Nr. 69 - Soziale Welt
Nr. 69 - Soziale Welt
Nr. 69 - Soziale Welt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Soziale</strong> <strong>Welt</strong> <strong>69</strong><br />
SOZIALPOLITIK 3<br />
Sozialleistungen für alle Europäer<br />
Ein aktueller Fall<br />
Die folgende Geschichte hat sich unlängst in einem Jobcenter unserer Stadt zugetragen: Eine<br />
junge Frau – nennen wir sie einmal „Maria“, die als Kind in einem europäischen Nachbarland<br />
geboren wurde und mit Ihren Eltern alsbald nach Deutschland gezogen war, wollte beim Jobcenter<br />
in Frankfurt Sozialleistungen gemäß SGB II – also „Harz IV“ beantragen, da sie hilfebedürftig<br />
geworden war.<br />
„Maria“ hatte hier in Deutschland<br />
die Schule besucht und<br />
die mittlere Reife erlangt. Dann<br />
hatte sie eine Ausbildung erfolgreich<br />
abgeschlossen. In<br />
Deutschland arbeitete sie Jahrelang<br />
in dem von ihr erlernten<br />
Beruf. Als ein Familienmitglied<br />
nun sehr schwer erkrankte, ging<br />
sie für eine Weile in ihr Geburtsland,<br />
um die Pflege zu übernehmen.<br />
Nach dem Tod des<br />
Angehörigen im vergangenen<br />
Jahr, kehrte Sie in ihre Heimat<br />
nach Deutschland zurück. In<br />
das Land, dass ihr seit frühester<br />
Kindheit Heimat geworden war<br />
und immer Ihr eigentlicher Lebensmittelpunkt<br />
geblieben ist.<br />
Da sie nun nicht direkt wieder<br />
eine Arbeitsstelle fand, meldetet<br />
sie sich Arbeitsuchend und<br />
beantragte beim zuständigen<br />
Jobcenter Hilfen zum Lebensunterhalt,<br />
gemäß den Bestimmungen<br />
des Zweiten Sozialgesetzbuches.<br />
Das Jobcenter lehnte aber<br />
die Anträge „Marias“, unter Berufung<br />
auf den § 7 Abs. 1 Satz<br />
2 <strong>Nr</strong>. 2 SGB II, rundheraus ab.<br />
In der Zwischenzeit erkrankte<br />
„Maria“ und bedarf daher auch<br />
ärztlicher Betreuung. Wegen<br />
der abgelehnten Hilfe durch die<br />
Behörde ist sie nicht krankenversichert.<br />
Nur durch die Hilfe<br />
von Verwandten konnten die<br />
inzwischen notwendigen Operationen<br />
und Behandlungen mit Mühe<br />
bezahlt werden.<br />
Ablehnung ohne jede Hilfestellung<br />
Im Paragraph sieben des zweiten Sozialgesetzbuches<br />
werden die Anspruchsvoraussetzungen,<br />
bzw. die Ausschlusskriterien<br />
geregelt, die einzuhalten sind wenn es<br />
um Leistungen nach SGB II / Harz IV geht.<br />
Die „Justitia“ auf dem Frankfurter Römerberg –<br />
ein Symbol der Unabhängigkeit des Rechtswesens<br />
In diesem Falle teilte das Jobcenter<br />
mit, dass „Maria“ eine Ausländerin sei,<br />
deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus<br />
dem Zwecke der Arbeitssuche ergäbe (so<br />
steht es sehr oft in den einschlägigen<br />
Ablehnungsbescheiden der Jobcenter).<br />
Aus diesem Grunde habe sie keinen Anspruch<br />
auf Leistungen.<br />
Mittellos, krank und ohne Krankenversicherung<br />
ließ das Jobcenter,<br />
als zuständige Sozialbehörde,<br />
die junge Frau abblitzen,<br />
die immer wieder um Hilfe<br />
ersucht hatte. Einen Hinweis<br />
auf die Möglichkeit der Beantragung<br />
von Sozialhilfe nach<br />
SGB XII gab es nicht. Und dies,<br />
obwohl die Not der Bürgerin inzwischen<br />
erdrückend geworden<br />
war und sie wegen ihrer Erkrankung<br />
dringend Hilfsbedürftig<br />
ist.<br />
Der von „Maria“ in der Zwischenzeit<br />
bevollmächtigte Anwalt,<br />
dem dieser Sachverhalt zu<br />
Ohren gekommen war und der<br />
sich um Menschen bemüht, die<br />
sich sonst keinen Anwalt leisten<br />
können, kümmerte sich sofort<br />
um die Sache.<br />
Er stellte Antrag auf einstweilige<br />
Anordnung beim Sozialgericht.<br />
Hierin beantragte er das<br />
Jobcenter anzuweisen umgehend<br />
die – sehr wohl zustehenden<br />
– Leistungen, rückwirkend<br />
an die junge Frau auszuzahlen<br />
und damit auch für Krankenversicherungsschutz<br />
zu sorgen.<br />
Der Anwalt erläuterte in seinem<br />
Antrag, die Antragstellerin<br />
sei keine „Ausländerin“, sondern<br />
eine Inländerin mit ausländischem<br />
Pass. Eine Entscheidung<br />
des Eilantrags ist bisher<br />
nicht bekannt.<br />
Kein Einzelfall<br />
Vielen Menschen, die in Deutschland<br />
angemeldet sind und aus europäischen<br />
Ländern stammen, ergeht es ähnlich.<br />
Sie leben in unserer Mitte und befinden<br />
sich in echter Not. Sie hungern,<br />
werden krank und leben von einem Tag