Altes und Neues - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt
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Familien, deren Väter noch in Kriegsgefangenschaft waren, als vermisst galten oder<br />
gefallen waren. Vereinzelte Übergriffe von deutschen Staatsbürgern auf Deutsche<br />
wurden rücksichtlos geahndet, es sollen dabei auch Backpfeifen ausgeteilt worden<br />
sein.<br />
Die Gründung des <strong>SPD</strong>-Ortsvereines Trotha fand Mitte August 1945, acht Tage nach der<br />
von der KPD, statt. Die Bevölkerung erhielt von der Gründung durch „Buschfunk“ das<br />
heißt durch M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-Propaganda, Nachricht. Die Teilnehmerzahl war<br />
unerwartet groß. Der bestellte Gesellschaftsraum in der Gaststätte „Reichsadler“<br />
reichte nicht aus, es wurde auf den Saal ausgewichen, der erst noch von Luftschutz-<br />
Gerätschaften geräumt werden musste. Tische <strong>und</strong> Stühle waren nicht vorhanden, die<br />
Teilnehmer standen. Ich selbst musste in einer Liste alle erfassen, die der <strong>SPD</strong> beitraten.<br />
Mitgliedsbücher gab es noch nicht. Ihren Beitritt hatten auch sechs ehemalige<br />
Mitglieder der NSDAP erklärt. Die Versammelten beschlossen, diese erst dann<br />
aufzunehmen, wenn jeder zwei Bürger nennen konnte, die keiner Nazi-Organisation<br />
angehört hatten <strong>und</strong> bezeugen konnten, dass die Antragsteller sich auch als Nazi-<br />
Mitglieder anständig benommen hatten. Diese Voraussetzungen konnten noch<br />
während der Versammlung erfüllt werden <strong>und</strong> so wurden auch diese ehemaligen Nazi-<br />
Mitglieder aufgenommen.<br />
Problematisch wurde es aber bei den Flüchtlingen. Hier mussten wir uns ausschließlich<br />
auf deren Angaben verlassen <strong>und</strong> nur einer hatte uns, wie es später herauskam, falsche<br />
Angaben gemacht. Erwähnen möchte ich noch, dass drei Frauen zu mir kamen <strong>und</strong> ihre<br />
Männer anmeldeten, dabei befanden sich zwei Männer noch in Gefangenschaft <strong>und</strong><br />
einer galt als vermisst. Ich hatte es auf der Zunge zu sagen, nun lasst eure Männer erst<br />
nach Hause kommen, ihr habt doch noch keine Gewissheit, dass dies auch geschehen<br />
wird. Im Augenblick unterließ ich dies aber, um den Frauen nicht die Hoffnung zu<br />
nehmen <strong>und</strong> trug ihre Männer in die Liste ein. Die Frau, welche sich zur Sprecherin der<br />
drei machte, bekam ihren Mann nicht zurück, die zwei anderen hatten das Glück.<br />
Die Vorstandswahl ging schnell vonstatten. Der Vorschlag, dazu das<br />
Vorbereitungskomitee zu nehmen, kam aus der Mitte der Versammelten. Vorsitzender<br />
wurde Gustav Wacker. Da er ges<strong>und</strong>heitlich nicht auf der Höhe war, wurde ihm Fritz<br />
Gebühr zur Unterstützung beigegeben. Dahinter verbarg sich noch ein anderer Gr<strong>und</strong>.<br />
Beide verfügten über einen Telefonanschluss. Nicht in ihren Wohnungen, aber auf<br />
ihren Arbeitsstellen. Weiter wurde beschlossen, Vertrauensleute zu benennen, die<br />
jeweils 10 bis 12 Mitglieder zu betreuen hatten. Insgesamt traten 120 Männer <strong>und</strong><br />
Frauen in die Partei ein, einige Wochen später stieg die Mitgliederzahl auf 160.<br />
Mitgliederversammlungen wurden alle 14 Tage vorgesehen, der Vorstand trat alle 8<br />
Tage zusammen. Daran hatten sich ohne Stimmrecht auch die Vertrauensleute zu<br />
beteiligen. Deren Aufgabe war es, ihre Mitglieder von der Arbeit <strong>und</strong> den Beschlüssen<br />
des Vorstandes zu berichten. Sie hatten weiter die Aufgabe, die Mitgliedsbeiträge zu<br />
kassieren <strong>und</strong> dafür zu sorgen, dass möglichst alle Mitglieder an den Versammlungen<br />
teilnahmen. Diese Organisationsform hat sich ausgezeichnet bewährt. Wichtig war<br />
noch ein anderer Beschluss: Es sollte vermieden werden, dass viele Mitglieder die <strong>SPD</strong>-<br />
Geschäftsstelle am Waisenring aufsuchten. Diese Aufgabe wurde Felix Habicht<br />
übertragen. Nur er vertrat dort den Ortsverein Trotha <strong>und</strong> informierte den Throthaer<br />
Vorstand von den Geschehnissen in der Stadtleitung.<br />
Der gewählte Vorsitzende wollte gerade die Versammlung schließen, als plötzlich<br />
einige Anwesende das alte Kampflied der <strong>SPD</strong> „Brüder zur Sonne zur Freiheit“<br />
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