Befragungsarten der Sozialforschung - Universität Hamburg
Befragungsarten der Sozialforschung - Universität Hamburg
Befragungsarten der Sozialforschung - Universität Hamburg
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Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Dimensionen <strong>der</strong><br />
Differenzierung<br />
Standardisierung<br />
Form <strong>der</strong><br />
Kommunikation<br />
Stil <strong>der</strong><br />
Kommunikation<br />
Art <strong>der</strong> Fragen<br />
Medium bei mündlichen<br />
Befragung<br />
Quelle: Lamnek 1995, Bd. 2: S. 36 ff.<br />
<strong>Befragungsarten</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialforschung</strong><br />
Formen<br />
standardisiert<br />
halb-standardisiert<br />
nicht-standardisiert<br />
mündlich<br />
schriftlich<br />
online<br />
hart<br />
neutral<br />
weich<br />
geschlossen<br />
offen<br />
face-to-face<br />
telefonisch<br />
Qualitatives<br />
Paradigma<br />
–<br />
+<br />
+<br />
+<br />
–<br />
–<br />
–<br />
+<br />
+<br />
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+<br />
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–<br />
Quantitatives<br />
Paradigma<br />
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–<br />
+<br />
–<br />
+<br />
+
Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Interviewvarianten in <strong>der</strong> qualitativen <strong>Sozialforschung</strong><br />
Methodologische<br />
Prämissen<br />
Narratives<br />
Interview<br />
Problemzentriertes<br />
Interview<br />
Fokussiertes<br />
Interview<br />
Rezeptives<br />
Interview<br />
Tiefeninterview<br />
Offenheit völlig weitgehend nur bedingt völlig kaum<br />
Kommunikation erzählend zielorientiert fragend<br />
(Leitfaden)<br />
Leitfaden<br />
erzählend/<br />
beobachtend<br />
fragend/ erzählend<br />
Prozesshaftigkeit gegeben gegeben nur bedingt gegeben gegeben<br />
Flexibilität hoch relativ hoch relativ gering Hoch relativ hoch<br />
Theoretisches<br />
Vorwissen<br />
ohne vorhanden weitgehendstes<br />
Konzept<br />
weitgehend<br />
ohne<br />
Konzept vorhanden<br />
Hypothesen Generierung Generierung<br />
(Prüfung)<br />
eher Prüfung;<br />
auch Generierung<br />
Generierung<br />
(Prüfung)<br />
eher Prüfung;<br />
auch Generierung<br />
Quelle: Lamnek 1995, Bd. 2: S. 91.
Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Standardisierte vs. unstandardisierte Befragung<br />
Vorteile des standardisierten Interviews:<br />
- bessere Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Antworten<br />
- höhere Zuverlässigkeit<br />
- einfachere Durchführung<br />
- Reduktion von Fehlern durch die festgelegte Reihenfolge<br />
<strong>der</strong> Befragung und durch detaillierte Anweisungen <strong>der</strong><br />
Handhabung <strong>der</strong> Interviewsituation<br />
- schnellere (erste) Analyse <strong>der</strong> Antworten<br />
Vorteile des nicht-standardisierten Interviews:<br />
- eine (typisierende) Erfassung von Bedeutungen (Sinn) gegenüber<br />
<strong>der</strong> Standardisierung <strong>der</strong> „oberflächlichen“ Aspekte<br />
einer Reizstruktur<br />
- Ermutigung zu lebensnäheren Antworten, da das Verfahren<br />
eher alltäglichen Kommunikationsstrukturen entspricht<br />
- flexibler in <strong>der</strong> Durchführung<br />
- keine/geringe Prädetermination<br />
- insgesamt kostengünstiger
Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Was ist ein narratives Interview?<br />
Von Schütze eingeführtes und begründetes Verfahren <strong>der</strong> Datenerhebung,<br />
in welchem Befragte gebeten werden, einen bestimmten<br />
Ausschnitt aus ihrem/seinem Leben o<strong>der</strong> auch das Leben in<br />
seiner Gesamtheit möglichst spontan und umfassend zu erzählen.<br />
Ausgangspunkt ist ein erzählungsgenerieren<strong>der</strong> Stimulus, <strong>der</strong> eine<br />
Stegreiferzählung <strong>der</strong> o<strong>der</strong> des Befragten hervorruft. Im Einzelnen<br />
verläuft das narrative Interview folgen<strong>der</strong>maßen ab (ILMES):<br />
1. Am Anfang steht die Erzählauffor<strong>der</strong>ung, die die/den Befragte/n<br />
zur<br />
2. Haupterzählung veranlasst. Die Erzählung wird durch<br />
drei Erzählzwänge gesteuert:<br />
a. den Gestaltschließungszwang: den Zwang, angefangene<br />
Themen o<strong>der</strong> Erzählstränge auch in irgendeiner Art<br />
und Weise abzuschließen;<br />
b. den Kondensierungszwang, den Zwang, die Erzählung<br />
zu "verdichten".<br />
c. Detaillierungszwang, <strong>der</strong> Zwang, Hintergrund- o<strong>der</strong><br />
Zusatzinformationen einzubringen.<br />
d. Die Haupterzählung wird meist abgeschlossen durch<br />
eine Erzählkoda, also eine Äußerung, die das Ende <strong>der</strong><br />
Erzählung signalisiert, wie z. B. "Ja, das wär's eigentlich".<br />
3. Hierauf folgt eine Nachfragephase durch den/die Interviewer/in.<br />
4. Am Ende steht die Bilanzierungsphase, in <strong>der</strong> das bisher<br />
Erzählte abschließend zusammengefasst und bewertet<br />
wird.
Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Was ist ein problemzentriertes Interview?<br />
Das problemzentrierte Interview ist eine Methodenkombination<br />
von qualitativem Interview, Fallanalyse, biographischer<br />
Methode und Inhaltsanalyse. Im Unterschied zu einem narrativen<br />
Interview, geht <strong>der</strong>/die Forscher(in) bei einem problemzentrierten<br />
Interview nicht ohne Vorkenntnisse über den Objektbereich<br />
ins Feld. Die Konzept/Theoriegenerierung steht<br />
noch immer im Vor<strong>der</strong>grund. Methodologisch handelt es sich<br />
beim problemzentrierten Interview um eine Kombination von<br />
Induktion und Deduktion. Wie im narrativen Interview wird<br />
im problemzentrierten Interview das Erzählprinzip verfolgt.<br />
Die Bedeutungsstrukturierung <strong>der</strong> sozialen Wirklichkeit wird<br />
dem Befragten überlassen. Grundlage <strong>der</strong> Befragung ist ein<br />
Leitfaden, das Interview muss exakt dokumentiert und transkribiert<br />
werden.<br />
Auch das problemzentrierte Interview lässt sich in ein Phasenmodell<br />
einteilen:<br />
- Am Anfang steht die Erzählauffor<strong>der</strong>ung, die zwei Funktionen<br />
hat: 1) die/den Befragte/n zu einer Haupterzählung<br />
ermutigen; 2) den Themenbereich eingrenzen.<br />
- Darauf folgt eine Haupterzählung mit drei Varianten <strong>der</strong><br />
Verständnisgenerierung (Zurückspiegelung, Verständnisfragen,<br />
Konfrontation).<br />
- Es schließt sich das Abarbeiten von ad-hoc-Fragen sowie<br />
- Das Erfassen von sozial-biographischen Informationen<br />
an.
Dr. Roland Verwiebe<br />
Institut für Soziologie<br />
Universität <strong>Hamburg</strong><br />
Theoretical Sampling<br />
Das theoriegeleitete Auswahlverfahren (theoretical<br />
sampling) ist das Konzept zur Auswahl von Untersuchungseinheiten<br />
in <strong>der</strong> qualitativen <strong>Sozialforschung</strong>:<br />
Diese sollen nicht nach Kriterien statistischer Repräsentativität<br />
ausgewählt werden, son<strong>der</strong>n danach, ob sie das<br />
Wissen über den Untersuchungsgegenstand zu erweitern<br />
geeignet sind o<strong>der</strong> nicht. Das theoriegeleitete Auswahlverfahren<br />
impliziert daher meist ein kumulatives Vorgehen:<br />
Zunächst werden eine o<strong>der</strong> mehrere Untersuchungseinheiten<br />
analysiert. Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> so<br />
gewonnenen Ergebnisse bzw. Vermutungen, Ideen o<strong>der</strong><br />
Konzepte wird nach weiteren Einheiten/Fällen gesucht,<br />
die geeignet sein könnten, die bisherigen Ergebnisse etc.<br />
zu bestätigen, zu modifizieren o<strong>der</strong> zu erweitern.