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38<br />

PERSPEKTIVEN<br />

RECHT – INTERVIEW<br />

Berater unter Druck<br />

Anlageberater stehen unter Dauerbeschuss und haben in der öffentlichen Diskussion einen<br />

schweren Stand. Der Mainzer Jurist Peter Mülbert erläutert im Gespräch, inwiefern die aktuellen<br />

Gesetzesvorhaben für mehr Bürokratie und nicht immer für mehr Verbraucherschutz sorgen.<br />

SPARKASSE; Herr Mülbert, der Druck auf die<br />

Anlageberater in Geldinstituten kommt von<br />

allen Seiten: vom Vertrieb, vom Kunden und<br />

vom Gesetz. Ist das gerecht?<br />

Prof. Peter Mülbert: Es erscheint zumindest<br />

verständlich. Einerseits stehen die<br />

Anlageberater in Banken unter besonderer<br />

öffentlicher Kritik. Zum anderen ist<br />

die gesunkene Reputation der Berater<br />

aber auch eine Frage des Zyklus auf den<br />

Finanzmärkten. Anlageberater bekommen<br />

eben mehr als andere das Auf und<br />

Ab an den Märkten zu spüren.<br />

Wie beurteilen Sie die politische Begründung<br />

der Registrierungspflicht für alle Berater?<br />

Mülbert: Im Regierungsentwurf ist zumindest<br />

ein bewusster Wille feststellbar,<br />

den Berater in den Fokus zu nehmen.<br />

Zum einen, weil damit mittelbar auch<br />

die Unternehmensleitungen stärker diszipliniert<br />

werden sollen, zum anderen,<br />

um den Berater zu disziplinieren und<br />

um sein Interesse am Kunden wirksam<br />

zu unterstützen. Ich sehe hier vor allem<br />

ein enormes quantitatives Problem. Es<br />

ist die Rede von etwa 300.000 Beratern,<br />

die registriert werden müssten. Veränderungen<br />

müssten ständig nachgehalten<br />

und eingepflegt werden.<br />

Drohen nicht rechtliche Konflikte, wenn die<br />

Daten eines ganzen Berufsstands gespeichert<br />

werden?<br />

Mülbert: Es liegt in der Hand des Gesetzgebers,<br />

datenschutzrechtliche Schwierigkeiten<br />

zu überwinden. Allerdings<br />

reflektieren die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

letztlich rechtliche<br />

Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht<br />

in einem Urteil zur Volkszählung<br />

unter dem Stichwort informationelle<br />

Selbstbestimmung des Einzelnen entwickelt<br />

und ausdifferenziert hat. Über diese<br />

verfassungsrechtlichen Grenzen für<br />

die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener<br />

Daten kann sich auch der<br />

Gesetzgeber nicht hinwegsetzen.<br />

Könnte sich ein Berater gegen die Erfassung<br />

seiner Daten zur Wehr setzen?<br />

Mülbert: Letztlich ja, und zwar durch<br />

eine Verfassungsbeschwerde.<br />

Sind Registrierungspflicht und die Androhung<br />

berufsrechtlicher Sanktionen tat-<br />

sächlich der richtige Weg, um das Geschäftsgebaren<br />

von Banken zu verändern?<br />

Mülbert: Man müsste Beratern schon<br />

fast heroische Eigenschaften unterstellen,<br />

würden sie sich etwaigem organisationsstrukturellen<br />

Druck in einem Institut<br />

auf der Basis dieses Gesetzes tatsächlich<br />

widersetzen. Andererseits sind in der<br />

Vergangenheit Haftungsfälle bei der Beratung<br />

auch deswegen aufgetreten, weil<br />

eine individuelle Beratung gescheitert<br />

ist, im Ergebnis also ungeeignete Produkte<br />

verkauft wurden. Gerade bei langjährigen<br />

Berater-Kunde-Beziehungen<br />

kann schon mal einiges schieflaufen,<br />

was aus Sicht des Instituts unbedingt<br />

verhindert werden muss. Zurzeit sind<br />

etwa 500.000 strukturierte Produkte am<br />

Markt, die ein Berater sich unmöglich individuell<br />

erschließen kann. Daher sind<br />

Vorgaben von Institutsseite sinnvoll oder<br />

sogar unabdingbar, um die Qualität des<br />

Beratungsprozesses und des Beratungsergebnisses<br />

zu sichern.<br />

Sorgt das „Beipackzettel“ genannte Produktinformationsblatt<br />

hier aus Ihrer Sicht<br />

für qualitative Verbesserungen bei der Beratung?<br />

Mülbert: Ich persönlich habe Sympathie<br />

für den Beipackzettel. Er ist eine Informationsgrundlage,<br />

aus der die wesentlichen<br />

Komponenten eines Produkts ersichtlich<br />

sind. Eines der rechtlichen Probleme in<br />

diesem Zusammenhang ist allerdings,<br />

Zur Person<br />

Prof. Peter O. Mülbert (52) ist seit 1999 Inhaber<br />

eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht,<br />

Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Bankrecht<br />

an der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz und Direktor des Instituts für deutsches<br />

und internationales Recht des Giro-, Spar- und<br />

Kreditwesens. 2010 wurde Mülbert in das Gutenberg<br />

Forschungskolleg aufgenommen, was<br />

mit einer fünfjährigen Forschungsfreistellung<br />

verbunden ist. Weitere Stationen in Mülberts<br />

akademischer Laufbahn waren die Universitäten<br />

Heidelberg und Trier. Zudem ist Mülbert<br />

als Sachverständiger in vielen Organisationen<br />

tätig, unter anderem im Finanzausschuss des<br />

Deutschen Bundestags und in der BaFin.<br />

dass der Beipackzettel Grundlage für<br />

massenhafte Haftungsansprüche von<br />

Anlegern werden könnte, etwa mit dem<br />

Argument, die Produktinformationen<br />

seien unzureichend oder unvollständig<br />

gewesen.<br />

Wie wahrscheinlich ist so ein Fall?<br />

Mülbert: Hier droht einem Geldinstitut<br />

relativ geringe Gefahr. Falls irgendwann<br />

ein Risiko auftaucht – das Thema haben<br />

wir bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung<br />

auch schon immer –, dann wird<br />

nachgeprüft, ob dieses Risiko in den Informationen<br />

enthalten war oder nicht.<br />

Was sieht die Prospekthaftung hier vor?<br />

Mülbert: Der große Börsenprospekt<br />

muss eine Zusammenfassung der wesentlichen<br />

Elemente eines Wertpapiers<br />

und den damit verbundenen Risiken<br />

enthalten. Und da sieht das deutsche<br />

Recht ausdrücklich vor, dass allein wegen<br />

Fehlern in diesem Teil nicht gehaftet<br />

wird. Nach dieser Logik dürfte auch für<br />

einen falschen Beipackzettel nicht gehaftet<br />

werden. Die Regierungsbegründung<br />

sieht dies jedoch ausdrücklich anders.<br />

Der Kunde könnte Schadenersatzanspruch<br />

erheben. Es kommt hinzu, dass<br />

das Informationsblatt nur ein Teil der gesamten<br />

Beratung ist. Daneben muss der<br />

Beratungszettel durch individuell auf<br />

den Kunden zugeschnittene Hinweise ergänzt<br />

werden.<br />

Als verpflichtende Ergänzung kommt auch<br />

das Beratungsprotokoll hinzu. Sollte der<br />

Kunde aus Ihrer Sicht das Recht haben, auf<br />

ein umständliches Beratungsprotokoll zu<br />

verzichten?<br />

Mülbert: Als Kunde könnte man die Dokumentation<br />

im Streitfall auch einmal<br />

benötigen. Allerdings gehöre auch ich<br />

eher zu denjenigen, die das Protokoll als<br />

Belästigung empfinden. Als ich das erste<br />

Mal diese Übung mitgemacht habe,<br />

brauchte der Berater allein 25 Minuten<br />

für das korrekte Ausfüllen.<br />

BaFin, Finanz- und Verbraucherschutzministerien<br />

wollen sogenannte verdeckte Ermittler<br />

in die Banken schicken, um die Qualität<br />

von Bankberatung zu prüfen. Seit wann ist<br />

Verbraucherschutz eine Aufgabe der Finanzaufsicht?<br />

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