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Diplomausbildung Diplomarbeiten Sommersemester

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<strong>Diplomausbildung</strong><br />

<strong>Diplomarbeiten</strong> <strong>Sommersemester</strong><br />

Berner<br />

Fachhochschule<br />

Hochschule für<br />

Sozialarbeit HSA Bern<br />

2001<br />

2003


Vorwort<br />

Im <strong>Sommersemester</strong> 2003 wurden insgesamt 12 <strong>Diplomarbeiten</strong> verfasst, deren Ergebnisse<br />

in diesem Heft zusammengefasst und einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt<br />

werden. Titelbild und Abstract wurden von den Studierenden erstellt.<br />

Die Diplomarbeit soll den Studierenden Gelegenheit bieten, sich mit einem für die Sozialarbeit<br />

relevanten Thema auf wissenschaftliche Art und Weise auseinanderzusetzen.<br />

Einige der Themen wurden von Organisationen der Sozialarbeit der HSA Bern vorgeschlagen<br />

und von den Studierenden im Rahmen ihrer Diplomarbeit bearbeitet. Es ist das<br />

Ergebnis von Bemühungen, über <strong>Diplomarbeiten</strong> aktuelle Probleme der Praxis von<br />

Sozialarbeit aufzugreifen und zu bearbeiten.<br />

<strong>Diplomarbeiten</strong> ersetzen zwar keine Auftragsforschung, können aber Anregungen für die<br />

Gestaltung des Praxisfeldes der Sozialarbeit geben. Sie bieten zudem Gelegenheit,<br />

die Zusammenarbeit zwischen der HSA und Organisationen der Sozialarbeit zu vertiefen.<br />

Die <strong>Diplomarbeiten</strong> können in der Bibliothek der HSA Bern ausgeliehen oder von den<br />

VerfasserInnen selbst zu einem kostendeckenden Preis bezogen werden.<br />

Prof. Dr. Alfred Kriesten<br />

Leiter des Ressorts <strong>Diplomarbeiten</strong><br />

1


Übersicht der <strong>Diplomarbeiten</strong><br />

Diplomarbeitstitel/VerfasserInnen<br />

DA-BegleiterIn<br />

4 «[...] sie nehmen Risiko auf sich und<br />

hoffen, dass nichts passiert.»<br />

Bärtschi Franziska, Lutz Monica<br />

Dorothee Guggisberg<br />

6 Psychiatrische Familienpflege<br />

Bigler Eliane<br />

Dr. Peter Lüssi<br />

8 Soziale Arbeit in den Medien<br />

Fleitmann-Thöni Elda, Manser Andrea<br />

Susanne Gerber<br />

10 Alzheimervereinigung Bern – eine<br />

Angebots- und Bedürfnisanalyse<br />

Gassmann Astrid, Niemeyer Katja<br />

Susanne Gerber<br />

12 Ich schaffe es (nicht) alleine!<br />

Gyger Martin, Vedovati Daniela<br />

Monika Güntert<br />

14 Suizidalitätsproblematik unter<br />

Asylsuchenden<br />

Karol Waclaw<br />

Hektor Leibundgut<br />

16 Jugenddelinquenz im Spiegel von<br />

Gerichtsakten des Jugendgerichts<br />

Emmental-Oberaargau<br />

König Chantal D.<br />

Dr. Alexander Rauber<br />

18 «Streit mit den Nachbarn»<br />

Reuter-Zürcher Gabriele,<br />

Votruba-Leuenberger Marianne<br />

Dr. Alfred Kriesten<br />

20 Vom Kinderzimmer zur käuflichen Liebe<br />

Ritter Isabel, Strauss Chantal<br />

Dr. Alfred Kriesten<br />

2


Diplomarbeitstitel/VerfasserInnen<br />

DA-BegleiterIn<br />

22 Berufliche Ressourcen und berufliche<br />

Tätigkeit – Marchsteine im Selbstheilungsprozess<br />

von Alkoholikerinnen?<br />

Schaub-Kaufmann Evelyne,<br />

Studer-Spahr Marianne<br />

Dr. Alfred Kriesten<br />

24 Zur sozialpolitischen Dimension von<br />

Sozialer Arbeit<br />

Stäheli Lis<br />

Nina Wyssen-Kaufmann<br />

26 Wenn Konsum zum Problem wird –<br />

Kaufsucht<br />

Wyss-Gygi Marlène<br />

Jürg Walser<br />

28 Schriftenreihe <strong>Diplomarbeiten</strong> der<br />

Hochschule für Sozialarbeit HSA Bern<br />

3


Ausgehend von der Überzeugung, dass jede in der Schweiz lebende Person ein Anrecht<br />

auf medizinische Versorgung hat, bietet der Verein MeBiF medizinische Beratung für<br />

illegalisierte Frauen an. Die angebotenen Sprechstunden werden nur schwach frequentiert.<br />

MeBiF möchte daher herausfinden, wie er sich einen besseren Zugang zu seiner<br />

Zielgruppe verschaffen kann. Diese Ausgangslage veranlasste uns dazu, im theoretischen<br />

Teil unserer Diplomarbeit zu untersuchen, ob die Situation von illegalisierten Frauen<br />

ein spezifisch auf sie ausgerichtetes Angebot erfordert und wie sie sich Wissen und<br />

Zugänge organisieren. Um diesen Fragekomplex theoretisch zu bearbeiten, wurden<br />

folgende Themen behandelt: Frauenmigration und Illegalisierung; das Konzept Soziale<br />

Netzwerke und die Funktion von Schlüsselpersonen; die Korrelation von Illegalität und<br />

Gesundheit. Ziel war es, die Situation illegalisierter Frauen darzustellen und im Kontext<br />

der Gesundheit theoretisch aufzuarbeiten. Dabei stellte sich heraus, dass illegalisierte<br />

Frauen sich meist in Gruppen von Angehörigen ihrer Herkunftsländer bewegen. Das<br />

alltägliche Überleben setzt funktionierende soziale Netzwerke voraus in denen es<br />

Schlüsselpersonen gibt, die als VermittlerInnen zwischen der spezifischen Lebenswelt<br />

illegalisierter Frauen und den sekundären, resp. tertiären Netzwerken gelten. Daraus<br />

ergab sich folgende Hypothese, die wir im empirischen Teil untersuchten.<br />

«Schlüsselpersonen stellen einen Teil des sozialen Netzwerkes illegalisierter Frauen dar<br />

und ermöglichen diesen unter anderem den Zugang zu medizinischen Hilfsangeboten.»<br />

Anhand von Interviews mit Schlüsselpersonen zeigen wir im empirischen Teil deren<br />

Funktion für illegalisierte Frauen auf. Unsere Hypothese wurde insofern bestätigt, als<br />

dass wir zum Ergebnis kamen, dass Schlüsselpersonen durch Vernetzungsarbeit<br />

illegalisierten Frauen den Zugang zu medizinischer und beraterischer Unterstützung<br />

ermöglichen. Sozialarbeit mit illegalisierten Frauen bedeutet dementsprechend, Arbeit in<br />

und mit sozialen Netzwerken, insbesondere mit Schlüsselpersonen, die eine zentrale<br />

Funktion innehaben. Die Angst vor Ausschaffung erfordert in der direkten professionellen<br />

Arbeit mit illegalisierten Frauen eine besonders sensible Herangehensweise mit der<br />

Ausrichtung des Fokus auf die Schaffung einer Vertrauensebene. Vertrauen ist ein zentraler<br />

Faktor für eine konstruktive Zusammenarbeit. Unsere Schlussfolgerungen für die<br />

Sozialarbeit: Schlüsselpersonen spielen für eine schwer zugängliche Gruppe eine zentrale<br />

Rolle. Dies, weil sie von dieser Gruppe akzeptiert und nach aussen vernetzt sind.<br />

Schlüsselpersonen verschaffen der Sozialarbeit einen Zugang zu spezifischen Gruppen,<br />

aber auch den Gruppen Zugang zu ihnen unbekannten oder -erreichbaren Beratungsangeboten.<br />

5


Unter «Psychiatrischer Familienpflege» wird die Betreuung und Behandlung psychisch<br />

kranker Menschen in Pflegefamilien und kleineren Institutionen, welche gegen Bezahlung<br />

einen familiären Rahmen anbieten, verstanden.<br />

Die Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD) Bern bieten seit 1971 Familienpflegeplätze<br />

für psychisch kranke Menschen in der Region Bern an. Die professionelle Betreuung<br />

der Pflegefamilien und Patienten erfolgt durch 3 SozialarbeiterInnen des UPD-<br />

Sozialdienstes in Zusammenarbeit mit einem UPD-Oberarzt. Dieses Betreuungsteam<br />

der Familienpflege wünschte, dass die Psychiatrische Familienpflege der UPD in einer<br />

Diplomarbeit der HSA Bern evaluiert werde. Dabei waren folgende Fragen zu bearbeiten:<br />

• Welches sind Ziel und Zweck der psychiatrischen Familienpflege aus der Sicht ihrer<br />

Akteure?<br />

• Welche Qualitätsanforderungen an die Akteure der psychiatrischen Familienpflege und<br />

an deren Rahmenbedingungen gelten für eine optimale Zweckerfüllung der psychiatrischen<br />

Familienpflege?<br />

• Inwiefern entspricht die gegenwärtig praktizierte Psychiatrische Familienpflege der<br />

UPD Bern diesen Qualitätsanforderungen?<br />

• Was sollte an der gegenwärtigen Institution im Sinne einer Qualitätssteigerung verbessert<br />

werden – insbesondere in der sozialarbeiterischen Betreuung.<br />

Im Theorieteil der Diplomarbeit wird mittels Fachliteratur auf verschiedene Formen<br />

Psychiatrischer Familienpflege, auf den historischen Hintergrund und die aktuellen Entwicklungen,<br />

vor allem in Deutschland und der Schweiz, eingegangen. Mittels einer Dokumentenanalyse<br />

werden sodann die Rahmenbedingungen und Qualitätsanforderungen<br />

der Psychiatrischen Familienpflege der UPD Bern erfasst. Die empirische Untersuchung<br />

erfolgte einerseits durch eine Befragung mittels Fragebogen bei Patienten und Pflegefamilien,<br />

andererseits durch themenzentrierte Interviews mit dem Betreuungsteam einer<br />

Pflegefamilie und mit zwei PatientInnen.<br />

Die wichtigsten Untersuchungsergebnisse sind: Die in Konzept und Leitbild der UPD-<br />

Familienpflege festgehaltenen Qualitätsanforderungen werden grösstenteils gut in die<br />

Praxis umgesetzt. Es herrscht allgemein eine hohe Zufriedenheit sowohl bei Patienten<br />

und Pflegefamilien wie auch beim Betreuungsteam. Viele psychisch Kranke haben im<br />

Rahmen der familienähnlichen Wohnsituation ihre Selbständigkeit ganz oder teilweise<br />

wiedererlangt. Die Rückfallquote ist gering. Für eine optimale Zweckerfüllung der Familienpflege<br />

müsste jedoch das Betreuungsteam personell vergrössert werden, damit<br />

die Patienten und Pflegefamilien intensiver beraten und begleitet werden könnten. Dann<br />

wäre es auch eher möglich, junge Patienten in die Familienpflege aufzunehmen.<br />

7


Öffentlichkeit dient zur Herstellung von Informationen und Meinungen. Der Zugang zur<br />

Öffentlichkeit ist nicht für alle Akteure gleich. Weil die Medien bestimmen, welche Themen<br />

an die Öffentlichkeit getragen werden, spielen sie eine zentrale Rolle. Soziale Arbeit<br />

ist ein Teil der Öffentlichkeit. Bedingt durch ihre Stellung zwischen Gesellschaft und<br />

Individuum hat sie einen ausgesprochen öffentlichen Charakter. Das Verhältnis zwischen<br />

Sozialer Arbeit und Öffentlichkeit gestaltet sich komplex. Die Gesellschaft macht sich ein<br />

Bild der Sozialen Arbeit u.a. anhand von dem, was in der Presse berichtet wird. In dieser<br />

Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie die Soziale Arbeit im «Bund» und «Blick» erscheint.<br />

Relevante Artikel wurden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.<br />

Folgende Ergebnisse liegen vor: Im «Blick» wird Soziale Arbeit, verglichen mit dem «Bund»,<br />

wenig thematisiert. Es konnten keine Artikel gefunden werden. Vom «Bund» wurden<br />

22 Artikel analysiert. Die Funktion der Sozialen Arbeit wird in diesen Artikeln realistisch<br />

dargestellt. Sowohl die Hilfs- als auch die Kontrollfunktion wird thematisiert. Bei den<br />

Berufspersonen wird vor allem die fachliche Kompetenz hervorgehoben, die menschlichen<br />

Fähigkeiten spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die Sozialarbeiter treten in vielen<br />

Artikeln als Informanten auf. Auffallend dabei ist, dass die Bedürfnisse und die Anliegen<br />

der Klienten selten von den Sozialarbeitern ausformuliert werden. Diese nehmen die<br />

Rolle der Advokaten wenig wahr. Weil das Auftreten der Sozialarbeiter in der Öffentlichkeit<br />

das Berufsbild mitbestimmt, wird auch beim Berufsbild die Professionalität akzentuiert.<br />

Besonders häufig wird die Innovations- und Kooperationsfähigkeit der Sozialen<br />

Arbeit hervorgehoben.<br />

Die Klientschaft wird in den Artikeln sehr unterschiedlich beschrieben, es kann unterschieden<br />

werden zwischen den aktiven und/oder unproblematischen Klienten, den<br />

hilflosen Klienten, den ambivalenten Klienten und den Klienten als Täter. Werden die<br />

Klienten im Artikel widersprüchlich dargestellt oder gar abgewertet, erscheint auch das<br />

Bild der Sozialen Arbeit ambivalent.<br />

Wichtig für die Öffentlichkeitsarbeit ist das Gegenlesen von Artikeln. Dabei muss besonders<br />

darauf geachtet werden, dass die Klienten nicht abgewertet werden, weil nicht nur<br />

die Klienten stigmatisiert, sondern auch das Image der Sozialen Arbeit darunter leidet.<br />

Da die Advokatenrolle von der Sozialen Arbeit wenig eingenommen wird, muss diese<br />

entweder die Bedürfnisse der Klienten in der Öffentlichkeit besser vertreten oder die<br />

Klienten befähigen, ihre Anliegen selber in einem öffentlichen Diskurs zu vertreten. Letzteres<br />

hat den Vorteil, dass die Verantwortung an die Klienten zurückgegeben werden<br />

kann und die Soziale Arbeit nicht zwei verschiedene Interessengruppen gegen aussen<br />

vertreten muss.<br />

9


Gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört die Demenz vom Alzheimer Typ zu<br />

den grössten medizinischen Problemen in den Industrienationen. Die Betroffenen sind<br />

durch die Krankheit vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Um Demente und ihre<br />

Angehörigen beraten zu können, wurde 1989 die Alzheimervereinigung Bern (ALZ Bern)<br />

gegründet.<br />

Im Zentrum der Diplomarbeit steht die Frage nach den Bedürfnissen und Erwartungen<br />

pflegender Angehöriger, um diese dem Angebot der ALZ Bern gegenüber zu stellen.<br />

Dazu werden im theoretischen Teil Kenntnisse über die Krankheit und ihre Auswirkungen<br />

auf pflegende Angehörige sowie mögliche Beratungsmodelle vermittelt. Im zweiten Teil<br />

der Diplomarbeit werden die Bedürfnisse und Erwartungen pflegender Angehöriger<br />

mittels Leitfadeninterviews eruiert und die Ergebnisse dem Angebot der ALZ Bern gegenübergestellt.<br />

Theoretische Modelle zeigen mehrheitlich, dass eine Pflegesituation von Alzheimer<br />

PatientInnen umfassend analysiert werden soll, was eine frühzeitige und kontinuierliche<br />

Beratung voraussetzt. Gleichzeitig wird empfohlen, das ganze Familiensystem in die<br />

Beratung mit einzubeziehen. Auffallend ist, dass das Augenmerk in der Literatur vorwiegend<br />

darauf gerichtet ist, wie private Pflege möglichst lange übernommen werden kann.<br />

Anregungen zu einer differenzierten Analyse des Ausstattungspotentials, um fehlende<br />

Ressourcen sichtbar zu machen, bestehen praktisch keine.<br />

Die Untersuchung in der Praxis ergab, dass die Pflegenden ein Beratungsangebot erst<br />

dann beanspruchen, wenn ihre eigenen Ressourcen erschöpft sind. Die Befragten bevorzugen<br />

eine punktuelle Beratung zu ausgesuchten Fragen oder eine Aussprache mit einer<br />

Fachperson. Der Wunsch, das Familiensystem in die Beratung mit einzubeziehen,<br />

besteht nicht. Eine grosse Verunsicherung konnte in Zusammenhang mit der fehlenden<br />

Diagnose festgestellt werden. Bei drei der vier Interviewpartnerinnen kam der Wunsch<br />

zum Ausdruck, dass ihnen jemand die Verantwortung für Entscheidungen abnimmt, die<br />

belastende Situation zu verändern.<br />

Aus der Gegenüberstellung der Bedürfnisse der Pflegenden mit dem Angebot der ALZ<br />

Bern lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen. Will die ALZ Bern ihre Ziele erreichen,<br />

sollten zuerst zwei ausgesprochen wichtige handlungstheoretische Elemente<br />

geschaffen werden: Die Entwicklung eines umfassenden Konzeptes sowie Evaluationsinstrumente,<br />

um die Prozesse der Veränderung oder Erhaltung einer Situation sichtbar zu<br />

machen. Um den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer NutzerInnen gerecht zu werden,<br />

sind bei der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes den Themen Prävention, Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Beratung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

11


Grundlage dieser Diplomarbeit liefern die Daten einer Langzeitstudie von 1988 – 2002<br />

über alkoholabhängige Selbstheiler. Alkoholabhängigkeit ist ein viel diskutiertes Thema,<br />

weniger bekannt ist hingegen, dass es Leute gibt, die den Ausstieg aus der Alkoholsucht<br />

ohne professionelle Hilfe schaffen. Neuere Erkenntnisse haben bewirkt, dass die Thematik<br />

in der Wissenschaft zunehmend diskutiert wird.<br />

Bei der Datenauswertung werden familiäre Entwicklungen im Lebenslauf von Selbstheilern<br />

betrachtet. Daraus haben sich folgende Fragestellungen ergeben:<br />

1. Welche familiären Entwicklungen erlebten die Probanden?<br />

2. Welchen Einfluss haben familiäre Entwicklungen auf den Verlauf der Suchtkarriere?<br />

Im theoretischen Teil der Diplomarbeit werden die Themen Alkoholabhängigkeit, Netzwerk<br />

Familie und Sozialarbeit mit Alkoholabhängigen und deren Familien behandelt. Der<br />

empirische Teil widmet sich der Auswertung, Interpretation und dem Quervergleich der<br />

Daten von 11 Probanden und zeigt folgende Ergebnisse auf:<br />

• Alkoholabhängige sind vielfältigen familiären Entwicklungen ausgesetzt, welche Einfluss<br />

auf den Suchtverlauf haben. Sie können förderlich oder hinderlich wirken für die<br />

Entwicklung hin zu einem Leben ohne die Sucht.<br />

• Verschiedene Lebensumstände, in welchen sich Alkoholabhängige befinden, beeinflussen<br />

ihr Trinkverhalten. Familiäre Entwicklungen können dabei nicht für sich alleine<br />

betrachtet werden, um Schlüsse über Wechselwirkungen ziehen zu können.<br />

• Die Existenz des selbstorganisierten Ausstiegs aus der Alkoholabhängigkeit kann nicht<br />

mehr abgestritten werden und bedarf grösserer Aufmerksamkeit. Familiäre Entwicklungen<br />

und andere Ereignisse, mit denen der Abhängige konfrontiert wird, tragen dazu<br />

bei, ob Selbstheilungskräfte gefördert oder blockiert werden.<br />

• Um eine Veränderung des Trinkverhaltens zu ermöglichen, ist es wichtig, dass der<br />

Betroffene mit seiner Abhängigkeit und deren Auswirkungen konfrontiert wird.<br />

Die Empfehlungen an die Sozialarbeit gelten vorab dem Handlungsfeld der öffentlichen<br />

Sozialdienste. Sie sind mit den vielfältigen Folgen der Alkoholproblematik konfrontiert<br />

und treffen auf «potentielle» Selbstheiler. Der erste Schritt gilt der Sensibilisierung der<br />

Sozialarbeiter auf die Thematik der Selbstheiler. Die Thematisierung der Sucht und das<br />

ressourcenorientierte Arbeiten unter Einbezug der Angehörigen von Alkoholabhängigen<br />

ist von zentraler Bedeutung. Da die Selbstheiler nach wie vor eine Minderheit darstellen,<br />

darf die Vernetzung zwischen den Sozialdiensten und den professionellen Angeboten<br />

sowie Selbsthilfegruppen für Alkoholabhängige nicht ausser Acht gelassen werden.<br />

13


Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema Suizidalität unter Asylsuchenden und<br />

insbesondere mit dem Umgang mit Suizidgefährdeten. Sie stellt zuerst Suizidtheorien<br />

und Motive suizidaler Handlungen vor und richtet dann ihr Hauptinteresse auf die<br />

Klientengruppe der Asylsuchenden. Sie formuliert schliesslich die wichtigen Prinzipien im<br />

Umgang mit Suizidgefährdeten und zeigt präventive Massnahmen auf.<br />

Die zentralen Fragen sind: Welche Motive liegen suizidalen Handlungen zugrunde?<br />

Welche Faktoren begünstigen die Suizidalität von Asylsuchenden? Was ist wichtig im<br />

Umgang mit suizidgefährdeten Klienten?<br />

Wichtig für den Umgang mit suizidgefährdeten Klienten sind folgende Einsichten:<br />

• Suizidalität kann sich in Form von Suizidgedanken, Suizidankündigungen, Suizidversuchen<br />

oder durch einen vollendeten Suizid äussern. Suizidale Handlungen kommen<br />

oft in Krisensituationen vor und haben Appellcharakter.<br />

• Das Spektrum der Erklärungsmodelle ist sehr breit. Der Suizid kann sowohl als Symptom<br />

einer psychischen Störung, wie auch als eine freie Entscheidung angesehen<br />

werden.<br />

• Aufgrund der empirischen Daten lassen sich Suizidrisikofaktoren formulieren. Depressive,<br />

Alkoholabhängige, Alte, vereinsamte und sozial isolierte Personen sind besonders<br />

suizidgefährdet.<br />

• Asylsuchende gehören zu einer Gruppe mit erhöhtem Suizidrisiko. Die Suizidalität von<br />

Asylsuchenden steht in engem Zusammenhang mit ihrem Status.<br />

• Die Integration in eine soziale Gruppe bietet den besten Schutz gegen den Suizid.<br />

In Anlehnung an die Erklärungsmodelle lassen sich präventive Massnahmen und Prinzipien<br />

für den Umgang mit suizidgefährdeten Klienten ableiten. Dazu gehören insbesondere:<br />

Die Reflexion der eigenen Einstellung zum Suizid ist eine wichtige Voraussetzung für<br />

einen kompetenten Umgang mit Suizidgefährdeten. Die Kenntnis um die Ursachen und<br />

die Dynamik der Suizidalität tragen wesentlich dazu bei. Den Sozialtätigen müssen die<br />

suizidfördernden Faktoren bewusst werden. Die Aufgabe der Sozialarbeit liegt hauptsächlich<br />

im präventiven Bereich.<br />

15


In dieser Diplomarbeit werden die Daten der Gerichtsakten aller 153 Minderjährigen<br />

ausgewertet, deren Straf- und Massnahmenvollzugsverfahren am Jugendgericht Emmental-Oberaargau<br />

(JGB) in den Jahren 1997 bis 2001 abgeschlossenen wurde, und die<br />

während des Vollzugs von einem Sozialarbeiter des JGB betreut wurden.<br />

Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund:<br />

• Auswertung der Wirkung der Sanktionen und somit der Sozialarbeit.<br />

• Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Situation der straffälligen Minderjährigen,<br />

Art der Delinquenz und Art der Sanktion.<br />

• Entwicklung von Empfehlungen für die Prävention der Jugenddelinquenz.<br />

Die Auswertung der Daten hat ergeben, dass bei Abschluss des Vollzugs 80% der Minderjährigen<br />

erfolgreich sozialisiert sind. Während des Vollzugs können insbesondere in<br />

den Bereichen Legalverhalten, Ausbildung/Arbeit, Umgang mit Geld, und praktische<br />

Lebensbewältigung signifikante Verbesserungen erzielt werden.<br />

Ausländische Minderjährige und solche mit disziplinarischen Schwierigkeiten begehen<br />

statistisch signifikant mehr Gewalt- und weniger Betäubungsmittelgesetz-Delikte. Kinder<br />

und Jugendliche mit Gewaltvorkommen im Elternhaus, Suchtmittelkonsum und solche,<br />

die eine tiefere Schulstufe besuchen, verüben mehr Vermögens- und weniger Gewaltdelikte.<br />

Minderjährige, die illegale oder harte Drogen konsumieren, begehen weniger<br />

Strassenverkehrsgesetz- und mehr Betäubungsmittelgesetz-Delikte. Von jüngeren Minderjährigen,<br />

solchen, welche die Schule mindestens einmal gewechselt haben und<br />

solchen mit ungenügenden Schulleistungen werden hingegen weniger Betäubungsmittelgesetz-Delikte<br />

verübt. Minderjährige mit erhöhter Impulsivität begehen mehr<br />

Gewaltdelikte.<br />

Massnahmen werden allgemein signifikant häufiger bei Minderjährigen unter 15 Jahren,<br />

solchen mit Ausbildungswechseln und solchen mit Konsum von illegalen Drogen angeordnet.<br />

Bei Minderjährigen mit einer schlechten Beziehung zur Mutter, tieferer Schulstufe,<br />

Ausbildungswechseln, verzögerter kognitiver Entwicklung/Intelligenz, erhöhter Impulsivität<br />

und Konsum von harten Drogen erfolgt der Vollzug der Massnahme zudem signifikant<br />

häufiger im stationären Rahmen. Demgegenüber werden Mädchen, ausländische Minderjährige,<br />

Jugendliche ohne Ausbildungswechsel und jene ohne Konsum von harten<br />

Drogen häufiger zu Strafen verurteilt.<br />

Aufgrund dieser Resultate wird empfohlen, dass für die Prävention der Jugenddelinquenz<br />

an allen öffentlichen Schulen in Zukunft die Schulsozialarbeit eingeführt wird.<br />

Um einem allfälligen Einstieg in die Delinquenz entgegenzuwirken, ist anzustreben, dass<br />

die Suchtmittelprävention schon bei sehr jungen Kindern ansetzt, d.h. bevor Kinder<br />

üblicherweise beginnen Suchtmittel zu konsumieren. Die Suchtmittelprävention ist insbesondere<br />

bei den «angepassten» Schülern, an Sekundarschulen und den Gymnasien<br />

wichtig und die Gewaltprävention insbesondere bei ausländischen Kindern und<br />

Jugendlichen.<br />

17


Im Rahmen der Diplomarbeit erfolgt eine Auseinandersetzung mit Konflikten im<br />

sozialen Nahraum. Durch folgende Fragestellungen wird an das Thema herangegangen:<br />

• Welche Konfliktbearbeitungsstrategien werden in der Fachliteratur als geeignet für<br />

Konflikte in einem Gemeinwesen beschrieben?<br />

• Welche Präventivmassnahmen können innerhalb eines heterogenen Gemeinwesens<br />

erfolgreich Konflikte vorbeugen bzw. besser lösen helfen?<br />

• Existieren Modelle der Konfliktlösung bei Nachbarschafts- und Mieterkonflikten, die<br />

bereits evaluiert worden sind?<br />

• Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für die Sozialarbeit für Konflikt<br />

prävention und Konfliktbearbeitung im sozialen Nahraum ziehen?<br />

Die Darstellung von Grundlagenwissen ermöglicht einen differenzierten Einstieg in die<br />

Konfliktthematik. Als Erklärungsmodell für Konflikte im sozialen Nahraum dient exemplarisch<br />

die Desintegrationstheorie von Anhut/Heitmeyer. Herausgearbeitet und dargestellt<br />

sind die für die Sozialarbeit relevanten Konfliktinterventionsstrategien. Eingebettet sind<br />

diese in die Ideologie der Lokalen Agenda 21. Es werden drei Projekte vorgestellt:<br />

«Stadtteilvermittlung» in Frankfurt am Main, WOHNKULTUR in Zürich und STREIT.LOS in<br />

Basel. Die Bereiche Organisationsstrukturen, Konzept und soziale Konflikte werden<br />

analysiert und ausgewertet.<br />

Aus der Literaturrecherche und der Projektauswertung ergibt sich, dass Integration die<br />

Voraussetzung für eine nachhaltige Konfliktprävention und -bearbeitung ist.<br />

Integration findet auf der sozialstrukturellen, der institutionellen und der personalen<br />

Ebene statt. Desintegration bedeutet damit eine gesellschaftliche Verweigerung von<br />

Anerkennung und fördert die Entstehung einer anti-sozialen Einstellung oder Verhaltensweise.<br />

Besonders auffallend ist hierbei die Tendenz zur Ethnisierung von Konflikten.<br />

Zielsetzung und Aufgabe der Sozialarbeit muss darum eine gelungene Integration der<br />

Betroffenen sein.<br />

Die drei ausgewerteten Projekte basieren auf den Grundpfeilern Prävention im öffentlichen<br />

Raum, Konfliktintervention und Vernetzung. Ihre konzeptuellen Interventionsstrategien<br />

sind Beratung, Mediation und Bildung.<br />

19


Diese Diplomarbeit befasst sich mit Prostitution. Im Mittelpunkt steht die freiwillige Prostitution<br />

von minderjährigen weiblichen Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren. Im<br />

Rahmen der Diplomarbeit wurde folgenden Fragen nachgegangen: Nach den Gründen,<br />

weshalb sich eine Jugendliche in die Prostitution begibt, stellt sich als zweites die Frage<br />

nach deren Lebensalltag. Daraus ergibt sich die Beschäftigung mit den Reaktionen der<br />

Gesellschaft. Zuletzt richtet sich das Augenmerk auf die Angebote der Institutionen im<br />

Raum Bern. Die Beschäftigung mit den theoretischen Fragestellungen führen zur Darstellung<br />

der subjektiven Lebensweise, wo die Situation der minderjährigen Prostituierten<br />

erfasst wird.<br />

Aufgrund der Recherchen begünstigen mehrere Gründe den Einstieg in die Prostitution.<br />

Die Aussicht auf Geld reizt vor allem ärmere Jugendliche, die häufig aus defizitären<br />

Familienverhältnissen stammen und/oder Heimerfahrungen aufweisen. Durch Werbung<br />

entstehen bei Jugendlichen Konsumbedürfnisse, die nicht alle aufgrund ihrer beschränkten<br />

Mittel befriedigen können. Zusätzlich bewegen sich die Jugendlichen in prostitutionsfördernden<br />

Peergroups und Milieus, in denen sie meist Partnerschaften finden. Traditionelle<br />

Rollenbilder, ein negatives Selbstbild und eine ungenügende Auseinandersetzung<br />

mit Sexualität können die Aufnahme der Prostitution fördern. Aus den theoretischen<br />

Erkenntnissen muss jedoch beachtet werden, dass diese Faktoren nicht zwingend zur<br />

Prostitution führen. Wie aus der Theorie hervorgeht und in den Interviews abgestützt<br />

wird, gibt es grundsätzlich zwei Gruppen von minderjährigen Prostituierten: Drogensüchtige<br />

und Jugendliche, die sich ihre Konsumwünsche erfüllen und dennoch über einen<br />

unauffälligen geregelten Lebensalltag und herkömmliche Lebensentwürfe verfügen.<br />

In einem Portrait kann sich der Leser einfühlen in die Lebenssituation einer jugendlichen<br />

Prostituierten. Aus den Interviews mit den Experten geht hervor, dass keine Institution<br />

Jugendprostitution als Themenschwerpunkt hat. Da Jugendprostitution in diesem Sinn<br />

sekundär ist, wird sie vielfach nicht aufgegriffen, sofern sie nicht durch die Jugendlichen<br />

selbst angesprochen und thematisiert wird. In der Theorie werden Angebote unterschieden<br />

in primäre und sekundäre Prävention. Die im Raum Bern zuständigen Institutionen<br />

sind im sekundären Bereich angesiedelt, da sie mit bereits in der Prostitution tätigen<br />

Personen arbeiten.<br />

Primärprävention ist im Raum Bern kaum vorhanden. Für eine nachhaltigere Prostitutionsarbeit<br />

benötigt es Institutionalisierung von Sexualpädagogik an Schulen,<br />

Ausbildungsstätten für sozial Tätige und Lehrpersonen. Daneben ist eine vertiefte Auseinandersetzung<br />

mit Sexualität, Prostitution und Jugend in der Öffentlichkeit notwendig,<br />

damit daraus Sensibilisierung von Eltern, Schulen und Politik entsteht.<br />

21


Selbstheilung, «natürliche Heilung» oder selbstorganisierter Ausstieg aus der Drogenbzw.<br />

Alkoholsucht ist ein seit Jahren viel diskutiertes Phänomen. Der Gedanke, dass<br />

Suchtkranke auch ohne aufwändige professionelle Hilfe den Ausstieg aus der Sucht<br />

schaffen, stösst nach wie vor auf Unglauben. Neuere Studien, so auch die Langzeitstudie<br />

des Instituts für Sozialplanung und Sozialmanagement ISS Bern, belegen aber,<br />

dass es Personen schaffen ohne fremde Hilfe aus der Sucht auszusteigen. Aufbauend<br />

auf dieser Studie befasst sich vorliegende Diplomarbeit mit theoretischen Grundlagen<br />

der Risiken der Gestaltung des Lebens, der Bedeutung der beruflichen Ressourcen und<br />

der beruflichen Tätigkeit im Selbstheilungsprozess. Das Ziel dieser Arbeit ist, aus Selbstheilungsprozessen<br />

Erkenntnisse und Forderungen für die Sozialarbeit zu gewinnen, wie<br />

Menschen in Problemlagen unterstützt werden können, selbst die Motivation zu einer<br />

Veränderung ihrer Lebenssituation zu entwickeln.<br />

Die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen hat ergeben:<br />

• Individuen haben das Leben unter neuen Freiheiten, Risiken und Abhängigkeiten<br />

selbstverantwortlich zu gestalten.<br />

• Die Soziale Arbeit bedarf eines Kurswechsels: Nicht die Defizite, sondern das Gelingende<br />

im Leben der Adressatinnen soll im Mittelpunkt stehen. Durch eine veränderte<br />

Optik des Vertrauens in die Stärken und Fähigkeiten der Menschen soll deren Selbstbestimmung<br />

und Autonomie gefördert werden.<br />

• Ressourcen sind ein wichtiges Gut zum Erreichen von Zielen. Individuen sind für deren<br />

Erwerb und Pflege selber verantwortlich.<br />

Im empirischen Teil der Arbeit wurden die Biographien von Selbstheilerinnen bezüglich<br />

ihrer beruflichen Ressourcen und Tätigkeit dargestellt und analysiert. Die Ergebnisse<br />

zeigen, dass aus Sicht der Probanden den beruflichen Ressourcen keine wesentliche<br />

Bedeutung zukommt. Dagegen wurde die berufliche Tätigkeit als stabilisierender Faktor<br />

im Selbstheilungsprozess gewertet.<br />

Aus den Erkenntnissen ergeben sich für die Soziale Arbeit folgende Forderungen:<br />

• Es soll ein Paradigmawechsel zu vermehrter lösungs- und ressourcenorientierter<br />

Sozialer Arbeit stattfinden.<br />

• Der öffentliche Diskurs zur strukturellen Veränderung von sozialen Problemen soll von<br />

allen Beteiligten intensiviert werden.<br />

• Es sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine möglichst konkrete Umsetzung des<br />

Empowermentkonzeptes erlauben.<br />

23


Ich gehe davon aus, dass Soziale Arbeit eine sozialpolitische Dimension hat. Zunächst<br />

lege ich die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Politik dar, welche die gesellschaftlichen<br />

Strukturen massgeblich beeinflussen. Soziale Arbeit beschäftigt sich mit der<br />

Bearbeitung von sozialen Problemlagen, die ihren Ursprung in sozialen Ungleichheiten<br />

haben. In diesem Zusammenhang interessiert mich die Aufgabe von Sozialpolitik. Oft ist<br />

es die Soziale Arbeit, die mit der Umsetzung sozialpolitischer Massnahmen betraut wird.<br />

Anhand einer Befragung zweier Konzeptionen Sozialer Arbeit, die ich nach einem von mir<br />

erstellten Frageraster durchführe, soll die sozialpolitische Dimension herausgearbeitet<br />

werden. Ich habe dazu eine an der Lebenslage orientierte Konzeption nach Böhnisch<br />

und die systemisch-prozessuale Konzeption nach Staub-Bernasconi gewählt.<br />

Die Ergebnisse aus den bearbeiteten Fragen ergaben, dass der Staat in Phasen der<br />

Krise seine Problemlösungsfähigkeit zunehmend verliert. Es gelingt ihm immer weniger,<br />

seine systemintegrativen und sozialintegrativen Funktionen wahrzunehmen. Er steht<br />

unter dem Druck einer sich globalisierenden Wirtschaft und unter dem Druck, gegen<br />

Innen soziale Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Unter dem Einfluss einer kapitalistisch<br />

orientierten Wirtschaft und den daraus entstehenden Schwierigkeiten für den<br />

Sozialstaat nehmen Dissens und Konflikte in der Gesellschaft stark zu. Der Staat reagiert<br />

mit sozialpolitischen Massnahmen, welche die immer sichtbarer werdenden sozialen<br />

Ungleichheiten verdecken sollen. Weil Soziale Arbeit in diese Massnahmen involviert ist,<br />

beschränkt sich ihre Funktion auf Exklusionsverminderung, Inklusionsvermittlung und<br />

Exklusionsverwaltung. Wenn es dem Staat nicht mehr gelingt, mittels sozialpolitischer<br />

Massnahmen regulierend einzugreifen, besteht die Gefahr, dass er für die Erhaltung der<br />

bestehenden Machtstrukturen zu immer repressiveren Massnahmen greift. Soziale Arbeit<br />

steht hier in Gefahr, sich aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen zu verabschieden<br />

und sich auf individuelle Hilfe und Beratung zurückzuziehen.<br />

Eine Schlussfolgerung ist u.a. die folgende: Es gibt Wendepunkte zwischen den Übergängen<br />

von einer Phase in die andere. Will sich Soziale Arbeit ihre Legitimation in der<br />

Öffentlichkeit erhalten, muss sie sich um neue sozialpolitische Inhalte kümmern, beispielsweise<br />

um die Stärkung der Steuerungsressource Solidarität. Die Grundlage von<br />

Solidarität sind verallgemeinerbare Interessen. Dafür braucht es Räume, wo Konflikte<br />

nicht heruntergespielt, sondern ausgetragen werden. Soziale Arbeit hätte hier eine intermediäre<br />

Funktion zu übernehmen, indem sie den Rahmen für solche Konfliktaustragungen<br />

anbietet, gesellschaftliche Diskurse anregt und sich selber aktiv daran<br />

beteiligt. Nur so wird es möglich sein, Lösungen zu erarbeiten, welche für alle Beteiligten<br />

tragbar sind.<br />

25


Die Diplomarbeit greift theoretische Ansätze für Kaufsucht und Coping auf, integriert die<br />

subjektive Sichtweise von drei kaufsüchtigen Frauen und lässt die Erfahrungen zweier<br />

Sozialarbeiterinnen mit Kaufsucht einfliessen. Von Interesse für die Sozialarbeit ist, wann<br />

Betroffene externe Unterstützung in Anspruch nehmen und welche Massnahmen die<br />

Bewältigung der Kaufsucht unterstützen. Die Leitfragen lauten:<br />

• Welche Indikatoren, auslösende Faktoren und Auswirkungen der Kaufsucht sind bekannt?<br />

• Wie hoch ist die Verbreitung der Kaufsucht und des kompensatorischen Kaufverhaltens<br />

im deutschsprachigen Raum?<br />

• Welche Bewältigungsstrategien sind bei Kaufsucht erkennbar?<br />

Aus Theorie und Empirie kristallisieren sich folgende Erkenntnisse heraus:<br />

Im Gegensatz zur stoffgebundenen Sucht stehen bei der Kaufsucht die psychischen und<br />

nicht die physischen Abhängigkeiten im Zentrum. Als individuelle Ursachen der Kaufsuchtgefahr<br />

erweisen sich Selbstwertschwäche und behindernde Sozialisationserfahrungen.<br />

Auslösende Faktoren der Umwelt finden sich in der Konsumgesellschaft<br />

und in der hohen Relevanz der finanziellen Mittel mit der Status und Beachtung erworben<br />

wird. Für die Auswirkungen auf die Betroffenen, deren Umfeld und die finanziellen<br />

Folgen zeigt die Gesellschaft zu wenig Sensibilität. Diese Probleme werden weitgehend<br />

ausgeblendet und individualisiert. Leidensdruck und eigene Motivation sind die Triebfedern<br />

zur Veränderung des Kaufverhaltens. Die Bewältigung der Kaufsucht ohne<br />

professionelle Unterstützung stellt nach Einschätzung aller Interviewpartnerinnen eine<br />

Überforderung dar. In der Beratung liegt der Fokus auf der Stärkung der personalen<br />

Ressourcen, um die vermehrte Nutzung sozialer Ressourcen zu ermöglichen. Zuständig<br />

und kompetent zur Therapie für Kaufsucht erachten sich die wenigsten Institutionen.<br />

Je nach Schätzung sind in der Schweiz zwischen 136’000 und 355’000 Personen kaufsüchtig.<br />

Bei Kaufsucht und kompensatorischem Kaufverhalten besteht für die Sozialarbeit folgender<br />

Handlungsbedarf auf den Ebenen Ausbildung, Praxis und Gesellschaft:<br />

• In der Sensibilisierung und dem Erkennen der Kaufsucht als soziales Problem.<br />

• Im Erarbeiten und Umsetzen institutioneller Unterstützungsangebote, die sinnvollerweise<br />

therapeutische und finanzielle Angebote vernetzen.<br />

• Wichtig sind Selbsthilfegruppen für Betroffene und das Internet als Informationsplattform<br />

für Betroffene, Angehörige und Sozialtätige. Das Internet nutzen die interviewten<br />

Betroffenen zum Überwinden der sozialen Isolation, zur Information über<br />

die Sucht und der Suche professioneller Unterstützung.<br />

27


Schriftenreihe <strong>Diplomarbeiten</strong> der<br />

Hochschule für Sozialarbeit HSA Bern<br />

In dieser Schriftenreihe gelangen <strong>Diplomarbeiten</strong> von Studierenden der Hochschule für<br />

Sozialarbeit HSA Bern zur Veröffentlichung, welche mit dem Prädikat «sehr gut» oder<br />

«hervorragend» beurteilt und vom Ressort Diplomarbeit der Abteilung <strong>Diplomausbildung</strong><br />

zur Publikation empfohlen wurden.<br />

Margareta Rudaz-Allenbach Jugend und Partizipation VP 3/02<br />

Die Machtverhältnisse zwischen den<br />

Generationen als Ursache sozialer<br />

Probleme in der Schweiz<br />

August 2002 (1. Auflage)<br />

ISBN 3-905596-95-4<br />

Barbara da Silva-Schneeberger Zusammenarbeit der Sozial- VP 1/03<br />

arbeiterInnen an der Schnittstelle<br />

Psychiatriesozialdienst<br />

– Öffentliche Sozialdienste<br />

Eine explorative Untersuchung<br />

Februar 2003 (1. Auflage)<br />

ISBN 3-03796-005-1<br />

Gertrud von Siebenthal Arbeit – Abschied vom VP 2/03<br />

Christine Wiedmer<br />

Sozialdienst<br />

Ablösung junger Sozialhilfebezüger<br />

vom Sozialdienst aufgrund beruflicher<br />

Eingliederung<br />

April 2003 (1. Auflage)<br />

ISBN 3-03796-021-3<br />

28


Christina Siegrist-Hug Selbstbestimmung im Altersheim VP 3/03<br />

Karin Gut-Rimle<br />

Eine Untersuchung zu Anspruch und<br />

Wirklichkeit<br />

August 2003 (1. Auflage)<br />

ISBN 3-03796-022-1<br />

Sabine Kaufmann Lebensgestaltung selbständiger VP 3/03<br />

Dominique Moser<br />

alter Menschen<br />

Bedürfnisse – Nichtbedürfnisse –<br />

Probleme<br />

August 2003 (1. Auflage)<br />

ISBN 3-03796-023-X<br />

29


Berner<br />

Fachhochschule<br />

Hochschule für<br />

Sozialarbeit HSA Bern<br />

<strong>Diplomausbildung</strong><br />

Falkenplatz 24 Postfach 6564<br />

3001 Bern<br />

Telefon 031 300 35 00<br />

Telefax 031 300 35 01<br />

E-Mail office@hsa.bfh.ch<br />

www.hsa.bfh.ch

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