt werden.
„Je größer die Firma oder je schneller sie gewachsen ist, desto mehr unterschiedliche
Zahlungskonditionen gibt es hier“, so Russ. Dabei müssen die Lieferanten nicht immer
die preiswertesten Anbieter sein. Über höhere Einkaufsvolumen können durchaus
bessere Konditionen erreicht werden. Mehr und mehr geht der Trend auch dahin,
dass komplette Lieferketten aufgebaut werden, etwa für vorgefertigte Komponenten
(Supply-Chain-Management). Dies wird vor allem von Automobilzulieferern oder auch
Maschinenbauern genutzt.
Ebenfalls erhebliche Liquiditätsreserven lassen sich durch die Optimierung von Lagerbeständen
heben. In vielen Unternehmen werden über längere Zeit Lagerbestände angehäuft,
ohne diese regelmäßig einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Hier kann
die Analyse des Verbrauchsverhaltens für die einzelnen Artikel und eine darauf abgestimmte
Optimierung des Bestellverhaltens beträchtliche Liquiditätsreserven freisetzen.
Kritisch – und richtig teuer – wird es, wenn Schutzmaßnahmen gegen Betrug und Korruption
im Unternehmen vernachlässigt werden. Folgende Aspekte gilt es hier zu beherzigen:
So sollte das Vier-Augen-Prinzip bei Bestellvorgängen gelten, Nebentätigkeiten
oder indirekte finanzielle Beteiligung bei Geschäftspartnern angezeigt werden.
Das „Anfüttern“ der Mitarbeiter durch Einladungen, Geschenke und Ähnliches ist
tunlichst zu vermeiden oder sollte zumindest nachvollziehbar sein. Festgeschriebene
Richtlinien für die Mitarbeiter im Einkauf und für Lieferanten sind daher unerlässlich.
Sind mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer
Lohnvereinbarungen getroffen worden, fließt
der Lohn – unabhängig von der tatsächlichen
Zahlung – bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit
zu. Dann muss er lohnversteuert werden. Mit
Schreiben vom 12. Mai 2014 hat das Bundesministerium
der Finanzen (BMF) zur Frage Stellung
genommen, wann ein Zufluss bei einem
Verzicht auf Lohnbestandteile vorliegt. Das BMF
macht den Lohnzufluss von der wirtschaftlichen
Passivierungspflicht abhängig. Wäre demnach
bereits eine Lohnverbindlichkeit einzustellen,
egal ob es gemacht wurde oder nicht,
führt der Verzicht zu Lohnzufluss und verdeckter
Einlage. Erfolgt der Verzicht vorher, liegt
kein Lohnzufluss vor. Der ganze Vorgang hat
bei der Gesellschaft keinerlei Ergebnisauswirkung.
Somit bleibt es dabei, dass ein rückwirkender
Verzicht grundsätzlich zu zu versteuerndem
Arbeitslohn führt (BMF VI R 24/12).
Buchung von
Forderungen
Bezahlt eine GmbH Ausgaben, die eigentlich
dem Gesellschafter zuzurechnen sind, oder erhält
der Gesellschafter Gelder, die eigentlich der
GmbH gehören, müsste die GmbH eine Forderung
einbuchen. Unterbleibt diese Forderungsbuchung,
kann diese später nur noch sehr eingeschränkt
im Rahmen einer Bilanzberichtigung
korrigiert werden. Mit zwei aktuellen Urteilen
hat der Bundesfinanzhof (BFH) dies noch
einmal bekräftigt. Nur bei einer wirklich versehentlichen
Nichteinbuchung kann eine spätere
Korrektur erfolgen. Ansonsten liegt eine
verdeckte Gewinnausschüttung vor (BFH VB
33/13).
Für den redaktionellen Inhalt der Seiten 50/51 zeichnet die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner Berlin verantwortlich.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
52 | W+M Ratgeber
Exzellente Kaffeespezialitäten sind mit einem
Kaffeevollautomaten im Büro ein Kinderspiel.
Auf Knopfdruck diverse Kaffeespezialitäten
Auch im Büro wird inzwischen ein breites Angebot an Kaffeespezialitäten erwartet. Um Gästen
und Mitarbeitern ohne großen Aufwand einen Espresso oder Cappuccino anbieten zu können,
empfiehlt sich ein moderner Vollautomat. Ein Überblick über Auswahlkriterien und aktuelle
Modelle.
Von Anke Templiner
Auch wenn in vielen Büros immer noch Filterkaffeemaschinen genutzt
werden, gibt es eine zunehmende Nachfrage nach Kaffeevollautomaten.
Denn diese bieten viele Vorteile im Büroalltag – selbst
in kleineren Bürogemeinschaften. Zum Beispiel macht es einen guten
Eindruck, Gästen eine Vielzahl an Kaffeespezialitäten anbieten zu
können. Außerdem muss so niemand mehr das Kaffeekochen für alle
übernehmen. Und Betrieb und Reinigung des Gerätes laufen größtenteils
von selbst.
Grundausstattung
Kaffeevollautomaten, die im Büro genutzt werden, verfügen in der
Regel über ein Mahlwerk, um jede Tasse Kaffee mit frisch gemahlenen
Bohnen zubereiten zu können, sowie über eine Aufschäumdüse
für Milchschaum. Egal ob der Milchschaum mit Frischmilch oder
Milchpulver zubereitet wird, eine tägliche Reinigung des Milchwegs
ist ein Muss, um die Keimbildung zu verhindern. Ein Automat sollte
deshalb über ein integriertes Spül-/Reinigungs-/Entkalkungsprogramm
verfügen, das auch unerfahrene Nutzer nicht überfordert.
Für eine einfache Reinigung ist zudem ein entnehmbares Brühelement
empfehlenswert.
Wie viele Tassen pro Tag?
Eines der wichtigsten Kriterien für die Wahl des Kaffeeautomaten
ist die Anzahl der täglichen Tassenbezüge. Denn wenn dieser unterschätzt
wird, kann es zur dauerhaften Überforderung des Gerätes
kommen. Die 20-Tassen-Marke ist bei vielen Herstellern der Grenzwert
zwischen Vollautomaten für den Heimbedarf und solchen, die
für Büro oder Gewerbe geeignet sind. Viele Kaffeevollautomaten besitzen
einen internen Zähler, um diesen Wert zu ermitteln. Wird die
Maschine häufiger genutzt als empfohlen, kann sich die Garantiezeit
(in der Regel zwölf Monate) deutlich verkürzen.
Wichtige Features
Um verschiedenste Trinkvorlieben bedienen zu können, sollte der Automat
mindestens fünf unterschiedliche Kaffeespezialitäten anbieten
und es auch erlauben, die Kaffeestärke individuell einzustellen. Wichtig
ist außerdem die Möglichkeit des Heißwasserbezugs für Teetrinker,
um einen zusätzlichen Wasserkocher zu sparen. Ein nettes Extra,
jedoch nicht zur Grundausstattung eines Automaten für die Büronutzung
gehörend, ist die Einstellbarkeit von Temperatur und Druck.
Ein großer Wassertank spart häufiges Nachfüllen, ist aber bei einigen
Armaturen in der Büroküche manchmal schwer zu füllen. Praktisch ist
ein Festwasseranschluss, den viele Hersteller zumindest als Option
anbieten. Wer die Kaffeebohnen nicht so häufig nachfüllen möchte,
sollte auf die Größe des Bohnenbehälters achten.
Gute Bedienung
Damit die Kaffeeversorgung bei jedem Mitarbeiter problemlos funktioniert,
sollte der Kaffeeautomat leicht zu bedienen und zu warten
sein. Empfehlenswert sind deshalb ein übersichtliches Display und
leicht verständliche Bedienelemente. Für eine angenehme Arbeitsatmosphäre
sollte die Nutzungslautstärke nicht über 70 Dezibel liegen.
Finanzierung/Beschaffung
Kaffeevollautomaten können entweder gekauft – die Preise liegen
zwischen rund 450 und 4.700 Euro je nach Ausstattung – oder gemietet
bzw. geleast werden. Fast alle Hersteller bieten die Geräte zum
Kauf, viele entweder die Miet- oder die Leasingmöglichkeit. Letztere
werden meist zusammen mit einer Telemetrielösung angeboten.
Diese ermittelt den tatsächlichen Tassenverbrauch und berechnet
danach den Tassenpreis.
W+M
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der Redaktion des
Magazins Das Büro.
Foto: WMF
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Büro | 53
Kaffeemaschinen für fünf bis sieben Nutzer im Vergleich
Hersteller/Anbieter
Modell
Empfohlene Tassenbezüge
pro Tag
Dauer der Zubereitung
einer Tasse in Sekunde
Milchzubereitung mit
Frischmilch (F) oder
Milchpulver (P)
Automatische
Abschaltfunktion
(ja/nein)
Höhenverstellbarer
Kaffee-Milchauslauf
(ja/nein)
Füllmenge des Bohnenbehälters
in Gramm
Anzahl der möglichen
Kaffeespezialitäten
Einstellbare
Kaffeestärke (ja/nein)
Möglichkeit des
Heißwasserbezugs für
Tee etc. (ja/nein)
Volumen des Wassertanks
in Liter
Festwasseranschluss
(ja/nein/optional)
Integriertes Spül-/Reinigungs-/Entkalkungsprogramm
(ja/nein)
Lautstärke in
Dezibel
Wartungsverträge
möglich (ja/nein),
Mindestdauer und
Kosten
Beschaffungsmodelle
(Kauf, Miete,
Leasing, etc.)
Coffenco
(Douwe Egberts
Professional)
Cafitesse Excellence
Compact
CUP&CINO
Kaffeesystem-
Vertrieb
Chicco
Jura Kaffee Partner Schaerer
Deutschland
IMPRESSA XJ5
Professional
miniBona
Schaerer Coffee
Joy
SEVERIN
Piccola Classica
KV 8055
Tchibo Coffee
Service
Coffea Compact
WMF
WMF 1200S
50 max. 60 60 max. 100 ca. 40 max. 30 max. 50 max. 100
Kaffee: 15,
Cappuccino: 17,
Latte macchiato:
22
30 Café Crème: 35 ab 15 Durchschnitt: 30 k. A. k. A., abhängig von
Getränk
F (Konzentrat) P F F und P F F P F und P
nein (ECO-Stand
By Modus)
ja ja ja ja ja nein ja
nein nein ja nein ja ja nein ja
1.250 500 500 ca. 500 max. 500 140 500 500
6 9 10 8 6 5 6 12
ja ja ja ja ja ja nein ja
ja ja ja ja ja nein ja ja
4 2,1 4 extern: 15 2,2 1,35 7 4
ja optional optional ja optional nein optional optional
ja ja ja ja ja (Milchschlauchreinigung)
49 k. A. k. A. (andere
Messmethode)
ja, 12 Monate,
ab 265 €
Preis (inkl. MwSt.) 1.795 €
(Kauf)
ja, je nach Mietlaufzeit,
bei Kauf
60 Monate,
mtl. 19 €
ja, individuell
vereinbar
Kauf, Miete Miete, Kauf Kauf, Miete,
Leasing
3.201,10 €
(Kauf)
3.186,22 €
(Kauf)
ja ja ja
< 70 k. A. k. A. < 70 < 70
ja, jederzeit kündbar,
9,95 €pro Woche
(Funktionsgarantie
inklusive aller
Wartungs- und
Materialkosten)
Kauf, Miete,
Leasing, tassengenaue
Abrechnung
per Telemetrie
ab 14 Cent pro
Tasse, monatliche
Miete 99 €
ja, 60 Monate, ab
350 €
Kauf, Miete,
Leasing
1.820 €
(Kauf mit Trinkwassertank)
k. A.
nein nein ja, 36 Monate
Kauf Miete Kauf, Leasing,
Finanzierung
über Röster
3.250 €
(Kauf)
Webadresse www.coffenco.de www.cupcino.de www.jura.com www.kaffeepartner.de
www.schaerergmbh.de
449 € 117,80 €(mtl. Miete,
inklusive Wartung),
36 Monate
Mietlaufaufzeit
www.severin.de www.tchibocoffeeservice.de
www.wmf-kaffeemaschinen.de
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
54 | W+M Ratgeber
W+M präsentiert:
Die ostdeutsche Bestsellerliste für
Wirtschaftsliteratur
Die ostdeutsche Bestsellerliste für Wirtschaftsliteratur wird aus
den Verkaufszahlen der größten Buchhandlungen in Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
erstellt. Beteiligt haben sich:
Hugendubel Cottbus, Mauerstraße 8, 03046 Cottbus
Hugendubel Erfurt, Anger 62, 99084 Erfurt
Hugendubel Greifswald, Markt 20–21, 17489 Greifswald
Hugendubel Leipzig, Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig
Hugendubel Potsdam, Stern-Center 1, 14480 Potsdam
Hugendubel Schwerin, Marienplatz 3, 19053 Schwerin
Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung, Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/O.
Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen offen. Schreiben Sie
bei Interesse eine E-Mail an JP@NehringVerlag.DE.
Foto: Silke Kaiser/pixelio.de
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Kultur | 55
Highlights in diesem Sommer
Die schönsten Konzerte
zwischen Rostock und Weimar
Brandenburgische Sommerkonzerte
Die Brandenburgischen Sommerkonzerte
sind ein Musikfestival, das jährlich von Juni
bis September an historischen Spielstätten
im Land Brandenburg stattfindet. Seit 1990
bietet die Konzertreihe „Klassiker auf Landpartie”
über das klassische Konzertereignis
hinaus ein Beiprogramm, das zur Erkundung
des jeweiligen Konzertortes einlädt.
07.06. – 07.09.2014, verschiedene Orte in
Brandenburg,
Karten: 16 – 49 €
www.brandenburgische-sommerkonzerte.de
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
Seit dem Gründungskonzert im Jahr 1990
haben sich die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
zum drittgrößten Klassikfestival
Deutschlands entwickelt. Rund 120 Konzerte
an über 80 Spielstätten im gesamten Land
sowie das „Kleine Fest im großen Park” locken
von Juni bis September nach Mecklenburg-
Vorpommern.
20.06. – 21.09.2014, verschiedene Orte in
Mecklenburg-Vorpommern,
Karten: 5 – 125 €
www.festspiele-mv.de
MDR Musiksommer
Der MDR Musiksommer, das Klassik-Festival
für Mitteldeutschland, bietet insgesamt
46 Konzerte an 35 verschiedenen
Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen und holt namhafte Klassik-Stars
in Konzerthallen, Kirchen, Museen, Schlösser
und Burgen.
27.06. – 24.08.2014, verschiedene Orte in
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen,
Karten: 12 – 85 €
www.mdr.de/musiksommer
Literaturtipps der Redaktion
Entspannter arbeiten: Das geht mit Computer, Tablets
oder Smartphones – wenn man weiß, wie.
Jürgen Kurz liefert leicht umsetzbare Ideen für den
eigenen Arbeitsplatz und für die flüssige Zusammenarbeit
mit anderen.
Sieben einfache Schritte werden im Buch anschaulich
vorgestellt und mit zahlreichen Tipps, Beispielen
und Praxis-Fotos für Themen wie „Effizientes Verarbeiten
von E-Mails“, „Sicherer Umgang mit der Infoflut“,
„Intelligentes Speichern und Finden von Dateien“,
„Erleichterung des Miteinanders im Team“,
„Souveräner Umgang mit Terminen und Aufgaben“
sowie „Anregungen für weitere Herausforderungen“
angereichert. Das Buch liefert erprobte Schritt-für-
Schritt-Anleitungen, nützliche Checklisten, ergänzende
Gratis-Downloads, erhellende Selbsttests und
hilfreiche Videoclips.
Jürgen Kurz:
„Für immer aufgeräumt – auch digital.
So meistern Sie E-Mail-Flut und Datenchaos“,
Gabal 2014, 128 S., 19,90 €.
Gudrun Happich:
„Ärmel hoch!“,
Orell Füssli 2011, 4. Aufl., 208 S., 24,95 €.
Wie überstehe ich die ersten 100 Tage? Wie bilde
ich ein schlagkräftiges Team? Wie gehe ich
mit High- und Low-Performern um? Eine Führungskraft
hat es nicht leicht. Entweder mischt sich der
CEO ein oder das Team macht, was es will. Die Wahrscheinlichkeit,
zwischen den Hierarchien zermahlen
zu werden, ist groß. Die Konflikte auf das Minimum zu
reduzieren, ist Ziel dieses Handbuchs. Gudrun Happich
ist Diplom-Biologin und Executive Coach. Sie erklärt
in ihrem Buch, wie man mit den Anforderungen
des Führungsalltags umgeht. Dabei stellt sie die
20 wichtigsten Führungsthemen vor, gibt konkrete
Handlungsempfehlungen, erläutert Best-Practice-
Beispiele und einfache Tricks, die helfen, auf scheinbar
unlösbare Anforderungen zu reagieren.
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
56 | W+M Netzwerk
15. Brandenburger Sommerabend
Wirtschaft trifft Kultur in Potsdam
3.500 Gäste folgten gut gelaunt der Einladung
von Dietmar Woidke, Ministerpräsident Brandenburgs,
Tina Fischer, Staatssekretärin und Beauftragte
des Landes Brandenburg beim Bund, sowie
Miloš Stefanovic ´, Präsident des Wirtschafts-
Forums Brandenburg, zum Brandenburger Sommerabend
am 2. Juli 2014 in Potsdam.
Das Sommerhighlight im Land jährte sich in diesem
Jahr bereits zum 15. Mal. Erstmals wurde
der Kunst- und Kulturstandort Schiffbauergasse
gewählt. Eine sehr gute Wahl, wenngleich mancher
dem Bornstedter Krongut, Veranstaltungsort
des Vorjahres, nachtrauerte. Dem Motto des
Abends „Wirtschaft trifft Kultur“ wurde mit dem
Veranstaltungsort aber in bester Weise entsprochen.
Die geladenen Gäste erlebten einen abwechslungsreichen
Abend mit viel Musik und
guter Unterhaltung. Zu den zahlreichen Höhepunkten
zählten die „Ladies Night“ des Hans-
Otto-Theaters, die Swing-Tanzshow und natürlich
die Kochbühne, wo es neudeutsch Live-Cooking
vom Netzwerk der besten Köche der Mark
„Brandenburg unter Dampf“ gab. Und natürlich
das traditionelle Abschluss-Feuerwerk an diesem
auch wettertechnisch makellosen Sommerabend.
W+M
Der Höhepunkt des Abends:
ein spektakuläres Feuerwerk.
Der ehemalige brandenburgische
Ministerpräsident Matthias Platzeck,
Wiktor A. Subkow (Aufsichtsratsvorsitzender
Gazprom), SAP-Gründer Hasso Plattner und
der amtierende Ministerpräsident Brandenburgs
Dietmar Woidke (v. l. n. r.).
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
„Supertalent“-Gewinner
Michael Hirte (l.)
mit Brandenburgs
Ministerpräsident und
Gastgeber des Abends
Dietmar Woidke.
Nachdem der Brandenburger
Sommerabend die letzten
Jahre auf dem Krongut
Bornstedt stattfand, wurde
dieses Jahr die Schiffbauergasse
in Potsdam als Location
gewählt.
Fotos: CHLietzmann, Torsten George
Gesellschaft | 57
Sommerfest von Zentralkonsum und Genossenschaftsverband
Mode aus dem Konsum
Für ihr gemeinsames Sommerfest hatten sich Zentralkonsum und Genossenschaftsverband eine
der angesagtesten Feierlokalitäten Berlins ausgesucht – das „ewerk“ an der Wilhelmstraße. Die
Gäste konnten sich von der Leistungsfähigkeit etlicher Verbandsmitglieder überzeugen, die mit
eigenen Ständen präsent waren. Die Meißener Winzer schenkten Wein und Sekt aus, die Magdeburger
Traditionsfirma „Röstfein“ spendierte Kaffee und Espresso, mitten im Sommer offerierte
die erzgebirgische Bäckerei „Bärenhecke“ Christstollen, während in der Nachbarschaft Salzwedeler
Baumkuchen verkostet werden konnte.
Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, würdigte
das Engagement der zumeist mittelständischen Unternehmen: „Die Genossenschaften spielen
im deutschen Wirtschaftssystem eine ganz entscheidende Rolle.“
Zentralkonsum-Vorstandssprecher Martin Bergner nahm die Vorlage
Billens auf und sagte: „Wofür steht Konsum heute? Konsum
steht für Lebensmitteleinzelhandel, in Dresden und Leipzig sind
wir Marktführer. Konsum steht aber zugleich für Immobilien, Industrie
und Mode.“
In der Tat, auch für Mode. Das demonstrierte die Konsumgenossenschaft
Weimar eindrucksvoll mit einer Modenschau, die den
Höhepunkt des sommerlichen Abends bildete.
W+M
Dr. Henning Ehlers (Deutscher Raiffeisenverband
e. V. ), Gerd Billen (Staatssekretär
im Bundesministerium der Justiz), René
Rothe (Verbandsdirektor Genossenschaftsverband
e. V.) (v. l. n. r.).
Besonderes Highlight des Abends: die Modenschau der Konsumgenossenschaft
Weimar eG.
Sigrid Hebestreit (Vorstandsvorsitzende Konsumgenossenschaft
Weimar eG) und Martin Bergner
(Vorstandssprecher Zentralkonsum eG).
Am Stand der Sächsischen
Winzergenossenschaft Meißen:
Jürgen Kotschi (Zentralkonsum),
Frank Heisinger (Deutsche Bank),
Nico Stehr (Marsh GmbH),
Eike-Jens König (Röstfein Kaffee) und
Oliver Fern (Sachsen Bank) (v. l. n. r).
Clemens Weber (l.) und Jens
Oliva präsentieren Bewegungsspielgeräte
der Basisgemeinschaft
Wulfshagener Hütte eG.
Gute Stimmung
am Stand der Bitburger
Brauerei.
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58 | W+M Netzwerk
7. Sommerfest des Berliner Handwerks
Netzwerk mit Seeblick
Rund 450 Teilnehmer feierten Anfang Juli das 7. Sommerfest des Berliner Handwerks im
Seehotel am Dämeritzsee. Der Präsident der Handwerkskammer Berlin Stephan Schwarz
sowie Geschäftsführer Jürgen Wittke empfingen die Gäste aus Innungen und Politik zu
Musik, kulinarischen Köstlichkeiten und Gesprächen. Neben vielen Obermeistern der einzelnen
Innungen, Handwerksunternehmern und Vertretern von befreundeten Handwerkskammern
und Partnerorganisationen waren auch Peter Wollseifer (Präsident des Zentralverbands
des Deutschen Handwerks), Dr. Holger Hatje (Vorstandsvorsitzender der Berliner
Volksbank), Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium) sowie
Stefan Evers und Jürn Jakob Schultze-Berndt (Abgeordnete CDU-Fraktion Berliner Abgeordnetenhaus)
gekommen.
Die geladenen Gäste konnten sich bei herrlichem Sommerwetter in zwangloser Atmosphäre
bei Live-Musik der Band „Walk Act“ austauschen und neue Kontakte knüpfen.
W+M
Jürgen Wittke (l., Geschäftsführer der Handwerkskammer
Berlin) und Stephan Schwarz
(Präsident der Handwerkskammer Berlin).
Birgit Schultz und
Wolfgang Weber,
Ausbilderin und
Leiter der Akademie
Deutsches
Bäckerhandwerk.
Stimmungsmacher:
Die Musiker der Band „Walk Act“.
Gregor Schöning (Leiter
Bildungszentrum BIZWA),
Ronald Warmbier und
Wolfgang Karnath (Ingenieurbüro
Eberswalde), Jean
Liebing (BTZ der Handwerkskammer).
Die Gäste konnten
kleine Mosaike
legen, aufkleben
und als Andenken
mitnehmen.
Ausbilder und Azubis
vom Lehrbauhof der
Fachgemeinschaft Bau.
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Das Sommerfest der Handwerkskammer
Berlin fand im
Seehotel am Dämeritzsee statt.
Fotos: Fritsch, Sarkandy, Wolf
Gesellschaft | 59
Auftaktveranstaltung der Unternehmerinnen im UV Brandenburg-Berlin
Die Initiatorinnen der Interessengemeinschaft der
Unternehmerinnen (v. l.): Birgit Rohde-Göhring (Flussweg-
Coaching), Andrea Grandjean (Audita) und Iris Friederici
(Organisationsberatung).
Frauenpower am Nordpier
Die Interessengemeinschaft der Unternehmerinnen im Unternehmerverband
Brandenburg-Berlin (UVBB) lud im Juni zu ihrer Auftaktveranstaltung
ins ansonsten nicht öffentlich zugängliche Nordpier des neuen Flughafens
Berlin-Brandenburg. Eine doppelte Premiere: Es war nicht nur die erste Veranstaltung
im Flughafengebäude, sondern auch die erste Veranstaltung der
Unternehmerinnen im Verband. Die Initiatorinnen der Interessengemeinschaft,
Iris Friederici, Andrea Grandjean und Birgit Rohde-Göhring, wollen
die Interessen der Frauen im Verband stärker sichtbar machen, Kräfte bündeln
und eine Plattform bieten. Sie wollen die Unternehmerinnen ermutigen,
sich in einem starken Netzwerk zu engagieren und enger zu kooperieren.
Zahlreiche Gäste waren der Einladung in den Flughafen gefolgt. Neben
einführenden Worten von Sabine Hübner (Gleichstellungsbeauftragte
im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie Brandenburgs),
Dr. Joachim Feske (UVBB), Dr. Udo Haase (Bürgermeister Schönefeld) und
Hartmut Mehdorn (Geschäftsführer des Flughafens Berlin-Brandenburg)
genossen die Gäste bei eindrucksvoller
Kulisse anregende Gespräche und kulinarische Köstlichkeiten.
W+M
Nadine Dillinger (VCAT Consulting, l.) und Annette
Mücke (Mercedes Airport Center Schönefeld).
Im Gespräch am Gate B30: Sabrina Seifert (DZ Bank), Michael Goldschmidt
(GSW Protect), Andreas Gröschl und Peter Krienelke (beide Teltower Stadtblatt)
sowie Petra Bode (Internetmarketingakademie) (v. l. n. r.).
Peter Weißenberg (Bereichsleiter
Regionalentwicklung Stadt Teltow),
Steffen Heller (Geschäftsführer
UVBB) und Dr. Burkhardt Greiff
(Vize-Präsident UVBB) (v. l.).
Netzwerken im
zukünftigen Boarding-Bereich.
Initiatorin Andrea Grandjean (r.) im Gespräch mit Simone
Lipski und Anke Politz (l.) vom Chamäleon Theater Berlin.
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60 | W+M Netzwerk
Die Gemeinde Feldheim
feiert im Oktober 2010 mit
Gästen aus Politik, Wirtschaft
und umliegenden Kommunen
die Einweihung des
„Energieautarken Dorfs
Feldheim“.
Feldheim versorgt sich komplett aus lokalen Energiequellen
2013 wurden 23 Prozent des Stroms in Deutschland regenerativ erzeugt. Ist gar eine Steigerung auf
hundert Prozent möglich? Zumindest die kleine brandenburgische Gemeinde Feldheim, ein Ortsteil
von Treuenbrietzen, hat das bewerkstelligt. Experten und Politiker aus fernen Ländern strömen dorthin,
um sich das Projekt anzusehen. Auch der VBIW nahm die Feldheimer Lösung unter die Lupe.
Von Rudolf Miethig (VBIW)
Feldheim. Siegfried Kappert, Mitglied des Fördervereins des Neue
Energien Forums Feldheim e. V., empfing die Gäste des VBIW und
beschrieb ihnen die Anlagen und wie es dazu kam, dass sich die
Gemeinde eine eigene Energieversorgung aufbaute. Zunächst habe
alles mit den 6.000 Ferkeln der Feldheimer Agrargesellschaft angefangen.
Die brauchten nach dem Absetzen von der Mutter auch im
Aufzuchtstall noch viel Wärme. Um sie zu erzeugen, errichtete die
Agrargesellschaft eine Biogasanlage mit einem Blockheizkraftwerk.
Bald fragten die Bewohner des Dorfes, ob nicht auch ihre Haushalte
mit Wärme aus der Anlage versorgt werden könnten. Und dann
wollten sie auch noch den Strom aus dem Windpark beziehen, den
die Energiequelle GmbH aus Kallinchen (Teltow-Fläming) in Feldheim
errichtet hatte und betreibt. Zusammen mit der Energiequelle
GmbH gründeten sie die Feldheim Energie GmbH & Co. KG, die Wärme
aus der Biogasanlage und Strom aus dem Windpark aufkauft und
an die Kommanditisten (Gewerbebetriebe und 37 Haushalte) weiterleitet.
Mit 3.000 Euro konnte sich jeder Feldheimer an der KG beteiligen
und Wärme und/
oder Strom aus den Energiequellen
vor Ort beziehen.
Dafür musste die KG
ein eigenes Wärme- und
Stromnetz aufbauen, da
Braucht
viel Wärme:
zu Beginn
der Aufzucht
etwa
28 Grad.
der bisherige Betreiber
des örtlichen Stromnetzes
E.ON Edis den Verkauf des
Stromnetzes an die Kommanditgesellschaft
verweigerte.
Feldheim wurde
zur bundesweit ersten Gemeinde, die Strom und Wärme zu 100
Prozent aus erneuerbaren Energien bezieht.
Auf dem Rundgang erfuhren die Teilnehmer weitere interessante Details.
Zunächst führte der Weg an einer E-Tankstelle vorbei. Nein,
leider hat bisher kein Einwohner ein Elektro-Auto. Im Windpark mit
einer Gesamtleistung von 74 Megawatt betrachteten die Teilnehmer
den Turm einer der 43 Windkraftanlagen von innen.
Letzte Station: die Biogasanlage. Das angeschlossene Blockheizkraftwerk
leistet 500 Kilowatt. Es erzeugt Strom auch bei Flaute
und fehlender Sonneneinstrahlung, der in das öffentliche Netz eingespeist
und gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz vergütet wird.
Gleichzeitig liefert es die Wärme (Heizung und Warmwasser) an die
Einwohner und Gewerbebetriebe der Kommanditgesellschaft. Die
Anlage wird beschickt mit Schweinegülle, Rindergülle, Maissilage
und Roggenschrot. Die Rückstände werden noch als Dünger verwendet.
An kalten Tagen wird eine zusätzliche Holzhackschnitzelheizung
zugeschaltet.
Die Besucher des VBIW zogen folgendes Fazit: Die Gemeinde ist unabhängig
von den großen Energielieferanten und von fossilen Rohstoffen.
Sie bezieht zwar den Strom von einem nicht-ortsansässigen
Energieerzeuger, der erzeugt ihn aber vor Ort in Feldheim, er
braucht ihn nicht über Fernleitungen zuzuführen. Die pflanzlichen
Rohstoffe, welche in der Biogasanlage vergoren oder als Hackschnitzel
verbrannt werden, gelten als klimaneutral, da sie bei ihrem Aufwuchs
soviel Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden wie sie
bei der Verbrennung abgeben. Daher nennt sich die Gemeinde völlig
zu Recht „energieautark“. Überdies scheint das Geschäftsmodell stabile
Energielieferungen zu langfristig verlässlichen Preisen zu gewährleisten.
In Feldheim kostet Strom 17 Cent pro Kilowattstunde.
Fotos: Wolfgang Lorenz, Petr Kratochvil/Wikimedia Commons, BASF/Rasche, Bernd Geller (VBIW)
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
VBIW | 61
VBIW-Sonderpreise für „Jugend forscht“
Den Sonderpreis des Regionalwettbewerbs Brandenburg/Ost des
Wettbewerbs „Jugend forscht“ übergab Manfred Kochan (VBIW) an
Richard Tambor, Merima Biogradlija und Merle Malou Tim vom Paulus-Praetorius-Gymnasiums
Bernau für ihr Projekt „Kein Interesse
an naturwissenschaftlichen und technischen Berufen! Kann ‚Schule’
gegensteuern?“. Die 18-jährigen Gymnasiasten wollten herausfinden,
was an den Schulen getan werden kann, um dem mangelnden
Interesse am Ingenieurberuf entgegenzuwirken.
Auf dem Regionalwettbewerb Brandenburg/West übergab Manfred
Fladrich (VBIW) drei 17-jährigen Schülern des Emil-Fischer-Gymnasiums
im SeeCampus Niederlausitz den VBIW-Sonderpreis. Anja
Hühne, Stefan Lehmann und Marco Oelmann begannen bereits 2012,
Informationen über Passivhäuser und deren Sparpotenzial zu sammeln.
Dabei standen zunächst Energieverbrauch und -kosten auf ihrem
Programm. Jetzt beschäftigten sie sich mit dem Wohlbefinden
der Nutzer des Schulgebäudes. In einem ersten Fazit optimierten sie
mit dem Haustechniker das Lüftungssystem, um Beschwerden wie
Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme und Müdigkeit zu minimieren.
Dieses Projekt wurde anschließend auf dem Landeswettbewerb erster
Preisträger im Fachgebiet Arbeitswelt.
Auf dem Landeswettbewerb in Schwarzheide erhielten Lukas Wogirz
und Markus Helbig (beide 17, Foto) vom Gauß-Gymnasium in Frankfurt
(Oder) den Sonderpreis des VBIW. Sie wurden auch zweiter Preisträger
im Fachgebiet Technik in der offiziellen Wertung. Ihr Projekt
heißt „Bau eines nachführbaren Photovoltaiksystems“. Dabei entwickelten
sie ein Panel, das um zwei Achsen, nämlich in Richtung
(Azimut) und Höhe (Elevation) der Sonne nachgeführt wird, um dessen
Effektivität zu steigern. Sie erkannten, dass dadurch der Flächenbedarf
eines Solarparks minimiert werden kann. Der VBIW unterstützte
die Schüler auch nachträglich durch die Vermittlung eines
Statikers, der die Standsicherheit eines solch schweren Gebildes
auf einem Dach überprüft. Auf der Festveranstaltung zum 20-jährigen
Bestehen des VBIW am 29. August 2014 werden Lukas Wogirz
und Markus Helbig ihr Projekt vorstellen. Jutta Scheer (VBIW)
VBIW besichtigt PCK Raffinerie Schwedt
Schwedt. Nach einer eindrucksvollen Rundfahrt durch die ausgedehnten
Betriebsanlagen informierte Verena Leschke aus dem Bereich
Standortentwicklung/Unternehmenskommunikation des PCK
die VBIW-Mitglieder über die Entwicklung des Unternehmens.
Es wurde 1958 als Erdölverarbeitungswerk Schwedt gegründet. Im
Dezember 1963 wurde die Rohöl-Pipeline aus der Sowjetunion angeschlossen.
1968 begann die Versorgung West-Berlins mit PCK-Kraftstoffen.
Ab 1970 wurde das Werk zum Petrolchemischen Kombinat
Schwedt erweitert. 1991 wurde es privatisiert. Heute gehört es der
Ruhr Oel GmbH, an der BP beteiligt ist, und dem russischen Staatskonzern
Rosneft. Daneben sind auch Shell, Eni (Agip) und Total beteiligt.
Das PCK ist das bedeutendste Unternehmen der Uckermark
und zählt zu den führenden Raffinerien in Europa.
In Schwedt werden jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet.
Dieses ist ein Gemisch aus Stoffen, das in Benzin, Dieselkraftstoff,
Kerosin, Flüssiggas, Heizöle und Bitumen aufgespaltet
wird. Dafür werden neben Destillationsanlagen unter anderem eine
FCC-Anlage (Fluid Catalytic Cracking), eine Visbreaker-Anlage (thermisches
Crackverfahren) und die weltweit einzige HSC-Anlage (High
Conversion Soaker Cracking) betrieben. Weiterhin dient eine Leichtbenzin-Veretherungsanlage
zur chemischen Einbindung von Bioethanol
in Benzin.
Bernd Geller (VBIW)
VBIW – Verein Brandenburgischer
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.
Landesgeschäftsstelle: Fürstenwalder Str. 46,
15234 Frankfurt (Oder), Tel.: 0335 8692151
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de
Internet: www.vbiw-ev.de
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
62 | W+M Netzwerk
UV Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin
Lernen von der „Smart City“ Santander
UV Sachsen
Erfolgreiche Premiere
Der erste Sonntagsrenntag der
Sächsischen Wirtschaft auf der
Galopprennbahn Scheibenholz
in Leipzig war ein voller Erfolg.
Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister
Uwe Albrecht, der Präsident
des Vereins „Gemeinsam für
Leipzig“, Dr. Mathias Reuschel,
und der Präsident des UV Sachsen,
Hartmut Bunsen, unterstützten
das Vorhaben, das Kulturdenkmal
im Herzen der Stadt
als einen Ort des gesellschaftlichen
Lebens zu etablieren.
Die Hafenstadt Santander liegt im Norden
Spaniens am Atlantik und zählt etwa
180.000 Einwohner. Das Besondere an der
Stadt sind nicht nur ihre touristischen Attraktionen
wie weitläufige Sandstrände,
Segel- und Surfreviere, sondern ihre Vernetzung
zur sogenannten „Smart City“.
Im Rahmen des gleichnamigen Projekts
hat die Stadt in den letzten Jahren rund
100 Kilometer Glasfaserkabel im Stadtgebiet
verlegt. Tausende von Sensoren,
in allen Ecken der Stadt, auf Laternen,
an Masten, Hauswänden und im Asphalt
messen tagein, tagaus
Licht, Druck, Temperatur,
Feuchtigkeit, Lärm und
Bewegung. Die unzähligen
gesammelten Daten
werden in einem dazu geschaffenen
Labor an der
Universität der Stadt gespeichert
und ausgewertet.
So lassen sich zeitnah
nicht nur Verkehrsströme
erfassen und lenken,
sondern auch Busse,
Taxis und Fahrzeuge zur
Ver- und Entsorgung zielgenau
einsetzen. Mittels einer eigenen
App werden für die Einwohner der City
zudem Verwaltungsprozesse, statistische
oder demografische Daten sowie Immobilienpreise
transparent. Im Rahmen der
jährlichen Study Visit des Projekts „Brücken
für Vielfalt und Beschäftigung in MV“
konnten sich Präsident Rolf Paukstat, Vizepräsident
Karl-Heinz Garbe, Geschäftsführer
Wolfgang Schröder und Projektmitarbeiterin
Anika Zahlmann bei einem Besuch
vor Ort ein Bild von der „Smart City“
machen.
Wir lieben Montage
Im Gespräch mit dem
Bürgermeister von Santander
Iñigo de la Serna (2. v. r.).
Das Unternehmergespräch des Verbands mit der
Deutsche Werkstätten Lebensräume GmbH in Dresden
stieß auf große Resonanz. Im Mittelpunkt des
Treffens unter dem Motto „We love Mondays – Personalmarketing
und Arbeitswelten“ stand die Frage,
wie in Zeiten von Fachkräftemängel und geburtenschwachen
Jahrgängen Mitarbeiter gewonnen
und gehalten werden können. Die Vermarktung des
Unternehmens bei potenziellen Mitarbeitern sowie
die Gestaltung der Arbeitswelt wurden dabei
als wichtige Ansätze ausgemacht. Einblick in das
spannende Thema gaben Katharina Kratsch (Deutsche
Werkstätten Lebensräume), Guido Rottkämper
(design2sense) und Ruben Hacker (FREYLER).
Termine
22.08.2014: 10:00 Uhr UV Business-Challenge, Golfpark
Strelasund, Kaschow 14, 18516 Süderholz
UV Brandenburg-Berlin
02.09.2014: 16:00 – 20:00 Uhr Landesarbeitskreis
Innovative Technologien: „Durch Innovationen in
Materialien und Fertigungsverfahren erfolgreich auf
dem Weltmarkt“, Gestamp Umformtechnik, August-
Thyssen-Straße 1, 14974 Ludwigsfelde
12.09.2014: 09:00 – 16:00 Uhr LogistikTag 2014,
Technische Hochschule Wildau, Bahnhofstraße 1,
15745 Wildau
24.09.2014: 18:30 – 20:30 Uhr BER Business Club
UV Norddeutschland
Mecklenburg-Schwerin
11.09.2014: 18:00 – 21:00 Uhr 22. Dampferrunde auf
dem Schweriner See, Weiße Flotte, Werderstraße 140,
19055 Schwerin
12.09.2014: 09:00 – 11:00 Uhr Unternehmerfrühstück
Nordwestmecklenburg, Stadtwerke Grevesmühlen,
Grüner Weg 26, 23936 Grevesmühlen
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg
07.08.2014: 10:00 Uhr Hanse Sail Business Forum zum
Thema: „Grüne Technologien aus M-V für die Energiewende
in Europa“, Steigenberger Hotel Sonne, Neuer
Markt 2, 18055 Rostock
29.08.2014: 17:00 Uhr Sommerfest, Rostocker Freizeitzentrum,
Kuphalstraße 77, 18069 Rostock
03.09.2014: 18:00 Uhr Unternehmerlounge Rostock,
Hotel Sportforum, Kopernikusstraße 17A, 18057
Rostock
03.09.2014: 19:00 Uhr Stammtisch Güstrow, Weinhaus
„Im Hof”, Hageböcker Straße 4, 18273 Güstrow
UV Sachsen
26.08.2014: Sachsen Sail, Amsterdam, Edinburgh,
London
04.09.2014: 8:30 Uhr 3. Ostdeutsches Energieforum,
Hotel The Westin, Gerberstraße 15, 04105 Leipzig
06.09.2014: Myelin Projekt: „Olympisches Familienfest“,
SV Taper 06 e. V., Torgauer Straße 106, 04318
Leipzig
15.09.2014: Wirtschaftspolitischer Arbeitskreis der
Region Dresden, Restaurant Schillergarten, Schillerplatz
9, 01309 Dresden
UV Thüringen
25.09.2014: Betriebsbesichtigung N3 Engine Overhaul
Services GmbH & Co. KG, Gerhard-Höltje-Straße
1, 99310 Arnstadt
Veränderungen von Themen, Terminen und Ver anstaltungsorten
können nicht ausgeschlossen werden.
Foto: RegioVision Schwerin
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Unternehmerverbände | 63
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg
Kein Anlass zur Euphorie
Im Mai fanden sich die Mitglieder des Unternehmerverbands
Rostock-Mittleres
Mecklenburg zur ordentlichen Mitgliederversammlung
in der Sol Lounge in Rostock
ein. Verbandspräsident Frank Haacker eröffnete
die Veranstaltung mit einer Rede. Dabei
betonte er, dass trotz wirtschaftlichen
Aufschwungs und einer relativ niedrigen
Arbeitslosenquote kein Anlass zur Euphorie
besteht, da Bürokratieabbau, Mindestlohn,
Bildungspolitik und Wirtschaftsför-
UV Brandenburg-Berlin
Landtagsführung
70 Mitglieder und Gäste des Unternehmerverbands
nahmen an einer exklusiven
Führung durch den neuen Brandenburger
Landtag teil. Der Abgeordnete Hans-Peter
Goetz (FDP) zeigte den Besuchern das Gebäude.
Diese nutzten die Chance, einen
Blick hinter die barocke Fassade zu werfen
und auf den Stühlen des Plenarsaals Platz
zu nehmen. Zu den Geschäftszeiten ist der
Landtag für jedermann zugänglich, Ausstellungen
und Architektur können besichtigt
sowie der Blick von der Dachterrasse genossen
werden. Die Gäste der exklusiven Führung
des Unternehmerverbands konnten
zudem den Plenarsaal besichtigen und mit
dem Abgeordneten Goetz über die Landespolitik
diskutieren.
derung Themen sind, die noch nicht zufriedenstellend
gelöst wurden. Nachdem
Schatzmeisterin Anja Hausmann im Anschluss
die wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnisse des Verbandes vorgestellt
hatte, gab es Raum für Fragen und Diskussionen,
den die Mitglieder ausgiebig nutzten.
In den Abendstunden konnten dann
in gemütlicher Atmosphäre Gespräche geführt,
neue Kontakte geknüpft und das Buffet
genossen werden.
Zu Gast bei Siemens
Der Landesarbeitskreis Innovative Technologien
des Unternehmerverbands Brandenburg-Berlin
informierte sich über innovative
Lösungen für eine sichere Stromversorgung
im Schaltwerk Berlin der Siemens
AG. 1847 wurde Siemens in Berlin gegründet,
das Schaltwerk in Siemensstadt bereits
1918 erbaut. Die Grundlage für die
Erfolgsgeschichte des Schaltwerkes liegt
in der Forschung und Entwicklung. Moderne
Labore und Versuchsfelder sorgen
dafür, dass immer wieder neue Maßstäbe
für Effizienz und Wirtschaftlichkeit gesetzt
werden können. Das Schaltwerk hat rund
3.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im
letzten Jahr einen Umsatz von über 700
Millionen Euro.
GESCHÄFTSSTELLEN
Unternehmerverband Berlin e. V.
Präsident: Armin Pempe
Hauptgeschäftsstelle
Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin
Tel.: +49 30 9818500
Fax: +49 30 9827239
E-Mail: mail@uv-berlin.de
Internet: www.uv-berlin.de
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.
Präsident: Eberhard Walter
Hauptgeschäftsstelle
Geschäftsführer: Steffen Heller
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus
Tel.: +49 355 22658
Fax: +49 355 22659
E-Mail: cottbus@uv-brandenburg-berlin.de
Internet: www.uv-brandenburg-berlin.de
Bezirksgeschäftsstelle Potsdam
Jägerstraße 18, 14467 Potsdam
Tel.: +49 331 810306
Fax: +49 331 8170835
E-Mail: potsdam@uv-brandenburg-berlin.de
Repräsentanz Frankfurt Oder
Repräsentant: Detlef Rennspieß
Perleberger Straße 2, 15234 Frankfurt Oder
Tel.: +49 335 4007458
Fax: +49 335 4007457
E-Mail: detlef.rennspiess@signal-iduna.net
Unternehmerverband Norddeutschland Mecklenburg-
Schwerin e. V.
Präsident: Rolf Paukstat
Hauptgeschäftsstelle
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder
Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin
Tel.: +49 385 569333
Fax: +49 385 568501
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de
Internet: mecklenburg.uv-mv.de
Unternehmerverband Rostock-Mittleres Mecklenburg e. V.
Präsident: Frank Haacker
Hauptgeschäftsstelle
Geschäftsführerin: Manuela Balan
Wilhelm-Külz-Platz 4
18055 Rostock
Tel.: +49 381 242580
Fax: +49 381 2425818
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de
Internet: www.uv-mv.de
Unternehmerverband Sachsen e. V.
Präsident: Hartmut Bunsen
Geschäftsführer: Lars Schaller
Hauptgeschäftsstelle
Bergweg 7, 04356 Leipzig
Tel.: +49 341 52625844
Fax: +49 341 52625833
E-Mail: info@uv-sachsen.org
Internet: www.uv-sachsen.de
Geschäftsstelle Chemnitz
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz
Tel.: +49 371 49512912
Fax: +49 371 49512916
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org
Geschäftsstelle Dresden
Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck
Semperstraße 2b, 01069 Dresden
Tel.: +49 351 8996467
Fax: +49 351 8996749
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.
Präsident: Jürgen Sperlich
Geschäftsstelle Halle/Saale
Berliner Straße 130, 06258 Schkopau
Tel.: +49 345 78230924
Fax: +49 345 7823467
Unternehmerverband Thüringen e. V.
Präsident: Jens Wenzke
c/o IHK Erfurt – Abteilung Standortpolitik
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt
Tel.: +49 361 4930811
Fax: +49 361 4930826
E-Mail: info@uv-thueringen.de
Internet: www.uv-thueringen.de
Unternehmerverband Vorpommern e. V.
Präsident: Gerold Jürgens
Geschäftsstelle
Geschäftsstellenleiter: Steffen Hellmuth
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald
Tel.: +49 3834 835823
Fax: +49 3834 835825
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de
Internet: vorpommern.uv-mv.de
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
64 | W+M Rückblick
Was macht eigentlich Waldemar Cierpinski, Doppelolympiasieger im
Marathonlauf 1976 und 1980?
Noch immer ein Marathonmann
Irgendwie hat es etwas Symbolisches, dass
es recht steil hinauf geht in das exklusive
Reich, in dem sich Lauffreaks aus ganz
Deutschland beraten lassen. Doch eine Rolltreppe,
wie sie dem ganzen Einkaufskomplex
an der Großen Ulrichstraße in Halle auch ihren
Namen gab, macht den Aufstieg erträglich.
Zudem heftet sich das Auge schnell
auf die beiden opulenten Fotoposter an der
Wand: Waldemar Cierpinski in Jubelpose –
einmal nach seinem olympischen Marathonsieg
1976 in Montreal, das andere Mal vier
Jahre später in Moskau. Neben ihm schaffte
dieses Husarenstück nur noch der Äthiopier
Abebe Bikila.
„Cierpinski Sport“ steht groß über dem
Ende der Rolltreppe. Oben angekommen, eröffnet
sich eine helle, weitläufige, behagliche
Sportartikelwelt, wie man sie von unten
so gar nicht vermutet. 1.300 Quadratmeter
materialisiertes Insiderwissen. Und
schon kommt einem auch der Chef entgegen:
schlank und leichtfüßig wie zu besten Marathonzeiten.
Natürlich trägt er Sportschuhe
zu den lässigen Jeans. „Ich bin ja auch noch
wenigstens viermal die Woche aktiv“, lacht
der Mann, der in seinem Läuferleben fast
sechseinhalb Mal den Äquator umrundet hat.
Schon seit 1989 ist Waldemar Cierpinski Unternehmer.
Zehn Mitarbeiter beschäftigt er
allein in seiner Cierpinski Sport GmbH in Halle
und Quedlinburg. Hinzu kommt ein zweites
Büro bei der Mitteldeutschen Marathon
GmbH, einer von ihm gegründeten und lange
geführten Marketingagentur, in der er nun
aber die Geschäftsführung an seinen ältesten
Sohn André übertrug. Denn der nun
auch schon 63-jährige Doppelolympiasieger
erschließt sich noch immer neue Aktionsfelder.
So betreut er trainingsmethodisch neben
weiteren Langstreckenassen auch seinen
mittleren Sohn Falk, der mit einer Bestzeit
von 2:13:30 h einer der talentiertesten deutschen
Marathonläufer ist. Er leitet in Halle
einen Lauftreff mit 150 Aktiven. Und er
kümmert sich als Organisator und Sponsorengeldeinwerber
um mittlerweile vier läuferische
Großereignisse im Großraum Halle-Naumburg-Bitterfeld-Leipzig.
Neben dem
Waldemar Cierpinski in seiner aktiven Läuferzeit.
Mitteldeutschen Marathon, der im September
bereits seine 13. Auflage erlebt, zählen
hierzu der Harz-Gebirgslauf im Oktober, der
Goitzsche-Marathon sowie der Himmelswege-Lauf
im Juni, benannt nach den steinzeitlichen
Fundstätten in Goseck und Nebra.
Letzterer scheint Cierpinski momentan am
meisten ans Herz gewachsen, wohl auch,
Fotos: Ralf Lehmann, Harald Lachmann, Privat
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
W+M Rückblick | 65
weil er als sein jüngstes Kind – erst 2012
ins Leben gerufen – noch der meisten Zuwendung
bedarf. Wegen der 100-Kilometer-
Strecke, über die es hierbei auf der längsten
von mehreren Distanzen geht, spricht er
auch von einem „Lauf der Heroen“. Zugleich
sieht er den Himmelswege-Lauf als wichtige
Plattform zur Förderung der regionalen
Wirtschaft. Denn begleitet wird dieser von
einer Sportartikelfachmesse. Auch er selbst
ist dann wieder mit auserwählten Produkten
präsent. Immerhin verdient er mit seinem
Sportfachunternehmen sein täglich‘ Brot,
derweil er zu den Laufevents eher noch zuschießt:
Zeit, Kraft und auch Geld.
Vom Trainer zum Geschäftsmann
Dabei stand diese geschäftliche Schiene nie
auf seiner Agenda, als Waldemar Cierpinski
1984 abzutrainieren begann. Er hatte an
der Deutschen Hochschule für Körperkultur
(DHfK) in Leipzig sein Diplom als Sportlehrer
gemacht, liebäugelte mit einer Karriere
als Trainer – und wurde zunächst auch einer
bei seinem Heimatklub SC Chemie Halle.
Vor Olympia 1988 betreute er zudem noch
die Marathonläufer anderer DDR-Klubs mit.
Das Angebot, Vorsitzender beim SC Chemie
zu werden, schlug er indes aus: „Ich wollte
keinen Sesseljob.“
Dann kam die Wende und für Cierpinski,
der da bereits in 35 Ländern die Struktur
von Leistungssport begutachtet hatte, die
schnelle Einsicht: Jetzt braucht es in den
Vereinen deutlich weniger Trainer. So verzichtete
er zugunsten von Walter Schmidt,
der ihn einst zu seinen Triumphen geführt
hatte, und orientierte sich entschlossen
gen Wirtschaft. Das Sportberatungszentrum,
das er nun nach dem Beispiel anderer
Spitzensportler im Westen aufbaute, war das
erste Sportfachgeschäft im Osten. Und es
lief gut, wuchs beständig. Der erste Standort
war mit 70 Quadratmetern schnell zu klein.
Waldemar Cierpinski greift in ein kleines Regal
neben einer Vitrine mit Hightech-Produkten
einer Weltmarke und holt einen japanischen
Laufschuh heraus. Erkennbar ist er
schon angejahrt. „Das war der erste Schuh,
den ich verkauft habe – und zwar genau einmal“,
schmunzelt er. Doch das änderte sich
schnell. Denn neben dem immer breiter und
differenzierter werdenden Angebot brachte
er etwas ein, was ihn von jedem Sportartikelverkäufer
meilenweit unterscheidet: Er
weiß wirklich, was Sache ist, wenn er seinen
Kunden Schuhe, Trikots oder sonstige Laufutensilien
empfiehlt und sie dazu gleich
noch zu richtiger Atemtechnik, Körperhaltung
oder Laufintervallen berät.
Und all das längst nicht nur in puncto Laufen.
Der Marathonmann ist auch temperamentvoller
Alpinskiläufer, leidenschaftlicher
Fußballer, erfahrener Tennisspieler.
Er besitzt eine europäische Trainerlizenz
in Nordic Walking und langjährige
Erfahrung in einem halben Dutzend weiterer
Sportarten. Und dort, wo er nicht so
tief drin steckt, etwa im Schwimmen („Das
mag ich nicht so“), hat er seine Mitarbeiter,
die dann entsprechend vom Fach sind. „Das
ist eben unser Markenzeichen: Wir wissen
aus tiefer Insiderkenntnis, wovon wir reden“,
so der Chef.
Auch hierbei glaubt Cierpinski, sich einiges
von seiner Leistungssportkarriere erhalten
zu haben: Neben Mut und Beharrlichkeit,
sich durchzubeißen und solch ein florierendes
Unternehmen aufzubauen (übrigens mit
Gattin Marita, die 1972 unter ihrem Mädchennamen
Politz bei Olympia über die 800
Meter startete), nennt er „rückhaltlose Ehrlichkeit“:
gegenüber dem Kunden wie gegenüber
sich selbst. „Man muss wissen, was
man kann, wo man steht und was man noch
verbessern muss“, sagt er. So arbeitete er
sich autodidaktisch in die Buchhaltung ein,
lernte mit der Zeit, „wirtschaftlich sauber“
einzukaufen. „Jeder sollte sich Zeit lassen,
aus anfänglichen Fehlern, die hierbei eben
passieren, zu lernen“, ist er sicher.
Eine Frage sei zum Schluss noch gestattet:
Benannten je junge Eltern ihren Sohn
Mit Stolz blickt Cierpinski auf seine erfolgreiche
Karriere zurück.
Cierpinski in seinem Sportfachgeschäft.
Waldemar“, wie es Heinz Florian Oertel 1980
im Reporterüberschwang geraten hatte?
Der Marathonmann lächelt: „Ja, von zwei
1981 geborenen Waldemars weiß ich es definitiv
... “
Harald Lachmann
www.wundm.info WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
66 | W+M Die letzte Seite
Ausblick auf die nächste Ausgabe
Wende und Aufbruch vor 25 Jahren
Die friedliche Revolution im Herbst des Jahres
1989 brachte das politische System in der
damaligen DDR zum Einsturz. Während die
Protestierenden, die sich vielerorts zu den
Montagsdemonstrationen trafen, anfangs
dafür eintraten, die Verhältnisse im „sozialistischen
Arbeiter-und Bauernstaat“ zu reformieren,
wurde schnell klar, dass dies aus
wirtschaftlich-finanzieller Sicht unmöglich
war. Und so wurde ein Jahr nach der politischen
Wende in der DDR die deutsche Wiedervereinigung
vollzogen. Für viele der 16
Millionen Ostdeutschen ging die deutsche
Einheit mit einem Bruch ihrer Berufsbiografie
einher. Die ehemals volkseigenen Betriebe
und Kombinate wurden abgewickelt, ganze
Branchen starben und große Teile der DDR-
Elite landeten auf dem beruflichen Abstellgleis.
Viele Ostdeutsche nutzten den Karriereknick,
um völlig neu durchzustarten. Sie
machten sich selbständig, wurden Unternehmer,
investierten in Ideen, Technologien
und Anlagen. Die kommende Ausgabe von
WIRTSCHAFT+MARKT widmet sich schwerpunktmäßig
dem Thema „25 Jahre Wende in
der DDR“ und stellt stellvertretend für viele
tausend Neu-Unternehmer 25 Persönlichkeiten
vor, die die Ärmel hochgekrempelt und
mit ihrer Geschäftsidee Erfolg haben oder
sich mit ihrem Wirken für die Entwicklung
der Wirtschaft in den neuen Bundesländern
eingesetzt haben.
Die nächste Ausgabe von
WIRTSCHAFT+MARKT erscheint am
25. September 2014.
Personenregister
Albrecht, Uwe 62
Arnold, Frank 54
Bauermeister, Ulrich 7
Baumeister, Roy 54
Belfort, Jordan 54
Bergner, Martin 57
Bikila, Abebe 64
Billen, Gerd 57
Biogradlija, Merima 61
Bode, Petra 59
Bormann, Michael 50
Brauksiepe, Ralf 58
Bremer, Hans-Dieter 7
Bretthauer, Berit 9
Bunsen, Hartmut 38, 62
Carius, Christian 18
Cierpinski, André 65
Cierpinski, Falk 64
Cierpinski, Marita 65
Cierpinski, Waldemar 64/65
Czernomoriez, Olaf 6
de la Serna, Iñigo 62
de Maizière, Lothar 6
Diener, Jens-Mathias 39
Diestel, Antje 6
Diestel, Peter-Michael 6
Dillinger, Nadine 59
Ehlers, Henning 57
Evers, Stefan 58
Fajnor, Vica 22/23
Fern, Oliver 57
Ferris, Timothy 54
Feske, Joachim 59
Fettweis, Gerhard 7
Fischer, Tina 56
Fladrich, Manfred 61
Friederici, Iris 59
Friedrich, Marc 54
Garbe, Karl-Heinz 62
Gebauer, Peter 6
Geisler, Joachim 42
Gleicke, Iris 40
Goetz, Hans-Peter 63
Goldschmidt, Michael 59
Gräber, Roland 47
Gräff, Christian 9
Grandjean, Andrea 59
Greiff, Burkhardt 59
Gröschl, Andreas 59
Gysi, Gregor 6
Haacker, Frank 63
Haase, Udo 59
Hacker, Ruben 62
Hadaschik, Gerald 46/47
Happich, Gudrun 55
Hatakka, Tuomo J. 42
Hatje, Holger 58
Hausmann, Anja 63
Hebestreit, Sigrid 57
Heisinger, Frank 57
Helbig, Markus 61
Heller, Steffen 59
Hendricks, Barbara 40
Heuchert, Karsten 26/27, 40
Hirte, Michael 56
Höhn, Uwe 18
Hoppe, Annekathrin 23
Höppner, Reinhard 7
Hübner, Sabine 59
Hühne, Anja 61
Jeworrek, Torsten 9
Jung, Burkhard 27
Kahnemann, Daniel 54
Kappert, Siegfried 60
Karnath, Wolfgang 58
Klippstein, Markus 12
Kochan, Manfred 61
König, Eike-Jens 57
Kopp, Markus 7
Kotschi, Jürgen 57
Kotzan, Uwe 18/19
Kratsch, Katharina 62
Krey, Christian 10
Krienelke, Peter 59
Kühmstedt, Thomas 8
Kuhn, Werner 8
Kurtzke, Christian 20/21
Kurz, Jürgen 55
Lambusch, Thomas 7
Lamprecht, Anke 7
Lehmann, Robert 35
Lehmann, Stefan 61
Leschke, Verena 61
Lewis, Michael 54
Lieberknecht,
Christine 3, 28-32
Liebing, Jean 58
Lindemann, Hartmut 23
Lipski, Simone 59
Mangold, Anna 12/13
Mansfeld, Marcel 13
Medwedjew, Alexander 26
Mehdorn, Hartmut 59
Menges, Kathrin 9
Merkel, Angela 8, 28, 31/32
Merkel, Stephan 47
Mücke, Annette 59
Müller, Corinna 23
Nahles, Andrea 36
Nari, Ambrose Peter 12
Oelmann, Marco 61
Oertel, Heinz Florian 65
Oettinger, Günther 42
Oliva, Jens 57
Paukstat, Rolf 62
Piketty, Thomas 54
Plattner, Hasso 56
Platzeck, Matthias 56
Politz, Anke 59
Ragnitz, Joachim 16/17, 35
Reichel, Andreas 39
Reuschel, Matthias 62
Rodestock, Bodo 27
Rohde-Göhring, Birgit 59
Rothe, René 57
Rottkämper, Guido 62
Russ, Steffen 50/51
Sanders, Heiko 27, 42
Scharner, Jens Aurel 7
Schirmer, Brigitte 7
Schirmer, Matthias 7
Schlegel, Sirko 7
Schmidberger, Jürgen 6
Schmidt, Walter 65
Schöning, Gregor 58
Schröder, Wolfgang 62
Schucht, Boris 40, 42, 44/45
Schultz, Birgit 58
Schultze-Berndt,
Jürn Jakob 58
Schulz-Strelow, Monika 37
Schwarz, Stephan 58
Schweitzer, Eric 37
Seifert, Sabrina 59
Sell, Helge 46/47
Srivastava, Ravi 12
Stars, Hauke 9
Stefanovic ´ , Miloš 56
Stehr, Nico 57
Stein, Andreas 13
Stenger, Tillmann 10/11
Subkow, Wiktor A. 56
Tambor, Richard 61
Tesch, Gernot 7
Thiel, Oliver 10
Tierney, John 54
Tillich, Stanislaw 20, 27, 39, 44
Tim, Merle Malou 61
Topf, Wolfgang 38
Unland, Georg 21
van Winsen, Jos 22
von Boeselager,
Claudia 12/13
von Dohnanyi, Klaus 34
Walkenhorst, Ralf 54
Warmbier, Ronald 58
Weber, Clemens 57
Weber, Wolfgang 58
Wehrle, Martin 54
Weik, Matthias 54
Weißenberg, Peter 59
Weyer, Frieda 21
Winkel, Mike 9
Wittberg, Volker 48
Wittke, Jürgen 58
Wogirz, Lukas 61
Woidke, Dietmar 56
Wolf, Frank-Oliver 48
Wollseifer, Peter 58
Zahlmann, Anika 62
Zeibig, Jürgen 36
Zschiedrich, Klaus 9
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014
Bewegt sitzen -
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Bewegung
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Sitzen!
www.büro-bewegung.de
Bundesarbeitsgemeinschaft für
Haltungs- und Bewegungsförderung e. V.
»Büro-Bewegung« ist eine Aktion der
nititie e-eene
68 | W+M Länderreport
WIRTSCHAFT+MARKT | 4 / 2014