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Die braune Frau

Ich meinte schon, dass Baabaa, der Hund, mich möchte. Alles Unfug. In den Verhaltenskategorien seiner Rudelwelt würde er die Wahrnehmung meiner Person einordnen. Heute konnte ich das so nüchtern sehen, früher hätte es mir entsetzlich weh getan. Auch wenn ich den Hund immer für meinen treuesten Freund gehalten hatte, dass er ein anderer und niemals wie ich war, stand immer fest. Ob mir das bei Louis auch so klar war, weiß ich nicht genau. Er hatte auch genervt, und ich war froh, als er ging. Wenn ich mit Baabaa hätte reden können, wie gut hätten wir uns verstanden, wie sehr hätten wir einander in all unserer Unterschiedlichkeit respektiert. Mit Louis konnte ich ja reden und hatte es auch immer getan. Nur was ich verstand, war im Laufe der Zeit immer weniger geworden, und mein Interesse, ihn verstehen zu wollen, hatte zunehmend abgenommen. Dass er für mich jemand anders war, sah ich schon, und das zunehmend immer mehr. Nur es weckte kein verstärktes Interesse, sondern förderte das Empfinden von Fremdheit. Zwanzig Jahre waren wir zusammen gewesen. Meinen Bedürfnissen nach Vertrauen, Freundschaft, Sicherheit und Liebe hatte Louis denen nicht entsprochen? Doch schon. Da war ich mir sicher. Aber war es bei Louis anders als bei Baabaa? Waren es nicht auch meine Vorstellungen, meine Bilder von Liebe und Zuneigung, in die ich verliebt war? Aber wir konnten ja miteinander sprechen, uns gegenseitig verstehen, konnten sagen, was wir dachten und empfanden. Zum Abfassen von Kaufverträgen, Dienstanweisungen und auch wissenschaftlichen Untersuchungen reicht die Sprache völlig aus, aber wenn sich Menschen gegenseitig verstehen wollen, bin ich mir da nicht mehr sicher.

Ich meinte schon, dass Baabaa, der Hund, mich möchte. Alles Unfug. In den Verhaltenskategorien seiner Rudelwelt würde er die Wahrnehmung meiner Person einordnen. Heute konnte ich das so nüchtern sehen, früher hätte es mir entsetzlich weh getan. Auch wenn ich den Hund immer für meinen treuesten Freund gehalten hatte, dass er ein anderer und niemals wie ich war, stand immer fest. Ob mir das bei Louis auch so klar war, weiß ich nicht genau. Er hatte auch genervt, und ich war froh, als er ging. Wenn ich mit Baabaa hätte reden können, wie gut hätten wir uns verstanden, wie sehr hätten wir einander in all unserer Unterschiedlichkeit respektiert. Mit Louis konnte ich ja reden und hatte es auch immer getan. Nur was ich verstand, war im Laufe der Zeit immer weniger geworden, und mein Interesse, ihn verstehen zu wollen, hatte zunehmend abgenommen. Dass er für mich jemand anders war, sah ich schon, und das zunehmend immer mehr. Nur es weckte kein verstärktes Interesse, sondern förderte das Empfinden von Fremdheit. Zwanzig Jahre waren wir zusammen gewesen. Meinen Bedürfnissen nach Vertrauen, Freundschaft, Sicherheit und Liebe hatte Louis denen nicht entsprochen? Doch schon. Da war ich mir sicher. Aber war es bei Louis anders als bei Baabaa? Waren es nicht auch meine Vorstellungen, meine Bilder von Liebe und Zuneigung, in die ich verliebt war? Aber wir konnten ja miteinander sprechen, uns gegenseitig verstehen, konnten sagen, was wir dachten und empfanden. Zum Abfassen von Kaufverträgen, Dienstanweisungen und auch wissenschaftlichen Untersuchungen reicht die Sprache völlig aus, aber wenn sich Menschen gegenseitig verstehen wollen, bin ich mir da nicht mehr sicher.

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auf so etwas. Das müssen sie aber nicht sagen. Das ist beleidigend für mich.“<br />

antwortete ich ihm. Er stutzte kurz. „Um Himmels Willen, nein, so habe ich das<br />

doch keinesfalls gemeint. Wie sollte ich denn darauf kommen? Überhaupt<br />

nichts weiß ich von ihnen, außer dass sie <strong>braune</strong>s Haar haben.“ entschuldigte<br />

sich der Mann, der offensichtlich sofort verstanden hatte, warum ich nicht die<br />

<strong>braune</strong> <strong>Frau</strong> sein wollte. „Ich sehe schon mal vom Balkon aus, wie sie im<br />

Garten mit dem Hund spielen. Andere Nachbaren sehe ich ja auch schon mal,<br />

aber sie fallen mir immer auf.“ erklärte der Mann. „Sie mögen <strong>Frau</strong>en mit<br />

<strong>braune</strong>n Haaren.“ mutmaßte ich. Der Mann lachte schallend auf. „Nein, nein,<br />

ich schaue mir keine Magazine mit schönen <strong>Frau</strong>en an und suche welche mit<br />

<strong>braune</strong>n Haaren. Ich verstehe mich ja selbst nicht. Ich kenne überhaupt nichts<br />

von ihnen, habe sie noch nicht einmal sprechen gehört. Sie könnten ja eine<br />

zickige, keifende Hexe sein, nichts weiß ich, und trotzdem drängt es mich,<br />

ihnen zuzuschauen. Erklären sie es mir, warum das so ist. Ich wüsste es zu<br />

gern.“ sagte der Mann. Ich wollte etwas dazu sagen, aber hier auf dem<br />

Bürgersteig bei den Mülltonnen? Mein Vorschlag lautete: „Kommen sie doch<br />

mit rein, dann können wir bei einem Kaffee weitere Untersuchungen zu der<br />

<strong>braune</strong>n <strong>Frau</strong> anstellen, nur ich muss noch ganz kurz etwas einkaufen. Kann<br />

ich sie anrufen, wenn ich zurück bin?“ Was für ein Unsinn. <strong>Die</strong>sen unbekannten<br />

Balkonmann zum Kaffee einzuladen. Ich verspürte Lust dazu, als ob es mich<br />

kitzelte. Waren das schon Auswirkungen meines Alleinseins? Fand es toll, wenn<br />

ich mal jemanden hatte, mit dem ich reden konnte? Das große Wunder meiner<br />

Freiheit preisend hatte ich Ellen mein jetziges Leben dargestellt, und sie hatte<br />

alles in den Orkus der Wert- und Bedeutungslosigkeit gerissen. Zum asozialen<br />

Menschen würde ich mich entwickeln, hatte sie prophezeit. Dass es nicht gut<br />

sei für den Menschen, allein zu sein, könne ich schon in den ersten Sätzen der<br />

Bibel lesen. Dabei handele es sich nicht um reale Geschichten, sondern um<br />

uralte metaphorische Weisheiten. Bis in die Nacht hatten meine Freundin und<br />

ich, ohne zu einer Conclusio zu kommen, weiter diskutiert. Ich war eben<br />

einfach froh, und das wollte ich mir von keinem Menschen und keinen<br />

Argumenten nehmen lassen. Niemandem brauchte ich zu erklären, weshalb ich<br />

den Balkonmann zum Kaffee eingeladen hatte, genau wusste ich es allerdings<br />

auch selbst nicht einmal. „Da hab' ich ja richtig Angst.“ sagte er. „Wieso, sind<br />

sie ein ängstlicher Mensch?“ so ich. „Nein, bei dem Hund, meine ich.“ er<br />

darauf. „Ich könnte ihn ja in den Garten schicken, aber das mag er gar nicht.<br />

Dann steht er die ganze Zeit vor der Tür und winselt. Aber sie brauchen keine<br />

Angst zu haben, der tut ihnen überhaupt nichts.“ erklärte ich. „Ist das denn<br />

nicht ein Rottweiler oder so etwas?“ fragte der Mann. „Nein, nein,“ lachte ich<br />

auf, „bei unserem ersten Hund hat ein Bekannter erklärt, der müsse einen<br />

Maulkorb tragen, das sei nämlich ein ganz gefährlicher Hund, der kleine Kinder<br />

totbisse. Das sei eine absolute Promenadenmischung und mit Sicherheit kein<br />

Rottweiler, hat der Tierarzt meiner Mutter erklärt. So musste es dann auch bei<br />

den folgenden sein, schwarz aber mit Sicherheit kein Rottweiler.“ „Man sagt ja,<br />

dass es auch viel auf die Erziehung ankäme.“ meinte der Mann. „Na klar,<br />

genau wie beim Menschen auch. Viele wollen ja gerade scharfe Hunde haben,<br />

die auch Menschen angreifen. Sie trainieren es sogar direkt.“ wusste ich.<br />

„Scharfe Hunde gibt es doch unter Menschen auch.“ kommentierte der Mann.<br />

„Dazu gehören sie aber nicht, oder?“ wollte ich wissen. Der Mann war gemein.<br />

<strong>Die</strong> <strong>braune</strong> <strong>Frau</strong> – Seite 5 von 24

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