Umgang mit Patientenbeschwerden in der Zahnarztpraxis ... - Spitta
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<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>Patientenbeschwerden</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahnarztpraxis</strong> - Teil 2<br />
2. Häufige Beschwerdegründe <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahnarztpraxis</strong><br />
Bei <strong>der</strong> Analyse von Beschwerdegründen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zahnarztpraxis</strong> müssen die Vorerwartungen von Patienten<br />
und die dadurch erweckten Bedürfnisse berücksichtigt werden:<br />
• So erwarten die meisten Patienten von Zahnärzten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie fachliche Kompetenz bei allen<br />
Problemen im Zahn- und Oralbereich. Manche Patienten erwarten jedoch noch e<strong>in</strong> wenig mehr,<br />
nämlich e<strong>in</strong>e Kompetenz auch bei Problemen, die nur <strong>mit</strong>telbar diesen Bereich betreffen; <strong>in</strong>sofern<br />
wird <strong>der</strong> Zahnarzt oft als Humanmediz<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>arzt angesehen - e<strong>in</strong> Anspruch, <strong>der</strong><br />
entwe<strong>der</strong> nicht erfüllt werden kann o<strong>der</strong> dem man als Zahnarzt nur durch Lebenserfahrung und<br />
Interpolation gerecht werden kann.<br />
• Unerfüllbar können die Erwartungen werden, wenn sich e<strong>in</strong>e <strong>Zahnarztpraxis</strong> das Attribut<br />
ganzheitlich zulegt: Mit dem Ganzheitlichkeitsanspruch werden Erwartungen assoziiert, die nicht<br />
nur Zahnbehandlungsängste im engeren S<strong>in</strong>ne betreffen, son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>e psychische Probleme,<br />
die von e<strong>in</strong>em Zahnarzt entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest nicht im Rahmen se<strong>in</strong>er regulären<br />
Sprechstunde bearbeitet werden können.<br />
• Erwartungen werden aber auch durch das Ambiente <strong>der</strong> <strong>Zahnarztpraxis</strong> geschaffen. Wenn dieses sehr<br />
anspruchsvoll gestaltet ist, werden von manchen Patienten Rückschlüsse auf die (positive)<br />
Behandlungs- und Servicequalität gezogen. Dazu können weiterh<strong>in</strong> Aushänge, Merkblätter,<br />
Patientenbroschüren und möglicherweise auch Internet-Präsentationen beitragen - beson<strong>der</strong>s dann,<br />
wenn Versprechen wie kurzfristige Term<strong>in</strong>vergabe, kurze Wartezeiten, schmerzlose Behandlung o<strong>der</strong><br />
kostengünstige zahnärztliche Leistungen genannt werden.<br />
Zu unterscheiden ist also zwischen Erwartungen, die ohne Zutun <strong>der</strong> <strong>Zahnarztpraxis</strong> vom Patienten<br />
sozusagen importiert werden, und Erwartungen, die aktiv durch die <strong>Zahnarztpraxis</strong> geschaffen werden.<br />
Daneben gibt es Erwartungen, die selbstverständlich s<strong>in</strong>d (Höflichkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft<br />
des Personals, Zuhörfähigkeit des Zahnarztes bei <strong>der</strong> Leidensschil<strong>der</strong>ung, E<strong>in</strong>haltung von Term<strong>in</strong>en, korrekte<br />
Abrechnung). Alle<strong>in</strong> jene zu erfüllen ist schon Herausfor<strong>der</strong>ung genug und schafft, wenn sie erfüllt werden,<br />
schon e<strong>in</strong>e gewisse Basiszufriedenheit.<br />
Unzufriedenheitsquellen<br />
Jede <strong>Zahnarztpraxis</strong> hat bestimmte Quellen von Unzufriedenheit, welche zu mehr o<strong>der</strong> weniger offiziellen<br />
Beschwerden führen kann. Mögliche und häufige Quellen werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Übersicht beschrieben.<br />
Telefonische<br />
Erreichbarkeit<br />
Telefonische<br />
Term<strong>in</strong>vergabe<br />
Mögliche Unzufriedenheitsquellen (Beispiele)<br />
Vorfeld <strong>der</strong> Behandlung<br />
- dauernd besetztes Telefon während <strong>der</strong> Sprechzeiten<br />
- lediglich Ansage-Text ohne Möglichkeit, um e<strong>in</strong>en Rückruf zu bitten<br />
- Vergabe von sehr langfristigen Term<strong>in</strong>en<br />
1
Erreichbarkeit <strong>der</strong> Praxis<br />
- abweisendes Verhalten am Telefon<br />
- ke<strong>in</strong>e Routenbeschreibung im Internet<br />
- ke<strong>in</strong>e Beschreibung von Parkmöglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe<br />
- schlechte Ausschil<strong>der</strong>ung im Haus, <strong>in</strong> dem die Praxis liegt<br />
Empfang an <strong>der</strong> Rezeption - Mitarbeiter<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Arbeit vertieft, unterhalten sich <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
wenden den Rücken zu<br />
- sofortige technische Befragung (Chip-Karte, Krankensche<strong>in</strong> u.ä.) ohne<br />
persönliche Ansprache<br />
- ke<strong>in</strong>e Information über vermutliche Wartezeit<br />
Wartezimmer<br />
- fehlende akustische Diskretion<br />
- zerlesene, ungeordnete Zeitschriften<br />
- ke<strong>in</strong>e Beschäftigungsmöglichkeiten für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Wartezeit<br />
- fehlende o<strong>der</strong> ungepflegte Begrünung<br />
- lange Wartezeiten trotz exakter Term<strong>in</strong>vergabe<br />
- ke<strong>in</strong>e Zwischenmeldungen über noch verbleibende Wartezeit<br />
- unpersönlicher Aufruf zur Behandlung<br />
Begrüßung durch den<br />
Zahnarzt<br />
Untersuchung<br />
- ke<strong>in</strong>e Begleitung zum Behandlungsraum<br />
- unpersönliche, schnelle Begrüßung<br />
- sofortige Platzanweisung im Behandlungsstuhl<br />
- Untersuchung ohne Kommentierung<br />
- wertende, kritisierende Äußerungen des Zahnarztes<br />
Behandlung <strong>in</strong>sgesamt<br />
Aktuelle Behandlung<br />
- ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung eventuell vorhandener Ängste<br />
- ke<strong>in</strong> Überblick über Ablauf <strong>der</strong> Gesamtbehandlung<br />
- ke<strong>in</strong>e Mitentscheidungsmöglichkeiten über Behandlungsplanung<br />
- ke<strong>in</strong> Überblick über anstehende Behandlungsschritte<br />
- ke<strong>in</strong>e Vorwarnungen vor unangenehmen Interventionen<br />
Kostenplan<br />
- ke<strong>in</strong>e Erklärungen, warum was gemacht wird o<strong>der</strong> warum e<strong>in</strong>e Pause e<strong>in</strong>gelegt<br />
wird<br />
- ke<strong>in</strong>e Erläuterung des Kostenplans<br />
- ke<strong>in</strong>e Entscheidungsalternativen bei e<strong>in</strong>zelnen Positionen<br />
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Psychologisch muss man davon ausgehen, dass <strong>der</strong>artige Beschwerdegründe nicht unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
bestehen, son<strong>der</strong>n dass manche Gründe sozusagen abstrahlen auf an<strong>der</strong>e Gründe: Wenn e<strong>in</strong> Patient sich als<br />
Person und se<strong>in</strong> Leiden bereits beim Erstkontakt <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Praxis nicht ernst genommen fühlt, neigt er dazu,<br />
weitere Gründe zu suchen, warum es ihm <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis nicht gefällt, und umgekehrt.<br />
Dabei können e<strong>in</strong>zelne Gründe e<strong>in</strong>e zentrale und alles Weitere bestimmende Bedeutung annehmen:<br />
• Für e<strong>in</strong>en Patienten <strong>mit</strong> starken Schmerzen ist vor allem an<strong>der</strong>en entscheidend, wie man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />
da<strong>mit</strong> umgeht (schneller Term<strong>in</strong>, sedierende Behandlung, schnelle Schmerzfreiheit); <strong>in</strong> <strong>der</strong> akuten<br />
Situation werden Merkmale des Praxisambientes weniger wahrgenommen.<br />
• Dagegen nimmt e<strong>in</strong> ängstlicher Patient sehr genau alle H<strong>in</strong>weisreize aus <strong>der</strong> Umgebung (Gerüche,<br />
Bohrgeräusche, Stimme des Zahnarztes) wahr; Praxismerkmale, die ihm das Vertrauen geben, <strong>in</strong> den<br />
richtigen Händen zu se<strong>in</strong>, können se<strong>in</strong>e Angst m<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
• E<strong>in</strong> kostenbewusster Patient, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e aufwändigere Zahnbehandlung machen lassen will, wird die<br />
Umgebung dah<strong>in</strong>gehend prüfen, ob sie technisch auf dem neuesten Stand zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, ob das<br />
Personal und <strong>der</strong> Zahnarzt e<strong>in</strong>en qualifizierten E<strong>in</strong>druck macht und ob letztlich das von ihm privat<br />
<strong>in</strong>vestierte Geld gut angelegt ist.<br />
Verborgene Motive<br />
Die Beschwerdegründe, welche von Patienten geäußert werden, entsprechen im Übrigen nicht immer den<br />
Gründen, aus denen sie sich tatsächlich geärgert haben. So bemängelt möglicherweise e<strong>in</strong> Patient, <strong>der</strong> sich<br />
über das abweisende Verhalten e<strong>in</strong>er Mitarbeiter<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Rezeption geärgert hat, den bürokratischen<br />
Aufwand bei <strong>der</strong> Erstaufnahme. E<strong>in</strong> Patient, <strong>der</strong> lange warten musste, beschwert sich zwar über die<br />
Wartezeit, me<strong>in</strong>t aber eigentlich, dass e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Mitwartenden bevorzugt aufgerufen wurden. E<strong>in</strong> Patient<br />
kritisiert beim Vorübergehen an <strong>der</strong> Rezeption den Zahnarzt, <strong>der</strong> wohl wenig Zeit habe, me<strong>in</strong>t aber<br />
eigentlich, dass <strong>der</strong> Zahnarzt sich zu wenig nach se<strong>in</strong>em Bef<strong>in</strong>den und zu se<strong>in</strong>er Person erkundigt habe, ihn<br />
also zu wenig als Mensch (und nicht nur als Inhaber e<strong>in</strong>es Zahnproblems) gewürdigt hat.<br />
Schließlich darf nicht vergessen werden, dass es auch Patienten gibt, die sehr schnell und sehr oft dazu<br />
neigen, irgendwelche Missstände zu entdecken bzw. <strong>mit</strong> irgendetwas unzufrieden zu se<strong>in</strong>. Geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong><br />
bezeichnet man Menschen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er solchen habituellen Neigung als Nörgler o<strong>der</strong> als Querulanten. Oft<br />
handelt es sich dabei aber um durchaus konstruktive und sehr aufmerksame Menschen, die nur nicht gelernt<br />
haben, ihre Kritik auf sozial akzeptable Weise zu formulieren und, weil sie wie<strong>der</strong>holt auf Ablehnung<br />
gestoßen s<strong>in</strong>d, nun glauben, ihr Anliegen durch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Beharrlichkeit und Penetranz durchsetzen zu<br />
müssen. Nimmt man sie h<strong>in</strong>gegen ernst, überhört ihren bissigen Gesprächston und konzentriert sich ganz<br />
auf die sachliche Botschaft, dann wird oft das konstruktive Element sichtbar. Wenn sie sich ernst genommen<br />
fühlen, dann lassen sie oft auch <strong>in</strong> ihrer Penetranz nach und werden ganz normale Patienten.<br />
Hans-Wolfgang Hoefert<br />
Zum vorherigen Teil<br />
1. Beschwerden und Reklamationen<br />
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