7. Stress, Bewältigung und Gesundheit
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<strong>7.</strong> <strong>Stress</strong>, Bewältigung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
1. Beziehung von (Lebens-)ereignissen <strong>und</strong> <strong>Stress</strong><br />
1.1 Anforderungen, Belastungen, Bewältigung <strong>und</strong> <strong>Stress</strong><br />
- Lebensereignisse (life events) stellen Anforderungen (demands) an uns<br />
o zu erreichende Ziele,<br />
o zu beendende oder zu vermeidende Belastungen<br />
- dafür werden geeignete Ressourcen benötigt<br />
- von einer Belastung (strain) wird gesprochen, wenn diese Ressourcen akut nicht geeignet<br />
sind bzw. nicht ausreichen<br />
- als Coping wird Verhalten bezeichnet, das zur Bewältigung von solchen Anforderungen <strong>und</strong><br />
ihren Konsequenzen dient<br />
- <strong>Stress</strong> erfolgt, wenn Bewältigung von Belastung gefordert ist bzw. nicht ausreicht<br />
- derartiger <strong>Stress</strong> äußert sich in negativen Emotionen, Arousal, maladaptivem Verhalten,<br />
psychophysischen Störungen <strong>und</strong> Erkrankungen<br />
1.2 Merkmale von <strong>Stress</strong><br />
- Physisch<br />
o Erkältung, Kopfschmerz, Schlafstörung, Probleme, sich zu entspannen...<br />
o Erfassung durch Fragebögen, physische Maße, Arztbesuche/Krankenberichte,<br />
Fehltage..<br />
- Psychisch<br />
o negative Emotionen <strong>und</strong> Gedanken<br />
Angst, Depressivität, Langeweile, Hoffnungslosigkeit...<br />
o Erfassung durch Fragebögen<br />
- Verhalten<br />
o maladaptives Verhalten<br />
Konsum von Alkohol, Zigaretten, Ess-/Ruhe-/ Schlaf-gewohnheiten..<br />
o Erfassung durch Fragebögen<br />
1.3 Merkmale von <strong>Stress</strong>oren<br />
- Anforderungen, die nicht bewältigt werden können, werden zu <strong>Stress</strong>oren, d.h. sie führen zu<br />
<strong>Stress</strong> im Individuum<br />
- ein <strong>Stress</strong>or erklärt sich also nicht aus dem Stimulus, sondern dem Resultat (Hans Selye 1976<br />
– Begründer der <strong>Stress</strong>forschung)<br />
o Problem des Zirkelschlusses (jeder Stimulus könnte potentiell ein <strong>Stress</strong>or sein)<br />
- bestimmte Merkmale sind allerdings für viele <strong>Stress</strong>oren typisch:<br />
o negative Valenz, hohe Häufigkeit <strong>und</strong>/oder Intensität, geringe Vorhersagbarkeit bzw.<br />
Kontrollierbarkeit<br />
Lebensereignisse (life events)<br />
- sowohl positive (Planen einer Party) als auch negative (Jobverlust) Lebensereignisse stellen<br />
Anforderungen zur Auseinandersetzung <strong>und</strong> zum Handeln dar<br />
o entsprechend induzieren sie Arousal<br />
- Eustress: adäquater Arousal bei positiven Ereignissen (Selye 1976)<br />
o Arousallevel genau richtig, nicht zu niedrig <strong>und</strong> nicht zu hoch<br />
o Vergl. Ideal Level von Zuckerman’s optimal level of stimulation theory<br />
- Distress: inadäquater Arousal sowie negative Emotionen <strong>und</strong> Gedanken, physische<br />
Störungen<br />
o Arousal zu hoch oder zu niedrig
o<br />
<strong>Stress</strong> im engeren (heutigen) Sinne<br />
- same domain Effekt (Zautra & Reich 1983)<br />
o negative Ereignisse führen zu Distress <strong>und</strong> reduzieren Lebensqualität<br />
o positive Ereignisse führen zu positiven Emotionen <strong>und</strong> erhöhen Lebensqualität<br />
- derartige Beziehungen konnten im Alltag häufig systematisch festgestellt werden<br />
- Ausmaß der Lebensereignisse<br />
o geringfügige vs. große<br />
tägliche Probleme <strong>und</strong> Freuden (daily hassles, uplifts)<br />
• daily hassls: Gewicht, Ges<strong>und</strong>heit v. Angehörigen, steigende Preise,<br />
zu viele Dinge zu tun haben<br />
• daily uplifts: eine Aufgabe erledigt haben, genug Schlaf bekommen,<br />
sich ges<strong>und</strong> fühlen, gute Beziehung zu Fre<strong>und</strong>en<br />
o katastrophale (cataclysmic)<br />
Naturkatastrophen, Kriege, Unfälle, Überfälle, Vergewaltigungen..<br />
Vorhersagbarkeit <strong>und</strong> Kontrollierbarkeit<br />
- vorhersagbare negative Ereignisse werden gleichen, aber nicht vorhersagbaren Ereignissen<br />
bevorzugt<br />
- z.B. Badia et al. 1974:<br />
o A) eine Situation wird bevorzugt, in der ein Strafreiz vermieden werden kann, wenn er<br />
durch einen neutralen Reiz angekündigt wird<br />
signaled avoidance<br />
o B) die Situation mit dem ankündigenden Reiz wird auch dann bevorzugt, wenn der<br />
Strafreiz nicht vermieden werden kann, sondern nur vor ihm geflüchtet werden kann<br />
signaled escape<br />
Erklärungen für die Bevorzugung angekündigter Strafreize:<br />
- Hypothese der präparatorischen Reaktionen (Perkins 1955)<br />
o die Ankündigung hilft, sich auf den Reiz adäquater vorzubereiten (z.B. angekündigte<br />
Klausur: Vorbereitung darauf reduziert <strong>Stress</strong>)<br />
- Sicherheitshypothese (Seligman 1971)<br />
o Durch Ankündigung kann das Individuum zwischen sicheren <strong>und</strong> unsicheren Phasen<br />
unterscheiden<br />
Keine Ankündigung von Strafreizen bedeutet eine sichere Phase, in der die<br />
Person entspannen kann<br />
1.4 Beziehungen zwischen <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> <strong>Stress</strong><br />
- einzelne <strong>Stress</strong>oren können zwar relativ geringfügig sein, aber -wenn häufig auftretend- in<br />
ihrer Wirkung kumulieren (sich anhäufen)<br />
- <strong>und</strong> dadurch eine kritische Schwelle übertreten<br />
o der Tropfen, der das Fass überlaufen lässt<br />
- nach Erreichen eines gewissen Ausmaßes kommt es eventuell trotz weiterer <strong>Stress</strong>oren nur<br />
zu geringfügigen weiteren Steigerungen im <strong>Stress</strong><br />
- Wie können derartige Einflüsse von <strong>Stress</strong>oren im Alltag systematisch untersucht werden?<br />
o retrospektive Forschung<br />
Ereignis (z.B. Person ist erkrankt) Suche nach früheren Ereignissen<br />
z.B. mittels rückblickenden Selbsteinschätzungen (wie Art <strong>und</strong> Häufigkeit<br />
bestimmter Belastungen)<br />
Problem: entsprechen derartige Daten der Realität?<br />
• Problem von Gedächtnisfehlern, Vergessen, Verdrehungen um<br />
Geschehnisse zu erklären<br />
o prospektive Forschung
Beobachtung einer Person, die ein mögliches stressiges Ereignis vor sich hat,<br />
über einen Zeitraum<br />
Messung des Wohlbefindens vor <strong>und</strong> nach einem stressreichen Ereignis<br />
z.B. Evans et al. 1998: Auswirkung von Lärmbelästigung (Flughafen)<br />
Lebensqualität sinkt auf Dauer, Blutdruck, Adrenalin steigen<br />
Welche Beziehung besteht zwischen dem Ausmaß des <strong>Stress</strong>ors <strong>und</strong> dem resultierenden<br />
<strong>Stress</strong>?<br />
- Annahme: Je größer der <strong>Stress</strong>or, desto größer die Motivation sich anzupassen<br />
- Konzept der life change units (Holmes & Rahe 1967)<br />
o Einschätzung des Grades an Anpassung, der zur Bewältigung bestimmter<br />
Lebensereignisse notwendig ist<br />
o Anpassung an verschiedene life events erfordert unterschiedliche Anzahl von life<br />
Change units<br />
o<br />
Methode: Fragebögen, wie<br />
<br />
Social Readjustment Rating Scale (Tod des Partners: höchste Belastung,<br />
Schulde, Jobverlust, Pensionierung)<br />
Undergraduate <strong>Stress</strong> Questionnaire (siehe Tab. <strong>7.</strong>2)<br />
Kritik: gehen davon aus, dass dasselbe Lebensereignis für jede Person gleich<br />
belastend ist<br />
weitere Aspekte:<br />
- Differenzierung von Ereignissen, die bei einer Population als mehr oder weniger belastend<br />
bewertet werden (z.B. extra Tests für Erwachsene –Schüler) versus<br />
- Ereignisse, die individuell als belastend bewertet werden<br />
- häufige Vernachlässigung positiver Lebensereignisse<br />
Ausmaß des <strong>Stress</strong>ors:<br />
- bereits ein einzelnes Ereignis kann als schwerwiegender <strong>Stress</strong>or wirken, wenn es das Leben<br />
oder die Ges<strong>und</strong>heit bedroht<br />
- traumatisches Ereignis<br />
o akute Belastungsreaktion<br />
Person reagiert mit starker Angst <strong>und</strong> Hilflosigkeit auf ein traumatisches<br />
Ereignis – kann weiterhin stressenden Gedanken <strong>und</strong> Träume hervorrufen<br />
Person versucht Stimuli, die mit dem Ereignis assoziiert sind zu vermeiden<br />
Symptome müssen auftreten <strong>und</strong> verschwinden innerhalb von vier Wochen<br />
nach traumatischem Ereignis – sonst Veränderung zu PTSD<br />
o posttraumatische Belastungsstörung (PTSD, postraumatic stress disorder)<br />
Typische Symptome von PTSD:<br />
- Angst, Hoffnungslosigkeit<br />
- plötzliche belastende Erinnerungen<br />
- Konzentrationsschwierigkeiten<br />
- erhöhtes Arousal, Schlaf- <strong>und</strong> Traumstörungen<br />
- physiologische Veränderungen<br />
- Vermeidungstendenzen...<br />
- häufig untersucht bei<br />
o Naturkatastrophen<br />
o Kriegs- <strong>und</strong> Terroropfern<br />
o Überfällen, Entführungen<br />
o Vergewaltigungen<br />
o Verlust des Partners (Tod, Trennung)<br />
- Bsp. PTSD durch Terroranschlag<br />
o WSK an PTSD zu leiden steigt mit der Nähe an den Anschlagsort, Zeuge gewesen zu<br />
sein, seinen Job dadurch zu verlieren, Besitztümer zu verlieren<br />
Kumulative Effekte von <strong>Stress</strong>oren:
- die Anhäufung relativ geringfügiger Belastungen kann ebenfalls ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Konsequenzen haben<br />
- wie in der Arbeitswelt, im Studium, oder aus rassistischen Gründen (Mitglieder von<br />
Minderheiten: <strong>Stress</strong> durch Diskriminierung <strong>und</strong> Rassissmus)<br />
- Holmes & Masuda (1974): Mit steigender Anzahl an life change units steigen Konsequenzen<br />
für Ges<strong>und</strong>heit<br />
2. Körperliche Konsequenzen von <strong>Stress</strong>:<br />
2.1 Physiologische Effekte von <strong>Stress</strong>oren<br />
das Allgemeine Anpassungssyndrom (Selye) (GAS)<br />
- verschiedene Arten von Stimuli (<strong>Stress</strong>oren) können zu ähnlichen physiologischen<br />
Veränderungen führen, bestehend aus:<br />
o Alarmreaktion<br />
o Widerstandsphase<br />
o Erschöpfungsphase<br />
- eine Belastung führt zu einer Alarmreaktion<br />
o erhöhtes Arousal, Freisetzung von Adrenalin, Noradrenalin <strong>und</strong> Glucocorticoiden<br />
o Tendenz zu verringerter Immunreaktion<br />
o ist die Belastung nur schwach, kurz oder vorübergehend, so kehrt der Organismus<br />
schnell in den ursprünglichen Ruhezustand zurück<br />
- ist die Belastung dagegen schwerwiegend (anhaltend oder wiederholt), so kommt es zu<br />
starken Veränderungen im Organismus: die Widerstandsphase<br />
o die allgemeinen <strong>Stress</strong>reaktionen (s.o.) normalisieren sich, der Organismus reagiert<br />
gezielter auf die Belastung. Diese Prozesse benötigen endogene Ressourcen<br />
- werden diese Ressourcen erschöpft, so folgt die Erschöpfungsphase (die zum Tode führen<br />
kann – Tests an Tieren)<br />
o <strong>Stress</strong>hormone sind wieder erhöht <strong>und</strong> können selbst zu Belastungen werden<br />
- derartige physiologische Reaktionen können ausgelöst werden durch<br />
o physiologische <strong>und</strong> psychische Beanspruchungen<br />
- häufige experimentelle Realisierungen:<br />
o Ergometerfahren<br />
o öffentliche Rede<br />
o Prüfungssituation<br />
o Kopfrechnen<br />
2.2 <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> psychophysische (psychosomatische) Störungen<br />
- verschiedene Erkrankungen können durch <strong>Stress</strong>oren hervorgerufen oder verschlimmert<br />
werden<br />
o z.B. Verstärkung von Symptomen, Verlangsamung der Erholung, Interaktion mit der<br />
Behandlung<br />
o Interaktion mit Risikofaktoren (wie Alter, Geschlecht, Rauchen, Übergewicht, Status...)<br />
- typische Erkrankungen:<br />
o Asthma, Kopfschmerz, kardiovaskuläre Erkrankungen (z.B. Bluthochdruck),<br />
Magengeschwüre<br />
<br />
z.B. höhere Wahrscheinlichkeit von Herzanfällen in Folge von Ärger oder<br />
großer Angst<br />
2.3 <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> Immunsystem
- Arbeitsgebiet der Psychoneuroimmunologie<br />
o Interaktionen zwischen <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> Infektionserkrankungen<br />
wie beeinträchtigen <strong>Stress</strong>oren Immunfunktionen?<br />
Welche Rolle spielt dabei das Nervensystem?<br />
wie erhöht dies die Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen? (z.B. Erkältung)<br />
- Immunsystem:<br />
o der Organismus ist ständig potentiell schädlichen fremden Mikroorganismen (Viren,<br />
Bakterien) ausgesetzt<br />
o das Immunsystem kann diese Schädlinge erkennen <strong>und</strong> eliminieren<br />
weiße Blutzellen: Phagozythose<br />
Die Organe des Immunsystems:<br />
- ferner sind beteiligt:<br />
o diverse Zelltypen<br />
z.B. B-Zellen, T-Zellen, Makrophagen<br />
o diverse Botenstoffe<br />
v.a. Cytokine<br />
- via Nervensystem können <strong>Stress</strong>oren das Immunsystem beeinflussen:<br />
o direkt neuronal<br />
o durch Hormone<br />
- z.B.:<br />
o reduzieren die vom sympathischen NS freigesetzten Botenstoffe Adrenalin <strong>und</strong><br />
Noradrenalin vorübergehend T-Zell-Aktivität <strong>und</strong> Phagocytose<br />
o anhaltender <strong>Stress</strong> führt zu einer Verkleinerung des Thymus (wo T-Zellen entstehen)<br />
oder der Lymphknoten<br />
- Verhaltensänderungen unter <strong>Stress</strong> können Immunsystem ebenfalls negativ beeinflussen<br />
o Mehr Alkohol, unausgewogene Ernäherung, mehr Rauchen, weniger Schlaf<br />
die open window Hypothese (Pedersen & Ullman 1994):<br />
o Hintergr<strong>und</strong>: körperliche Belastung beeinflusst häufig das Immunsystem in einer J-<br />
förmigen Funktion<br />
keine Betätigung: Wahrscheinlichkeit für Infektion erhöht<br />
moderate Betätigung: reduziert<br />
intensive Betätigung: stark erhöht<br />
o open window: wenige St<strong>und</strong>en nach intensiver Betätigung ist das Immunsystem<br />
vorübergehend gehemmt <strong>und</strong> erlaubt ein „offenes Fenster“: natürliche<br />
Killerzellenaktivität ist niedrig, es besteht eine größere Möglichkeit für Antigene in den<br />
Körper zu gelangen <strong>und</strong> ihn zu infizieren<br />
- ähnliche J-Effekte können auch bei anderen Belastungen beobachtet werden, wie<br />
Kopfrechnen oder Kältereize (kurzzeitige <strong>Stress</strong>oren):<br />
o anfänglich: erhöhte Immunreaktion<br />
o bei längerer Einwirkung: reduzierte Immunaktivität<br />
o<br />
klinisch wurden Immunveränderungen beobachtet bei (alles Langzeitstressoren)<br />
Personen, die in der Nähe potentiell gefährlicher Orte leben (Kernkraftwerk)<br />
Personen, die Angehörige intensiv pflegen müssen (z.B. Morbus Alzheimer)<br />
Personen, die von ihren Partnern getrennt wurden<br />
Evidenz, dass <strong>Stress</strong>oren Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöhen:<br />
o <strong>Stress</strong>orauftreten <strong>und</strong> Dauer bzw. Intensität erhöhen die Häufigkeit herkömmlicher<br />
Erkältungen<br />
o ebenso Herpes, Hepatitis, Atemwegserkrankungen, Pfeiffer´sches Drüsenfieber<br />
3. Moderatorvariablen:<br />
= Merkmale der Umwelt oder der Person, die die Beziehung zwischen <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> <strong>Stress</strong><br />
verändern
- „When life hands you a lemon, do you turn sour or do you make lemonade?“<br />
- Warum wirken sich gleiche Belastungen auf verschiedene Personen unterschiedlich aus?<br />
o der quantitative <strong>und</strong> qualitative Einfluss potentieller <strong>Stress</strong>oren hängt von bestimmten<br />
externen <strong>und</strong> internen Randbedingungen ab<br />
Bewertung (appraisal)<br />
Bewältigung (coping)<br />
soziale Unterstützung<br />
Persönlichkeitsfaktoren<br />
3.1 Bewertung (Lazarus & Folkman 1984)<br />
- die subjektive (kognitive) Bewertung eines Lebensereignisses kann zu einer positiven oder<br />
negativen Sicht führen<br />
o die bevorstehende Klausur kann als Herausforderung oder als Bedrohung bewertet<br />
werden<br />
- primary appraisal:<br />
o Einschätzung der Bedeutung einer Situation für das eigene Wohl<br />
Ereignis irrelevant: kaum Reaktion<br />
Ereignis positiv: geringe Reaktion, positive Emotion<br />
Ereignis als <strong>Stress</strong>or:<br />
• Bedrohung (Schaden, Verlust)<br />
• Herausforderung (gefährlich, aber kontrollierbar)<br />
- secondary appraisal:<br />
o Einschätzung der dem Individuum zur Verfügung stehenden<br />
Bewältigungsmöglichkeiten<br />
Ressourcen zur Bewältigung vorhanden?<br />
Wahl der Strategie<br />
Bewertung der Wahrscheinlichkeit ihres Erfolges mit der gewählten Strategie<br />
- experimentelle Beispiele zum Einfluss von Bewertungsmechanismen auf individuellen <strong>Stress</strong><br />
(Lazarus et al. 1964)<br />
o Betrachten von Filmen mit potentiell belastenden Inhalten<br />
blutige Beschneidungsrituale, Arbeitsunfälle<br />
o Kombination derartiger Filme mit unterschiedlichem Begleitton (Kommentar)<br />
Verleugnung, Intellektualisierung, Traumatisierung, kein Ton<br />
o physiologische Indikatoren<br />
EDA, Herzrate<br />
o Ergebnis: Film mit traumatisierendem Begleitton führt zu den stärksten Reaktionen<br />
3.2 Bewältigung (coping) – Lazarus & Folkman<br />
- zwei Funktionen:<br />
o Umgang mit dem <strong>Stress</strong>or<br />
o Umgang mit den Konsequenzen des <strong>Stress</strong>ors<br />
- Problem-orientiertes Coping<br />
o Identifkation der Situation <strong>und</strong> der möglichen Lösungen<br />
- Emotions-orientiertes Coping<br />
o Wunschdenken (dass das Problem schon verschwindet),<br />
o Aufschieben, positiv sehen,<br />
o Spannung reduzieren (Rauchen, Trinken, Essen, Joggen)
o sich selbst beschuldigen (Realisierung, dass man für sein Handeln <strong>und</strong> die<br />
Konsequenzen verantwortlich ist),<br />
o vor anderen verheimlichen<br />
- kontrollierbare <strong>Stress</strong>oren führen eher zu Problem-orientiertem Coping, unkontrollierbare<br />
(erfordern mehr Anpassung) eher zu Emotions-orientiertem<br />
- Problemorientiertes <strong>und</strong> Emotionsorientiertes Coping können gemeinsam auftreten<br />
- Bewertung <strong>und</strong> Bewältigung interagieren (Eher Prozess als statische Ereignisse)<br />
o wie ein <strong>Stress</strong>or bewertet wird, bestimmt auch folgende Bewältigungsschritte<br />
- Folkman & Lazarus 1985: Dynamik von Copingprozessen<br />
o Untersuchung von Copingstrategien von Studenten<br />
2 Tage vor einer Prüfung<br />
5 Tage später, aber bevor die Ergebnisse ausgehängt wurden<br />
5 Tage nachdem die Ergebnisse veröffentlicht wurden<br />
o Resultat:<br />
vor <strong>und</strong> nach studentischen Prüfungsphasen<br />
• Problemfokussiertes Coping am höchsten vor der Prüfung, danach<br />
Abfall wenn nichts mehr beeinflusst werden konnte<br />
• Emotionsfokussiertes Coping (Wunschdenken) sinkt nach der<br />
Prüfung <strong>und</strong> noch weiter nachdem die Ergebnisse bekannt sind<br />
• Wunschdenken als Weg negative Emotionen zu reduzieren am<br />
erfolgreichsten, wenn diese Emotionen am Höhepunkt sind (kurz vor<br />
der Prüfung)<br />
o in Abhängigkeit von eigenem Leistungsstand<br />
• Höheres Wunschdenken bei Studenten mit schlechteren Noten als<br />
bei solchen mit besseren Noten<br />
• Nach sozialer Unterstützung streben in jeder Prüfungsphase, aber<br />
auch abhängig von der Note, die der Student bekommt (schlechte<br />
Note = mehr Suche nach Unterstützung)<br />
o <strong>und</strong> von akademischer Erfahrung<br />
Unterschiede in der Wahl der Copingstrategien von Studienanfängern <strong>und</strong><br />
Fortgeschrittenen (kein Unterschied in <strong>Stress</strong>leveln)<br />
• Anfänger mehr Distanzierung <strong>und</strong> Selbstisolation als Fortgeschrittene<br />
• Fortgeschrittene mehr problemfokussiert <strong>und</strong> Selbstbeschuldigung<br />
(evtl. gelernt, dass Attackierung des Problems <strong>und</strong> sich selbst zur<br />
Verantwortung ziehen führt dazu, dass die letztendliche Prüfung<br />
weniger stressreich ist)<br />
- Rolle der Prävention (so dass <strong>Stress</strong>oren nicht auftreten)<br />
o z.B. Zeitmanagement<br />
- Rolle von ges<strong>und</strong>heitsfördernden Maßnahmen, so dass die Effekte von <strong>Stress</strong>oren gemildert<br />
werden<br />
o Ernährung, Sport ....<br />
3.3 soziale Unterstützung (bzw. ihr Fehlen):<br />
- Pufferhypothese (Cohen & Wills 1985): soziale Faktoren schützen oder puffern das<br />
Individuum vor den schädlichen Einflüssen von <strong>Stress</strong>oren<br />
- Daten (z.B. Cohen & Hoberman 1983, Demakis & McAdams 1994, Kiecolt-Glaser et al. 1984):<br />
o soziale Faktoren korrelieren mit Lebenszufriedenheit, verringerter Reaktivität auf<br />
<strong>Stress</strong>, besserer Immunfunktion <strong>und</strong> verringerter Krankheitsanfälligkeit<br />
- potentielle Mechanismen von sozialer Unterstützung:<br />
o<br />
Spannungsabbau durch Kommunikation, verbesserte Stimmung, erhöhter Selbstwert,<br />
ggf. erhöhte Wahrscheinlichkeit von ges<strong>und</strong>heits-förderndem Verhalten
3.4 individualspezifische Faktoren<br />
als Moderatoren<br />
Prokrastination:<br />
- Tendenz zum Aufschieben<br />
- Aufschieben <strong>und</strong> Studium (Tice & Baumeister<br />
1997)<br />
- früh im Semester berichten „Aufschieber“<br />
weniger <strong>Stress</strong>-Symptome, zum Ende aber<br />
wesentlich mehr!!<br />
Humor:<br />
- Problem der Definition (häufiges Lächeln, Lachen in verschiedenen Situationen?)<br />
- Problem der Messung (Verhalten, Selbstbewertung)<br />
- Fragebogenstudien weisen darauf hin, dass Personen „mit mehr Humor“ auch weniger <strong>Stress</strong><br />
erleben <strong>und</strong> Belastungssituationen auch eher als Herausforderungen bewerten<br />
- Mechanismus?<br />
o die positive Emotion des Humors ist inkompatibel mit <strong>Stress</strong><br />
o Humor wirkt auf <strong>Stress</strong> durch Bewertungsmechanismen<br />
o Humor ist sozial (<strong>und</strong> wirkt daher durch soziale Unterstützung)<br />
Widerstandsfähigkeit (hardiness) gekennzeichnet durch:<br />
- Kontrolle<br />
o Person glaubt Kontrolle über Situationen zu haben<br />
- Engagement (commitment)<br />
o die Person ist in diverse Aktivitäten eingeb<strong>und</strong>en<br />
- Herausforderung (challenge)<br />
o<br />
Person betrachtet sowohl negative als auch positive Situation nicht als Bedrohung,<br />
sondern als Herausforderung<br />
- Erhebung durch Fragebögen<br />
o<br />
Bef<strong>und</strong>e: Personen mit derartiger Widerstandsfähigkeit sind weniger krank in der<br />
Arbeitswelt, reagieren schwächer auf normale <strong>Stress</strong>oren <strong>und</strong> katastrophale<br />
Ereignisse