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Sprachentwicklung - sprich-mit-mir.at

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Für kognitive Autonomie sprechen jene Fallbeispiele, bei denen die allgemein<br />

kognitive Entwicklung und die sprachliche (speziell gramm<strong>at</strong>ische) Entwicklung stark<br />

auseinanderklaffen. Aus der Liter<strong>at</strong>ur sind Dissozi<strong>at</strong>ionsfälle bekannt, bei denen<br />

eine <strong>mit</strong>tel- bis schwergradige geistige Retardierung vorliegt aber keine<br />

entsprechende Auffälligkeiten in der <strong>Sprachentwicklung</strong> auftreten 41 . So sind etwa<br />

bei geistiger Retardierung auch so genannte Inselbegabungen bekannt. Es treten<br />

auch extreme Sprachbegabungen auf wie etwa bei Christopher, dem Neil SMITH<br />

und Ianthi TSIMPLI 1995 ein Buch gewidmet haben. Bereits als Kind erwarb der<br />

nunmehrige Mittvierziger Christopher neben seiner Erstsprache Englisch eine<br />

Vielzahl von anderen Sprachen <strong>mit</strong> der gleichen Leichtigkeit wie seine Erstsprache,<br />

seiner erheblichen geistigen Behinderung zum Trotz. Zum Zeitpunkt der<br />

Buchpublik<strong>at</strong>ion beherrschte er neben Englisch weitere achtzehn Sprachen, darunter<br />

etwa Griechisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch,<br />

Russisch, aber auch Türkisch, Finnisch und Hindi.<br />

Häufig jedoch geht eine geistige Retardierung <strong>mit</strong> Auffälligkeiten in der<br />

<strong>Sprachentwicklung</strong> einher. Rückschlüsse über die Art oder das Ausmaß der zu<br />

erwartenden Auffälligkeiten lässt die Diagnose „geistige Retardierung“ allerdings<br />

nicht zu. In den meisten Fällen zeigen sich in der sprachlichen Entwicklung von<br />

geistig behinderten Kindern spezifische Dissozi<strong>at</strong>ionen zwischen den einzelnen<br />

sprachlichen Bereichen (z.B. Wortsch<strong>at</strong>z, Lautstruktur, S<strong>at</strong>zstruktur, Deklin<strong>at</strong>ion,<br />

Konjug<strong>at</strong>ion, etc.) und/oder zwischen verschiedenen Modalitäten (Verständnis,<br />

Produktion, metalinguistische Fähigkeiten). Dadurch kommt es meistens zu<br />

unterschiedlichen Formen von disharmonischen, dyssynchronen oder selektiven<br />

<strong>Sprachentwicklung</strong>sverzögerungen, eventuell kombiniert <strong>mit</strong> qualit<strong>at</strong>iv<br />

abweichenden Störungen in einzelnen Bereichen. Dies ist beispielsweise auch das<br />

typische Bild beim Down-Syndrom. Hier sind vor allem bestimmte Bereiche der<br />

Gramm<strong>at</strong>ikentwicklung betroffen. Entwicklungsverläufe und entwicklungsbedingte<br />

„Fehler“ sind allerdings wie bei unauffälligen Kindern: gleiche Fehlertypen, aber<br />

häufiger und länger anhaltend.<br />

Im Lichte der Autonomiehypothese sind vor allem solche Fälle besonders<br />

interessant, bei denen gramm<strong>at</strong>ische Komponenten gar nicht oder weniger<br />

beeinträchtigt sind. In diesem Zusammenhang wurde speziell dem Williams-Beuren-<br />

Syndrom (WBS) in den letzten Jahren vermehrt Interesse entgegengebracht. Einen<br />

einführenden Überblick über die diesbezügliche Liter<strong>at</strong>ur gibt SCHANER-WOLLES<br />

(2000). WBS ist eine eher seltene, angeborene Entwicklungsstörung, der eine<br />

strukturelle Abweichung auf Chromosom 7 zugrunde liegt. Trotz <strong>mit</strong>telgradiger<br />

geistiger Retardierung (durchschnittlicher Gesamt- IQ von 50-60) und<br />

Beeinträchtigungen in nicht- sprachlichen kognitiven Bereichen fallen ältere Kinder<br />

und Erwachsene <strong>mit</strong> WBS durch ihre überlegenen sprachlichen Leistungen auf.<br />

Bereits in den frühesten Charakterisierungen des Syndroms werden die<br />

Gesprächsfreude und Umgänglichkeit, die gute Artikul<strong>at</strong>ion und Flüssigkeit, die<br />

gramm<strong>at</strong>ische Komplexität, der ungewöhnlich reiche Wortsch<strong>at</strong>z, aber auch die<br />

Gesprächigkeit und die exzessive Verwendung von sozialen Floskeln und<br />

41 Unter anderen Françoise <strong>mit</strong> Down Syndrom (RONDAL, 1994.1995), Christopher (SMITH &<br />

TSIMPLI, 1995) und Laura (YAMADA, 1990). Vergleiche dazu auch den Überblick in SCHANER-<br />

WOLLES (2000).<br />

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