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09<br />
Exklusiv<br />
Messner im Interview<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Allgäu: Gipfel und Schlösser<br />
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09 / September Juli 2014 2013<br />
| Bergwandern | Klettersteige | Alpinismus<br />
SÜDTIROL<br />
Toptouren in der<br />
Texelgruppe<br />
12<br />
Windjacken<br />
für Sie & Ihn<br />
im großen<br />
Test<br />
PLUS 12 Tourenkarten zum Mitnehmen: Berchtesgadener Alpen • Lechtaler Alpen • Zillertaler Alpen<br />
<strong>3000er</strong> <strong>Paradies</strong><br />
Ötztaler Hochtouren, die Sie nicht vergessen werden!<br />
Chiemgau<br />
Traumpfade rund<br />
um den Samerberg<br />
Dolomiten<br />
Special<br />
▶ Marmolada<br />
im Porträt<br />
▶ Durchs wilde<br />
»Bellunistan«<br />
+<br />
62 Tourentipps<br />
Vorarlberg<br />
»Grüner Ring«: Die besten<br />
Wanderungen am Arlberg<br />
Wallis<br />
Oberaletschhütte: Touren am<br />
größten Gletscher der Alpen<br />
Schottland<br />
Highlands: Die grandiose Landschaft<br />
macht Wanderer high
SICHER UNTERWEGS IN FELS UND EIS.<br />
DANK INNOVATIVER DETAILS.<br />
Quality since 1923<br />
2 <strong>Bergsteiger</strong> 06⁄14<br />
Valbona GTX ® I Alpin<br />
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© www.fwa-muc.de, 2014
EDITORIAL<br />
2 x 70 im Interview:<br />
Reinhold Messner,<br />
Eugen E. Hüsler<br />
mit Chefredakteur<br />
Michael Ruhland<br />
Die weißen<br />
Flecken in uns<br />
Befragte man zehn oder<br />
100 <strong>Bergsteiger</strong> zur Person<br />
Reinhold Messners, es<br />
entstünde ein widersprüchliches Bild: Verehrung wäre genauso dabei wie<br />
Ablehnung; Solidarität und Gleichgesinntheit träfen auf Zerwürfnis und<br />
Ressentiment. Messner hat schon in jungen Jahren polarisiert. Er prägte einen<br />
puristischen Alpinismus entgegen der damaligen Regeln. Das Drama am<br />
Nanga Parbat 1970, als sein Bruder Günther umkam und er wie durch ein<br />
Wunder überlebte, war eine Zäsur. Messner wurde noch extremer, bisweilen<br />
egomanisch. Das Anarchische ist ein Wesenszug des Mannes, der durch<br />
seine alpinistischen Großtaten zum berühmtesten <strong>Bergsteiger</strong> der Welt aufstieg.<br />
Er blieb es bis heute – gerade weil er ein Macher ist. Und Erfolg<br />
hat mit dem, was er anpackt. Am 17. September wird Messner 70 Jahre alt.<br />
Wir in der Redaktion fragten uns, was dem Anlass angemessen sein könnte.<br />
Ein Porträt? Gibt es zuhauf. Ein Interview über sein Leben? Dito! Manchmal<br />
spielt einem der Zufall in die Karten, so dass eine Idee bald Gestalt annahm:<br />
Etwa sechs Millionen Mal haben sich Messners gut 50 Bücher weltweit verkauft,<br />
da kann kein anderer <strong>Bergsteiger</strong> mithalten. Autor Eugen E. Hüsler,<br />
der zwei Tage nach Messner 70 wird, hat den Südtiroler dennoch übertrumpft<br />
– mit etwa 120 Berg-Publikationen. Ich habe beide zu einem Gespräch im<br />
Schloss Sigmundskron zusammengebracht. Über Bergbücher. Was sie ausmacht.<br />
Ob sie Zukunft haben. Warum Abenteuer immer ziehen (S. 50–57).<br />
Ötztaler<br />
Hochtourenwoche<br />
Fünf 3.000er<br />
□ Einsame Hochgebirgsdurchquerung<br />
in den Ötztaler Alpen<br />
□ Riesige Gletscher und schroffe Berggipfel<br />
□ Krönender Abschluss:<br />
Besteigung Wildspitze (3.770 m)<br />
□ Gemütliche Berghütten – Tiroler Köstlichkeiten<br />
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Details anfordern unter<br />
Telefon: 089 / 23 50 06 - 0<br />
»Es gibt sie noch die weißen Flecken. Sie sind in uns selbst. Es lohnt sich hinauszugehen<br />
in jenen Bereich, der für Menschen nicht gemacht ist«, sagt Messner.<br />
Ich möchte Sie, verehrte Leserinnen und Leser, lieber an Orte führen, die<br />
weniger Grenzerfahrungen denn grandiose Erlebnisse versprechen. Zum Beispiel<br />
in die <strong>3000er</strong>-Welt der Ötztaler Alpen (S. 22–31); oder in Höhlensysteme<br />
(S. 40–45). Wobei Letztere die weißen Flecken in uns spürbar machen …<br />
Hauser Exkursionen int. GmbH,<br />
Spiegelstraße 9, 81241 München<br />
Michael Ruhland, Chefredakteur<br />
WandernTrekkingBergtourenweltweit<br />
hauser-exkursionen.de
INHALT<br />
22<br />
Neun Mal 3000<br />
Egal ob von Norden oder von<br />
Süden: Ötztaler Paradegipfel<br />
wie der Similaun oder die<br />
Weißkugel haben mehrere<br />
Schokoladenseiten.<br />
32<br />
Bayrische G‘schichtn<br />
Den Samerberg nutzten schon<br />
Kelten, Römer und Bajuwaren. Heute<br />
ist er ein <strong>Paradies</strong> für Wanderer.<br />
TITELTHEMA<br />
22 Zwei Täler, Dreitausender<br />
Die Venter und die Schnalstaler mögen sich,<br />
obwohl sie eine hohe Gebirgskette trennt.<br />
Die wiederum mögen die <strong>Bergsteiger</strong>.<br />
BERGSZENE<br />
106<br />
Von Sinnen<br />
Sie sollen ein völlig neues Bergerlebnis<br />
vermitteln. Wir zeigen,<br />
was Barfußschuhe wirklich können.<br />
12 Neues aus der Welt der Berge<br />
12 BERGSZENE Ein Jahr vor dem großen<br />
Jubiläum putzt sich Zermatt heraus.<br />
16 OUTDOOR-MESSE In Sachen Nachhaltigkeit<br />
ziehen die Hersteller an einem Strang.<br />
20 MEDIEN Aktuelle Bücher, Filme, Apps und<br />
Webseiten zum Thema Berg<br />
AUF TOUR<br />
32 Chiemgauer Perlen<br />
Wanderungen am Samerberg sind für<br />
Familien-TIPP<br />
Genusswanderer und aktive Familien ideale<br />
Ziele mit geschichtsträchtigem Hintergrund.<br />
42 Serie: Hüttenzauber<br />
Fast wäre der Gästestrom der Oberaletschhütte<br />
versiegt. Nun lockt ein neuer Panoramaweg<br />
mehr Tagesgäste als Alpinisten an.<br />
4 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
12 TOURENKARTEN ZUM MITNEHMEN<br />
Tour du Mont Aiguille<br />
Rundtour auf den Heuberg<br />
Feichteck und Karkopf<br />
Via ferrata delle Trincee<br />
Klettersteig Marmolada Westgrat<br />
Bindelweg (Rifugio Vièl dal Pan)<br />
Gelbe-Wand-Klettersteig<br />
Bayerischer Schinder<br />
Großer Galtenberg<br />
Hoher Weißzint<br />
58<br />
Peischelspitze<br />
Über das Lattengebirge<br />
82<br />
Die Königin feiert<br />
Vor 150 Jahren gelang die Erstbesteigung<br />
der Marmolada<br />
94<br />
Dünne Dichtmacher<br />
Ultraleichte Windjacken<br />
sind<br />
ein klassisches<br />
»Immer-dabei«–<br />
Produkt. Die<br />
neuen Modelle<br />
im großen Test.<br />
46<br />
Seensüchtig<br />
Die Spronser Seen faszinieren<br />
die Menschen seit Urzeiten.<br />
112<br />
Schottenhammel<br />
Touren in der einsamen Landschaft<br />
im Norden Europas<br />
Cover: Bernd Ritschel (Venter Höhenweg); weitere Fotos: Ötztal Tourismus, M. Pröttel, A. Strauß, Dorf Tirol, Th. Ebert, M. Kostner, Hersteller<br />
46 Grenzgänger und Sterngucker<br />
Das Gebirge zwischen Nord- und Südtirol<br />
ist uraltes Schmugglergebiet. Dabei waren<br />
die nicht mal die ersten dort.<br />
68 Das Heer der Ringe<br />
Mit einem pfiffigen Konzept bleibt Lech<br />
Zürs, der berühmte Wintersportort,<br />
auch im Sommer für Wanderer attraktiv.<br />
72 Serie: GeoTop-Touren<br />
Der Mont Aiguille ist Kletterern vorbehalten,<br />
seine Umrundung für alle machbar.<br />
78 Serie: Mit dem Zug ins Gebirg‘<br />
Mit der Eisenbahn zum Eisenweg: Dank<br />
Schloss Neuschwanstein sind die Klettersteige<br />
am Tegelberg bestens erreichbar.<br />
90 Durchs wilde »Bellunistan«<br />
Spielplatz für Entdecker: In den abgelegenen<br />
Feltriner Dolomiten geht es<br />
ruhiger zu als im benachbarten Trentino.<br />
102 Serie: Aufs Dach der Alpen<br />
Der wohl wichtigste Schritt vom Wanderer<br />
zum <strong>Bergsteiger</strong>: In Teil 4 wagt man<br />
sich erstmals in vergletschertes Gelände.<br />
SERVICE<br />
94 Frische Windbeutel<br />
Leichte Wetterschutzjacken können längst<br />
mehr als Mülltüten mit Reißverschluss.<br />
106 Zehenspitzengefühl<br />
Belastung statt Dämpfung für gesundere<br />
Füße – was ist dran am Barfußtrend?<br />
REPORTAGE<br />
36 Fürsten der Finsternis<br />
Höhlen sind geheimnisvoller als der<br />
hinterste Himalayawinkel. Mit Experten<br />
kann man den Reiz der Tiefe nacherleben.<br />
112 Abgeschottet<br />
Kaum ein schottischer Gipfel reicht über<br />
die 1000-Meter-Marke. Doch wer die Highlands<br />
unterschätzt, wird sich wundern.<br />
ALPINISMUS<br />
82 Meilensteine<br />
Vorne Gletscher, hinten Mauer: Die Marmolada<br />
ist ein Berg mit zwei Gesichtern.<br />
Vor 150 Jahren wurde sie erstbestiegen.<br />
50 Das große<br />
BERGSTEIGER-<br />
Interview<br />
Im September werden<br />
Reinhold Messner<br />
und Eugen E.Hüsler<br />
70 Jahre alt. Ein<br />
Gespräch über Berge,<br />
Bücher<br />
und<br />
Eitelkeit.<br />
RUBRIKEN<br />
Editorial 3<br />
Bergbilder 6<br />
TV-Programm 21<br />
Davids Depeschen 88<br />
Härtetest 108<br />
Bergwochenende 118<br />
Bergpredigt 120<br />
Briefe/Impressum 121<br />
<strong>Vorschau</strong> 122<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 5
BERGBILDER<br />
Fluchtpunkt<br />
Wolken wabern so gut wie immer um die Spitzen<br />
der Pala-Gruppe. Wenn sie sich einmal zu Gewittern<br />
zusammengebraut haben, finden Kletterer im Rifugio<br />
Treviso (1630 m) einen gemütlichen Unterschlupf.<br />
Val Canali, Pala-Gruppe im Trentino<br />
6 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Foto: Ralf Gantzhorn
Schnurgerade<br />
Geradlinig wie der Charakter seines Erstbegehers<br />
führt der Buhlriss durch die kompakte Westwand<br />
der Cima Canali. Die Route im VI. Schwierigkeitsgrad<br />
zählt zu den Klassikern in den Dolomiten.<br />
Cima Canali (2900 m)<br />
8 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Hänger<br />
In der Schlüsselseillänge der Biasin-Route (VI+) am<br />
markanten Felsturm des Sass Maor tut Abhängen<br />
gut. An der Nordwestkante der Pala del Rifugio (V+)<br />
schafft man es auch ohne Durchhänger.<br />
Sass Maor (2812 m) und Pala del Rifugio (2394 m)<br />
Fotos: Ralf Gantzhorn
Glücksgriff<br />
Der Zahn der Zuflucht trägt seinen Namen nicht<br />
ohne Grund: Der kompakte Fels offeriert Genusskletterei<br />
im IV. Schwierigkeitsgrad. Sein Glück mit<br />
ein paar Friends zu teilen, schadet dennoch nicht.<br />
Dente del Rifugio (2098 m)
Traum aus Stein<br />
Die Dolomiten sind für den Fotografen<br />
Ralf Gantzhorn ein Traum: einer, der<br />
neben Idylle auch Bedrohung bedeutet.<br />
Ralf Gantzhorn ist meistens hin und her<br />
gerissen zwischen den viel zu weit entfernten<br />
Bergen und der frischen Seeluft. Der<br />
Fotograf lebt aus Überzeugung in Hamburg<br />
an der norddeutschen Waterkant<br />
und sucht mit Vorliebe in wilden Gebieten<br />
wie Feuerland, Patagonien und Schottland<br />
nach frischen Motiven. In den Alpen haben<br />
es ihm vor allem die Dolomiten angetan.<br />
Warum? »Es ist die teilweise surreale Landschaft,<br />
die das Gefühl vermittelt, sich in einem<br />
Traum zu befinden. Einem Traum, der<br />
zwischen Lieblichkeit und Bedrohung, zwischen<br />
idyllischen Alpentälern und schroffer,<br />
oft abweisender Wildheit schwankt«,<br />
sagt der 50-Jährige, der seit 1983 klettert<br />
– zwei Jahre danach begann er mit dem<br />
Fotografieren.<br />
–dst–<br />
Foto: Ralf Gantzhorn<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 11
<strong>Bergsteiger</strong><br />
09/14 BERGSZENE<br />
Aluzelte statt<br />
Hörnlihütte:<br />
Das Schutzhaus<br />
wird momentan<br />
saniert, günstiger<br />
wird die<br />
Übernachtung<br />
dadurch nicht.<br />
Mit Peter Habeler<br />
zum Sonnenaufgang<br />
Der BERGSTEIGER verlost zwei Karten für ein<br />
Dreitage-Programm beim »Kiku. International<br />
Mountain Summit« in Brixen. Los geht’s mit<br />
dem »Spiderman«, dem französischen Freikletterer<br />
Alain Robert, der das Publikum beim IMS (16. bis 21.<br />
Oktober) in die luftige Welt des Fassadenkletterns<br />
entführt. Bei der Diskussion am 18. Oktober zum<br />
Thema »Willenskraft« ist Peter Habeler mit dabei, der<br />
mit Reinhold Messner den Alpinismus revolutionierte.<br />
Beim IMS lädt Habeler am Sonntag, 19. Oktober,<br />
zu einer Sonnenaufgangswanderung. Nutzen Sie die<br />
Chance und schicken Sie uns eine Postkarte<br />
(BERGSTEIGER, Postfach 400209, 80702 München)<br />
oder eine E-Mail (bergsteiger@bruckmann.de)<br />
mit dem Stichwort IMS und der Antwort auf die Frage:<br />
Zu was wurde Peter Habeler im September 1999<br />
ernannt? Einsendeschluss: 13. September 2014. Die<br />
Karten beinhalten zwei Ü/F vom 17. bis 19. Okktober.<br />
Weitere Infos zum Programm: www.ims.biz –mr–<br />
16 – 21 October 2014<br />
Official Partner<br />
Mitmachen<br />
und<br />
gewinnen!<br />
Foto: Dominik Prantl<br />
Großreinemachen<br />
ZERMATT PUTZT SICH FÜRS JUBILÄUM RAUS<br />
Wenn sich am 14. Juli 2015 die Erstbesteigung des Matterhorns<br />
zum 150. Mal jährt, will sich Zermatt in allerbestem Zustand präsentieren.<br />
Am Bahnhof tickt bereits eine eigens errichtete Countdown-<br />
Uhr. Auch der Weg zur Hörnlihütte sollte verschönert werden, doch die<br />
zehn dafür angedachten Sherpas erhielten keine Arbeitsbewilligung.<br />
Die Hörnlihütte selbst ist ohnehin geschlossen, auch sie wird fürs<br />
große Jubiläum saniert. Da Zelten aus Naturschutzgründen streng verboten<br />
ist, wird die Sommersaison am Matterhorn wohl die einsamste<br />
seit Jahrzehnten. Je zwei Aspiranten können aber seit Mitte Juli bis<br />
15. September in einem der 25 »temporary alpine shelter« – zeltförmige<br />
Alukabinen – übernachten,<br />
welche die Stiftung Hörnlihütte<br />
auf dem Hirli (2880 m) errichtet hat.<br />
Auch Essens- und Toilettenzelte<br />
stehen dort. Allerdings müssen vom<br />
Basecamp auch 400 zusätzliche<br />
Höhenmeter bewältigt werden sowie<br />
ein recht stolzer Preis: 150 CHF<br />
kostet die Halbpension pro Nase,<br />
Rabatte für AV-Mitglieder gibt<br />
es nicht, Reservierungen unter<br />
Tel. 00 41/27/9 67 22 64. –te–<br />
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15 Tage lang halten Öle<br />
die Mücken chemiefrei<br />
vom Leib – dann<br />
wird neu bestückt.<br />
Para’Kito Armband 15,90 € (inkl. 2 Pellets),<br />
2er-Nachfüller 9,90 €, über www.parakito.com<br />
Fotos: Marc Kronig<br />
12 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Hüttenzauber.<br />
Fünf Fragen an …<br />
Foto: privat<br />
Samuel Bernhard,<br />
Geschäftsleiter<br />
von Bus alpin,<br />
einem öffentlichen<br />
Nahverkehrsanbieter<br />
für <strong>Bergsteiger</strong><br />
in der Schweiz<br />
NEU!!<br />
... den Berg-Bus-Bringer<br />
Warum braucht man in der Schweiz den Bus alpin?<br />
Der Postbus fährt doch überall hin.<br />
Eben nicht. Es gibt schon Lücken. Ein Ort muss mindestens 100<br />
Einwohner haben, damit der Nahverkehr von öffentlicher Hand<br />
fi nanziert wird. Gerade im alpinen Gebiet erfüllen das nicht alle Orte.<br />
Wir helfen den Gemeinden, die nicht von diesen Geldern profi tieren.<br />
Wie schließen Sie diese Lücken?<br />
Wir beraten und begleiten Regionen bei der Angebotsgestaltung<br />
und leisten die Vermarktungsarbeit. Bisher arbeiten wir mit 13 Trägerschaften<br />
zusammen, die sich über die ganze Schweiz erstrecken.<br />
Diese bieten in ihren Regionen dann passgenaue Angebote: vom<br />
Fixbetrieb mit Großbussen bis zum privaten Ruftaxi gibt es alle<br />
möglichen Betriebsmodelle. Teils wird täglich gefahren, teils nur am<br />
Wochenende. Je nach Nachfrage. Vom Fahrpreis allein deckt sich<br />
der Bus alpin aber nicht, wir sind auf Sponsoren wie Gemeinden,<br />
private Firmen und Tourismusorganisationen angewiesen.<br />
Brauchen <strong>Bergsteiger</strong> in der Schweiz überhaupt noch ein Auto?<br />
Unser Ziel ist, bei der Anreise zur Bergtour den Pkw komplett zu<br />
ersetzen. Im Bereich Bergwandern haben wir großen Erfolg, dort liegt<br />
unsere Kernkundengruppe. Für Ski- und Hochtourengeher kann<br />
es schon sein, dass für manches Ziel der Fahrplan nicht früh genug<br />
beginnt. Umgekehrt gibt es aber auch viele Menschen, die erst<br />
mittags loswandern. Wir richten uns da nach dem größten Bedarf.<br />
Bruckmann Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Ein Wochenende in den Bergen ist ein Genuss! Noch mehr Erholung<br />
und Entspannung verspricht ein Wanderausflug zu<br />
einer Selbstversorgerhütte. Abseits vom Trubel der üblichen<br />
Hütten und Almen ist hier der Wanderer auf sich allein gestellt.<br />
Er muss sich vorab den Schlüssel organisieren, sich vor<br />
Ort verpflegen, einige Dinge selbst mitbringen. Was Bergfreunde<br />
auf den einzelnen Hütten in Bayern und Tirol erwartet,<br />
das verraten Markus und Janina Meier.<br />
144 Seiten · ca. 120 Abb.<br />
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sFr. 27,90 € 19,99<br />
ISBN 978-3-7654-4970-3<br />
Auch als eBook erhältlich<br />
Wann sind Sie zuletzt mit dem Auto in die Berge gestartet?<br />
Ich kann gar nicht Auto fahren. Zuletzt mitgefahren bin ich sicher<br />
vor ein paar Jahren. Der öffentliche Verkehr ist einfach eine Kultur:<br />
Wer sie kennt, liebt sie. Man kann von A nach B wandern, ohne dass<br />
das Auto am falschen Ort parkt, muss sich nicht auf den Verkehr<br />
konzentrieren und steht nicht im Stau. Die Berge sind Erholungsregionen.<br />
Ich schade mir und der Region, wenn ich sie mit dem Auto bereise.<br />
Andere Länder schauen neidisch auf den öffentlichen Nahverkehr<br />
in der Schweiz. Wie steht es um diesen in 30 Jahren?<br />
Ich hoffe, der öffentliche Verkehr ist dann noch stärker als jetzt. Ich<br />
bin positiv gestimmt. Unsere eigene Erhebung von 2007 hat gezeigt,<br />
dass sich 30 Prozent der Fahrgäste als Umsteiger vom Auto auf<br />
den öffentlichen Verkehr bezeichnen. Mehr Bergbahnen brauchen wir<br />
aber nicht, im Gegenteil. Der Erschließungsdruck ist schon hoch<br />
genug. (Fahrpläne unter www.busalpin.ch) Interview: Thomas Ebert<br />
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Die Welt neu entdecken<br />
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<strong>Bergsteiger</strong><br />
12/11 09/14 AKTUELL<br />
BERGSZENE<br />
Notizen<br />
Wettkampf<br />
mit Tradition:<br />
die Boulder-WM<br />
im Münchner<br />
Olympiastadion<br />
Endlich vereint<br />
Nach jahrzehntelanger Vorbereitung gehen der<br />
österreichische Skitourenverband ASKIMO und<br />
der Österreichische Skiverband gemeinsame<br />
Wege. Das Skibergsteigen wird zur kommenden<br />
Wintersaison als eigene Sparte in den ÖSV<br />
integriert. Der Zugriff auf die professionellen<br />
Strukturen des ÖSV soll vor allem den Leistungssport<br />
weiter voranbringen. Auch für die<br />
Anerkennung als olympische Disziplin ist die<br />
Eingliederung ein wichtiges Signal. –te–<br />
Aufgetaut nach 32 Jahren<br />
Am 2. März 1982 brach der 23-jährige Patrice<br />
Hyvert zur Aiguille Verte im Mont-Blanc-Gebiet<br />
auf und kam nie zurück. Bis am 3. Juli 2014<br />
zwei Wanderer seinen Körper entdeckten – der<br />
Gletscher hatte ihn nach 32 Jahren freigegeben.<br />
Auch die Funde von Gebirgssoldaten aus dem<br />
Ersten Weltkrieg häufen sich: jährlich werden<br />
allein in Österreich vier bis sechs »Gletschermumien«<br />
gemeldet, Tendenz steigend. –te–<br />
Foto: DAV<br />
In Weltmeister-Laune<br />
GUTE CHANCEN FÜR DAV-TEAM BEI DER BOULDER-WM IN MÜNCHEN<br />
Die besten Boulderer der Welt treten von Donnerstag, 21. August, bis<br />
Samstag, 23. August, im Münchner Olympiastadion an; und Deutschland darf<br />
darauf hoffen, ein zweites Mal in diesem Jahr Weltmeister zu werden. Besonders<br />
Jan Hojer, der mit seinem Weltcup-Gesamtsieg 2014 das bisher beste deutsche<br />
Ergebnis aller Zeiten einfahren konnte, gilt als vielversprechender Anwärter auf<br />
den WM-Titel im Bouldern. Aber auch Juliane Wurm, Thomas »Shorty« Tauporn,<br />
Stefan Danker und die Münchner Lokalmatadorin Monika Retschy haben gute<br />
Chancen auf eine Top-Ten-Platzierung.<br />
–vhi–<br />
Logos: Alpenverein/Monika Melcher, Wikipedia<br />
Neues Logo für den OeAV<br />
Der Österreichische Alpenverein hat ein<br />
neues Logo. Ziel des Designteams war es, »den<br />
Spagat zwischen der Verknüpfung traditioneller<br />
Elemente mit einem frischen, zeitgemäßen<br />
Schriftbild« zu schaffen. Am Edelweiß rüttelte<br />
der mit 470000 Mitgliedern größte <strong>Bergsteiger</strong>verband<br />
in Österreich freilich nicht. –te–<br />
neu<br />
alt<br />
Eybl: Eine Institution verschwindet<br />
Österreich verliert eine Berg-Institution:<br />
Nach fast sieben Jahrzehnten ist der Fachhandel<br />
Sport Eybl Geschichte. Der britische Discounter<br />
Sports Direct übernahm das Wiener Traditionshaus.<br />
Eine Expansionsstrategie mit Eigenmarken<br />
schlug fehl, zuletzt war das Unternehmen aus<br />
Finanznot zum Verkauf gezwungen. –te–<br />
Award für Schweizer Nationalpark<br />
Der Parc Naziunal Svizzer, mit 100 Jahren<br />
der älteste Nationalpark der Alpen, erhielt den<br />
King Albert Mountain Award. Damit werden<br />
seit 1994 Personen und Institutionen für ihre<br />
außergewöhnlichen oder nachhaltigen Leistungen<br />
in den Bergen geehrt.<br />
–dst–<br />
Foto: Christof Schellhammer<br />
Das andere Berglexikon<br />
»Was Sie schon immer über die Welt der Berge wissen wollten…«<br />
Fwie Friend<br />
Klar doch, Ray Jardine. Galt in den 1970er-Jahren als<br />
Taktgeber im Yosemite. Kletterte erste Big Walls, und seine<br />
Routen »Hangdog Flyer« und »Phoenix« zählten seinerzeit zu<br />
den schwersten der Welt. Der freie Geist der angloamerikanischen<br />
Kletterer beeinfl usste das Geschehen in jenen Jahren in besonderer<br />
Weise. Freies Klettern, sportlich, mit möglichst wenig<br />
Beeinträchtigung der Natur war die Devise. Schnell und effi zient<br />
wollte man sein, ob in einer kurzen Sportkletterroute oder im<br />
Himalaya. Clean Climbing hieß ein Zauberwort. Dazu passte die<br />
Entwicklung der Klemmkeile, die in einer der genialsten Erfi n-<br />
dungen in der Geschichte<br />
des Felskletterns gipfelte:<br />
dem »Friend«. Der Schlüssel<br />
für die Freeclimber, ihre<br />
Träume von schwersten<br />
Rissklettereien zu leben,<br />
ohne den Fels zu verletzen.<br />
–Uli Auffermann–<br />
14 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Foto: salibeppescendi.blogspot.de<br />
Sauschwänze: Aufpassen!<br />
TESTS ERGEBEN GEFAHRENPOTENZIAL<br />
Die Bergrettung Tirol rät Kletterern eindringlich, beim Gebrauch von Sauschwanz-Umlenkern<br />
Sorgfalt an den Tag zu legen. Wer von den weit verbreiteten<br />
Sauschwänzen abseilt, riskiert, dass das elastische Seil bei Entlastung aus dem<br />
Sauschwanz springt. Das haben Tests der Bergrettung Tirol und des Kuratoriums für<br />
alpine Sicherheit ergeben. Falls möglich, sollte auf einen Abseilring zurückgegriffen<br />
werden, im Zweifel hintersichert man den Sauschwanz mit einer Expressschlinge. –te–<br />
30 JAHRE<br />
BELÜFTUNG<br />
30 JAHRE AIRCOMFORT<br />
Zitat des Monats<br />
»Gescheiter sind wir auf dem<br />
Gipfel sicher nicht geworden,<br />
aber blöder auch nicht.«<br />
Peter Habeler (72), Alpinist, bei den »BMW Mountain Stories«<br />
in München über seine Everest-Besteigung ohne zusätzlichen<br />
Sauerstoff mit Reinhold Messner im Jahr 1978. Es gab damals<br />
Mediziner, die vor schweren Hirnschädigungen warnten.<br />
Foto: Johannes Mair<br />
Berge, Menschen, Abenteuer<br />
Star in der Innsbrucker Kletterszene<br />
und im Film »Melting<br />
Pot«: Weltmeisterin und<br />
Weltcup-Siegerin Anna Stöhr<br />
20. Filmfest St. Anton am Arlberg vom 27.–30. August 2014: Internationaler denn je<br />
drehen sich die Filme des Filmfests St. Anton ums Klettern. Die Boulder-Stars Anna Stöhr<br />
und Kilian Fischhuber eröffnen mit »Melting Pot«, Hansjörg Auer zeigt die Preview seiner<br />
Erstbesteigung des Kunyang Chhish East. Vor Ort wird auch David Lamas Cerro-Torre-Seilpartner<br />
Peter Ortner sein. Eine Doku zeigt, wie Beat Kammerlander eine extrem schwierige<br />
Route im Rätikon einrichtete, Japans Ausnahmekletterer Yuji Hirayama beeindruckt durch<br />
leichtfüßigen Kletterstil. Die Premiere »Free Range Turkey« stellt der Weltmeister persönlich<br />
vor. Informationen zum Programm unter www.fi lmfest-stanton.at<br />
–sz–<br />
2014<br />
TIPP<br />
Komfort<br />
AIRCOMFORT FLEXLITE<br />
Das mit Abstand beste Aircomfort System, welches<br />
je von uns ent wickelt wurde – preisgekrönt<br />
in vielen unabhängigen Tests!<br />
www.deuter.com<br />
Offi zieller Ausrüster des<br />
Verbands der Deutschen<br />
Berg- und Skiführer<br />
DIE NEUE FUTURA SERIE<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 15
<strong>Bergsteiger</strong><br />
12/11 09/14 AKTUELL<br />
BERGSZENE<br />
Trends auf der Outdoor-Messe<br />
Gemeinsam sind sie stark<br />
Der Trend ist ungebrochen: Umweltverträglichkeit<br />
in der Herstellung und<br />
ultraleichte Produkte mit minimalem<br />
Packmaß waren die Schwerpunkt-Themen<br />
auf der Outdoor-Messe Mitte Juli in Friedrichshafen.<br />
Mehr als 900 Hersteller aus der<br />
Outdoor-Branche präsentierten dabei ihre<br />
Produkte. Vor allem im Schuh-Segment<br />
gab es Neuerungen wie beispielsweise das<br />
Gore Tex Surround System, das für ein<br />
optimal belüftetes Fußklima sorgt, ohne<br />
Nässe durchzulassen.<br />
Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit<br />
hat einen fortschrittlichen Gedanken in<br />
der Outdoor-Branche zum Keimen gebracht:<br />
Zusammenarbeit statt gnadenloser<br />
Wettbewerb. Vaude treibt die Einführung<br />
eines Recycling-Systems voran, an dem<br />
auch der Hersteller-Verbund European<br />
Outdoor Group (EOG) beteiligt ist. Skandinavische<br />
Firmen wie Bergans und Haglöfs<br />
forschen gemeinsam nach einem Ersatz<br />
für die schädliche Chemikalie PFC, die<br />
bei der Imprägnierung von Stoffen zum<br />
Einsatz kommt. »Speziell bei den Themen<br />
Umwelt und Nachhaltigkeit ist der Wille<br />
zur Zusammenarbeit groß«, stellte Christoph<br />
Centmayer von Bergans fest. »Wir haben<br />
gemerkt, dass wir so schneller voran<br />
kommen.«<br />
Bei der Verleihung der begehrten Outdoor<br />
Awards ließ die Jury mehr Strenge walten<br />
als im Vorjahr. So wurden von den 361 Produktneuheiten<br />
diesmal nur 35 mit einem<br />
Award ausgezeichnet, sieben Produkte<br />
erhielten das begehrte Gold. –dst–<br />
Atmos AG 65 von Osprey<br />
Das Rückentragesystem<br />
AntiGravity kommt ohne<br />
Schaumstoff-Pads aus; für die<br />
optimale Belüftung ist nahtlos<br />
verarbeitetes Mesh über einem<br />
dreidimensionalen Hohlraum<br />
in der Rückenplatte gespannt.<br />
Fraggle von Edelrid<br />
Der Komplettgurt für<br />
Kinder bis 40 kg wurde<br />
überarbeitet und ist nun<br />
nicht nur schön bunt,<br />
sondern dank Polsterungen<br />
und Textilgelenken noch<br />
bequemer zu tragen und<br />
einfacher anzulegen.<br />
Speed Ascent von Salewa<br />
Die revolutionäre Kombination<br />
mit aufgebogenem Vorderfuß und<br />
Vibram-Sohle mit Rocker-Profi l<br />
garantiert mehr Tempo beim<br />
Aufwärtsgehen, höheren Komfort<br />
beim Abstieg, mehr Gelenkschonung<br />
– und das alles auch<br />
noch mit weniger Anstrengung.<br />
16 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
www.skylotec.de<br />
L.I.M. Down von Haglöfs<br />
Der 473 Gramm leichte<br />
Schlafsack mit einer warmen<br />
Füllung aus 90/10 Gänsedaune<br />
spart Gewicht, indem er<br />
auf Reißverschlüsse verzichtet,<br />
und überzeugt mit einem<br />
intelligenten Ventilations-System<br />
am Fußende.<br />
gurO<br />
High Protection. Best Performance<br />
100 % pflanzenbasiertes<br />
PES von Toray<br />
Bestehend aus 30 % Melasse<br />
und 70 % pfl anzenbasiertem<br />
Paraxylol soll dieses Material<br />
einen Paradigmenwechsel<br />
in der Textilindustrie einleiten.<br />
Die pfl anzenbasierten Fasern<br />
sind chemisch absolut identisch<br />
mit Polyester auf Rohöl-Basis.<br />
gurO Women<br />
HyperSmock 2.0<br />
von Berghaus<br />
Mit nur 76 Gramm dürfte dies<br />
eine der leichtesten Jacken auf<br />
dem Markt sein, die vollständig<br />
wasserdicht (Wassersäule<br />
15 000 mm) und atmungsaktiv<br />
(10 000 MVTR) ist.<br />
gurO Men<br />
Alpha. FL von Arc’teryx<br />
Die kanadische Highend-Firma<br />
feiert ihr Schuh-Debüt mit einem<br />
neuen Konzept: herausnehmbare<br />
Booties im Zustiegsschuh,<br />
die als Hüttenschuhe taugen<br />
und die es je nach Wetter in warmer,<br />
knöchelhoher oder kühler,<br />
niedriger Version gibt.
<strong>Bergsteiger</strong><br />
12/11 AKTUELL<br />
09/14 BERGSZENE<br />
Umwelt und Nachhaltigkeit<br />
Natur ja, aufs Auto verzichten nein<br />
ERGEBNIS DER DAV-MOBILITÄTSUMFRAGE<br />
Alle wollen in die<br />
Berge, aber nicht mit<br />
Öffentlichen: Stau auf<br />
der Tauern-Autobahn<br />
Durchschnittlich 145 Kilometer fahren Bergsportler<br />
für eine Tagestour in die Berge und wieder retour – die meisten<br />
nehmen dazu das Auto. Das hat die Umfrage ergeben,<br />
mit welcher der Deutsche Alpenverein (DAV) im April das<br />
Mobilitätsverhalten seiner Mitglieder untersuchte. Die<br />
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln halten die meisten<br />
der 3537 Teilnehmer für zu langwierig, zu umständlich<br />
und zu teuer. 21 Prozent gaben als Hauptargument fürs<br />
Auto und gegen Bus & Bahn mangelnde Mobilität vor Ort<br />
und schlechte Erreichbarkeit von entlegenen Bergregionen<br />
an. 18 Prozent der Teilnehmer war die Bahn außerdem<br />
zu teuer und die Fahrtdauer zu lang. Immerhin sitzen die<br />
wenigsten der Befragten (15 Prozent) allein im Auto, wenn<br />
sie zu einer Bergtour auf brechen.<br />
Als nächsten Schritt im Rahmen seines Projektes »Klimafreundlicher<br />
Bergsport« plant der DAV eine Mobilitätsplattform,<br />
die Informationen zur klimafreundlichen Mobilität<br />
und zu diversen Anreise-Möglichkeiten für Bergsportler<br />
bieten soll – darunter auch ein Mitfahrer-Portal. –dst–<br />
Foto: Thommy Weiss/pixelio.de<br />
Umwelt-Ticker<br />
+++ Der Wilderness Act wird 50: Am 3. September<br />
1964 unterschrieb US-Präsident Johnson das<br />
Gesetz, das heute fast 450 000 Quadratkilometer<br />
der USA unter Schutz stellt. 5 % der Landfl äche<br />
dürfen nur zu Fuß betreten werden, auch Straßen<br />
sind verboten. +++ Der Aletschwald wird<br />
zum Naturwald: Alle 20 Jahre wird das 1933<br />
gegründete Naturwaldreservat Aletschwald intensiv<br />
vermessen. Die jüngste Auswertung ergab nun,<br />
dass sich der einst intensiv genutzte Wald wieder<br />
zum Naturwald zurück verwandelt – ein Erfolg des<br />
andauernden Rückzugs des Menschen aus dem<br />
Gebiet. +++ 13 junge<br />
Helferinnen und Helfer<br />
haben im Juli die Zirler Almen<br />
von Latschenwildwuchs<br />
befreit. Für den Erhalt der Alm<br />
sei das unerlässlich, weil<br />
der Boden sonst übersäuere<br />
und Schafe nicht mehr<br />
weiden können, sagte der<br />
Schäfer Karl Schatz. +++<br />
Ausholzen auf<br />
der Schafweide an<br />
den Zirler Almen<br />
Foto: Österreichische Alpenvereinsjugend<br />
Wie lange reichen die Vorräte?<br />
Naturschutztagung in Freiburg: Die diesjährige Naturschutztagung des<br />
Deutschen Alpenvereins fi ndet unter dem Motto »Berge als Ressource –<br />
Wie lange reichen die Vorräte?« statt. Den Auftaktvortrag hält Prof. Dr.<br />
Erich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome. Am Wochenende vom<br />
19. bis 21. September sollen in Fachvorträgen, Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden<br />
alle Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung in Gebirgsregionen<br />
zur Sprache kommen. Darunter wird etwa auch die umstrittene<br />
Zwei-Meter-Abstands-Regel für das Mountainbiken im Wald sein. Weiterhin<br />
stehen Themen wie die Chancen<br />
des Internets für den Naturschutz oder<br />
die Frage nach zukunftsfähigen<br />
touristischen Konzepten für die Alpen<br />
zwischen Wildnis und Erlebnispark<br />
auf der Tagesordnung. Am Sonntag<br />
wird eine Reihe von Exkursionen<br />
angeboten, die in den nahegelegenen<br />
Naturpark Südschwarzwald führen.<br />
Alle Interessierten sind herzlich<br />
willkommen.<br />
Alle Infos unter www.alpenverein.de/<br />
Natur-Umwelt/<br />
–te–<br />
18 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
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Foto: visualimpact.ch | Thomas Senf<br />
Gemeinsam die Natur genießen: Profi-Alpinist Stephan Siegrist mit seiner Frau Niki<br />
WANDERSTRÜMPFE: FLUCH ODER SEGEN?<br />
Viele Wanderer, Trekking-Sportler und <strong>Bergsteiger</strong> kennen das Problem: zu dünne oder schlecht sitzende Strümpfe verursachen<br />
spätestens am Abend Blasen an den Füßen. Selbst mit den besten Wanderstiefeln wird dann jeder Schritt zur Qual. Der Schweizer<br />
<strong>Bergsteiger</strong> Stephan Siegrist kennt solche Probleme, für ihn gehören sie jedoch längst der Vergangenheit an. Ob auf dem Matterhorn<br />
oder auf einer Expedition in Patagonien, Siegrist lässt nur noch ganz bestimmte Strümpfe an seine Füße: Die CEP Outdoor Merino Socks.<br />
Der Material-Mix entscheidet<br />
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die<br />
Outdoor Merino Socks nicht großartig von anderen<br />
Outdoor-Strümpfen, obwohl in ihnen wesentlich<br />
mehr steckt als man von außen erkennen mag.<br />
So sind die Strümpfe aus einer einzigartigen<br />
Kombination aus Polyamid, Merinowolle, Elasthan<br />
und Seide gefertigt.<br />
Die Merino-Wolle steht für ideale thermoregulative<br />
Eigenschaften, reagiert auf Veränderungen der<br />
Körpertemperatur und gewährleistet so den ganzen<br />
Tag über angenehme Temperaturen im Schuh.<br />
Polyamid ist verantwortlich für den zuverlässigen<br />
Abtransport überschüssiger Feuchtigkeit und<br />
erhöht mit der verarbeiteten Seide den Komfort<br />
der Strümpfe spürbar.<br />
Tagen verhindern und zudem die Trittsicherheit<br />
erhöhen. Gegen unangenehmes Scheuern und Druckstellen<br />
am Fuß sind zudem Polsterzonen integriert,<br />
was sowohl ambitionierten Alpinisten als auch Freizeitsportlern<br />
unbeschwerte Stunden in der Natur beschert.<br />
Für Stephan Siegrist bedeutet CEP die perfekte Verbindung<br />
aus Leistung und Gesundheit. Was bringt dir CEP?<br />
Finde es heraus bei deinem Sportfachhändler oder<br />
unter www.cepsports.com<br />
Geheimtipp Kompression<br />
Der eigentliche Clou aber ist die eingearbeitete<br />
medi compression Technologie, die für eine<br />
graduierte Kompression sorgt. Neben einer verbesserten<br />
Durchblutung der Beine sorgt diese für einen<br />
perfekten Sitz der Strümpfe. Siegrist schwärmt<br />
zudem von dem tollen Gefühl der Strümpfe an den<br />
Beinen, die durch ihren festen Sitz einen angenehmen<br />
Druck ausüben, somit schwere Beine an langen
<strong>Bergsteiger</strong><br />
12/11 AKTUELL<br />
09/14 BERGSZENE<br />
Medien<br />
BergBücher …<br />
Andreas Künk »NEPAL«<br />
160 Seiten, ca. 190 lackierte<br />
Abbildungen, 28 × 24 cm,<br />
gebunden, Tecklenborg Verlag,<br />
Steinfurt 2014, 34,50 €<br />
Man meint, über Nepal schon so viel zu wissen und auf<br />
Fotos schon fast alles gesehen zu haben, aber der aus dem Montafon<br />
stammende Fotograf Andreas Künk schafft es, zu überraschen.<br />
Er reist seit 18 Jahren in das kleine Land inmitten der<br />
höchsten Gipfel der Welt, »wo die Berge den Himmel berühren«,<br />
und konnte dadurch Freundschaften mit der einheimischen<br />
Bevölkerung schließen. Diese enge Bindung an das Land und<br />
die Menschen sieht man jedem seiner Fotos an. Ihre Gesichter<br />
darauf zeigen eine große Vertrautheit mit dem Fotografen, und<br />
er bildet nicht nur die Hauptstadt Kathmandu oder bekannte<br />
Regionen ab, sondern auch Landschaften, Berge und das Leben<br />
der Einheimischen in ganz abgelegenen Gegenden. Einfühlsame<br />
Texte über Mustang, Dolpo und Solo Khumbu sowie einige Achttausender<br />
begleiten den großartigen Bildband. –pgk–<br />
Eugen E. Hüsler<br />
»RAN ANS EISEN«<br />
30 Touren für echte Klettersteig-<br />
Fans in Bayern und Tirol, 144<br />
Seiten, 16,5 × 23,5 cm, Broschur<br />
mit Fadenheftung, Bruckmann<br />
Verlag, München 2014, 19,99 €<br />
Gute Geschichten gehen<br />
Eugen E. Hüsler nie aus, und<br />
so empfiehlt der Ferrata-<br />
Papst seinen Lesern nun in<br />
gewohnt lockerer Manier 30<br />
Klettersteige, die erstens keine<br />
allzu weite Anfahrt und<br />
zweitens keinen allzu weiten<br />
Zustieg verlangen. Unterstützung<br />
bekommt Hüsler dabei<br />
vom pfiffigen Jung-Illustrator<br />
Max Baitinger. –dst–<br />
Thor Kunkel<br />
»WANDERFUL. MEIN NEUES LEBEN<br />
IN DEN BERGEN«<br />
239 Seiten, 15,4 × 22 cm,<br />
Hardcover mit Schutzumschlag,<br />
Eichborn Verlag, Köln 2014,<br />
19,99 € (E-Book 15,99 €)<br />
Großstadtgeplagter<br />
Schriftsteller zieht in die<br />
Schweizer Alpen: Kunkel<br />
ergänzt diese Tradition um<br />
eine nur in Teilen lesenswerte<br />
Variation. Zu häufig gerät der<br />
Aussteiger-Roman zur Abrechnung<br />
mit früheren Kritikern.<br />
Wer wissen will, wie man ein<br />
sündteures Lärchenholz-Chalet<br />
mit Bahnanschluss ins Wallis<br />
baut, greift dennoch zu. –te–<br />
BergApp …<br />
BergFilm …<br />
BergWeb …<br />
Foto: Kineos<br />
»MAPTOHIKE«<br />
Wofür? Für alle, denen ein »Gadget« wichtig ist,<br />
das »den Trail zur Gamingzone macht«<br />
Wie? Maptohike belohnt Bergtouren mit virtuellen<br />
Wandernadeln (»Pins«), Sachpreisen, Rabatten<br />
und Werbung (»location-based marketing«)<br />
Warum? Was wären die Berge bloß ohne<br />
»contests« und »notifi cations«? Und: Nur mit<br />
dieser App kann man »summerHERO14« werden.<br />
Wieviel? Kostenlos für iOS und Android –te–<br />
»DIE WEISSE HÖLLE VOM PIZ PALÜ«<br />
Das Projekt war für damalige Zeiten<br />
ein totaler Wahnsinn, die Leistungen der<br />
Alpinisten unglaublich: 1929 gedreht,<br />
begründete der Stummfilm »Die weiße<br />
Hölle vom Piz Palü« das Genre des Bergfilms.<br />
Seine Hauptdarstellerin sollte<br />
später eine eigene Karriere als Filmemacherin<br />
hinlegen: Leni Riefenstahl spielte<br />
die frisch vermählte Maria Maioni, die<br />
im Berninamassiv in Bergnot gerät. –sz–<br />
Von: Arnold Fanck, Hermann Haller<br />
Mit: Leni Riefenstahl, Ernst Petersen u. a.<br />
Aus: Deutschland, 1929<br />
www.falk-outdoor.com/tourenportal<br />
Eigentlich hat die alpine Führerliteratur<br />
keinen Grund zur forcierten Digitalisierung.<br />
Updates braucht es, Gletscherschwund<br />
und Bergstürzen zum Trotz,<br />
allenfalls im Dekadenrhythmus. Dass die<br />
vielen Tourenportale, denen Karten-Oldie<br />
Falk nun ein taugliches hinzugefügt hat,<br />
Zulauf finden, liegt am Mitmachprinzip:<br />
Vollständigkeit und konstante Qualität<br />
sollte man wie bei jeder communityba<br />
sier ten Tourendatenbank zwar nicht<br />
erwarten, dafür lässt sich mit den<br />
bisher 70000 Einträgen selbst die eigene<br />
Heimat nochmals neu entdecken. –te–<br />
20 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
TV-Programm August / September 2014<br />
16.8. | 14.30 | 3sat<br />
Reisewege Schottland<br />
Dauer: 45 Min.<br />
J17.8. | 16.30 | ORF 2<br />
Erlebnis Österreich<br />
Letzte Wildnis – Unberührte<br />
Natur mitten in Voralberg<br />
Dauer: 25 Min.<br />
17.8. | 19.45 | 3sat<br />
Schätze der Welt –<br />
Erbe der Menschheit<br />
Niemandsland in Sand und<br />
Felsen – Air und Ténéré<br />
Dauer: 15 Min.<br />
17.8. | 21.15 | BR<br />
Bergauf-Bergab<br />
Dauer: 30 Min.<br />
19.8. | 13.15 | 3sat<br />
Der Pakt von Andermatt<br />
Vom Alpendorf<br />
zum Luxusresort<br />
Dauer: 95 Min.<br />
19.8. | 19.15 | Servus TV<br />
Auf Entdeckungsreise –<br />
durch Europa<br />
Kulturlandschaften Europas:<br />
Südtirol<br />
Dauer: 44 Min.<br />
20.8. | 15.55 | Arte<br />
Ein Moped auf Reisen<br />
Elsass: Hochvogesen<br />
Dauer: 26 Min.<br />
20.8. | 21.00 | ZDF Kul.<br />
Die dunkle Seite der Alpen AH<br />
Die Matterhorn Nordwand<br />
Dauer: 40 Min.<br />
21.8. | 14.15 | WDR<br />
Postbote im Himalaya<br />
Dauer: 45 Min.<br />
22.8. | 12.35 | Servus TV<br />
Naturparadies<br />
Yellowstone Nationalpark<br />
Dauer: 25 Min.<br />
23.8. | 10.03 | ARD<br />
Mit Armin unterwegs<br />
Die Elbreise<br />
Dauer: 27 Min.<br />
23.8. | 12.45 | N 3<br />
Traumpfade zu Fuß<br />
über die Alpen<br />
Von München bis<br />
nach Südtirol<br />
Dauer: 45 Min.<br />
24.8. | 10.45 | ZDF<br />
Deutschlandreise<br />
Schwarzwald<br />
Dauer: 12 Min.<br />
24.8. | 12.30 | SWR<br />
Bergwandern in der Schweiz<br />
Sport & Wellness<br />
Dauer: 10 Min.<br />
J24.8. | 12.45 | 3sat<br />
Eine Reise durch …<br />
… Niederösterreichs<br />
Naturparke<br />
Dauer: 15 Min.<br />
25.8. | 14.00 | 3sat<br />
Fernweh – In den Alpen<br />
Vom Wallis über Liechtenstein<br />
nach Bayern<br />
Dauer: 45 Min.<br />
AH<br />
25.8. | 23.10 | 3sat<br />
Berg und Geist: Tobias Suter<br />
Mit dem Tigermückenexperten<br />
Tobias Suter<br />
auf dem Monte Generoso<br />
Dauer: 30 Min.<br />
26.8. | 17.45 | 3sat<br />
Mit dem Zug durch<br />
Indiens Blaue Berge<br />
Reportagereihe<br />
Dauer: 45 Min.<br />
27.8. | 14.05 | 3sat<br />
Neuseeland von oben –<br />
Ein <strong>Paradies</strong> auf Erden<br />
Die Südalpen<br />
Dauer: 40 Min.<br />
29.8. | 13.30 | Phoenix<br />
Schätze der Welt –<br />
Erbe der Menschheit<br />
Blumenpracht auf kargem<br />
Felsen – Öland (Schweden)<br />
Dauer: 15 Min.<br />
29.8. | 15.35 | 3sat<br />
Indiens wilde Schönheit<br />
Der Himalaya<br />
Dauer: 40 Min.<br />
J30.8. | 10.25 | 3sat<br />
Semmering<br />
Über den Zauberberg<br />
Dauer: 45 Min.<br />
30.8. | 14.30 | 3sat<br />
Reisewege: Pyrenäen<br />
Im Land des Canigou<br />
Dauer: 45 Min.<br />
31.8. | 16.05 | ORF 2<br />
Harrys liabste Hütt‘n<br />
Kindberg / Steiermark<br />
Dauer: 25 Min.<br />
31.8. | 21.15 | BR<br />
Bergauf-Bergab<br />
Das Magazin für <strong>Bergsteiger</strong><br />
Dauer: 30 Min.<br />
1.9. | 14.05 | 3sat<br />
Fernweh – In den Alpen<br />
Vom Allgäu über<br />
Neuschwanstein ins Ötztal<br />
Dauer: 45 Min.<br />
1.9. | 14.40 | Servus TV<br />
Naturschützer im Einsatz<br />
Die Alpen<br />
Dauer: 43 Min.<br />
1.9. | 16.10 | Arte<br />
Himalaya – Dem Himmel nah<br />
Dokumentarfilm<br />
Dauer: 53 Min.<br />
2.9. | 15.15 | N 3<br />
Das vergessene Bergvolk<br />
Bei den Huzulen in Rumänien<br />
Dauer: 45 Min.<br />
2.9. | 18.50 | HR<br />
service: reisen<br />
Graz und die Steiermark<br />
Dauer: 25 Min.<br />
2.9. | 22.45 | HR<br />
Die beliebtesten<br />
Berge der Hessen<br />
Dauer: 90 Min.<br />
3.9. | 12.50 | 3sat<br />
Sommer in den<br />
Kitzbüheler Alpen<br />
Dauer: 10 Min.<br />
J3.9. | 15.20 | 3sat<br />
Mit den Winden des Himalaya<br />
Ballonfahren in Nepal<br />
Dauer: 45 Min.<br />
4.9. | 16.30 | 3sat<br />
Die Eroberung der AlpenAH<br />
150 Jahre SAC<br />
Dauer: 55 Min.<br />
4.9. | 17.25 | 3sat<br />
Die Bergführer<br />
Drei Seilschaften, drei Gipfel,<br />
drei Abenteuer<br />
Dauer: 50 Min.<br />
5.9. | 21.00 | SWR<br />
Unsere größten<br />
Naturphänomene<br />
Dauer: 45 Min.<br />
7.9. | 6.25 | 3sat<br />
South Dakota – In den<br />
heiligen Bergen der Sioux<br />
Dauer: 45 Min.<br />
7.9. | 15.30 | BR<br />
Zwischen Südtirol AH<br />
und Trentino<br />
Vom Nonsberg ins Val Di Non<br />
Dauer: 45 Min.<br />
12.9. | 13.55 | 3sat<br />
Reise ins Innere der Alpen<br />
Mit Höhlenforschern auf<br />
Entdeckungstour<br />
Dauer: 30 Min.<br />
22.8. | 13.15 | 3sat<br />
Von Auerhahn und Sonnentau<br />
Naturschutzgebiet Schliffkopf<br />
Dauer: 45 Min.<br />
27.8. | 15.45 | Arte<br />
Ein Moped auf Reisen<br />
Inseln „Les Saintes”<br />
Dauer: 26 Min.<br />
2.9. | 18.15 | N 3<br />
NaturNah: Die Bergwiesen<br />
Dokumentationsreihe<br />
Dauer: 30 Min.<br />
Das tagesaktuelle<br />
TV-Programm finden Sie<br />
auf bergsteiger.de<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 21
TITELTHEMA<br />
Zwei Täler, Drei<br />
Am Passübergang zwischen Vent im Norden<br />
und dem Schnalstal im Süden treffen<br />
sich Liebespaare. Die Schnalstaler<br />
Schafe kommen auf die Weiden<br />
von Vent, und beide Seiten verbindet<br />
der Ötzi. Zwischen<br />
den Tälern steht aber auch<br />
eine ganze Menge an<br />
Dreitausendern – die<br />
einen von Italien,<br />
die anderen von<br />
Österreich aus<br />
zugänglich.<br />
22 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Ötztaler Alpen: Vent im Norden, Schnalstal im Süden<br />
tausender<br />
Foto: Joachim Stark<br />
Hochtour an der Grenze:<br />
Die Fineilspitze liegt wie der<br />
Similaun im Hintergrund<br />
zwischen Österreich und Italien.
150 Einwohner,<br />
1000 Betten.<br />
Vent ist übersichtlich<br />
geblieben.<br />
Auftakt im Ötztal<br />
Am Ende des Ziegensteigs<br />
Ohne Franz Senn hätte das <strong>Bergsteiger</strong>dorf Vent eine andere<br />
Entwicklung genommen. Dabei dachte der Dorfpfarrer und Tourismuspionier<br />
sogar über die Ortsgrenzen hinaus. Von Dominik Prantl<br />
Wer nach einer Fahrt über die<br />
Teerstraße durchs gesamte<br />
Ötztal in Vent angekommen<br />
ist, durch Tunnel und über Brücken,<br />
sollte vielleicht einmal kurz die Augen<br />
schließen und in Gedanken eine kleine<br />
Zeitreise unternehmen, sagen wir ins Jahr<br />
1860. Man muss sich dann die ganzen Hotels<br />
und Unterkünfte wegdenken, die Seilbahn<br />
und die Parkplätze; ehrlich gesagt<br />
bliebe nicht viel übrig außer vier Bauernhöfen<br />
und etwa 70 Einwohnern. Dazu sollte<br />
man sich zudem die Worte von Ewald<br />
Schöpf, dem Ortschronisten der Gemeinde<br />
Sölden, in Erinnerung rufen: »Franz Senn<br />
hat damals geschrieben: Der Weg nach<br />
Vent ist nur ein Ziegensteig.« Senn selbst<br />
musste es wissen, denn er kam auf diesem<br />
Weg, der nur ein Ziegensteig war, im Jahre<br />
1860 als Pfarrer nach Vent. Und er sah,<br />
dass es sehr viel zu tun gab. Oder wie Ewald<br />
Schöpf sagt: »Er war die treibende Kraft<br />
schlechthin. Leider wird er heute nicht genug<br />
gewürdigt.«<br />
Herumtreiben und antreiben<br />
Würdigen wir also diesen Mann! Heute<br />
ist er vor allem als Mitbegründer des 1869<br />
gegründeten Deutschen Alpenvereins bekannt,<br />
doch er spielte noch ganz andere<br />
Rollen. Senn, 1831 geboren, war eine Art<br />
Universalgelehrter auf Gemeindeebene:<br />
Lehrer, Seelsorger, Naturforscher, Wegebauer,<br />
Bergführerausbilder, Tourismuspionier.<br />
Anders als der Österreichische<br />
Alpenverein wollte Senn die Alpen nicht<br />
nur wissenschaftlich erschließen, sondern<br />
auch touristisch. Obwohl die Venter Bauern<br />
dank der weitläufigen Weideflächen<br />
und des großen Viehbestands als relativ<br />
gut situiert galten, war Senn davon überzeugt,<br />
dass ein funktionierendes Gastgewerbe<br />
langfristig den besten Nährboden<br />
für ein sicheres Einkommen bilden würde.<br />
Wobei die ersten Gäste damals noch<br />
»Fremde« hießen und hauptsächlich aus<br />
Alpinisten und Naturforschern bestanden.<br />
Senn predigte nicht nur, er reüssierte als<br />
Mann der Tat. Den Beinamen »Gletscherpfarrer«<br />
verdiente er sich redlich. »Er war<br />
schon ein bergbegeisterter Mensch, bevor<br />
24 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
KOMPAKT<br />
Foto: Ötztal Tourismus / Bernd Ritschel, Anne Gabl, Ötztal Tourismus / Photo Lohmann<br />
Im <strong>Bergsteiger</strong>dorf<br />
er Geistlicher wurde«, weiß Schöpf. Im Alpenvereinsführer<br />
Ötztaler Alpen taucht er<br />
immer wieder als Erstbesteiger verschiedener<br />
Gipfel und Grate auf. Zudem bedeckte<br />
das Eis der Gletscher während Senns<br />
Wirken kurz nach der Kleinen Eiszeit<br />
noch ganz andere Flächen als heute. Der<br />
Große Vernagtferner etwa, der heute vor<br />
allem oberhalb von 3000 Metern schwitzt,<br />
reichte fast bis ins Tal hinab, wo er vor einem<br />
schmalen, felsigen Durchschlupf eine<br />
mehr als hundert Meter hohe Eisbarriere<br />
bildete. Sie entwickelte sich zu einer der<br />
Attraktionen der Region.<br />
Senn trieb sich nicht nur herum, er trieb<br />
auch an. Sein Pfarrhaus diente als Gasthof<br />
mit ein paar Dutzend Betten. Bis zu 200<br />
Anreise: Über die Inntalautobahn<br />
an der Ausfahrt<br />
Ötztal in Richtung Sölden und<br />
bis ans Talende nach Vent.<br />
An der Talstation Doppelsessellift<br />
Wildspitze parken, von<br />
München etwa 3 Std. Mit<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln ist<br />
Vent leider nur sehr umständlich<br />
zu erreichen.<br />
Informationen: Ötztal<br />
Tourismus, Gemeindestraße 4,<br />
A-6450 Sölden, Tel. 0043/<br />
57 200, www.oetztal.com;<br />
Bergführerstelle Vent im Haus<br />
Hubertus, Familie Scheiber,<br />
Marzellweg 7, A-6458 Vent,<br />
Tel. 0043/52 54/81 06,<br />
www.hubertus-vent.at<br />
Literatur: Walter Klier »Ötztaler<br />
Alpen«, Alpenvereinsführer,<br />
Bergverlag Rother 2005<br />
Karten: AV-Karte 1:25 000,<br />
Blatt 30/1 »Ötztaler Alpen –<br />
Gurgl«; AV-Karte 1:25 000,<br />
Blatt 30/2 »Ötztaler Alpen –<br />
Weißkugel«<br />
Unterkunft: Vent zählt zu<br />
den »<strong>Bergsteiger</strong>dörfern«, einer<br />
Initiative des OeAV. Mitglieder<br />
von alpinen Vereinen erhalten<br />
in den fünf Venter Partnerbetrieben<br />
der <strong>Bergsteiger</strong>dörfer<br />
zehn Prozent Rabatt.<br />
Hütten: Ramolhaus (3006 m),<br />
DAV-Hütte, Ende Juni bis<br />
Mitte September, Tel. 00 43/<br />
52 56/62 23, Martin-Busch-<br />
Hütte (2501 m), DAV-Hütte,<br />
Mitte Juni bis Ende September,<br />
Tel. 00 43/52 54/81 30,<br />
Brandenburger Haus (3277m),<br />
DAV-Hütte, Mitte Juni bis<br />
Mitte September, Tel. 00 43/<br />
676/64 68 650,<br />
www.dav-huettensuche.de<br />
Gäste, nein, »Fremde« kamen im Sommer,<br />
und es war eines von Senns großen<br />
Anliegen, diese »sicher hinauf und wieder<br />
hinunter zu führen«, wie Schöpf erzählt.<br />
Senn gab die erste Bergführerordnung<br />
heraus und bildete Einheimische wie<br />
beispielsweise die Gebrüder Leander und<br />
Nicodemus Klotz von den Rofenhöfen<br />
als Bergführer in Fels und Eis aus. Als der<br />
Gletscherpfarrer Vent 1871 verließ, hatte<br />
er ein Fundament hinterlassen.<br />
Verbindung nach Italien<br />
Ob Senn heute, 140 Jahren nach seinem<br />
Tod, stolz wäre? Wer weiß. Noch weit vor<br />
dem Ende des 20. Jahrhunderts wurden<br />
jedenfalls die ersten Berghütten gebaut,<br />
teilweise noch auf Senns Initiative. 1927<br />
kam das erste Auto nach Vent, nach dem<br />
Krieg der erste Personenlift. Ihre Wurzeln<br />
haben sie hier dennoch nicht vergessen.<br />
Vent ist Mitglied der Initiative »<strong>Bergsteiger</strong>dörfer«,<br />
einem Zusammenschluss kleiner<br />
Ortschaften, in denen das Bergsteigen<br />
traditionell eine große Rolle spielt. In dem<br />
150-Einwohner-Ort mit knapp 1000 Gästebetten<br />
gibt es unter anderem eine Franz-<br />
Senn-Stub’n und einen Franz-Senn-Weg.<br />
Dabei hatte der Pionier eigentlich ganz<br />
andere Wege im Sinn als nur eine Stichstraße<br />
hinab zum Doppelsessellift. So wurde<br />
unter seiner Regie ein Weg hinüber ins<br />
Schnalstal, zu dem die Verbindung seit jeher<br />
viel enger war als zum restlichen Ötztal,<br />
angelegt. Weil er diesen zum Teil sogar<br />
aus eigener Tasche zahlte, kommt dem<br />
Tourismuspionier, Seelsorger und Lehrer<br />
sogar noch eine weitere Rolle zu: die eines<br />
Brückenbauers (Fortsetzung auf S. 28).<br />
Die Totenkapelle ist relativ neu. Die erste Kirche stand schon 1502.<br />
Das Kapital der Venter Bauern: die großen Weideflächen<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 25
Kögel und Kugel<br />
1 Schalfkogel (3540 m)___Das Zentrum<br />
Ein sonniger Julisamstag auf der Spitze des Schalfkogels:<br />
Kein Mensch ist weit und breit zu sehen, im Gipfelbuch sind seit<br />
April sechs Einträge zu fi nden. Das ist etwas merkwürdig, weil<br />
der Schalfkogel als eine Art Mittelpunkt der Ötztaler Alpen einen<br />
Rundumblick vom Feinsten bietet. Noch dazu lässt er sich vom<br />
Ramolhaus (3006 m) relativ einfach erreichen: Den Hüttenweg<br />
hinab und in einer der ersten Serpentinen rechts abbiegen;<br />
oft sind Steigspuren zu erkennen. Der Weg führt ohne große<br />
Schwierigkeiten durch Schneefelder und einen Felsriegel Richtung<br />
Firmisanjoch; als Orientierung können die zwei markanten Felswächter<br />
am Grat dienen. Blockgestein und Firn bilden das Terrain<br />
am Grat entlang zum Gipfel. Wer nicht über das Schalfjoch zur<br />
Martin-Busch-Hütte, sondern direkt nach Vent absteigen möchte,<br />
folgt dem Aufstiegsweg etwa 80 Höhenmeter abwärts und hält<br />
dann nach Westen auf den markanten, einfach zu überkletternden<br />
Felskamm zu. Auf 3240 Metern wird der Diemferner betreten.<br />
Von dort sind es – immer Gletscher und Bach folgend – noch<br />
1300 Höhenmeter nach Vent über festen Schnee, sulzigen Schnee,<br />
matschigen Schnee, poröses Eis, Endmoräne, Schotter, Felsen,<br />
bis man auf den Verbindungspfad von Ramolhaus und Jungschützensteig<br />
trifft (vom Ramolhaus zum Gipfel, 500 Hm, 3 Std.).<br />
2 Die Ramolkögel (bis 3550 m)___Das Dreigestirn<br />
Auf den ersten Blick wirkt das Gipfelkreuz des Nördlichen Ramolkogel (3428 m) etwas befremdlich:<br />
Inmitten eines Gerüsts steckt eine metallene Weltkugel. Im Gipfelbuch stammt wiederum jeder zweite<br />
Eintrag von <strong>Bergsteiger</strong>n aus der nur knapp 3000 Einwohner zählenden Tiroler Gemeinde Oberperfuss.<br />
Sehr seltsam! Weltkugel und Oberperfuss-Exodus erklären sich jedoch mit dem Zweitnamen des Nördlichen<br />
Ramolkogels: Anichspitze. Peter Anich, Erdvermesser und Kartograf aus Oberperfuss, war Mitverfasser<br />
des Atlas Tyrolensis. Auf den Ramolkögeln dürfte der 1766 verstorbene Anich nie gestanden haben;<br />
deren Erstbesteigung war erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fällig. Von den damals noch<br />
respektablen Eisfl ächen in den Ötztaler Alpen sind am Ramolferner nur noch so wenige Fetzen übrig, dass<br />
Ortskundige auch Wanderer ohne Gletscherausrüstung vom Ramolhaus (3006 m) zum Firnsattel auf<br />
3367 Metern zwischen Nördlichem Ramolkogel und Mittlerem Ramolkogel schicken. Von dort geht es<br />
rechts ohne Probleme in einer Viertelstunde zur Anichspitze. Liebhaber klassischer Ötztaler Blockkletterei<br />
(bis zum II. Grad) zweigen nach links ab und steigen über den Nordostgrat zum Mittleren (3518 m) und<br />
von dort zum Großen Ramolkogel (3550 m) auf (von Vent übers Ramoljoch, 1750 Hm, 7 Std.).<br />
26 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Foto: Anne Gabl, Ötztal Tourismus /Bernd Ritschel (2), Andreas Strauß (2)<br />
3 Kreuzspitze (3455 m)___<br />
Die Aussichtsreiche<br />
Keine Lust auf Eis und Spalten? Seil und<br />
Pickel vergessen? Macht nichts. Die Kreuzspitze<br />
ist etwas für ambitionierte Wanderer,<br />
die sich wie Hochtourengeher fühlen möchten,<br />
es aber nicht sein können. Von der<br />
Martin-Busch-Hütte geht es gen Nordwesten –<br />
an der verfallenen Brizzihütte vorbei – zwar<br />
steil bergauf, doch trifft man dabei höchstens<br />
auf Schneefelder, niemals aber auf Gletscher.<br />
Weil das vielen gefällt, die <strong>Bergsteiger</strong> sein<br />
möchten, es aber gerade nicht sein können,<br />
hat der Gipfel nicht nur ein großes Kreuz,<br />
sondern auch jede Menge Besucher (von der<br />
Martin-Busch-Hütte 1000 Hm, 2½ Std.).<br />
4 Fluchtkogel (3497 m)___Der Dankbare<br />
Mitten zwischen den riesigen Gletscherfl ächen von Kesselwandferner und<br />
Gepatschferner liegt auf 3277 Metern das Brandenburger Haus. Etwa fünf<br />
Stunden sind es von Vent bis dorthin, ein gutes Stück davon über Eis und<br />
Schnee. Dafür hat die höchst gelegene Hütte des Deutschen Alpenvereins<br />
neben der Hüttenwirtin Anna Pirpamer, die ganz und gar nicht dem Hüttenwirtsklischee<br />
entspricht, einiges zu bieten, unter anderem eine fantastische<br />
Aussicht, 95 Betten und jede Menge Touren. Eine der dankbarsten ist die<br />
weniger als zwei Stunden dauernde Gletscherwanderung zum Fluchtkogel<br />
über das breite Kreuz des oberen Kesselwandferners. Wer kurze Klettereien<br />
den Schneehatschern vorzieht, kann hinter der Hütte zur Dahmannspitze<br />
(3401 m) aufsteigen (von Vent zum Fluchtkogel, 1600 Hm, 7 Std.).<br />
5 Wildspitze (3768 m)___Die Höchste<br />
Über diesen Berg ist schon so viel gesagt und geschrieben worden, dass der Stenogrammstil<br />
an dieser Stelle genügen muss: Normalweg Breslauer Hütte (2840 m), viele Menschen,<br />
schnell hoch, Mitterkar, Mitterkarferner, Mitterkarjoch (3468 m), jetzt aber genug Mitterkar,<br />
auf nach Nordosten, sehr viele Menschen, Firn und Spalten, Gratkante, Firnschneide, alles<br />
nicht allzu schwer, nach dreieinhalb Stunden endlich am zweithöchsten Gipfel Österreichs.<br />
Stopp. Verdammt viele Menschen, trotzdem schön (von der Breslauer Hütte 950 Hm, 3 Std.).
Auf den Spuren<br />
von Ötzi und 4000<br />
Schafen vom<br />
Vernagt-Stausee<br />
zum Niederjoch<br />
Schnalstaler Verbindungen<br />
Liebe geht über Berge<br />
<strong>Bergsteiger</strong>, Filmregisseure und die Nachbarn aus Vent:<br />
Alle lieben das Schnalstal. Dabei sieht man die beeindruckende<br />
Bergkulisse mit Similaun und Weißkugel vom<br />
Tal aus gar nicht. Von Dagmar Steigenberger<br />
Er ist Venter, sie Vinschgauerin. Als<br />
Ulrike und Markus Pirpamer noch<br />
nicht verheiratet waren, standen bis<br />
zu 3700 Meter hohe Berge zwischen<br />
dem Paar: der Ötztaler Alpenhauptkamm,<br />
der zugleich auch die Länder Österreich<br />
und Italien trennt. Mit dem Auto braucht<br />
man für die 120 Straßen-Kilometer vom<br />
Schnalstal nach Vent gut zweieinhalb<br />
Stunden. »Wir haben meistens den Fußweg<br />
genommen, um einander zu treffen«,<br />
sagt Ulrike. 20 Kilometer sind es übers<br />
Hochjoch (2871 m) bei der Schöne-Aussicht-Hütte,<br />
wo Ulrike damals als Köchin<br />
arbeitete. Ein zweiter Weg führt zwischen<br />
Similaun und Fineilspitze übers Niederjoch,<br />
das entgegen seines Namens 140 Meter<br />
höher ist als der andere Übergang.<br />
Schafe auf dem Gletscher<br />
Einer der ersten an diesem Weg war vor<br />
mehr als 5000 Jahren der Mann, den die<br />
Welt heute als »Ötzi« kennt und dessen<br />
Mumie 1991 in der Nähe des Tisenjochs<br />
gefunden wurde. Inzwischen sind dort<br />
vor allem Weitwanderer auf dem E5 oder<br />
<strong>Bergsteiger</strong> auf dem Weg zu Similaun<br />
und Finailspitze unterwegs – und riesige<br />
Schafherden. Jedes Jahr Mitte Juni ziehen<br />
um die 4000 Tiere vom Vernagt-Stausee<br />
über die steilen Serpentinen zum Niederjoch<br />
und auf der anderen Seite über den<br />
28 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
KOMPAKT<br />
Fotos: Joachim Stark (4)<br />
Das Tal der Drehorte<br />
Anreise: Mit dem Zug bis<br />
Naturns, weiter mit dem Linienbus<br />
von Meran über Naturns<br />
bis Kurzras. Mit dem Auto von<br />
München über Brenner, Bozen<br />
und Meran oder über den<br />
Jaufenpass. Bei Naturns ins<br />
Schnalstal abbiegen.<br />
Informationen: Tourismusbüro<br />
Schnalstal, Karthaus 42,<br />
I-39020 Schnalstal,<br />
Tel. 00 39/04 73/67 91 48,<br />
www.schnalstal.com,<br />
info@schnalstal.it<br />
Literatur: Walter Klier »Ötztaler<br />
Alpen«, Alpenvereinsführer,<br />
Bergverlag Rother 2005<br />
Karten: Kompass 1:25 000,<br />
Nr. 051 »Naturns – Latsch<br />
Gletscher abwärts zu den Almgründen im<br />
hinteren Ötztal. »Transhumanz« nennt<br />
sich das Spektakel. Die Venter haben den<br />
Schnalstalern seit jeher das Weiderecht für<br />
ihre Schafe eingeräumt; selbst dann noch,<br />
als Vent längst nicht mehr zum Vinschgauer<br />
Verwaltungsbezirk gehörte.<br />
Die Capulets und die Montagues, der FC<br />
Bayern und der TSV 1860 … Solche Nachbarschafts-Rivalitäten<br />
scheinen die Venter<br />
und Schnalstaler nicht zu kennen. Im Gegenteil:<br />
Wo Verbindungen bestehen, werden<br />
sie ausgebaut. Der Schnalstaler Bauer<br />
Leo Gurschler ließ 1975 die Seilbahn am<br />
Talende in Kurzras errichten, welche die<br />
Gäste zum Skigebiet auf Venter Seite transportiert<br />
und nebenher den Weg über den<br />
Alpenhauptkamm erleichtert. Gurschlers<br />
Geschichte fand zwar kein glückliches<br />
Ende: Das Sporthotel neben der Seilbahn,<br />
– Schnalstal«; Tabacco<br />
1:25 000, Nr. 04 »Schnalstal«<br />
Unterkunft: Oberraindlhof,<br />
liebevoll gestaltetes 3-Sterne-<br />
Hotel mit exzellenter Küche in<br />
300 Jahre altem Bauernhaus<br />
unterhalb von Unser Frau,<br />
Raindl 49, I-39020 Schnalstal,<br />
Tel. 00 39/04 73/67 91 31,<br />
www.oberraindlhof.com<br />
Hütten: Similaunhütte (3017<br />
m), Privathütte am Niederjoch,<br />
Mitte Juni bis Anfang Oktober<br />
und Anfang März bis Anfang Mai,<br />
Tel. 00 39/04 73/66 97 11,<br />
www.vent-hotel-post.com;<br />
Schöne-Aussicht-Hütte<br />
(2842 m), Privathütte im Skigebiet<br />
Hochjochferner, Ende Juni<br />
bis Anfang Oktober und Ende<br />
November bis Anfang Mai,<br />
Tel. 00 39/04 73/66 21 40,<br />
www.schoeneaussicht.it<br />
mit so vielen Betten wie das Schnalstal Einwohner<br />
hat, wurde kein Erfolg, der Tourismus-Pionier<br />
beging Selbstmord.<br />
Hollywood am Hochjochferner<br />
Aber ohne die Seilbahn wäre das Schnalstal<br />
vermutlich nicht das geworden, was<br />
es heute ist: ein Ort, dessen Berge filmreif<br />
sind. Nein, nicht wegen der grandiosen<br />
Kulisse: Während der Bus durch die enge<br />
Schneise talaufwärts zum Vernagt-Stausee<br />
rollt, bekommt man die berühmten Gipfel<br />
von Similaun, Fineilspitze und Weißkugel<br />
kein einziges Mal zu Gesicht. Erst wer sich<br />
auf der südwestlichen Talseite ein gutes<br />
Stück zu Fuß hochgearbeitet hat oder in<br />
die Gletscherbahn zum Aussichtspunkt<br />
steigt, erhascht endlich einen Blick auf<br />
die vergletscherten Riesen. Wegen dieser<br />
Infrastruktur zieht das Schnalstal scharenweise<br />
Filmproduktionen aus Europa und<br />
sogar aus Hollywood an. Im vergangenen<br />
Winter froren Keira Knightley und Jake<br />
Gyllenhall am Hochjochferner für die Neuverfilmung<br />
des Krakauer-Bestsellers »In eisige<br />
Höhen«. Das Wetter spielte ebenfalls<br />
mit und brachte Woche für Woche düstere<br />
Wolken mit Massen von Schnee.<br />
Unzählige Streifen wurden schon im<br />
Schnalstal gedreht, darunter auch der Alpen-Western<br />
»Das finstere Tal«. Matthias,<br />
ein 80-jähriger Bauer aus Kurzras, stellte<br />
dafür seinen Jahrhunderte alten Hof zur<br />
Verfügung. Auf die Frage, in welche Schauspielerin<br />
er sich während der Dreharbeiten<br />
verliebt habe, antwortete er kurz und bündig:<br />
»In keine.« Die Stars und Sternchen<br />
können einen Schnalstaler nicht beeindrucken,<br />
eher vielleicht eine schöne Venterin.<br />
Ulrike und Markus Pirpamer haben übrigens<br />
inzwischen die ideale Lösung gefunden:<br />
Gemeinsam bewirtschaftet das<br />
Paar die Similaunhütte. Sie liegt am Niederjoch,<br />
genau auf der Grenze zwischen<br />
beiden Tälern.<br />
Sonnenverbrannte<br />
Bauernhöfe mit<br />
Blumenschmuck<br />
prägen das Gesicht<br />
des Schnalstals (links),<br />
das übers Niederjoch<br />
(Mitte) mit dem Venter<br />
Tal verbunden ist.<br />
Vor 5300 Jahren war<br />
auch Ötzi hier unterwegs;<br />
ein Denkmal samt<br />
Wanderstempel am<br />
Tisenjoch erinnert an<br />
den Mann aus dem Eis,<br />
dessen Mumie hier<br />
1991 gefunden wurde.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 29
Steinmanndl<br />
und Eismänner<br />
2 Saldurspitze (3433 m)___Das Sensibelchen<br />
Die Saldurspitze schmückt sich nicht mit Eismännern, sie biedert sich nicht<br />
mit breit getretenen Wegen an. Nur Abenteurer verfallen der Verführungskraft der<br />
unscheinbaren Gestalt südlich der Weißkugel. Die vereiste Nordfl anke kitzelt<br />
sanft an den Nerven; das Gletscherfeld im Süden liegt über einem 500 Meter<br />
hohen Felsaufschwung, in dem der Schotter bröckelt. Der Steig, der ab der<br />
Lazaunhütte hinaufführen soll, besteht gerade mal aus zwei, drei Steinmännchen<br />
verteilt über 1000 Höhenmeter. Natürlich! Unaufmerksame Grobiane<br />
haben bei diesem empfi ndsamen Wesen nichts zu suchen. Spätestens am<br />
Nordgrat (I) reagiert der bröselige Fels außerordentlich sensibel auf Fußtritte.<br />
Die Sehnsucht nach einem gefahrlosen Abstieg treibt manchen auf den<br />
weiten Lagaunferner. Auch dieser Weg führt schon bald in ein Labyrinth aus<br />
Schotterrinnen und Wasserfällen. Erst im Lagauntal, wo der Bach zwischen<br />
Alpenrosen-Büscheln mäandert, darf man sich am Erlebten berauschen<br />
(von Kurzras über die Lazaunhütte zur Saldurspitze, 1420 Hm, 5 Std.).<br />
1 Weißkugel (3738 m)___Die Königin<br />
Sie ist, wie eine Königin sein muss: vollendete Gestalt, weiß gepudertes Antlitz. Größer<br />
als sie ist in den Ötztaler Alpen nur die Wildspitze. Doch so kühl ihre Ausstrahlung, ist<br />
die Königin dennoch erstaunlich leicht und über viele Wege zu erobern. Die Ersten stiegen<br />
1861 von der Schnalstaler Seite über den Steinschlagferner auf. Da dieser seinem<br />
Namen alle Ehre macht, bevorzugen die <strong>Bergsteiger</strong> von Süden heute die komfortable<br />
Variante über die Schöne-Aussicht-Hütte (2845 m). Mit der höchstgelegenen Außensauna<br />
Europas herrscht hier ein gewisser Luxus, wie es sich fürs Vorzimmer einer Königin gehört.<br />
Nur leider vertrocknet die kühle Dame. Die Nordwand als Sommer-Eistour existiert schon<br />
nicht mehr (von Kurzras über Schöne-Aussicht-Hütte zur Weißkugel, 1700 Hm, 7 Std.).<br />
30 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
3 Fineilspitze (3514 m)___<br />
Die Wächterin<br />
Es wird viel spekuliert, was den Ötzi vor 5300 Jahren<br />
durchs Tisental hinauf zum Joch unter der Fineilspitze<br />
getrieben hat. War es Flucht, war es ein Ritual? Mit<br />
dem Fund am 19. September 1991 wurde der Ort zu<br />
einem Kultplatz, den Wanderer von der Similaunhütte<br />
über einen gut ausgebauten Weg durch die Felsen<br />
erreichen. 300 Meter über dem steinernen Denkmal<br />
mit der gravierten Eisenplatte steht – weit spektakulärer<br />
als der Fundort des Eismannes – die Fineilspitze.<br />
In der Firnmulde unterhalb des Gipfels bildet sich nach<br />
schneereichen Wintern ein kreisrunder, eisblauer See.<br />
Das magische Riesenauge wacht über die <strong>Bergsteiger</strong>,<br />
bis sie über die kompakten Felsen (I) am rechten<br />
der beiden Grate genussvoll zum Gipfel geklettert sind.<br />
Die bequemste Aufstiegsvariante führt ohne Ötzi und<br />
göttliche Überwachung von der Bergstation der Schnalstaler<br />
Gletscherbahn über den spaltenreichen Hochjochferner,<br />
wahlweise auch über einen Klettersteig durch<br />
die westlich vorgelagerte Felsrippe (von der Bergstation<br />
Grawand zur Fineilspitze, 620 Hm, 2½ Std.).<br />
Fotos: Joachim Stark (3), Andreas Strauß (li.)<br />
4 Similaun (3599 m)___Der Gutmütige<br />
Jedes Schaf kennt den Weg aufs Niederjoch mit der Similaunhütte. Im ersten Abschnitt<br />
durchs Tisental gibt es noch reichlich saftiges Gras und zarte Blüten zu knabbern.<br />
Trockene Halme spült man mit einem erfrischenden Schluck Gletscherwasser hinunter.<br />
In den unzähligen Kehren durch die Felsen hinauf zum Niederjoch herrscht dann<br />
dichtes Gedränge, weil die Hammel ja immer alle gleichzeitig durchs Nadelöhr und<br />
zum Futter auf die andere Seite wollen. Der Schafübertrieb am Similaun fi ndet<br />
alljährlich Mitte Juni statt. Die Hochtouren-Saison beginnt glücklicherweise erst zwei<br />
Wochen später, wenn die Similaunhütte öffnet. Von da an bis Ende September pilgern<br />
an Wochenenden mit gutem Wetter Scharen von <strong>Bergsteiger</strong>n über den mäßig steilen<br />
Niederjochferner und den unschwierigen Westgrat in knapp zwei Stunden von der<br />
Hütte zum Gipfel. Der Weg ist meist so breit ausgetreten wie eine Autobahn, was einen<br />
beinahe vergessen lässt, dass man sich in der Gefahrenzone »Gletscher« bewegt<br />
(vom Vernagt-Stausee über die Similaunhütte auf den Similaun, 1940 Hm, 6 Std.). ◀
AUF TOUR<br />
Familien-TIPP<br />
Wanderungen am Samerberg<br />
Chiemgauer<br />
Perlen<br />
Hochries,<br />
Heuberg & Co. im Chiemgau<br />
sind vor allem für Genusswanderer<br />
und Familien Idealziele mit geschichtsträchtigem<br />
Hintergrund.<br />
Von Michael Pröttel (Text und Fotos)<br />
32 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Der Sonnenaufgang<br />
am Feichteck kündigt<br />
einen herrlichen<br />
Wandertag an.<br />
Größere Kinder meistern<br />
auch die kurze<br />
Klettersteigeinlage<br />
auf die Wasserwand.<br />
KOMPAKT<br />
Foto: xxxxxxxxxxxxxxxxxxx<br />
»W<br />
as bremst du denn? So<br />
steil ist’s nun auch nicht!«<br />
Vordermann-Verwünschungen<br />
wie diese sind<br />
eindeutig eiligen Autofahrern zuzuordnen,<br />
die keinen Sinn fürs Wesentliche haben.<br />
Schließlich tauchen auf der A8 direkt<br />
hinter dem Irschenberg Kranzhorn, Heuberg<br />
und die breite Hochries urplötzlich<br />
aus dem Inntal auf. Nicht ganz so hoch,<br />
aber auch immerhin 300 Höhenmeter<br />
über dem Talboden liegt am Fuße dieser<br />
Gipfel ein spannendes Hochplateau, das<br />
seine Existenz der Eiszeit verdankt.<br />
Mehrere Ausläufer des gewaltigen Inntalgletschers<br />
schoben sich in der Würmeiszeit<br />
auf das Gebiet des jetzigen Samerbergs<br />
und überdeckten es mit einer etwa dreihundert<br />
Meter mächtigen Eisschicht. Der<br />
gewaltige Kühlschrank hinterließ nach<br />
dem Abtauen Unmengen an Moränenschutt,<br />
– die heute als wunderbare, etwa<br />
sieben Kilometer lange Hügellandschaft<br />
herum lungern.<br />
Wanderwege rund<br />
um den Samerberg<br />
Anreise: Auf der A8 bis Ausfahrt »Achenmühle«<br />
und weiter über Eßbaum und Grainbach<br />
zu den jeweiligen Wanderparkplätzen.<br />
Für die Nord- und Ostseite der Hochriesgruppe<br />
bis Ausfahrt Frasdorf und zum Parkplatz<br />
Lederstube bzw. nach Hohenaschau.<br />
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind die<br />
meisten Wanderparkplätze am Samerberg<br />
nicht zu erreichen. Deswegen ist hierfür<br />
der Zugang von Osten (Zug bis Aschau, Bus<br />
nach Hohenaschau) am sinnvollsten.<br />
Fremdenverkehrsamt:<br />
Gäste-Information Samerberg,<br />
Tel. 0 80 32/86 06, www.samerberg.de<br />
Beste Jahreszeit: Mai bis Ende Oktober<br />
Karte: Alpenvereinskarte 1:25 000,<br />
BY 17 »Chiemgauer Alpen West«<br />
Hütten: Hochrieshütte (1587 m),<br />
ganzjährig geöffnet, www.hochrieshuette.de,<br />
Tel. 0 80 32/82 10<br />
Weitere Einkehrmöglichkeiten: Doaglam<br />
(980 m), www.doaglalm.de; Laglerhütte und<br />
Deindlam (1080 m) auf der Daffnerwaldalm,<br />
www.deindlalm.de; Frasdorfer Hütte (950 m),<br />
www.frasdorfer-huette.de; Hofalm (970 m).<br />
Die Riesenhütte ist heuer nicht geöffnet.<br />
Hochtal mit Vergangenheit<br />
Dank seiner geschützten Lage, eines relativ<br />
milden Klimas und fruchtbarer Böden<br />
hat der Samerberg schon die Jäger und<br />
Sammler der Jungsteinzeit angelockt. In<br />
der Folge nutzten Kelten, Römer und Bajuwaren<br />
die nicht zuletzt strategisch günstige<br />
Position des beschaulichen Hochtals.<br />
Was den Rosenheimer Dramaturgen Horst<br />
Rankl dazu inspirierte, ein opulentes Theaterstück<br />
über die Geschichte zu inszenieren.<br />
Heuer fand das »Samerberger Freilichtspiel<br />
– Ein Hochtal im Wandel der<br />
Zeit«, an dem sich über hundert Einheimische<br />
mit großer Begeisterung beteiligen,<br />
bereits zum dritten Mal statt.<br />
Heutzutage zieht das Gebiet mit seinen<br />
eher leichten Touren vor allem Genusswanderer<br />
und aktive Familien an. Und auf<br />
dem Weg zu einem der vergleichsweise<br />
hoch gelegenen Wanderparkplätze wird<br />
die Namensherkunft durch einen<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 33
Die Heubergrunde<br />
ist mit Kraxenunterstützung<br />
auch für<br />
kleine Kinder geeignet.<br />
Am Spitzstein<br />
steht direkt neben<br />
dem Gipfelkreuz<br />
eine kleine Kapelle.<br />
Schon seit 100 Jahren besticht die Hochrieshütte<br />
mit ihrer fantastischen Aussicht<br />
auf Inntal, Chiemsee und Wilden Kaiser<br />
Stützpunkt für Weitwanderer auf dem Maximiliansweg<br />
von Lindau nach Berchtesgaden: die Hochrieshütte<br />
hufeisenförmigen Brunnen aufgeklärt.<br />
Ab dem Mittelalter verlief über den Samerberg<br />
nämlich ein wichtiger Saumweg,<br />
über den Säumer (österreichisch: Samer)<br />
auf ihren schwer bepackten Pferden Salz<br />
aus Berchtesgaden, Traunstein und Reichenhall<br />
sowie Getreide, Wein und andere<br />
Güter beförderten. Schon vor 1800 hatten<br />
die Samerberger ihren Namen angeblich<br />
weg, was sie 1997 dazu veranlasste, in<br />
Grainbach eben jenen Brunnen in Gestalt<br />
einer hufeisenförmigen Pferdetränke samt<br />
Säumer-Statue und Saum-<br />
Ross zu errichten.<br />
Alte Saumwege führen<br />
beispielsweise auf die<br />
Hochries, deren Gipfelhütte<br />
heuer ihren hundertsten<br />
Geburtstag feiert.<br />
Die überwältigende<br />
Aussicht aufs Inntal und<br />
den Chiemsee, zum Wilden<br />
Kaiser und – bei klarer<br />
Herbstluft – bis zum<br />
Alpenhauptkamm zieht<br />
360°-Panorama-Liebhaber<br />
magisch an. So brauchen<br />
die Wirtsleute Elke und<br />
Florian Robl an schönen<br />
Wochenenden bis zu 15 Helfer, um den<br />
(auch wegen der nahegelegenen Hochriesbahn)<br />
großen Besucherandrang zu bewältigen.<br />
An solchen Tagen ziehen Kenner die unvergleichlich<br />
ruhigeren Nachbargipfel Karkopf<br />
und Feichteck vor und besuchen Elke<br />
lieber unter der Woche. Spezielle Stammgäste,<br />
die bei jedem Besuch eine selbst<br />
gegossene Zinnfigur vorbeibringen, von<br />
ihrem treuen Dackel angekündigt werden<br />
oder mit sage und schreibe 90 Jahren<br />
die 800 Aufstiegshöhenmeter aus eigener<br />
Kraft bewältigen, sind der sympathischen<br />
Wirtin besonders ans Herz gewachsen.<br />
Verhungern wird hier niemand<br />
Erst als Hütten-Pächterin ist die aus dem<br />
Rosenheimer Ortsteil Pang stammende<br />
Elke zum ersten mal auf die Hochries<br />
gekommen und stellt bei der Gelegenheit<br />
das weit verbreitete Klischee von der<br />
Hochries als Hausberg der Rosenheimer<br />
klar: »Wennst in Rosenheim wohnst, gehst<br />
kaum auf die Hochries. Ich hör dort von<br />
ganz vielen, dass sie noch nie dort nauf<br />
ganga san.« Was man dabei verpasst, wurde<br />
Elke schon beim ersten Sonnenuntergang<br />
klar.<br />
Auch Weitwanderer schätzen die Hochrieshütte<br />
als vielleicht besten Stützpunkt<br />
34 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
TOUREN<br />
Im Rosenheimer Wanderparadies<br />
Die Hochfläche des Samerbergs liegt am Westrand der<br />
Chiemgauer Alpen zwischen Inn und Chiemsee,<br />
wo sanfte Hänge für familienfreundliche Touren sorgen.<br />
des Maximilianswegs von Lindau nach<br />
Berchtesgaden. Und das nicht nur wegen<br />
der Option auf einen unvergesslichen<br />
Sundowner. Almkäse aus Grainbach, Brot<br />
aus Aising, Fleisch und Wurst aus dem<br />
Heimatdorf Pang – auch Elke und Florian<br />
Strobl bleiben dem langjährigen DAV-<br />
Projekt »So schmecken die Berge« treu<br />
und servieren ihren Gästen qualitätsvolle<br />
Landwirtschaftsprodukte aus der Region.<br />
Verhungern muss man auch auf der gegenüberliegenden<br />
Samerbergseite mit<br />
Sicherheit nicht. Am Fuße des Heubergs<br />
bringen auf der Daffnerwaldalm gleich<br />
zwei Jausenstationen vorbeikommende<br />
Wanderer vom Weg ab. Vor allem, wenn<br />
man zusätzlich zum Heuberg die kurze<br />
Klettersteigeinlage auf die exponierte Wasserwand<br />
gemeistert hat, wird wahlweise<br />
auf der Laglerhütte oder der Deindlalm<br />
angestoßen. Dann schmeckt ein frisches<br />
Radler auch ausgewiesenen Mountainbike-Gegnern.<br />
Apropos – tatsächlich<br />
werden die Wanderer einmal im Jahr von<br />
den Bergradlern abgedrängt: Wenn der<br />
Samerberger Bikepark sein MTB-Rennen<br />
durchführt, kann es vorkommen, dass der<br />
schöne Abstieg über den Fluderbach temporär<br />
gesperrt wird.<br />
In solchen Ausnahmefällen hilft aber einfach<br />
eine ausgiebige Alm-Siesta. ◀<br />
1 Rundtour auf den Heuberg (1338 m)<br />
▶ mittel 3¼ Std.<br />
560 Hm 560 Hm<br />
Charakter: Sehr abwechslungsreiche<br />
Rundwanderung mit tollen Ausblicken auf<br />
das Inntal. Ein Stück lang steilerer Anstieg.<br />
An schönen Wochenenden sehr beliebt.<br />
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz Schweibern<br />
(780 m)<br />
Route: Wanderparkplatz – Mailach –<br />
Wassertal – Heuberg – (Wasserwand)<br />
– Daffnerwaldalm – Duftbräu<br />
– Wanderparkplatz<br />
2 Feichteck (1514 m)<br />
und Karkopf (1496 m)<br />
▶ mittel 4½ Std.<br />
800 Hm 800 Hm<br />
Charakter: Sehr schöne und am Kamm<br />
auch sehr aussichtsreiche Rundtour.<br />
Für die Überschreitung des Karkopfs<br />
sind Trittsicherheit und Schwindelfreiheit<br />
erforderlich.<br />
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz Spatenau<br />
(780 m)<br />
Route: Wanderparkplatz – Doaglalm –<br />
Feichteck – Karkopf – Seitenalm<br />
– Wanderparkplatz<br />
Tourenkarte 2<br />
Heftmitte<br />
Tourenkarte 3<br />
Heftmitte<br />
3 Über die Seitenalm zur Hochries<br />
(1566 m)<br />
▶ mittel 3½ Std.<br />
800 Hm 800 Hm<br />
Charakter: Unschwere Bergtour mit einem<br />
steileren Anstieg zur Seitenalm. Am sehr<br />
aussichtsreichen Gipfelhaus ist wegen der<br />
nahen Bergbahn an Wochenenden viel<br />
Betrieb.<br />
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz Spatenau<br />
(780 m)<br />
Route: Wanderparkplatz – Seitenalm –<br />
Hochries (und retour)<br />
4 Über die Hofalm zur Hochries<br />
(1566 m)<br />
▶ mittel 6 Std.<br />
960 Hm 960 Hm<br />
Charakter: Ausgedehnte Bergtour auf<br />
meist breiten Wegen. Am aussichtsreichen<br />
Gipfelhaus ist wegen der nahen Bergbahn<br />
an Wochenenden viel Betrieb.<br />
Ausgangspunkt: Hohenaschau (630 m)<br />
Route: Hohenaschau – Hofalm – Riesenalm<br />
– Hochries (und retour)<br />
5 Aus dem Priental auf den<br />
Klausenberg (1554 m)<br />
▶ mittel 4½ Std.<br />
870 Hm 870 Hm<br />
Charakter: Abwechslungsreiche Tour,<br />
die zuerst durch Bergwald und dann durch<br />
Almgelände führt. Trotz seiner geringen<br />
Höhe bietet der Klausenberg eine tolle<br />
Aussicht.<br />
Ausgangspunkt: Bushalt bzw. Wanderparkplatz<br />
Hainbach (680 m)<br />
Route: Hainbach – Angeralm – Klausenberg<br />
(und retour)<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 35
REPORTAGE<br />
Höhlen faszinieren, sie gewähren Schutz.<br />
Aber sie sind auch gefährlich. Die Höhlenforscher<br />
wissen darum, und das nicht erst seit<br />
dem Unfall ihres Kollegen Johann Westhauser<br />
im Juni im Berchtesgadener Untersberg.<br />
Für Wanderer öffnen sich die Tore in die Unterwelt<br />
nur in Begleitung erfahrener Experten.<br />
Von Dagmar Steigenberger<br />
36 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Märchengang, Zirbenhalle,<br />
Gigantendom ... so klingen<br />
Ortsnamen im geheimnisvollen<br />
Inneren der Erde.<br />
Im Labyrinth des Schönberg-Höhlensystems<br />
Fürsten der<br />
Finsternis<br />
Foto: Harald Zeitlhofer<br />
Ein künstlicher Lichtstrahl flammt<br />
auf und verliert sich in der Finsternis.<br />
Erst als die Lampe auf volle<br />
Leuchtkraft dreht, trifft das Licht<br />
auf graugelben Fels. Der Raum ist<br />
riesig und kahl, an seinen Wänden bricht<br />
sich das Echo der knirschenden Schritte.<br />
Sonst herrscht Stille. »Gigantendom« nennen<br />
die Höhlenforscher diesen Teil des 135<br />
Kilometer langen Schönberg-Höhlensystems<br />
im Toten Gebirge, wo es aufgrund des<br />
verwitternden Kalkgesteins nur so von natürlichen<br />
Gängen unter der Erde wimmelt.<br />
Längere Höhlensysteme gibt es in Europa<br />
nur noch in der Ukraine und in der Schweiz.<br />
In der »Fensterhalle« gleich hinter dem Eingang<br />
dämmert noch das Tageslicht durch<br />
die gewundenen Felstunnel. Bis dorthin<br />
hatten sich Höhlenbären vor etwa 28 000<br />
Jahren zum Winterschlaf verkrochen. Ihre<br />
Knochen entdeckte man im Jahr 1961, als<br />
man sich erstmals weiter hinein traute in<br />
das unterirdische Labyrinth. Heute gibt es<br />
Menschen, die das regelmäßig tun.<br />
Zwischen Eremit und Schockplatte<br />
Einer von ihnen ist Peter Ludwig, ein drahtiger<br />
Höhlenforscher mit ergrautem Haar.<br />
Er trägt einen Schutzoverall in verblichenen<br />
Neonfarben und besticht durch einen<br />
Humor so dunkel wie die Unterwelt, die<br />
ihn seit Jahrzehnten nicht mehr loslässt.<br />
An die 250 Befahrungen hat er allein im<br />
Schönberg-Höhlensystem hinter sich. Am<br />
Einstieg in den Felsspalt, während alle in ihre<br />
Schlaz genannten Schutzoveralls schlüpfen,<br />
breitet er den Lageplan aus, deutet mit<br />
dem Finger auf besondere Wegabschnitte<br />
und nennt Namen wie »Märchengang«,<br />
»Eremit« und »Schockplatte«. Unkundige<br />
erkennen auf dem Papier nur ein verschlungenes<br />
Gedärm mit Einschnürungen<br />
und Verdickungen. Das Verzwickte an Höhlenplänen<br />
ist der dreidimensionale Raum,<br />
der in vertikalen und horizontalen Querschnitten<br />
abgebildet werden muss. Karten<br />
zum Wandern sind leichter zu lesen.<br />
Die erste Kriechstelle nach dem Gigantendom<br />
findet Peter nicht der Rede wert.<br />
Während der Höhlenforscher gut gelaunt<br />
Witze und Kalauer zum Besten gibt, beschleicht<br />
die Neulinge ein Hauch von<br />
Beklemmung. Hände und Knie schieben<br />
sich über den weichen Lehmboden, der<br />
Schutzhelm schrammt an Felsen. Die Nässe<br />
macht sich durch den robusten Stoff<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 37
des Schlaz vor allem durch Kälte bemerkbar.<br />
Als es abwärts geht, hilft Karl, ein Höhlenforscher<br />
aus dem Chiemgau, mit guten<br />
Ratschlägen: »Rutsch einfach auf dem<br />
Hosenboden! In Höhlen ist das eine ganz<br />
normale Fortbewegungsart. Nicht verpönt<br />
wie unter <strong>Bergsteiger</strong>n.«<br />
Auch das Gehen gleicht mittlerweile einer<br />
Rutschpartie: Klebriger Schlick hat das<br />
Profil verstopft. Dort, wo die Felsen Wasser<br />
ausschwitzen, glitzern Perlen im Lichtkegel<br />
der Helmlampe. Sie tropfen nicht. Alles<br />
hier unten scheint starr zu sein. Leblos.<br />
Im Dülfersitz nach unten<br />
Helle Zeichnungen tauchen im grauen<br />
Kalkgestein auf. Sie gleichen mal einem<br />
Herz, mal den Abdrücken von Rinderhufen.<br />
»Megalodonten«, sagt Peter, »muschelartige<br />
Wesen aus einer Zeit vor<br />
unserer Zeit.« Es gab tatsächlich einmal<br />
Leben hier. Vor ungefähr 200 Millionen<br />
Jahren schwappten die Wellen des Urmeeres<br />
Tethys über den Boden der heutigen<br />
Dachsteinregion. Schlamm, Sand und<br />
INFO<br />
Höhlen befahren<br />
Höhlen sind faszinierend, aber auch gefährlich.<br />
Man muss durch enge Gänge kriechen,<br />
mehrere 100 Meter abseilen, klettern oder<br />
durch Siphons waten, die bei Regen volllaufen<br />
und den Rückweg abschneiden können.<br />
Aus diesem Grund sind die meisten Höhlen<br />
für Besucher gesperrt. Einige können unter<br />
Führung eines erfahrenen Höhlenforschers<br />
befahren werden, Schauhöhlen wie die<br />
drei in den Touren beschriebenen Höhlen<br />
sind teils auch ohne Führung zugänglich.<br />
Informationen: Verband der deutschen<br />
Höhlen- und Karstforscher (VdHK),<br />
www.vdhk.de, mail@vdhk.de;<br />
Verband Österreichischer Höhlenforscher<br />
(VÖH), www.hoehle.org, Tel. 00 43/(0)6 76/<br />
9 01 51 96, info@hoehle.org<br />
die Überreste abgestorbener Lebewesen<br />
lagerten sich im seichten Wasser ab und<br />
wurden, nachdem sich der Boden aus dem<br />
Ozean gehoben hatte, zu festem Kalkstein<br />
verbacken. Durch Ritzen sickerte Grund-<br />
und Regenwasser in den Fels. Einer Säure<br />
gleich, löste das Wasser den Kalk und<br />
wusch Kluften aus, bis ganze Flüsse hindurch<br />
rauschten und immer größere Hohlräume<br />
schufen. In der untersten Etage des<br />
Dachsteinmassivs ist das Wasser noch heute<br />
am Werk. In der mittleren Etage, wo sich<br />
das Schönberg-Höhlensystem befindet, hat<br />
es seine Arbeit weitgehend beendet.<br />
Übrig blieben unterirdische Theater mit<br />
Steinkulissen, die wie Gardinen von der<br />
Decke hängen, und tiefe, gewellte Canyons.<br />
In einem der Gänge, dem »Märchengang«,<br />
steht sogar eine Tropfsteinsäule. »Total untypisch<br />
für hier«, weist Peter auf die Besonderheit<br />
hin. Weil es die einzige ihrer Art in<br />
diesem Gängesystem ist, haben die Höhlenforscher<br />
die Säule »Eremit« getauft.<br />
Aber wie in jeder Märchenwelt gehören<br />
auch im Schönberg-Höhlensystem Bösewichte<br />
und Hindernisse dazu: steile Abbruchkanten<br />
und Trümmerhaufen, die<br />
den Anschein machen, als wären sie eben<br />
erst von der Decke gestürzt. »Schockplatte«<br />
haben die Speläologen, wie der wissen-<br />
Wo das Wasser<br />
noch arbeitet:<br />
See in der Gassel-<br />
Tropfsteinhöhle<br />
An allen Seiten berührt<br />
der Fels den Körper<br />
und lässt kaum mehr<br />
eine Bewegung zu.<br />
Hart schlägt der Helm<br />
gegen die Decke, als<br />
der Kopf sich suchend<br />
nach dem Ausgang<br />
dreht. Die Angst kriecht<br />
herbei; sie ist alles<br />
andere als hilfreich.<br />
Sinterperlen, Kalzitkristalle, Tropfsteine: Die im Wasser gelösten Minerale hinterlassen faszinierende Spuren.<br />
Fotos: Harald Zeitlhofer (5)<br />
38 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
schaftliche Begriff für Höhlenforscher lautet,<br />
eines dieser Hindernisse genannt. Der<br />
einzige Ausweg an der glitschigen, steil<br />
abfallenden Steinplatte führt zu einem<br />
lehmverschmierten Seil. Der erste packt<br />
es und gleitet im Dülfersitz nach unten.<br />
So antiquiert die Technik wirkt: Wenn das<br />
vermatschte Sohlenprofil auf dem schmierigen<br />
Fels keinen Tritt mehr findet, hält<br />
man sich gern daran.<br />
Der Fragglesgang,<br />
ein Abschnitt<br />
im Schönberg-<br />
Höhlensystem<br />
Prüfung für die Psyche<br />
Dann schnappt die Falle zu. An allen Seiten<br />
berührt der Fels den Körper und lässt kaum<br />
mehr eine Bewegung zu. Hart schlägt der<br />
Helm gegen die Decke, als der Kopf sich<br />
suchend nach dem Ausgang dreht. Die<br />
Angst kriecht herbei; sie ist alles andere als<br />
hilfreich. Karl, der Chiemgauer, verdrängt<br />
sie mit beruhigenden Worten: »Mit den Armen<br />
hast du noch genug Platz, dich weiterzustemmen.<br />
Stell die Zehen auf, so kannst<br />
du anschieben.« Endlich kugelt der Schleifsack<br />
mit der Brotzeit in den nächstgrößeren<br />
Raum, gefolgt von seiner Besitzerin.<br />
Eine schwarze Schnur läuft aus einem Loch<br />
über den lehmigen Boden und verschwindet<br />
um die Ecke – ein Ariadnefaden in<br />
dem Gewirr von Gängen? Peter schüttelt<br />
den Kopf: »Ein altes Telefonkabel von den<br />
Engländern, die die Höhle 1967 erforscht<br />
haben. Sie wollten hier drin den Kontakt<br />
zur Außenwelt nicht verlieren.« Der Speläologe<br />
lacht, doch uns will eine Frage<br />
nicht mehr aus dem Kopf: Ob sich schon<br />
mal ein Höhlenforscher verirrt habe?<br />
»Davon hat mir noch keiner erzählt. Also<br />
keiner von denen, die zurückgekommen<br />
sind.« Peters Humor passt zur Finsternis<br />
ringsum. Dann fügt er ernster und beruhigend<br />
hinzu: »Unter diesem Stein dort<br />
liegt eine verrostete Blechbüchse, an der<br />
orientiere ich mich beispielsweise. Und<br />
an den roten Pfeilen an den Felsen. Ihre<br />
Spitzen zeigen immer zum Ausgang.« Die<br />
Pfeile sind spärlich, viel spärlicher als die<br />
Markierungen zum Gipfel des Schönbergs<br />
ein paar hundert Meter über der Höhle, wo<br />
vermutlich gerade die Sonne scheint und<br />
die Vögel zwitschern, wo der Wind die Latschenzweige<br />
schaukelt: wo Leben ist.<br />
Tod einer 18-Jährigen<br />
»Wenn man hier drin verunglückt, kann<br />
man nicht per Handy oder Funk einen<br />
Notruf abgeben. Man muss darauf warten,<br />
dass sie einen draußen vermissen,<br />
oder man schickt jemanden hinaus, um<br />
die Rettung zu alarmieren«, sagt Peter. Er<br />
ist der Chef der Oberösterreichischen
TOUREN<br />
Die drei schönsten<br />
Schauhöhlen<br />
im Alpenraum<br />
Eine fremde Welt aus Felsen,<br />
Tropfstein und Eis erwartet diejenigen,<br />
die sich in die natürlichen<br />
Hohlräume unter der Erde wagen.<br />
Wie Gardinen hängen die Felsen im Märchengang von den Decken.<br />
Der Aufriss des Höhlensystems ist ein Teil der Wanderkarte für Höhlenforscher.<br />
»Rutsch einfach auf dem<br />
Hosenboden! In Höhlen<br />
ist das eine ganz normale<br />
Fortbewegungsart«, sagt<br />
Karl, der Höhlenforscher.<br />
Höhlenrettung. Unfälle passieren nicht<br />
oft, aber wenn, dann graben sie sich tief<br />
ins Gedächtnis der Höhlenforscher ein.<br />
Wie derjenige von Helene Fischer 1989.<br />
Die 18-Jährige hatte weniger Glück als Johann<br />
Westhauser, der im Juni mit schweren<br />
Kopfverletzungen aus der Riesending-<br />
Höhle am Untersberg gerettet wurde.<br />
Das, was vor 25 Jahren in der Schönberghöhle<br />
passiert ist, erschüttert Peter Ludwig<br />
noch immer. Er traf damals als erster<br />
Retter am Unfallort ein. »Um 14 Uhr ist<br />
es passiert, um 20 Uhr war ich da. Extrem<br />
schnell eigentlich.« Trotzdem kam jede Hilfe<br />
zu spät. Das Mädchen war wegen eines<br />
Abseilfehlers in einem 100 Meter tiefen<br />
Schacht auf den Boden gestürzt und hatte<br />
sich den Oberschenkel gebrochen. An sich<br />
keine fatale Verletzung, doch der Knochen<br />
durchbohrte die Schlagader: Helene verblutete<br />
innerlich. Seitdem findet jedes Jahr<br />
im Gigantendom eine Gedenkmesse statt.<br />
Aus einer Nische des groben Steinaltars<br />
zieht Peter ein Buch hervor, wirft einen<br />
Blick auf die Uhr und notiert etwas. Es ist<br />
kein Gipfelbuch mit flotten Versen, sondern<br />
ein Dokument, das im Notfall wichtige<br />
Hinweise für die Retter bereithält: Jede<br />
Gruppe muss sich mit Datum und Uhrzeit<br />
vor der Exkursion eintragen und am Ende<br />
wieder austragen. Der Weg zurück an die<br />
Oberfläche ist nicht mehr lang. Gleißendes<br />
Licht am Ende des Ganges treibt Tränen<br />
in die Augen. Vögel zwitschern, der Wind<br />
spielt rauschend mit den grünen Blättern,<br />
bunte Blumenköpfe wippen. Ein Juchzer<br />
erschallt. Wir sind wiedergeboren. ◀<br />
1 Dachstein-Rieseneishöhle<br />
(Salzkammergut)<br />
Die 1897 entdeckte Höhle ist für ihre<br />
bizarren Eisformationen berühmt.<br />
Noch immer wächst das Eis in den 2700<br />
Meter langen Gängen. An manchen Stellen<br />
ist es bereits 20 Meter dick. Im Sommer<br />
fi nden sogar klassische Konzerte im Parzivaldom<br />
der Höhle statt.<br />
Ausgangspunkt: Obertraun, mit der<br />
Dachstein-Seilbahn bis zur Mittelstation<br />
(1350 m)<br />
Zugang: Von Ende April bis Ende Oktober<br />
laufend Führungen von 9.20–16 Uhr<br />
Info: www.dachstein-salzkammergut.com<br />
2 Sturmannshöhle (Allgäu)<br />
Bis 1815 reicht die Erforschungsgeschichte<br />
der Sturmannshöhle bei Obermaiselstein<br />
im Allgäu zurück. 1905 wurde die 460 Meter<br />
lange Höhle mit Eisentreppen im Schacht<br />
und elektrischer Beleuchtung für die Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht. Tropfsteine<br />
sind in ihr nicht zu sehen; dafür gehört sie<br />
zu den »Aktiven Bachhöhlen«, die von<br />
einem unterirdischen Gewässer durchfl ossen<br />
werden.<br />
Ausgangsort: Obermaiselstein (859 m)<br />
Zugang: Weihnachten bis Ostern täglich<br />
11–16 Uhr, Anfang Mai bis Anfang<br />
November täglich 9.30–16.30 Uhr geöffnet<br />
Info: www.obermaiselstein.de<br />
3 Kristallhöhle Kobelwald<br />
(St. Gallen)<br />
Sinterterrassen, Kristalle und ein Höhlenbach<br />
machen den Besuch in der Kristallhöhle<br />
zu einem spektakulären Erlebnis.<br />
Bereits 1682 wurden die 665 Meter langen<br />
Gänge von einem Jäger entdeckt und<br />
dienten lange Zeit als Mineralienfundstelle,<br />
bis 1935 der Eingang vergittert und Besucher<br />
nur noch zu Schauzwecken eingelassen<br />
wurden.<br />
Ausgangsort: Oberriet (420 m)<br />
Zugang: Ostern bis Ende Oktober an<br />
Sonn- und Feiertagen 11–17 Uhr geöffnet,<br />
Besuche an Wochentagen nur nach Voranmeldung<br />
beim Höhlenwart (Tel. 00 41/<br />
(0)71/7 61 19 77). 10. Juli bis 10. August<br />
täglich 12–16.30 Uhr geöffnet<br />
Info: www.kristallhoehle.ch<br />
Foto: Harald Zeitlhofer<br />
40 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Advertorial<br />
Profi -Guides und Ausrüstung bieten<br />
die Hotels für einen geringen Aufpreis.<br />
15 Meter geht es an der Hausfront<br />
des Salzburger Hofs in die Höhe.<br />
Naturverbundenheit und eine familiäre<br />
Atmosphäre zeichnet die beiden Häuser aus.<br />
An der Kletterwand<br />
mit Alexander Huber<br />
In den Leoganger<br />
Heimathotels können<br />
Gäste einen Tag<br />
mit dem Extremsportler<br />
verbringen oder auf<br />
Erlebniswanderungen<br />
Tier- und Pfl anzenwelt<br />
des Salzburger<br />
Lands erkunden.<br />
Infos und Buchung unter:<br />
www.leoganger-heimathotels.at,<br />
www.forsthofgut.at, www.salzburgerhof.eu<br />
Hotel Forsthofgut, A-5771 Leogang/Hütten 2,<br />
Tel. 00 43/65 83 85 61, Fax 00 43/<br />
65 83 85 61 77, info@forsthofgut.at<br />
Salzburger Hof Leogang, A-5771 Leogang/<br />
Sonnberg 170, Tel. 00 43/65 83 73 10-0, Fax<br />
00 43/65 83 73 10 67, offi ce@salzburgerhof.eu<br />
Einmal mit Alexander Huber von den<br />
»Huberbuam« an der Kletterwand: Dieser<br />
Traum vieler Bergsportler lässt sich<br />
nun in den Leoganger Heimathotels im<br />
Salzburger Land erfüllen. Am 12. September<br />
zeigt der Extremsportler Tricks<br />
und Kniffe an der Außen-Kletterwand KRAXL-LEO<br />
des Hotels Salzburger Hof Leogang. Am Abend<br />
berichtet er von seinen Expeditionen in die Berge<br />
der Welt, über mentale Stärke in Alltag und Sport<br />
und seine Verbundenheit mit der Heimat.<br />
Sportbegeisterte, die dabei sein möchten, können<br />
das viertägige Paket »Erlebnisklettern« vom<br />
11. bis 14. September 2014 in den Leoganger<br />
Heimathotels buchen. Das Arrangement beinhaltet<br />
neben Verwöhnpension, Jause und Kletterausrüstung<br />
den Erlebnistag mit Huber und die<br />
Benutzung der Kletterwand sowie des Indoor-<br />
Boulderraums.<br />
Natur erleben<br />
Zu den Leoganger Heimathotels gehören das<br />
Naturhotel Forsthofgut auf Fünf-Sterne-Niveau,<br />
das die Inhaberfamilie Schmuck in der dritten<br />
Generation leitet, sowie das inhabergeführte<br />
Vier-Sterne-Aktivhotel Salzburger<br />
Hof Leogang. Die beiden Häuser verbindet<br />
die Philosophie, ihre Gäste auf<br />
gehobenem Niveau für die »Einfachheit<br />
des Lebens« zu begeistern – wobei sie<br />
mit Attraktionen wie Europas erstem waldSPA,<br />
dem Kinderbauernhof Pinzgauer miniGUT zum<br />
Selbstbewirtschaften und Kochkursen auf der<br />
hoteleigenen Abergalm aufwarten. Die Gäste<br />
erwartet Naturverbundenheit und eine familiäre<br />
Atmosphäre.<br />
In zahlreichen Themenveranstaltungen spüren<br />
die beiden Häuser in dieser Saison der Frage<br />
nach Heimat nach, der sich auch Alexander Huber<br />
bei seinem Vortrag widmen wird. Neben dem<br />
Tag mit dem Kletterstar gelten die Erlebniswanderungen<br />
»Natur spechteln« mit dem Leoganger<br />
Heimatführer Markus Mayerhofer als ganz besondere<br />
Erfahrung. Auf den Spuren von Gämsen,<br />
Murmeltieren und Adlern zeigt dieser bei individuellen<br />
Touren die schönsten Aussichtspunkte<br />
in der ursprünglichen Leoganger Bergwelt. Auch<br />
dazu ist ein viertägiges Arrangement buchbar.
AUF TOUR<br />
SERIE: Hüttenzauber<br />
TEIL 15: Oberaletschhütte<br />
HÜTTENZAUBER<br />
Im Süden des Aletschhorns<br />
Die Oberaletschhütte liegt am Rande des mächtigsten Gletschers der Alpen,<br />
dem UNESCO-Weltnaturerbe Aletschgletscher, und ist Ausgangsort für beliebte<br />
Hochtouren. Trotzdem drohte vor wenigen Jahren der Gästestrom zu versiegen.<br />
Bis der damalige Hüttenwirt eine Idee hatte … Von Iris Kürschner<br />
42 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Debüt: Richard Walker<br />
verbringt seine erste<br />
Saison als Wirt auf der<br />
Oberaletschhütte.<br />
Fotos: Iris Kürschner, privat<br />
KOMPAKT<br />
Abendstimmung mit<br />
Blick auf Nesthorn<br />
(links) und Beichpass<br />
Hütteneinmaleins<br />
Lage: Auf einer Felsterrasse über dem Oberaletschgletscher<br />
auf 2640 Metern Höhe am<br />
Fuße des Westgrats vom Gross Fusshorn<br />
Eigentümer: SAC-Sektion Chasseral<br />
Zugang: Von Blatten mit der Seilbahn zur<br />
Belalp. Von der Bergstation rechts auf breitem<br />
Weg zum Hotel Belalp, weiter am Hang entlang<br />
zur Schlucht und jenseits der Brücke über einen<br />
in den Fels gehauenen Pfad auf die nördliche<br />
Seitenmoräne. Auf dieser aufwärts und über<br />
den neuen Panoramaweg zur Hütte, 4–5 Std.<br />
Kapazität: 58 Lager in vier Räumen sowie<br />
12 Betten in der alten Hütte (Winterraum)<br />
Öffnungszeiten: Anfang Juli bis Mitte<br />
September sowie zur Skitourensaison Anfang<br />
April bis Mitte Mai<br />
Hüttenwirt: Richard Walker<br />
E-Mail: info@oberaletsch.ch<br />
Internet: www.oberaletsch.ch<br />
Telefon: 00 41/(0) 27/9 27 17 67 oder<br />
00 41/(0) 79/4 34 31 41<br />
Karten: Swisstopo 1:50 000, Blatt 264T<br />
»Jungfrau« und 274T »Visp«<br />
Literatur: Thomas Bachmann »Jungfrau-<br />
Aletsch-Bietschhorn – 35 Wanderungen im und<br />
ums UNESCO-Weltnaturerbe«, Rotpunktverlag<br />
Es ächzt, kracht, poltert. In der<br />
vermeintlich erstarrten Welt ist<br />
mächtig was los. Der Gletscher<br />
ist am Rückzug. Er schiebt und<br />
stöhnt und schwitzt. Zurück<br />
bleibt das Skelett: Schutt, Steine, glattpolierter<br />
Fels. Jahr für Jahr mussten neue<br />
Leitern angebaut werden, damit die Oberaletschhütte<br />
auf der Felsterrasse über dem<br />
schrumpfenden Oberaletschgletscher<br />
überhaupt erreichbar blieb. Dennoch<br />
wurde der Anstieg schwieriger. Immer<br />
öfter passierte es, dass die Gäste den Weg<br />
über den schuttübersäten Gletscher nicht<br />
fanden oder an den senkrechten Leitern<br />
umkehrten. Irgendwann war das Maß<br />
voll. Peter Schwitter, von 2000 bis 2013<br />
Wirt auf der Oberaletschhütte, zugleich<br />
Bergführer und Chef der örtlichen Bergrettung,<br />
studierte das Gelände. Nordseitig<br />
der Gletscherfurche musste es möglich<br />
sein. Die Hürden von Bürokratie und Naturschutz<br />
kosteten Zeit und Nerven. Dann<br />
endlich durfte Schwitter loslegen. 5000<br />
Arbeitsstunden, eine Tonne Sprengstoff,<br />
1000 Eisenstöcke und ein Kilometer Kettensicherungen:<br />
Das ist die trockene Bilanz<br />
einer mehr als dreimonatigen, risikoreichen<br />
Schufterei, um an der Südflanke<br />
der Fußhörner einen sicheren Wanderweg<br />
mit vorgeschriebener Breite von 60 Zentimetern<br />
zu bauen.<br />
Belle-Epoque-Hotel mit Gletscherblick<br />
2005 wurde der neue Oberaletsch-Panoramaweg<br />
offiziell eingeweiht. Seither ging es<br />
mit den Gästezahlen auf der Hütte wieder<br />
bergauf. Längst sind es mehr Wanderer als<br />
Alpinisten, die das Haus ansteuern. Der<br />
Weg von der Belalp ist spektakulär. Vom<br />
Ausblick auf den Aletschgletscher und die<br />
Walliser Viertausender waren die Alpenpioniere<br />
so begeistert, dass sich in den Jahren<br />
1856/57 der Bau eines Belle-Époque-<br />
Hotels lohnte. Das Hotel Belalp steht noch<br />
heute, freilich den Bedürfnissen und dem<br />
Geschmack unserer Zeit etwas angepasst.<br />
Gleich oberhalb des Hotels ließ sich der irische<br />
Physiker John Tyndall seine Sommervilla<br />
bauen. Von dort aus stellte er seine<br />
Gletscherforschungen, Licht- und Wärmeuntersuchungen<br />
an.<br />
Mit dem Blick, den der Wissenschaftler als<br />
»the most beautiful of the Alps« bezeichnete,<br />
startet die Tour zur Oberaletschhütte,<br />
die sich zu einem mehrtägigen<br />
Hütten trekking durch das UNESCO-<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 43
TOUREN<br />
Hochtouren und Wanderungen<br />
über dem Aletschgletscher<br />
<strong>Bergsteiger</strong> nehmen die Oberaletschhütte als Stützpunkt für<br />
anspruchsvolle Hochtouren, für Wanderer ist die Hütte Endstation<br />
und Aussichtspunkt auf vergletscherte Riesen.<br />
1 Oberaletschhütte (2640 m)<br />
▶ mittel 4-5 Std.<br />
600 Hm Hm 55<br />
Charakter: Gut angelegter Hüttenweg,<br />
der an heiklen Stellen gesichert ist. Trittsicherheit,<br />
Schwindelfreiheit und Kondition<br />
unerlässlich.<br />
Ausgangspunkt: Bergstation Belalp<br />
(2094 m)<br />
Route: Bergstation Belalp – Hotel Belalp<br />
– Brücke über Gletscher-Abfl uss (2127 m)<br />
– Neuer Oberaletsch-Panoramaweg – Oberaletschhütte<br />
2 Aletschhorn (4193 m)<br />
▶ mittel (ZS) 10–14 Std.<br />
1850 Hm Hm 1850<br />
Charakter: Lange Hochtour für Konditionsstarke<br />
auf den kältesten Viertausender<br />
in den Alpen; teils schwierige Wegfi ndung<br />
(auf Katzenaugen-Markierung achten!) mit<br />
Kletterstellen bis II, steile Eisrinne unter<br />
dem Gipfel (mit Eisenstangen zum Sichern)<br />
Ausgangspunkt: Oberaletschhütte<br />
(2640 m)<br />
Route: Oberaletschhütte – Abstieg über<br />
Leitern – Oberaletschgletscher – steiler<br />
Pfad durch Felsen auf die Südwestrippe bis<br />
Punkt 3382 – Gletschertraversierung bis<br />
zum weiteren Verlauf der Felsrippe – über<br />
leichte Kletterstellen (II) aufwärts – Eisrinne<br />
– Aletschhorn – zurück auf demselben Weg<br />
3 Nesthorn (3822 m)<br />
▶ mittel 10–12 Std.<br />
1550 Hm Hm 1550<br />
Charakter: Die stolze Schönheit<br />
des Nesthorns zeigt sich erst auf dem<br />
Panorama-Weg zur Oberaletschhütte.<br />
Der leichteste Weg von der Hütte führt in<br />
einem weiten Bogen über den teils stark<br />
zerklüfteten Gletscher und den Nordostgrat<br />
auf den Gipfel (schwierigere Variante<br />
über Ostsporn mit Kletterei im III. bis IV.<br />
Schwierigkeitsgrad).<br />
Ausgangspunkt: Oberaletschhütte<br />
(2640 m)<br />
Route: Oberaletschhütte – Oberaletschgletscher<br />
– Beichgletscher – Gredetschjoch<br />
(3508 m) – Nesthorn – zurück auf<br />
demselben Weg<br />
4 Riederfurka (2065 m)<br />
▶ mittel 5–6 Std.<br />
1090 Hm 515 Hm<br />
Charakter: Wanderweg mit längeren<br />
Steilabschnitten. Für die 124 Meter lange<br />
Hängebrücke ist Schwindelfreiheit notwendig,<br />
ebenso für eine kurze gesicherte<br />
Stelle zwischen Hängebrücke und Grünsee.<br />
Ausgangspunkt: Oberaletschhütte<br />
(2640 m)<br />
Route: Oberaletschhütte – Brücke über<br />
Gletscher-Abfl uss (2127 m) – Abzweig<br />
Riederfurka – Oberaletsch (1763 m) –<br />
Hängebrücke – Grünsee (1614 m) – Teiffe<br />
Wald – Riederfurka (2065 m)<br />
5 Sparrhorn (3021 m)<br />
▶ mittel 5 Std.<br />
950 Hm Hm 950<br />
Charakter: Wanderdreitausender, den<br />
schon der Naturwissenschaftler John Tyndall<br />
gerne bestieg. Im oberen Bereich Schuttund<br />
Blockfelder. Zweimal geht es an der<br />
Felskante entlang, was etwas Schwindelfreiheit<br />
erfordert. Durchgehend markiert.<br />
Ausgangspunkt: Bergstation Belalp<br />
(2094 m)<br />
Route: Bergstation Belalp – Lüsga –<br />
Sparrhorn – Tyndall-Denkmal bei P.2352<br />
– Hotel Belalp – Bergstation Belalp<br />
Variante: Von der Bergstation der Sesselbahn<br />
Sparrhorn (2680 m, Betrieb nur<br />
von Mitte Juli bis Mitte August) lässt sich<br />
das Sparrhorn schon in einer Stunde<br />
besteigen. Ideal, um auf dem Weg zur<br />
Oberaletschhütte einen Abstecher auf den<br />
Gipfel zu machen.<br />
Flickwerk: die angestückelten Leitern am alten Hüttenweg<br />
Weltnaturerbe »Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch«<br />
ausbauen lässt. Auf einem<br />
kunstvoll angelegten Saumweg geht es abwärts<br />
zu den Wiesenhängen des Aletschji<br />
und zwischen blökenden Schafherden<br />
stetig bergan zur Seitenmoräne des Oberaletschgletschers.<br />
Ein letzter Blick über die<br />
Schulter auf die grünen Matten vor der Kulisse<br />
von Weissmies, Mischabelgruppe und<br />
Weißhorn, deren Gletscher am südlichen<br />
Horizont blitzen. Dann geht es hinein<br />
in die raue Welt aus Fels und Eis, durch<br />
den tief eingeschnittenen Tobel mit dem<br />
Schmelzwasser des Oberaletschgletschers<br />
auf dem neuen Panoramaweg zur Hütte.<br />
Abschied vom Hüttenwirt<br />
Noch vor einem Jahr empfingen – welche<br />
Überraschung auf 2640 Metern – gackernde<br />
Hühner die <strong>Bergsteiger</strong> am Etappenziel.<br />
Doch die glücklichen Gletscherhühner<br />
nahmen es mit der Arbeit in der Höhenluft<br />
nicht mehr allzu genau. »Mit dem<br />
Eierlegen hat es ein bisschen gehapert«,<br />
schmunzelt Peters Frau Debi, während<br />
die beiden Töchterchen Joline (4) und Laya<br />
(2) um sie herum springen. Das Leben<br />
44 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Breitband: Der Aletschgletscher hat die mächtigsten Eismassen im Alpenraum.<br />
INFO<br />
Eisiges Welterbe<br />
Fotos: Iris Kürschner (2)<br />
der Familie im eisigen Herzen des Weltnaturerbes<br />
war eine echte Herausforderung,<br />
zumal auf der Hütte nur wenig Raum für<br />
Privatsphäre bleibt. Aus diesem Grund haben<br />
die beiden sich schweren Herzens von<br />
ihrem Wolken-Haus verabschiedet und<br />
es in diesem Jahr an Richard Walker aus<br />
dem Urner Ort Attinghausen übergeben.<br />
»Hühner und Katzen haben wir zwar nicht<br />
mehr auf der Hütte«, sagt der neue Wirt,<br />
»aber sonst ist alles beim Alten geblieben«.<br />
Draußen bessert Peter den Zustieg zur<br />
Hütte aus. Er ist nach wie vor oft heroben<br />
und steht dem frisch gebackenen Chef der<br />
Oberaletschhütte mit Rat und Tat zu Seite.<br />
Punkt halb sieben serviert Richard das<br />
Drei-Gänge-Menü. Während die Crew später<br />
mit dem Abwasch beschäftigt ist, wechseln<br />
die Gäste zur Abendschau auf die Hüttenterrasse.<br />
Die Sonne haucht ihre letzten<br />
Strahlen auf die hochgereckte, weiße Nase<br />
des Nesthorns und überm Taleinschnitt,<br />
wo eine Menge Hörner (Helsehorn, Hillehorn,<br />
Bettlihorn, Bortelhorn) und der Monte<br />
Leone Spalier stehen, geht der Mond auf.<br />
Das beliebteste Ziel der <strong>Bergsteiger</strong> auf der<br />
Oberaletschhütte verbirgt sich ums Eck:<br />
das Aletschhorn. Um zwei Uhr nachts werden<br />
die Gipfelaspiranten geweckt. Wanderer<br />
hingegen dürfen ausschlafen.<br />
Überschätzt am Aletschhorn<br />
Der Weg auf das Aletschhorn ist lang, sehr<br />
lang. »Die ersten kommen mittags zurück,<br />
die letzten um Mitternacht«, ist Debis<br />
Kommentar. »Die meisten überschätzen<br />
sich.« Seit auf Initiative von Peter Katzenaugen<br />
zur Wegfindung und Sicherungsstangen<br />
im Gratbereich installiert wurden,<br />
sind immerhin kaum noch Unfälle zu verzeichnen.<br />
Der heutige Normalweg über die<br />
Südwestrippe auf das Aletschhorn wurde<br />
erst populär, als die SAC-Sektion Chasseral<br />
1891 eine einfache Holzhütte am<br />
Oberaletsch gletscher errichtete. Ihr folgte<br />
1973 der Neubau wenige Meter oberhalb.<br />
Die Alpenpioniere nahmen noch den Weg<br />
vom Eggishorn über den Großen Aletschgletscher,<br />
biwakierten am Mittelaletschgletscher,<br />
um schließlich über das Aletschjoch<br />
den Gipfel zu erklimmen. Der Brite<br />
Francis Fox Tuckett eröffnete 1859 diese<br />
Route, der zehn Jahre später auch John<br />
Tyndall folgte.<br />
◀<br />
Unter der Nordfront des Aletschhorns fl ießen<br />
gleich drei Gletscherströme – der Jungfraufi<br />
rn, der Aletschfi rn und das Ewigschneefeld –<br />
am sogenannten Konkordiaplatz zusammen.<br />
Was den britischen Alpenpionier J. F. Hardy<br />
1859 dazu bewogen hat, diese gefrorene<br />
Kreuzung mit dem lebhaften »Place de la<br />
Concorde« in Paris zu vergleichen, bleibt<br />
offen. Nichtsdestotrotz ist es ein denkwürdiger<br />
Platz, zum einen wegen der mächtigsten<br />
Eismassen im gesamten Alpenraum. Zum<br />
anderen wurde hier anno 2001 mit der<br />
»Charta vom Konkordiaplatz« der Grundstein<br />
zum UNESCO-Weltnaturerbe gelegt, in der<br />
sich die Anliegergemeinden für eine nachhaltige<br />
Entwicklung verpfl ichteten. Bis heute<br />
ist der Aletschgletscher das einzige UNESCO-<br />
Weltnaturerbe der Alpen. Mit einer Fläche<br />
von 824 Quadratkilometern umfasst es<br />
die Berner Hochalpen zwischen Rosenlaui<br />
und Kandersteg, zwischen Grimsel und<br />
Lötschental. Die Nordseite liegt im Kanton<br />
Bern, die Südseite im Kanton Wallis.<br />
Obwohl auch der Aletschgletscher zurückgeht,<br />
ist die Eisdecke am Konkordiaplatz<br />
immer noch 900 Meter dick. Das Gewicht<br />
des gesamten Eises wurde auf 27 Milliarden<br />
Tonnen berechnet. Sein Wasser würde<br />
reichen, um jeden Menschen auf der Erde<br />
sechs Jahre lang jeden Tag mit einem Liter<br />
Wasser zu versorgen.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 45
AUF TOUR<br />
Grenzgänger<br />
Naturpark Texelgruppe<br />
und Sterngucker<br />
Schmuggler und Leichenprozessionen zogen einst übers Gebirge nördlich<br />
von Meran. Doch sie waren nicht die ersten. Bearbeitete Steine bei<br />
den Spronser Seen geben bis heute Rätsel auf. Von Franziska Baumann<br />
46 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Foto: xxxxxxxxxxxxxxxxxxx<br />
KOMPAKT<br />
Schenna, Dorf Tirol und Passeiertal<br />
Anreise: Bahnverbindung<br />
über Bozen nach Meran,<br />
weiter mit Bus ins Passeiertal,<br />
nach Schenna und nach Dorf<br />
Tirol. Mit dem Auto über die<br />
Brennerautobahn und Bozen<br />
nach Meran und ins Passeiertal.<br />
Alternativ über Timmelsjoch<br />
oder Jaufenpass<br />
Informationen: Tourismusverein<br />
Passeiertal, Passeirerstr.<br />
40, I-39015 St. Leonhard in<br />
Passeier, Tel. 00 39/04 73/<br />
65 61 88, www.passeiertal.it;<br />
Tourismusverein Dorf Tirol,<br />
Hauptstr. 31, I-39019 Dorf Tirol,<br />
Tel. 00 39/04 73/92 33 14,<br />
www.dorf-tirol.it;<br />
Tourismusverein Schenna,<br />
Erzherzog Johann Platz 1/D,<br />
I-39017 Schenna,<br />
Tel. 00 39/04 73/94 56 69,<br />
www.schenna.com<br />
Karten: Tabacco 1:25 000,<br />
Blatt 039 »Passeiertal« und<br />
011 »Meran und Umgebung«;<br />
Kompass 1:25 000, Nr. 044<br />
»Passeiertal« und 1:50 000,<br />
Platten aus Glimmerschiefer<br />
glitzern mit den Spronser Seen<br />
im Sonnenlicht um die Wette.<br />
Nr. 53 »Meran und Umgebung«.<br />
Fotorealistische, interaktive<br />
3D-Wanderkarte mit Routen,<br />
Hütten und Bergbahnen<br />
auf den Websites von Schenna,<br />
Dorf Tirol und Passeiertal.<br />
Literatur: Mark Zahel<br />
»Meraner Land«, Bruckmann<br />
Verlag 2012; Franziska<br />
Baumann »Meran und Umgebung«,<br />
Kompass Verlag 2014;<br />
Gerhard Hirtlreiter,<br />
»Südtirol West«, Bergverlag<br />
Rother, 2012<br />
Foto: Dorf Tirol Tourismus<br />
Es war eine ungewöhnliche Prozession,<br />
die durch das Texelgebirge<br />
zum fast 2600 Meter hohen Spronser<br />
Joch hinaufzog. Vier Männer<br />
balancierten ein Holzbrett auf<br />
ihren Schultern, darauf festgezurrt: ein<br />
großes Stoff bündel. Schweiß rann ihnen<br />
über die Stirn, bei jedem Schritt schwankten<br />
sie gefährlich auf dem steinigen Steig.<br />
Hinter ihnen murmelten Frauen und Männer<br />
Gebete.<br />
Über Jahrhunderte trugen die Bauern<br />
von Pfelders, einem Weiler im hintersten<br />
Passeiertal, ihre Toten zur Pfarrei von<br />
St. Peter bei Dorf Tirol. Starb jemand im<br />
Winter, ließ man den Leichnam auf dem<br />
Dachboden einfrieren, bis die Wege über<br />
das Spronser Joch begehbar waren. Auch<br />
die Neugeborenen wurden von ihren Müttern<br />
durch das Hochgebirge getragen, um<br />
sie in St. Peter taufen zu lassen. Bis zum<br />
Einzug des Tourismus war Pfelders ein<br />
armes Bergbauerndorf, das abgeschieden<br />
in einem von Dreitausendergipfeln eingerahmten<br />
Hochtal lag.<br />
In Wollstrümpfen übers Geröll<br />
Wie ein unüberwindbarer Wall wächst<br />
im Norden der Gurgler Kamm empor. Die<br />
südlichsten Gipfel der Ötztaler Alpen sind<br />
rau, unzugänglich, menschenleer – ein<br />
Terrain wie geschaffen für Schmuggler.<br />
Jenseits liegt das Ötztal, Nordtirol. Dort<br />
gab es Pfeifentabak, Zigarettenpapier, Feuerzeuge<br />
und Saccharin, Dinge, die in Italien<br />
knapp waren. Drüben im Ötztal waren<br />
Salz, Felle und Branntwein begehrt. Junge<br />
Burschen wie Vigil Kuprian aus Pfelders<br />
schleppten die Waren in ihren Rucksäcken<br />
über den Berg, meistens im Herbst,<br />
wenn es für sie nichts mehr zu tun gab.<br />
»Eine Schmuggeltour hat so viel eingebracht<br />
wie drei Monate Arbeit«, erinnert<br />
sich Vigil Kuprian, der 1960 als 14-Jähriger<br />
zum ersten Mal ins Ötztal auf brach. Gegen<br />
vier Uhr morgens, noch in stockfinsterer<br />
Nacht, stiegen sie zum Rotmoosjoch über<br />
der Zwickauer Hütte hinauf, ohne Licht<br />
und möglichst lautlos, darauf bedacht, unsichtbar<br />
zu bleiben. In der Hütte, die wie<br />
auf einem Podest über dem Pfelderer Tal<br />
thront, waren die Grenzbeamten stationiert.<br />
Um zu vermeiden, dass ihre genagelten<br />
Bergschuhe weithin sichtbare Funken<br />
schlugen, tasteten sich die Schmuggler<br />
in Wollstrümpfen über das Geröll. Doch<br />
nicht nur von den Zöllnern drohte Gefahr.<br />
Auf Ötztaler Seite mussten sie sich ihren<br />
Weg über spaltige Gletscher suchen. »Du<br />
bist mit einem Bein im Grab, mit dem<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 47
Die Mutspitze<br />
bildet die Bergkulisse<br />
hinter Schenna.<br />
TOUREN<br />
Auf historischen Pfaden durch die Texelgruppe<br />
Die Spronser Seen sind das Aushängeschild des Gebirges zwischen den Ötztaler<br />
Alpen und Meran, aber auch die Waal- und Felsenwege lohnen sich.<br />
1 Spronser Joch (2581 m)<br />
▶ mittel 7 Std.<br />
953 Hm 1780 Hm<br />
Charakter: Durchquerung der Texelgruppe<br />
auf historischen Wegen mit<br />
Spronser Seen als Highlight; der lange<br />
Abstieg erfordert Ausdauer, alternativ<br />
vom Oberkaser über Jägersteig<br />
zur Hochmuth-Seilbahn (2½ Std.)<br />
Ausgangspunkt: Pfelders (1628 m),<br />
erreichbar per Bus von Meran, am<br />
Endpunkt der Tour per Bus zurück<br />
Hütten: Oberkaser (2131 m), Anfang<br />
Juni bis Mitte Oktober, Tel. 00 39/<br />
04 73/92 34 88, www.dorftirol.com/<br />
oberkaseralm; Bockerhütte (1700 m),<br />
Mitte April bis Ende Oktober,<br />
Tel. 00 39/04 73/94 55 44,<br />
www.bockerhuette.com (bei beiden<br />
Übernachtung möglich); Einkehr bei<br />
der Faltschnalalm<br />
Route: Pfelders – Faltschnalalm<br />
– Faltschnaljöchl – Spronser Joch –<br />
Oberkaser – Bockerhütte –<br />
Tiroler Kreuz (806 m) bei Dorf Tirol<br />
2 Kreuzjoch (2451 m)<br />
▶ mittel 5 Std.<br />
940 Hm 940 Hm<br />
Charakter: Rundtour über sonnige<br />
Almmatten mit wettergegerbten<br />
Holzhütten und durch einsame Bergkessel<br />
mit Wasserfällen; steiler,<br />
teils gesicherter Anstieg zur Imestalm,<br />
Trittsicherheit erforderlich, in Querungen<br />
von Bachgräben oft bis in den<br />
Sommer Altschneereste<br />
Ausgangspunkt: Pfelders (1628 m)<br />
Hütte/Einkehr: Untere Schneidalm<br />
Route: Pfelders – Obersteinhöfe –<br />
Imestalm – Focknlacke – Kreuzjoch<br />
– Untere Schneidalm – Pfelders<br />
3 Hans-Frieden-Felsenweg<br />
und Vellauer Felsenweg<br />
▶ schwierig 5 Std.<br />
470 Hm 1250 Hm<br />
Charakter: Luftige Panoramawege<br />
durch die Südhänge der Mutspitze;<br />
breit angelegte, teils aus Felsen<br />
gesprengte Wege mit einigen ausgesetzten<br />
Passagen (Sicherungen<br />
vorhanden, Schwindelfreiheit nötig)<br />
Ausgangspunkt: Bergstation Hochmuth<br />
(1361 m)<br />
Einkehr: bei den Gasthäusern<br />
Hochmuth, Leiteralm, Steinegg und<br />
Farmerkreuz<br />
Route: Hochmuth – Hans-Frieden-<br />
Felsenweg – Leiteralm – Oacherhof/<br />
Vellau – Vellauer Felsenweg –<br />
Hochmuth – Farmerkreuz – Talstation<br />
Hochmuth-Seilbahn (685 m)<br />
4 Verdinser Plattenspitze<br />
(2680 m)<br />
▶ mittel 4 Std.<br />
780 Hm 780 Hm<br />
Charakter: Die Verdinser Plattenspitze<br />
ist zwar weniger bekannt als der<br />
benachbarte Große Ifi nger, aber ein<br />
ebenso markanter und aussichtsreicher<br />
Felsgipfel; gesicherte, teils luftige<br />
Gratkletterei (bis I+) am felsigen<br />
Gipfelaufbau, aber auch ungesicherte<br />
ausgesetzte Passagen, die Schwindelfreiheit<br />
erfordern; Klettersteigausrüstung<br />
empfehlenswert<br />
Ausgangspunkt: Bergstation Seilbahn<br />
Meran 2000 (1900 m), Talstation an<br />
der Straße Richtung Hafl ing<br />
Einkehr: bei den Gasthäusern<br />
Pfi ffi nger Köpfl und Kuhleitenhütte<br />
Route: Bergstation Meran 2000 –<br />
Oswaldscharte – Scharte unterhalb<br />
Hochplattspitze – Verdinser<br />
Plattenspitze (2½ Std.) – zurück auf<br />
demselben Weg<br />
5 Maiser Waalweg<br />
▶ leicht 3¼ Std.<br />
190 Hm 110 Hm<br />
Charakter: Wanderung durch sonnige<br />
Obstwiesen entlang des Maiser Waals<br />
Ausgangspunkt: Schenna (578 m),<br />
Tourismusbüro, zurück per Bus<br />
Einkehr: bei den Gasthäusern Ofenbauer<br />
und Torgglerhof und in Saltaus<br />
Route: Schenna – Mitterplattweg<br />
– Schloss Planta– Maiser Waalweg –<br />
Waalerhütte – Saltaus<br />
48 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Foto: Franziska Baumann<br />
Schenna war vor<br />
50 Jahren noch<br />
ein Bauerndorf,<br />
Urlauber wurden<br />
mit dem Traktor<br />
am Bahnhof in<br />
Meran abgeholt.<br />
anderen im Zuchthaus gestanden«, sagt<br />
Vigil Kuprian. Er hatte Glück: Auf seinen<br />
mehr als 20 Schmugglertouren ist alles gut<br />
gegangen.<br />
In Fels gehauene Sternbilder<br />
Wer den alten Pfaden durch die Texelgruppe<br />
folgt, erlebt die landschaftliche<br />
Vielfalt dieses ältesten Naturparks Südtirols.<br />
Karg ist das Hochgebirge am Spronser<br />
Joch. Felsplatten aus silbrig glänzendem<br />
Glimmerschiefer sind zu Steinmännchen<br />
aufgeschichtet, als hätte dort ein Künstler<br />
eine Freiluft-Installation geschaffen. In der<br />
Stille ist nur der im Wind flatternde Stoff<br />
der Gebetsfahnen zu hören – sie bilden<br />
bunte Farbtupfer in einer Welt aus den<br />
Grautönen der Felsen. Wenig unterhalb<br />
des Jochs bleiben viele unwillkürlich stehen,<br />
so überraschend schön ist der Ausblick<br />
auf die Spronser Seen, die tief blau<br />
aus Felsenkesseln leuchten.<br />
Funde von Archäologen zeigen, dass sich<br />
bereits die Menschen der Frühgeschichte<br />
dort gerne aufgehalten haben. Über die<br />
Bedeutung der Schalensteine am Pfitscher<br />
Sattel, an den beiden untersten der Seen,<br />
wird nach wie vor gerätselt. Für Roland<br />
Gröber sind die 29 Felsplatten mit künstlich<br />
geschaffenen Vertiefungen das bedeutendste<br />
Schalensteinvorkommen in Südtirol.<br />
Der Diplomingenieur, der sich seit<br />
fast zehn Jahren mit den Schalensteinen<br />
beschäftigt, wies nach, dass frühzeitliche<br />
Himmelsbeobachter dort Sternaufgänge<br />
mit den dazugehörigen Sternbildern festhielten.<br />
Aufgrund der veränderten Position<br />
im Laufe der Zeit legte Gröber das Alter<br />
der bearbeiteten Steine auf etwa 2450 v.<br />
Chr. fest. »Es ist die älteste Fundstätte, an<br />
der eine solche Fülle an astronomischen<br />
Beobachtungen dokumentiert ist«, erklärt<br />
der Forscher. Über die Bedeutung könne<br />
man nur spekulieren. Möglicherweise<br />
zeigten die regelmäßig am Himmel auftauchenden<br />
Sternbilder den Menschen<br />
an, was in der Landwirtschaft zu tun war.<br />
Näher am Mittelmeer<br />
Rau und abweisend gibt sich auch das von<br />
steilen Berghängen eingefasste Spronser<br />
Tal, das ins Passeiertal und nach Dorf Tirol<br />
hinunterzieht. Wer den engen Schlund<br />
passiert hat, findet sich in einer anderen<br />
Welt wieder. Auf sonnendurchfluteten<br />
Obstwiesen leuchten Äpfel hellrot und<br />
goldgelb, in Waalen plätschert kühles<br />
Wasser: Die Natur scheint im milden Klima<br />
förmlich zu explodieren. Auf der anderen<br />
Talseite, jenseits der Passer, streckt<br />
Schennas Hausberg, der Große Ifinger,<br />
seine felsige Statur in den Himmel. Wie<br />
hellgrüne Inseln durchbrechen die Wiesen<br />
von Weilern und Höfen den dunklen<br />
Waldgürtel der Sarntaler Alpen: Oasen für<br />
Wanderer, die auf den Sonnenterrassen<br />
der Berggasthöfe Südtiroler Köstlichkeiten<br />
genießen. Schenna, heute einer der beliebtesten<br />
Ferienorte Südtirols, war vor 50 Jahren<br />
noch ein Bauerndorf. Die Straßen waren<br />
holprige Feldwege, Pensionszimmer<br />
gab es nur wenige, Urlauber wurden oft<br />
mit dem Traktor am Bahnhof in Meran abgeholt.<br />
Inzwischen zählt das Dorf 160000<br />
Feriengäste pro Jahr. Viele kommen immer<br />
wieder, genießen die klimatischen Vorzüge<br />
mit mehr als 300 Sonnentagen im Jahr<br />
und das Gefühl, dem Mittelmeer schon ein<br />
gutes Stück näher gerückt zu sein. ◀<br />
INFO<br />
Mit der Hellebarde<br />
gegen Obstdiebe<br />
Viele Jahrhunderte lang wachten Männer<br />
mit furchteinfl ößendem Aussehen, die<br />
Saltner, über Felder und Weinberge rund<br />
um Schenna und Dorf Tirol. Sie trugen eine<br />
Kette aus Eberzähnen um den Hals und<br />
einen Federschmuck mit Fuchsschwanz auf<br />
dem Kopf. Bewaffnet waren sie mit einem<br />
gekrümmten Messer und einer Hellebarde.<br />
Ihre Aufgabe war es, Obstdiebe zu stellen<br />
und zu überführen, notfalls auch mit Gewalt.<br />
Wollte jemand einen Weinberg betreten,<br />
musste er den Saltner dreimal rufen, sonst<br />
drohte ihm eine Strafe. Die Saltner wurden<br />
von den Bauern verköstigt und bekamen<br />
ihren Lohn in Naturalien, meist mit Wein,<br />
ausbezahlt. Mitte des vergangenen Jahrhunderts<br />
stellte man den Saltnerdienst ein.<br />
Ein Tag,<br />
der bleibt.<br />
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Die Bahn macht mobil.
INTERVIEW<br />
Das große<br />
-Interview<br />
Reinhold Messner und Eugen E. Hüsler<br />
»Ein gutes Buch ist wie<br />
Beide feiern im September<br />
ihren 70. Reinhold Messner<br />
ist nicht nur der bekannteste<br />
<strong>Bergsteiger</strong> der Welt, sondern<br />
auch wirtschaftlich der erfolgreichste.<br />
Eugen E. Hüsler<br />
gilt als »Klettersteig-Papst«<br />
und kommt auf weit über<br />
100 Buch-Publikationen.<br />
Im BERGSTEIGER-Gespräch<br />
verraten sie, was ein gutes<br />
Buch ausmacht und ob das<br />
Bergbuch eine Zukunft hat.<br />
Von Michael Ruhland<br />
BERGSTEIGER: Auf wie viele Publikationen<br />
kommen Sie, Herr Messner?<br />
Reinhold Messner: Eigenständige Bücher<br />
sind es keine 50. Viele Leute beurteilen den<br />
Umfang meines Werks falsch, weil ich eine<br />
Reihe Bücher herausgegeben habe. Die<br />
laufen dann als meine Bücher, was nicht<br />
richtig ist. Aber Verleger tun das gerne. Ich<br />
finde es dem Leser gegenüber nicht fair,<br />
und mir gegenüber auch nicht.<br />
Wie hoch ist die verkaufte Auflage?<br />
Messner: Sie dürfte – international –<br />
zwischen fünf und sechs Millionen liegen.<br />
Herr Hüsler, wie viele Bücher haben Sie auf<br />
den Markt gebracht?<br />
Eugen E. Hüsler: Mehr als hundert. Irgendwann<br />
hatte ich aufgehört zu zählen. Mei-<br />
ne Frau Hildegard brachte mich vor ein<br />
paar Jahren darauf, die genaue Zahl zu<br />
bestimmen. Damals waren es 100, dann<br />
dürften es jetzt circa 120 sein.<br />
Sind da Zweitaufgüsse mit dabei?<br />
Hüsler: Ja, das eine oder andere in veränderter<br />
Form, erweitert, das lässt sich gar<br />
nicht vermeiden. Bei Ihnen, Herr Messner,<br />
ist die Themenvielfalt größer. Ich habe<br />
lange Zeit versucht, nicht nur Klettersteig-<br />
Bücher zu machen. Das ist mir ab und zu<br />
gelungen. Meistens gegen größere Widerstände.<br />
Zum Beispiel das Buch »Bedrohtes<br />
<strong>Paradies</strong> Alpen«. Das habe ich viel lieber<br />
gemacht als fünf Klettersteigführer …<br />
Messner: … es funktioniert nur leider<br />
nicht. Das wollen die Leute nicht lesen.<br />
Hüsler: Und die Verleger nicht verlegen.<br />
50 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Musik«<br />
Fotos: Manfred Kostner<br />
Dem Bergbuch als Genre geht’s nicht besonders<br />
gut. Herr Messner, Sie könnten<br />
noch ein siebtes Museum konzipieren und<br />
es dem Bergbuch als Würdigung widmen?<br />
Messner: Nein, da bin ich nicht Ihrer Meinung.<br />
Bergbücher gehören in die Regale, in<br />
die Bibliothek. Ich muss ausnahmsweise<br />
den Deutschen Alpenverein loben, der eine<br />
großartige Bibliothek aufgebaut hat. Der<br />
DAV hat mit einer Million Mitgliedern zum<br />
Glück die finanziellen Mittel, solch eine Bibliothek<br />
zu pflegen. Ich überlege, ob ich in<br />
eins der Museen die wertvollen Bücher zum<br />
traditionellen Alpinismus stelle.<br />
Wie kommt’s?<br />
Messner: Ich habe Angebote von älteren<br />
<strong>Bergsteiger</strong>n, die ihre Bücher abgeben<br />
möchten, wenn ich sie zugänglich mache.<br />
Wertvoll in welchem Sinne?<br />
Messner: Das Zsigmondy-Buch zum Beispiel,<br />
Mummery ist großartig, die Mallory-<br />
Geschichten. Die besten Bergbücher sind<br />
doch über hundert Jahre alt…<br />
Hüsler: … das stimmt so nicht.<br />
Messner: Fakt ist, dass schon früh Wesentliches<br />
gesagt war, was später wieder<br />
vergessen wurde. Übrigens bin ich der<br />
Ansicht, dass Bergbücher in Deutschland<br />
heute besser als vor 20 oder 30 Jahren<br />
funktionieren. Weltweit gibt es keinen so<br />
guten Bergbuch- und Vortragsmarkt wie<br />
im deutschen Sprachraum – was die Zuschauerzahlen<br />
und Eintrittspreise betrifft.<br />
Woran liegt das?<br />
Messner: Nicht nur, weil ich das aufgebaut<br />
habe. In bald 50 Jahren! Zuvor war der Vortrag<br />
kaputt, man bekam 100 Euro für einen<br />
Abend. Ich habe die Preise gehoben, ich habe<br />
eine Seriosität in das Genre gebracht –<br />
und plötzlich gingen auch Leute hin, die<br />
sonst die Berge nur von unten anschauten.<br />
Spitzenbergsteiger als Motivatoren sind<br />
heute Standdard bei Top-Veranstaltungen.<br />
Hüsler: Beim Buchmarkt kann ich eine positive<br />
Entwicklung nicht erkennen. Wenn<br />
ich mir die Auflagen anschaue – ob die<br />
Bücher gut oder schlecht sind, ist eine andere<br />
Frage –, dann komme ich zu dem<br />
Schluss, dass das gedruckte Medium ein<br />
Auslaufmodell ist.<br />
Messner: Gut, einzelne Bücher erreichen<br />
nicht mehr die Auflagen wie in den 1960er-<br />
Jahren, das erste Bonatti-Buch oder das<br />
Buhl-Buch zum Beispiel. Damals gab’s aber<br />
nur drei Bücher pro Jahr, die das Thema<br />
Berg behandelten. Die 8000er-Zeit bediente<br />
nationale Emotionen, ein großer Hype. Das<br />
Hillary-Buch beispielsweise wurde ein Bestseller.<br />
Heute ist unglaublich viel auf dem<br />
Markt, 80 Prozent der Bergbücher, wenn<br />
nicht mehr, schreiben Ghostwriter. Immer<br />
die gleichen Leute. Kaum ein Autor hat den<br />
Mut, das auch zu sagen.<br />
Ihre Bücher haben Sie alle selbst geschrieben<br />
oder mit Kollegen gemeinsam?<br />
Messner: Ich habe nie Ghostwriter beschäftigt.<br />
Wenn ich ein Buch mit anderen zusammen<br />
schrieb, sind diese Kollegen<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 51
Erfolg am Grand<br />
Capucin: Destivelle<br />
im Alleingang<br />
Übersteiger: Hüsler<br />
auf der »Via ferrata<br />
Zacchi« in den Belluneser<br />
Dolomiten<br />
Fotos: xxxxxxxxxxxxxxxxxx<br />
als Autoren ausgewiesen. Viele Bücher<br />
habe ich nur als Herausgeber gemacht.<br />
Ich entwickelte die Idee, schrieb die Einleitung,<br />
einzelne Kapitel. Das jüngste Dolomitenbuch<br />
ist zum Beispiel so entstanden.<br />
Das klassische Bergbuch, also der Führer,<br />
den man auf der Tour dabei hat, ist eher<br />
schon ein Fossil.<br />
Messner: Das klassische Bergbuch ist nicht<br />
der Führer, sondern das Erlebnisbuch. Erstbesteigung<br />
des Mont Blanc, Erstbesteigung<br />
des Matterhorns – alles Erlebnisbücher.<br />
Edward Whymper beschrieb<br />
nicht seine Route, sondern sein<br />
Abenteuer bei seiner Erstbesteigung.<br />
Das soll auch so bleiben.<br />
Der größte Wert, den die Berge<br />
uns liefern, ist, dass wir dabei<br />
etwas über uns selbst erfahren.<br />
Der Führer wurde erst mit dem<br />
Tourismus wichtig, weil sich<br />
viele Leute sagten: Ich brauche<br />
eine Hilfe für die Tour. Die Führerliteratur<br />
ist zum Teil mit Erlebnissen<br />
aufgefrischt worden<br />
– das sind die erfolgreichsten<br />
Bücher. Sie erleiden Einbußen,<br />
weil alles im Netz zu finden ist.<br />
Hintergründe interessieren nicht mehr?<br />
Messner: Die jungen Leute heute haben<br />
wenig Geschichtsverständnis und noch<br />
weniger Geschichtswissen. Sie interessieren<br />
sich nur für das Aktuelle. Bestenfalls<br />
wollen sie wissen, wer der Schnellste war.<br />
Hochlaufen ist in. Ich selbst habe vor 50<br />
jahren viel von meinem alpinhistorischen<br />
Wissen aus den Führern erfahren.<br />
Herr Hüsler, hat der Führer ausgedient?<br />
Hüsler: Im klassischen Führerbuch, zum<br />
Beispiel im »Der Hochtourist«, steckt Sub-<br />
Buch-Diskurs: Michael Ruhland, Reinhold Messner, Eugen E. Hüsler<br />
stanz. Auch in den Alpenvereinsführern<br />
werden nicht nur die Routen beschrieben,<br />
sondern Hintergründe aufgezeigt. Man<br />
bekommt einen Eindruck von der Landschaft,<br />
der Gegend …<br />
Messner: … auch von der ganzen Geografie,<br />
Geologie, der Geschichte der Region.<br />
Hüsler: Ein Führer soll mich nicht nur<br />
auf den Berg führen, sondern auch in die<br />
Ecken. Er soll Zusammenhänge aufzeigen.<br />
Leider ist der Führer geschrumpft zu einer<br />
reinen Anleitung, wie man raufkommt.<br />
Und die kann ich mir genauso gut aus dem<br />
Internet holen.<br />
Messner: Richtig.<br />
Weil sich die Leute die Zeit<br />
nicht mehr nehmen zum Lesen?<br />
Messner: Nein, weil das Interesse<br />
an der Erd- und Berggeschichte<br />
fehlt.<br />
Und warum ist das so?<br />
Messner: Weil sich der Alpinismus<br />
in den letzten 30, 40<br />
Jahren aufgesplittet hat: Es<br />
gibt heute das Klettern in der<br />
Halle, das Sportklettern, die<br />
mit Alpinismus kaum etwas<br />
52 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Fotos: Manfred Kostner (2), Archiv Messner (2), Archiv Sepp Mayerl<br />
Edward Whymper<br />
beschrieb nicht seine<br />
Route, sondern sein<br />
Abenteuer bei seiner<br />
Erstbesteigung.<br />
Das soll auch so bleiben.<br />
Der größte Wert, den<br />
die Berge uns liefern,<br />
ist, dass wir etwas über<br />
uns selbst erfahren.<br />
Reinhold Messner<br />
zu tun haben, und es gibt den Tourismus.<br />
Was am Everest passiert, ist Tourismus –<br />
ein teurer »Spaß«. Dort wird alljährlich<br />
ein Klettersteig gebaut: vom Basislager bis<br />
zum Gipfel. Jede Saison neu, weil sich das<br />
Eis ja bewegt. Früher waren wir alle klassische<br />
<strong>Bergsteiger</strong>, heute sind es vielleicht<br />
noch zehn Prozent.<br />
Hüsler: Es gibt die verschiedenen Sparten,<br />
das ist richtig. Aber der Wanderer könnte<br />
sich eigentlich Zeit nehmen für gute Bergliteratur.<br />
Der Trend »schneller, höher, weiter«<br />
ist ihm eigentlich fremd. Er ist der am<br />
wenigsten Getriebene. Der Klettersteigler<br />
will dagegen meist schnell oben sein.<br />
Messner: Ja, er kommt nach Südtirol und<br />
fragt, wo der schwierigste Klettersteig ist.<br />
Er will nicht Berge kennenlernen, er sucht<br />
den Kick.<br />
Herr Messner, im BERGSTEIGER-Interview<br />
vor anderthalb Jahren (01/13) sagten Sie,<br />
Sie hätten anfangs nur Bücher geschrieben,<br />
um an Geld für Expeditionen zu kommen.<br />
War das die einzige Motivation?<br />
Messner: Das war die praktische Seite.<br />
Ich konnte mir anfangs meine Reisen nur<br />
mit Vorträgen und Büchern, also mit dem<br />
Erzählen meiner erlebten Geschichten,<br />
finanzieren. Das hätte mit Sponsoren aus<br />
dem kleinen Südtirol – die ich nicht hatte<br />
– nicht geklappt. Mein Weg war das Verkaufen<br />
der »Abfallprodukte meiner Expeditionen«,<br />
wie ich das nannte. Das wurde mir<br />
dann tausendfach um die Ohren geschlagen,<br />
weil ich erfolgreich war. Erfolgreicher<br />
als andere. Heute stört es mich nicht mehr.<br />
Heute ist das Erzählen Teil meiner Selbstäußerung,<br />
gleich wichtig wie das Klettern.<br />
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Autor sind?<br />
Messner: Was mich interessiert, ist die<br />
Menschennatur. Wie ticken wir, wenn wir<br />
in Gefahr sind. Mich interessiert nicht, ob<br />
dieses Jahr 1000 Leute auf dem Everest stehen<br />
und wie die alle heißen. Das ist langweilig.<br />
Mich interessiert, wer am Everest<br />
einen neuen Zugang oder eine wesentliche<br />
Erfahrung gemacht hat.<br />
Ihr Buch zum 70. Geburtstag ist philosophischer<br />
Natur.<br />
Messner: Es geht um Themen wie Angst,<br />
Tod, Erfolg, Scheitern – ein Buch über<br />
die Menschennatur. Über das menschliche<br />
Leben generell. Es hat siebzig Kapitel,<br />
«ÜberLeben« heißt es. Ich habe das Glück<br />
oder vielleicht auch das Pech gehabt, ein<br />
Leben zu führen, das außerhalb der zivilen<br />
Normen abgelaufen ist. Dabei habe ich Erfahrungen<br />
gemacht, die unverwechselbar<br />
sind. Ich lege sie offen. Ich bin gespannt<br />
ZUR PERSON<br />
Der Extreme<br />
Reinhold Messner wurde am 17. September<br />
1944 als zweites von neun Kindern<br />
eines Lehrers in Brixen geboren. Nach der<br />
Schule im Heimatort Villnöß und dem<br />
Abitur in Bozen studierte Messner in Padua<br />
Hoch- und Tiefbau. Das Studium brach<br />
er ab – seine Energie galt dem Klettern.<br />
Der Ehrgeiz, mit möglichst wenigen technischen<br />
Hilfsmitteln auszukommen und<br />
schwierige Routen als Erster zu klettern,<br />
machte ihn bald bekannt. Aufsehen erregte<br />
er in den1960er-Jahren mit seinen Routen<br />
durch die Ortler-Nordwand, den Eiger-Nordpfeiler<br />
und die Droites-Nordwand. Seine<br />
erste Himalaya-Expedition 1970 endete in<br />
einer Katastrophe. Zwar erreichten Messner<br />
und sein Bruder Günther den Gipfel des<br />
Nanga Parbat über die bis dahin noch nicht<br />
durchstiegene Rupalwand. Doch beim<br />
Abstieg kam der Bruder – vermutlich durch<br />
eine Lawine – ums Leben. Eine Weltsensation<br />
gelang Messner und Peter Habeler am<br />
8. Mai 1978: Sie erreichten ohne zusätzlichen<br />
Sauerstoff den Everestgipfel. 1986 hatte<br />
Messner als erster Mensch alle 14 Achttausender<br />
bestiegen. Sein Museumsprojekt<br />
MMM nennt er seinen »15. Achttausender«.<br />
Dreamteam Habeler (li.)/Messner:<br />
Sie brachten den Alpinstil in den Himalaya.<br />
Selbstfindung durch Klettern:<br />
der junge Messner (li.) mit Heini Holzer<br />
Bis an die Todesgrenze: Messner nach<br />
seinem Everest-Gipfel-Alleingang 1980<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 53
Messner setzte in jungen Jahren neue Maßstäbe im Felsklettern. Messner auf dem Gipfel des Nanga Parbat bei seinem Alleingang 1978<br />
Frühe Liebe zur Brenta: Eugen E. Hüsler 1969 auf Dolomitentour<br />
2000 am »Sentiero alpinistico Angelo Pojesi« in den Monti Lessini<br />
auf die Reaktionen. Ob es überhaupt jemand<br />
liest? Jedes Buch ist ein Risiko. Die<br />
besten Bücher sind oft wenig erfolgreich.<br />
Was ist Ihr bestes Buch?<br />
Messner: Zum Beispiel mein Gobi-Buch,<br />
das nicht viel gelesen wurde. Ebenso mein<br />
Buch über das Frauenbergsteigen, mit der<br />
Philosophie im Hintergrund.<br />
Herr Hüsler, warum schreiben Sie Bücher?<br />
Hüsler: Ich komme aus einer Familie, in der<br />
keiner etwas mit Literatur am Hut hatte.<br />
Mein Vater war ein braver Postbeamter,<br />
sein Vater auch. Im Alter von zehn Jahren<br />
schrieb ich meinen ersten Roman, eine<br />
Wildwest-Geschichte, von Hand mit eigenen<br />
Zeichnungen. Ich hatte immer das<br />
Gefühl, dass etwas selbst Geschriebenes<br />
toll ist. Später schrieb ich Science Fiction,<br />
das war Schrott. Irgendwann kam ich auf<br />
die Reiseführer-Schiene, weil ich selbst mit<br />
dem Rennrad viele Pässe fuhr. Ich träumte<br />
schon auch von einer Schriftstellerkarriere.<br />
Jetzt bin ich halt ein kleiner Schreiber …<br />
Messner: Wenn heute einer vom Schreiben<br />
leben kann, ist er tüchtig oder sehr gut.<br />
Schreiben ist eine der am schlechtesten bezahlten<br />
Arbeiten, die es heute gibt.<br />
Hüsler: Als ich anfing, war es kein Problem,<br />
über den Sommer eine Auflage zu<br />
verkaufen. Das Honorar war ordentlich.<br />
Messner: Wenn einer aus dem Basislager<br />
am Nanga Parbat von seiner Winterbesteigung<br />
täglich postet, wie er aufs Klo geht<br />
und so weiter, dann interessiert kaum jemanden<br />
mehr seine Geschichte, wenn er<br />
zurückgekommen ist. Robert Falcon Scott<br />
ist 1910 zu seiner Südpol-Expedition ausgelaufen,<br />
und Ende 1913 ist die traurige<br />
Nachricht nach England durchgedrungen:<br />
Er ist tot. Das Buch ist heute noch ein Bestseller.<br />
Ohne Exposition kein Abenteuer.<br />
Wie viel Eitelkeit steckt in den Büchern drin?<br />
Messner: Wenn jemand Eitelkeit in Büchern<br />
abreagieren muss, ist er völlig fehl<br />
am Platz.<br />
54 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Fotos: Archiv Messner (2), Archiv Hüsler (2)<br />
Hüsler: Das kommt aber schon vor!<br />
Messner: Der Hochstapler gibt es genug.<br />
Leider. Kunst ist, wenn ein Autor selbstkritisch<br />
mit sich und seinem Tun umgeht.<br />
Ansonsten ist Bergsteigen auf Dauer nicht<br />
glaubwürdig vermittelbar. Die Glaubwürdigkeit<br />
deines Menschseins ist die Basis des<br />
erfolgreichen Schreibens. Warum sonst<br />
versuchten mir meine Neider die Glaubwürdigkeit<br />
zu nehmen?<br />
Auch heute schreibt nahezu jeder Alpinist<br />
von Rang ein Werk über sein Wirken in, um<br />
und an der Todesgrenze – selbst der junge<br />
David Lama. Warum machen die das?<br />
Messner: So großartig er klettert – David<br />
Lama hätte besser gewartet, bis er sein erstes<br />
Buch selbst hätte schreiben können,<br />
selbst wenn es unbeholfen geworden wäre.<br />
Was interessiert mich der Ghostwriter<br />
von Lama?<br />
Hüsler: Heldentaten will ich nicht lesen.<br />
Spannend ist, wie der Berg einen verändert<br />
hat.<br />
Herr Messner, haben Sie mal darüber nachgedacht,<br />
einen eigenen Verlag zu gründen?<br />
Messner: Nein. Aber ich habe mehrmals<br />
darüber nachgedacht, einen Verlag zu kaufen.<br />
Die gab’s bisweilen ja für wenig Geld.<br />
Ich bin glücklich, es nicht getan zu haben.<br />
Warum?<br />
Messner: Was ich selbst auf die Beine<br />
stellte, hatte ich geschaffen. Gekauft und<br />
saniert, zuletzt verpachtet. Wenn ich den<br />
ersten Bauernhof, den ich kaufte, über 30<br />
Jahre selbst geführt hätte, wäre ich heute<br />
vielleicht ein erfolgreicher Bauer, meine<br />
Kreativität wäre auf der Strecke geblieben.<br />
Wenn ich einen Verlag geführt hätte,<br />
wäre ich heute pleite und wahrscheinlich<br />
inzwischen in Pension. Und ich hätte alle<br />
anderen Projekte nicht realisieren können.<br />
Sie wären Ende der sechziger Jahre<br />
beinahe Redakteur geworden.<br />
Messner: 1968 fuhr mich Toni Hiebeler<br />
nach München, ich sollte beim »Alpinismus«<br />
Redakteur werden. Das war damals<br />
das beste Bergmagazin weltweit. Beim Vorstellungsgespräch<br />
sagte ich, dass ich den<br />
Job nur mache, wenn ich die Hälfte des<br />
Jahres raus darf. Man lavierte etwas herum.<br />
Nach dem Gespräch sagte die Sekre-<br />
Ein Führer soll mich<br />
nicht nur auf den Berg<br />
führen, sondern auch<br />
in die Ecken. Er soll<br />
Zusammenhänge aufzeigen.<br />
Leider ist der<br />
klassische Führer<br />
geschrumpft zu einer<br />
reinen Anleitung, wie<br />
man auf den Berg kommt.<br />
Eugen E. Hüsler<br />
tärin, Frau Heilmannseder, im Vorzimmer<br />
zu mir: »Wenn Sie den Job machen, werden<br />
Sie nie wieder bergsteigen.« Das wirkte<br />
in mir nach, und ich entschied mich gegen<br />
einen Vertrag. Ich verdanke also Frau Heilmannseder,<br />
dass ich Freelance blieb.<br />
Haben Sie, Herr Hüsler, Verlagsambitionen?<br />
Hüsler: Ich überlege tatsächlich gerade,<br />
weiß aber noch nicht, wie der Verlag aussehen<br />
könnte. Das ganze Verlagswesen ist<br />
im Umbruch. Keiner weiß, wie die Zukunft<br />
aussehen wird. Ich grübele, ob es eine<br />
Form gibt, das Buch zu erhalten und trotzdem<br />
nicht auf die Möglichkeiten des Internets<br />
zu verzichten. Wie man die schönen,<br />
ZUR PERSON<br />
Der Beständige<br />
Eugen E. Hüsler, geb. am 19. September<br />
1944 in Zürich, lebt seit mehr als 30 Jahren<br />
in Dietramszell im bayerischen Oberland.<br />
Seinen persönlichen Zugang zu den Alpen<br />
erstrampelte sich der Autor auf dem Rennrad<br />
über viele Alpenpässe. So verwundert es<br />
nicht, dass seine erste Publikation ein Alpenstraßenführer<br />
war. 1969 griff er erstmals<br />
zum Drahtseil, eine Beziehung entstand,<br />
die er selbst als Sucht bezeichnete. Hüsler<br />
war nie der extreme <strong>Bergsteiger</strong>, aber ein<br />
unermüdlicher und gründlicher Erforscher<br />
der Alpen. Inzwischen hat er mehr als<br />
hundert Bücher verfasst, das Gros beschäftigt<br />
sich mit den Klettersteigen in den Alpen.<br />
Seine Erfahrung brachte ihm den inoffi ziellen<br />
Titel des Ferrata-Papstes ein.<br />
qualitativ hochwertigen Bücher in einer<br />
Nische platzieren könnte …<br />
Messner: … und übers Internet finanzieren.<br />
Ich finde das mutig.<br />
Hüsler: Ich bin ja noch etwas jünger als Sie<br />
(lacht). Immerhin zwei Tage.<br />
Messner: Stimmt (lacht ebenfalls). Wenn<br />
es funktioniert, dann über diese Kombination.<br />
Hüsler: Groß Geld verdienen wird man<br />
damit nicht. Wenn es zu Null aufgeht, bin<br />
ich ein glücklicher Mensch. Wenn ein Buch<br />
gut geschrieben ist, dann ist das wie Musik.<br />
Herr Messner, was lesen Sie sonst?<br />
Messner: Ich lese gerade ein interessantes<br />
Buch, das sich mit dem Klimawandel<br />
beschäftigt: »Die kalte Sonne«. In meinen<br />
Vorträgen erzähle ich häufig – nicht wertend<br />
– vom Gletscherschwund, aber auch<br />
von der Zunahme des Eises in der Ost-Antarktis.<br />
Ich lese pro Monat etwa ein Buch,<br />
Literatur und Sachbücher. Und ich durchforste<br />
Magazine. Wenn ich gute Stellen finde,<br />
streiche ich sie an oder archiviere sie.<br />
Und Sie, Herr Hüsler?<br />
Hüsler: Keine Krimis.<br />
Messner: Die lese ich auch nicht.<br />
Hüsler: Zeitgenössische Literatur lese ich<br />
gern. Oft steige ich aber aus, weil ich nicht<br />
weiß, was der Autor mir erzählen will.<br />
Herr Messner, gibt’s zum 70. Geburtstag<br />
eine besondere Aktion?<br />
Messner: Nach dem Geburtstag wird mein<br />
sechstes Museum am Kronplatz eröffnet,<br />
und es wird das letzte Museum sein, definitiv!<br />
Ich hätte auch nicht die Mittel für<br />
ein weiteres. Übrigens, meine Tochter hat<br />
ein Buch geschrieben über meine Philosophie<br />
als Bergbauer und Selbstversorger. Die<br />
Berghöfe sind mein langfristiges Projekt,<br />
um auch im Alter unabhängig zu sein. Das<br />
Buch kommt im September heraus. Ich bin<br />
gespannt, hab’s noch nicht gelesen.<br />
Wie, Sie haben es vorab nicht gelesen?<br />
Messner: Sollte ich den Lektor spielen? Was<br />
hat meine Tochter davon, wenn ich sage:<br />
»Das mag ich so nicht, ich hätte es gerne anders<br />
formuliert.« Ich habe anderen nie in<br />
ihre Texte hineinredigiert und ihnen keine<br />
Lebenswege vorgegeben. Mir ist selbstbestimmtes<br />
Leben heilig.<br />
◀<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 55
Museumsgründer: Reinhold Messner<br />
in Sigmundskron, dem Herzstück<br />
seines großen Museumsprojektes MMM<br />
Bohrhakens, der jede Stelle, sei sie auch<br />
noch so überhängend oder glatt, überwindbar<br />
machte. Damit ging aber der für<br />
ihn wichtigste Kern des Alpinismus verloren:<br />
die Grenze des Machbaren, die einzig<br />
der Berg, die Natur setzt. Diese Grenze mit<br />
ehrlichen Mitteln auszuloten, wenn möglich<br />
zu verschieben, sollte selbstverständlich<br />
Herausforderung sein, aber niemals<br />
mit zu viel Technik erzwungen werden.<br />
Messner forderte ein, den Berg als Wildnis<br />
zu respektieren und das Unmögliche<br />
durch die eigene Selbstbegrenzung bestehen<br />
zu lassen. Damit attackierte er den<br />
damaligen Zeitgeist heftig. Seine Kritik<br />
brachte ihm viel Ärger ein, und so mancher<br />
Kletterer, der im Stil jener Jahre Außergewöhnliches<br />
vollbrachte, ist ihm heute<br />
noch gram. Dabei wollte er wohl kaum<br />
um der schlichten Rebellion willen auf begehren.<br />
Vielmehr versuchte er, einen Wert<br />
zu verteidigen, der sich zunehmend zur<br />
Mitte seines Lebens zu entwickeln schien:<br />
Wahrhaftigkeit. Daran hing sein Herz.<br />
Aus dem Leben<br />
eines Rebellen<br />
Reinhold Messner denkt quer. Bis heute. In seiner Jugend begehrte<br />
er gegen die Regeln auf und prägte einen neuen, puristischen<br />
Kletterstil. Er verschob die Grenzen des Machbaren und machte sich<br />
auf den inneren Weg der Grenzerfahrung. Von Uli Auffermann<br />
MÜNCHEN 1968. Es geht um Mord. Um<br />
Mord am Unmöglichen! So jedenfalls ist<br />
der Artikel in einer alpinen Fachzeitschrift<br />
aufgemacht. Das Thema ist Klettern, aber<br />
noch ganz viel mehr. Es handelt von der<br />
Bewahrung des Unbekannten und der<br />
Akzeptanz des Unmöglichen. Die Zeilen<br />
sind mutig und tiefsinnig zugleich, ja<br />
Rebellion. Der Artikel sollte zu einem<br />
der bedeutendsten in der Geschichte des<br />
Alpinjournalismus werden. Verfasst von<br />
einem jungen Mann, der auszog, die Berge<br />
zu entdecken und sich selbst zu begreifen:<br />
Reinhold Messner.<br />
Die Grenze des Machbaren<br />
Das Textstück enthielt Sprengstoff. Denn<br />
Messner hatte es gewagt, seine eigene Klettergeneration<br />
in Frage zu stellen. Trend<br />
war in jenen Jahren, unter vermehrtem<br />
Einsatz künstlicher Hilfsmittel möglichst<br />
direkte Linien durch die Wände der Alpen<br />
anzugehen. Der Begriff der Direttissima,<br />
Routen wie mit dem Lineal gezogen, war<br />
das Neuland, in das sich so manche Kletterer<br />
zu versteigen drohten. Das brachte den<br />
Südtiroler auf, nicht weil er grundsätzlich<br />
etwas gegen die Direttissima hatte. Die<br />
wirkliche Gefahr sah er im Einsatz des<br />
Aufbegehren gegen die Konventionen<br />
Dass Auflehnung beim Überleben hilft,<br />
hatte Messner schon in jungen Jahren gelernt.<br />
Gegen den eigenen Vater, gegen dessen<br />
Härte, der ihn einerseits zum Klettern<br />
ermutigte. Andererseits litt Messner unter<br />
der Enge des Elternhauses und des Dorfes;<br />
sein Aufbegehren gegen die Konventionen<br />
wollte der Vater niederdrücken – auch im<br />
körperlichen Sinne. Reinhold Messner hielt<br />
dagegen, er wollte nicht in Erstarrung untergehen,<br />
er wollte über die Grenzen hinausschauen.<br />
Es war er Beginn einer starken<br />
Ich-Entwicklung hin zu völlig autonomem<br />
Verhalten. Vor allem im Alpinismus, für<br />
dessen Essenz er brannte und in dem er sich<br />
entdecken, sich finden wollte.<br />
Messner wollte daher seine Überzeugungen<br />
durchsetzen: die Entwürdigung der Natur<br />
verhindern, genauso aber die willkürliche<br />
Begrenzung dessen, was Kletterer aus eigenen<br />
Kräften leisten könnten, beschränkt<br />
durch die abgeriegelte Schwierigkeitsskala<br />
im damals ultimativen VI. Grad. Beides<br />
sprengte er durch Worte und Taten. Seine<br />
Artikel, seine Bücher, in denen er vehement<br />
die Öffnung der Bewertung für Felstouren<br />
nach oben forderte, sind prägende Zeitzeugnisse.<br />
Und seine Erstbegehungen und<br />
Alleingänge noch viel mehr. Mit seiner ers-<br />
Foto: Manfred Kostner<br />
56 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
»›Wer ein Warum hat,<br />
dem ist kein Wie<br />
zu schwer‹, dieser<br />
Spruch Nietzsches<br />
trifft für Reinhold<br />
Messner in ganz besonderem<br />
Maße zu.«<br />
Günther Härter<br />
ten Alleinbegehung der Droites-Nordwand<br />
(als 4. Begehung) und dem ersten Solo der<br />
»Philipp Flamm« (Civetta-Nordwestwand)<br />
oder der Erstbegehung des Heiligkreuzkofel-Mittelpfeilers,<br />
bei der er im Bereich des<br />
VIII. Grads kletterte, verschob er damals<br />
nicht nur die Grenzen der Kletterkunst,<br />
sondern war seiner Zeit um Jahre voraus.<br />
Sein Stil beeindruckte und war in jeder Hinsicht<br />
quergedacht. Reduktion, ja bisweilen<br />
völliger Verzicht auf technische Hilfsmittel<br />
bedeutete Gewinn an Selbsterfahrung, aber<br />
auch an Sicherheit – genauso wie Schnelligkeit<br />
und die Fähigkeit zur Umkehr. Mit<br />
dieser Haltung eilte er zusammen mit Peter<br />
Habeler in Fabelzeit durch die Eiger-Nordwand<br />
und übertrug dann das Grundprinzip<br />
auf die Achttausender. Den Hidden Peak<br />
über eine neue Route durch die Nordwestwand<br />
im Alpinstil in Zweierseilschaft erstzubegehen,<br />
war nicht nur konsequent »by<br />
fair means«, sondern war eine Pioniertat, eine<br />
Zäsur und somit der Beginn einer neuen<br />
Epoche des Bergsteigens. »Wir konnten uns<br />
voll auf den Berg konzentrieren, wir waren<br />
eine absolut eingeschworene Gemeinschaft«,<br />
erinnert sich Habeler. Nachdem<br />
INFO<br />
Aus Messners Tourenbuch<br />
Meilensteine des Alpinismus<br />
▶ 1. Begehung Ortler Dir. Nordwand, 1965<br />
▶ 1. Winterbeg. Monte Agnèr-Nordkante, 1967<br />
▶ 1. Beg. Droites Ostnordost-Pfeiler<br />
▶ 1. Beg. Eiger-Nordpfeiler, 1968<br />
▶ 1. Beg. Heiligkreuzkofel-Mittelpfeiler, 1968<br />
▶ 1. Winterbeg. Monte Agnèr-Nordwand, 1968<br />
▶ 1. Alleinbeg. Droites-Nordwand, 1969<br />
▶ 1. Begehung Droites-Nordost-Pfeiler, 1969<br />
▶ 1. Beg. Yerupaja Grande Nordostwand, 1969<br />
▶ 1. Alleinbeg. Civetta Punta Tissi<br />
Nordwestwand »Philipp-Flamm«, 1969<br />
▶ 1. Beg. Langkofel-Nordwand<br />
»Messner/Mayerl«, 1969<br />
den beiden die Everestbesteigung ohne<br />
künstlichen Sauerstoff gelungen war, setzte<br />
Messner mit seinem Everest-Alleingang<br />
zugleich auch einen Schlussakkord auf der<br />
Partitur des großen Abenteueralpinismus.<br />
Autonomie bis zur Autarkie<br />
Dennoch, Messners Weg war über all die<br />
Jahre auch ein Weg nach innen. Dort liegt<br />
sein eigentlich höchster Berg, seine größte<br />
Herausforderung. Die Standplätze dieser<br />
Route sind klar sichtbar: viel Wissen aneignen,<br />
um sich einbringen zu können, aber<br />
nicht vereinnahmt zu werden, Autonomie<br />
bis zur Autarkie gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins,<br />
Projekte und Herausforderungen,<br />
bei denen er sich kreativ ausdrücken<br />
kann. Ob als streitbarer EU-Politiker,<br />
als Planer und Förderer seiner drei Bio-Bauernhöfe<br />
oder unermüdlicher Antreiber seines<br />
Museumsprojekts. Dabei sieht und hört<br />
man vor allem gegen den Strich gebürstete<br />
Botschaften: dass Eigenverantwortung und<br />
Verzicht das Überleben sichern und dass<br />
Autonomie glücklicher macht als der vermeintliche<br />
Schutz im Kollektiv.<br />
Hinter allem Rebellischen erkennt der aufmerksame<br />
Beobachter eine authentische,<br />
ernsthafte und sensible Persönlichkeit.<br />
Messner ist alles andere als der rastlose<br />
Abenteurer. Er ist vielmehr an Zusammenhängen<br />
interessiert, an Hintergründen, am<br />
Übergeordneten. Sein Lebenskonzept und<br />
seine Philosophie gehen weit über das Alpinistische<br />
hinaus und regen zum Nachdenken<br />
an über das eigene Menschsein und<br />
seinen Platz in der Gesellschaft.<br />
◀<br />
▶ 1. Beg. Heiligkreuzkofel »Große Mauer«,<br />
1969<br />
▶ 1. Beg. Aconcagua-Südwand, n. Route, 1974<br />
▶ 1. Beg. Hidden Peak (Gasherbrum I) Nordwestwand<br />
(2. Best.), mit P. Habeler, 1975<br />
▶ Mount Everest, 1. Besteigung ohne künstlichen<br />
Sauerstoff, 1978<br />
▶ 1. Beg. Kilimandscharo Breach-Wall, 1978<br />
▶ 1. Achttausender Hattrick: Kangchendzönga,<br />
Gasherbrum II, Broad Peak, 1982<br />
▶ 1. Achttausender Doppelüberschreitung:<br />
Hiddenpeak bzw. Gasherbrum I und II, 1984<br />
▶ 1. Beg. Annapurna-Nordwestwand, 1985<br />
Reinhold Messner<br />
in Zahlen<br />
99 Wenn man bedenkt, dass<br />
die Todesquote bei den Achttausender-<br />
<strong>Bergsteiger</strong>n 3,4 % beträgt, hätte<br />
Reinhold Messner bei seinen zahlreichen<br />
Expeditionen zu den 14 höchsten<br />
Bergen der Welt mit 99-prozentiger<br />
Wahrscheinlichkeit umkommen müssen.<br />
80 Es gibt von Messner bisher<br />
mehr als 80 Buchpublikationen,<br />
bei etlichen ist er der Herausgeber.<br />
60 000 Der Erwerb von<br />
Schloss Juval kostete 60 000 DM<br />
5<br />
Fünf Jahre war Messner mit<br />
Uschi Demeter verheiratet.<br />
20 Messner gelangen etwa<br />
20 Alleinbegehungen im V. und VI.<br />
Schwierigkeitsgrad.<br />
6<br />
Er führte sechs große<br />
Wintererstbegehungen durch.<br />
2 200 So viele Kilometer<br />
legten Reinhold und sein Bruder Hubert<br />
Messner 1993 bei ihrer Diagonaldurchquerung<br />
Grönlands zurück (auf Ski,<br />
teilweise mit Segel-Unterstützung).<br />
34 Gut zehn Stunden brauchten<br />
Reinhold Messner und Peter Habeler<br />
1974 für die Durchsteigung der Eiger-<br />
Nordwand; ein Rekord, der 34 Jahre<br />
nicht unterboten wurde; erst 2008 waren<br />
Roger Schaeli und Simon Anthamatten<br />
schneller (6.45 Stunden).<br />
3<br />
Messner gelang als erstem<br />
Alpinisten ein Achttausender-<br />
Hattrick; 1982 stand er auf den Gipfeln<br />
von Kangchendzönga, Gasherbrum II<br />
und Broad Peak.<br />
4<br />
Vater von vier Kindern; die drei<br />
Töchter und der Sohn wurden<br />
zwischen 1981 und 2001 geboren.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 57
TIPP<br />
12 Tourenkarten zum Mitnehmen<br />
Die besten Touren aus <strong>Bergsteiger</strong> 09/14<br />
Dolomiten, Chiemgauer, Lechtaler,<br />
Kitzbüheler, Zillertaler Alpen, Vercors<br />
Abtrennen<br />
Falten<br />
Einstecken<br />
11 Peischelspitze,<br />
7 Tegelberg,<br />
8 Bayr. Schinder,<br />
2 Heuberg,<br />
3 Feichteck/Karkopf, 12 Über das Lattengebirge,<br />
anspruchsvolles<br />
Gelände, teils pfadlos<br />
unschwieriger Steig mit<br />
gesicherten Passagen<br />
nur am Gipfel steil<br />
und ausgesetzt<br />
leichte Wanderung mit<br />
Klettersteig-Option<br />
ruhige Alternativtour<br />
zur Hochries<br />
teils knifflige<br />
Kammwanderung<br />
1 Tour du Mont<br />
5 Marmolada-Westgrat,<br />
6 Bindelweg,<br />
4 Ferrata delle<br />
10 Hoher Weißzint,<br />
Aiguille, lange<br />
unschwierige Rundtour leichter Steig,<br />
aber Gletscherweg<br />
aussichtsreiche<br />
Höhenwanderung<br />
Trincee, anspruchsvoll<br />
und ausgesetzt<br />
Hochtour mit kurzer<br />
Gletschertraverse<br />
9 Gr. Galtenberg,<br />
leichte, aber lange<br />
Bergtour<br />
GPS-Daten als Download unter www.bergsteiger.de, falls vorhanden<br />
Tourenart<br />
Schwierigkeit<br />
Wandern Klettern Klettersteig Hochtour Skitour<br />
Blau: leicht Rot: mittel Schwarz: schwierig
TIPP<br />
Vercors Tour du Mont Aiguille<br />
1<br />
Umrundung einer ganz besonderen Berggestalt<br />
Der Gipfel des Mont Aiguille, ein ausgewitterter Bergklotz von immensen Ausmaßen, bleibt<br />
Kletterern vorbehalten. Wanderer können aber diesen markanten Bergstock auf einer langen,<br />
tagesfüllenden Wanderung umrunden.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014 – Seite 72<br />
1140 Hm | 5½ Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
Talort: Chichilianne (919 m)<br />
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz westlich von<br />
Richardière (1059 m)<br />
Koordinaten/Ausgangspunkt:<br />
Breite N 44.822917° Länge E 005.582715°<br />
Entfernung: 17,13 km<br />
Gehzeiten: Aufstieg 1½ Std.; Abstieg 4 Std.<br />
Beste Jahreszeit: günstig von Mai bis zum späten<br />
Herbst<br />
Karte: IGN 1:25 000, Blatt 3236 »Villarde-Lans«<br />
Informationen: Le Village, F-38930 Chichilianne,<br />
Tel. 00 33 (0)4 76 34 40 13, www.chichilianne.fr<br />
www.france-voyage.com/frankreich-gemeinden/chichilianne-<br />
13112.htm<br />
Einkehr: Hotel-Restaurant in Richardière<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Lange unschwierige Rundwanderung;<br />
Trittsicherheit ist erforderlich, Schwindelfreiheit von<br />
Vorteil. Für Kinder nicht geeignet.<br />
TIPP<br />
Chiemgauer Alpen Rundtour auf den Heuberg (1338 m)<br />
2<br />
Großartige Aussichten von einem sagenumwobenen Berg<br />
Fährt man auf der Salzburger Autobahn in Richtung Osten, ist kurz<br />
nach dem Irschenberg der markant über dem Inntal aufragende<br />
Heuberg nicht zu übersehen. Dieser bietet eine abwechslungsreiche<br />
Rundtour mit optionaler Klettersteigeinlage.<br />
560 Hm | 3¼ Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014 – Seite 32<br />
Talort: Grainbach (680 m)<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz bei Schweibern (780 m)<br />
wGehzeiten: Parkplatz – Mailach 1 Std. – Heuberg<br />
45 Min. – Daffnerwaldalm – 30 Min. – Parkplatz 1 Std.<br />
Beste Jahreszeit: Frühsommer und Herbst<br />
Karte/Führer: AV-Karte 1:25 000, BY17 »Chiemgauer<br />
Alpen West«; M. Pröttel »Alpen für Anfänger – Chiemgau &<br />
Berchtesgaden«, J. Berg Verlag<br />
Fremdenverkehrsamt: Gästeinformation Samerberg,<br />
Tel. 0 80 32/86 06, www.samerberg.de<br />
Einkehr: Deindlam (www.deindlalm.de) und Laglerhütte auf der<br />
Daffnerwaldalm, täglich geöffnet von Mitte Mai bis Ende Oktober.<br />
Charakter/Schwierigkeit: Sehr abwechslungsreiche Rundwanderung<br />
mit tollen Ausblicken auf das Inntal. Ein Stück lang<br />
steilerer Anstieg. Kurzzeitig ist Trittsicherheit gefragt.<br />
Klettersteig-Tipp: Wer trittsicher und schwindelfrei ist,<br />
kann als Zusatzgipfel die Wasserwand besteigen. Den Einstieg<br />
erreicht man schnell von dem Bergsattel zwischen Heuberg<br />
und Wasserwand aus. Wer die Schlüsselstelle gemeistert hat,<br />
wird ohne Probleme den 1367 Meter hohen Gipfel erreichen.<br />
Achtung: Im oberen Abschnitt keine losen Steine abtreten.<br />
TIPP<br />
Chiemgauer Alpen Auf Feichteck (1514 m) und Karkopf (1496 m)<br />
3<br />
Abwechslungsreiche Gipfelrunde abseits des Hochries-Trubels<br />
Aufgrund der nahegelegenen Seilbahn herrscht am Hochries-Gipfelhaus vor allem an Wochenenden<br />
immer ein ziemlicher Rummel. An solchen Tagen ist die Rundtour zu Feichteck und Karkopf eine<br />
gute Alternative.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014 – Seite 32<br />
850 Hm | 4¼ Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
Talort: Grainbach (680 m)<br />
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz Spatenau (780 m)<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: keine<br />
Gehzeiten: Wanderparkplatz – Doaglalm ¾ Std., Doaglalm<br />
– Feichteck 1¾ Std., Feichteck – Karkopf ½ Std., Karkopf<br />
– Wanderparkplatz 1¼ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Frühsommer und Herbst<br />
Karte/Führer: AV-Karte 1:25 000, BY17 »Chiemgauer<br />
Alpen West«; M. Pröttel »Alpen für Anfänger – Chiemgau &<br />
Berchtesgaden«, J. Berg Verlag<br />
Fremdenverkehrsamt: Gästeinformation Samerberg,<br />
Tel. 0 80 32/86 06, www.samerberg.de<br />
Einkehr: Doaglalm, von April bis Oktober täglich außer Montag,<br />
www.doaglalm.de<br />
Charakter/Schwierigkeit: Zunächst waldreiche, am Kamm<br />
dann sehr aussichtsreiche Rundtour. Für die Überschreitung des<br />
Karkopfes sind Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich.<br />
Tipp: Unter der Woche – wenn nicht so viel los ist – lohnt es sich<br />
durchaus die Tour mit der Besteigung der Hochries zu verlängern.<br />
Man folgt hierfür vom Karkopf aus weiter dem Kamm nach<br />
Nordosten (zusätzlicher Zeitbedarf hin und zurück ca. ¾ Std.;<br />
zusätzlich 100 Hm).
TIPP<br />
Tour du Mont Aiguille<br />
TIPP<br />
Route: In der Parkplatzauffahrt rechts und auf steiler<br />
Spur durch den Wald hinauf. An seiner Scheitelstrecke die<br />
Fahrspur auf Pfad verlassen und 20 m weiter nochmals<br />
nach links auf noch schmäleren Pfad abzweigen, zu Straße<br />
hinauf und dieser nach Nordwesten folgen. Am Rand einer<br />
Bergwiese rechts halten und zu Parkplatz, bevor sich die<br />
Straße im Wald steil aufschwingt. Bei den Wegtafeln Les<br />
Serres rechts ab, lange auf ansteigenden Waldpfad hinauf<br />
und nach rechts in steilen Hangeinschnitt. Ansteigend<br />
weiter, dann nach links über Erosionshang und in den Col<br />
del Aupet. Von ihm nach rechts weiter hinauf zur höchsten<br />
Stelle der Rundtour, kurz unter dem Einstieg in die Westwand,<br />
dem Normalweg zum Gipfel.<br />
Erst über Kalkschotter, dann im Wald zu Aussichtspunkt,<br />
dort scharf links ab und auf Rippe zwischen zwei Bachgräben<br />
steil hinab. In den linken Graben hinein, zwei Mal über<br />
den Bach und dann auf sehr steile, breite Wegrampe. Auf<br />
ihr bis zu Verzweigung hinab und dann auf Sträßchen lange<br />
talaus, bis zu Parkplatz hinter einem Abenteuerpark (Hochseilgarten).<br />
Vom Parkplatz links herum zur Asphaltstraße<br />
D8A. Dort rechts und an weiterem Parkplatz vorbei, einer<br />
Chiemgauer Alpen Rundtour auf den Heuberg (1338 m)<br />
Aufstieg: Vom Parkplatz folgt man einer Forststraße<br />
nach Südwesten. Hierbei kann man einige Kehren auf Pfaden<br />
abkürzen. Nach einem kurzen asphaltierten Wegstück<br />
überquert man eine Fahrstraße und folgt dem Schild<br />
»Heuberg/Mailach« halbrechts. Kurze Zeit später erreicht<br />
man die Mailach-Alm.<br />
Nach einem fl acheren Stück auf einem Wiesenpfad geht<br />
es im Wald wieder steiler bergan. Schließlich erreicht man<br />
einen Bergsattel und folgt links dem Schild »Heuberg«.<br />
Der Bergpfad folgt leicht ansteigend einem zunächst<br />
bewaldeten Bergrücken nach Süden. Nachdem es kurz<br />
steiler wird, überklettert man (unschwierig) einen kleinen<br />
Felsriegel und hat von jetzt an tolle Tiefblicke aufs Inntal.<br />
Zuletzt geht es in freiem Gelände zum Gipfelkreuz hinauf.<br />
Abstieg: Nach der Brotzeit führt die Runde nach Norden<br />
in den zwischen Heuberg und Wasserwand liegenden<br />
Bergsattel hinab (siehe Klettersteig-Tipp). Von dort geht es<br />
nach Osten auf einem Erdweg und schließlich über freie<br />
Almwiesen zur Daffnerwaldalm hinab. Hier folgt man nicht<br />
dem Fahrweg nach links, sondern steigt nach Osten auf<br />
deutlichem Weg über eine Almwiese hinab zum Waldrand.<br />
Forststraße folgen und bei Caraby rechts ab. Hinein in die Wiesen<br />
von Grands Clots. Dort kurz auf Forststraße weiter, aber gleich nach<br />
rechts auf beschilderten Wanderweg und steil wieder in den Wald<br />
hinein. Bei der Verzweigung die mittlere Wegspur wählen und zum<br />
Col des Pellas hinauf. Auf Forststraße zur Köhlerhütte weiter und<br />
bei der Verzweigung nach rechts, um über Waldrücken auf breitem<br />
Wurzelweg anzusteigen. Auf der Scheitelstrecke schnürt sich der<br />
Weg zusammen und fällt in Kehren durch den Wald ab. Am Col<br />
de Papavet auf breite Straße. Diese aber sogleich nach rechts<br />
verlassen, um dem Wanderweg hinab zu folgen, der mehrmals den<br />
Fahrweg quert. In Seiterat auf der Straße und aus dem Ort hinaus<br />
auf Asphaltstraße weiter, bis bei der Abzweigung Les Ruines die<br />
Route rechts abzweigt und auf Fahrweg gut 100 Hm gegen W und<br />
nach einem Rechtsbogen gegen S ansteigt. Immer den Markierungen<br />
folgen, über einen Waldrücken, an Aussichtspunkt vorbei und<br />
am Rande von Schiefergesteinsfl ächen bergab. Bei der Wegverzweigung<br />
Aux Fontaines scharf rechts ab, am Waldrand geradeaus,<br />
durch Linksbogen und abwärts, bis der Weg in den Talgrund nach<br />
Donniere führt. Dort rechts haltend auf der mittleren Asphaltstraße<br />
durch Richardière und auf Sträßchen zum Ausgangspunkt zurück.<br />
Siegfried Garnweidner<br />
Über einen Zaunübertritt geht es in den Wald und auf schmalem<br />
Pfad weiter, bis man auf einen Querweg trifft. Diesem folgt man<br />
nach links und geht nun geradeaus bergab. Man kommt an einer<br />
kleinen Alm vorbei, hinter der es leicht bergan auf eine Kreuzung<br />
zu geht. Indem man geradeaus geht, gelangt man auf eine größere<br />
Almfl äche. Das letzte Stück führt direkt an einem Bergbach<br />
entlang, bevor man schließlich eine Autostraße erreicht.<br />
Hier geht es nach links zur Einkehrmöglichkeit Duftbräu, von wo<br />
aus man zuletzt der Straße (ca. 800 m) zurück zum Wanderparkplatz<br />
folgt.<br />
Michael Pröttel<br />
Steilere Passage bei der Heuberg-Runde<br />
Gewaltig wie der Bug eines Ozeandampfers<br />
Foto: Michael Pröttel Foto: Siegfried Garnweidner<br />
TIPP<br />
Chiemgauer Alpen Auf Feichteck (1514 m) und Karkopf (1496 m)<br />
Aufstieg: Vom Parkplatz folgt man dem Schild »Feichteck<br />
2½ Std.« und steigt auf einem steinigen Fußweg durch<br />
den Bergwald bergan. Nachdem einmal eine Fahrstraße<br />
gequert wird, stößt der Anstieg schließlich auf diese (nun<br />
betonierte) Straße und folgt ihr nach rechts, bis man wiederum<br />
rechts zur »Doaglalm« abzweigen kann. Kurz bevor<br />
man diese erreicht, hält man sich an Gabelung rechts und<br />
folgt wieder einem asphaltierten Weg. Im Wald geht es<br />
nach einer Schranke auf einem Schotterweg steiler bergan.<br />
Nach einer Kehre sieht man links oberhalb ein altes<br />
Schild »Abkürzung Feichteck« und folgt diesem nach links.<br />
Der Pfad erreicht einen alten Fahrweg und folgt diesem<br />
nach rechts bergan (nicht nach links Richtung »Ewaldweg«!).<br />
Der mit zwei Asphaltstreifen befestigte alte Forstweg führt<br />
zunächst in Serpentinen dann in ansteigender Querung<br />
zum Wiesensattel zwischen Karkopf und Feichteck hinauf.<br />
Hier hält man sich rechts (Schild Feichteck), folgt an einer<br />
Gabelung einer Fahrstraße nach rechts und verlässt diese<br />
kurz danach halbrechts (unbeschildert), um auf einem<br />
schönen Fußweg den Gipfelanstieg in Angriff zu nehmen.<br />
Abstieg: Nach der Gipfelbrotzeit steigt man wieder zum Sattel<br />
östlich des Feichtecks hinab und folgt nun dem breiten Kammweg<br />
nach Norden. Bald hält man sich an einer Abzweigung<br />
(Schild »Karkopf«) rechts und folgt somit einem Pfad, der zum Beginn<br />
des Karkopf-Südkamms führt. Über diesen teils steileren<br />
und felsigen Kamm geht es nun steiler bergan, wobei man immer<br />
wieder die Hände zu Hilfe nehmen muss, um schließlich den breiten,<br />
fl achen Gipfel zu erreichen.<br />
Danach hält man sich leicht nach links und steigt deutlich leichter<br />
in gleicher Richtung zum nächsten Sattel bergab. Hier folgt<br />
man einem Wegweiser nach links und hält sich kurz darauf wieder<br />
rechts, um in einer Querung zur aussichtsreich gelegenen<br />
Seitenalm zu gelangen. Vor der Alm hält man sich links (altes<br />
Schild »Grainbach«) und steigt in Serpentinen zur breiten Wiesenmulde<br />
der Wimmeralm hinab. Hier hält man sich links, unterquert<br />
über ein Drehkreuz einen Weidezaun (unbeschildert) und<br />
steigt nun fl acher am Waldrand entlang bergab. Der Weg wird<br />
breiter und stößt schließlich auf eine Almstraße, die nun fl ach zu<br />
eingangs beschriebener Abzweigung zur Doaglalm führt.Von hier<br />
geht es auf bekanntem Weg zum Ausgangspunkt zurück.<br />
Michael Pröttel<br />
Steinmanndl am Feichteck<br />
Foto: Michael Pröttel
TIPP<br />
Dolomiten Via ferrata delle Trincee (Bech da Mesdì, 2727 m)<br />
4<br />
Kriegsspuren<br />
Der Name verweist auf den Gebirgskrieg 1915–17 (trincee = Schützengräben). Die Kammüberschreitung<br />
zwischen Sellamassiv und Marmolada ist aber auch ein Ausflug in die Erdgeschichte.<br />
Denn man bewegt sich nicht auf Kalkfels oder Dolomit, der Untergrund ist vulkanisches Gestein.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014 – Seite 82<br />
670 Hm | 4 Std.<br />
K4–5; komplette Klettersteigausrüstung,<br />
Helm<br />
Talort: Canazei (1440 m) bzw. Arabba (1601 m)<br />
Ausgangspunkt: Zum Fedaiasee (2053 m) von Canazei<br />
auf guter Straße; Parkplatz an der Staumauer. Die<br />
Porta Vescovo (2478 m) ist Bergstation einer von Arabba<br />
ausgehenden Seilbahn (Betriebszeit Anfang Juli bis Mitte<br />
September).<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Gute Busverbindungen<br />
übers Pordoijoch<br />
Gehzeiten: Fedaiasee – Einstieg 1½ Std., Klettersteig<br />
1½ Std., Abstieg zum Fedaiasee 1 Std. Wählt man die Porta<br />
Vescovo als Ausgangspunkt, ergibt sich eine Gesamtgehzeit von<br />
2½ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Mitte Oktober<br />
Karte/Führer: Tabacco 1:25 000, Blatt 07 »Alta Badia – Arabba –<br />
Marmolada«. Eugen E. Hüsler/Manfred Kostner »Top-Klettersteige<br />
Dolomiten«, Bruckmann Verlag, München<br />
Information: Tourismusbüro Canazei, Piaz G. Marconi 5,<br />
I-38032 Canazei, Tel. 00 39/04 62/60 96 00, www.fassa.com<br />
Hütte: Rifugio Luigi Gorza (2478 m) an der Porta Vescovo,<br />
bew. während der Betriebszeiten der Bahn (keine Übernachtung)<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Anspruchsvoller Klettersteig<br />
mit der Schlüsselstelle gleich zu Beginn, in der Folge etwas<br />
weniger schwierig, aber mit sehr ausgesetzten Passagen. Gewöhnungsbedürftig<br />
das Vulkangestein. Grandios die Ausblicke vom<br />
Grat, vor allem natürlich auf die stark vergletscherte Marmolada.<br />
TIPP<br />
Dolomiten Klettersteig Marmolada-Westgrat (3343 m)<br />
5<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014– Seite 82<br />
Der älteste Klettersteig der Dolomiten<br />
Mit Baujahr 1903 ist der Hans-Seyffert-Steig auch einer der landschaftlich eindrucksvollsten,<br />
ein teilweise ziemlich luftiger Gang gewürzt mit faszinierenden Landschaftsbildern, die sich am<br />
Gipfel zu einem Panorama verbinden, das vom Ortler bis zum Großglockner und zum Triglav reicht.<br />
1030 Hm | 6¼ Std.<br />
K2–3; komplette Klettersteigausrüstung,<br />
Helm, evtl. Steigeisen<br />
Talort: Canazei (1440 m)<br />
Ausgangspunkt: Liftstation am Pian dei Fiacconi<br />
(2626 m); Talstation am unteren Ende des Fedaia-Stausees.<br />
Anfahrt von Canazei auf guter Straße; Parkplatz<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Busverbindung von<br />
Canazei zum Fedaiasee. Der Korblift zum Pian dei Fiacconi<br />
ist von Mitte Juni bis Ende September von 8.30–17 Uhr<br />
in Betrieb.<br />
Gehzeiten: Zustieg 1¾ Std., Westgrat-Klettersteig 2 Std.,<br />
Abstieg auf dem gleichen Weg 2½ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Juli bis September<br />
Karte/Führer: Tabacco 1:25 000, Blatt 07 »Alta Badia –<br />
Arabba – Marmolada«. Eugen E. Hüsler/Manfred Kostner<br />
»Top-Klettersteige Dolomiten«, Bruckmann Verlag, München<br />
Information: Tourismusbüro Canazei, Piaz G. Marconi 5,<br />
I-38032 Canazei, Tel. 00 39/04 62/60 96 00, www.fassa.com<br />
Hütte: Capanna Punta Penia (3343 m), bew. Ende Juni bis Ende<br />
September; Tel. 04 62/76 42 07<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Hochalpine Unternehmung,<br />
auch ohne Abstieg über den Gletscher, deshalb nur bei ganz<br />
sicherem Wetter ratsam, keinesfalls bei Gewittergefahr! Klettersteig<br />
technisch wenig anspruchsvoll, aber stark von den äußeren<br />
Bedingungen abhängig (Schnee, Eis). Gletscherbegehung nur mit<br />
entsprechender Ausrüstung und Erfahrung!<br />
TIPP<br />
Dolomiten Bindelweg (Rifugio Vièl dal Pan, 2432 m)<br />
6<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014 – Seite 82<br />
Höhenspaziergang vor der Marmolada<br />
Benannt ist der Weg nach dem Pädagogen Dr. Karl Bindel, der sich als Mitglied der Alpenvereinssektion<br />
Bamberg im 19. Jahrhundert sehr um die alpintouristische Erschließung der Sellagruppe<br />
verdient machte.<br />
↑ 250/↓ 430 Hm |<br />
2½ Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
Talort: Corvara (1440 m)<br />
Ausgangspunkt: Passo Pordoi (2239 m), Straßenübergang<br />
vom Fassatal ins Livinallongo<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Buslinien von Canazei<br />
zum Pordoijoch und zum Fedaiasee<br />
Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis zum ersten Schnee im<br />
Herbst<br />
Karte/Führer: Tabacco 1:25 000, Blatt 07 »Alta Badia<br />
– Arabba – Marmolada«. Eugen E. Hüsler »Wanderklassiker<br />
Dolomiten«, Bruckmann Verlag, München<br />
Information: Tourismusbüro Canazei, Piaz G. Marconi 5,<br />
I-38032 Canazei, Tel. 00 39/0462/60 96 00, www.fassa.com<br />
Hütten: Rifugio Fredarola (2388 m), bew. Mitte Juni bis Ende<br />
September, Tel. 00 39/04 62/60 22 72<br />
Rifugio Vièl dal Pan (2432 m), bew. 20. Juni bis Ende September,<br />
Tel. 00 39/04 62/60 13 23<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Ebenso aussichtsreiche wie<br />
beliebte Höhenwanderung ohne größere Anstiege. Einkehrmöglichkeiten<br />
unterwegs und am Fedaiasee. Absolutes Highlight:<br />
der Blick auf die Marmolada mit ihrem Gletscher, dem mit<br />
Abstand größten in den Dolomiten.
TIPP<br />
Dolomiten Via ferrata delle Trincee (Bech da Mesdì, 2727 m)<br />
TIPP<br />
Zustieg: Von der Staumauer des Fedaiasees (2053 m)<br />
führt ein ordentlicher Weg hinauf zur Porta Vescovo (2478<br />
m) mit der Bergstation der von Arabba (1601 m) ausgehenden<br />
Großkabinen-Seilbahn. Hier hält man sich rechts<br />
und folgt dem Höhenweg zum Rifugio Padon, bis eine<br />
Schrift am Fels links hinauf zur Ferrata weist. Im Zickzack<br />
über einen steinigen Hang zum Klettersteig (2570 m).<br />
Via ferrata delle Trincee: Der Einstieg setzt gleich den<br />
Tarif – 30 Meter am Drahtseil, zuerst nahezu senkrecht<br />
und weitgehend trittlos (ein Stift). Hier muss man kräftig<br />
zupacken; wer die richtige Technik beherrscht (Reibung!),<br />
tut sich leichter. Die Drahtseile münden auf ein grasiges<br />
Band, dem man nach links folgt. Zwei Eisentritte entschärfen<br />
den nächsten, kurzen Steilaufschwung, dann laufen<br />
die Drahtseile – erst nach links, dann rechts ansteigend<br />
– über eine riesige glatte Platte. In Kammnähe folgt nach<br />
kurzem Zwischenabstieg eine glatte Verschneidung, ehe<br />
man über leichtere Felsen den schroffen Grat gewinnt. Ihm<br />
folgt die Route in anregendem Auf und Ab über Scharten,<br />
kleine Aufschwünge und schmale Bänder; Highlight ist die<br />
kurze, zwischen zwei Felszacken verankerte Hängebrücke.<br />
Passage an der Via ferrata delle Trincee<br />
Dolomiten Klettersteig Marmolada-Westgrat (3343 m)<br />
Zustieg: Er führt von der Liftstation am Pian dei Fiacconi<br />
(2626 m) über Geröll und vom Eis blank polierte<br />
Felsen im Gletschervorfeld sanft bergab, umgeht so<br />
einen Gratausläufer und steigt dahinter durch das<br />
Schuttkar Sot Vernel an. Die Spur leitet auf den weitgehend<br />
spaltenfreien Gletscherrest; Drahtseile helfen<br />
schließlich über glatte, unangenehm rutschige Platten in<br />
die Sforzela de la Marmolèda (2896 m).<br />
Westgrat-Klettersteig: Er besteht im Wesentlichen<br />
aus einer Abfolge von Querungen und Steilstücken, alles<br />
ausreichend gesichert und nur mäßig ausgesetzt. Aus<br />
der engen Scharte leiten Eisenbügel über einen ersten<br />
kurzen Aufschwung in Gehgelände; an gesicherte leichte<br />
Felspassagen schließt eine längere, mit vielen Eisenstiften<br />
versehene Querung an. Sie mündet in einen Kamin,<br />
der durch eine Leiter und einige Eisenstifte entschärft<br />
ist. Nach einer zweiten, langen Traverse an plattigen<br />
Felsen steigt man über endlose Bügelreihen hinauf zum<br />
Grat, wo sich ein erster Einblick in die rund 800 Meter<br />
hohe Südwand der Marmolada bietet. Die Fortsetzung<br />
der Gipfelferrata folgt weitgehend dem Kamm. Über<br />
Im Bereich des Ostgipfels entdeckt man zahlreiche Überreste der<br />
ehemaligen österreichischen Stellungen. Der steile, mit Drahtseilen<br />
und einigen Eisenbügeln gesicherte Abstieg läuft nach einer<br />
abdrängenden Querung in einer markanten Gratsenke aus.<br />
Abstieg: Über die Serpentinen eines alten, noch recht gut<br />
erhaltenen Kriegspfades steigt man ab zu dem Hangweg, der die<br />
Porta Vescovo mit dem Passo Padón verbindet. Auf ihm zurück zur<br />
Seilbahnstation und hinunter zum Fedaiasee. Eugen E. Hüsler<br />
einige harmlose Gratköpfe hinweg erreicht man schließlich den<br />
Rand des Gipfelschneefeldes (ca. 3230 m). Nun im Firn oder<br />
rechts davon in den Schrofen zum weiträumigen Gipfel und zur<br />
Capanna Punta Penia.<br />
Abstieg: Klettersteigler steigen grundsätzlich nur über die Via<br />
ferrata ab (siehe »Schwierigkeiten«)! Eugen E. Hüsler<br />
Klettersteig am Marmolada-Westgrat<br />
über dem Gletscherrest<br />
Foto: Manfred Kostner Foto: Manfred Kostner<br />
TIPP<br />
Dolomiten Bindelweg (Rifugio Vièl dal Pan, 2432 m)<br />
Wegverlauf: Der breite, etwas steinige Weg hat seinen<br />
Ausgangspunkt direkt am Pordoijoch (2239 m); er steigt<br />
– vorbei an einer kleinen Kapelle – unter den Felswänden<br />
des Sas Becè (2534 m) an gegen die Grassenke an<br />
seinem Südfuß. Hat man zunächst Aussicht auf die Sella<br />
und weit über das Buchenstein bis zu den Tofane, wird<br />
hier der Blick auf das Fassatal, den Rosengarten und –<br />
besonders schön – das Langkofelmassiv frei. Wenig weiter,<br />
beim Rifugio Fredarola (2388 m), kommt dann auch die<br />
Marmolada mit ihrem Nachbarn, dem düsteren Gran<br />
Vernel (3210 m), ins Bild. Die beiden Dreitausender sind<br />
ein treffl iches Beispiel dafür, wie nahe in den Dolomiten<br />
oft Trubel und Einsamkeit sind. Wenn sich an Schönwettertagen<br />
hundert <strong>Bergsteiger</strong> am »Dach« der Dolomiten<br />
einfi nden, bleibt es am Nachbargipfel ganz ruhig.<br />
Etwa auf halbem Weg zum Fedaiasee wartet das Rifugio<br />
Vièl dal Pan (2432 m), beliebte Anlaufstelle für Hüttenwanderer.<br />
Tipp für Schleckmäuler: Omas Omelett.<br />
Die Fortsetzung des Bindelwegs steuert die Gratsenke<br />
(2437 m) vor dem Sas de Ciapel (2557 m) an, bleibt<br />
aber knapp darunter, quert dann in sanftem Auf und Ab<br />
die Südfl anken des »Hutsteins« und der nächsten Gratkuppe. An<br />
der Weggabelung (links zur Porta Vescovo) biegt man rechts ab.<br />
Der Bindelweg hält noch kurz die Höhe, steigt dann über einen<br />
grünen Rücken ab zur Betonsperre des Fedaia-Stausees (2054<br />
m). Etwas unterhalb steht auf einem Geländesporn das Rifugio<br />
Castiglioni (2044 m).<br />
Eugen E. Hüsler<br />
Blick vom Bindelweg auf den Fedaiasee<br />
Foto: Eugen E. Hüsler
TIPP<br />
Ammergauer Alpen Gelbe-Wand-Klettersteig (Tegelberg, 1707 m)<br />
7<br />
Der Meistbesuchte in der Umgebung von Füssen<br />
Es gibt mehrere lohnende, sehr unterschiedliche Anstiege zum<br />
Tegelberg, vom Wanderpfad bis zum knackigen Klettersteig.<br />
Zwischen leicht und schwierig ist der Gelbe-Wand-Steig anzusiedeln,<br />
mit ein paar felsigen, bestens gesicherten Passagen und Infotafeln<br />
zum Thema Klettersteig.<br />
890 Hm | 4½ Std.<br />
K1; normale Bergwanderausrüstung,<br />
evtl. Teleskopstöcke<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014– Seite 78<br />
Talort: Schwangau (796 m), Nachbarort von Füssen<br />
Ausgangspunkt: Talstation der Seilbahn (820 m)<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Mit DB Regio nach Füssen,<br />
weiter per Bus zur Talstation der Tegelberg-Seilbahn<br />
Gehzeiten: Aufstieg 2¾ Std., Abstieg 1¾ Std.)<br />
Beste Jahreszeit: Ende Mai bis in den Spätherbst<br />
Karte/Führer: Kompass 1:50 000, Blatt 4 »Füssen – Außerfern«<br />
Fremdenverkehrsamt: Tourist-Info, Kaiser-Maximilian-Platz 1,<br />
87629 Füssen, Tel. 0 83 62/9 38 50, www.fuessen.de<br />
Hütte: Tegelberghaus (1707 m), ganzjährig bew.,<br />
Tel. 0 83 62/89 80, www.tegelberg.de<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Erst jüngst wurde der Gelbe-<br />
Wand-Steig in »Klettersteig-Lehrpfad« umgetauft. Trotz<br />
neuer Sicherungen (und einer Seilbrücke) ist er immer noch<br />
ein Steig, der zwar in felsiges Gelände führt, von trittfesten<br />
Bergwanderern aber problemlos bewältigt wird. Vom Gipfel<br />
prächtige Aussicht; der Abstieg bietet einen tollen Tiefblick auf<br />
Schloss Neuschwanstein und die Pöllatschlucht.<br />
TIPP<br />
Bayerische Voralpen Bayerischer Schinder (1796 m)<br />
8<br />
Mit dem Radl durch die lange Au<br />
Erstaunlicherweise wird der rein bayerische Gipfel des Schinders<br />
kaum besucht, während am Österreichischen Schinder (Trausnitzberg)<br />
oft der Platz eng wird. Die Route von Wildbad Kreuth herauf ist wunderschön<br />
, aber lang und fast nur mit Fahrradunterstützung machbar.<br />
1110 Hm | 4¾ Std.<br />
Mountainbike, Helm und<br />
Wanderausrüstung<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014<br />
Talort: Kreuth (772 m)<br />
Ausgangspunkt: Großparkplatz Schwaigeralm (793 m)<br />
Koordinaten/Ausgangspunkt:<br />
Breite N 47.626596°, Länge E 011.828705°<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Bus ab Bf Tegernsee<br />
Entfernung: 23,47 km<br />
Gehzeiten: Aufstieg 3 Std.; Abstieg 1¾ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Frühsommer bis später Herbst<br />
Karte: AV-Karte 1:25 000, Blatt BY 15 »Mangfallgebirge Mitte,<br />
Spitzingsee, Rotwand«; Topografi sche Karte des Bayer. Landesamtes<br />
für Vermessung 1:50 000, Blatt UK50-53 »Mangfallgebirge<br />
– Tegernsee – Schliersee – Rosenheim – Holzkirchen«<br />
Informationen: Gemeinde Kreuth, Nördliche Hauptstraße 14,<br />
83708 Kreuth, Tel. 0 80 29/18 19, www.kreuth.de<br />
Tegernseer Tal Tourismus GmbH, Hauptstr. 2, 83684 Tegernsee,<br />
Tel. 0 80 22/92 73 80, info@tegernsee.com<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Die Radauffahrt ist einfach,<br />
ebenso der Anstieg bis über die Rieselsbergalm. Dann wird es<br />
jedoch sehr steil und in Gipfelnähe auch ausgesetzt; geeignet<br />
für Kinder ab ca. 13 Jahren. Alternativen: Mühsam über Kar<br />
und Schindertor, bequemer über die Trausnitzalm.<br />
TIPP<br />
Kitzbüheler Alpen Großer Galtenberg (2424 m)<br />
9<br />
Durch den Greiter Graben<br />
Der höchste und dominierende Gipfel des Alpbachtals bietet eine überragende Aussicht in die<br />
Hohen Tauern, zu Großglockner und Großvenediger. Die Tour ist lang und erfordert ein gewisses<br />
Maß an Ausdauer.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014<br />
1330 Hm | 4¾ Std.<br />
normale Wanderausrüstung;<br />
Stöcke empfehlenswert<br />
Talort: Inneralpbach (1050 m)<br />
Ausgangspunkt: Inneralpbach, Gasthof<br />
Leitner (1087 m)<br />
Koordinaten/Ausgangspunkt:<br />
Breite N 47.366116°, Länge E 011.954541°<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Busverbindung<br />
Entfernung: 13,2 km<br />
Gehzeiten: Aufstieg 2¾ Std.; Abstieg 2 Std.<br />
Beste Jahreszeit: Sommer und Herbst<br />
Karte: Kompass Wanderkarte1:50 000, Blatt 28 »Vorderes Zillertal,<br />
Alpbach, Rofan, Wildschönau«<br />
Informationen: Informationsbüro Alpbach, Dorf 175, A-6236<br />
Alpbach, Tel. 00 43/(0)53 37/2 12 00 30, www.alpbachtal.at<br />
Einkehr: Farmkehralm (1521 m)<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Leichte, aber lange Bergtour,<br />
die Ausdauer verlangt; geeignet für Kinder ab ca. 13 Jahren
TIPP<br />
Ammergauer Alpen Gelbe-Wand-Klettersteig (Tegelberg, 1707 m)<br />
TIPP<br />
Gelbe-Wand-Steig: Der Anstieg beginnt parallel zur<br />
Sommerrodelbahn auf einer Sandpiste und führt hinein<br />
ins Tälchen des Rautbachs. Nach knapp einer halben<br />
Stunde gabelt sich der Weg, weist ein Schild rechts zum<br />
Gelben-Wand-Steig bzw. zum Klettersteig-Lehrpfad. Über<br />
den Bach und in Kehren bergan gegen den Felsfuß des<br />
Torkopfs (1525 m). Links weiter ansteigend in den Graben,<br />
der unter dem Gelben Wandschrofen (1563 m) herabzieht.<br />
Man quert ihn nach links und steigt über harmlose Felsen<br />
(Drahtseile) an zum Einstieg des Tegelberg-Klettersteigs<br />
(K 3, ca. 1280 m). Kleiner Gag am Lehrpfad: eine Seilbrücke,<br />
die sich aber umgehen lässt (Drahtseile). Es folgen<br />
noch ein paar kurze gesicherte Passagen, dann entsteigt<br />
man oberhalb eines Felszahns dem Steilgelände und<br />
erreicht bald eine Verzweigung (ca. 1580 m). Hier links und<br />
hinauf zum Tegelberghaus.<br />
Abstieg: Zurück zur erwähnten Weggabelung (1580<br />
m), geradeaus hinter dem Torkopf hindurch und in vielen<br />
Kehren am markanten Westrücken des Tegelbergs bergab,<br />
zuletzt mit faszinierenden Tiefblicken auf Neuschwanstein.<br />
Oberhalb des Pöllatfalls über die Marienbrücke, dann auf<br />
Der Tegelberg vom Säuling aus gesehen<br />
Bayerische Voralpen Bayerischer Schinder (1796 m)<br />
Auffahrt: Beim Sperrschild am Großparkplatz der<br />
Schwaigeralm radelt man los und neben dem Sagenbach<br />
gegen Osten durch das Tal hinauf. An der Bachbrücke<br />
wendet sich das Tal gegen Südosten und führt –<br />
kaum ansteigend – in dieser Richtung durch die Lange<br />
Au, am Schwarzen Kreuz und am Steinernen Kreuz vorbei<br />
und zur Langenaualm. Oberhalb der Alm geht es wieder<br />
in den Wald hinein und nach einer Kehre wird der<br />
Fahrweg etwas steiler, aber nicht mehr als 10 % Steigung.<br />
Er dreht gegen Süden ab und verzweigt sich danach.<br />
Dort rechts halten, den Bach queren und gleich<br />
dahinter, beim Jagdhaus, stellt man das Rad ab.<br />
Gipfelaufstieg: Unmittelbar vor dem Forsthaus verlassen<br />
wir den Fahrweg, der Wegtafel folgend, nach Osten<br />
in den Wald hinein. Ein schmaler, gut markierter<br />
Bergweg steigt nun neben dem Bachgraben moderat<br />
an, schwingt sich aber bald spürbar auf und dreht gegen<br />
Südosten ab. Im schütteren Mischwald steigt er nun<br />
kräftig an, legt sich aber unter der Rieselsbergalm etwas<br />
zurück, tritt aus dem Wald heraus und führt an den Almgebäuden<br />
vorbei. Man geht über die freien Almhänge in<br />
der Straße zum Schloss. Kurz davor rechts hinunter in die Pöllatschlucht<br />
und auf kühn angelegtem Steig über den stiebenden<br />
Wassern zu ihrer Mündung. Zuletzt auf schattigen Wegen zurück zur<br />
Talstation der Tegelbergbahn.<br />
Eugen E. Hüsler<br />
den weiten Sattel nördlich des Rieselsbergs hinauf und dahinter<br />
ein paar Meter in geringem Abstieg zur Rieselsbergalm hinab,<br />
wo die Staatsgrenze erreicht wird. Von dort gegen Norden<br />
weiter und bei der Wegverzweigung, direkt an der unteren Latschengrenze,<br />
links halten. Dann geht es durch eine steile, aber<br />
breite Latschengasse (Grenzverlauf) stramm hinauf, bis der<br />
Kammverlauf zwischen Bayerischem und Österreichischem<br />
Schinder erreicht ist.<br />
Dort links ab, um dem schmalen, etwas unbequemen Bergpfad<br />
zu folgen, der gegen Nordwesten ansteigt. Er führt ein paar Mal<br />
über kurze, etwas unbequem kiesige Stellen, dann über griffi ge<br />
Felsen hinauf und ins Latschengebüsch. Dort dreht er rechts ab<br />
und erreicht einen schmalen Sattel. Aus ihm geht es nach links<br />
zum Gipfelkreuz oder nach rechts zum höchsten Punkt.<br />
Abstieg und Abfahrt verlaufen entlang der Aufstiegsroute.<br />
Siegfried Garnweidner<br />
Grenzstein an der Rieselsbergalm<br />
Foto: Siegfried Garnweidner Foto: Andreas Strauß<br />
TIPP<br />
Kitzbüheler Alpen Großer Galtenberg (2424 m)<br />
Route: Vom Wirtshaus Leitner in Inneralpbach geht man<br />
auf einem Fahrweg nach Süden in den Greiter Graben hinein<br />
und biegt an beim Wasserbehälter links ab, um auf einer<br />
Schlepperspur anzusteigen. Den Fahrweg verlässt man<br />
in der ersten Rechtskehre, um auf einem Pfad relativ<br />
forsch durch den Wald zum Stettauer Niederleger und an<br />
beschilderter Stelle rechts abzweigend zum Stettauer<br />
Hochleger hinauf zu gehen.<br />
Bei der Verzweigung auf 1540 m Höhe bieten sich zwei Varianten<br />
an, die sich mitten im Wald bei einem Brunnen<br />
wieder vereinen. Von dort nach Norden in moderater Steigung<br />
zur Jagdhütte Alplkreuz hinauf, wo die relativ gut besuchte<br />
Route erreicht wird, die aus dem Luegergraben heraufkommt.<br />
Dort rechts halten und in lichtem Wald mit schönen Ausblicken<br />
nach Süden zur Wegverzweigung hinauf. Dort schräg<br />
links weiter und über den langen, freien, oft ziemlich windigen<br />
Gipfelrücken in Kehren bis zum Gipfel hinauf.<br />
Abstieg: Bis zur Verzweigung folgt man der Aufstiegsroute.<br />
Dort biegt man links ab, geht über den freien Westhang<br />
zur Farmkehr-Hochalm hinunter und auf einem Fahrweg<br />
in ausholenden Kehren zur Jausenstation Farmkehralm. Von<br />
ihr kann man eine weite Straßenschlaufe abkürzen, bis man wieder<br />
den Fahrweg erreicht, dem man durch den langen Greiter Graben<br />
bis zum Ausgangspunkt folgt. Siegfried Garnweidner<br />
Der Gipfel des Großen Galtenbergs<br />
Foto: Siegfried Garnweidner
TIPP<br />
Zillertaler Alpen Hoher Weißzint (3370 m)<br />
10<br />
Stattlicher Dreitausender im Herzen der Zillertaler Alpen<br />
Der Hohe Weißzint steht am Zillertaler Hauptkamm zwischen Hochfeiler und Möseler und auch ein<br />
wenig in deren Schatten. Als hochalpiner Hausberg der urigen Edelrauthütte findet er trotzdem<br />
Beachtung. Ein schöner Hochgipfel, den man auch seilfrei erreichen kann.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014<br />
1500 Hm | 8¾ Std.<br />
Bergausrüstung, je nach<br />
Verhältnissen Pickel und<br />
Steigeisen<br />
Talort: Lappach (1439 m) im inneren Mühlwalder Tal<br />
Ausgangspunkt: Neves-Stausee, Zufahrt vom Tauferer<br />
Tal ins Mühlwalder Tal und bis zum Parkplatz bei der Enzianhütte<br />
(1860 m) nahe der Staumauer<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Busverbindung von<br />
Bruneck her nur bis Lappach; bis zum Stausee eventuell<br />
Taxi-Shuttle<br />
Gehzeiten: Zustieg zur Edelrauthütte 2¼ Std.; Gipfelaufstieg<br />
3 Std., Abstieg 3½ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Juli bis September<br />
Karten: Tabacco, 1:25 000, Blatt 036 »Sand in Taufers«<br />
Fremdenverkehrsamt: Tourismusverein, I-39030 Mühlwald,<br />
Tel. 00 39/04 74/65 32 20, Fax 00 39/04 74/65 60 05<br />
Hütten: Edelrauthütte (2545 m), Autonome Provinz Südtirol,<br />
Anfang Juni bis Anfang Oktober, Tel. 00 39/04 74/65 32 30<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Hochtour mit eher kurzer,<br />
wenig problematischer Gletschertraverse (kaum Spaltengefahr)<br />
und einem längeren Blockgrat (Stellen I bis höchstens II). Für<br />
Ausdauernde und Frühaufsteher als Tagestour machbar, besser<br />
mit Übernachtung.<br />
.<br />
TIPP<br />
Lechtaler Alpen Peischelspitze (2424 m)<br />
11<br />
Pfiffige Überschreitung eines typischen Lechtalers<br />
Wendet man sich im Lechtal weniger frequentierten Gipfeln zu, so wird es rasch sehr urtümlich und<br />
zuweilen auch etwas knifflig. Die Peischelspitze ist so ein Berg mit wilden Wegen – und zudem mit<br />
beachtlichen Edelweißvorkommen. Die Überschreitung wird vorteilhaft mit dem Wildtal begonnen.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014<br />
1360 Hm | 6½ Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
Talort: Holzgau (1114 m) im Lechtal<br />
Ausgangspunkt: Dürnau (1095 m), kleine Ansiedlung<br />
westlich von Holzgau<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Buslinie von Reutte<br />
durchs Lechtal<br />
Gehzeiten: Aufstieg 3¾ Std., Abstieg 2¾ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Ende Juni bis Anfang/Mitte Oktober<br />
Karten/Führer: Alpenvereinskarte 1:25 000, Blatt 3/3<br />
»Lechtaler Alpen – Parseierspitze«; Dieter Seibert »Alpen-<br />
vereinsführer Lechtaler Alpen«, Bergverlag Rother<br />
Fremdenverkehrsamt: Tourismusverband Lechtal, A-6654<br />
Holzgau Nr. 45, Tel. 00 43/(0)56 33/53 56<br />
Hütten: keine<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Stramme Bergtour für Individualisten,<br />
oft sehr ursprüngliches – und obwohl ohne Kletterei<br />
– ziemlich anspruchsvolles Gelände. Dabei dient die leidlich<br />
markierte Normalroute als Abstieg. Im Aufstieg bis ins Wildtal<br />
ebenfalls Steig(spuren), danach pfadloses Steilgras, weshalb trockene<br />
Bedingungen und gute Sicht Grundvoraussetzungen sind.<br />
Perfekte Trittsicherheit und ausgereiftes Orientierungsvermögen<br />
unerlässlich, konditionell noch im normalen Rahmen.<br />
TIPP<br />
Berchtesgadener Alpen Über das Lattengebirge<br />
12<br />
Von der Predigtstuhlbahn in die Einsamkeit<br />
Frequentiert ist das Lattengebirge rund um den Predigtstuhl. Jenseits des Karkopfs dünnt der Andrang<br />
aus und auf den Schleichpfaden via Törl- und Karschneid sind nur noch Individualisten unterwegs.<br />
Die Markierungen längs der Kammlinie sind mittlerweile deutlicher als vor einigen Jahren.<br />
aus <strong>Bergsteiger</strong> 9/2014<br />
↑ 560/↓ 1620 Hm |<br />
6 Std.<br />
normale<br />
Bergwanderausrüstung<br />
Talort: Bad Reichenhall (473 m)<br />
Ausgangspunkt: Bergstation der Predigtstuhlbahn<br />
Endpunkt: Baumgarten (ca. 500 m) im Saalachtal<br />
Öffentliche Verkehrsmittel: Bahn von Freilassing<br />
her. Zwischen Baumgarten und Bad Reichenhall Busverbindung<br />
(ausreichend an Schultagen, aber sehr eingeschränkt<br />
am Wochenende).<br />
Gehzeiten: Bis zum Karkopf 1 Std., weiter zum Karspitz<br />
2½ Std., Abstieg nach Baumgarten 2½ Std.<br />
Beste Jahreszeit: Juni bis Ende Oktober<br />
Karten/Führer: AV 1:25 000, Blatt BY20 »Lattengebirge –<br />
Reiteralm«; Zahel »Wanderbuch Wilde Wege Bayerische Alpen«,<br />
Bergverlag Rother, 2013<br />
Fremdenverkehrsamt: Tourist-Info, Wittelsbacher Straße 15,<br />
D-83435 Bad Reichenhall, Tel. 00 49/(0)86 51/60 60<br />
Hütten: Almhütte Schlegelmulde, Moosenalm, Gh. Baumgarten<br />
Charakter/Schwierigkeiten: Voralpine Kammwanderung,<br />
teils auf offi ziellen Steigen, kniffl iger im verschlungenen Verlauf<br />
zwischen Törl und Karspitz, wo Beschilderungen fehlen und<br />
Pfadspuren sowie Markierungen dürftig ausfallen. Talwärts<br />
langer Forststraßenhatscher. Im verwachsenen Gelände etwas<br />
Trittsicherheit nötig, vor allem auch am schmalen Karspitz. Der<br />
schlimme Windbruch ist überwiegend beseitigt. Durchschnittliche<br />
Tagestour, mit erheblicher Gegensteigung auch zurück zur Bergstation<br />
möglich.
TIPP<br />
Zillertaler Alpen Hoher Weißzint (3370 m)<br />
Aufstieg: Man überschreitet als Erstes die Staumauer,<br />
folgt dann dem Uferweg, bis Markierung Nr. 26 links ins<br />
Pfeifholder Tal abzweigt. Dieses vermittelt nun den Aufstieg<br />
zur Edelrauthütte (2545 m), die oben am Eisbruggjoch<br />
ihren Platz hat (deshalb taucht auch manchmal der Name<br />
Eisbruggjochhütte auf).<br />
Die Gipfelroute beginnt als typischer Moränensteig am<br />
Südhang, wo zunächst einige Kehren vollzogen werden. Bald<br />
geht es im Weißzintkar deutlich nach rechts weiter, um über eine<br />
Rippe oberhalb der 3000-Meter-Marke die Reste des Weißzintferners<br />
zu erreichen. Richtung Obere Weißzintscharte fl acht der<br />
Gletscher etwas ab – wir peilen dann aber nicht den Einschnitt<br />
an, sondern halten gleich auf den Südsporn zu. Über diesen<br />
(oder auf erdigen Spuren rechts davon) bis auf den Gipfelgrat,<br />
der im Folgenden leichte, aber noch recht langwierige und<br />
teilweise auch ausgesetzte Blockkletterei bereithält. Mitunter<br />
kann man vorteilhaft ein paar Meter in die Flanken ausweichen.<br />
Normalerweise gibt es gegen Ende noch einen Firngrat,<br />
ehe wir zum großen Kreuz auf dem Hohen Weißzint (3370 m)<br />
gelangen.<br />
Abstieg: Auf der gleichen Route.<br />
Mark Zahel<br />
Nord<br />
TIPP<br />
Panorama: peakfinder.org<br />
Lechtaler Alpen Peischelspitze (2424 m)<br />
Aufstieg: Von Dürnau südwärts durch den lichten Wald<br />
an die Bergfl anke heran und auf der rechten Seite der<br />
imposanten Wildtalschlucht kräftig aufwärts. Zwei Seitengräben<br />
sind zu queren (der zweite wegen Vermurung<br />
etwas heikel). Auf ca. 1700 Metern wechselt man auf die<br />
linke Seite des Bachs und gewinnt auf undeutlicher, verwachsener<br />
Spur weiter an Höhe. Ziemlich gerade bis zum<br />
Karboden, wo die markierte Route rechts Richtung Zwölferkopf<br />
abdreht. Hier nun weglos nach links zu den Flanken<br />
der Peischelspitze und zu einer Grasrippe, die offenbar den<br />
günstigsten Aufstieg zum Grat südlich des Gipfels vermittelt. Aus<br />
einem kleinen Graben heraus erfolgt der Einstieg ins Steilgelände,<br />
wo man einen absolut sicheren Tritt beweisen und sich mitunter<br />
sogar an Grasbüscheln festhalten muss. Der Durchstieg bis zur<br />
Kammhöhe (ca. 2300 m) bildet den Schlüssel der Tour. Dann links<br />
über die kleine Kuppe hinweg und am unschwierigen Südwestgrat<br />
zur Peischelspitze hinauf.<br />
Abstieg: Die Normalroute beginnt vom Gipfel weg undeutlich<br />
in die steile, schrofi ge NW-Flanke hinein. Man gelangt zu einem<br />
Grateck hinunter und quert von dort schräg rechts zum sanften N-<br />
Rücken unterhalb der Steilzonen. Ein Stück weiter nordostwärts<br />
abdrehen und im Bereich eines lichten Krummholzrückens bis<br />
gegen P. 1940, wo die Route markant nach links abdreht und<br />
nun auch klarer markiert ist. Allerdings steigt man jetzt durch<br />
ziemlich steiles Latschengelände ab – trotz passabler Gassen<br />
kein purer Genuss. Weiter unten passiert man den Rastpunkt<br />
der sogenannten Scheibe (1449 m) und kreuzt die kapitale<br />
Rinne zur Linken sowie zwei kleinere Runsen. Auf besserem<br />
Steig am Bergsockel schräg abwärts Richtung W und zuletzt auf<br />
dem breiten Forstweg zurück nach Dürnau. Mark Zahel<br />
Ost<br />
Panorama: peakfinder.org<br />
TIPP<br />
Berchtesgadener Alpen Über das Lattengebirge<br />
Route: Von der Bergstation der Predigtstuhlbahn auf<br />
breitem Weg zur Jausenstation in der Schlegelmulde und<br />
weiter auf einem Latschensteig zum Hochschlegel (1688<br />
m). Ebenfalls durch problemlose Latschengassen geht<br />
es Richtung Karkopf (1738 m), zum höchsten Punkt des<br />
Lattengebirges. Entweder schon kurz vorher oder auf einer<br />
nicht markierten Spur direkt am Rücken entlang Richtung<br />
Süden abdrehen. Vor dem Aufschwung zum Törlkopf weicht<br />
man rechts in die Latschenfl anke aus und gelangt damit<br />
zur Bergwachthütte am Törl, wo ostwärts eine Abstiegsmöglichkeit<br />
nach Winkl ausgeschildert ist.<br />
Von nun an werden die deutlich ausgetretenen Steige verlassen.<br />
Durch den Wechsel von dichterem Baumbestand,<br />
grasbewachsenen Lichtungen, mitunter etwas sperrigen<br />
Krummholzzonen und einigen Schrofenpassagen laviert<br />
die Route verwickelt durchs Gelände. Am meist breiten<br />
Kammrücken wieder aufwärts zur Törlschneid, die später<br />
ohne markante Zäsur in die Karschneid übergeht. Wo<br />
die Latschen zuoberst besonders dicht werden, weicht<br />
man seitlich aus, vorübergehend rechts in der geneigten<br />
Westfl anke, später an der Karschneid auch mal etwas<br />
ausgesetzter ostseitig. Nach einer ausgeprägten Traverse wechselt<br />
man abermals die Seite und nähert sich allmählich dem Karspitz<br />
(1641 m), wo sich der Bergrücken zu einem echten Grat zusammenschnürt.<br />
Besonders beim Abstieg jenseits der Rastbank gen<br />
Süden warten die wandertechnisch schwierigsten Passagen.<br />
Im breiten Sattel beim Jochköpfl scharf nach rechts und auf markiertem<br />
Weg (»Walderlebnispfad«) über kupiertes Plateaugelände<br />
zur Moosenalm (1405 m). Von dort sind es noch rund acht Kilometer<br />
Forststraße hinaus zur Bushaltestelle. Die Route führt am<br />
Abzweig des Moosensteigs (Verbindung zum Predigtstuhl) vorbei,<br />
tangiert die Dalsenalm (1200 m) in einer Rechtskurve und später<br />
die Röthelbachklause. Der letzte Abschnitt hinunter nach Baumgarten<br />
ist ziemlich steil.<br />
Mark Zahel<br />
Höchster Punkt des Lattengebirges: der Karkopf<br />
Foto: Siegfried Garnweidner
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124 <strong>Bergsteiger</strong> 06⁄14<br />
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AUF TOUR<br />
Neuer Wanderweg am Arlberg<br />
Das Heer der<br />
Eigentlich ist Lech-Zürs eine Winterdestination: Tausende stürzen sich<br />
jährlich auf Brettern den »Weißen Ring« hinab, das legendäre Skirennen<br />
am Arlberg. Dank einem ungewöhnlichen Tourismuskonzept wächst<br />
aber auch im Sommer etwas heran: der Grüne Ring. Von Christina Warta<br />
Kunst am Berg: In der<br />
»Lecher Chluppa« sind<br />
die Namen aller Lecher<br />
Bürger eingemeißelt.<br />
68 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Ringe<br />
Die Nebelschwaden fegen über das<br />
Gipfelplateau des Rüfikopfs wie<br />
tanzende Hexen auf ihren Besen.<br />
Die Sicht ist schlecht, milchiges<br />
Weiß überall. Der Abstieg führt<br />
durch karstiges Gelände, vorbei an mächtigen<br />
Rücken aus zerbrochenem Plattenkalk.<br />
Noch ein paar Höhenmeter, dann lichten<br />
sich die Wolken und geben den Blick frei<br />
auf den Monzabonsee mit seinem grünblau<br />
schimmernden Wasser. »Am waldigen Berg<br />
wohnt seit langer Zeit eine singfreudige<br />
Bützin in den Wassern des Sees«, schreibt<br />
die Schriftstellerin Daniela Egger. Hexen?<br />
Eine Bützin? Die Gegend rund um den<br />
Monzabonsee scheint viele Geheimnisse zu<br />
bergen. Doch wer auch immer dort wohnt,<br />
Briefe kann er schreiben: Nahe beim Seeufer,<br />
mitten am Berg auf 2226 Metern Höhe,<br />
steht ein einsamer Postkasten aus Kupfer.<br />
Foto: daniko / LZTG<br />
Kein leichtes Erbe: der Skitourismus<br />
Die Gemeinden Lech und Zürs in Vorarlberg<br />
sind vor allem für den Wintersport bekannt:<br />
die weiten Hänge, den tiefen Pulverschnee<br />
und das legendäre Skirennen »Der Weiße<br />
Ring«. Doch auch am Arlberg taut jedes<br />
Jahr im Frühjahr wieder der Schnee. Dann<br />
wird eine Hochgebirgslandschaft in Grün<br />
enthüllt, die an manchen Stellen nicht verbergen<br />
kann, dass das Hauptaugenmerk<br />
der touristischen Bewirtschaftung auf dem<br />
Winter liegt: Schwere Stützen stehen verwaist<br />
an den Hängen, in Tälern und auf den<br />
Gipfeln warten die Ein- und Ausstiegsstationen<br />
der Skilifte auf die Wintersportler.<br />
Die Verantwortlichen in Lech und Zürs<br />
versuchen seit einigen Jahren, mit dieser<br />
Realität offensiv, zugleich aber einfühlsam<br />
umzugehen. Man hat ein besonderes, ungewöhnliches<br />
Konzept ersonnen, um die Hänge<br />
rund um das bei eher betuchten Urlaubern<br />
beliebte Bergdorf auch in der warmen<br />
Jahreszeit attraktiv zu machen. Analog zum<br />
Weißen wurde der Grüne Ring ersonnen:<br />
eine Wanderung in drei Etappen, die genau<br />
auf den Spuren des Weißen Rings verläuft.<br />
Doch anders als beim Ski-Event steht eben<br />
nicht die Geschwindigkeit im Vordergrund,<br />
sondern die Langsamkeit, und mit ihr die<br />
Entdeckungsfreude und Verspieltheit.<br />
»Die Idee war es, den Sommer zu beleben.<br />
Aber mit ganz anderen Inhalten als im<br />
Winter«, sagt Daniel Nikolaus Kocher. Der<br />
Bildhauer hat die hochalpinen Hänge als<br />
Kulisse für seine Kunst genommen und<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 69
1 Täuschung: Kaum<br />
zu glauben, dass der<br />
idyllische Zürsersee mitten<br />
im Skigebiet liegt.<br />
2 Herr der Ringe:<br />
Der Riese Taurin, eine<br />
der Kunstinstallationen<br />
von Daniel Nikolaus<br />
Kocher am Grünen Ring.<br />
3 Am Flexenpass<br />
verläuft die europäische<br />
Wasserscheide<br />
zwischen Nordsee<br />
und Schwarzem Meer.<br />
1<br />
3<br />
KOMPAKT<br />
Ring-Schlüssel<br />
Anreise: Mit dem Auto über München<br />
Richtung Garmisch, Reutte, Weißenbach,<br />
Lech am Arlberg. Oder über Ulm, Memmingen,<br />
Bregenz, Feldkirch nach Warth, Lech.<br />
Mit der Bahn nach Langen oder St. Anton,<br />
mit Bus oder Taxi weiter nach Lech.<br />
Dort viele Wanderbus-Verbindungen.<br />
Informationen: www.lech-zuers.at, info@<br />
lech-zuers.at, Informationsbüro Lech, Tel. 00 43/<br />
(0)55 83/2 16 10; Informationsbüro Zürs,<br />
Tel. 00 43/(0)55 83/22 45, info@lech-zuers.at<br />
Karten: Wanderkarte Lech/Zürs, 1:35 000,<br />
hrsg. vom örtlichen Tourismusverband;<br />
Leporello-Wanderkarte Lechweg, 1:25 000,<br />
Publicpress<br />
Literatur: »Ein Samurai am Kriegerhorn«.<br />
Sagen zum Lesen und Wandern von Daniela<br />
Egger, illustriert von Daniel Nikolaus Kocher.<br />
Lech Zürs 2010.<br />
Lech-Card: Mit der Lech-Card sind nicht<br />
nur viele Seilbahn- und Wanderbustickets<br />
gratis, sondern auch geführte Wanderungen<br />
sowie Eintritte in Museen u.a. in Lech frei.<br />
ihnen so im Sommer Leben eingehaucht.<br />
Allerdings wohl nicht so, wie sich das mancher<br />
vorgestellt hatte: Kocher erschuf fantastische<br />
Sagengestalten aus Holz, baute<br />
eine Bibliothek in einen Schober, legte einen<br />
langen Steg mitten hinein in den Zürser<br />
See. »Wir wollten die Plätze bespielen,<br />
die weniger schön sind – und die anderen<br />
in ihrer natürlichen Schönheit belassen«,<br />
sagt der Tiroler.<br />
Wer auf dem Grünen Weg unterwegs ist,<br />
kann am Flexenpass seine Allmachtsfantasien<br />
ausleben und das Wasser entweder in<br />
die Nordsee oder ins Schwarze Meer lenken.<br />
Oder auf der »Lecher Chluppa«, einer 60 Meter<br />
langen Steinmauer oberhalb der Kriegeralpe,<br />
Stein für Stein die Namen aller Lecher<br />
Bürger entziffern. Und dann grüßt natürlich<br />
der Riese Taurin – mit seinen sechseinhalb<br />
Metern ist er nicht zu übersehen.<br />
Rap am Rüfikopf<br />
Die Kunstinstallationen Kochers entstanden<br />
in Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin<br />
Egger. Sie hat zu vielen Orten der<br />
Bergrunde und zu Kochers Installationen<br />
getextet. Das Büchlein »Ein Samurai am<br />
Kriegerhorn« enthält moderne Sagen – ein<br />
beim ersten Lesen ungewöhnliches Format.<br />
Im Vorwort zum Buch schreibt Gerhard<br />
Walter, ehemaliger Tourismusdirektor<br />
in Lech-Zürs: »Der Grüne Ring schärft<br />
den Blick auf eine alpine, touristische<br />
Kulturlandschaft, spürt den Beziehungen<br />
von Mensch und Tourismus nach und gibt<br />
den Blick auf eine berühmte Landschaft<br />
und die Vielfalt der Natur frei«. Jene, die<br />
sich auf diese neuen Perspektiven einlassen,<br />
werden mit augenzwinkernden,<br />
humorvoll-kritischen Geschichten belohnt.<br />
Da ist vom Rap des Rüfikopf die<br />
Rede, von Murmeltieren, die eine wichtige<br />
Erhebung über Menschen in Höhenlagen<br />
durchführen, und von der Schwester des<br />
Riesen Taurins, die ihre Muschelsammlung<br />
in dessen Flanken drückte.<br />
Denn auch ohne die kunstvollen, poetischen<br />
Gestalten Kochers und Eggers ist<br />
beispielsweise der Rüfikopf, die erste Etappe<br />
des Grünen Rings, eine geheimnisvolle<br />
Welt. Die Kalkplatten bergen Megalodonten,<br />
also die fossilen Reste von Riesenmuscheln,<br />
man entdeckt Ammoniten- und<br />
Nautilidenversteinerungen von beachtlicher<br />
Größe, die Überbleibsel von Seeigelstacheln<br />
und Belemniten, sogenannten<br />
»Donnerkeilen«. Wer den Geoweg, der Teil<br />
des Grünen Rings ist, am Rüfikopf entlangwandert,<br />
kann immer wieder in die Vergangenheit<br />
werfen: Das brüchige Gestein<br />
changiert von grau zu gelb zu rot– eine<br />
Reminiszenz an die Schwankungen des Urmeeres,<br />
dessen Wellen vor 500 Millionen<br />
Jahren über den Alpen schwappten.<br />
Spannend ist aber auch die Gegenwart,<br />
denn im Grunde ist der Grüne Ring gar<br />
nicht nur grün, sondern im Sommer<br />
70 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
2<br />
TOUREN<br />
Die Touren am »Grünen Ring«<br />
Das Wander-Pendant zum großen Arlberger Skirennen ist in<br />
drei Tagen absolviert. Doch auch abseits des Grünen Rings<br />
hält die Region am Arlberg noch weitere Gipfelhighlights bereit.<br />
Fotos: Bernd Fischer / LZTG (re.), Lisa Fail / LZTG (2)<br />
ziemlich bunt: Dann blühen Arnika und<br />
Taubenkröpfchen, Ungarischer und Gelber<br />
Enzian, die Alpen-Grasnelken. Hinzu<br />
kommen die teils märchenhaften Installationen<br />
aus natürlichen Materialien. Kocher<br />
hat nichts Bombastisches in die Natur gestellt,<br />
sondern lieber Ideen mit Witz und<br />
Charme verwirklicht: wie den kupfernen<br />
Postkasten, der einmal im Jahr an einem<br />
Donnerstag geleert wird. Und für eine kleinere<br />
Runde von Lech zur Rudalpe hinauf<br />
haben Egger und Kocher den »Rätselring«<br />
erarbeitet: eine Runde für Familien, auf<br />
der gekraxelt, geangelt, gepumpt und vieles<br />
mehr bewerkstelligt werden muss. Die<br />
Kinder bekommen dazu ein Arbeitsbuch,<br />
dem man – bemalt, zerrissen und geprägt<br />
– das Rätseln hinterher förmlich ansieht.<br />
Der Grüne Ring ist ein interessanter Versuch,<br />
im Sommer mit den Überbleibseln des<br />
Wintersports umzugehen. »Lifte zu kaschieren<br />
ist der falsche Weg«, sagt Kocher. »Man<br />
muss dazu stehen, Ehrlichkeit ist mir ganz<br />
wichtig. Schließlich lebt das ganze Dorf ja<br />
vom Wintertourismus.« Die Macht des Winters<br />
hat auch Taurin, der Herrscher des Grünen<br />
Rings, zu spüren bekommen: Im letzten<br />
Frühjahr war der Riese verschwunden.<br />
Man fand ihn dann, mitgerissen von einer<br />
Lawine, 100 Meter tiefer am Berg. ◀<br />
1 Der Grüne Ring, 1. Etappe<br />
▶ mittel 5 Std.<br />
700 Hm 700 Hm<br />
Charakter: Auf den Rüfi kopf (2362 m),<br />
entlang des Geowegs und über die europäische<br />
Wasserscheide<br />
Ausgangspunkt: Lech (1450 m)<br />
Endpunkt: Zürs<br />
Einkehr: Gipfelrestaurant Rüfi kopf, Alpe<br />
Monzabon<br />
Route: Lech – Rüfi kopf – Monzabonsee –<br />
Monzabonalpe – Hüttenbibliothek – Zürs<br />
2 Der Grüne Ring, 2. Etappe<br />
▶ mittel 6 Std.<br />
800 Hm 1000 Hm<br />
Charakter: Durch karstiges Gelände<br />
zu Taurins Höhle und dem Zürser See<br />
Ausgangspunkt: Zürs<br />
Endpunkt: Zug<br />
Route: Zürs – Zürser See – Taurins Höhle<br />
– Gletscherstadt am Madloch – Madlochjoch<br />
– Biwak – Riesentaurin – Zug<br />
3 Der Grüne Ring, 3. Etappe<br />
▶ mittel 5 Std.<br />
650 Hm 720 Hm<br />
Charakter: »Sagenhafte« Überschreitung<br />
des Kriegerhorns (2173 m) auf guten<br />
Wanderwegen.<br />
Ausgangspunkt: Zug<br />
Endpunkt: Lech am Arlberg (1450 m)<br />
Einkehr: Kriegeralpe, Rud-Alpe<br />
Route: Zug – Sagenwald – Balmalpe<br />
– Kriegerhorn – Chluppa – Kriegeralpe –<br />
Libellensee – Waldlehrpfad – Rud-Alpe<br />
4 Klettersteig Karhorn und<br />
Warther Horn (2256 m)<br />
▶ K2 4½ Std.<br />
560 Hm 1000 Hm<br />
Charakter: Für Klettersteig-Einsteiger<br />
geeignet, konditionell aber fordernd.<br />
Weiter Panoramablick<br />
Ausgangspunkt: Warth/Bergstation<br />
Steffi salpe<br />
Endpunkt: Bodenalpe oder Oberlech<br />
Einkehr: Warth, Bürstegg, Bodenalpe<br />
Route: mit dem Wanderbus nach Warth,<br />
mit dem Steffi salp-Express zur Bergstation,<br />
links bergan. Gipfelbesteigung Warther<br />
Horn, wer will, kann den Gipfel des Warther<br />
Horns erklimmen oder gleich zum Einstieg<br />
des Klettersteigs gehen. Der Klettersteig<br />
führt über den Gipfel des Karhorns<br />
(2416 m). Abstieg auf der Normalroute<br />
über Bürstegg und die Bodenalpe oder über<br />
den Auenfeldsattel nach Oberlech.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 71
AUF TOUR<br />
Der Mont Aiguille,<br />
ein Mega-Geotop;<br />
Blick vom Dorf Trésanne<br />
nach Südwesten<br />
72 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
SERIE: GeoTop-Touren in den Alpen<br />
Teil 19: Kalkriffbildung am Mont Aiguille<br />
Schiffbrüchig<br />
Wie ein gewaltiger Schiffsbug steht<br />
er über dem Tal von Monestier, nach<br />
allen Seiten hin fallen senkrechte,<br />
bis zu 300 Meter hohe Wände ab –<br />
unbesteigbar? Heute ist der Mont<br />
Aiguille einer der am häufigsten<br />
besuchten Gipfel im Vercors.<br />
Von Siegfried Garnweidner (Tour)<br />
und Ulrich Lagally (Geologie)<br />
Alle Fotos: Siegfried Garnweidner; Grafi k: Ulrich Lagally<br />
»Es ist der fürchterlichste und grauenerregendste<br />
Weg, den ich oder ein Mitglied unserer Gesellschaft<br />
je beschritten. Wir mußten eine halbe<br />
Meile auf Leitern aufwärts klettern, dann noch<br />
eine Meile weiter, aber der Gipfel ist der herrlichste<br />
Ort, den man sich denken kann… Dies<br />
schreibe ich am 28. Juni am Aiguille. Jetzt bin<br />
ich schon drei Tage hier oben, mit mehr als zehn<br />
anderen Leuten und einem königlichen Leiterträger,<br />
und will nicht eher absteigen, als ich Bescheid<br />
von Ihnen erhalte, damit Sie, falls Sie es<br />
wünschen, Leute ausschicken können, die unsere<br />
Anwesenheit auf dem Gipfel bestätigen. Ich habe<br />
ihn (den Berg) getauft im Namen des Vaters, des<br />
Sohnes und des Heiligen Geistes…«<br />
Dies schrieb im Jahr 1492 der königliche<br />
Kammerherr Antoine de Ville an seinen<br />
König, Karl VIII. von Frankreich, in dessen<br />
Auftrag er mit Landsknechten, einem<br />
Priester und einem Leiterträger den<br />
schroffen Kalkgipfel im Vercors südlich<br />
von Grenoble besteigen sollte. Sechs Tage<br />
verweilte die Expedition auf der großen<br />
Gipfelwiese, ehe sie wieder ins Tal abstieg.<br />
Obwohl die Motivation zur Besteigung<br />
Der Westaufstieg<br />
ist zwar<br />
stellenweise<br />
versichert, aber<br />
der III. Schwierigkeitsgrad<br />
sollte beherrscht<br />
werden.<br />
Riffe sind durch gesteinsbildende Organismen aufgebaute<br />
Strukturen. Meist entstehen sie in seichten<br />
Meeren und reichen manchmal bis zur Wasseroberfläche.<br />
Die ältesten Riffe kennt man aus der Erdfrühzeit,<br />
dem Präkambrium, vor über 3,5 Milliarden Jahren.<br />
Ausgedehnte Riffkomplexe entstanden im Erdaltertum<br />
(Silur/Devon) und im Erdmittelalter (Jura/Kreide);<br />
aber auch heute noch entstehen neue, vorwiegend in<br />
tropischen Gewässern. Häufige Riffbildner sind Algen,<br />
Korallen, Schwämme und Austern.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 73
dieses Berges keinerlei alpinistische, sondern<br />
allein konquistadorische Ursachen<br />
hatte – im gleichen Jahr entdeckte Christoph<br />
Kolumbus Amerika –, gilt jenes Datum<br />
für manche Alpinhistoriker als Geburtsstunde<br />
des Alpinismus.<br />
Sieht nicht wie eine<br />
Nadel, sondern wie<br />
ein Schiffsbug aus:<br />
unterwegs auf der<br />
Tour du Mont Aiguille<br />
Instabiler Sockel:<br />
Erosion an der Basis<br />
des Mont Aiguille<br />
Nur kletternd zum Gipfel<br />
Fast 350 Jahre sollte es dauern, bis der Berg<br />
ein zweites Mal bestiegen wurde – diesmal<br />
von einem Schafhirten auf der Suche<br />
nach verlorenen Tieren. Im Jahr 1878 wurde<br />
der Weg der Erstbesteiger dann mit einigen<br />
Drahtseilen und Haken versichert,<br />
aber es muss immer noch der III. Schwierigkeitsgrad<br />
bewältigt werden. Heute führen<br />
mehr als ein Dutzend Kletterrouten<br />
zum Gipfel, im Januar 1992 wurde (bis auf<br />
70 Meter Abseilstellen) die Nordwestwand<br />
von dem Franzosen Pierre Tardivel sogar<br />
mit Ski befahren.<br />
◀<br />
IM NOVEMBER-HEFT: Teil 20: Die Erdpyramiden<br />
am Ritten bei Bozen<br />
KOMPAKT<br />
Tour du Mont Aiguille<br />
(1694 m), Vercors<br />
Charakter: Der Gipfel des Mont Aiguille<br />
bleibt Kletterern bzw. guten Klettersteiggehern<br />
vorbehalten. Wanderer können aber<br />
diesen markanten Bergstock auf einer<br />
langen, tagesfüllenden Tour umrunden,<br />
dabei mehrere Pässe überwinden und aus<br />
dem Wald immer wieder eindrucksvolle<br />
Ausblicke, vor allem auf den markanten<br />
Mont Aiguille genießen.<br />
Anforderungen: Trittsicherheit ist erforderlich,<br />
Schwindelfreiheit ist von Vorteil.<br />
Ausgangs-/Endpunkt: Wanderparkplatz<br />
westlich von Richardière (1059 m)<br />
Einkehr: Hotel-Restaurant in Richardière<br />
Gehzeit: Aufstieg 1½ Std.; Abstieg 4 Std.<br />
Höhenunterschied: 1140 Hm<br />
Routenverlauf: Richardière – Les Serres<br />
– Col del Aupet – Abenteuerpark (Hochseilgarten)<br />
– Caraby – Grands Clots – Col<br />
des Pellas – Col de Papavet<br />
– Seiterat – Aux Fontaines<br />
– Donniere – Richardière<br />
Tourenkarte 1<br />
Heftmitte<br />
74 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
GEOTOP<br />
Riffkalkklotz aus der Kreidezeit<br />
Ursprünglich befand sich der Mont Aiguille tatsächlich<br />
im Meer als Teil eines untermeerischen<br />
Riffs. Ein fl aches Meer bedeckte in der Jura- und<br />
Kreidezeit weite Bereiche Europas, so auch das<br />
Gebiet vom Schweizer Jura entlang der französischen<br />
Alpen bis zum Mittelmeer. Besonders in<br />
der unteren Kreide, vor etwa 120 bis 140 Millionen<br />
Jahren, entstanden hier marine Gesteinsschichten,<br />
die besonders typisch für diesen<br />
Zeitraum waren. Man gliederte sie in geologische<br />
Einheiten und belegte sie mit Begriffen nach Lokalitäten<br />
wie Valangin und Hauteriv in der West-<br />
Schweiz sowie Barrême und Apt im Südosten<br />
von Frankreich. Und genau diese Schichtfolgen,<br />
mächtige Lagen von Kalksteinen und Mergeln,<br />
bilden heute den Sockel, über den der Mont<br />
Aiguille emporragt. Deutlich kann man sehen,<br />
dass sie fast horizontal liegen und auch nicht besonders<br />
stabil sind. Sie bilden die mächtige, fast<br />
pyramidenförmige Basis des Massivs. Und das<br />
muss natürlich aus einem anderen Material sein<br />
als der Untergrund, sonst wären seine Flanken<br />
abgefl acht oder ganz erodiert worden.<br />
Dieser Rest des Riffs aus der Kreidezeit wurde<br />
zur Zeit des unteren Barrêmium vor etwa 130<br />
Millionen Jahren im damaligen Meer von Rudisten<br />
aufgebaut. Rudisten waren Muscheln, die an<br />
der Wende von der Kreide zum Tertiär ausstarben.<br />
Der Felsklotz selbst besteht aus einer etwa<br />
300 Meter mächtigen Abfolge von so genannten<br />
bioklastischen Ablagerungen, im weitesten<br />
Sinn aus Riffschutt entstandenen Kalksteinen,<br />
die man als Urgonien bezeichnete. Auffällig ist,<br />
dass der scheinbar einheitliche Bergstock in<br />
Wirklichkeit aus zwei Abfolgen besteht, die an<br />
einer schräg zur Schichtung verlaufenden Fläche<br />
aneinander stoßen. Auf Grund seines hohen<br />
Kalkanteiles ist das Gestein besonders hart und<br />
widerstandsfähig und konnte so über Jahrmillionen<br />
der Erosion trotzen. Aber es bedurfte<br />
noch einer weiteren Besonderheit, damit der<br />
Mont Aiguille in seiner heutigen Form erhalten<br />
blieb. Eigentlich ist er ja Teil des nordwestlich<br />
davon liegenden, fl ach nach Westen geneigten<br />
Gebirgsstockes des Vercors, dessen höchste<br />
Gipfel Grand Veymont und Grande Moucherolle<br />
seinen Ostrand markieren. An diesem liegt mit<br />
den Rochers du Parquet ein weiterer Vorposten,<br />
vom Mont Aiguille durch ein weites Tal getrennt.<br />
Die dort ursprünglich liegenden Schichten<br />
wurden in Jahrmillionen abgetragen, erleichtert<br />
durch einige große tektonische Störungszonen,<br />
die zwischen den Bergstöcken verlaufen. Denn<br />
an diesen wurden nicht nur große Gesteinskomplexe<br />
verschoben, sondern auch die Gesteine<br />
zerbrochen, sodass sie der Erosion geringeren<br />
Widerstand entgegensetzen konnten. Auf diese<br />
Weise entstand mit dem isolierten Mont Aiguille<br />
ein typischer Zeugenberg: Er bezeugt, dass das<br />
Plateau von Vercors einst sehr viel größer war.<br />
immer unterwegs<br />
Besonders deutlich kann man den geologischen Aufbau des Mont Aiguille an<br />
seiner Ostseite erkennen: Über einer flachen Mulde aus Kalk- und Mergelsteinen<br />
der Unterkreide türmt sich die 300 Meter hohe Klippe aus Riffschuttkalken.<br />
Sie besteht aus zwei horizontalen Gesteinsabfolgen, die durch eine schräg verlaufende<br />
Fläche getrennt sind.
Advertorial<br />
Die Besucher lassen sich über die<br />
optimale Ausrüstung beraten.<br />
Welcher Schuh am besten passt,<br />
lässt sich auf der Teststrecke ermitteln.<br />
Alexander Huber free<br />
solo in der Direttissima<br />
an der Großen Zinne<br />
Bergsport-Tipps<br />
vom Profi<br />
Alexander Huber berichtet auf der Publikumsmesse<br />
TourNatur in Düsseldorf von seinen Kletter-<br />
Abenteuern. Rund 275 Aussteller präsentieren<br />
Trekking-Ausrüstung und touristische Angebote.<br />
Er verkörpert die Leidenschaft für die<br />
Berge wie kaum ein anderer: Extremkletterer<br />
Alexander Huber hat sich erfolgreich<br />
an Routen gewagt, die zuvor<br />
als fast unmöglich galten. Legendär etwa seine<br />
Free-Solo-Begehung der Direttissima der<br />
Großen Zinne, Freikletterrouten und Speed-<br />
Rekorde an den Bigwalls des Yosemite-Nationalparks<br />
oder die Erstbegehung der Westwand<br />
des Siebentausenders Latok II.<br />
Wer die Faszination für die Berge erspüren will,<br />
die Huber zu diesen Höchstleistungen antreibt,<br />
kann am 5. September auf der TourNatur in<br />
Düsseldorf persönlich mit dem Extremsportler<br />
ins Gespräch kommen. Zum Auftakt von<br />
Deutschlands einziger Publikumsmesse rund<br />
um Trekking und Wandern berichtet Huber von<br />
seinen Abenteuern in den Bergen der Welt. Er<br />
beantwortet die Fragen des Publikums und<br />
gibt einen Einblick in die abenteuerlichsten<br />
und atemberaubendsten Momente seiner<br />
Sportlerkarriere. Wer sich davon motiviert fühlt,<br />
kann sich direkt auf der Messe für das nächs-
In der Zeltstadt fi ndet jeder die passende<br />
Schlafgelegenheit für unterwegs.<br />
Die TourNatur bietet eine gute Orientierung<br />
über Trends und Neuheiten.<br />
Am Kletterturm testen Mutige ihre Kräfte<br />
und die Ausrüstung.<br />
Die Reiseanbieter geben Infos zu mehr als<br />
5000 Wanderzielen weltweit.<br />
275 Aussteller präsentieren auf der<br />
Publikumsmesse ihre Produkte.<br />
Auch die jüngsten Wanderer haben<br />
ihren Spaß auf der TourNatur.<br />
Fotos: Messe Düsseldorf GmbH<br />
te Wander- oder Bergsporterlebnis ausrüsten<br />
und seine Reise planen: Auf der 12. TourNatur<br />
zeigen drei Tage lang 275 Aussteller Trends und<br />
Neuheiten.<br />
Die TourNatur in Düsseldorf<br />
5.–7. September 2014, jeweils 10 bis 18 Uhr,<br />
Messegelände Düsseldorf, Hallen 1 und 2,<br />
Tageskarte Erwachsene 14 Euro, ermäßigt<br />
10 Euro, Kinder 6 Euro<br />
Besuchertelefon: 00 49/2 11/45 60 76 03.<br />
Weitere Infos und Tickets zum Selberausdrucken<br />
gibt es unter www.tournatur.com<br />
Die Tickets gelten auch für die parallel stattfi<br />
ndende Messe CARAVAN SALON.<br />
Sofort buchbare Reiseziele<br />
In Halle 1 des Düsseldorfer Messegeländes<br />
stellen die Anbieter mehr als 5000 Wanderziele<br />
in der ganzen Welt vor. Von Routen in heimischen<br />
Mittelgebirgen und mediterranen Wanderwegen<br />
über skandinavische Trekkingtouren<br />
bis zu Wanderreisen zu exotischen Fernzielen<br />
ist alles im Angebot. Organisierte Touren und<br />
Gruppenreisen sind sofort buchbar. Dazu arbeiten<br />
viele Aussteller individuelle Trips aus<br />
und organisieren Services wie Gepäcktransport,<br />
Wandertaxi oder GPS-Führer. Wer noch<br />
unschlüssig ist, wohin es gehen soll, kann sich<br />
bei Vorträgen an der Bühne »Rastplatz« über<br />
Regionen und Wege ausführlich informieren<br />
und inspirieren lassen.<br />
Anbieter und Marken von Ausrüstung zum<br />
Wandern präsentieren sich in Halle 2. Vom Taschenmesser<br />
über<br />
Rucksäcke, Bekleidung,<br />
Schuhe und<br />
Stöcke bis zum<br />
GPS-Empfänger<br />
und digitalen Wanderkarten<br />
gibt es<br />
alles für das Wandern.<br />
Vor dem Kauf<br />
können die Besucher<br />
die Produkte<br />
ausprobieren und<br />
zum Beispiel auf der speziellen Teststrecke für<br />
Wanderstiefel den richtigen Sitz überprüfen<br />
oder in der Zeltstadt Probe liegen. Auch Kinder<br />
und Jugendliche kommen auf ihre Kosten,<br />
denn Kraft und Geschicklichkeit lassen sich am<br />
Kletterturm oder auf der Slackline messen. Im<br />
Beratungszentrum »TourParcours« beantworten<br />
unabhängige Wanderexperten Fragen rund um<br />
die passende Ausrüstung und den Bergsport.<br />
Erstmals sind die Informationen hier in diesem<br />
Jahr in thematischen Schwerpunkten wie Winterwandern,<br />
Trekking oder Wandern für Einsteiger<br />
gebündelt.<br />
Dazu bietet die Messe, die jährlich rund<br />
35.000 Besucher zählt, ein umfassendes<br />
Fachprogramm mit Aktionen und Informationen<br />
zu den unterschiedlichsten Wanderthemen.<br />
Wer nach dem Besuch der TourNatur<br />
noch Lust auf die neuesten Reisemobile und<br />
Caravans hat, kann mit seinem Ticket noch die<br />
parallel stattfi ndende Messe CARAVAN SALON<br />
besuchen.
AUF TOUR<br />
SERIE: Mit dem Zug ins Gebirg’<br />
Teil 2: Stolze Gipfel und Schlösser bei Füssen<br />
Schach-Züge<br />
Direkt über Schloss Neuschwanstein<br />
ragt der Tegelberg auf, der über<br />
zwei spannende (Kletter-)Steige<br />
begangen werden kann. Fast zum<br />
Ausgangspunkt fährt bequem<br />
die DB Regio. Von Eugen E. Hüsler<br />
Blick vom Gipfel des<br />
Tegelbergs auf Füssen und<br />
die Tannheimer Berge
EINE INITIATIVE VON<br />
+<br />
Christian fühlt sich fast wie ein<br />
(kleiner) König, was aber nichts<br />
mit dem Reiseziel des Tages<br />
zu tun hat. Er hat gestern zwei<br />
Schachduelle gegen Arthur gewonnen<br />
– ein ebenso seltenes wie erfreuliches<br />
Ergebnis. In dem Denkspiel kommt<br />
bekanntermaßen dem König eine zentrale<br />
Rolle zu, auch wenn er – perfide Pointe<br />
– in seiner Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt<br />
ist. Weit beweglicher und für den<br />
Gegner dadurch viel gefährlicher ist da die<br />
Queen. Ob das auch fürs echt royale Leben<br />
heute noch ab und zu gilt?<br />
Ein Ammergauer Gipfel bei Füssen<br />
Während der Fahrt an den Alpenrand hat<br />
Christian ein paar schöne Züge (kleines<br />
Wortspiel: sie sitzen im Zug von DB-Regio)<br />
noch einmal durchgespielt, sich dann<br />
aber dem allmählich näher rückenden<br />
Alpenpanorama zugewandt. Das zeigt ein<br />
paar bemerkenswert schroffe Zacken: die<br />
Tannheimer Berge und die Ammergauer<br />
Alpen, dazwischen den tiefen Einschnitt<br />
des Lechdurchbruchs bei Füssen. Da endet<br />
für Christian und Arthur die Bahnreise,<br />
per Bus geht’s weiter nach Hohenschwangau:<br />
Besuch beim König.<br />
Der wird dann allerdings aufgeschoben,<br />
das erste Ziel der beiden ist der Tegelberg.<br />
Der lässt sich ganz leicht »besteigen«, mit<br />
der Seilbahn. Das kommt für die Zwei natürlich<br />
nicht in Frage, sie gehen zu Fuß. Der<br />
schönste Aufstieg ist jener über den Gelbe-<br />
Wand-Steig, der in das felsige Gelände an<br />
der Nordflanke des Bergstocks führt und<br />
so viel Abwechslung bietet. Recht schattig<br />
ist er über weite Strecken auch, an diesem<br />
warmen Sommertag kein Nachteil. Christian<br />
kennt den Weg von einer früheren Tour<br />
und wundert sich, dass aus ihm inzwischen<br />
ein Klettersteig-Lehrpfad geworden ist. Viel<br />
hat sich dadurch allerdings nicht geändert,<br />
trotz einiger neuer (ziemlich überflüssiger)<br />
Drahtseile und ein paar Infotafeln.<br />
Ein neuer Klettersteig<br />
Nach gut einer Stunde stehen sie am Einstieg<br />
des Tegelberg-Klettersteigs, unübersehbar<br />
die steile Eisenleiter. Die Route muss recht<br />
beliebt sein, eine kleine Menschentraube<br />
hat sich am Einstieg gebildet, man hantiert<br />
mit Klettergurt, Set und Helm. Arthur und<br />
Christian schauen eine Weile zu, wie der<br />
bunte Tatzelwurm sich in Bewegung setzt,<br />
hören das Klick-klick der Karabiner.<br />
»Ned awefoin!«, meint Arthur, der auf<br />
leicht schräge, aber meistens zutreffende<br />
Sprüche spezialisiert ist. Christian hat<br />
sich kürzlich ein Lehrbuch zum Thema<br />
angeschafft, in dem so komplizierte Dinge<br />
wie Fangstoß und Bruchlast thematisiert<br />
werden. Arthur ist eher für »learning by<br />
doing« und hat damit, wie er behauptet,<br />
ganz gute Erfahrungen gemacht.<br />
Viel Neues erfahren die Beiden nicht während<br />
des Aufstiegs auf ihrem Lehrpfad,<br />
dafür gibt’s viel zu sehen, während die<br />
Seilbahnkabine ein paar Mal über ih-<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 79
Die DB Regio auf der<br />
Füssener Strecke<br />
INFO<br />
Das Bayern-Ticket<br />
Mit dem Bayern-Ticket fahren Sie und bis<br />
zu vier weitere Personen bequem, umweltfreundlich<br />
und schnell an Ihr Ausfl ugsziel.<br />
Für 23 Euro kann man mit dem Ticket kreuz<br />
und quer durch Bayern fahren. Beim Lösen<br />
der Fahrkarte können bis zu vier weitere<br />
Personen zu je 4 Euro auf ein Ticket hinzugebucht<br />
werden.<br />
Besonders interessant ist das Bayern-Ticket<br />
für Eltern bzw. Großeltern. Eine Person<br />
zahlt 23 Euro und darf beliebig viele eigene<br />
Kinder oder Enkel unter 15 Jahren kostenlos<br />
mitnehmen. Zusätzlich kann dann noch<br />
eine weitere Person für nur 4 Euro mitfahren.<br />
Das Bayern-Ticket gilt bayernweit in allen<br />
Nahverkehrszügen, Verbundverkehrsmitteln<br />
(S-, U-, Straßenbahnen, Bussen) und fast<br />
allen Linienbussen.<br />
Von Montag bis Freitag gilt das Bayern-Ticket<br />
von 9 Uhr bis 3 Uhr des Folgetages,<br />
an Wochenenden und Feiertagen sowie am<br />
15. August schon ab 0 Uhr.<br />
Das Ticket ist nur gültig, soweit der Geltungstag<br />
sowie Name und Vorname aller reisenden<br />
Personen unauslöschlich eingetragen sind.<br />
Weitere Informationen, Ausflugstipps und<br />
Kauf unter www.bahn.de/bayern<br />
ren Köpfen berg- und talwärts schwebt.<br />
Schließlich leitet die Spur aus dem felsigen,<br />
aber doch eher harmlosen Gelände<br />
heraus in den Wald, und eine halbe Stunde<br />
später stehen sie schon auf der Terrasse<br />
des Tegelberghauses. Da herrscht ordentlich<br />
Betrieb, ein stetes Kommen und Gehen,<br />
und manche starten gleich zu einer<br />
Flugreise: als Drachenflieger oder Paraglider.<br />
Der Tegelberg mit seiner Seilbahn gilt<br />
als Dorado bei den modernen »Ikarussen«.<br />
Zugfahren ist nicht nur bequem, sondern<br />
auch der Blick auf die vorbeiziehenden<br />
Berggipfel ist entspannter möglich.<br />
Ein altes Schloss<br />
Arthur bestellt einen Kaiserschmarrn, was<br />
in der Umgebung von Neuschwanstein ja<br />
besonders gut passt, Christian entscheidet<br />
sich für Allgäuer Kässpatzn. Nach der<br />
zweiten Halben überlegt Arthur, den die<br />
linke Hüfte ein bisschen zwickt, dass so ein<br />
schwereloser Abstieg am Schirm eigentlich<br />
ganz praktisch wäre. Christian gibt sein Basiswissen<br />
über die Gefahren des Fliegens im<br />
Allgemeinen und ein paar brutale Unfälle<br />
an seinen Spezl weiter, worauf sich Arthur<br />
dem Abstiegsweg zuwendet – auf der Karte<br />
erst einmal. Der Weg läuft am Westgrat<br />
des Berges hinunter und schnurgerade auf<br />
den Prachtbau des Märchenkönigs zu. Das<br />
verspricht einen traumhaften Tief blick<br />
auf Neuschwanstein, Bayerns vielleicht<br />
berühmtestes Gebäude (natürlich nach<br />
dem Hof bräuhaus). Rund anderthalb Millionen<br />
Besucher aus aller Welt geben sich<br />
hier jährlich ein Stelldichein, darunter besonders<br />
viele Asiaten. Arthur fragt sich, ob<br />
all die Besucher aus Peking, Shanghai und<br />
Chongqing auch wissen, dass Ludwig II.<br />
von Bayern kein Zeitgenosse Maos war, sondern<br />
bereits sieben Jahre vor dessen Geburt<br />
sein Leben im Starnberger See aushauchte.<br />
Die Zwei verzichten angesichts des beträchtlichen<br />
Gedränges rund um Neu-<br />
schwanstein auf eine Besichtigung und<br />
entscheiden sich für den schönen Spaziergang<br />
– vorbei an Schloss Hohenschwangau<br />
– zum idyllischen Schwansee und<br />
über den Kalvarienberg zurück zum Bahnhof<br />
nach Füssen.<br />
Weil der Zug erst in einer halben Stunde<br />
fährt, genehmigt sich Arthur noch ein Eis,<br />
ein echt italienisches. Christian wird etwas<br />
nervös, schaut öfters auf die Uhr. Er weiß<br />
halt, dass die Züge der DB pünktlich (ab-)<br />
fahren, und da sollte man besser nicht zu<br />
spät kommen… Auch nicht als (Schach-)<br />
König.<br />
◀<br />
Schloss Neuschwanstein mit<br />
der Brücke über die Pöllatschlucht<br />
Fotos: Andreas Strauß (2), Felix Löffelholz<br />
80 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
TOUREN<br />
Füssener Schmankerl mit der DB Regio<br />
Der Zug fährt in zwei Stunden vom Münchner Hauptbahnhof nach Füssen. Von dort lassen<br />
sich großartige Wander-, Klettersteig- und Mehrtage-Touren unternehmen.<br />
Anfahrt (gültig für alle Touren)<br />
Abfahrt ab München Hbf stündlich<br />
um XX:53 Uhr durchgehend bzw.<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Tipp: Bei Nutzung des Zuges um<br />
8:53 Uhr ein MVV-Ticket bis<br />
München-Pasing lösen. Ab Pasing<br />
dann mit dem Bayern-Ticket<br />
fahren, da das Bayern-Ticket erst<br />
ab 9:00 Uhr gilt. Abfahrt des<br />
Zuges in Pasing ist 9:00 Uhr.<br />
1 Über den Falkenstein<br />
(1268 m)<br />
▶ mittel 5 Std.<br />
660 Hm 620 Hm<br />
Charakter: Wenig anstrengende<br />
Wanderung an dem langgestreckten<br />
Rücken, der sich von Füssen westwärts<br />
bis zum Falkenstein erstreckt.<br />
Etwas steiler Abstieg, am Gipfel die<br />
Ruine Falkenstein (13. Jh.), unterhalb<br />
die Mariengrotte. Schöne Ausblicke<br />
auf die Ammergauer Alpen, die Tannheimer<br />
Berge, die Allgäuer Gipfel und<br />
ins Alpenvorland<br />
Ausgangspunkt: Bf Füssen (808 m)<br />
Endpunkt: Bahnhof Pfronten-Steinach<br />
(850 m)<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:34 Uhr mit<br />
Umsteigen in Kempten und Buchloe<br />
Route: Füssen – Obersee – Alatsee<br />
– Saloberalpe (1089 m) – Zirmgrat –<br />
Zwölferkopf (1283 m) – Falkenstein<br />
– Bahnhof Pfronten-Steinach<br />
Einkehr: Alatsee, Saloberalpe,<br />
Falkenstein<br />
2 Neuschwanstein und<br />
Pöllatschlucht<br />
▶ leicht 2½ Std.<br />
380 Hm 380 Hm<br />
m) – Kalvarienberg (953 m) – Füssen<br />
Einkehr: Hohenschwangau<br />
3 Rund um den Alpsee<br />
▶ leicht 4 Std.<br />
250 Hm 250 Hm<br />
Charakter: Was für ein Kontrast –<br />
Trubel und Gedränge rund um Neuschwanstein,<br />
fast schon märchenhafte<br />
Ruhe am waldumsäumten Alpsee.<br />
Die Wanderrunde lässt sich natürlich<br />
auch gut mit einer Schlossbesichtigung<br />
verbinden.<br />
Ausgangs- und Endpunkt: Bahnhof<br />
Füssen (808 m)<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:05 Uhr<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Route: Bahnhof Füssen – Lechfall –<br />
Alpenrosenweg – Alpsee-Rundweg<br />
(814 m) – Hohenschwangau – Parkstraße<br />
– Forchenweg – Bahnhof Füssen<br />
Einkehr: Hohenschwangau<br />
4 Auf den Säuling (2047 m)<br />
▶ schwierig 7 Std.<br />
1400 Hm 1400 Hm<br />
Charakter: Eine tolle Gipfeltour für<br />
Geübte! Am Pilgerschrofen sowie<br />
zwischen dem Säulinghaus und dem<br />
Gipfel mehrere gesicherte Felspassagen.<br />
Trittsicherheit und tadellose Kondition<br />
unerlässlich; großes Panorama<br />
vom Säuling<br />
Ausgangs- und Endpunkt: Hohenschwangau<br />
(810 m), Bus vom Bahnhof<br />
Füssen<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:05 Uhr<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Route: Hohenschwangau – Neuschwanstein<br />
– Brunnenstubenweg<br />
– Wildsulzhütte (1420 m) – Säulinghaus<br />
(1693 m) – Säuling –<br />
Gemswiese – Bleckenau (1167 m)<br />
– Hohenschwangau<br />
Einkehr: Säulinghaus, Königshaus in<br />
der Bleckenau<br />
5 Über den Tegelberg (1880 m)<br />
▶ K1 4½ Std.<br />
890 Hm 890 Hm<br />
Charakter: Abwechslungsreiche Gipfelrunde,<br />
Aufstieg über den Gelbe-<br />
Wand-Steig mit einigen Sicherungen<br />
(seit kurzem Klettersteig-Lehrpfad),<br />
Abstieg nach Neuschwanstein mit<br />
packendem Tiefblick auf das Märchenschloss<br />
und Auslauf durch die<br />
Pöllatschlucht<br />
Ausgangs- und Endpunkt: Parkplatz<br />
der Tegelbergbahn (820 m), Bus vom<br />
Bahnhof Füssen<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:05 Uhr<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Route: Parkplatz – Gelbe-Wand-Steig<br />
– Tegelberg – Westgrat – Marienbrücke<br />
– Pöllatschlucht – Parkplatz<br />
Einkehr: Tegelberghaus<br />
6 Tegelberg-Klettersteig<br />
Tourenkarte 7<br />
Heftmitte<br />
▶ K 3–4 5 Std.<br />
720 Hm 720 Hm<br />
Charakter: Im Jahr 2011 eröffneter<br />
Genussklettersteig, bestens gesichert.<br />
Schöne Kletterstrecken wechseln allerdings<br />
mehrfach mit Gehgelände ab –<br />
bei Nässe sehr unangenehm! Also nur<br />
bei trockenem Wetter gehen. Abstieg<br />
über den Gelbe-Wand-Steig; alternativ<br />
Aufstieg zur Seilbahn am Tegelberg<br />
(1880 m, Gehzeit dann 3½ Std.)<br />
Ausgangs- und Endpunkt: Parkplatz<br />
der Tegelbergbahn (820 m), Bus vom<br />
Bahnhof Füssen<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:05 Uhr<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Route: Parkplatz – Einstieg (ca.<br />
1250 m) – Tegelberg-Klettersteig –<br />
Gelber Wandschrofen (ca. 1540 m)<br />
– Gelbe-Wand-Steig – Parkplatz<br />
Einkehr: evtl. Tegelberghaus<br />
7 Vom Tegelberg nach<br />
Unterammergau<br />
▶ schwierig 16¼ Std.<br />
1500 Hm 2370 Hm<br />
Charakter: Großartige Zwei- oder<br />
Drei-Tage-Tour durch die Ammergauer<br />
Alpen. Markierte Wege, einige gesicherte<br />
Passagen, da und dort steile<br />
Grashänge (Vorsicht bei Nässe!).<br />
Kondition und Bergerfahrung sind<br />
unerlässlich!<br />
Ausgangspunkt: Tegelberg (1707 m),<br />
Bergstation der Seilbahn. Talstation<br />
bei Hohenschwangau (Bus vom<br />
Bahnhof Füssen).<br />
Endpunkt: Bahnhof Unterammergau<br />
(836 m)<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:43 Uhr<br />
mit Umsteigen in Murnau<br />
Route: Tegelberg – Branderfl eck<br />
(1620 m) – Ahornsattel – Krähe<br />
(2012 m) – Hochplatte (2082 m) –<br />
Kenzenhütte (1294 m) – Bäckenalmsattel<br />
(1536 m) – Große Klammspitze<br />
(1924 m) – Brunnenkopfhütte<br />
(1602 m) – August-Schuster-Haus<br />
(1564 m) – Bahnhof Unterammergau<br />
Gehzeiten: Tegelberg – Kenzenhütte<br />
5½ Std., Kenzenhütte – Brunnenkopfhütte<br />
4½ Std., Brunnenkopfhütte<br />
– Unterammergau 6¼ Std.<br />
Einkehr: Brunnenkopfhütte, Kenzenhaus,<br />
August-Schuster-Haus<br />
Charakter: Eine Stadt, zwei Schlösser,<br />
eine wilde Klamm, ein hübscher<br />
See – und viel Volk auf allen Wegen.<br />
Wer sich für eine Besichtigung der<br />
Königsschlösser entschließt, muss<br />
entsprechend mehr Zeit einkalkulieren.<br />
Ausgangspunkt: Hohenschwangau<br />
(810 m), Bus vom Bahnhof Füssen<br />
Endpunkt: Bahnhof Füssen (808 m)<br />
Rückfahrt: stündlich um XX:05 Uhr<br />
mit Umsteigen in Buchloe<br />
Route: Hohenschwangau – Schloss<br />
Neuschwanstein (969 m) – Pöllatschlucht<br />
– Hohenschwangau – Schloss<br />
Hohenschwangau – Schwansee (789<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 81
Foto: Andreas Strauß<br />
ALPINISMUS
Das sehr rote Bivacco<br />
Bianco mit Blick auf die<br />
Südwand der Marmolada<br />
150 Jahre Erstbesteigung der Marmolada<br />
Meilensteine<br />
Zwei Kilometer ist die Felsmauer der<br />
Marmolada lang. Kein Wunder, dass sie 1864<br />
über den sanft ansteigenden Gletscher<br />
im Norden erstbegangen wurde – und auch<br />
heute nur stellenweise gezähmt ist.<br />
Von Andrea Strauß<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 83
»Die Hochburg<br />
des extremen<br />
Dolomitenkletterns.«<br />
Dieter Hasse über die<br />
Marmolada-Südwand<br />
INFO<br />
Spitzen und Straßen<br />
Der 1838 in Wien geborene Paul Grohmann<br />
war einer der bedeutendsten Alpinisten<br />
seiner Zeit und Mitbegründer des Österreichischen<br />
Alpenvereins im Jahr 1862. Er stand<br />
als Erster auf dem Hochfeiler, der Hochalmspitze<br />
und dem Olperer; sein Lieblingsrevier<br />
aber waren die Dolomiten. »Alles<br />
nur ein kleiner Anfang«, soll Paul Grohmann<br />
gesagt haben, nachdem er innerhalb von<br />
sieben Jahren fast alle großen Dolomitengipfel<br />
erstbestiegen hatte: die drei Tofane,<br />
Antelao, Sorapis, Piz Boè, Monte Cristallo,<br />
Dreischusterspitze, Langkofel, Große Zinne<br />
und eben Punta Rocca und Punta Penia,<br />
die beiden höchsten Erhebungen der Marmolada.<br />
1875 wurde die Sasso di Levante<br />
in der Langkofelgruppe nach ihm benannt;<br />
in seiner Heimatstadt Wien trägt eine Straße<br />
seit 1984 seinen Namen. Paul Grohmann,<br />
der das Bergsteigen über das Familienvermögen<br />
fi nanzierte, starb am 29. Juli 1908.<br />
»A<br />
ls ich von den Spitzen und Höhen<br />
der Tauern eine neue Bergwelt<br />
von märchenhaften Formen im<br />
Süden erblickte, eine Bergwelt,<br />
über die sich in vielen Beziehungen<br />
noch der Schleier des Geheimnisses<br />
bereitete, beschloß ich, in die Dolomiten<br />
zu ziehen und dort zu arbeiten!« Die<br />
Zeilen stammen von Paul Grohmann, dem<br />
es vor 150 Jahren gelang, diesen Schleier<br />
des Geheimnisses ein wenig zu lüften. Er<br />
stand als Erster auf der Marmolada. Auch<br />
wenn das Ergebnis seiner barometrischen<br />
Höhenmessungen von 3365 Meter auf die<br />
heute gemeinhin gültigen 3343 Meter korrigiert<br />
wurde – die Marmolada war und<br />
ist der höchste Gipfel der Dolomiten. Für<br />
viele ist sie die Königin der bleichen Berge.<br />
Vor Grohmanns Erstbesteigung gilt die<br />
Marmolada – oft auch Marmolata und<br />
Marmoleda – lange als unbezwingbar:<br />
senkrechte Felsmauern zur einen, Gletscher<br />
zur anderen Seite. 1802 wagt es<br />
dennoch erstmals eine Gruppe von drei<br />
Geistlichen, den Nebengipfel Punta Rocca<br />
(3309 m) zu versuchen. Don Terza, Don<br />
Costadedoi und Don Pezzei sowie ein Arzt<br />
und ein Richter steigen über die weiträumige<br />
Gletscherfläche auf der Nordseite<br />
auf, ohne aber die anvisierte Punta Rocca<br />
zu erreichen. Beim Abstieg fällt Don Terza<br />
in eine Gletscherspalte – der Mythos der<br />
Unbezwingbarkeit, der vorher bereits existierte,<br />
wächst durch diesen Unfall weiter.<br />
Ein Wiener in Cortina<br />
Jahrzehnte vergehen, ohne dass erneut<br />
Versuche unternommen werden. Erst<br />
1856 brechen wiederum drei Geistliche<br />
auf, dieses Mal aus der Gegend von<br />
Agordo, begleitet von einem jungen Adeligen<br />
und zwei einheimischen Führern. Sie<br />
wollen an der Punta Rocca gewesen sein.<br />
Nur Beweis findet sich dazu später keiner.<br />
1860 unternimmt der Brite John Ball,<br />
Gründer des Alpine Club in London, einen<br />
ernsthaften Versuch. Später wird auch seine<br />
Erstbegehung angezweifelt.<br />
Im Juli 1862 kommt schließlich der Wiener<br />
Paul Grohmann nach Cortina. »Ich<br />
ging sofort über den Giau nach Caprile<br />
und bestieg von dort mit Pellegrini die sogenannte<br />
Marmolada di Rocca. Glutvolle<br />
Tage. Bilder in nie gesehenen Farben, Erfolge<br />
– das waren glückliche Tage!« 24<br />
Jahre ist er damals, in <strong>Bergsteiger</strong>kreisen<br />
aber bereits wohl bekannt (siehe Kasten).<br />
Zwei Jahre später stattet er der Region<br />
erneut einen Besuch ab. Gemeinsam mit<br />
Angelo und Fulgenzio Dimai gelingt ihm<br />
am 28. September der Anstieg bis zum<br />
höchsten Punkt des Gebirgsstocks, bis zur<br />
Punta Penia. Begleiten lässt er sich von den<br />
besten ortsansässigen Führern.<br />
Krieg unter dem Gletscher<br />
Rasant wächst die Zahl der Besucher in den<br />
folgenden Jahrzehnten: Am Fedajapass<br />
entstehen erste Unterkünfte, die Sektion<br />
Nürnberg baut 1895 das Rifugio Contrin,<br />
1903 erhält der Westgrat eine Via Ferrata.<br />
Ebenfalls von der Jahrhundertwende an<br />
nehmen die militärischen Erkundungstouren<br />
an der Marmolada zu: Über den<br />
Gebirgsstock verläuft die Grenze zwischen<br />
Österreich-Ungarn und Italien.<br />
Von 1915 an werden die Stellungen an der<br />
Gebirgsfront des Ersten Weltkriegs ausgebaut,<br />
im Spätwinter 1916 stehen sich an<br />
der Marmolada die Kombattanten mit Gewehr<br />
und Kanone gegenüber. Meterweise<br />
kämpfen Soldaten in den folgenden eineinhalb<br />
Jahren um Fels und Eis und einen<br />
Linienverlauf auf der Landkarte. Steige,<br />
Stellungen und verrostete Stacheldrahtrollen<br />
sind heute noch zu finden. Kriegsgefangene<br />
müssen als Träger Material und<br />
Lebensmittel zu den Stellungen schleppen,<br />
sie sind dabei leicht zu treffende Ziele. Andere<br />
sterben durch Wind, Wetter und Lawinen.<br />
Schließlich wird der Transport der<br />
Kriegsmaterialien in das Eis verlegt, erst<br />
durch versicherte Gletscherspalten, später<br />
werden zwölf Kilometer Stollen ins Eis gesprengt<br />
und geschlagen. Bis zu 1500 Mann<br />
bringen die Österreicher in einer Eisstadt<br />
im Marmolada-Gletscher unter.<br />
Wo vor hundert Jahren um jeden Meter gekämpft<br />
wurde, genießen heute Ausflügler<br />
die Sicht und fahren im Winter Ski. 1935<br />
findet der erste Riesenslalom an der Marmolada<br />
statt, 1946 erhält der Berg eine der<br />
ersten Seilbahnen, hoch zum Pian dei Fiacconi.<br />
Heute ist der einst so Widerspenstige<br />
gezähmt, zumindest in Teilen: Das Skigebiet<br />
umfasst sechs Lifte, die Seilbahnstation<br />
Serauta beherbergt ein Museum zum<br />
Gebirgskrieg und an der Punta Rocca hat<br />
Beim Aufstieg zum<br />
Heiligkreuzkofel ist<br />
die vergletscherte<br />
Nordseite zu sehen.<br />
Das Rifugio Contrin<br />
dient als Stützpunkt<br />
für Besteigungen<br />
der Marmolada.<br />
Foto: Andreas Strauß, OeAV Alpenverein-Museum, Rifugio Contrin<br />
84 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 85
Die Königin der Dolomiten<br />
hat viele Gesichter –<br />
wie den Seitengipfel<br />
Gran Vernel.<br />
Für manche<br />
Kletterer ist die<br />
Südwand des<br />
Berges ein Teil<br />
ihres Lebens.<br />
KOMPAKT<br />
Hin und weg<br />
Hinkommen: Von Norden über den<br />
Brenner und durch das Fassatal an<br />
die Westseite der Marmolada oder auch<br />
über das Pustertal und Corvara nach<br />
Arabba im Süden der Marmolada.<br />
Raufkommen: Bis kurz unter die<br />
Punta Rocca (3309 m) fährt die Seilbahn.<br />
Der Normalweg auf den höchsten Gipfel,<br />
die Punta Penia (3343 m), führt vom Fedaiapass<br />
über das Rifugio Pian dei Fiacconi<br />
(siehe Tourenkasten).<br />
Talort: Canazei (1440 m) im Fassatal<br />
Karte: Tabacco-Karte, 1:25 000,<br />
Blatt 06 »Val di Fassa«<br />
Informationen: APT Val di Fassa,<br />
Strèda Roma 36, I-38032 Canazei,<br />
Tel. 00 39/04 62/60 95 00, www.fassa.com<br />
Papst Johannes Paul II. persönlich die Kapelle<br />
Madonna della Neve geweiht.<br />
Von der anderen Seite zeigt sich der Berg<br />
weiterhin freilich wild und unbeherrschbar.<br />
»Einstieg von der Passhöhe etwas nach<br />
Osten. Die ersten zwei Drittel sind, nach<br />
meiner Ansicht, das Schwierigste was ich<br />
je in den Dolomiten angetroffen habe, und<br />
erfordern mehr Kraft, Können, Ausdauer<br />
und Mut als alles, was ich kenne. Der Rest<br />
des Anstiegs wäre einfacher, wurde aber<br />
erschwert durch ein Gewitter, Hagel und<br />
Schnee. Das machte ihn überaus schwierig<br />
und gefährlich. Wir waren zwölf Stunden<br />
in den Felsen.« Mit diesen Worten beschreibt<br />
die Britin Beatrice Tomasson die<br />
Erstbegehung der Marmolada-Südwand,<br />
deren Durchsteigungsmöglichkeit sie 1900<br />
erkunden lässt. Bergführer Rizzi gelangt<br />
zur ersten Terrasse nach etwa einem Drittel<br />
der Wand. Im Folgejahr engagiert Tomasson<br />
Michele Bettega aus San Martino<br />
und Bortolo Zagonel. Gemeinsam steigen<br />
sie zur Alpe Ombretta auf, übernachten<br />
dort und steigen am 1. Juli bei unsicherem<br />
Wetter in die Südwand ein. Eine Hilfsmannschaft<br />
trägt unterdessen Bergschuhe,<br />
warme Kleidung und den Champagner für<br />
den Gipfelsieg auf die Punta Penia. Es sollte<br />
nicht umsonst sein.<br />
Als »Via Classica«, IV+, wird die Route heute<br />
noch begangen. Wie es der Name sagt:<br />
ein echter Klassiker. Medial ausgeschlachtet<br />
wird die Erstbegehung übrigens nicht.<br />
Ganz im Gegenteil. Nur in den Alpenvereinsmitteilungen<br />
erscheinen ein paar<br />
Zeilen, dass die Südwand der Marmolada<br />
erstiegen ist. Die wenigen Details zur Tour<br />
schreibt Tomasson ihrem Führer Bettega<br />
ins Führerbuch.<br />
Zwei Kilometer ist die Felsmauer im Süden<br />
lang, bis zu 800 Höhenmeter misst die<br />
Vertikale. Eine gewaltige Wand aus fantastischem<br />
Fels. Immer wieder wird hier<br />
Klettergeschichte geschrieben – wie etwa<br />
mit dem Südpfeiler (VI/A0), von der Heinz<br />
Mariacher sagt, sie gehöre »bis heute zu<br />
den anspruchsvollsten Routen in der Südwand:<br />
Sie ist fast das ganze Jahr hindurch<br />
nass, vereist, brüchig und daher überaus<br />
gefährlich.« Lange gilt sie als schwierigste<br />
Tour der Dolomiten.<br />
86 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Der Weg durch den Fisch<br />
Beliebter ist die Südwestwand, erstbegangen<br />
von Hans Vinatzer und Ettore Castiglioni<br />
(VI+) 1936. Reinhold Messner durchsteigt<br />
sie 1969 erstmals solo und führt sie<br />
im oberen Teil direkter fort (Messner, VI+).<br />
Einen noch größeren Bekanntheitsgrad<br />
unter Kletterern besitzt der »Weg durch<br />
den Fisch«, den die beiden Tschechen Igor<br />
Koller und Indřich Šustr 1981 meistern.<br />
37 Seillängen lang führt sie durch den anspruchsvollsten<br />
Teil der Wand. Die beiden<br />
klettern zwar technisch, setzen aber keine<br />
Bohrhaken (VII+/A3). Erst drei Jahre später<br />
gelingt Heinz Mariacher, dem Hausmeister<br />
der Marmolada-Südwand, und Luisa Iovane<br />
die erste Wiederholung. 1982 begeht die<br />
»Hausmeisterseilschaft« Mariacher und Iovane<br />
»Moderne Zeiten« (VII+)– ohne Bohrhaken<br />
und mit wenigen Normalhaken, bei<br />
800 Metern Wandhöhe gerade einmal zehn<br />
Meter brüchig, eine der besten Klettereien<br />
in den gesamten Alpen. 1987 begehen Mariacher<br />
und Pederiva den »Weg durch den<br />
Fisch« rotpunkt (IX-). »Da blickt man lieber<br />
nicht hinunter, wenn man einen schwierigen<br />
Kletterzug macht«, kommentierte<br />
Mariacher einmal die Absicherung. Auf<br />
die verzichtet der Tiroler Hans-Jörg Auer<br />
bei seiner Solo-Begehung 2007 allerdings<br />
komplett. Keine drei Stunden benötigt der<br />
damals 23-Jährige, um an der Marmolada<br />
erneut Alpingeschichte zu schreiben. Noch<br />
heute sagt er: »Mit der Free-Solo-Begehung<br />
konnte ich mir meinen wahrscheinlich<br />
größten Traum überhaupt erfüllen. «<br />
Für die meisten <strong>Bergsteiger</strong> ist der »Weg<br />
durch den Fisch« ein Stück Fels, für das er<br />
den Kopf in den Nacken legen muss, um<br />
zumindest von unten einen Blick darauf<br />
werfen zu können. Dann schon lieber der<br />
Weg des Normalanstiegs über den Gletscher<br />
auf die Punta Penia. So wie Paul<br />
Grohmann vor 150 Jahren.<br />
◀<br />
TOUREN<br />
Vier Wege für ein Halleluja<br />
Auf die Marmolada führen mehrere relativ einfache Touren,<br />
von der Wanderung über Klettersteige bis zur alpinen Kletterei.<br />
1 Marmolada-Normalweg<br />
▶ mittel 6–7 Std.<br />
1250 Hm 1250 Hm<br />
Charakter: Eindrucksvolle Tour über den<br />
Marmoladagletscher mit versichertem<br />
Felsstück zum höchsten Punkt.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz an der<br />
Seilbahn Seggiovia Marmolada am Südwesteck<br />
des Fedaiasees (2095 m)<br />
Hütten: Rifugio Pian del Fiacconi<br />
(2626 m), privat, Juni – September, 30<br />
Schlafplätze, Tel. 00 39/04 62/60 14 12;<br />
Rifugio Capanna al Ghiacciaio (2700 m),<br />
privat, Juni – September, 20 Schlafplätze,<br />
Tel. 00 39/03 36/53 08 00; Capanna<br />
Punta Penia (3342 m) privat, Mitte<br />
Juni – Ende September, 15 Schlafplätze,<br />
Tel. 00 39/04 62/76 42 07.<br />
Route: Vom Fedaiasee auf einem markierten<br />
Weg zum Rifugio Pian del Fiacconi.<br />
Weiter über den Marmoladagletscher.<br />
Zu Beginn der Saison anfangs fl acher,<br />
dann mäßig steiler Firn, später im Jahr<br />
auch Eis (Steigeisen nötig). Über eine<br />
Felspassage (versichert) auf den Nordgrat<br />
hinauf. Der Nordgrat ist ein mäßig geneigter<br />
Firnrücken, der direkt zum Gipfel leitet.<br />
2 Marmolada-Westgrat vom<br />
Fedaiasee<br />
▶ K3 7 Std.<br />
1500 Hm 1500 Hm<br />
Charakter: Neben dem Normalweg die<br />
am häufi gsten begangene Route. Bei<br />
Schnee und Vereisung aber anspruchsvoll.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz an der<br />
Seilbahn Seggiovia Marmolada am Südwesteck<br />
des Fedaiasees (2095 m)<br />
Hütten: siehe Normalweg<br />
Route: Vom Fedaiasee zum Rifugio Pian del<br />
Fiacconi. Auf dem Weg 606 nach Westen<br />
auf den Vernel-Gletscher (evtl. Steigeisen)<br />
und über diesen zum Beginn der Versicherungen<br />
in die Forcella della Marmolada.<br />
Von hier auf dem Westgrat-Klettersteig und<br />
zuletzt über Felsschutt zur Punta Penia.<br />
3 Marmolada-Westgrat durchs<br />
Contrintal<br />
▶ K3 2 Tage<br />
1860 Hm 1860 Hm<br />
Charakter: Abwechslungsreiche Tour<br />
durch das schöne Contrintal und über den<br />
Westgrat auf den Gipfel.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz der Seilbahn<br />
Ciampac (1490 m) zwischen Alba und Penia<br />
Hütte: Rifugio Contrin (2016 m),<br />
Mitte Juni – Ende September, Tel. 00 39/<br />
04 62/ 60 11 01, www.rifugiocontrin.it<br />
Route: Vom Parkplatz auf dem Hüttenweg<br />
bequem zum Rifugio Contrin. Weiter auf<br />
den Weg 606 von Südwesten her in die<br />
Forcella della Marmolada. Von hier auf<br />
dem Westgrat-Klettersteig (wie bei 2) und<br />
zuletzt über Felsschutt zur Punta Penia.<br />
4 Marmolada, »Via Classica«<br />
▶ IV+ 5–7 Std.<br />
650 Hm 650 Hm<br />
Charakter: Klassische Kletterei durch<br />
den linken Teil der riesigen Wand. Alpines<br />
Ambiente und ebensolche Absicherung.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz der Seilbahn<br />
Ciampac (1490 m) zwischen Alba und Penia<br />
Hütte: Rifugio Contrin, siehe 3.<br />
Route: Vom Parkplatz auf dem Hüttenweg<br />
bequem zum Rifugio Contrin und zum<br />
Passo Ombretta. Einstieg rechts der großen<br />
Gipfelschlucht (Gedenktafel). In ca. 20<br />
Seillängen überwiegend in Kaminen und<br />
Rissen über zwei Terrassenabsätze auf den<br />
Ostgrat und zum Gipfel. IV+, meist leichter.<br />
Für <strong>Bergsteiger</strong><br />
heute kein Problem<br />
mehr: der Gipfel<br />
Fotos: Andreas Strauß<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 87
KOLUMNE<br />
Durch<br />
dick<br />
und<br />
dünn<br />
DAVIDS DEPESCHEN (7)<br />
Haute cuisine im<br />
Basislager: Das<br />
haut den stärksten<br />
<strong>Bergsteiger</strong> um.<br />
Geschichten aus dem Basislager<br />
Patagonien, Region der Extreme. Das gilt<br />
nicht nur für Berge und Wetter, auch<br />
was das Essen angeht, sind die krassesten<br />
Schwankungen möglich. Ziel ist es<br />
eigentlich, die goldene Mitte zu finden.<br />
Um es vorweg zu nehmen: Wir fanden<br />
sie nicht.<br />
Mein Kletterpartner Daniel und ich wollten<br />
uns für eine Kletterroute am Piergiorgio in<br />
eine optimale Ausgangslage bringen, also<br />
möglichst nahe an den Berg, an die Zunge<br />
des Marconi-Gletschers. Zwischen der Straße<br />
und unserem Camp lag ein Fußmarsch<br />
von zwei Tagen, bei dem wir durch zwei<br />
eiskalte Bäche waten und am Ende durch<br />
rutschiges, fast wegloses Gelände und<br />
Geröll balancieren mussten. Unser Essen<br />
hatten wir angesichts dieser Tortur auf ein<br />
Minimum beschränkt und uns auf insgesamt<br />
zehn Tage eingestellt. Weil das Wetter<br />
damals noch ohne Wetterbericht daherkam,<br />
wie es gerade wollte, hieß das für<br />
uns: warten und hoffen. Um der absoluten<br />
Monotonie Vorschub zu leisten, hatten wir<br />
uns in Sachen Speiseplan für einen Zwei-<br />
Tage-Rhythmus entschieden.<br />
Expeditionen stellen den<br />
Magen vor eine harte<br />
Probe, in jeder Hinsicht.<br />
Nach Gummibärenzählen<br />
und der völligen Bewegungsunfähigkeit<br />
wartet<br />
die böse Überraschung<br />
manchmal erst zu Hause.<br />
Von David Göttler<br />
Tag eins, Frühstück: fünf Löffel Müsli plus<br />
Pulvercafe.<br />
Tag eins, Mittagessen: zwei Müsliriegel der<br />
Sorte Flatulenz Maximus.<br />
Tag eins, Abendessen: Nudeln mit Tomatensoße.<br />
Tag zwei, Frühstück: zwei Scheiben hausgemachtes<br />
Brot aus der Bäckerei von El<br />
Chaltén mit ganz und gar nicht hausgemachter<br />
Erdbeeremarmelade; dazu Pulvercafe.<br />
Tag zwei, Mittagessen: siehe Tag eins.<br />
Tag zwei, Abendessen: Reis mit Mais.<br />
Wir zwangen uns, jede Mahlzeit genau zu<br />
timen. Frühstück um acht Uhr. Mittagessen<br />
um 12:30 Uhr. Abendessen um 18 Uhr. Keine<br />
Minute früher! Sonst wären alle Mahlzeiten<br />
zum Frühstück beendet gewesen.<br />
Dennoch waren die Tage unglaublich lang;<br />
sie sahen ungefähr so aus: Lesen. Zeltwand<br />
anstarren. Zeltwandnähte zählen. Auf die<br />
nächste Mahlzeit warten. Als kulinarisches<br />
Schmankerl – nein, als Highlight<br />
überhaupt – hatten wir noch eine Packung<br />
Gummibärchen dabei. Wir zählten<br />
alle Bärchen ab, und jeder bekam die Hälfte.<br />
Ich fand das ziemlich clever von mir,<br />
denn ich wusste, dass Daniel eine andere<br />
Genussstrategie favorisiert. Er verschlang<br />
alle Gummibärchen innerhalb von zwei<br />
Tagen, den beiden ersten. Ich teilte mir<br />
meine Hälfte so ein, dass ich jeden Tag eine<br />
kleine Ration hatte. Was unseren Tagesablauf<br />
von Tag vier an um die Komponente<br />
bereicherte, meine Bärenkompanie gegen<br />
Daniel zu verteidigen oder mit ihm zu diskutieren,<br />
ob diese Pedanterie meinerseits<br />
gut oder einfach nur dämlich war. Ich lies<br />
mir jedenfalls keine Bärchen abschwatzen.<br />
Fotos: Daniel Bartsch<br />
88 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Wir saßen unsere Zeit auf dem Gletscher<br />
ab. Nie erlaubte das Wetter eine größere<br />
Tour; der Wind zerrte an Zelt und Nerven.<br />
Ein paar Kilo leichter, dafür gesättigt mit<br />
dem Wissen, wie sich Hunger, Langweile<br />
und Sturmböen anfühlen, die man der<br />
Abwechslung wegen mit Freude erwartet,<br />
kamen wir unverrichteter Dinge zurück in<br />
die Zivilisation. Außerdem kenne ich nun<br />
Klassiker wie die TV-Serie »Monaco Franze«<br />
auswendig, ohne eine einzige Folge gesehen<br />
zu haben. Mein Zeltmitbewohner hat<br />
sie mir bis ins letzte Detail erzählt.<br />
In dem Dorf El Chaltén, Ausgangspunkt<br />
für das Bergsteigen um Fitz Roy und Cerro<br />
Torre, hatten wir noch einen guten Monat<br />
Zeit. Das nächste Ziel wollten wir direkt<br />
von hier angehen, auch deshalb, weil Nahrung<br />
in Hülle und Fülle zu bekommen<br />
war. Keine Essenszeiten, kein Abzählen,<br />
kein Bärenverteidigen. Was für ein Luxus!<br />
Plötzlich waren unsere Tage von einem<br />
anderen Rhythmus geprägt als Lesen und<br />
Sturmböen. Aufstehen und zur Bäckerei<br />
gehen. Medialunas, kleine süße Croissants<br />
frisch aus dem Ofen, eröffneten die<br />
Die Croissants sind ja so klein! Deshalb werden<br />
sie tütenweise gekauft – und gegessen.<br />
Tagesschlemmerei. Da sie ja so klein waren,<br />
konnte man getrost ein gutes Dutzend<br />
davon verschlingen. Mittags folgte Brot<br />
oder/und Empanadas, Teigtaschen, gefüllt<br />
mit Gemüse oder Käse oder Fleisch oder<br />
allem zusammen. Abends schafften wir<br />
es regelmäßig, so viel unserer selbst gekochten<br />
Nudeln und Gemüse-Tomatensoße<br />
in uns hineinzuschaufeln, bis wir<br />
durch absolute Bewegungsunfähigkeit<br />
und mit akuten Bauchschmerzen bestraft<br />
wurden. Ein paar Mal versuchten wir uns<br />
noch im Bergsteigen, aber bis auf einen<br />
Ausflug zur Grand Charmoz ging nichts<br />
mehr. Nach zwei Wochen machten wir<br />
uns auf den Heimweg – in meinem Fall<br />
mit acht Kilogramm mehr auf den Rippen.<br />
Meine Mutter war angesichts meiner ersten<br />
Expedition natürlich etwas besorgt um<br />
meine Leibesfülle gewesen – und empfing<br />
mich daheim mit einem gewaltigen Essen,<br />
natürlich dem besten der Welt. Die folgenden<br />
Wochen musste ich dann für meine<br />
Maßlosigkeit büßen: Um ein akzeptables<br />
Klettergewicht zu erreichen, war ich wieder<br />
beim Ein-Nudelteller-Programm angekommen.<br />
Und beim strikten Bärchenverbot. ◀<br />
David Göttler, Jahrgang 1978, teilte sein<br />
Zelt an den Steilwänden und Achttausen -<br />
dern dieser Welt unter anderem schon<br />
mit Gerlinde Kaltenbrunner, Stefan<br />
Glowacz und Simone Moro. Der staatlich<br />
geprüfte Berg- und Skiführer sowie<br />
Trainer des DAV-Expedkaders schreibt<br />
exklusiv für den BERGSTEIGER<br />
über seine Erlebnisse auf Expedition.<br />
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09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong><br />
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AUF TOUR<br />
Feltriner Alpen<br />
Durchs wilde<br />
»Bellunistan«<br />
Für die meisten <strong>Bergsteiger</strong> hören die Dolomiten irgendwo im Trentino<br />
auf. Dabei gibt es südöstlich in der Provinz Belluno noch viel zu entdecken.<br />
Zum Beispiel im Nationalpark Belluno Dolomiti. Von Klaus Vick<br />
Teddy Podelsa ist ein eher schweigsamer<br />
Zeitgenosse. Er strahlt innere<br />
Ruhe und Gelassenheit aus.<br />
Teddys Profil ist scharf und kantig<br />
wie die markanten Gipfel der<br />
Feltriner Alpen im Nationalpark Belluno<br />
Dolomiti. Flink wie eine Gämse huscht er<br />
mit seinen schlanken, langen Beinen über<br />
felsige Wege. Und je länger die Tour dau-<br />
90 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
miten. In der Region wandelt man noch<br />
sehr einsam auf den Spuren der alpinistischen<br />
Pioniere. Seit 2009 zählen neun<br />
Naturschutzgebiete der Dolomiten zum<br />
UNESCO-Weltnaturerbe, in die Abgeschiedenheit<br />
der Feltriner Alpen hat die Welt<br />
noch nicht so richtig gefunden.<br />
Still und abgeschieden<br />
Zum Glück, sagt Teddy Podelsa, der die Eigenheit<br />
und Authentizität seiner Heimat<br />
schätzt. Allmählich entwickelt sich der<br />
Nationalpark mit seinen vielen Wanderwegen,<br />
Themenpfaden und Museen zu<br />
einem Geheimtipp für alternativen Naturtourismus.<br />
Seine besondere Beziehung zu<br />
den Bergen hat Teddy in Büchern und Artikeln<br />
beschrieben. Der studierte Chemiker<br />
porträtiert gerne Menschen, die in und mit<br />
den Bergen rund um den Nationalpark leben<br />
und arbeiten. Am ehesten kennt man<br />
die Gemeinden Belluno und Feltre an der<br />
Nord- und Südgrenze des Nationalparks. In<br />
etwa auf halber Strecke liegt Cesiomaggiore,<br />
das Heimatdorf von Teddy Podelsa – an<br />
der Grenze zwischen den Regionen Trentino<br />
und Venetien. Feltre bildet im Übrigen<br />
den Endpunkt des in Brixen beginnenden<br />
Dolomiten-Höhenwegs Nummer 2.<br />
Auch an diesem Samstag, an dem Teddy<br />
voller Umsicht eine bunt zusammenert,<br />
desto mehr wird das anfängliche Gefühl<br />
zur Gewissheit: Diesen abgelegenen<br />
Teil der Dolomiten verkörpert der introvertierte<br />
Norditaliener perfekt.<br />
Der 315 Quadratkilometer große Nationalpark<br />
Belluno Dolomiti wurde 1990<br />
gegründet (zum Vergleich: der älteste Nationalpark<br />
der Alpen in der Schweiz hat<br />
eine Fläche von lediglich 172 km 2 ), um die<br />
OBEN: Hinter dem<br />
satten Grün der sanften<br />
Hochebene Erera-Brendol<br />
zeichnen sich die markigen<br />
Gipfel der Palagruppe<br />
ab – ein toller Kontrast.<br />
UNTEN: Auf dem Weg<br />
zum Gipfel des »Sass de<br />
Mur« muss auf knapp<br />
2000 Metern ein Firnfeld<br />
überquert werden.<br />
vielfältige Pflanzen- und Tierwelt der südlichen<br />
Dolomiten unter Schutz zu stellen.<br />
Zwischen den Tälern Cismon im Westen<br />
und Piave im Osten gelegen, ist er ein Kontrastprogramm<br />
zu den touristisch frequentierteren<br />
Regionen der Gebirgsgruppe in<br />
Südtirol und dem Trentino. Nicht allein<br />
wegen der wilden Landschaft, sondern<br />
wegen seiner Lage im Südosten der Dolo-<br />
Fotos: Fabrizio Friz CTA-CFS, Christian Wanner<br />
KOMPAKT<br />
Belluno Dolomiti<br />
Anfahrt: Mit dem Zug bis nach Padova.<br />
Von dort Zuglinie Montebelluna – Feltre –<br />
Belluno; von Venedig gibt es einen Direktzug<br />
nach Belluno (Fahrtzeit ca. zwei Stunden).<br />
Mit dem Auto auf der Brenner-Autobahn bis<br />
zur Ausfahrt Trento Nord; von dort auf der<br />
SS 47 Weiterfahrt in Richtung Padova; nach<br />
etwa 65 Kilometern Abzweigung auf die SS<br />
50 in Richtung Belluno; nach 20 Kilometern<br />
folgt das hübsche Renaissance-Städtchen<br />
Feltre, nach weiteren 25 Kilometern Belluno.<br />
Karte: Tabacco Nr. 23 »Alpi Feltrine«,<br />
1:25 000<br />
Literatur: Rother Wanderführer special<br />
»Dolomiten Höhenwege 1 – 3«, Franz Hauleitner,<br />
Bergverlag Rother<br />
Tourist-Infos: Parco Nazionale Dolomiti<br />
Bellunesi, 32032 Feltre, Piazzale Zancanaro<br />
1; Tel. 00 39/04 39/33 28; info@dolomitipark.it;<br />
www.dolomitipark.it<br />
Aktivitäten: viele Wanderwege und Themenpfade,<br />
Museen, Agritourismus, Sportmöglichkeiten<br />
(u. a. Reiten, Mountainbiken,<br />
Canyoning); Infos: Tourist-Info (s. oben)<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 91
Fotos: AKU, Christian Wanner<br />
OBEN: An klaren Tagen reicht der Blick vom Monte Pizzocco (2186 m) über das Tal von Belluna<br />
bis zur Lagune von Venedig. RECHTS: Echte Handarbeit im Schuhwerk der Firma AKU<br />
»Hierher verirren sich so wenige <strong>Bergsteiger</strong>,<br />
dass sogar noch Erstbegehungen möglich sein<br />
könnten«, sagt der Einheimische Teddy Podelsa.<br />
gewürfelte Gruppe bis unter die Gipfelgruppe<br />
des Sass de Mur (2547 m) führt,<br />
trifft man unterwegs kaum einen Menschen.<br />
Die Teilnehmer der Tour – Gewinner<br />
eines Test-Wettbewerbs des italienischen<br />
Outdoor-Unternehmens AKU (siehe<br />
Kasten rechts) – kommen aus Österreich<br />
und verschiedenen Regionen Deutschlands.<br />
Die Gruppe ist sehr heterogen, was<br />
ihre bergsteigerischen und konditionellen<br />
Fähigkeiten betrifft. Immerhin schafft es<br />
der Großteil an diesem nebligen Tag bis<br />
zur Westschulter des Sass de Mur – dem<br />
markantesten Gipfel der Feltriner Alpen,<br />
die das Herzstück des Nationalparks Belluno<br />
Dolomiti bilden.<br />
Auf gut 2000 Metern Meereshöhe befindet<br />
sich am Fuße des Monte Neva das Wiesenhochtal<br />
Cadin de Neva, dessen sanft<br />
geschwungene Formen in einem fast unwirklichen<br />
Kontrast zu den schroffen Kalkgipfeln<br />
stehen. Wegen des schneereichen<br />
Winters sind Ende Juni noch viele Firnfel-<br />
INFO<br />
In zweiter Generation<br />
Der Schuhhersteller AKU in Montebelluna<br />
schwört auf viel Handarbeit<br />
Von einer Anhöhe am Ortsrand von Montebelluna<br />
öffnet sich der Blick über eine großfl ächige<br />
Ebene, hinter der das Meer nicht mehr weit ist.<br />
Tatsächlich sind es von hier aus nur noch<br />
knapp 70 Kilometer bis Venedig, in Richtung<br />
Norden wiederum etwa 40 Kilometer bis zu<br />
den Südausläufern der Dolomiten. Nur Insider<br />
wissen, dass in Montebelluna (Provinz Treviso)<br />
mehrere bekannte Outdoor-Marken beheimatet<br />
sind. Neben Geox und Garmont gehört auch der<br />
Schuhhersteller AKU dazu. Der gelernte Schuster<br />
und Selfmademan Galliano Bordin gründete<br />
in den 60er-Jahren einen kleinen Betrieb, aus<br />
dem 1967 zunächst die Marke Dinsport und<br />
von 1991 an AKU hervorging. Das Unternehmen<br />
wird in zweiter Generation von Bordins Sohn<br />
Paolo weitergeführt.<br />
AKU hat sich auf die Entwicklung und Produktion<br />
qualitativ hochwertiger Bergschuhe spezialisiert.<br />
Auf Handarbeit wird immer noch großer Wert<br />
gelegt. Davon konnten sich Leser des BERGSTEI-<br />
GER, die sich als Bergschuh-Tester qualifi ziert<br />
hatten, bei einer Werksbesichtigung überzeugen.<br />
AKU vereint klassische Machart, modernes<br />
Design und neue Technologien. Basierend auf<br />
den Bedürfnissen der Menschen, soll ein authentisches<br />
Produkt geliefert werden. Fertigung im<br />
Einklang mit der Umwelt ist ein Markenkern und<br />
Teil des Unternehmensleitbilds. Im Jahre 2000<br />
wurde eine zweite Produktionsanlage im rumänischen<br />
Cluji Napoca eröffnet, wo mittlerweile etwa<br />
200 der insgesamt gut 250 Beschäftigten von<br />
AKU arbeiten. Das Unternehmen liefert seine Bergschuhe<br />
in insgesamt 40 Länder weltweit.<br />
92 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
der vorhanden. Das Grün der Wiesen, die<br />
rauen Felsformationen, die Schneefelder<br />
und die dichten Nebelschwaden sorgen<br />
an diesem Tag für eine fast gespenstische<br />
Stimmung.<br />
Die von Gletschern während der letzten<br />
Eiszeit geformte Karstlandschaft ist von<br />
Schluchten, Grotten und tiefen Höhlen<br />
durchzogen, erklärt Teddy Podelsa. Wir<br />
gehen auf einem Pfad, den einst auch<br />
Schmuggler und die Erstbesteiger des Sass<br />
de Mur vor 130 Jahren benutzten. »Hierher<br />
verirren sich so wenige <strong>Bergsteiger</strong>, dass<br />
sogar noch Erstbegehungen möglich sein<br />
könnten«, sagt er.<br />
Kriegsgeschichte einer Grenzregion<br />
Das Endziel und Nachtlager unserer Tour<br />
ist das Rifugio Bruno Boz (1718 m). Über<br />
steiles, schrofiges Gelände wandern wir<br />
vom Cadin de Neva bergab, lassen einen<br />
prächtigen Wasserfall links liegen und biegen<br />
schließlich an einer Weggabelung auf<br />
etwa 1800 Metern Höhe links auf einen<br />
Höhenweg ab. Am Passo de Mur (1867 m)<br />
wird Geschichte plötzlich sichtbar. Ein verwitterter<br />
Stein mit der eingravierten Jahreszahl<br />
1845 markiert die einstige Grenze<br />
zwischen Tirol und Venetien. Für einen<br />
Moment halten alle inne. In mehreren<br />
Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts wurde<br />
diese Region zwischen den österreichischen<br />
Habsburgern und Italien hin- und<br />
hergeschoben.<br />
Auf dem letzten Teil unserer Tagestour<br />
begegnen wir Dutzenden Gämsen. Nichts<br />
Außergewöhnliches. Viele Arten der alpinen<br />
Fauna sind im Nationalpark beheimatet.<br />
Teddy berichtet von Bären, gibt aber<br />
ehrlich zu, selbst noch keinen zu Gesicht<br />
bekommen zu haben. Ihre Spuren habe er<br />
aber sehr wohl erkannt.<br />
Das Rifugio Bruno Boz liegt auf einem<br />
saftig grünen Wiesenrücken südwestlich<br />
des Passo de Mur. Die Hütte ist bequem<br />
auch für weniger ambitionierte Wanderer<br />
oder Familien mit Kindern erreichbar. Ein<br />
Ausflug dorthin, so viel steht fest, lohnt<br />
sich allein schon wegen der vorzüglichen<br />
Küche und wegen des urigen Ambientes.<br />
Der nächste Morgen ist sonnig, das zackige<br />
Massiv des Sass de Mur präsentiert<br />
sich in seiner vollen Pracht. Die Gäste<br />
aus Deutschland und Österreich und die<br />
AKU-Mitarbeiter steigen ab ins Tal. Nur einer<br />
bleibt auf der Hütte. Es ist Teddy. Aus<br />
der Ferne erkennt man noch, wie er auf<br />
einem Zaun steht und der Gruppe hinterherwinkt.<br />
Jetzt hat er die Belluno Dolomiti<br />
wieder ganz für sich.<br />
◀<br />
TOUREN<br />
Aschenputtel der Dolomiten<br />
Am Südrand der westlichen Dolomiten gelegen, sind die<br />
Feltriner Alpen ein ideales Ziel für Wanderer und <strong>Bergsteiger</strong>,<br />
die eine wilde und unberührte Landschaft lieben.<br />
1 Busa delle Vette (1900 m)<br />
▶ leicht 2½ Std.<br />
985 Hm 985 Hm<br />
Charakter: Geologische Route durch<br />
einen der interessantesten Naturräume<br />
des Nationalparks mit schützenswerter<br />
Vegetation, kombiniert mit geologischen<br />
und geomorphologischen Aspekten in<br />
einer herrlichen Umgebung.<br />
Ausgangspunkt: Passo Croce d‘Aune<br />
(1015 m) 15 km von Feltre<br />
Hütte: Rifugio Giorgio Dal Piaz (1993<br />
m), letzter Etappenstopp des Dolomiten-<br />
Höhenwegs Nr. 2<br />
Route: Auf Weg CAI 801 ab Croce d‘Aune<br />
(1015 m) – Rifugio Dal Piaz (1993 m) –<br />
Busa delle Vette (1900 m)<br />
2 Umrundung des Sass de Mur<br />
▶ schwierig 9½ Std.<br />
1300 Hm 1300 Hm<br />
Charakter: Der Sass de Mur (2547 m),<br />
zweithöchster Gipfel im Nationalpark, kann<br />
entlang eines spektakulären ringartigen<br />
Systems an Felsbändern auf einer Höhe<br />
von etwa 2200 Metern umrundet werden.<br />
Anspruchsvolle Abschnitte mit leichter<br />
Kletterei (II), Aufteilung der Tour auf zwei<br />
Etappen mit Übernachtung im Rifugio<br />
Bruno Boz empfehlenswert.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz Maso el Belo<br />
(1180 m) im hintersten Noana-Tal<br />
Hütte: Rifugio Bruno Bòz (1718 m)<br />
Route: Auf Weg CAI 727 ab Maso el Belo<br />
(1180 m) – Rifugio Boz (1718 m) –<br />
Malga Nèva Seconda (1741 m) – Forcella<br />
Nèva (2148 m) – Höhenwanderweg rund<br />
um den Sass de Mur – Talabstieg<br />
3 Erera-Brendol (1708 m)<br />
▶ mittel 3 Std.<br />
1048 Hm 1048 Hm<br />
Charakter: Die Hochebene Erera-Brendol<br />
ist eine der schönsten Bergwiesen der Dolomiten.<br />
Im Süden schließen sich die Piani<br />
Eterni an, eine Karstlandschaft mit spektakulären<br />
Grotten und tiefen Abgründen.<br />
Ausgangspunkt: Hotel Alpino (660 m),<br />
7 km von Soranzen im Val Canzoi<br />
Hütte: Bivacchi Casèra Erèra und Casèra<br />
Brendòl (1708 m)<br />
Route: Auf Weg CAI 802 ab Hotel Alpino<br />
(660 m) – Lago de La Stua (710 m) –<br />
Casèra Erèra (1708 m)<br />
4 Pizzocco (2186 m)<br />
▶ mittel 3 Std.<br />
1261 Hm 1261 Hm<br />
Charakter: Prächtiger Panoramagipfel<br />
über dem Tal von Belluna, von dem aus<br />
die Sicht an klaren Tagen bis zur Lagune<br />
von Venedig reicht.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz (925 m) auf<br />
einer winzigen Straße hinter Roncoi,<br />
erreichbar von San Gregorio nelle Alpi<br />
Hütte: Bivacco Palia (1577 m), Rifugio<br />
Casèra Ere (1297 m)<br />
Route: Auf Weg CAI 851 ab Parkplatz<br />
(925 m) – Bivacco Palia (1577 m) –<br />
Pizzocco (2186 m)<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 93
KAUFBERATUNG<br />
Frische<br />
Ultraleichte Wetterschutzjacken<br />
Windbeutel<br />
DIE ZWÖLF TESTMODELLE<br />
IM ÜBERBLICK<br />
ADIDAS Terrex Zupalite Jacket<br />
BERGHAUS VapourLight Speed Windshirt<br />
HAGLÖFS Shield Hood<br />
LA SPORTIVA Oxygen Windbreaker Pullover<br />
MAMMUT MTR 201 Rainspeed Jacket<br />
MARMOT Essence Jacket<br />
MOUNTAIN HARDWEAR Ghost Whisperer Hooded Jacket<br />
OUTDOOR RESEARCH Helium II Jacket<br />
THE NORTH FACE Verto Storm Jacket<br />
RAB Alpine Jacket<br />
SIR JOSEPH Mera Jacket<br />
VAUDE Viso Jacket<br />
SCHNITTIG<br />
Die Passform sollte nicht<br />
zu weit sein, um zu vermeiden,<br />
dass der Stoff sich<br />
bei Wind pludert und damit<br />
eine größere Widerstandsfläche<br />
bietet.<br />
DURCHLÄSSIG<br />
Die Ultraleichtjacke sollte<br />
winddicht oder -resistent (ab<br />
80%) sowie dauerhaft wasserresistent<br />
sein. Je nach Einsatz<br />
kann sie zusätzlich wasserdicht<br />
oder stark dampfdurchlässig<br />
sein.
Früher boten ultraleichte Jacken nur einen Not-Windschutz für Sommer und<br />
Übergangszeiten, inzwischen sind sie auch wasserdicht oder sehr dampfdurchlässig.<br />
Gerade für Wanderer oder Trailrunner, denen es mehr aufs Gewicht als<br />
auf Robustheit ankommt, lohnt sich eine solche Jacke. Von Christian Schneeweiß<br />
Eigentlich hatten wir uns von den<br />
ultraleichten Jacken bis maximal<br />
200 Gramm eine relativ homogene<br />
Sammlung von Windbreakern<br />
erwartet. Heraus kam eine kunterbunte<br />
Vielfalt von extrem leichten und<br />
winzig verpackbaren Windbreakern über<br />
extrem dampfdurchlässige und elastische,<br />
aber nur windresistente Leicht-Softshells<br />
bis hin zu den leichtesten wasserdichtatmungsaktiven<br />
Membranjacken.<br />
LUFTIG<br />
Netz- oder Stretchmaterial<br />
unter den Achseln<br />
sorgt für die nötige<br />
Kühlung bei hoher<br />
Aktivität.<br />
SCHLÜSSIG<br />
Die Abschlüsse sollten<br />
gut abdichten, vor allem<br />
wenn sie aus Lycra sind.<br />
Verstellbare Bündchen hingegen<br />
lassen sich exakt<br />
anpassen.<br />
Foto: Hans Herbig<br />
▶ Minimal: Gewicht und Packmaß<br />
Ultraleichtjacken sind winzig verpackbar<br />
und können den ganzen Sommer und<br />
Herbst im Tagesrucksack bleiben, ohne<br />
durch Volumen oder Gewicht zu stören:<br />
Der raumsparendste Windbreaker dieser<br />
Übersicht braucht nur einen Viertel Liter<br />
Platz (Mountain Hardwear), das voluminöseste<br />
Windshell dagegen mehr als zwei Liter<br />
(Sir Joseph). Fast alle Modelle sind in eine<br />
Jackentasche verpackbar (erkennbar am<br />
Zipper innen und außen), das Modell von<br />
Mammut lässt sich anschließend sogar per<br />
Gummiband um die Taille fixieren, wie<br />
man es von K-Ways aus den 1970er- und<br />
80er-Jahren gewohnt war. Etablierter sind<br />
mittlerweile die Pack-Taschen, die man<br />
mit Schlaufe per Karabiner am Klettergurt<br />
befestigen kann.<br />
Tendenziell sind die hauchdünnen Windbreaker<br />
am leichtesten (mit Kapuze bis<br />
150 g), die atmungsaktiven Hardshells<br />
weniger leicht, am meisten bringen aber<br />
die windgekühlten Wind- oder Softshells<br />
auf die Waage: Mountain Hardwear kommt<br />
in XL trotz Kapuze auf nur 70 Gramm, die<br />
nicht ganz winddichte und dafür extrem<br />
dampfdurchlässige Jacke von Rab kommt<br />
auf 220 Gramm.<br />
Das Federgewicht hat natürlich seinen<br />
Preis. Nicht in Form von Kosten, denn die<br />
liegen bei Windbreakern um die 100 Euro.<br />
Selbst bei den wasserdicht-atmungsaktiven<br />
Modellen mit Membran zahlt man<br />
sogar noch unter 200 Euro. Jedoch ist die<br />
Abrieb- und Reißfestigkeit verglichen mit<br />
üblichen Wetterschutz-Jacken äußerst gering.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 95
»In Sachen Beweglichkeit<br />
bieten die Windbreaker<br />
durchwegs hohen Komfort.«<br />
Georg Steinbichler, Tester<br />
▶ Maximal: Komfort und Beweglichkeit<br />
Obwohl Windbreaker wie Plastikhäute<br />
aussehen, fühlen sich die vorgestellten<br />
Modelle nicht unangenehm auf der Haut<br />
an (außer bei Schwitzen). Sie sind sogar<br />
etwas dampfdurchlässig. Zusätzlich besitzen<br />
die hochwertigeren Modelle Netzeinsätze<br />
zur Lüftung unter den Achseln.<br />
Windshells haben stattdessen Taschenlüftungen,<br />
Regenjacken gar keine oder<br />
wenig effektive, überlappte Lüftungen an<br />
Achseln oder Rücken. Bei schweißtreibenden<br />
Aktivitäten bestehen nur diejenigen<br />
Wind- und Softshells den Komfort-Test auf<br />
der Haut (v. a. Rab), die auch die höchste<br />
Dampfableitung besitzen. Mit letzteren<br />
kann lediglich die neue Membran von<br />
Marmot konkurrieren.<br />
Fast alle Modelle besitzen ein verlängertes<br />
Rückenteil (Sir Joseph über Gesäß) für<br />
Schutz auch bei Aktivitäten mit gebückter<br />
Haltung wie beispielsweise beim Biken.<br />
Die ultraleichten Jacken verrutschen bei<br />
Aktivität auch dank der Rückenverlängerungen<br />
fast nur an den Armen. Ideal für<br />
bewegungsintensive Aktivitäten wie Klettern<br />
oder Klettersteige sind die robusteren<br />
Windshelljacken Rab, Sir Joseph, Haglöfs.<br />
Aber auch Adidas, Mammut und The North<br />
Face sind geeignet, da sie weder verrutschen<br />
noch die Armbewegung behindern.<br />
Der Haupteinsatzzweck von Leichtjacken<br />
sollte aufgrund ihrer mäßigen Robustheit<br />
allerdings eher beim Zustieg zu Klettertour<br />
oder Klettersteig, beim Wandern oder<br />
beim Laufen und Biken liegen.<br />
▶ Material: Schutz vor Wind und Nässe<br />
Wasserdichte Ultraleichtjacken sind im<br />
Sommer für Gipfel und Abstieg nach einer<br />
langen Berg- oder Klettertour ideal geeignet,<br />
wenn die Gefahr eines Gewitter-<br />
▶ Die Jacken im Vergleich …<br />
ADIDAS<br />
Terrex Zupalite Jacket<br />
Info: www.adidas.com<br />
Preis: 119,95 €<br />
Gewicht: 125 g (Gr. 52)<br />
Material: Ripstop-Polyamid Climaproof Wind<br />
Packvolumen: ca. 1,3 L<br />
Dichtigkeit: Der Stoff schützt effektiv vor<br />
Wind, die Imprägnierung vor leichtem Regen.<br />
Komfort: Rücken verlängert, Mesh-Einsätze<br />
für Achsel-Ventilation, große Napoleontasche.<br />
Sehr dampfdurchlässig.<br />
Funktion: Front-RV innen abgedeckt,<br />
Kapuzenzug und Rumpfzüge exakt anpassbar,<br />
Gummibündchen weit.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Hauchdünne Windhaut<br />
Der transparente und kaum spürbare Hoody<br />
mit Lüftung ist schlank geschnitten und außer<br />
an den Ärmeln top gegen Wind abgedichtet.<br />
Die Kapuze ist bedingt helmtauglich.<br />
Armrefl ektoren, Packtasche mit Hängschlaufe.<br />
Nur Sommerkollektion (erhältlich bis August).<br />
BERGHAUS<br />
Vapourlite Speed Windshirt Jacket<br />
Info: www.berghaus.com<br />
Preis: 90 €<br />
Gewicht: 125 g (Gr. XL)<br />
Material: dicht gewebtes AF-Polyamid<br />
Packvolumen: ca. 350 ccm<br />
Dichtigkeit: Der vollimprägnierte Stoff ist<br />
winddicht, dauerhaft wasserresistent und sehr<br />
dampfdurchlässig.<br />
Komfort: Jacke mit zwei großen RV- und<br />
innerer Schub-Tasche (eine mit Kabel-Ausgang)<br />
sowie Mesh unter Achseln zur Lüftung<br />
Funktion: Zu den Gummibündchen an Ärmeln<br />
und Rumpf kommt nur ein Hals-Kragen.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Ultraleichtes Taschenwunder<br />
In dem kaum spürbaren, belüfteten und<br />
100 % winddichten Windbreaker ohne<br />
Kapuze lässt sich ein Großteil der Ausrüstung<br />
für Sommertouren transportieren. Der winzige<br />
Front-RV ist kniffl ig zu bedienen. Refl ektoren,<br />
winziger Packbeutel statt Taschen-Verpackung.<br />
HAGLÖFS<br />
Shield Hood<br />
Info: www.haglofs.se Preis: 130 €<br />
Gewicht: 195 g (Gr. XL)<br />
Material: recyceltes Ripstop-Polyester +<br />
Softshell 50 % recycelt<br />
Packvolumen: ca. 1,2 L<br />
Dichtigkeit: Die winddichte und wasserresistente<br />
Hybridjacke ist an Rücken und Achseln<br />
sehr dehnbar und dampfdurchlässig.<br />
Komfort: Innen abgedeckter Front-RV,<br />
Daumenlöcher und langer Rücken mit Tasche<br />
machen bereit für extremere Einsätze.<br />
Funktion: Abdichtung durch Gummizüge am<br />
Rumpf, Lycra an Ärmeln, 3D-Züge an Kapuze.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Bewegungskünstler<br />
Die voluminöse, dampfdurchlässige Hybridjacke<br />
macht jede Bewegung mit und<br />
ist an Rücken und Achseln feuchtesaugend.<br />
Die Verstellung der helmtauglichen Kapuze<br />
ist sehr effi zient. Refl ektor klein, verpackbar<br />
in Napoleontasche, Bluesign-zertifi ziert.<br />
96 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
KAPUZE<br />
Gummizüge zum Verstellen<br />
und ein fester Schild<br />
sorgen für freie Sicht,<br />
während der Kopf vor<br />
Nässe oder Wind gut<br />
geschützt wird.<br />
Fotos: Hans Herbig, Hersteller<br />
TIPP<br />
Allround<br />
TIPP<br />
Komfort<br />
TIPP<br />
Robust<br />
LA SPORTIVA<br />
Oxygen Windbreaker Pullover<br />
Info: www.lasportiva.com<br />
Preis: 94,95 € Gewicht: 105 g (Gr. XL)<br />
Material: dünnstes Ripstop-Nylon<br />
+ dichte Mikrofaser<br />
Packvolumen: ca. 700 ccm<br />
Dichtigkeit: Der extrem dünnhäutige,<br />
elastische Überzieher ist stark windresistent<br />
sowie wasserabweisend imprägniert.<br />
Komfort: Hinterlegter Brust-RV und<br />
Netztasche für Kleinkram reduzieren Gewicht,<br />
eine Verlängerung schützt den Rücken.<br />
Funktion: Lycra-Abschlüsse an Rumpf und<br />
Ärmeln, Gummi an anliegender Kapuze<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Dünnhäutiger Überzieher<br />
Der dampfdurchlässige Blouson für bewegungsintensive<br />
Aktivitäten ist federleicht und<br />
doch funktionell genug, der Stoff jedoch<br />
relativ anfällig. Die Kapuze ohne Verstellmöglichkeit<br />
bietet vollen Windschutz. Daumenschlaufen<br />
und Stautasche mit Schlaufe.<br />
MAMMUT<br />
MTR 201 Rainspeed Jacket<br />
Info: www.mammut.ch<br />
Preis: 180 €<br />
Gewicht: 190 g (Gr. XL)<br />
Material: Drytech 2,5 Lagen<br />
Packvolumen: ca. 1,7 L<br />
Dichtigkeit: Mit 10 000 mm Wassersäule<br />
wasserdicht, die Atmungsaktivität (15 000 g/<br />
m²/24 Std.) liegt im mittleren Bereich.<br />
Komfort: Ventilation unter Schulterblättern,<br />
etwas längerer Rücken, etwas Stretch<br />
Funktion: Ärmel mit elastischen Bündchen,<br />
zweihändige Gummizüge am Rumpf, einrollbare<br />
Kapuze mit Gummibändchen und Schild.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Sportlicher Nässeschutz<br />
Die wasserdichte Lauf- und Bike-Jacke ist<br />
super abgedichtet – bis auf die zu große<br />
Kapuze. Die Lüftung ist ineffektiv, der Front-RV<br />
zu klein. Napoleontasche mit Kabelführung<br />
für MP3-Player, rundum Refl ektoren,<br />
Fairwear- und Bluesign-zertifi ziert.<br />
MARMOT<br />
Essence Jacket<br />
Info: www.marmot.com<br />
Preis: 180 €<br />
Gewicht: 185 g (Gr. XL)<br />
Material: 2,5-lagiges Membrain Nano Pro<br />
Packvolumen: über 2 L<br />
Dichtigkeit: Das ultraleichte Hardshell ist<br />
wasserdicht (10.000 mm) und extrem<br />
atmungsaktiv (47 000 g/m 2 /24 Std.).<br />
Komfort: geschütztes Achselmesh, Kinnpatte,<br />
minimaler Zwei-Wege-Stretch, Napoleontasche.<br />
Funktion: wasserdichter Front-RV hinterlegt,<br />
Ärmel (Gummi-)Bündchen, Gummizug an<br />
Rumpf und Kapuze mit Schild.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Dampfdurchlässiger Regentrotzer<br />
Die funktionellste, atmungsaktivste Regenjacke<br />
mit super Abdichtung ist voluminös, der wasserdichte<br />
RV etwas schwergängig, die Anpassung<br />
der helmtauglichen Kapuze mit breitem<br />
Schild effi zient, aber die Sicht ohne Helm<br />
eingeschränkt. Refl ektoren, keine Verpackung.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 97
▶ So testet der <strong>Bergsteiger</strong><br />
Verrutschen und Beweglichkeit spielen vor<br />
allem bei aktiven Sportarten eine Rolle. Beide<br />
Eigenschaften korrespondierten meist, so dass<br />
die Eignung der Jacken für passivere oder intensivere<br />
Aktivitäten häufi g recht eindeutig war.<br />
Bei der Abdichtung an den Rumpfsäumen<br />
zeigten sich kaum Unterschiede, umso mehr<br />
an den nicht anpassbaren Ärmelbündchen und<br />
den Kapuzen. Die Jacke ohne Kapuze bekam<br />
einen Punktabzug.<br />
Die Windresistenz wurde mit einem Fön plus<br />
Durchatmen mit dem Mund geprüft. Es konnte<br />
somit letztlich zwischen winddicht, annähernd<br />
dicht und windresistent unterschieden werden.<br />
Der Käufer muss entscheiden, ob ihm Windschutz<br />
oder Dampfdurchlass wichtiger ist.<br />
Wasserresistenz: Der mit einer Brause geprüfte<br />
Abperleffekt vor dem ersten Waschen war<br />
phänomenal: Bei allen Ultraleichtjacken<br />
perlte das Wasser gut, bei<br />
wasserdichten Jacken sehr gut ab<br />
und ließ sich bis auf winzige Tröpfchenreste<br />
vollständig abschütteln.<br />
Da die Unterschiede bei Atmungsaktivität<br />
bzw. Dampfdurchlass<br />
(MVTR-Wert = g/m 2 /24 Std.) während<br />
des Sports sehr abhängig von den<br />
physiologischen Eigenheiten der<br />
Testperson waren, wurde der Dampfdurchlass<br />
zusätzlich durch Legen<br />
der Jackeninnenseite über einen Becher<br />
mit 50° warmem Wasser geschätzt, über<br />
den ein Spiegel gehalten wurde. Bei den Jacken<br />
mit bester Dampfdurchlässigkeit lief er in unter<br />
zehn Sekunden an, bei den »nicht atmenden«<br />
Modellen auch nach 30 Sekunden noch nicht.<br />
Auch wenn die Membran von Hardshells<br />
wasserdicht ist, sollte der Oberstoff<br />
imprägniert sein: Vollgesaugt ließe er kaum<br />
noch Dampf durch, so dass man bei<br />
Aktivität von innen nass geschwitzt wäre.<br />
MOUNTAIN HARDWEAR<br />
Ghost Whisperer Hooded Jacket<br />
Info: www.mountainhardwear.com<br />
Preis: 180 €<br />
Gewicht: 70 g (Gr. XL)<br />
Material: Ripstop-Polyamid<br />
Packvolumen: ca. 270 ccm<br />
Dichtigkeit: Die leichteste Jacke mit Kapuze ist<br />
winddicht und wasserresistent.<br />
Komfort: Die minimalistische Jacke mit etwas<br />
längerem Rücken ist sehr atmungsaktiv und<br />
besitzt nur ein Schlüsseltäschchen.<br />
Funktion: Der Rumpfabschluss ist schlicht ein<br />
Saum mit Gummieinsätzen, Kapuze und Ärmel<br />
besitzen Gummibündchen.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
TIPP<br />
Gewicht<br />
▶ FAZIT: Schlichtes Leichtgewicht<br />
Die wohl leichteste Kletter- und Bikejacke<br />
ist kaum spürbar und winzig, aber knapp in<br />
die Schlüsseltasche packbar. Das Volumen<br />
der helmtauglichen, gut mitdrehenden Kapuze<br />
ist etwas weit. Refl ektoren, in Täschchen<br />
verstaubar, relativ teuer.<br />
OUTDOOR RESEARCH<br />
Helium II Jacket<br />
Info: www.outdoorresearch.com<br />
Preis: 160 €<br />
Gewicht: 175 g (Gr. L)<br />
Material: 2,5-lagiges Pertex Shield Plus<br />
Packvolumen: ca. 750 ccm<br />
Dichtigkeit: Die Jacke ist wasserdicht<br />
(13 000 mm), sehr atmungsaktiv (20 000 g/<br />
m 2 /24 Std.) und natürlich winddicht.<br />
Komfort: Minimalistische Regenjacke mit<br />
Napoleontasche und Kinnpatte.<br />
Funktion: wasserdichter Front-RV, Ärmel<br />
(Gummi-)Bündchen, Gummizug Rumpf,<br />
Kapuze mit Schild und 3D-Verstellungen.<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Regenjacke mit Mini-Packmaß<br />
Die relativ robuste, atmungsaktive und<br />
dauerhaft imprägnierte Regenjacke ist winzig<br />
in ihre Innentasche verpackbar. Der fast<br />
100 % wasserdichte RV ist schwergängig,<br />
die Rückenlänge etwas kurz, die helmtaugliche<br />
Kapuze dichtet nicht vollständig.<br />
RAB<br />
Alpine Jacket<br />
Info: www.rab.uk.com<br />
Preis: 119,95 €<br />
Gewicht: 220 g (Gr. 54/XL)<br />
Material: Ripstop-Nylon Pertex Equilibrium<br />
Packvolumen: knapp 2 L<br />
Dichtigkeit: Fast winddicht (95 %), extrem<br />
dampfdurchlässig, aber weniger wasserresistent,<br />
der Front-RV hinterlegt<br />
Komfort: Rücken verlängert, zwei große<br />
hochgesetzte RV-Taschen mit Lüftung,<br />
vollwertiger Stretch<br />
Funktion: Gummibündchen und -züge, einrollbare<br />
helmtaugliche Kapuze mit 3D-Zügen<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
TIPP<br />
Bewegung<br />
▶ FAZIT: Dampfdurchlässigstes Softshell<br />
Das dehnbare Softshell mit bester, helmtauglicher<br />
Kapuze ist ein Bewegungskünstler<br />
mit extremem Dampfdurchlass, jedoch<br />
weniger Nässeschutz. Dank der relativ hohen<br />
Abriebsresistenz eine Berg- und Kletterjacke<br />
nicht nur für den Notfall.<br />
98 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Die Imprägnierung sollte<br />
man schon nach wenigen Wäschen<br />
oder Regengüssen nachrüsten –<br />
und nicht erst nach Dutzenden.<br />
schauers besteht. Ihre Atmungsaktivität ist<br />
gut bis sehr gut (15–20 000 g/m 2 /24 Std.),<br />
die der neuen Membran von Marmot mit<br />
49 000 g extrem. Alle anderen Jacken sind<br />
dagegen »nur« wasserresistent, halten also<br />
Nieseln, aber keinem Dauerregen oder heftigem<br />
Gewitterguss stand. Die dauerhaft<br />
wasserabweisende Ausstattung (DWR) ist<br />
bei allen Jacken gut. Man sollte sie aber<br />
schon nach wenigen Wäschen oder Regengüssen<br />
nachimprägnieren – und nicht<br />
erst nach Dutzenden, wie mancher Hersteller<br />
angibt. Während die meisten Windbreaker<br />
praktisch winddicht und somit<br />
ideal für die windigen Übergangszeiten<br />
sind, erreichen stark dampfdurchlässige<br />
Windshells wie beispielsweise die Modelle<br />
von Rab und Haglöfs nur 80 bis 90 Prozent<br />
Windschutz. Diese neuartigen Jacken lassen<br />
sich auch bei bewegungsintensiver Aktivität<br />
tragen, ohne gleich ins Schwitzen<br />
zu geraten.<br />
TIPP<br />
Die perfekte Jacke<br />
• Ultraleicht-Jacken sind ideal zum Wandern,<br />
für Kletterzustiege wie auch zum Laufen und<br />
Biken geeignet – nicht dagegen für Trekkingoder<br />
Hochtouren mit schwerem Rucksack<br />
oder für Klettersteige. Beim Klettern muss<br />
man zwischen Gewicht und Robustheit<br />
abwägen.<br />
• Liegt die Winddichtigkeit des Materials nur<br />
bei 80-90 Prozent, ist die Dampfdurchlässigkeit<br />
erhöht und die Jacke eignet sich<br />
besser für schweißtreibende Aktivitäten.<br />
• Eine gut sitzende Kapuze schützt erheblich<br />
besser gegen Wind oder Regen als nur ein<br />
Kragen plus Windkappe.<br />
• Separate Beutel mit Gummizug ermöglichen<br />
kleinstes Packmaß, können aber<br />
verloren gehen. Deshalb sollte die Jacke<br />
klein, aber nicht zu knapp in einer ihrer<br />
Taschen verstaubar sein.<br />
SIR JOSEPH<br />
Mera Jacket<br />
Info: www.xtrym.de<br />
Preis: 89,90 €<br />
Gewicht: 180 g (Gr. XL)<br />
Material: Ripstop-Nylon Softex NIUS<br />
Packvolumen: ca. 2 L<br />
Dichtigkeit: 95 % winddicht, wasserresistent<br />
(DWR 600 mm), etwas dampfdurchlässig<br />
Komfort: Schnitt und Rücken länger, 2 große<br />
hochgesetzte RV-Taschen mit Lüftung, leichtgängiger<br />
Zwei-Wege-Front-RV<br />
Funktion: Lycra-Abschlüsse, Einstellzug an<br />
Rumpf und Kapuze, windresistenter Zwei-Wege-<br />
Front-RV innen abgedeckt<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
TIPP<br />
Preis/Lstg.<br />
▶ FAZIT: Anpassbares Komfort-Windshell<br />
Das Windshell mit hoher Abriebresistenz und<br />
perfekter Abdichtung bietet top Anpassung<br />
und rundum super Beweglichkeit für Alpinund<br />
Klettertouren. Längste Jacke mit größtem<br />
Packvolumen und geräumigen Lüftungstaschen.<br />
Ab September im Handel.<br />
THE NORTH FACE<br />
Verto Storm Jacket<br />
Info: www.thenorthface.eu<br />
Preis: 200 €<br />
Gewicht: 230 g (Gr. XL/58)<br />
Material: HyVent 2,5 L mit Ripstop<br />
Packvolumen: 1,3 L<br />
Dichtigkeit: wasserdichte (20.000 mm) und<br />
hoch atmungsaktive Jacke mit hinterlegtem,<br />
windresistentem Reißverschluss<br />
Komfort: längerer Rücken, weiche Kinnpatte<br />
und zwei große Brusttaschen mit Netzlüftung<br />
Funktion: Rumpf- und Kapuzensaum<br />
mit Gummieinsätzen, Ärmelabschlüsse mit<br />
Gummibünden<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS<br />
▶ FAZIT: Nässeschutz für Aktive<br />
Wasserdicht-atmungsaktive Jacke für<br />
bewegungsintensive Aktivitäten. Positiv sind<br />
die großen Taschen, super Refl ektoren und<br />
das geringe Packmaß in der Innentasche.<br />
Die Kapuze mit kleinem Schild ist nur bedingt<br />
helmtauglich, wenn auch gut anpassend.<br />
VAUDE<br />
Viso Jacket<br />
Info: www.vaude.com<br />
Preis: 80 €<br />
Gewicht: 150 g (Gr. 54/XL)<br />
Material: Windproof 80 Ripstop-Polyamid<br />
Packvolumen: ca. 880 ccm<br />
Dichtigkeit: Die klassische Jacke bietet<br />
100 % Windschutz und hohe Wasserresistenz,<br />
aber keinen Dampfdurchlass.<br />
Komfort: Eher schlanke Jacke mit kaum<br />
verlängertem Rücken, zwei große Seitentaschen<br />
außen und Schubfächer innen<br />
Funktion: Lycra-Abschlüsse an den Säumen,<br />
windresistenter Front-RV hinterlegt<br />
WINDRESISTENZ<br />
WASSERRESISTENZ<br />
VERRUTSCHEN<br />
BEWEGLICHKEIT<br />
ABDICHTUNG<br />
DAMPFDURCHLASS –<br />
▶ FAZIT: Günstiger Windschutz<br />
Die schlanke Jacke ist ein Taschenwunder,<br />
passt sich ohne Einstellungen super an, bildet<br />
aber bei Schwitzen eine Feuchteschicht. Die<br />
Ziernähte sind kontraproduktiv. In Napoleontasche<br />
mit Hängschlaufe verpackbar.<br />
Bluesign-zertifi ziert, Fairwear Foundation<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 99
Sonne, Wind und Regenschauer:<br />
Im Herbst muss man<br />
auf alles vorbereitet sein.<br />
▶ Bündchen und Reißverschlüsse<br />
Die Front-Reißverschlüsse der Schutzjacken<br />
sind meistens innen gegen Wind und<br />
Nässe hinterlegt und besitzen einen Kinnschutz.<br />
Aus Gewichtsgründen sind die<br />
Zipper oft sehr klein, was sich in schwergängigem<br />
Einhaken beim Zuziehen äußern<br />
kann. Während sich der Rumpf per<br />
Gummizug am Saum durchwegs simpel<br />
und gut abdichten lässt, sind die Ärmel<br />
mit Gummi- oder Lycrabündchen nicht<br />
anzupassen und häufig etwas weit; beim<br />
Kauf sollte man also darauf achten, dass<br />
sie zum individuellen Handgelenk passen.<br />
Fast alle vorgestellten Modelle besitzen<br />
vernünftigerweise Kapuzen, die teils<br />
durch nur einen Hinterkopfzug angepasst<br />
werden und sich gut mit dem Kopf drehen<br />
lassen. Allerdings dichten einige Modelle<br />
im Halsbereich kaum ab. Die 3D-Züge<br />
funktionellerer Kapuzen sind nur bei Rab<br />
und Sir Joseph perfekt. Und zwar mit oder<br />
ohne Helm, während die meisten voll<br />
helmtauglichen Kapuzen für den Kopf zu<br />
groß sind (v. a. Mammut).<br />
◀<br />
▶ Resümee<br />
Bisher zeichneten sich Ultraleichtjacken<br />
durch minimales Gewicht und Packmaß<br />
sowie vollständigen Windschutz aus, hatten<br />
aber auch die Nachteile von relativ geringer<br />
Festigkeit und Funktionalität. Die Innovationen<br />
in der Textilwelt hin zu immer leichteren<br />
Stoffen haben es möglich gemacht, auch<br />
die leichtesten Jacken zu günstigen Preisen<br />
mit Funktionen zu versehen, die es bisher<br />
nur bei mindestens doppelt so schweren<br />
Schutzjacken gab. Die leichteren Windbreaker<br />
(mit Kapuze unter 150 g) sind heute<br />
sehr dampfdurchlässig und doch wasserresistent.<br />
Schwerere Modelle (zwischen 150<br />
und 200 g) sind nicht nur robuster, sondern<br />
auch wasserdicht oder extrem dampfdurchlässig<br />
– nämlich Hardshells mit Membran<br />
bzw. »nur« windresistente Windshells. Die<br />
Strapazierfähigkeit von Ultraleichtjacken ist<br />
nach wie vor naturgemäß geringer. Die Abdichtung<br />
an den Ärmeln – teils auch an den<br />
Kapuzen – ist noch verbesserungsfähig.<br />
Foto: Hans Herbig<br />
Im nächsten Heft: Isolationswesten<br />
Westen wärmen den Körper und tragen im Vergleich zu<br />
Jacken kaum auf. Sie sind damit ideal für einfachen Schutz<br />
bei Gipfelrasten, aber auch für bewegungsintensive<br />
Aktivitäten an kühlen Tagen. In Kombination mit einer leichten<br />
Schutzjacke machen sie im Winter die Mitnahme einer<br />
Isolationsjacke überflüssig.<br />
Fotos: Christian Schneeweiß (3)<br />
Lüftung: Windbreaker sind trotz ihres extrem<br />
dünnen, oft semitransparenten Stoffs<br />
winddicht, lassen aber wenig Schweißdampf<br />
durch. Eine offene Achsellüftung schafft<br />
etwas Kühlung (Adidas).<br />
Verpackung: Zum Verstauen im Rucksack<br />
werden fast alle Ultraleichtjacken in eine<br />
ihrer Taschen verpackt. So kommt zum<br />
Federgewicht ein Mikrovolumen (Outdoor<br />
Research).<br />
Abdichtung: Während robustere Hardshells<br />
zur Ärmelabdichtung einen sehr variablen<br />
Klettverschluss besitzen, müssen Leichtjacken<br />
meist mit wenig elastischen Gummibündchen<br />
auskommen (The North Face).<br />
100 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
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größeren Schritt als den vom Wandern<br />
zur Hochtour auf Gletschern. Dabei kann auch<br />
der ganz leicht ausfallen, wenn man einige<br />
Dinge beachtet. Von Moritz Baumstieger<br />
Teil 1 – Gehschule<br />
Teil 2 – Leichter Klettersteig<br />
Teil 3 – Berglauf<br />
Teil 4 – Erste leichte Hochtour<br />
Teil 5 – Erster »Zweier«<br />
Teil 6 – Ausrüstung<br />
Teil 7 – Ernährung<br />
Teil 8 – Schneeschuhtour<br />
Teil 9 – Erst Halle, dann Fels<br />
Teil 10 – Hochtourentechnik<br />
Teil 11 – Wetterkunde<br />
Teil 12 – Hochtourentaktik<br />
102 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
EINE INITIATIVE VON +<br />
Foto: Archiv Mammut / Thomas Senf<br />
in dem sich Passagen mit Firnauflage und<br />
Blankeisstellen abwechseln. Hier versucht<br />
man zunächst, ein Gefühl für das Laufen<br />
ohne Steigeisen zu bekommen. Um beim<br />
schrägen Gehen am Hang möglichst viel<br />
Halt zu bekommen, empfehlen Bergprofis<br />
den sogenannten »Sichelgang«: Die Sohlenkante<br />
wird in den Firn gerammt und<br />
dann belastet, so werden kleine Trittflächen<br />
geschaffen.<br />
Noch bevor der Firn in Blankeis übergeht,<br />
werden in sicherer Position die Steigeisen<br />
angelegt. Nun muss die Gehtechnik<br />
gewechselt werden – und zwar grundlegend.<br />
Anstatt wie bisher nur einen Teil der<br />
Sohle einzusetzen, muss jetzt die gesamte<br />
Fläche genutzt werden. Und anstatt den<br />
Fuß beim Schritt wie gewohnt abzurol-<br />
Abkühlung gefällig? Nach einem<br />
heißen Bergsommer im unwegsamen<br />
Gelände, auf Klettersteigen<br />
und beim Trailrunning<br />
geht es nun ins ewige Eis –<br />
wer auf den Mont Blanc will, muss sich<br />
auch auf Gletschern bewegen können.<br />
»Die Sicherheit im Eis wird von zwei Faktoren<br />
beieinflusst«, erklärt der Bergführer<br />
und Hochtouren-Spezialist Franz Hölzl.<br />
»Einerseits von der Gefahr, die von Gletscherspalten<br />
ausgeht, andererseits von der<br />
Absturzgefahr«.<br />
Um Spaltenstürze zu vermeiden oder<br />
wenigstens unbeschadet zu überstehen,<br />
braucht es Erfahrung und Wissen in der<br />
Sicherungstechnik und der Spaltenbergung.<br />
Beides im Rahmen eines Artikels<br />
vermitteln zu wollen, wäre vermessen.<br />
Hochtouren-Grünschnäbel sollten sich<br />
daher Bergführern oder erfahrenen<br />
Freunden anschließen. Noch größer ist<br />
der Lerneffekt auf einem speziellen Hochtourenkurs<br />
beim Alpenverein oder einer<br />
Bergschule. Alle Infos dazu finden Sie im<br />
Infokasten auf Seite 104.<br />
Die Absturzgefahr hingegen wird durch<br />
die richtigen Gehtechniken minimiert.<br />
Schon ein kleiner Strauchler oder Ausrutscher<br />
kann im Eis zu einem Absturz führen.<br />
Sicher zu gehen, ist also lebenswichtig.<br />
Das kann man lernen – und sollte es<br />
auch dann, wenn sich um alles andere<br />
ein Bergführer oder erfahrene Partner in<br />
der Seilschaft kümmern. Für den Anfang<br />
sucht man sich ein flaches Gletscherstück,<br />
Nach einigen<br />
Übungstouren rücken<br />
Ziele wie der Alphubel<br />
(4210 m) bald<br />
in Reichweite.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 103
TRAININGSPLAN<br />
von der Mammut Alpine School<br />
1 Das Sprunggelenk gelenkig machen<br />
Ziel: Beim Gehen auf dem Gletscher<br />
ganz automatisch die ganze Sohle aufsetzen<br />
Umsetzung: Natürlich ersetzt nichts die<br />
Erfahrung auf echtem Eis – um die richtige<br />
Gehtechnik zu verinnerlichen, kann aber auch<br />
»Trockenschwimmen« nützlich sein. Nehmen<br />
Sie sich deshalb bei der nächsten Bergtour ein<br />
paar Minuten Zeit (vielleicht, während die anderen<br />
über die Karte gebeugt diskutieren oder<br />
sich auf dem Gipfel sonnen) und gehen Sie,<br />
als wären Sie auf dem Eis: Die ganze Sohle des<br />
Schuhs wird aufgesetzt – und so gelernt, welche<br />
Dehnung das Sprunggelenk noch kann und<br />
wann Schluss ist.<br />
Besonders beachten: Nicht abrollen!<br />
Den Fuß platt auf den Boden aufsetzen –<br />
und das nicht nur auf dem Wanderweg:<br />
Nutzen Sie alle sich bietenden Geländeformen.<br />
Geh-Übungen<br />
liefern die nötige<br />
Routine im Umgang<br />
mit Eis und Firn.<br />
INFO<br />
Hochtourenkurse<br />
2 Stürzen will gelernt sein<br />
Ziel: Rutschen durch die Liegestütz-Position<br />
stoppen<br />
Umsetzung: Suchen Sie sich an einem Nachmittag<br />
nach der Tour einen schönen, weichen<br />
Firnhang, der sanft und ohne Steine ausläuft.<br />
Und nun spielen Sie Stuntman. Mal geht es<br />
auf dem Bauch, mal kopfüber, mal auf dem<br />
Rücken Richtung Tal. Versuchen Sie, durch den<br />
Einsatz von Ellenbogen und Händen möglichst<br />
schnell in die Liegestütz-Postion zu kommen<br />
und den Sturz zu stoppen.<br />
Besonders beachten: Um auch für Stürze mit<br />
Steigeisen gewappnet zu sein, machen Sie<br />
ein paar Versuche, bei denen die Füße nicht<br />
zum Bremsen eingesetzt werden, sondern<br />
nur die Knie. Und: Ziehen Sie bei all dem<br />
vielleicht nicht unbedingt Ihre neueste<br />
Hardshell-Jacke an.<br />
Das große 4000er-Gewinnspiel<br />
Ausschneiden, sammeln und mit<br />
allen 12 Coupons eine Besteigung<br />
des Mont Blanc mit der Mammut<br />
Alpine School gewinnen.<br />
COUPON 4<br />
len, wird nun die Sohle platt aufs Eis gesetzt.<br />
Die Idee hinter dieser gewöhnungsbedürftigen<br />
Gehtechnik ist, alle zehn bis<br />
zwölf Zacken des Steigeisens unter der<br />
Sohle ins Eis zu rammen, um einen möglichst<br />
stabilen Stand zu bekommen. Diese<br />
Zacken nennen sich »Vertikalzacken« (da<br />
sie im Lot zur Fußsohle stehen) – die Gehtechnik<br />
dementsprechend »Vertikalzacken-<br />
Technik«. »Zu Beginn steht man in einer<br />
offenen Grundstellung, die Zehen sind<br />
leicht nach außen gerichtet«, erklärt Franz<br />
Hölzl. Die Schritte setzt man besser breit:<br />
»Man will ja nicht mit den Frontalzacken<br />
in das Hosenbein fädeln oder die Wade treffen,<br />
was Stolperer zur Folge haben könnte.«<br />
Die gesamte Fußfläche auf den Boden<br />
zu bringen, ist ungewohnt – eigentlich<br />
möchte man wie beim Skifahren die Kanten<br />
einsetzen. Um sicher zu stehen, muss<br />
man den Sprunggelenken etwas Dehnung<br />
abverlangen. Natürlich ist die nicht endlos<br />
möglich: Wird der Hang zu steil, stößt das<br />
Gelenk an seine Grenzen.<br />
Nun kommt die Übersetz-Technik zum Einsatz,<br />
die mehr Können erfordert, um in Serpentinen<br />
aufzusteigen. Die Füße werden<br />
quer zum Hang gestellt, die Schulter nach<br />
vorne gedreht. Erst wird das untere Bein<br />
vor das Standbein gekreuzt. Je stärker die<br />
Zehen dabei in Richtung Tal zeigen, desto<br />
Wo kann ich Kurse belegen?<br />
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder über<br />
eine Alpenvereinssektion (Mitgliedschaft ist<br />
nicht zwingend Voraussetzung) oder eine<br />
der vielen privaten Bergschulen. Eine Liste<br />
aller AV-Sektionen gibt es unter www.alpenverein.de,<br />
ein umfassendes Verzeichnis privater<br />
Bergschulen beim Verband Deutscher<br />
Berg- und Skiführer unter www.vdbs.de<br />
Was kostet das alles?<br />
In der Regel sind die Grundkurse des Alpenvereins<br />
etwas günstiger als die Angebote<br />
privater Bergschulen. Beim DAV liegen die<br />
Kosten bei etwa 70 Euro pro Tag, bei Bergschulen<br />
etwa 100 Euro pro Tag. Dafür ist<br />
hier fehlende Ausrüstung meist im Preis<br />
inbegriffen. Aber auch die Leihgebühren<br />
beim Alpenverein sind gering: Sektionsmitglieder<br />
leihen sich für 2,50 Euro pro Tag<br />
ein »Gletscherset« (Schlingen, Karabiner),<br />
Steigeisen für 2 Euro pro Tag (Nichtmitglieder<br />
5 bzw. 4 Euro).<br />
Was bekomme ich dafür?<br />
Gletscher- oder Hochtourengrundkurse sind<br />
ca. 3- bis 4-tägige Veranstaltungen in kleinen<br />
Gruppen von max. 6 Personen pro Bergführer.<br />
Ausgangspunkt ist meist eine DAV-Hütte in<br />
den Ostalpen. Programmpunkte sind vor allem<br />
Gehtechnik und Tourenplanung, oft auch<br />
Wetterkunde und Orientierung. Die Spaltenbergung<br />
wird manchmal separat angeboten,<br />
sollte aber auf jeden Fall absolviert werden.<br />
Fotos: Archiv Mammut / Thomas Senf (re.), Tobias Bach (ob.), Georg Sojer (Grafik)<br />
✂
sicherer ist der Stand – desto kleiner werden<br />
aber auch die Schritte. Nun wird das<br />
Gewicht verlagert, anschließend das nun<br />
untere Bein hinter dem neuen Standbein<br />
nach oben gesetzt – »im Prinzip ähnlich<br />
wie beim Sirtaki-Tanzen«, erklärt Hölzl.<br />
Kein Hang ist jedoch endlos breit, irgendwann<br />
ist eine Kehre notwendig. »Die ist<br />
immer ein wenig heikel«, sagt Hölzl, »der<br />
Stand ist vergleichsweise instabil, dazu<br />
muss der Pickel in die andere Hand gewechselt<br />
werden.« Dass man den Pickel im<br />
steilen Gelände in der Hand hat, ist keine<br />
Frage, sondern ein Gebot: Man braucht ihn<br />
für einen guten Halt beim Gehen, zum<br />
Bremsen von Stürzen, bei der Spaltenbergung.<br />
Im flacheren Gelände sind Stöcke<br />
bequemer – trotzdem sollte der Pickel<br />
jederzeit griff bereit sein. Eine Option ist,<br />
den Pickelschaft (mit Schaufel nach außen)<br />
unter dem linken Schultergurt hindurch<br />
zu schieben.<br />
»Man geht am besten immer in einem<br />
Dreier-Rhythmus«, erklärt Hölzl. »Der<br />
Pickel wird in stabilem Stand gesetzt –<br />
nicht, wenn die Beine überkreuzt sind.<br />
Dann kommt der erste, dann der zweite<br />
Schritt.« Diesen Rhythmus sollte man auch<br />
bei der Kehre beibehalten: Wird sie nach<br />
links gemacht, wird erst der Pickel bergseitig<br />
gesetzt. Dann wird der rechte Fuß<br />
übergesetzt und so aufs Eis<br />
gedrückt, dass die Ferse in<br />
einem 45-Grad-Winkel zur<br />
Falllinie steht. Der zweite<br />
Schritt mit dem linken<br />
Fuß wird so gesetzt, dass<br />
man in offener Stellung<br />
dasteht, »ein wenig so wie<br />
Charlie Chaplin«. Nach dem Handwechsel<br />
am Pickel kann man nun in die neue Richtung<br />
weitergehen.<br />
Wer auf einem sicheren Gletscherstück<br />
übt, sollte diese Gehtechniken nach ein<br />
bis zwei Stunden beherrschen. »Wenn<br />
es dann an die Anwendung und somit<br />
auf den Berg geht, gilt: Technik geht vor<br />
Tempo«, so Hölzl. Wer sich beeilt, setzt die<br />
Schritte schluderig, schon steigt die Gefahr.<br />
Wichtig ist auch, beim Abstieg und<br />
in vermeintlich ungefährlichem Gelände<br />
nicht abzuschalten. »An den Schlüsselstellen<br />
ist man sowieso bis in die Haarspitzen<br />
fokussiert«, sagt Hölzl. »Die meisten Stürze<br />
passieren dann gegen Ende des Tages und<br />
an Stellen, an denen es keiner erwartet –<br />
weil man in Gedanken schon das Bier auf<br />
der Hüttenterrasse bestellt.«<br />
Kommt es zu einem Sturz, gilt es, möglichst<br />
schnell in die Liegestütz-Position zu kommen,<br />
um das Rutschen zu bremsen. Man<br />
drückt den Körper mit Armen und Beinen<br />
vom Hang weg und kommt so bald zum<br />
Stehen. Hat man Steigeisen an den Füßen,<br />
ist die Sache schwieriger – wenn man sie<br />
ins Eis drücken würde, könnte das einen<br />
Überschlag zu Folge haben. Deshalb werden<br />
die Unterschenkel und Füße vom Hang<br />
weggehoben, während man mit Knien<br />
und dem Pickel versucht zu bremsen.<br />
TOUR<br />
TIPP: Für Hochtouren ohne<br />
Steileis-Gelände (< 50° Grad)<br />
sollte die Länge des Eispickels<br />
so gewählt werden, dass<br />
seine Pickelspitze, am langen<br />
Arm gehalten, knapp über<br />
dem (ebenen) Boden baumelt.<br />
TOURENTIPP zum Nachgehen<br />
Johannisberg (3453 m), Glocknergruppe<br />
▶ leicht 3–4 Std.<br />
600 Hm 600 Hm<br />
Charakter: Schöne Einsteiger-Hochtour in<br />
grandioser Umgebung. Die vergletscherten<br />
Anstiege warten mit variablen Steilheiten<br />
auf – ideal für die ersten Schritte im Eis.<br />
Anfahrt: Von München über A8, Kitzbühel,<br />
Mittersill und Hochalpenstraße (Tagesmaut<br />
34 €, gegen Vorlage der aktuellen<br />
BERGSTEIGER-Ausgabe 4 € Rabatt) zur<br />
Franz-Josefs-Höhe (2369 m)<br />
Ausgangspunkt: Oberwalderhütte<br />
(2973 m), erreichbar von der Franz-Josefs-<br />
Höhe über den Gamsgrubenweg (2½ Std.)<br />
Übrigens: In Kopfstütztechnik<br />
verwendet, sollte der<br />
Pickel, anders als in vielen<br />
Hollywood-Filmen, mit der<br />
Schaufel nach vorne zeigen<br />
– damit man die Haue<br />
im Sturzfall in den Hang<br />
rammen kann. Erst wenn<br />
steiles Gelände verlangt, den Pickel einzuschlagen,<br />
zeigt die Haue zum Hang.<br />
Um überhaupt erst einmal in die Liegestütz-Position<br />
zu kommen – wer Pech<br />
hat, rutscht rücklings und Kopf voraus<br />
ins Tal – rammt man seine Ellenbogen in<br />
den Hang, um sich einmal um die eigene<br />
Achse und dann auf den Bauch zu drehen.<br />
»Wichtig ist, dass man nicht zu lange überlegt,<br />
wie man denn nun nach Lehrbuch<br />
zu reagieren hat«, sagt Hölzl. »Vor allem<br />
sollte man schnell und beherzt handeln.«<br />
Jeder Versuch, den Sturz zum Drehen zu<br />
bringen, ist besser, als noch mehr Fahrt<br />
aufzunehmen – wir wollen ja von Null<br />
aufs Dach der Alpen, und nicht in die Gegenrichtung.<br />
◀<br />
Anfangs ungewohnt: Steigeisen erfordern<br />
einen »Cowboygang« und rollen nicht ab.<br />
und mehrere Tunnel (Stirnlampe!)<br />
Verlauf: Von der Oberwalderhütte in nördlicher,<br />
dann westlicher Richtung den Pasterzenboden<br />
oberhalb der Eisbrüche queren<br />
bis zum Gratausläufer des Johanniberges<br />
(ca. 3000 m). Von hier über den<br />
Normalweg südlich des Grates in idealem<br />
Debütantengelände zum Gipfel. Wer bereits<br />
trittsicher und ans Eis gewöhnt ist, dem<br />
bietet die Nordostwand Firn und Eis bis<br />
max. 45 Grad. Alternativ kann auch vom<br />
Nordwestgrad in die Wand gequert werden,<br />
um den Bergschrund zu umgehen.<br />
Abstieg: wie Aufstieg (Normalweg)<br />
Karte: AV-Karte 1:25 000, Nr. 40 »Glocknergruppe«<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 105
SERVICE<br />
Barfußlaufen am Berg<br />
Moos kitzelt die Zehen, die Sohlen<br />
federn auf Laub, Grashalme<br />
streifen Tautropfen an den Knöcheln<br />
ab: Barfußlaufen ist Gefühl<br />
pur. Doch wer viel Gefühl zulässt, ist<br />
gemeinhin verletzbarer. Spätestens, wenn<br />
sich die ersten spitzen Steine in die nackten<br />
Sohlen bohren, ist der Barfuß-Wanderer<br />
nicht mehr scharf auf eine Steigerung<br />
der Gefühlsintensität.<br />
Weil die westliche Gesellschaft seit Jahrhunderten<br />
ihre Sohlen mit Leder oder Gummi<br />
schützt, ist ihr der natürliche Schutz einer<br />
dicken Hornhaut abhanden gekommen.<br />
Und das nicht nur bei den Großstädtern.<br />
Robert Fliri ist auf einem Bergbauernhof<br />
im Vinschgau groß geworden und arbeitete<br />
als Holzfäller, bevor er sich aus einer Laune<br />
heraus in die Bozener Designakademie einschrieb.<br />
Frühmorgens vor den Vorlesungen<br />
ging er wandern. Am liebsten machte er das<br />
barfuß. »Mir ist aufgefallen, dass ich dabei<br />
viel mehr mitnehme von diesem Naturgefühl,<br />
das ich so dringend brauche«, sagt Fliri.<br />
»Aber nach einer halben Stunde haben<br />
die Sohlen immer so wehgetan, dass ich<br />
die Schuhe wieder anziehen musste.« Als<br />
er an der Akademie die Aufgabe bekam,<br />
ein Produkt zum Thema »Sport is fun« zu<br />
designen, wusste er sofort, was er machen<br />
wollte: einen Barfuß-Schuh.<br />
Barfußwandern<br />
ist romantisch,<br />
birgt aber Verletzungsgefahr.<br />
Ist es gesund oder macht es krank?<br />
Mit der Erfindung der Vibram Five Fingers<br />
trat Fliri eine Lawine los: Back to the roots!<br />
Diverse Hersteller sprangen auf den Trend<br />
auf, Sohlen wurden minimiert, Material<br />
wurde gespart. Barfuß-Schuhe wurden<br />
über den Klee gelobt, weil sie die Bänder<br />
und Muskeln stärkten und überhaupt:<br />
Dem Fuß müssten seine ursprünglichen<br />
Funktionen wiedergegeben werden.<br />
Mit der Euphorie kamen die ersten Negativ-Schlagzeilen:<br />
Frakturen von Mittelfußknochen,<br />
Überreizungen von Bändern,<br />
Zehenspitzengefühl<br />
Den Weg zurück zur Natur laufen manche am liebsten barfuß. Orthopäden<br />
raten zur Vorsicht – nicht nur, weil man sich dabei einen Schiefer einziehen<br />
kann. Was ist dran an den Ratschlägen? Von Dagmar Steigenberger<br />
106 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
»Der Vorfuß hat<br />
ähnlich wie Hände<br />
die Fähigkeit,<br />
den Boden zu<br />
greifen. Wenn<br />
ich alle Zehen<br />
in eine Kammer<br />
stecke, ist das<br />
Gefühl weg.«<br />
Hobbit-Füße: Mit Zehenschuhen hat man den Boden gut im Griff.<br />
Fotos: Jan Ingenhaag (2), Hersteller<br />
Sehnen und Gelenken. Und die Unsicherheit:<br />
Ist das Laufen in Barfußschuhen nun<br />
gesund oder macht es krank?<br />
Wolfgang Potthast, Experte vom Institut<br />
für Biomechanik und Orthopädie an der<br />
Deutschen Sporthochschule in Köln und<br />
der Arcus Kliniken in Pforzheim, rät dazu,<br />
das Laufen mit Barfußschuhen nicht zu<br />
übertreiben. »Wenn man es dosiert einsetzt<br />
und Erholungspausen zulässt, dann<br />
führt die stärkere Belastung zu einem Trainingseffekt:<br />
Nicht nur Muskeln, sondern<br />
auch Bänder, Sehnen und Knochen werden<br />
gekräftigt.«<br />
Der Rückfußlauf, bei dem die Ferse zuerst<br />
aufsetzt, wechsle bei den meisten zu<br />
einem Mittel- oder Vorfußlauf, mit dem<br />
Stoßbelastungen auf Gelenke abgefedert<br />
werden. Dies entspricht zwar dem natürlichen<br />
Laufstil des Menschen, wenn er barfuß<br />
unterwegs ist, belastet aber auch die<br />
Sehnen und Wadenmuskulatur stärker.<br />
»Die Laufstil-Änderung folgt automatisch«,<br />
erklärt Potthast. Doch der Gehapparat<br />
müsse Zeit bekommen, um sich neu auf<br />
die Ur-Bedingungen einzustellen.<br />
Der Sinn von Zehentaschen<br />
Dass bei den meisten Barfußschuhen ein<br />
hoher Schaft fehlt, ist kein Manko: Durch<br />
die dünnen Sohlen ist die Bodenbeschaffenheit<br />
unmittelbar spürbar, sodass die<br />
Muskeln schnell und instinktiv reagieren<br />
und damit ein Umknicken vermeiden.<br />
Wer in Geröllfeldern und Schotterrinnen<br />
unterwegs ist, sollte trotzdem lieber ein<br />
Paar feste Wanderschuhe zum Wechseln<br />
dabei haben, um Verletzungen am Knöchel<br />
durch kollernde Steine zu vermeiden.<br />
Ein Detail setzte sich bei den Nachahmern<br />
von Fliris Barfuß-Idee nicht durch: die fünf<br />
Zehentaschen. So kommt man durch die<br />
dünnen Sohlen der Vivobarefoot-Schuhe<br />
auf Tuchfühlung mit dem Untergrund,<br />
ohne gleich auszusehen wie ein Hobbit,<br />
einer jener großfüßigen Zwerge aus J. R. R.<br />
Tolkiens Herr-der-Ringe-Trilogie. Wer mit<br />
Vivobarefoots oder auch den luftigen Sandalen<br />
von Luna in unwegsamem Gelände unterwegs<br />
ist, wird allerdings schnell einen<br />
Nachteil spüren: Der breite Zehenraum<br />
mit durchgehender Sohlenplatte vermittelt<br />
wenig Halt im Schuh.<br />
Hat Fliris Five-Fingers-Design also einen Sinn,<br />
der übers Originelle hinaus reicht? »Wenn<br />
man dem Barfuß-Gefühl wirklich nahe<br />
kommen will, dann ist das Fünf-Zehen-<br />
Prinzip essentiell«, bestätigt der Südtiroler<br />
Erfinder und liefert gleich die Erklärung dazu:<br />
»Der Vorfuß hat ähnlich wie Hände die<br />
Fähigkeit, den Boden zu greifen. Wenn ich<br />
alle Zehen in eine Kammer stecke, ist ein<br />
großer Teil von diesem Gefühl weg.« Der<br />
direkte Vergleich der Barfuß-Modelle am<br />
Berg bestätigt Fliris These: »Gehen in Barfußschuhen<br />
ohne Zehentaschen fühlt sich<br />
an wie Autofahren mit nur einem Auge.«<br />
Aber allemal besser als komplett blind. ◀<br />
Drei Paar Schuhe, die dem Barfuß-Gefühl nahe kommen:<br />
Vibram Five Fingers<br />
Trek Sport Sandal<br />
www.vibram-fi vefi ngers.de<br />
UVP 119,90 €<br />
Gewicht: 430 g<br />
(Paar, Gr. 38)<br />
Extras: 4 mm starke Trek-Außensohle<br />
mit leichtem Stollenprofi l,<br />
stoßdämpfende EVA Zwischensohle,<br />
wattierte Schuhzunge,<br />
durchbrochenes Obermaterial,<br />
Schnell-Schnürsystem, refl ektierende<br />
Oberfl äche<br />
Eindruck: Wer das Hineinschlüpfen<br />
einmal raus hat, kommt mit<br />
den extrem gut sitzenden Zehenschuhen<br />
selbst im wilden Gelände<br />
und bei leichten Kletterstellen<br />
hervorragend zurecht. Ausnahme:<br />
Geröll- und Schneefelder!<br />
Vivobarefoot<br />
Trail Freak Ladies<br />
www.vivobarefoot.de<br />
UVP 120 €<br />
Gewicht: 410 g<br />
(Paar, Gr. 38)<br />
Extras: Durchstichfeste Off-<br />
Road-Profi lsohle mit 4,5-mm-<br />
Noppen, dampfdurchlässiges und<br />
fl exibles Obermaterial aus Mesh,<br />
zusätzlicher Stoßschutz dank Laminierung,<br />
Schnell-Schnürsystem<br />
mit Zugband<br />
Eindruck: Ein superleichter,<br />
angenehm zu tragender Schuh<br />
mit gutem Grip. Nur im unwegsamen<br />
Gelände hat der großzügig<br />
bemessene Zehenraum den<br />
Nachteil von zuviel Flexibiliät und<br />
damit zu wenig Halt.<br />
Luna<br />
Oso Sandale<br />
www.luna.com<br />
UVP 139,95 €<br />
Gewicht: 350 g<br />
(Paar, Gr. 9)<br />
Extras: Elf Millimeter dicke<br />
Vibram-Sohle, All-Terrain-Strapping<br />
(ATS) und elastisches Fersenband<br />
zur individuellen Anpassung,<br />
rutschfestes MGT (Monkey Grip<br />
Technology)-Fußbett für nasse<br />
Verhältnisse<br />
Eindruck: Angenehm luftige<br />
Allround-Sandale, die dank ihrer<br />
individuell anpassbaren Fixierung<br />
und der speziellen Vibram-Sohle<br />
selbst auf Bergwanderungen<br />
mit Felskontakt noch relativ guten<br />
Halt verleiht.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 107
Zustiegsschuhe<br />
Salewa MTN Trainer GTX<br />
▶ Das sagt der Hersteller: Sein kräftiges,<br />
widerstandsfähiges Veloursleder und sein umlaufender<br />
Gummirand machen den MTN Trainer<br />
äußerst stabil, die längere Schnürung macht ihn<br />
gut anpassbar, und die Haftsohle sorgt für<br />
ausgezeichnete Haftung auf Fels und Stein.<br />
Was aktuelle Hightech-Produkte<br />
wirklich können, zeigen sie meist<br />
erst beim Praxistest am Berg.<br />
Hier berichtet die Redaktion, was<br />
sie im Einsatz hatte und wie sie<br />
damit zufrieden war.<br />
Gewicht: 976 g (Paar, UK 8) Obermaterial:<br />
Leder, Gummi Futter: Polyester, Polyamid,<br />
PTFE-Membran Farben: rot, schwarz<br />
Preis: 199,95 € Info: www.salewa.de<br />
▶ Das sagen wir: Eines muss man Salewa<br />
lassen: Design kann das Team der Oberalp Group,<br />
wenn auch für einen respektablen Preis. Zudem<br />
haftet die Sohle nicht nur auf felsigem Untergrund;<br />
sie klebt geradezu daran. Die Gore-Tex-Version<br />
hat das übliche Problem, dass Flüssigkeit<br />
(vulgo:Schweiß) gerne im Schuh bleibt.<br />
Design<br />
Funktion<br />
Preis/Leistung<br />
■■■■■<br />
■■■■■<br />
■■■<br />
Dominik, 37<br />
Daunenschlafsack für Damen<br />
Therm-a-Rest Mira<br />
Wende-Isolationsjacke<br />
Berghaus Vapour Light Hypertherm<br />
Leichtrucksack<br />
Patagonia Ascensionist 35L<br />
Fotos: Hersteller, Dagmar Steigenbeger, privat (4)<br />
▶ Das sagt der Hersteller: Ein Allround-Talent<br />
für Wanderabenteuer von Frühjahr bis Herbst, ob<br />
auf Meereshöhe oder im alpinen Gelände; speziell<br />
auf die Anatomie von Frauen zugeschnitten. Für<br />
Extra-Wärme sorgen ein Fußwärmer, leichte 750+<br />
cuin Gänsedaune und das refl ektierende Futter.<br />
Gewicht: 820 g Füllung: 750+cuin Gänsedaune<br />
(380 g) Komfort: -3° Limit: -9° Extrem: -28°<br />
Preis: 389,95 € Info: www.cascadedesigns.com<br />
▶ Das sagen wir: Tatsächlich gehören kalte Füße<br />
dank der zusätzlichen Zehen-Tasche am Fußende<br />
der Vergangenheit an. Da der Schlafsack oben<br />
weiter geschnitten ist, kann man sich prima darin<br />
drehen. Dass an der Unterseite im Zentrum<br />
die Füllung fehlt (unter den Schlafsack wird ja<br />
die Isomatte eingespannt), macht den Mira zwar<br />
leichter, aber auch etwas unbequemer.<br />
Design<br />
Funktion<br />
Preis/Leistung<br />
■■■■<br />
■■■■■■<br />
■■■■<br />
Nina, 34<br />
▶ Das sagt der Hersteller: Die wärmere Seite aus<br />
einer winddichten AF-Shell hält kühlen Wind<br />
draußen und Körperwärme am Körper. Die kühlere<br />
Seite ist aus luftdurchlässigem Material gefertigt,<br />
das Körperwärme entweichen lässt.<br />
Gewicht: 159 g Material: Polyamid-Ripstop<br />
Farben: grün/d.blau, orange/h.blau Größen:<br />
34–44 Preis: 160 € Info: www.berghaus.com<br />
▶ Das sagen wir: Die gut sitzende Jacke ist so<br />
extrem leicht, dass sie bei Wind sofort wegfl iegt,<br />
wenn sie nicht ordentlich befestigt wird. Dafür<br />
kann sie in dem mitgelieferten Säckchen nur<br />
handtellergroß verpackt werden. Allerding geht die<br />
Leichtigkeit etwas auf Kosten des Komforts: der<br />
minimalistische Reißverschluss ist etwas hakelig.<br />
Angenehm sind der verlängerte Rücken und<br />
die elastischen Bündchen an Ärmeln und Saum.<br />
Tragekomfort ■■■■<br />
Design ■■■<br />
Preis/Leistung ■■■■<br />
Petra, 55<br />
▶ Das sagt der Hersteller: Dieser äußerst vielseitige<br />
Kletterrucksack für Blitzbegehungen bietet<br />
alles, was man braucht. Zugriff zum Hauptfach<br />
bietet eine asymmetrische Schutzhülle, die als<br />
Deckel fungiert und sich für rasches Packen weit<br />
öffnen und mit einem Griff verschließen lässt.<br />
Gewicht: 900 g (L/XL) Außenmaße: 63 cm x 30<br />
cm x 26 cm Material: Nylon Farbe: orange, grau<br />
Preis: 139,95 Euro Info: www.patagonia.com<br />
▶ Das sagen wir: Ein bisschen Umdenken ist<br />
gefragt, aber wenn man sich mit dem Rucksack<br />
vertraut gemacht hat, lässt sich das Leichtgewicht<br />
in Windeseile öffnen und schließen. Praktisch ist<br />
der herausnehmbare Alu-Rahmen, so kann man<br />
ihn sowohl für Touren mit schwerem als auch ganz<br />
leichtem Gepäck einsetzen. Helm, Seil und Matte<br />
sowie Ski lassen sich einfach befestigen.<br />
Tragekomfort<br />
Funktion<br />
Preis/Leistung<br />
■■■■<br />
■■■■■■<br />
■■■<br />
Michael, 49<br />
108 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
EVENT<br />
Steile Sache<br />
Das große Saisonfinale von<br />
+<br />
Foto: Mammut<br />
DAS SAISON-FINALE<br />
Termin: Los geht’s am 27. September um<br />
17 Uhr am Hotel »Garden« in Arco am Gardasee.<br />
Das genaue Programm wird je nach<br />
Leistungsstand und Wünschen der Teilnehmer<br />
vor Ort abgestimmt. Das Programm endet<br />
am 30. September um 16 Uhr.<br />
Teilnehmer: 15–30 Personen<br />
Der perfekte Ausklang für den Bergsommer 2014: Das Saisonfinale<br />
in Arco ist für alle jene, die sich den Felswänden<br />
mit den Profis der Mammut Alpine School annähern möchten.<br />
Leistungen<br />
▪ Betreuung durch die Bergführer der MAMMUT<br />
Alpine School<br />
▪ ein Alpine-School-T-Shirt (im Wert von 30,– €)<br />
▪ wahlweise Smart-Sicherungsgerät und Element<br />
Smart HMS-Karabiner oder<br />
MAMMUT Alpine Underwear All Year (beides<br />
im Wert von 50,– €)<br />
▪ umfangreiche Testausrüstung (Schuhe, Softshelljacken,<br />
Hosen, Rucksack, Klettergurt,<br />
Helm, Klettersteigset, Klemmgeräte, Seile, usw.)<br />
Variante A:<br />
▪ drei Übernachtungen inkl. Frühstück im Hotel<br />
»Garden« in Arco, Preis: 399,– €<br />
Variante B:<br />
▪ drei Übernachtungen auf dem Campingplatz<br />
Arco, Preis: 299,– €<br />
Hatten Sie als ambitionierter Bergwanderer<br />
schon immer das Verlangen,<br />
auch einmal die Vertikale<br />
kennenzulernen? Waren Ihnen<br />
Klettersteige ohne professionelle Anleitung<br />
zu wenig vertrauenswürdig? Juckt es<br />
Sie beim Anblick eines Felsens stets in den<br />
Fingern, doch Sie suchen unentwegt nach<br />
einem passenden Seilpartner? Dann ist das<br />
Ihre Chance.<br />
Der BERGSTEIGER und die Mammut Alpine<br />
School veranstalten vom 27. bis 30. September<br />
in Arco am Gardasee das inzwischen<br />
schon traditionelle Saisonfinale. Lernen Sie<br />
jede Menge Tipps und Tricks von den Profi-<br />
Bergführern der Alpine School. Verbringen<br />
Sie einige Tage mit Gleichgesinnten am Fels<br />
und nutzen Sie im Mammut-Testcenter die<br />
Möglichkeit, die neuesten Ausrüstungsge-<br />
genstände einem ganz persönlichen Härtetest<br />
zu unterziehen – nämlich beim Einsatz<br />
am Berg.<br />
Je nach Leistungsstand werden beim Klettersteiggehen<br />
auch knifflige Probleme<br />
wie am Mori-Klettersteig angegangen oder<br />
beim Sportklettern Mehrseillängen-Routen<br />
versucht. So kommen Neulinge wie Fortgeschrittene<br />
auf Ihre Kosten. Die Devise am Fels<br />
lautet: lernen statt warten. Lust statt Frust.<br />
Neugierig geworden? Dann melden Sie sich<br />
an. Sie können urig auf dem Camping Arco<br />
direkt unter den Steilwänden des Colodri<br />
zelten oder im <strong>Bergsteiger</strong>-Hotel »Garden«<br />
unweit des Campingplatzes übernachten.<br />
Weitere Details zu Anmeldung, Programmablauf<br />
und Angeboten finden Sie im Internet<br />
unter www.bergsteiger.de oder unter<br />
alpineschool.mammut.ch<br />
◀<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 109
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86899 Landsberg<br />
Storer Handels<br />
GmbH<br />
Karlsstraße 28<br />
89129 Langenau<br />
Postleitzahlgebiet 9<br />
Der Ausrüster<br />
GmbH<br />
Ludwigstraße 7<br />
93086 Wörth/<br />
Donau<br />
Intersport<br />
Strohhammer<br />
Straubinger Straße 21<br />
94405 Landau<br />
Bergauf<br />
Bürgerstraße 1<br />
95028 Hof<br />
IM INTERNET<br />
HOCH1 Klettershop<br />
hoch1-klettershop.de<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 111
REPORTAGE<br />
Abge<br />
Schottische Highlands<br />
Foto: Maximilian Schröferl<br />
112 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
schottet Danke!<br />
@Litho: Bitte oben<br />
Himmel ansetzen!!!<br />
Am 18. September wird Schottland über seine<br />
Unabhängigkeit von Großbritannien abstimmen.<br />
Viele der stolzen Schotten fühlen sich erdrückt<br />
von der Enge des Empires. Alpenbergsteiger erleben<br />
in den Highlands eher das Gegenteil: Sie sind<br />
dort nicht nur unabhängig, sondern oft völlig auf<br />
sich allein gestellt. Von Thomas Ebert
1 Ein typischer Highland-<br />
Bewohner, rein quantitativ<br />
2 Der Dudelsack ist etwas<br />
mobiler als das Alphorn.<br />
3 Im Nebel am Inpin, dem<br />
schwierigsten Munro<br />
4 Palast in öder Wildnis:<br />
die Shenavall-Bothy<br />
Ende September in München, die<br />
Stadt ersäuft im Wiesntourismus<br />
und wir sind vom Bergfieber befallen.<br />
Die These: Wenn Hacker- und<br />
Schützenzelt von Schotten überrannt<br />
werden, müsste deren Heimat quasi<br />
leer sein. Der Plan: Flucht in die Highlands!<br />
Die Realität: Gleich die erste Bergtour endet<br />
im Clachaig Inn, einer sagenumwobenen<br />
<strong>Bergsteiger</strong>kneipe im Glen Coe, wo<br />
die Wände aus Eispickeln sind und junge<br />
Frauen ihren Whisky im Skioverall ordern.<br />
Noch vor der Tür nagelt Ian uns fest. Ian<br />
spricht Gälisch, das sich zum Englischen<br />
ungefähr verhält wie Bairisch zu Turkmenisch,<br />
der Whisky tut sein Übriges. Er<br />
hält einen Monolog über die Schönheit der<br />
Highlands. Wir verstehen nichts, nicken<br />
aber geduldig, bis Ian plötzlich den Spieß<br />
umdreht: »Und was habt ihr so vor?« Nun<br />
sind die schottischen Berge zwar nicht<br />
hoch, aber deutlich wilder als vergleichbare<br />
Höhenlagen in den Alpen. Das weiß<br />
man, darauf kann man sich vorbereiten.<br />
Die wahre Crux aber ist ihre Aussprache.<br />
Bis wir Ian den »Sgurr a’ Choire-bheithe«<br />
und den »Sgurr a’ Chlaidheimh« buchstabiert<br />
haben, ist er vor lauter Lachen fast<br />
wieder fahrtüchtig.<br />
Über dem Tal der Tränen<br />
Immerhin erklärt Ian, warum man Schotten<br />
nicht untereinander und niemals mit<br />
Engländern verwechseln sollte. Anno<br />
1691, der englische König fordert einen<br />
Treueeid von allen schottischen Clans.<br />
Die stolzen MacDonalds aus dem Glen<br />
Coe zögern lange. Zu lange, denn wegen<br />
des schlechten Wetters kommt der Bote<br />
zu spät. Englische Truppen, denen sich<br />
auch der verfeindete Campbell-Clan anschließt,<br />
statten den MacDonalds einen<br />
Besuch ab und bringen 38 Clanmitglieder<br />
im Schlaf um. Seither heißt das Glen Coe<br />
auch »Tal der Tränen«, und im Clachaig<br />
Inn, diesem alpinen Museum mit Zapfanlage,<br />
ist Menschen namens Campbell<br />
bis heute der Zutritt verboten. Lektion<br />
eins: Schotten pflegen ihre Traditionen.<br />
Pfadverwöhnte<br />
Alpenfüßler<br />
müssen sich erst<br />
an die Highlands<br />
gewöhnen, denn<br />
Wege sind die<br />
große Ausnahme.<br />
Hoch über dem Glen Coe ist die blutige<br />
Vergangenheit fern. Englische College-<br />
Ausflügler und schottische Weekend-<br />
Scrambler helfen sich gegenseitig über<br />
den ausgesetzten Grat des Aonach Eagach.<br />
Als pfadverwöhnte Alpenfüßler müssen<br />
wir diesen erstmal erreichen, denn feste<br />
Wege und vor allem Markierungen sind<br />
in den Highlands die große Ausnahme.<br />
Dafür bleibt der Kopf wach, sucht nach<br />
dem gangbarsten Weg durch die weiten<br />
Flanken des grünen Tals und beginnt, sich<br />
1<br />
3<br />
2<br />
4<br />
114 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Mal felsig, mal grasig: unterwegs am Aonach Eagach über dem Glen Coe<br />
KOMPAKT<br />
In die Highlands<br />
Fotos: Thomas Ebert (4), Ralf Gantzhorn (S. 115)<br />
die Anzeichen unsichtbarer Matschlöcher,<br />
Bugholes genannt, einzuprägen – ein unterhaltsames,<br />
aber aussichtsloses Spiel.<br />
Lektion zwei: Gehzeiten aus den Alpen<br />
gelten hier nicht viel.<br />
Munros sammeln<br />
Auf dem Weg nach Glenbrittle – eine von<br />
Ians Empfehlungen, die wir verstanden<br />
hatten – hält ein junger Mann aus Newcastle<br />
seinen Daumen raus. Er kommt von<br />
der Cuillin Ridge, dem Hauptkamm der<br />
Isle of Skye. Dass der Tramper mehr als<br />
tausend Auto-Kilometer und 20 Stunden<br />
Nonstop-Klettern in ein Wochenende<br />
presst, erklärt gut, welchen Rang die<br />
Highlands im britischen Bergsteigen<br />
einnehmen. Uns genügt eine weniger<br />
rasse Tagestour. Vom winzigen Glenbrittle,<br />
das mit der wohl weltweit einzigen<br />
Bergwachthütte mit Strandzugang aufwartet,<br />
steigen wir über griffige Gabbro-<br />
Platten aus Vulkangestein, finstere Seen<br />
und eine elendige Schotterreiße zum<br />
Sgurr Dearg, unserem ersten »Munro«.<br />
Ein gewisser Sir Hugh Munro erstellte im<br />
vorletzten Jahrhundert eine Liste aller<br />
schottischen Dreitausender – 3000 Fuß,<br />
versteht sich, also Berge, die 914 Meter<br />
überragen. »Munro-Baggern«, die alle 282<br />
Gipfel abhaken, ist in Schottland ähnlicher<br />
Ruhm gewiß wie den Alpinisten,<br />
die alle Viertausender gesammelt haben.<br />
Vom Sgurr Dearg sind viele dieser Munros<br />
zu sehen. Im Westen reicht die Aussicht<br />
über die Äußeren Hebriden und den Atlantik<br />
hinweg fast bis nach Kanada. Theoretisch.<br />
Im Nebel aber sehen wir außer dem<br />
20 Meter entfernten »Inpin« gar nichts.<br />
»Inpin« steht für Inaccessible Pinnacle; er<br />
gilt als schwierigster Munro Schottlands<br />
und sieht aus wie der versteinerte Fuß eines<br />
Riesen, der auf der Ferse stehend die<br />
Zehen in den Wind hält. Überprüfen lässt<br />
sich das ohne Seil leider nicht. Gemessen<br />
am Sturm, der uns beim Abstieg nach<br />
Glenbrittle gehörig in die Kapuzen fährt,<br />
sollte die Lüftung aber ganz hervorragend<br />
sein. Lektion drei: Nebel, Regen und Wind<br />
sind in Schottland kein Klischee, ja nicht<br />
einmal Pech, sondern so alltäglich wie Fish<br />
& Chips zum Mittagessen.<br />
Anreise: Von München per Flugzeug in 2½<br />
Std. nach Edinburgh (ca. 150 Euro hin und<br />
zurück, mit easyjet). Alternativ auch Anreise<br />
per Fähre, z. B. von Rotterdam. Wer keine<br />
Weitwanderung plant und die Highlands<br />
punktuell erkunden will, kommt um einen<br />
Mietwagen nicht herum, z. B. über www.<br />
arnoldclark.com. Achtung: Linksverkehr!<br />
Unterkunft: Dank der zahllosen Bed &<br />
Breakfasts, Hostels und Campingplätze<br />
problemlos. Zelten ist nicht ausdrücklich<br />
erlaubt, wird aber, penibles Verhalten<br />
vorausgesetzt, geduldet.<br />
Informationen: www.visitscotland.com,<br />
Scottish Tourist Board Central Information<br />
Department, 23 Ravelston Terrace, Edinburgh,<br />
Tel. 00 44/(0)1 31/3 32 24 33<br />
Wetter: Im Frühling fällt am wenigsten Regen,<br />
im Herbst ist das Licht am schönsten.<br />
Gefahren: Wind und Wetter sind trotz der<br />
niedrigeren Berge schlicht eine andere Kategorie<br />
als in den Alpen. Auch die Orientierung<br />
(Nebel!) setzt Erfahrung voraus.<br />
Führer: Bernhard Irlinger »Schottland.<br />
Die 40 schönsten Touren«, Bruckmann<br />
Verlag, München 2013<br />
Karten: Die Landranger Serie des britischen<br />
Ordnance Survey (OS) ist genau,<br />
wasserfest und in verschiedenen Maßstäben<br />
vor Ort und im dt. Fachhandel erhältlich.<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 115
TOUREN<br />
Berge, die high machen<br />
Viele Schottland-Besucher kommen zum Weitwandern. Mit dem Mietwagen lassen sich<br />
aber auch geniale Tagestouren aneinanderreihen. Diese fünf Touren sind ein Muss.<br />
1 Sgurr Dearg (986 m)<br />
▶ mittel 6 Std.<br />
1000 Hm 1000 Hm<br />
Charakter: Vom Sandstrand über<br />
Vulkangestein zu einer fast 1000<br />
Meter hohen Aussichtsloge mit Insel-<br />
Rundum-Blick und dem schwierigsten<br />
Munro des Landes direkt gegenüber<br />
– da stört auch die kurzzeitige<br />
Geröllwühlerei beim Aufstieg nicht.<br />
Im unteren Bereich Wege, oben meist<br />
Steinmänner.<br />
Ausgangspunkt: Campingplatz am<br />
Ende von Glenbrittle, am südwestlichen<br />
Zipfel der Isle of Skye (A863<br />
von Sligachan)<br />
Route: Vom Ende der Straße Richtung<br />
Zeltplatz und gleich darauf in östlicher<br />
Richtung ins Coire Làgan, dem Tal<br />
zwischen Sgurr Dearg und Sgurr Alasdair<br />
abbiegen. Vorbei an einem aussichtsreichen<br />
See und über Gabbro-<br />
Platten (magmatischen Ursprungs) in<br />
das gewaltige Hochkar. Nun über eine<br />
steile und lockere Geröllhalde unterhalb<br />
der Südwände empor zum Grat<br />
und Spuren folgend zum Gipfel. Die<br />
Aussicht reicht vom direkt gegenüber<br />
befi ndlichen »Inaccessible Pinnacle«<br />
bis zu den Inneren Hebriden.<br />
Abstieg: Vom Gipfel über den<br />
anfangs blockigen, später breiten<br />
und grasigen Rücken in direkter Linie<br />
hinab zum Ausgangspunkt.<br />
2 The Storr (719 m)<br />
▶ leicht 4 Std.<br />
550 Hm 550 Hm<br />
Charakter: Die spektakuläre Basaltgruppe<br />
der »Storrs«, allen voran<br />
der 50 Meter hohe »Old Man of Storr«,<br />
ist ein beliebtes Ausfl ugsziel. Den<br />
Weiterweg zum aussichtsreichen<br />
Gipfelplateau oberhalb der »Familie<br />
Storr« (auch Frau, Hund und Katze<br />
wurden hier angeblich versteinert)<br />
nimmt aber fast niemand auf sich,<br />
so dass man hier nahezu alleine ist.<br />
Ausgangspunkt: Großer Parkplatz<br />
an der A855 zwischen Portree und<br />
Staffi n auf der Isle of Skye<br />
Route: Vom Parkplatz auf gut<br />
angelegtem Weg durch Fichtenwald.<br />
Nach etwa einer Stunde erreicht man<br />
das weite, grüne Becken, aus dem<br />
die düsteren Felsnadeln – allesamt<br />
ohne Kletterausrüstung unbesteigbar<br />
– scheinbar ansatzlos aus dem<br />
Boden wachsen. Vom Old Man of<br />
Storr daher in nördlicher Richtung auf<br />
gutem Pfad, einen Zaun überkletternd<br />
in den Sattel, von dem das Halbrund<br />
des Storr-Gipfels einsehbar ist. Nun<br />
in südwestlicher Richtung den schrofi<br />
gen, aber leicht ersteigbaren Kamm.<br />
Diesem nun in sicherem Abstand<br />
zu den gewaltigen Abbrüchen zum<br />
Gipfelplateau folgen.<br />
Abstieg: Wie Aufstieg<br />
3 Stac Pollaidh (590 m)<br />
▶ leicht 2½ Std.<br />
500 Hm 500 Hm<br />
Charakter: Wunderbare Wanderung<br />
mit optionaler Kletterei im nordwestlichsten<br />
Zipfel Schottlands.<br />
Vom Gipfel grandiose Aussicht über<br />
das Inverpolly-Naturreservat<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz unterhalb<br />
des sichtbaren Gipfels am Ufer des<br />
Loch Lurgainn, an der kleinen Straße,<br />
die in Drumrunie von der A835<br />
abzweigt.<br />
Route: Vorm Parkplatz auf dem<br />
ausgebauten Weg etwa eine halbe<br />
Stunde bergan, bis der Pfad östlich<br />
um den Berg herumführt. Auf der<br />
Rückseite des Berges den Weg nach<br />
links verlassen und durch steiles, aber<br />
griffi ges Gelände in die Scharte des<br />
Gipfelkamms und leicht zum Ostgipfel.<br />
Wer sich befähigt fühlt, kann nun in<br />
bestem Fels die Überschreitung zum<br />
Westgipfel angehen, einige Kamine<br />
und Blöcke sind dabei zu überwinden.<br />
Abstieg: Von der Scharte unterhalb<br />
des Ostgipfels diesmal in nordwestliche<br />
Richtung absteigen und die<br />
Umrundung des Berges auf guten<br />
Wegen vollenden.<br />
4 Aonach Eagach (967 m)<br />
▶ schwierig 6 Std.<br />
1400 Hm 1400 Hm<br />
Charakter: Aussichtsreiche, lange<br />
Gratüberschreitung über mehrere<br />
Munros. Abstieg weglos, am Grat<br />
selbst keine Orientierungsprobleme,<br />
aber zahlreiche kurze Kletterstellen.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz an der<br />
A82 am Taleingang des Glencoe,<br />
direkt hinter der winzigen Siedlung<br />
Allt-na-reigh.<br />
Route: Vom Parkplatz auf gut sichtbaren<br />
Wegspuren über die weiten,<br />
steilen Grashänge zum An Bodach<br />
(943 m), dem ersten Gipfel des<br />
Tages, an dem auch der ebenso ausgesetzte<br />
wie aussichtsreiche Grat<br />
beginnt. Die vielen Türmchen überklettert<br />
man besser, als sie im steilen<br />
Gras zu umgehen. So kraxelt man<br />
im Auf und Ab, stets mit Tiefblick zum<br />
Loch Achtriochtan, über Meall Dearg<br />
und Sgorr nam Finnaidh. Hier endet<br />
der Grat, der Abstieg ins Glencoe<br />
ist weglos und führt nach bestem<br />
Menschenverstand über Geröll,<br />
1 2<br />
später grasige Hänge und Heidelandschaft.<br />
Nun zurück zum Auto trampen<br />
oder gleich in die legendäre, nur<br />
300 Meter talauswärts gelegene <strong>Bergsteiger</strong>kneipe<br />
Clachaig Inn.<br />
5 An Teallach (1062 m)<br />
▶ schwierig 8 Std.<br />
1500 Hm 1500 Hm<br />
Charakter: Schwierige, weglose<br />
Überschreitung des eindrucksvollsten<br />
Berges der nordwestlichen Highlands,<br />
auf der man zwei Munros einsacken,<br />
im Nebel aber schnell die Orientierung<br />
verlieren kann.<br />
Ausgangspunkt: Parkplatz Corrie<br />
Hallie an der A832 ca. 5 km vor<br />
Dundonnell<br />
Route: Auf der anderen Straßenseite<br />
weist ein recht verstecktes Schild<br />
nach Kinlochewe. Dieser alten Straße<br />
folgen wir etwa eine Dreiviertelstunde,<br />
queren dann den Bach und<br />
steigen steil bergauf zu einer Steinpyramide.<br />
Hier die Straße verlassen<br />
und den Pfad zur Shenavall-Bothy einschlagen.<br />
Am höchsten Punkt, nach<br />
etwa 1½ km, den Pfad verlassen und<br />
über Sandsteinplatten, Heide, später<br />
nur noch Geröll auf den Sail Liath<br />
(954 m). Hier beginnt der feste Gratweg<br />
über Sgurr Fiona (1059 m),<br />
An Teallach und Bidein a’Ghlas Thuill<br />
(1062 m), die in teils leichter Kletterei<br />
(II) in festem Gestein überwunden<br />
werden. Hinter dem letzten Gipfel wird<br />
der Weg wieder einfacher, ehe man<br />
den Grat endgültig nach Osten ins Tal<br />
des Ghlas Thuill verlässt , dem man<br />
bis zur A832 folgt.<br />
1 Grundkurs in schottischer<br />
Nebelkunde am An Teallach<br />
2 Eintritt für alle außer<br />
Campbell: das Clachaig Inn<br />
116 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Der Inbegriff von unverbaubarer Aussicht: der »Table«, schottisches Postkartenmotiv Nr. 1<br />
Fotos: Thomas Ebert (3)<br />
Nur eine halbe Autostunde nördlich liegt<br />
ein weiteres Highlight der Isle of Skye, das<br />
Quiraing. Ein massiver Erdrutsch schuf<br />
dort ein abschreckendes Durcheinander<br />
von Basaltzacken und Steilklippen, das<br />
Wanderer links liegen lassen könnten, gäbe<br />
es nicht den »Table«: Einen topfebenen<br />
Grasgipfel mit doppeltem Meerblick, der<br />
inmitten der Felsnadeln so einnehmend<br />
wirkt, als würde man eine Postkarte betreten.<br />
Angeblich versteckten die Schotten<br />
hier einst ihr Vieh vor den marodierenden<br />
Wikingern, was bei dem vertrackten<br />
Zustieg sicher funktioniert hat. Die nette<br />
Dame, die unten am Parkplatz rund um<br />
die Uhr Linsensuppe und Zebraburger verkauft,<br />
versichert hingegen, man hätte dort<br />
Shinty erfunden, die schottische Variante<br />
des Hockey. Weder Wikinger noch Torauslinien<br />
sind zu sehen, Menschen schon gar<br />
nicht. Unser erster Gedanke ist: Zelt raus!<br />
Der zweite: Dürfen wir das? Am nächsten<br />
Morgen richten wir sogar den vom Zelt zerdrückten<br />
Rasen wieder auf. Lektion vier:<br />
Intakte Natur schützt sich von selbst.<br />
Der topfebene<br />
Grasgipfel mit<br />
doppeltem Meerblick<br />
ist so einnehmend,<br />
als würde<br />
man eine Postkarte<br />
betreten.<br />
INFO<br />
Schottisch für<br />
Anfänger<br />
Bogholes sind hüfftiefe Matschlöcher, die<br />
jeder Wanderer früher oder später kennenlernt<br />
– wie auch die Stechmücken, Midges<br />
genannt, die bis zum ersten Frost regieren.<br />
Bewirtschaftete Hütten gibt es in den Highlands<br />
nicht, dafür Selbstversorgerhütten, die<br />
Bothies. Infos unter www.mountainbothies.<br />
org.uk. Munros sind Berge über 3000 Fuß<br />
(914 Meter), das Sammeln ein schottischer<br />
Volkssport. Oben genehmigt man sich<br />
traditionell a wee dram, einen Schluck<br />
schottischen Whisky aus dem Flachmann.<br />
Das schwarze Loch Europas<br />
Richtig weit werden die Highlands in der<br />
Letterewe Wilderness. Das nächtliche Satellitenbild<br />
von Europa ist hier am allerdunkelsten<br />
und allein aus diesem Grund ein interessantes<br />
Ziel. Im Dauerregen erreichen<br />
wir die Selbstversorgerhütte Shenavall. Das<br />
Mobiliar besteht aus Kerzen und einer Magnetdartscheibe,<br />
fühlt sich aber an wie ein<br />
Palast. Man mag sich kaum ausmalen, wie<br />
es in den Alpen zuginge, wären sowohl die<br />
Wege als auch die Hütten entweder verfallen<br />
oder gar nicht erst angelegt.<br />
Nachts liegen wir im Schlafsack auf dem<br />
Bretterboden und lauschen dem Wind,<br />
der in den Essenstüten raschelt. Als er<br />
anfängt, Löcher in das Plastik zu reißen,<br />
dämmert uns, dass der Wind aus kleinen<br />
Mäusezähnen besteht und auch unsere<br />
Naturverbundenheit Grenzen hat. Der<br />
Aufbruch zum An Teallach fällt dafür gar<br />
nicht mehr so schwer. Die Überschreitung<br />
des auch für außerschottische Verhältnisse<br />
gewaltigen Massivs mit seinen drei Munros<br />
ist eine großartige und auch tagesfüllende<br />
Unternehmung, besonders wenn man im<br />
Abstieg Ost mit West verwechselt und eine<br />
Ehrenrunde an der Shenavall dreht. Lektion<br />
fünf: Schottischer Nebel ist die Definition<br />
von dicht.<br />
Beim Rückflug sind wir die einzigen Deutschen<br />
an Bord, der Rest freut sich aufs Oktoberfest.<br />
Bald werden sie vor den überfüllten<br />
Zelten stehen und sich an Bob Dylans<br />
Worte erinnern: »Well, my heart’s in the<br />
highlands, only place left to go«. ◀<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 117
AUSFLUGSTIPP<br />
Das perfekte Bergwochenende I Disentis, Graubünden<br />
Aus Felsen geboren:<br />
die Rheinquelle nahe<br />
dem Oberalppass<br />
Wüste am Wasser<br />
Wo anklopfen?<br />
Sedrun Disentis Tourismus<br />
Via Alpsu 62, CH-7188 Sedrun<br />
Tel. 00 41/(0) 81/9 20 40 30<br />
info@disentis-sedrun.ch<br />
www.disentis-sedrun.ch<br />
Hämatit aus der<br />
Cavradischlucht<br />
Das Erste, was die Gäste in Disentis<br />
lernen, ist die richtige Aussprache<br />
des Ortsnamens: mit Betonung<br />
auf der ersten Silbe. »Nicht dass<br />
man euch, wenn ihr nach dem Weg fragt,<br />
zurückschickt an den Bodensee!«, warnt<br />
Pater Theo Theiler mit spitzbübischem Lächeln.<br />
»Dort liegt nämlich der Säntis, der<br />
mit Disentis rein gar nichts zu tun hat.«<br />
Wo sich die Wege trennen: So lautet die eine<br />
Übersetzung des Ortsnamens. Ein Weg<br />
führt von hier über den Oberalppass in<br />
den Kanton Uri, der andere über den Lukmanierpass<br />
ins Tessin. Pater Theo gefällt<br />
die zweite Version trotzdem besser, in der<br />
sich Disentis von Desertina, Wüste, ableitet.<br />
Karg ist es nur rund um die Felsnadeln,<br />
die in den obersten Regionen die Gletscher<br />
durchbohren. Darunter gischten<br />
Wasserfälle über Steilstufen, Bäche<br />
glucksen durch saftige Wiesen mit<br />
Büscheln von blühenden Alpenrosen.<br />
Einer der größten europäi-<br />
schen Flüsse, der Rhein, entspringt nahe<br />
dem Oberalppass im Tomasee. Sachte mäandert<br />
das Wasser zwischen dem Gras, bis<br />
es über Felsen Richtung Tal stürzt. Unten<br />
warten schon die Goldwäscher darauf,<br />
dass die Fluten ihnen das sagenumwobene<br />
Rheingold in die Siebe spülen. Tatsächlich<br />
hat die Region um Disentis die meisten<br />
Goldvorkommen in der Schweiz. Für einen<br />
Abbau im großen Stil reicht es dennoch<br />
nicht. Indes suchen Strahler im Val Giuv<br />
und in der Cavradischlucht nach Bergkristallen,<br />
Rauchquarzen und Hämatiten. Der<br />
spektakulärste Fund, ein 43 Millimeter<br />
kleiner Milarit, ist um die 200000 Franken<br />
wert und gemeinsam mit anderen Mineralien<br />
im Heimatmuseum »La Truaisch« in<br />
Sedrun ausgestellt.<br />
Wo also sollte hier Wüste sein? »Wüste im<br />
Sinne von Einöde«, verbessert Pater Theo.<br />
»Vor 1400 Jahren war Sumvitg das oberste<br />
Dorf. Darüber lebte niemand, bis ein<br />
Mönch kam und ein Kloster gründete.« ◀<br />
118 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Der Gold-Gusti<br />
(60) könnte<br />
einem Roman<br />
von Jack London<br />
entschlüpft sein: Alte Jeans<br />
umschlabbern seine kräftige Statur, über<br />
dem karierten Hemd trägt er eine speckige<br />
Lederweste. Wortkarg ist er; aber wenn er<br />
seinem Besuch seine Funde aus dem Rhein<br />
zeigt, blitzen seine Augen fast ebenso wie<br />
die Goldnuggets. Erst 1988 wurde aus<br />
dem Zürcher Computer-Spezialisten August<br />
Brändle ein Goldwäscher. Im Juli 1996, nach<br />
dem spektakulären Fund des damals größten<br />
Nuggets in der Schweiz, machte ihn ein<br />
Blick-Journalist zum Gold-Gusti. Unter diesem<br />
Namen bietet er Goldwäscher-Kurse in<br />
Disentis an – mit Erfolgs-Garantie: »Wir fi nden<br />
jedes Mal etwas.« (www.gold-gusti.ch)<br />
Was essen?<br />
Pizokels cun Jarvas<br />
Was den Schwaben die Spätzle, das sind<br />
den Bündnern die Capuns. Die vegetarische<br />
Variante ohne Bündnerfl eisch, dafür mit<br />
Rahmsoße und frischen Kräutern garniert, heißt<br />
Pizokels. Ausgezeichnete Pizokels bekommt<br />
man beispielsweise in der Bündner Stube – auf<br />
rätoromanisch »Stiva Grischuna« –, einem der<br />
ältesten noch erhaltenen Gasthäuser in Disentis.<br />
Als Napoleons Truppen das Dorf 1799 fast<br />
komplett niederbrannten, blieben nur wenige<br />
Häuser verschont –<br />
darunter auch die<br />
Stiva Grischuna<br />
(www.<br />
buendnerstubedisentis.ch).<br />
Wo wohnen?<br />
Hotel Pazzola<br />
Patricia Jehle und Philippe Fischer schwimmen<br />
gerne mal gegen den Strom. Vor einem<br />
Jahr sind die beiden aus dem Großstadt-Flair<br />
in das abgelegene Tal abgewandert und<br />
haben das Hotel Pazzola übernommen. Der<br />
größte Teil des Hauses ist bereits renoviert<br />
und strahlt eine angenehme Mischung aus<br />
modern und gemütlich aus: mit Holz, Naturstein<br />
und offenen Kaminen im Restaurant wie<br />
auch in der Familiensuite. Koch Philippe lässt<br />
sich von der internationalen Küche zu feinen<br />
Kreationen inspirieren, die er mit Kräutern<br />
aus dem eigenen Garten würzt. DZ mit Frühstücksbuffet<br />
für 2 Personen ab 150 CHF bzw.<br />
124 € pro Nacht (www.pazzola.ch).<br />
Basiswissen<br />
Ankommen: Per Bahn über St. Margarethen<br />
und Chur nach Disentis. Mit<br />
dem Auto Richtung Bodensee, über<br />
das österreichische Bregenz nach<br />
Liechtenstein und in die Schweiz. Auf<br />
der A13 bis Chur, weiter auf der B19<br />
über Flims und Laax nach Disentis.<br />
Sich orientieren: Landeskarten der<br />
Schweiz 1:25 000, Blatt 1213 »Trun«<br />
und Blatt 1232 »Oberalppass«<br />
Mehr erfahren: Kostenlose Wander-<br />
App mit Infos und Kartenmaterial<br />
unter www.disentis-sedrun.ch/apps<br />
Nicht versäumen!<br />
1400 Jahre altes Geburtstagskind<br />
Der Gärtner muss noch ran, dann ist das Kloster Disentis bereit für seinen<br />
großen Auftritt. Vom 24. bis 26. Oktober feiert es mit Tagen der offenen Tür seinen<br />
1400. Geburtstag. Damit ist es das älteste bestehende Kloster in der Schweiz.<br />
Der erste, der an diesem Ort lebte, war der Wandermönch Sigisbert, der auf den<br />
Gemälden oft von einem kopfl osen Ritter begleitet wird: Der Adelige Placidus<br />
unterstützte Sigisbert bei der Klostergründung, wurde aber nach einem Streit mit<br />
dem Präses von Chur ermordet. Sieben Brände überstand das Kloster seither.<br />
Eine große Bedeutung hat es mittlerweile ausgerechnet für Jugendliche: Die 25<br />
Benediktinermönche führen das einzige Gymnasium in der Region Surselva.<br />
Zudem betreuen sie das Museum mit einer naturgeschichtlichen Abteilung, in der<br />
die ganze einheimische Tierwelt in exzellenten Präparaten ausgestellt ist.<br />
Fotos: Jan Ingenhaag (5), Disentis Sedrun Tourismus (2), Hotel Pazzola<br />
Vorbei an Seen und Tümpeln über Disentis<br />
Tourentipps: Seenswürdigkeiten<br />
1 Pazolastock (2740 m)<br />
Charakter: Die wenig schwierige<br />
Rundtour verbindet zwei Höhepunkte<br />
am Oberalppass miteinander, den<br />
Aussichtsgipfel Pazolastock und den<br />
Tomasee (Lai da Tuma), aus dem der<br />
Rhein entspringt (4½ Std.).<br />
Startpunkt: Oberalppass (2044 m)<br />
Route: Oberalppass – Puozas –<br />
Pizolastock/Piz Nurschalas – Fil Tuma<br />
– Badushütte (2503 m) – Lai da<br />
Tuma (2345 m) – Trutg Nurschalas –<br />
Plauncas Cufl egl – Oberalppass<br />
2 Vier-Seen-Wanderung<br />
Charakter: Die Höhenwanderung führt<br />
auf aussichtsreichen, sonnigen Wegen<br />
unterhalb der schroffen Felsen des<br />
Piz Cavardiras und des Piz Run entlang<br />
zu den Seen Lag Serein, Lag Crest Ault<br />
und Lag Brit (6½ Std.)<br />
Startpunkt: Talstation der Luftseilbahn<br />
in Disentis (1130 m)<br />
Route: Per Seilbahn nach Caischavedra<br />
(1862 m) – Lag Serein (2073 m)<br />
– Lag Crest Ault (2268 m) – Lag Brit<br />
(2361 m) – Val Lumpegna – Disentis<br />
09⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 119
KOLUMNE<br />
Schneetreiben<br />
Das Sudelfeld im bayerischen Oberland baut eine riesige<br />
Mauer, um sich für den Klimawandel zu wappnen.<br />
Das Großprojekt hat jede Menge touristisches Potenzial.<br />
Foto: privat; Illustration: Max Baitinger<br />
Axel Klemmer<br />
ist im Alter von fünf Jahren von<br />
Berlin nach München gezogen.<br />
Seither lassen ihn die Berge<br />
nicht mehr los. In den 1990er-<br />
Jahren war er Redakteur beim<br />
BERGSTEIGER. Der 50-Jährige<br />
schreibt im Wechsel mit<br />
Sandra Zistl, Eugen E. Hüsler<br />
und Caroline Fink über das<br />
Geschehen in den Bergen.<br />
14,7<br />
Meter Höhe misst die Mauer,<br />
die das Dorf Koizumi an<br />
der Sanruki-Küste Japans<br />
zukünftig vor Tsunamis schützen soll. Bei<br />
der Katastrophe am 11. März 2011 hatten<br />
dort 55 der 1800 Dorf bewohner ihr Leben<br />
verloren, weit mehr als die Hälfte der Häuser<br />
war zerstört worden. Die Flutwelle, die<br />
die japanische Küste damals traf, war bis<br />
zu 23 Meter hoch. Eine von der Regierung<br />
eingesetzte Expertenkommission schrieb<br />
in ihrem Untersuchungsbericht, dass auch<br />
Wellenhöhen bis zu 34 Meter möglich seien.<br />
Wie hoch soll die Staumauer in Koizumi<br />
werden? 14,7 Meter. Immerhin.<br />
Höher als der Kirchturm<br />
Die japanischen Küstenmenschen sollten<br />
vielleicht mal die bayerischen Bergmenschen<br />
besuchen. Bei Bayrischzell im Landkreis<br />
Miesbach bauen sie einen Damm, der<br />
ebenfalls vor der Natur schützen soll. Denn<br />
auch in Bayern macht die Natur, was sie<br />
will. Sie schneit zum Beispiel nicht genug.<br />
Darum müssen im Skigebiet auf dem Sudelfeld<br />
die alten, subperformanten Lifte durch<br />
neue, leistungsstärkere Anlagen ersetzt<br />
werden. Zusätzlich werden 250 Schnee kano<br />
nen, das heißt Anlagen zur Erzeugung<br />
von technischem Schnee, in Stellung gebracht.<br />
Um sie mit Munition, das heißt mit<br />
Wasser zu versorgen, wird ein Speicherbecken<br />
gebaut, das 150 000 Kubikmeter Wasser<br />
fassen soll.<br />
Der Staudamm wird bis zu 38 Meter hoch<br />
sein und damit höher als der Kirchturm<br />
in Miesbach, wie die Süddeutsche Zeitung<br />
vorrechnete. Einen Eilantrag von Natur-<br />
schutzverbänden auf Baustopp wies das<br />
Verwaltungsgericht in München zurück.<br />
In seiner Begründung führte es die »erhebliche<br />
Bedeutung« des Projekts »für den<br />
Wintertourismus und die regionale Wirtschaftsentwicklung«<br />
an – auch wenn die<br />
Beschneiung wegen des Klimawandels<br />
wohl kaum länger als 15 Jahre möglich sei.<br />
Später mal Weltkulturerbe?<br />
15 Jahre sind nicht viel. Und dann? Stehen<br />
die Teile in der Landschaft rum. Aber ich<br />
glaube ja, dass die Schneefabrikanten und<br />
das Verwaltungsgericht nur über den alpinen<br />
Tellerrand schauen – ins Ruhrgebiet.<br />
Dort wurde die Zeche Zollverein in Essen<br />
15 Jahre nach ihrer endgültigen Stilllegung<br />
im Jahr 1986 von der UNESCO zum<br />
Weltkulturerbe ernannt. Seitdem strömen<br />
die Touristen in Scharen dorthin.<br />
In Wahrheit soll das Sudelfeld der erste<br />
skisporthistorische Industrie- und Landschaftspark<br />
in den Alpen werden. Die Touristen<br />
werden in Scharen herbeiströmen<br />
und darüber staunen, welcher Aufwand<br />
einmal betrieben wurde, um Schnee zu machen.<br />
Die Schneekanonen und Pistenbullys<br />
werden auf den grünen Wiesen über der<br />
Leitzach romantisch rosten und schließlich<br />
zu Kulturdenkmälern wie die Hochöfen<br />
und Fördertürme an der Ruhr. Und weil das<br />
eben schon in 15 Jahren geschieht, also einige<br />
Jahre, bevor auch die Österreicher und<br />
Südtiroler so weit sein werden, wird das<br />
Sudelfeld einen Wettbewerbsvorteil haben.<br />
Bayrischzell denkt nur an seine Zukunft,<br />
aber die Naturschützer kapieren es mal<br />
wieder nicht.<br />
◀<br />
120 <strong>Bergsteiger</strong> 09⁄14
Juli 2013<br />
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LESERBRIEFE/IMPRESSUM<br />
08<br />
08 / August 2014<br />
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Mont Blanc<br />
Der weiße Riese im Porträt<br />
Ein Mythos gerät ins Wanken<br />
+<br />
Glowacz über Motivation<br />
Wetterstein<br />
50 Tourentipps<br />
Almwandern im<br />
Salzburger Land<br />
Hohe Tauern<br />
| Alpinismus<br />
Tannheimer Tal<br />
48 perfekte Leutasch-Stunden<br />
Blanc<br />
rträt<br />
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r Tal<br />
K2-Jubiläum: Berg der Besten<br />
dSpitzen<br />
Allgäuer Alpen: Hauben und Spitzen<br />
Monte Rosa<br />
Engadin<br />
IM TEST<br />
Trekkingstöcke:<br />
Was Sie vor dem<br />
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müssen!<br />
Dolomiten<br />
Auf Klettersteigen durch<br />
die Kriegsgeschichte<br />
Im Wanderparadies stehen Viertausender sammeln im Der älteste Nationalpark der<br />
die Dreitausender Spalier zweithöchsten Alpen-Massiv Alpen feiert 100. Geburtstag<br />
IM TES<br />
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bs_2014_08_u1_u1.in d 1 04.07.14 1:31<br />
04.07.14 1:31<br />
BERGSTEIGER 08/2014<br />
Schattenseiten Gipfelwahn<br />
Betrifft: Riese in Bedrängnis<br />
bs_2014_08_u1_u1.indd 1 04.07.14 11:31<br />
Liebe <strong>Bergsteiger</strong>-Redaktion,<br />
danke fürs Beleuchten der<br />
Schattenseiten des Gipfelwahns.<br />
Dank High-Performance-Ausrüstung,<br />
grenzenloser<br />
Mobilität und Infos über<br />
BERGSTEIGER unter der Lupe: Leserbrief des Monats<br />
jedes Tourendetail scheint das<br />
einstige alpinistische Prüfstück<br />
– der Traum vom Mont Blanc<br />
– heute für jeden halbwegs<br />
ambitionierten <strong>Bergsteiger</strong><br />
zum Greifen nah. Das nötige<br />
Kleingeld für den Bergführer<br />
flüssig gemacht –, das war’s<br />
dann auch fast schon an Vorbereitung.<br />
Dann heißt es nur<br />
noch »Augen zu und durch«,<br />
brav dem Führer hinterher laufen<br />
und darauf vertrauen, dass<br />
schon alles gut gehen wird. Im<br />
Bekanntenkreis hat man ja<br />
inzwischen genügend Vorreiter,<br />
deren Mont-Blanc-Gipfelfoto<br />
schon die Wohnzimmerwand<br />
ziert.<br />
Die Kehrseite der Medaille findet<br />
meist weder in den ruhmreichen<br />
Erfahrungsberichten<br />
der Gipfelstürmer noch in den<br />
Porträts des legendären Berges<br />
ihren Platz. Mir jedenfalls war<br />
das Ausmaß der Problematik<br />
nicht bewusst. Umso wichtiger,<br />
zwischendurch auch mal<br />
die Auswirkungen des Massentourismus<br />
am höchsten Berg<br />
der Alpen auf die Leinwand zu<br />
werfen. Mich hat’s zum Nachdenken<br />
angeregt.<br />
Carolin Otzelberger, per Mail<br />
Sagen Sie uns Ihre Meinung zum BERGSTEIGER, wir freuen uns über jede Zuschrift!<br />
Je kürzer ein Leserbrief, desto größer die Chance auf Veröffentlichung. Alle Zuschriften bitte an<br />
BERGSTEIGER, Postfach 40 02 09, D-80702 München oder E-Mail: bergsteiger@bruckmann.de<br />
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die abgedruckten Leserbriefe nicht die Meinung der Redaktion,<br />
sondern die der Unterzeichnenden wiedergeben. Wir behalten uns vor, Briefe vor Abdruck zu kürzen.<br />
09/14 | 81. Jahrgang<br />
Internet: www.bergsteiger.de<br />
Redaktionsanschrift<br />
BERGSTEIGER<br />
Postfach 40 02 09, 80702 München<br />
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Chefredakteur Michael Ruhland<br />
Redaktion Thomas Ebert, Petra Gössl-Kubin,<br />
Dominik Prantl, Dagmar Steigenberger<br />
Assistenz Thomas Ebert<br />
Layout Tanja Beyerle, Susanne Bukvic<br />
Kartographie Heidi Schmalfuß, München<br />
Illustrationen Max Baitinger<br />
Aboservice/Leserservice<br />
BERGSTEIGER-Aboservice, Postfach 1280,<br />
82197 Gilching, DEUTSCHLAND<br />
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Fax 01 80-5 32 16 20*<br />
(* 14 Cent pro Minute)<br />
leserservice@bergsteiger.de<br />
Anzeigenleitung<br />
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Anzeigenverkauf<br />
Peter Schachtl (Bergsport), Tel. +49 (0) 80 64.<br />
90 59 75, medienservice@schachtl.de<br />
Tourismus-Marketing<br />
Angelika Genat, Tel. +49 (0) 89.13 06 99.550<br />
angelika.genat@verlagshaus.de<br />
Anzeigendisposition<br />
Johanna Eppert, Tel. +49 (0) 89.13 06 99.130<br />
johanna.eppert@verlagshaus.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 50, ab<br />
1. Januar 2014, www.verlagshaus-media.de<br />
Repro ludwig:media, Zell am See<br />
Druck Stürtz, Würzburg<br />
Fotos: Iris Kürschner, Rainer Eder/Mammut, picture alliance<br />
↗<br />
↘<br />
MITARBEITERIN DES MONATS<br />
AUFSTEIGER DES MONATS<br />
ABSTEIGER DES MONATS<br />
Preisträgerin<br />
Wo es Königen gefallen hat, muss es schön sein, dachte sich BERGSTEIGER-<br />
Autorin Iris Kürschner und suchte die Seealpen auf. Dort jagte früher Vittorio<br />
Emanuele II, Regent von Savoyen-Piemont und späterer König Italiens. Für ihre<br />
Reportage »Alte Blüte, neue Blüte« (BS 09/13) erhielt Kürschner nun den<br />
Preis »Bestes Italienspecial Zeitschrift« der italienischen Tourismuszentrale.<br />
Hoffnungsträger<br />
Als erster Deutscher hat Jan Hojer den Gesamtsieg beim diesjährigen Boulderweltcup<br />
davongetragen. Für die Wettkämpfe scheute er keine Mühen: Der<br />
22-jährige Kölner, ohnehin schon lang und dünn, nahm fünf Kilo ab und trainierte<br />
hart an seiner Beweglichkeit. Bei der Boulder-WM vom 21. bis 23. August<br />
im Münchner Olympiastadion geht Ho