atp edition Wasser und Abwasser in Megastädten der Zukunft (Vorschau)
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9 / 2014
56. Jahrgang B3654
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH
Automatisierungstechnische Praxis
Wasser und Abwasser in
Megastädten der Zukunft | 28
Anforderungs- und
Testfall-Codesign | 38
Stellantrieb mit sicheren
Funktionen nach IEC EN 61508 | 48
Adaptive Führung eines
Modulkraftwerks | 58
Erreichen Sie die Top-Entscheider
der Automatisierungstechnik.
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Inge Spoerel: Telefon +49 (0) 89 203 53 66-22
E-Mail: spoerel@di-verlag.de
EDITORIAL
Modulare Automation
in der Prozessindustrie
Prozessintensivierung, Modularisierung, Plug-and-Produce sind Schlagworte
für Ansätze, in der Prozessindustrie die konzeptionelle Lücke
zwischen der kontinuierlichen und hocheffizienten Massenproduktion von
Ausgangsstoffen und entsprechend der spezifischen Anforderungen einzelner
Kunden funktionalisierter Endprodukte zu schließen. Bei letzteren werden
die Anforderungen an die Flexibilität der Produktion und die Anpassung
an die Volatilität der Märkte heute durch eine Chargenfahrweise erreicht,
jedoch häufig mit einer deutlich geringeren Raum-Zeit-Ausbeute und Auslastung
des Equipments als ein äquivalenter, kontinuierlich geführter Produktionsprozess.
Die Architekturen aktueller Prozessleitsysteme sind darauf angelegt, mittlere
bis große Anlagen skalierbar und effizient automatisieren zu können. Sie
sind entsprechend modular aufgebaut und erlauben zumeist auch einen modularen
Aufbau der Automatisierungslogik. Die Zerlegung in wiederverwendbare
Einheiten ist Voraussetzung und geübte Praxis für das Massendaten-Engineering.
Leider funktioniert das heute im Allgemeinen nur dann
effizient, solange man innerhalb der homogenen Welt eines Leitsystems bleibt.
Die nahtlose Integration eines Prozessmoduls als Einheit aus Prozesstechnik
und Automationssystem in heutige Leitsysteme erfordert hingegen erhebliche
manuelle Aufwände. Da es hierfür noch keine standardisierten
Beschreibungsmittel gibt, müssen im Extremfall die Kommunikationsstrukturen
zur Integration des Informationshaushalts eines Moduls in eine übergeordnete,
echtzeitfähige Prozessführungsebene manuell Bit für Bit angelegt
werden. Hier beschleunigen findige Ingenieure ihre Arbeit häufig mit einer
bekannten Tabellenkalkulationssoftware. Für eine zuverlässige wiederholbare
Automation der Automation in einer herstellerübergreifend definierten
Plug-and-Produce-Architektur, die beispielsweise erlaubt, ein defektes Prozessmodul
in 10 bis 30 Minuten auszutauschen oder ein neues Modul in in
weniger als einer Stunde zu integrieren und in Betrieb zu nehmen sind jedoch
noch erhebliche konzeptionelle Anstrengungen notwendig.
Erste gemeinsame Schritte von Herstellern und Anwendern sind bereits
zu erkennen. So arbeitet der ZVEI-Arbeitskreis Modulare Automation als
Spiegelarbeitskreises des NAMUR AK 1.12 eine gemeinsame Antwort auf
die NE 148. Der GMA-Fachausschuss 6.16 setzt die Anforderungen der
NE 150 um, um bidirektional den in einem PLT-CAE-System abgelegten
Planungsstand und den im Leitsystem hinterlegten Ist-Stand auf einer Anlage
abzustimmen. Der GMA FA 5.16 beschäftigt sich nach Fertigstellung
des Blatts VDI/VDE 2657-2, Vorgehensmodelle für den Middleware-Engineering-Prozess,
mit Architekturen für Automatisierungsysteme und deren
Eignung, Anforderungen an integriertes Engineering, plug-and-produce,
funktionale Sicherheit und Informationssicherheit zu erfüllen.
Diese Bandbreite der Anforderungen an Automation in einem Umfeld, das
zunehmend von Kommunikation und Integration in Wertschöpfungsnetze
geprägt ist spiegelt sich auch in den für diese Ausgabe der atp edition ausgewählten
Hauptbeiträgen. Viel Vergnügen bei der Lektüre.
Signum
LEON URBAS,
Chefredakteur atp edition
Professor für Prozessleittechnik
an der Technischen Universität
Dresden
atp edition
9 / 2014
3
INHALT 9 / 2014
VERBAND
6 | Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 –
Call for Papers zur 12. AALE-Konferenz in Jena
VDE lobt Preis für junge Ingenieurinnen aus
FORSCHUNG
8 | RoboCup in Brasilien: Teams der TU Darmstadt
und FH Aachen kehren als Sieger zurück
Call for atp experts: Digitale Fabrik
9 | Humanoider Roboter mit Fingerspitzengefühl
BRANCHE
10 | GMA-Report: CPS-basierte Automation ist die Grundlage,
um Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen
Call for Papers für AMA-Kongresse
11 | Workshop IT Security: Lösungen für die Praxis
Neuer Studiengang zur Cybersicherheit
RUBRIKEN
3 | Editorial
66 | Impressum, Vorschau
4
atp edition
9 / 2014
PRAXIS
12 | Herausforderung Maschinenrichtlinie:
Internes Managementsystem
bringt Effizienz und Sicherheit
16 | Prädiktive Wartung: Analyse von
Echtzeit- und historischen Daten kann
Ausfälle verhindern
20 | Sensible Roboterhaut erlaubt sichere
Zusammenarbeit von Mensch und Maschine
22 | Schweißstromquelle, Werkstückpositionierer
und Roboter stimmen
ihre Aktionen aufeinander ab
24 | Maßnahmen auf dem Weg zur
energieeffizienten Fabrik der Zukunft
Produkte,
Systeme
und Service
für die
Prozessindustrie?
Natürlich.
HAUPTBEITRÄGE
28 | Wasser und Abwasser in
Megastädten der Zukunft
A. GAHR, C. WOLF UND P. KERN
38 | Anforderungs- und Testfall-Codesign
S. RÖSCH, S. FELDMANN, D. FÖRSTER UND B. VOGEL-HEUSER
48 | Stellantrieb mit sicheren
Funktionen nach IEC EN 61508
P. MALUS, W. THOMANN UND K.-H. KAYSER
58 | Adaptive Führung
eines Modulkraftwerks
C. KOLBE
Der PostionMaster EDP300 überzeugt
durch hohe Luftleistung von 50 kg/h bei
10 bar, Diagnosefähigkeit nach Namur
und Überdruckfestigkeit. Mit den
Zulassungen für den Betrieb in Ex-Zone 1
und SIL2 ermöglicht der EDP300 eine
hohe Anlagensicherheit. Durch die
mechanische Stellungsanzeige ist
die Erfassung der Ventilstellung auch
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VERBAND
Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 –
Call for Papers zur 12. AALE-Konferenz in Jena
AALE 2014 AN DER OTH REGENSBURG: Eine konferenzbegleitende
Ausstellung wird auch 2015 in Jena die Möglichkeit
bieten, aktuelle Produktentwicklungen auf dem Gebiet der
Automatisierungstechnik kennenzulernen. Bild: OTH Regensburg
Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 lautet das
Leitthema der 12. Konferenz für Angewandte Automatisierungstechnik
in Lehre und Entwicklung (AALE).
Sie findet am 5. und 6. März 2015 in Jena statt. Die AALE
2015 wird vom Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena in
Kooperation mit der Jenaer Akademie für Lebenslanges
Lernen organisiert und durch VFAALE, den Verein der
Freunde und Förderer der AALE unterstützt. Printmedienpartner
ist der DIV Deutsche Industrieverlag, in dem
auch die Tagungsbände AALE-Konferenzen erscheinen.
Die Veranstalter rufen zur Einreichung von Beiträgen
auf. Gewünscht sind Vorträge über Trends in der Auto-
matisierungstechnik, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten,
Kooperationen zwischen Hochschulen und
Industrie sowie Lehre und Ausbildung, Didaktik oder
MINT-Projekte. Die Beiträge können aus allen Gebieten
mit Bezug zur Automatisierungstechnik stammen.
Wichtig ist den Veranstaltern: Die AALE fördert insbesondere
Hochschul-Industrie-Netzwerke. Die nicht von
Hochschulen eingereichten Beiträge sollten deshalb
mindestens einen Hochschulangehörigen als Autor aufweisen.
Die Eckdaten für den Call for Papers: Abstracts
können eingereicht werden bis zum 6. Oktober. Bis 3.
November werden die Einreicher über eine Annahme
benachrichtigt. Die druckfertigen Beiträge müssen bis
zum 1. Dezember vorliegen. Der Abstract sollte etwa
1200 Zeichen, maximal aber zwei Seiten umfassen. Für
jeden Vortrag sind 15 Minuten vorgesehen. Die Einreichung
der Abstracts zu den Beiträgen erfolgt in elektronischer
Form unter www.conftool.net/aale2015.
Die AALE hat sich zu einem bewährten Forum für
Hochschulprofessoren und -innen sowie Vertreter
und Vertreterinnen aus Wirtschaft und Industrie entwickelt
und dient zum Erfahrungsaustausch über
moderne Konzepte, Entwicklungen und die Lehre in
der Automatisierungstechnik. Die konferenzbegleitende
Ausstellung namhafter Firmen bietet die Möglichkeit
aktuelle Produktentwicklungen auf dem Gebiet
der Automatisierungstechnik kennen zu lernen.
Unternehmen, die die AALE unterstützen möchten,
finden Informationen über Sponsoringpakete unter
http://www.vfaale.de/index.php/pages/news. (gz)
ORGANISATIONSBÜRO DER AALE 2015,
ERNST-ABBE-FACHHOCHSCHULE JENA,
Carl-Zeiss-Promenade 2, D-07745 Jena,
Tel. +49 (0) 3641 20 51 08,
Internet: www.fh-jena.de/aale2015
VDE lobt Preis für junge Ingenieurinnen aus
Der VDE und die Dr. Wilhelmy-Stiftung haben sich in
einer Kooperationsvereinbarung darauf verständigt,
künftig gemeinsam herausragende Dissertationen der Elektrotechnik
auszuzeichnen. Der neu ins Leben gerufene
Elektrotechnik-Preis soll jedes Jahr an bis zu drei junge
Ingenieurinnen der Elektro- und Informationstechnik verliehen
werden. Die Auszeichnung ist mit je 3000 Euro
dotiert und soll junge Forscherinnen zu einer wissenschaftlichen
Laufbahn motivieren. Mit dem neuen Elektrotechnik-Preis
für Nachwuchswissenschaftler will der
VDE junge Talente fördern, um den Fachkräftebedarf
Deutschlands als Technikstandort langfristig zu befriedigen
zu können. Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage
an gut ausgebildeten Elektroingenieurinnen und
-ingenieuren in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird.
Voraussetzung für die Auszeichnung mit dem neuen
Elektrotechnik-Preis sind ein herausragender Promoti-
onsabschluss und eine hohe Bedeutung der Dissertation
für die Wissenschaft und den Elektrotechnik-Standort
Deutschland. Bei Abgabe der Dissertation dürfen die
Ingenieurinnen nicht älter als 35 Jahre gewesen sein.
Berücksichtigt werden ausschließlich Arbeiten aus dem
deutschsprachigen Raum. Die Preisverleihung wird einmal
jährlich im Rahmen einer repräsentativen VDE-
Veranstaltung stattfinden – die Auswahl der Preisträgerinnen
erfolgt durch eine hochkarätige Jury des VDE.
Bewerbungen können bis zum 31. Januar 2015 eingereicht
werden. Weitere Informationen zum Preis sind zu
finden unter www.vde.com/ingenieurinnen. (gz)
VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK ELEKTRONIK
INFORMATIONSTECHNIK E.V.,
Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,
Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com
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atp edition
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STROMVERSORGUNG MIT SYSTEM
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FORSCHUNG
RoboCup in Brasilien: Teams der TU Darmstadt
und FH Aachen kehren als Sieger zurück
DAS TEAM
UM HECTOR:
Studierende,
Doktorandinnen
und Doktoranden
holten mit ihrem
Rettungsroboter
bei der Roboter-
WM in Argentinien
die meisten
Punkte.
Bild: TU Darmstadt
Bei der RoboCup-Weltmeisterschaft in Brasilien
konnten zwei deutsche Hochschulen Siege in den
Hauptwettbewerben erringen. Bei den Rettungsrobotern
kam ein Team der TU Darmstadt mit „Hector“
auf den ersten Platz. Im Wettbewerb der Logistikroboter
gewann die Mannschaft der FH Aachen mit ihrer Entwicklung
„Carologistics“. Das Darmstädter Team Hector
konnte in der RoboCup Rescue-League erstmals den
Weltmeistertitel erringen. Außerdem gewann des Team
erneut den Preis für den intelligentesten Roboter (Best
in Class Autonomy Award).
Beim RoboCup Rescue-Wettbewerb versuchen die
Teams, simulierte Katastrophenszenarien zu erkunden
und jeweils so viele Punkte wie möglich zu erreichen.
Die Roboter operieren in einem Szenario, wie es sich
beispielsweise nach einem Erdbeben oder einem Tsunami
darstellt. Mit ihren vielfältigen Sensoren – Video-
Kameras, Infrarot-Sensoren, 3D-Kameras, Laser-Scanner
– suchen die Roboter möglichst autonom versteckte Opfer
und Objekte.
Team Hector legt den Forschungsfokus auf die Autonomie
der Roboter, also die Fähigkeit, Katastrophengebiete
selbständig vollständig erkunden zu können. Dies
ist bei realen Einsätzen wichtig, da Funkverbindungen
zwischen Rettungskräften und Robotern, die im Gebäudeinneren
operieren, abreißen können. Durch die hohe
Zuverlässigkeit der Autonomiefunktionen war es dem
Team möglich, vom ersten Tag an hohe Punktzahlen zu
erzielen, da die automatische Erkennung und Kartierung
von simulierten Opfern hoch bewertet wird.
Team Hector hat nun viele Kernkomponenten seiner
Forschung als frei verfügbare (Open Source) Software
veröffentlicht, um die Entwicklung autonomer Rettungsrobotersysteme
zu beschleunigen und den realen Einsatz
zur Rettung von Menschenleben voranzutreiben.
Das Team Hector des DFG-Graduiertenkollegs 1362
„Cooperative, adaptive and responsive monitoring in
mixed mode environments“ besteht aus Studierenden,
Doktorandinnen und Doktoranden des Fachgebiets Simulation,
Systemoptimierung und Robotik, Fachbereich
Informatik, und des Instituts für Flugsysteme und Regelungstechnik,
Fachbereich Maschinenbau. (gz)
TECHNISCHE UNIVERSITÄT DARMSTADT,
Karolinenplatz 5, D-64289 Darmstadt,
Tel. +49 (0) 6151 160,
Internet: www.tu-darmstadt.de
Call for atp experts: Digitale Fabrik
IN AUSGABE 57(3) DER ATP EDITION im
März 2015 diskutiert die atp edition das
Thema digitale Fabrik. Die digitale Fabrik
ist nach VDI 4499-1 der Oberbegriff
für ein umfassendes Netzwerk
von digitalen Beschreibungsmitteln,
Methoden und Werkzeugen, die durch
ein durchgängiges Datenmanagement
integriert werden. Das effektive Management
der in der digitalen Anlage
abgelegten Information ist eine der
Grundlagen für die Realisierung von
Industrie-4.0-Konzepten. Ausgabe
57(3) diskutiert Herausforderungen
und stellt aktuelle Forschungs- und
Entwicklungsergebnisse vor. Ihre Beiträge
berichten idealerweise über
erste Erfahrungen mit prototypischen
Implementierungen oder der Überführung
in Produkte. Wir bitten Sie, bis
zum 28. Oktober 2014 zu diesem Themenschwerpunkt
einen gemäß der
Autorenrichtlinien der atp edition ausgearbeiteten
Hauptbeitrag per E-Mail
an urbas@di-verlag.de einzureichen.
Die atp edition ist die hochwertige Monatspublikation
für Fach- und Führungskräfte
der Automatisierungsbranche.
In den Hauptbeiträgen werden
die Themen mit hohem wissenschaftlichem
und technischem Anspruch und
vergleichsweise abstrakt dargestellt.
Im Journalteil werden praxisnahe Erfahrungen
von Anwendern mit neuen
Technologien, Prozessen oder Produkten
beschrieben.
Alle Beiträge werden von einem Fachgremium
begutachtet. Sollten Sie sich
selbst aktiv an dem Begutachtungsprozess
beteiligen wollen, bitten wir um
kurze Rückmeldung. Für weitere Rückfragen
stehen wir Ihnen selbstverständlich
gerne zur Verfügung.
Redaktion atp edition
Leon Urbas, Gerd Scholz
CALL FOR
Aufruf zur Beitragseinreichung
Thema: Digitale Fabrik
Kontakt: urbas@di-verlag.de
Termin: 28. Oktober 2014
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atp edition
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Humanoider Roboter
mit Fingerspitzengefühl
1,30 METER GROSS UND 50 KILOGRAMM
SCHWER: Die neueste Generation des
Roboters Asimo kann auch den Inhalt einer
Flasche in Becher füllen. Bild: Honda
Asimo kann jetzt sogar Flaschen öffnen, Gläser
befüllen, Gebärdensprache „sprechen“, Gesichter
erkennen und Menschen ausweichen. Dieser Roboter
von Honda ist laut dem Hersteller der fortschrittlichste
humanoide Roboter der Welt. Asimo steht für
Advanced Step in Innovative Mobility. Seit 14 Jahren
präsentiert Honda immer wieder Fortentwicklungen
des Roboters. Seite 2011 spricht Honda nicht mehr
von einer automatischen, sondern von einer autonomen
Maschine, da sie ihre Umwelt immer besser
erkennt und auf dieser Basis Entscheidungen trifft.
Die neueste Version, die das Unternehmen kürzlich
in Brüssel vorstellte, kann beispielsweise Gesichter
und Stimmen mehrerer Personen erkennen,
die gleichzeitig sprechen und das eigene Verhalten
in Echtzeit der Umgebung anpassen. So ist Asimo
nun beispielsweise in der Lage vorherzusagen, in
welche Richtung eine Person gehen wird und kann
einen anderen Weg wählen, um einen Zusammenstoß
zu vermeiden.
Zudem ist die neueste Asimo-Version schneller.
Asimo läuft nun mit bis zu neun Kilometer pro Stunde
um rund 50 Prozent schneller als sein Vorgänger.
Der Roboter kann auch rückwärts laufen, Treppen
hinauf- und hinabsteigen, springen und kontinuierlich
auf einem Bein hüpfen. Seine mehrfingrigen Hände
können dank moderner Objekterkennungstechnologie
komplexe Tätigkeiten durchführen. (gz)
HONDA MOTOR EUROPE LTD.,
470 London Road,
Slough, Berkshire, SL3 8QY, United Kingdom,
Tel: +44 (0) 1753 59 05 90,
Internet: www.hondanews.eu/en
BRANCHE
GMA-Report: CPS-basierte Automation ist die
Grundlage, um Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen
reiche einteilen. Hier empfehlen wir als GMA, in den
nächsten Jahren Forschung zu fördern.“
DER NEUE
GMA-STATUS-
REPORT zu
Industrie 4.0 zeigt
den Forschungsbedarf
bei
CPS-basierter
Automation.
Bild: SmartFactoryKL
Mit dem neuen Statusreport „Industrie 4.0 – CPS-basierte
Automation“ hat die VDI/VDE-Gesellschaft
Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) herausgearbeitet,
welche konkreten Forschungsaufgaben nun zu
bewältigen sind. In dem Papier „wird deutlich, dass CPSbasierte
Automation die Grundlage ist, um konkreten
Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen“, betont die neue GMA-
Geschäftsführerin Dr. Dagmar Dirzus. Der Nutzen beginne
mit der Option, alle benötigten Informationen für ein
durchgängiges Systems-Engineering bereitzustellen.
CPS-basierte Automation bietet laut Dirzus die Voraussetzung
für Diagnose und Wartung von Anlagen
sowie zur Flexibilisierung der Produktion. Großes Potenzial
liege darin, Benutzerschnittstellen einzurichten,
um Transparenz und damit Verständnis von Anlagen
zu jedem Z eitpunkt zu ermöglichen. Um diese
Chancen zu nutzen, müssten die notwendigen Forschungsbedarfe
konkretisiert werden. Aufbauend auf
dem Whitepaper der Plattform Industrie 4.0 von April
2014, wurden daher anhand von drei Usecases, in denen
existierende Anlagen mit CPS-Technologie ausgestattet
wurden, die entstehenden Anforderungen an
zielgerichtete Forschung analysiert. „Das Ergebnis“, so
Dirzus, „lässt sich auf vier fundamental wichtige Be-
1 | Statt Software komplett neu zu entwickeln solle
bislang für Vernetzung erfolgreich eingesetzte
Unternehmens-IT fit gemacht werden, um die Anforderungen
der industriellen Produktion erfüllen
zu können. Dazu zählen Echtzeitfähigkeit, Gewährleistung
funktionaler Sicherheit sowie Informationssicherheit.
2 | Auch Methoden der Automatisierungstechnik
müssten angepasst werden. So müssten beispielsweise
systematische Ansätze gefunden werden,
um die Steuerrezepterstellung in externe Cloud-
Dienste auszulagern oder um komplexe Optimierungsaufgaben
durchzuführen. Denn hier liege
das große, wirtschaftlich bedeutende Potenzial der
Effizienzsteigerung durch Industrie 4.0.
3 | Um alle Vorteile einer flexiblen Produktion zu nutzen
und physische wie virtuelle Modelle während
der Laufzeit der Anlagen austauschen, abschalten
oder ersetzen zu können, müssten flexibel anpassbare
Schnittstellen eine reibungslose Integration
und eine sichere Systemfunktionalität gewährleisten.
Trotz Flexibilität und Komplexität der Produktionssysteme
müssten geeignete Benutzerschnittstellen
garantieren, dass das Verständnis
für das Systemverhalten erhalten bleibt.
4 | Schließlich müssten Forschungen erfolgen, um die
zur Verfügung stehenden Informationen über die
gesamte Laufzeit der Produkte und Anlagen für ein
durchgängiges System-Engineering auszunutzen
und die Daten und Modelleigenschaften zwischen
den Engineering-Schritten auszutauschen. (gz)
VDI/VDE-GESELLSCHAFT MESS- UND
AUTOMATISIERUNGSTECHNIK (GMA)
VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,
VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,
Tel. +49 (0) 211 621 40, Internet: www.vdi.de
Call for Papers für AMA-Kongresse
Der AMA Verband für Sensorik und Messtechnik hat
den Call for Papers für die beiden AMA-Kongresse
Sensor und IRS² im Jahr 2015 gestartet. Beide Tagungen
finden parallel zur Messe Sensor+Test vom 19. bis 21. Mai
in Nürnberg statt. Abstracts der Vorträge oder Poster können
eingereicht werden bis zum 17. Oktober 2014.
Der Sensor-Kongress fokussiert auf die Entwicklung von
Sensoren, Aktoren und Mess- und Prüftechnik. IRS² präsentiert
aktuellste Entwicklungen von Infrarot-Sensoren
und Systemen. Die parallel stattfindende Fachmesse
Sensor+Test mit mehr als 500 Ausstellern, gilt als wichtigste
Informationsplattform der Sensorik, Mess- und Prüf-
technik europaweit und erweitert den Innovationsdialog
der Kongressteilnehmer über die AMA-Kongresse hinaus.
Interessierte Autoren bittet der Verband, eine kurze Zusammenfassung
des Vortrags oder Posters bis zum 17. Oktober
2014 einzureichen. Informationen zu den Themenschwerpunkten
und zur Dokumentvorlage sind zu finden
unter www.ama-science.org/direct/call-for-papers. (gz)
AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.,
Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,
Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20,
Internet: www.ama-sensorik.de
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atp edition
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Workshop IT Security:
Lösungen für die Praxis
Die IT Security gilt als eine zentrale Voraussetzung
für den Erfolg von Industrie 4.0. Dem trägt das VDI/
VDE-Expertenforum „IT Security Lösungen für die Praxis!“
Rechnung, das am 11. November als Workshop in
Frankfurt stattfindet. Der Praxisbezug wird dort im Vordergrund
stehen. Die Veranstaltung geht auf eine gemeinsame
Initiative von Namur, PNO, VDI/VDE-GMA,
VDMA und ZVEI zurück.
Die Veranstalter betonen, IT-Security sei zwar auch
wegen des Themas Industrie 4.0 in den Fokus geraten,
werde aber interdisziplinär in der Praxis nicht ausreichend
behandelt oder noch aus der Diskussion zu Industrie
4.0 ausgeklammert. Im Workshop geht es um Problemstellungen
und dazu passende Lösungsansätze aus
der täglichen Praxis. Berichte zu IT-Security-Projekten
aus der Fabrikautomatisierung und aus dem Umfeld der
Prozessautomatisierung werden zur Diskussion gestellt.
Zentrale Themen des Workshops sind: Skizzierung
der aktuellen Bedrohungslage für die Industrieautomation,
Praxiserfahrungen aus dem Betrieb von automatisierten
Produktions- und Fertigungsanlagen, Unterstützung
durch Normen und Behörden, IT Security-Prozesse
im Unternehmen.
(gz)
Unser
Know-how
für Sie
VDI/VDE-GESELLSCHAFT MESS- UND
AUTOMATISIERUNGSTECHNIK,
VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf, Dr. Heinz Bedenbender,
Tel. +49 (0) 211 621 44 85, E-Mail: bedenbender@vdi.de
Neuer Studiengang
zur Cybersicherheit
Wie Unternehmen die eigenen Daten vor Angriffen
schützen können, wird ab Oktober im neuen Bachelor-Studiengang
Cybersicherheit an der Universität des
Saarlandes gelehrt. Die Studenten erforschen selbst die
digitalen Bedrohungen im weltweiten Netz, sind gleichzeitig
Angreifer, Verteidiger und Forscher. Sie lernen, wie
man Smartphones gegen Spionage-Apps wappnet, Computernetzwerke
gegen Angriffe aus aller Welt schützt.
„Wir sind die erste Informatik-Fakultät, die einen solchen
Studiengang im universitären Umfeld anbietet“,
sagt Michael Backes, Professor für Informationssicherheit
und Kryptografie der Universität des Saarlandes
und wissenschaftlicher Direktor des von der Bundesregierung
geförderten Kompetenzzentrums für IT-Sicherheit
(CISPA). Er wird in diesem Studiengang mit den
Forscherkollegen an den verschiedenen Informatik-Instituten
auf dem Campus zusammenarbeiten. (gz)
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Tochtergesellschaften
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Verkaufsbüros ist SAMSON auf
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UNIVERSITÄT DES SAARLANDES,
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A01120DE
SAMSON AG · MESS- UND REGELTECHNIK
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PRAXIS
Herausforderung Maschinenrichtlinie: Internes
Managementsystem bringt Effizienz und Sicherheit
Normen und Richtlinien werden zuverlässig berücksichtigt und Schwachstellen frühzeitig erkannt
UM MASCHINEN UND
ANLAGEN im europäischen
Wirtschaftsraum
in Verkehr
bringen zu dürfen,
müssen die Vorgaben
der Maschinen richtlinie
(MaschRL 2006/42/EG)
erfüllt sein.
Unternehmen, die ihre Maschinensicherheit systematisch
managen, verfügen über ein wirksames
Werkzeug zur Risikobeurteilung von neuen oder modifizierten
Produkten – und damit über einen entscheidenden
Wettbewerbsvorteil.
Maschinensicherheit im Allgemeinen und funktionale
Sicherheit im Speziellen sind elementare Herausforderungen
bei der Entwicklung und Konstruktion von
Maschinen. Ziel ist es, die Risiken und Gefahren für
Mensch und Umwelt so weit wie möglich auszuschließen.
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG nimmt Hersteller
und Betreiber in die Pflicht. Ein effizientes Managementsystem
zur funktionalen Sicherheit haben
Experten von TÜV Süd bei einem schwedischen Hersteller
von Bergbaumaschinen erfolgreich eingeführt.
Um Produkte innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums
(EWR), der Schweiz und der Türkei in
Verkehr bringen zu dürfen, müssen Hersteller von Maschinen
die Anforderungen der Maschinenrichtlinie
erfüllen. Ziel ist primär, Mensch und – davon abgeleitet
– die Umwelt zu schützen und aus unterschiedlichen
Sicherheitsanforderungen resultierende Wettbewerbsverzerrungen
zu vermeiden. Handelshemmnisse innerhalb
der EU sollen so abgebaut werden.
DIE NORMEN WERDEN KONTINUIERLICH ANGEPASST
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG formuliert im Anhang
I allgemeine sicherheitstechnische Anforderungen.
Abhängig von der jeweiligen Branche, dem Maschinentyp
und der technischen Ausstattung greifen dann unterschiedliche,
harmonisierte und im Amtsblatt der EU
veröffentlichte Normen mit unterschiedlicher Gewichtung.
Die Normen werden dem Stand der Technik entsprechend
kontinuierlich überarbeitet und angepasst.
Exportiert ein Hersteller in Länder außerhalb des
EWR muss er darüber hinaus die Gesetze und Vorschriften
des jeweiligen Landes erfüllen, in dem die
Maschine vermarktet beziehungsweise betrieben werden
soll. In den USA beispielsweise gelten andere Vorschriften
und Auflagen zur Gewährleistung der funktionalen
Sicherheit als im europäischen Wirtschaftsraum,
zum Beispiel die UL-Standards.
MASCHINENSICHERHEIT SYSTEMATISCH MANAGEN
Hersteller und Betreiber stehen damit in der Verantwortung,
geltende, veränderte und neue Sicherheitsanforderungen
für alle Produkte und weltweite Märkte
systematisch zu beobachten und umzusetzen. Das stellt
die Unternehmen vor vielschichtige Herausforderungen:
Wie können die allgemeinen Anforderungen
der Maschinenrichtlinie in jedem konkreten Fall erfüllt
werden? Welche Normen und Standards müssen berücksichtigt
sein – insbesondere auch außerhalb der
EU? Wie erfolgt die rechtssichere und belastbare Dokumentation?
Und wie kann das alles pragmatisch und
mit geringem Kostenaufwand realisiert werden?
Eine effiziente und dauerhafte Lösung zur Bewältigung
dieser komplexen Aufgaben ist die Einführung
eines betriebsinternen Managementsystems zur Maschinensicherheit
und funktionalen Sicherheit. Das
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atp edition
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System bildet den organisatorischen Rahmen zur
Sicherstellung sämtlicher technischer und prozesstechnischer
Methoden und Maßnahmen, die notwendig
sind, um die Maschinensicherheit zu gewährleisten.
Das erforderliche Know-how wird gebündelt
und aufgearbeitet und kann unternehmensweit
bereits in einer frühen Phase der Entwicklung
neuer oder modifizierter Maschinen in den Konstruktionsprozess
einfließen.
Der Prozess von der Konzeption bis zur Etablierung
eines Managementsystems zur funktionalen Sicherheit
einschließlich einer möglichen Verzahnung mit
bereits vorhandenen qualitätssichernden Systemen
stellt höchste Anforderungen an ein Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund hat ein schwedischer Hersteller
von Bergbaumaschinen Erfahrung und Knowhow
von TÜV Süd Industrie Service hinzugezogen,
um ein solches Management für den Bereich der funktionalen
Sicherheit im Unternehmen zu etablieren.
Als externe Berater zeichneten die TÜV Süd-Experten
für funktionale Sicherheit dafür verantwortlich, dass
alle relevanten Normen und Richtlinien berücksichtigt
und mögliche Schwachstellen frühzeitig identifiziert
und ausgeräumt werden konnten.
VOM KONZEPT ZUM MANAGEMENTSYSTEM
Für das global agierende Unternehmen galt es zunächst,
grundlegende Fragen zu klären: Welche konkreten
Gefahren und Risiken gehen von den im Unternehmen
hergestellten Bergbaumaschinen aus?
Welche Normen und Richtlinien sind für diese Maschinen
– auch hinsichtlich der globalen Zielmärkte
– zu erfüllen? Mit welchen Methoden können Risiken
beschrieben und quantifiziert werden? Welche konstruktiven
Maßnahmen sind unter Sicherheits- und
wirtschaftlichen Aspekten geeignet, um diese Risiken
zu minimieren oder auszuschließen?
Um diese Fragen fundiert zu beantworten, führten
die TÜV Süd-Experten zunächst mehrere Workshops
und Schulungen im Unternehmen durch. Gemeinsam
mit verantwortlichen Maschinenbauern, Konstrukteuren,
Sicherheitsingenieuren und Mitarbeitern wurde
der tatsächliche Handlungsbedarf ermittelt. Basierend
auf den Ergebnissen konnte ein erstes Konzept
entwickelt werden.
Um belastbare Aussagen zu möglichen Risiken treffen
zu können, wurden exemplarisch Mustermaschinen
analysiert und nach den einschlägigen Normen
wie der IEC 61508, EN ISO 62061, EN ISO 12100 und
EN ISO 13849-1 und EN ISO 13849-2 beurteilt. Fokussiert
wurden die inhärent sichere Konstruktion der
Maschinen, die Ausfallsicherheit der elektrischen
Systeme und der Steuerung sowie das Gefährdungspotenzial
der mechanischen und hydraulischen Elemente.
Durch die Untersuchung konnten wesentliche
Sicherheitsaspekte identifiziert werden. Die Ergeb-
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PRAXIS
AUSMASS UND EINTRITTSWAHR-
SCHEINLICHKEIT eines Schadens
werden in der Risikomatrix abgebildet.
Sie visualisiert, ob Risiken im tolerierbaren
Bereich liegen oder nicht.
Inakzeptabel sind Ereignisse, die mit
hoher Wahrscheinlichkeit eintreten und
erhebliche negative Auswirkungen auf
Mensch und Umwelt haben.
nisse und die erarbeitete Methodik wurden anschließend
wirksam auf andere im Unternehmen entwickelte und
produzierte Bergbaumaschinen übertragen.
RISIKOMATRIX ALS ZENTRALES ANALYSEWERKZEUG
Zentrales Werkzeug der Risikoanalyse ist die Risikomatrix.
Sie dient der Abbildung von Risiken und der Ableitung
der sicherheitstechnischen Anforderungen und
der gezielten Bestimmung risikoreduzierender Maßnahmen.
Beruhend auf der klassischen Risikoanalyse, werden
Risiken nach Eintrittshäufigkeit und Schadensausmaß
in einer Matrix qualifiziert. Sie liegen entweder in
einem tolerierbaren, nicht tolerierbaren oder in einem
Bereich dazwischen und werden entsprechend einer
Risikoklasse zugeordnet. Vermeidbare Risiken lassen
sich so effektiv identifizieren, evaluieren und modifizieren,
verbleibende Restrisiken können wirksam kontrolliert
beziehungsweise adressiert werden.
PROZESSHANDBUCH BÜNDELT DAS WISSEN
Risikoanalyse und -bewertung sind in Anhang I der
Maschinenrichtlinie verankert und für jede einzelne
Maschine erforderlich, die im Geltungsbereich erstmalig
in Verkehr gebracht wird. Wesentlicher Bestandteil
der Analyse und unternehmenskritischer Faktor ist die
lückenlose, rechtssichere Dokumentation. Nur durch
sie kann im Fall der Fälle der eindeutige Nachweis erbracht
werden, dass die Maschinen entsprechend der
geltenden Normen und Vorschriften konstruiert und
gebaut wurden. Die Dokumentation ist unternehmensspezifisch,
und im Verlauf der Workshops wurden die
Anforderungen an die Risikoanalyse detailliert betrachtet.
Darauf aufbauend wurde eine entsprechende Vorgehensweise
für das Unternehmen abgeleitet.
Sämtliche Vorgehensweisen und Ergebnisse wurden
gemeinsam mit den Experten von TÜV Süd in einem
Prozesshandbuch zusammengeführt, das dem Unternehmen
als verbindlicher Leitfaden zur Maschinenentwicklung
und -konstruktion dient. Zudem gewährleistet
ein für die funktionale Sicherheit von Maschinen
verantwortlicher Mitarbeiter die Vollständigkeit, Aktualisierung
von Normen und Richtlinien sowie die
unternehmensweite Verfügbarkeit der Dokumentation.
Ein erfolgreiches und wirtschaftliches Management
zur Maschinensicherheit im Allgemeinen und zur funktionalen
Sicherheit im Speziellen erfordert neben der
Anpassung unternehmensinterner Prozesse entsprechende
Organisationsstrukturen. Neu gestaltete Organisations-,
Kommunikations- und Informationsstrukturen
sorgen jetzt bei dem Hersteller von Bergbaumaschinen
dafür, dass funktionale Sicherheitsanforderungen
in sämtlichen Prozessschritten der Planung,
Konstruktion und Fertigung berücksichtigt werden.
Vom verteilten Wissen in der lernenden Organisation
profitieren auch die Mitarbeiter in Einkauf und im Vertrieb.
Bei der Beschaffung sicherheitsrelevanter Komponenten
oder beim Export in Länder mit abweichenden
Vorgaben zur Maschinensicherheit haben diese Organisationseinheiten
nun Zugriff auf aktuelle, fundierte
und belastbare Daten.
AUTOR
Dr. ROLF M. ZÖLLNER ist
CE-Experte und Risikomanager
bei der TÜV SÜD
Industrie Service GmbH
in München.
TÜV SÜD AG,
Westendstraße 199,
D-80686 München,
Tel. +49 (0) 89 57 91 15 91,
E-Mail:
rolf.zoellner@tuev-sued.de
14
atp edition
9 / 2014
6. SIL-Sprechstunde
Funktionale Sicherheit
23. + 24.9.2014, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH
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Irrtümer und
Missverständnisse
Veranstaltungskonzept
Termin
Ort
Haben Sie Fragen zur Anwendung der Normen
IEC 61508, IEC 61511 oder VDI/VDE 2180? Sind Sie
gefordert, die eingetretenen Pfade zur Erlangung der
Sicherheit zu verlassen? Dann sind Sie hier richtig!
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Sie mit Experten über die aktuellen Themen der
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Veranstaltung (11:30 – 17:15 Uhr)
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Programm
Vom Umgang mit SIL – Erfahrungen eines
Behördenvertreters
Fallstricke bei der SIL-Einreichung –
Beobachtungen einer Prüfstelle
Die meistgemachten Fehler in der funktionalen
Sicherheit
Richtige Mitbenutzung sicherheitstechnischer
Komponenten für die Prozessleittechnik
Korrelation zwischen funktionaler Sicherheit
und IT-Security
Ist SIL eine Produkteigenschaft?
Workshops
Referenten
Thomas Gabriel, Bayer Technology Services GmbH
Dirk Hablawetz, BASF SE
Martin Herrmann, Infracor GmbH
Andreas Hildebrandt, Pepperl+Fuchs GmbH
Udo Hug, BImSchG ß 29a Sachverständiger
Thomas Karte, Samson AG
Josef Kuboth, Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen
Bernd Schrörs, Bayer Technology Services
Heiko Schween, HIMA Paul Hildebrandt GmbH + Co KG
Peter Sieber, Bilfinger alpha msr GmbH
Johann Ströbl, TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Werner Brockschmidt, Tesium GmbH
Teilnahmegebühren
atp edition-Abonnenten 540 € zzgl. MwSt.
Firmenempfehlung 590 € zzgl. MwSt.
reguläre Teilnahmegebühr 690 € zzgl. MwSt.
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(Universität, Fachhochschule, Duale Hochschule – Vorlage des
Studentenausweises bei der Anmeldung erforderlich)
Anmeldung
Detaillierte Informationen zur Veranstaltung,
das vollständige Programm sowie die Online-
Anmeldung finden Sie im Internet unter
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PRAXIS
Prädiktive Wartung: Analyse von Echtzeit- und
historischen Daten kann Ausfälle verhindern
Werkzeuge müssen nicht nur Anlagenausrüstung selbst modellieren, sondern auch die Steuerung
RENTABILITÄT UNTER DRUCK: Die Betriebs kosten machen bei
Anlagen der Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik nahezu 60
Prozent der Gesamtkosten aus. Prädiktive Wartung und Instandhaltung
kann hier deutliche Optimierungen bringen. Bilder: Dassault Systèmes
PRÄDIKTIVE KONZEPTE
zur Anlagenwartung
sind bereits in Gebrauch.
Die Ansätze weisen aber
noch Schwächen auf.
EINDIMENSIONALE FUNKTIONALE UND
DYSFUNKTIONALE SYSTEMANALYSE:
Dies erhöht die Effizienz und ermöglicht
es Unternehmen, effiziente prädiktive
Sicherheitsanalysen durchzuführen. Ein
Beispiel ist das Eurosyslib-Projekt, das
von einem europäischen Firmenkonsortium
im Nuklearbereich initiiert wurde.
Anlagenbetreiber aus der Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik
stehen unter ständigem Druck, die
Leistung zu maximieren und die Kosten zu minimieren.
Die Betriebskosten machen nahezu 60 Prozent der Gesamtkosten
aus. Die Rentabilität eines Anlagengeschäftsbereichs
hängt daher entscheidend von der Verfügbarkeit
der Einrichtungen ab. Die Verfügbarkeiten müssen
daher möglichst hoch, die Stillstandzeiten möglichst
kurz sein. Alle Wartungsstrategien zielen letztlich darauf
ab, künftige Verhaltensmuster zu prognostizieren,
sobald die aktuelle Situation bekannt ist. Die prädiktive
Wartung ist der Königsweg, eine derartige Strategie zur
Wahrung der Funktionstüchtigkeit einer Anlage anzuwenden.
Heutige Strategien erfüllen die Anforderungen
von Anlageneignern allerdings nicht.
SCHWÄCHEN DER ZUSTANDSBASIERTEN WARTUNG
Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter wirken
sich erheblich auf die Kosten eines Endprodukts aus.
Das gilt insbesondere für die Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik.
In den 90er Jahren kamen die zustandsbasierte
Instandhaltung und die zustandsbasierte Wartung
auf. Hierzu wurden Informationen von Sensoren
genutzt, um Alarme auszulösen oder um Instandhaltungs-
beziehungsweise Arbeitsaufträge zu veranlassen
und somit einem Ausfall oder Fehlern zuvorzukommen.
Zur Umsetzung eines funktionierenden prädiktiven
Konzepts wurden an diesem Ansatz mehrere Verbesserungen
vorgenommen. Hierzu zählte unter anderem
die Berücksichtigung der vor Ort erhobenen Daten. Anstatt
sich im Falle eines Alarms unverzüglich vor Ort
zu begeben, nutzte man andere, weitergehende Konzepte
zur Überwachung langfristiger Trends anhand
entsprechender Parameter, um somit künftige Ausfälle
antizipieren zu können.
Dieses Konzept ist heute noch in Gebrauch. Es unterliegt
jedoch gewissen Einschränkungen und Ineffizienzen:
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atp edition
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Relevante Informationen müssen in den richtigen
Intervallen erhoben werden, um effiziente Ergebnisse
zu erhalten.
Die erhobenen Daten müssen zeitnah analysiert werden,
um effiziente Vorhersagen tätigen zu können.
Dieser Ansatz bezieht keine Produktionspläne ein;
die Vorhersage von Ausfallzeiten und die zugehörigen
Austauschaufträge könnten also die Produktion
beeinträchtigen.
Das Konzept entspricht nicht der „Lebenswirklichkeit“:
Trends und Korrelationen werden ermittelt,
ohne die Abtast- oder Probenhäufigkeit zu berücksichtigen.
Hier wird versucht, ein Modell eines
Normalverhaltens zu erzeugen und anomale Tendenzen
davon abzuziehen. (Unter „Lebenswirklichkeit“
ist hier zu verstehen, anomale Vorfälle/
Trends direkt zu betrachten.)
VORHERSAGEBASIS UND PRÄDIKTIVE
TECHNOLOGIEN
Effiziente Werkzeuge sollten nicht nur die Anlagenausrüstung
selbst modellieren können, sondern die
Steuerung der Anlage. Letztlich sollte man in der Lage
sein, die 3D-Dimension dieser Ressourcen und die
Auswirkung auf deren Verhalten zu integrieren.
Dazu einige Definitionen und Grundsätze: Prädiktion
bedeutet, in einer Lage zu sein (zu einem Zeitpunkt
= t), den künftigen Status eines Systems und
der Ausrüstung zu beschreiben (zu einem Zeitpunkt
= t + dt). Dies impliziert, dass ein explizites oder implizites
Modell des Systems und der Ausrüstung vorliegt,
mit dem der künftige Status hinreichend berechenbar
oder extrapolierbar ist. Dafür sind folgende
Punkte bedeutsam:
Modell und Kenntnisse müssen im Vorfeld aufgebaut
werden.
Anschließend ist ein Benchmarking anhand bekannter/dokumentierter
vorheriger realer Situationen
notwendig, um die Vorhersagegenauigkeit
dieser „Referenzfälle“ zu überprüfen.
Es müssen ausreichend viele Situationen getestet
werden, damit Abdeckung und Umfang genau genug
sind, um im „Extrapolationsmodus“ für andere,
noch nicht getestete Situationen verwendbar zu sein.
Der „explizite“ Ansatz ist zwar genauer, jedoch nur
für „kurzfristige Situationen“ gültig (kurze „dt“),
während der „implizite“ Ansatz komplexere Algorithmen
benötigt, aber potenziell für längere Vorhersagezeiträume
nutzbar ist. Ist kein Modell vorhanden,
kann man einen rein stochastischen
Blackbox-Ansatz oder ein nicht deterministisches
Phänomen verfolgen, bei dem man lediglich die
bisherigen Erfahrungen dazu nutzt, einige Verhaltensweisen
zu identifizieren, die potenziell reproduzierbar
sind.
WEGE ZUM ZUVERLÄSSIGEN VERHALTENSMODELL
Ein zuverlässiges Verhaltensmodell lässt sich aufbauen
durch:
1 | empirische/heuristische/symbolische Verlaufsanalysen
(die die gängigste Form für prädiktive Arbeiten
darstellen):
Lösungen für
die Industrie
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elektro- und automatisierungstechnischen
Lösungen und Services.
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PRAXIS
UMFASSENDE ABSICHERUNG: Wenn nicht exakt bekannt
ist, welche Art von Ereignissen zu einem Ausfall führen
könnten, lässt sich durch Kombination mehrerer Technologien
ein sehr breites Gefahrenspektrum abdecken.
ELEMENTE DER LÖSUNG „SAFE
PLANT OPERATION“: Eine solche
Umgebung kann die prädiktive
Wartung grundlegend verändern.
Rein informale Know-how-Erfassung („Erfahrung“)
Statistische Analyse
2 | expliziten mathematischen „Whitebox“-Ansatz:
Modellbasierte physikalische Gleichungen,
sofern verfügbar
Regelbasiert (Expertensystem, Mustererkennung)
Entscheidungsbaum/Fehlerbaum (zur Diagnoseunterstützung)
3 | expliziten mathematischen „Blackbox“-Ansatz
(primär zur Beschreibung eines chemischen Prozesses/Transformationsprozesses,
also für erweiterte
Echtzeit-Kontrollstrategien):
„Neuronale Netzwerke“
„SVM“ (Support Vector Machine)
Multivariables Prozessschritt-Reaktionsmodell
(Und-/Oder-Impuls) (primär zur erweiterten
Kontrolle kontinuierlicher Prozesse)
4 | Nutzung einer dynamischen 3D-Multiphysik-
Simulation:
Dieser sehr spezifische Ansatz berücksichtigt
die 3D-Eigenschaften jeder Ausrüstung und
deren Reaktion auf ihre physische 3D-Umgebung,
wobei der 3D-Einfluss nicht Bestandteil
der zuvor aufgeführten Konzepte ist
Dieser Ansatz konzentriert sich auf das
Ausrüstungsverhalten im Verhältnis zu den
physischen Einschränkungen (beispielsweise
Schwingung, Wärme)
TECHNOLOGIEN ZUR PRÄDIKTIONSMODELLIERUNG
Dassault Systèmes verfügt über ein großes Portfolio an
Technologien, die sich nicht nur auf Engineering-Tätigkeiten
beziehen, sondern auch erfolgreich für Betriebsund
Wartungszwecke verwendbar sind (und bereits
verwendet werden). Beide Bereiche (Engineering auf der
einen Seite sowie Betrieb und Wartung auf der anderen)
erfordern zuverlässige Modelle, um einen künftigen
Prozess zu simulieren, ein vergangenes Ereignis wiederzugeben
oder ein künftiges Ereignis vorherzusagen.
Der empirische/heuristische/symbolische/stochastische
Ansatz ist wie bereits erwähnt der heute für die
prädiktive Wartung gängigste Ansatz. Anlagenbetreiber
nutzen die große Menge von „Echtzeitdaten“ und historischen
Daten, die durch Sensoren, DCS (Distributed
Control Systems), Scada (Supervisory Control And Data
Acquisition) oder Verlaufsaufzeichnungen erhoben
wurden. Dank der Analyse dieser Massendaten sind
Unternehmen in der Lage, Trends zu identifizieren und
den künftigen Status eines laufenden Prozesses zu extrapolieren.
Durch rechtzeitiges Einrichten von
Alarmen lässt sich ein Ausfall vermeiden.
Mit der Exalead SBA-Umgebung (Search Based Application)
ist es zudem sehr leicht und effizient, aussagekräftige
Informationen aus massiven Datensammlungen
und mit erweiterten Dashboard-Funktionen zu
sortieren, zu filtern und zu extrahieren.
Mit der Delmia OI-Technologie (Operation Intelligence)
lassen sich in einem Wartungsszenario präskriptive
Funktionen bereitstellen. Diese Technologie kann „verdeckte
Regeln“ aus einer Reihe von Werten extrahieren,
die sich auf verschiedene Parameter beziehen, die „a priori“
zusammen keine starken Interaktionen aufweisen.
„WHITEBOX“-KONZEPT AUCH FÜR REALEN BETRIEB
Dassault Systèmes stellt mehrere Modellierungstechnologien
bereit, die auf dem mathematischen „Whitebox“-
Konzept beruhen: Dymola basiert auf der offenen Sprache
„Modelica“. Sie bietet Modellierungsfunktionen für
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atp edition
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Funktionssysteme, die auf jede Art von komplexen
Ausrüstungssystemen anwendbar sind (oder auf eine
komplette Anlage, die ein „System von Systemen“ ist).
Sie wird in der Energieerzeugungsbranche mit einer
großen Zahl an Bibliotheken mit Komponenten, Standardausrüstungen
benutzt, wie beispielsweise Kesseln,
Wärmetauschern, Verdichtern.
Sie ist nicht nur in den Vorstudien für neue Anlagen
zur Dimensionierung der Ausrüstung einsetzbar, sondern
auch im realen Betrieb. Dort dient sie zur Untersuchung
des dynamischen Verhaltens der Anlage während
des Anfahrens, der Übergangsphasen oder des
Herunterfahrens sowie zur Diagnose von Materialermüdungen.
SD9 (Safety Designer) ist eine weitere Modellierungstechnologie,
die auf der Sprache „altarica“ beruht. Sie
ermöglicht die Erstellung von Systemmodellen mit dysfunktionaler
Beschreibung (anhand der Ausfallmodi
FMEA, MTBR). Mit einer derartigen Lösung lassen sich
die abschließenden Folgen eines Ausfalls in einem System
ermitteln. Die Lösung kann die Fortpflanzung des
Ausfalls innerhalb der verbundenen Komponenten prognostizieren
und einen Endstatus liefern. Dies lässt sich
mit der komplementären Lösung FT9 (Fault Tree Analyzer)
kombinieren, um die Effizienz des gesamten Konzepts
zu verbessern.
ANSATZ BERÜCKSICHTIGT AUCH DIE 3D-GEOMETRIE
Alle vorherigen Ansätze sind „1D“-Verfahren: Sie berücksichtigen
nicht die 3D-Eigenschaften von Ausrüstungen.
Die 3D-Geometrie kann jedoch das Verhalten
dieser Ressourcen in ihrer Umgebung beeinflussen.
Dies wird mit dem Dynamischen 3D-Multiphysik-Lösungsansatz
berücksichtigt.
Mit Simulia Abaqus wird die Geometrie anhand der
Finite-Elemente-Methode (FEM) einbezogen. Simulia
umfasst dynamische Multiphysik-Modelle zur Simulation
des Verhaltens von Ausrüstungen unter physikalischen
Einschränkungen, wie beispielsweise Schwingung
und Wärme. So ist es möglich, diese Einschränkungen
auf die Geometrie einer neuen Ausrüstung
sowie auf die „modifizierte Geometrie“ einer alten
BEISPIEL-CHECKLISTE
Ausrüstung anzuwenden (einschließlich der 3D-Defekte
aus dem bisherigen Lebenszyklus der Ausrüstung),
um die bis zu einem schweren Ausfall verbleibende
Lebensdauer zu prognostizieren.
Die Workflow-Engine Simulia Isight ist in der Lage,
eine Reihe von Tests und Simulationen mit verschiedenen
Werkzeugen zu automatisieren. Zur Erzielung
bestmöglicher Ergebnisse kann sie zudem die Produktivität
einer solchen Tätigkeit durch Anwendung diverser
Optimierungsmethoden verbessern (wie beispielsweise
„Erfahrungsplanung“). Isight dient darüber
hinaus zur Automatisierung von Simulia-Tests (oder
anderer Simulationswerkzeuge).
OPTIMIERUNG DURCH KOMBINIERTE TECHNOLOGIEN
Jeder Ansatz und jede Technologie hat ihre eigenen
Stärken in Bezug auf die Ausfallprognose (präskriptiver
oder prädiktiver Ansatz, beginnend mit Ausfallmodi
und so weiter). Durch Kombination mehrerer
Ansätze können Unternehmen ein breiteres Spektrum
von Ereignissen abdecken (was wichtig ist, wenn es
sich um Ereignisse handelt, die nicht im Voraus bekannt
sind).
Es ist beispielsweise möglich, Folgendes miteinander
zu kombinieren: ein physisches Top-Down-Modell
basierend auf einem Schadenprognoseansatz mit
einem semantischen Bottom-Up-Netz (Fehlerbaum)
zur Diagnoseunterstützung. Dies erhöht die Effizienz
und ermöglicht es Unternehmen, effiziente prädiktive
Sicherheitsanalysen durchzuführen. Ein Beispiel
ist das Eurosyslib-Projekt, das von einem europäischen
Firmenkonsortium im Nuklearbereich initiiert
wurde.
Mit der Branchenlösung „Safe Plant Operation“ geht
Dassault Systèmes noch weiter. Diese Lösung basiert auf
einer einzigen 3DExperience-Plattform und umfasst mehrere
Anwendungen: Die direkte Befähigung zur prädiktiven
Wartung (wie oben aufgeführt) oder Unterstützung
angrenzender Prozesse für andere, wie beispielsweise die
virtuelle Ausbildung von Wartungspersonal, Anlagen-
Informationslebenszyklus oder Ersatzteil-Intelligenz.
AUTOR
Die wichtigsten Punkte für eine dynamische Modellierung
eines Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerks:
Genaue Prüfung der Leistung und der Konstruktion
durch die Hersteller (Kommissionierung)
Prüfung und Validierung durch Simulation des
GT-Trip-Szenarios mit Hoch- und Herunterfahren
Finden optimierter Betriebspunkte und Optimierungsverfahren
für Bediener
Integration des Modells in die Betriebs- oder
Engineering-Software (lokale oder entfernte
Überwachung)
Validierung des Steuerungssystems
Dr. JOACHIM BETZ ist Business
Consultant für die Energie-,
Prozess- und Utility-Industrie
bei Dassault Systèmes
Deutschland GmbH.
Dassault Systèmes
Deutschland GmbH,
Messe-Campus Riem,
Joseph-Wild-Str. 20,
D-81829 München,
Tel. +49 (0) 173 318 16 91,
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atp edition
9 / 2014
19
PRAXIS
Sensible Roboterhaut erlaubt sichere
Zusammenarbeit von Mensch und Maschine
Fraunhofer IFF entwickelt hybrides Sensorsystem mit Annäherungserkennung
MIT EINER SPEZIELLEN SENSORHAUT
bringen die Forscher vom Fraunhofer IFF
Robotern das „Fühlen“ bei.
IM AUFTRAG
VON BMW haben
die Forscher einen
ABB-Roboter
proto typisch mit
der Sensorhaut
ausgestattet.
Bilder: Fraunhofer IFF
MIT DER SENSORHAUT merkt der Roboter
nicht nur, dass sich jemand nähert,
sondern auch, aus welcher Richtung.
Die Vision für die Industrie der Zukunft: Mensch
und Roboter sollen Hand in Hand arbeiten. Das geht
jedoch nur dann, wenn die Roboter Menschen zuverlässig
erkennen, also „sehen“ oder „spüren“, wenn ein
Mensch ihnen gefährlich nahe kommt und entsprechend
ausweichen. Etwa über eine sensible Haut.
TEAMWORK IST DIE ZUKUNFT
Die Zukunft liegt in der Teamarbeit. Sowohl Menschen
als auch Roboter sollen ihre besonderen Fähigkeiten
einbringen und gemeinsam in der Produktion arbeiten.
Im Alltag könnte das folgendermaßen aussehen: Bauteile
beispielsweise, die zu schwer für den Menschen
sind, aber zu leicht für einen Kran, hebt der Roboter.
Den Weg gibt sein menschlicher Kollege vor, etwa indem
er ihn am Arm fasst und führt. Kurzum: Der Mensch
entscheidet und bringt sein Know-how ein, der Roboter
übernimmt die schwere Arbeit. Dies ist auch vor dem
Hintergrund des demografischen Wandels sinnvoll. Die
Bevölkerung wird immer älter, daher sollen die Arbeiter
möglichst lange in den Fabriken arbeiten können. Eine
Möglichkeit dazu liegt darin, die körperlich schwere
Arbeit den Maschinen zu überlassen.
Für die Zusammenarbeit gibt es verschiedene Formen.
Entweder Mensch und Roboter arbeiten zu unterschiedlichen
Zeiten an einem Bauteil oder sie montieren gleichzeitig
ein Bauteil Hand in Hand. Doch bevor Roboter und
Mensch zusammenarbeiten können, muss eine Risikoanalyse
durchgeführt werden – für jeden einzelnen Arbeitsplatz.
Welche Sicherheitsanforderungen muss der
Roboter einhalten? Wie schnell darf er arbeiten und
wann muss er seine Bewegungen stoppen, um den Menschen
nicht in Gefahr zu bringen? Anhand dieser Bewertung
lässt sich entscheiden, über welche Sensoren
der Roboter oder die Roboterzelle verfügen müssen.
ROBOTER SOLL SCHNELL UND SICHER SEIN
Bei dieser Teamarbeit gilt es jedoch, konträre Anforderungen
unter einen Hut zu bringen. Zum einen darf der
Roboter in der Nähe eines Menschen nicht zu schnell
arbeiten, um ihn bei einer möglichen Kollision nicht zu
verletzen. Zum anderen sollen möglichst viele Produkte
in kurzer Zeit gefertigt werden – dazu müsste sich der
Roboter schnell bewegen. Wie lassen sich diese zwei
Forderungen miteinander kombinieren, wo sie doch so
gegensätzlich sind? Eine Möglichkeit dafür haben die
Forscher am Fraunhofer IFF in Magdeburg mit ihren
druck- und näherungssensitiven Sensorsystemen geschaffen.
Die Sensorsysteme können in Form einer Sensorhaut
auf die Roboteroberfläche aufgebracht werden.
Nähert sich jemand, spürt der Roboter dies über die
Sensorhaut und bremst so weit ab, dass er den Menschen
bei einem Zusammenstoß nicht verletzt. Auch Berührungen
nimmt er wahr und weicht dementsprechend
20
atp edition
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aus. Ein weiterer Vorteil: Das Sensorsystem verleiht dem
harten Stahl des Roboters eine weiche Oberfläche, quasi
eine Art Knautschzone. Der Roboter kann dadurch
schneller arbeiten und die gewünschten kurzen Taktzeiten
realisieren. Nur dann, wenn ein Mensch in seinen
Bereich kommt, bremst er ab – und gewährleistet
somit die Sicherheit seiner menschlichen Kollegen.
Einen Prototyp dieser Sensorhaut haben die Forscher
unter anderem beispielhaft für einen ABB-Roboter entwickelt,
im Auftrag von BMW. Mit diesem Prototyp
wollen die Autobauer die Möglichkeiten und Grenzen
der Technik austesten und Vorlaufforschung betreiben.
Sie möchten untersuchen, was ein solcher Roboter kann
und in welchem Bereich der Produktion man ihn bestmöglich
einsetzen könnte.
FEINFÜHLIGE HAUT DES ROBOTERS
Wie die menschliche Haut, besteht auch die Sensorhaut
aus mehreren Schichten. Berührungen werden über einen
patentierten, matrixförmigen Sensorverbund mit einer
Vielzahl von Einzelsensoren erfasst. Wirkt eine Kraft auf
einen der Einzelsensoren, so ändert dieser seinen elektrischen
Widerstand. Ein mit der Sensorhaut ausgestatteter
Roboter spürt daher nicht nur, dass er angefasst wird,
sondern auch wo und wie fest. Zusätzlich haben die Experten
in die Sensorhaut kapazitive Sensorelemente integriert.
Diese bilden in ihrer Umgebung ein elektrisches
Feld aus. Nähert sich ein Mensch, ändert sich dieses Feld.
Die Änderung kann gemessen und der Mensch damit in
der Umgebung des Roboters erfasst werden. Da die Forscher
auch hier nicht nur einen einzelnen Sensor eingebaut
haben, sondern wiederum ein ganzes Sensornetzwerk,
spürt der Roboter nicht nur, dass sich jemand nähert,
sondern merkt auch aus welcher Richtung.
ZUSAMMENSPIEL DER SENSORSYSTEME
Die grundlegende Entwicklungsleistung bei der Integration
der unterschiedlichen Sensorfunktionen in eine
kompakte, universell adaptierbare Roboterhaut besteht
im komplexen Zusammenspiel der einzelnen Sensorsysteme.
Die Schwierigkeit dabei: Die zur Annäherungsdetektion
genutzten kapazitiven Sensorelemente und die
Drucksensoren dürfen sich gegenseitig nicht beeinflussen.
Zudem ist eine hohe Reichweite der Näherungssensorik
gewünscht – das elektrische Feld der kapazitiven
Sensorelemente soll daher möglichst weitreichend und
gerichtet aus der Roboteroberfläche austreten.
Darüber hinaus gilt es, die Sensorik auf die komplexe
Geometrie des Roboters aufzubringen und dort mit
Strom zu versorgen. Dafür haben sich Sensorschalen
bewährt, die an die Geometrie des Roboters angepasst
werden. Sie ermöglichen zudem eine einfache Wartung
und auch den Austausch defekter Sensoren. Die Sensoren,
die sich in der Sensorhaut verbergen, sind robust
und haben eine lange Lebensdauer. Funktioniert doch
mal einer nicht, so wird der Defekt durch integrierte
Überwachungsmechanismen erkannt und das System
gibt eine Warnung aus. Der Endnutzer kann nun selbst
tätig werden und die defekte Sensorschale mit wenigen
Handgriffen auswechseln – ohne tagelang auf einen Servicetechniker
warten zu müssen.
BREITES ANWENDUNGSSPEKTRUM
Das Anwendungsspektrum der patentierten Sensortechnologie
aus dem Fraunhofer IFF ist groß. Die Industrie hat
erhebliches Interesse an einer Umsetzung zum Produkt.
Dabei sind die möglichen Einsatzfelder nicht allein auf
die Robotik begrenzt. So lässt sich das Sensorsystem beispielsweise
im Fußboden integrieren. Personen könnten
damit lokalisiert und Bewegungen verfolgt werden.
Die Sensoren könnten auch an den Greifern der Roboter
angebracht werden und ihnen somit einen Tastsinn verleihen.
Dann würden die Roboter spüren, wie sie ein bestimmtes
Objekt gegriffen haben und ob es beispielsweise
rutscht. Denkbar ist es auch, innovative Eingabegeräte auf
Basis dieser Sensorsysteme zu verwirklichen. Drucksensitive
Oberflächen auf Robotern könnten neben Sicherheitsfunktion
auch grundlegende Interaktionsmodalitäten
bieten – der Mitarbeiter könnte über bestimmte Schaltflächen
beispielsweise den Greifer des Roboters direkt ansteuern.
Berührt er den Roboter an einer bestimmten Stelle,
so registriert der Roboter, dass es sich hier nicht um
eine zufällige Kollision handelt, sondern um eine gezielte
Eingabe – und öffnet oder schließt seinen Greifer.
AUTOREN
M.Eng. MARKUS FRITZSCHE
ist Mitarbeiter im Geschäftsfeld
Robotersysteme am Fraunhofer
IFF in Magdeburg.
Dr. techn. NORBERT ELKMANN
ist Leiter des Geschäftsfelds
Robotersysteme am Fraunhofer
IFF in Magdeburg.
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Sandtorstraße 22, D-39004 Magdeburg, Tel. +49 (0) 391 409 02 89,
E-Mail: norbert.elkmann@iff.fraunhofer.de
atp edition
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21
PRAXIS
Schweißstromquelle, Werkstückpositionierer und
Roboter stimmen ihre Aktionen aufeinander ab
Craemer-Gruppe nutzt Lösung zum automatisierten Fügen und bewahrt sich dennoch Flexibilität
Die Craemer Gruppe setzt bei Schweißarbeiten erfolgreich
auf Automatisierung. Ein aktuelles Fallbeispiel
bilden modulare Zellen des Typs FlexArc RX1. Als
Gründe für ihre Investitionsentscheidung nennen die
Verantwortlichen bei Craemer die sehr guten, reproduzierbaren
Schweißergebnisse sowie komfortables Bedienen
bei wechselnden, flexibel gestaltbaren Fügeaufgaben.
Die Anwender verwirklichen eine konstante Streckenenergie
auch bei komplexen Bahnen. Die Schweißzellen
überzeugen mit ihrer kompakten, flächensparenden
Baugröße, der „Plug-and-produce“-Realität und vor
allem mit der modularen, nachträglichen Umrüstbarkeit.
Sie sind für kleine bis mittelgroße Bauteile der Automobilzuliefer-
und übrigen Industrie ausgelegt.
Schweißaufgaben gehören dank der Trendsetterrolle
der Automobilindustrie zu den Fertigungsschritten mit
der längsten Automatisierungs-Tradition. Höchste Ansprüche
der B2B- und der Endkunden setzen hier die
Standards für Qualität und Produktivität. Die Craemer
Gruppe fungiert in ihrem Geschäftsfeld Metallumformung
als Zulieferer namhafter Automobilisten und
fertigt unter anderem Sitzschalen. Deren Strukturbauteile
sind im MAG (Metall Aktiv Gas)-Verfahren zu Baugruppen
zu verbinden – in hoher Leistung, maximal
flexibel beispielsweise für unterschiedliche Typen –
und auf knapp bemessenem Raum.
MODULARE ZELLE FÜGT SITZSTRUKTURELEMENTE
Im Stammwerk Herzebrock-Clarholz sowie am slowakischen
Standort Liptowsky Mikuláš von Craemer sammeln
die Schweißexperten bereits seit 2005 gute Erfahrungen
mit Roboterlösungen von ABB. Die neue modulare
Zelle speziell für das Fügen der Sitzstrukturelemente
arbeitet seit 2012 zur Zufriedenheit der Betreiber.
Sie besteht im Wesentlichen aus einem Grundrahmen,
dem Positionierer, der Stromquelle, einer Brennerreinigungsstation,
einem elektrischen Rolltor mit Frequenzumrichter,
Bedienfeld, Steuerschränken sowie
den Robotern.
Vorn in der Zelle der Paul Craemer GmbH befindet
sich ein drehbarer Werkstückpositionierer des Typs
IRBP R-600 mit identischen Haltevorrichtungen auf
beiden Seiten. Im hinteren Bereich arbeitet ein Roboter
des Typs IRB 1600. Wenn der Bediener die zu fügenden
Teile in die erste Haltevorrichtung des IRBP R-600 eingelegt
hat, werden sie ins Innere der Zelle gedreht.
Während der IRB 1600 schweißt, legt der Werker die
nächsten Werkstücke in die andere Vorrichtung. „So
erzielen wir eine optimale Produktivität“, charakterisiert
Fertigungsleiter Reiner Veit einen Hauptnutzen
dieser Teilautomation.
Eine hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit gewährleistet
die Kommunikationsschnittstelle SpeedWeldPac
von ABB und SKS Welding Systems. SpeedWeldPac
stellt die prozesstechnische Einheit zwischen Roboter
und der Steuerung der Schweißstromquelle her. So
empfängt beispielsweise die Steuerung der Stromquelle
in Echtzeit Signale über die aktuelle Ist-Geschwindigkeit
des Roboters, verarbeitet diese Information und
generiert im Ergebnis die automatische Regelung der
Parameter. Ein aufwendiges Programmieren entfällt
damit. Und auch bei wechselnden Geschwindigkeiten,
Beschleunigungen oder Verzögerungen des Schweißbrenners
ergibt sich stets eine konstante Streckenenergie
und damit ein gleichbleibendes Nahtbild an allen
Punkten der Schweißverbindung. Nur drei Tage benötigten
die ABB-Experten zum Implementieren der kompletten,
betriebsbereiten Zelle als Plug-and-play-Version
bei Craemer.
INDIVIDUALLÖSUNGEN NUR LANGFRISTIG SINNVOLL
Ebenso wie bei der Paul Craemer GmbH sind technische
Qualität, Funktions- und Betriebssicherheit, eine passende
Auswahl der gewünschten Funktionen sowie
geringer Planungs- und Projektleitungsaufwand in nahezu
allen Betrieben gefragt, die in thermischen Fügeprozessen
Metallteile verbinden. Das gilt im besonderen
Maße für die Betreiber oder Nutzer technischer
Investitionsgüter zur automatisierten Fertigung.
Für das Beispiel Schweißzelle gilt ähnlich wie für vergleichbare
Automationsprojekte: Individuallösungen rentieren
sich nur, wenn es um das Entwickeln langfristig
zu nutzender Produktionslinien geht, die zum Fertigen
großer Serien bestimmt sind. Modulare Konzepte jedoch
sind von vornherein auf vielfältige, bedarfsgerecht optimierbare
Lösungen zugeschnitten. Und diese Anforderung
entspricht zunehmend dem „Normalfall“.
Die Experten von ABB unterstützen den Anwender
bereits ab der Planungsphase bei der Wahl seiner „Bausteine“
zum Beispiel für die Grundfunktionen, zeigen
die Alternativen auf, machen unterschiedliche Angebote
transparent und unterstützen vor der Realisierung
der Schweißzelle beim Entwurf des optimalen Layouts.
Das umfassende Modul-Programm der Standard-
Schweißzelle umfasst neben den üblichen Grundausstattungen
auch Software, Sicherheitstechnik und Peripherie.
Optional sind auch individuelle Abwicklungen
oder Ergänzungen möglich.
SOFTWAREMODULE SORGEN FÜR FLEXIBILITÄT
Weil die Schweißaufgabe und die Anforderungen häufig
sowohl hoch komplex als auch unterschiedlich sein können,
bietet ABB differenzierte, aufeinander und auf die
Hardware abgestimmte Softwaremodule. Sie arbeiten mit
sämtlichen integrierten Softwareprodukten zusammen,
gesteuert per Robotersteuerung IRC5 inklusive RobotWare.
Mit ihr erreicht der Anwender kürzeste Zykluszeiten.
Die Zellenablaufsteuerung zum Öffnen und Schließen
der Rolltore und das Ansteuern der Vorrichtungsspanntechnik
übernimmt eine SPS, die mit der IRC5
verknüpft ist. Schnittstellen zur Kommunikation mit
den gängigen automatisierbaren Schweißsystemen der
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atp edition
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UMFORMTEILE
verbindet
Craemer per
automatisiertem
MAG-Schweißprozess
zu
Sitzstruktur teilen.
SCHWEISSROBOTER IRB 1600: Die Kommunikationsschnittstelle
SpeedWeldPac von ABB und SKS Welding
Systems stellt die prozess technische Einheit zwischen
Roboter und der Steuerung der Schweißstromquelle her.
ROBOTSTUDIO: Die Software simuliert
und visualisiert beispielsweise die
Positionen des Brenners am Werkstück
in Form von „Brenner wolken“. So kann
der Anwender sicherstellen, dass es
später in der realen Anwendung zu
keinen Kollisionen kommt. Bilder: ABB
ZWEISTATIONEN-
POSITIONIER IRBP C:
Die Koordinierung mit
den Robotern übernimmt
die Robotersteuerung.
führenden Hersteller bietet die IRC5. So kann der Anwender
seinen Erfahrungen und Präferenzen entsprechend
das bevorzugte Schweißsystem wählen. Je nach
Schweißsystem beziehungsweise -hersteller lassen sich
auch Funktionen wie SpeedWeldPac integrieren.
SIMULATION SCHLIESST REALE KOLLISIONEN AUS
Die Schlüsselsoftware RobotStudio begleitet den Anwender
durchgängig vom Engineering bis zum Fertigungsprozess.
Mit ihm programmiert der Anwender
offline am PC, auch bereits zur Planung wie zur Produktion.
Beispiele sind Zugänglichkeits- und Taktzeituntersuchungen,
Vorrichtungsoptimierung, virtuelle
Bauteilprogrammierung mit 1:1-Übertrag in die Steuerung
IRC5 der realen Zelle. RobotStudio stellt alle Standardzellen
virtuell auf dem PC dar und ermöglicht
deren Simulation bis hin zur Schulung. Zu weiteren
Funktionen zählen CAD-Schnittstellen zum Einlesen
von Daten der Bauteile und Vorrichtungen zum Prüfen
von Zugänglichkeit und Kollision. Zum Erleichtern der
Programmierarbeiten kann der Anwender die Software
ArcWelding PowerPac nutzen.
RobotStudio simuliert und visualisiert beispielsweise
die Positionen des Brenners am Werkstück in Form
von „Brennerwolken“. So kann der Anwender vor dem
Herstellen einer Vorrichtung in „Stahl und Eisen“ sicherstellen,
dass später in der Realität keine Kollisionen
mit Vorrichtungsaufbauten entstehen. Zudem
kann er Vorrichtungsentwürfe anhand dieser Analysemethode
kontinuierlich auf die Eignung für die jeweilige
Anwendung überprüfen. Eine Situationsanalyse
vor dem Projektbeginn ergibt neben erheblichen Zeitund
Kosteneinsparungen gerade in der Inbetriebnahmephase
die gewünschte Sicherheit.
AUTOR
CHRISTIAN MICKASCH ist im Vertrieb
Metallbearbeitung bei ABB Automation
im Unternehmensbereich Robotics tätig.
ABB Automation GmbH,
Unternehmensbereich Robotics,
Grüner Weg 6, D-61169 Friedberg,
Tel. +49 (0) 6031 850,
E-Mail: christian.mickasch@de.abb.com
atp edition
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23
PRAXIS
Maßnahmen auf dem Weg zur
energieeffizienten Fabrik der Zukunft
Durch gezielte Beleuchtung und Abschalten von Anlagenteilen Energie sparen
VERKÜRZTE PNEUMATIKSCHLÄUCHE reduzieren die ungenutzte
Schlauchluft und beschleunigen die Füllung der Aktoren.
AUSLEUCHTUNG DER MONTAGEMASCHINE ohne
(links) und mit LED-Maschinenleuchten (rechts).
DER HOHE WIRKUNGSGRAD
von 94 Prozent war ein Grund,
weshalb die Firma Kolbus die
Quint-Strom versorgungen in
den Schaltschränken ihrer
Buchbindereimaschinen einsetzt.
Aufgrund steigender Kosten für Rohstoffe und Energie
sowie gesetzlicher Vorgaben gewinnen Methoden
und Maßnahmen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz
stetig an Bedeutung. Die Firma Phoenix Contact
spart Energie, indem sie Druckluft in Montagemaschinen
optimal einsetzt, Gebäude und Maschinen effizient
beleuchtet und Anlagen beziehungsweise Anlagenteile
zum Teil abschaltet.
Die Energieeffizienz-Richtlinie 2012/27/EG der Europäischen
Union gibt eine Steigerung der Energieeffizienz
um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 als Ziel vor. Alle
Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, ein nationales Energieeffizienz-Ziel
zur Reduzierung des Energieverbrauchs
bis 2020 festzulegen. Die Bundesrepublik
Deutschland strebt an, den Primärenergieverbrauch bis
2020 um 20 Prozent gegenüber 2008 und bis 2050 um
50 Prozent zu senken. Der Stromverbrauch soll bis 2020
um 10 Prozent und bis 2050 um 25 Prozent verringert
werden. Den gesetzlichen Vorgaben zur Energieeinsparung
stehen Schätzungen gegenüber, dass das tatsächliche
Potenzial in Industrie und Gewerbe bis zu 40
Prozent beträgt. In der Europäischen Union lässt sich
der Energiebedarf mit entsprechenden Effizienz-
Maßnahmen bis 2050 um zwei Drittel reduzieren. Bei
Phoenix Contact stehen Aktivitäten zur Erhöhung der
Effizienz schon seit vielen Jahren im Fokus. Die Einführung
eines Energiemanagement-Systems gemäß DIN
EN ISO 50001 führt dabei zur notwendigen Transparenz
und Messbarkeit der durchgeführten Schritte. Das
Unternehmen entwickelt unter anderem energieeffi-
24
atp edition
9 / 2014
ziente Komponenten, Maschinen und Anlagen, die es
in der eigenen Produktion einsetzt. Außerdem ist es in
den Bereichen Energiegewinnung und -rückgewinnung
sowie Messung und Analyse von Energiebedarfen tätig.
DRUCKLUFTVERBRAUCH SENKEN
Die Drucklufterzeugung ist für rund sieben Prozent des
industriellen Stromverbrauchs verantwortlich. Daher
bietet sich eine gezielte Analyse der Verwendung von
Druckluft an, um Einsparpotenziale zu identifizieren.
In den Montagemaschinen von Phoenix Contact wird
Druckluft für unterschiedliche Aufgaben genutzt. Zur
Verbesserung der Versorgung haben die Mitarbeiter
zwei Ansatzpunkte herausgearbeitet. Wird der Druckverlust
in den Leitungen gesenkt, kann mit einem geringeren
Druck gearbeitet werden. Eine Verringerung
des Volumens innerhalb der Zuleitungen zwischen den
Ventilen und pneumatischen Aktoren zieht eine Minimierung
des Luftverbrauchs pro Arbeitshub nach sich.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sind die
Druckluft-Zuleitungen innerhalb der Montagemaschinen
verkürzt respektive als Ringleitung ausgelegt worden.
Ferner haben die Mitarbeiter Querschnitts-Verringerungen
und Kanten an den Verbindungsstellen vermieden
und so die Anschlusstechnik optimiert. Aufgrund
der räumlich nahen Anordnung der Ventilinseln
an den Aktoren verkürzen sich die Leitungen an einzelnen
Montagestationen deutlich. So resultiert die von
1,3 Meter auf 0,4 Meter reduzierte Schlauchlänge in
einer Montagestation in einer Verringerung des Luftverbrauchs
von 40 Kubikzentimeter auf 12 Kubikzentimeter
pro Hub. Die beschriebenen Maßnahmen sind
im ersten Schritt an drei Montagemaschinen umgesetzt
worden. Im Ergebnis ist das Niveau des Versorgungsdrucks
um 1 bar gesunken, während sich der Druckluft-
Verbrauch der Maschinen um durchschnittlich 25 Prozent
reduziert hat. Seit rund einem Jahr werden die
Erkenntnisse auf alle Montagemaschinen übertragen.
So lassen sich die Energiekosten für die Druckluft-Erzeugung
nachhaltig verringern.
ANLAGEN BEDARFSGERECHT AUSLEUCHTEN
Weiteres Verbesserungspotenzial liegt in der Beleuchtung
von Produktionsbereichen, was bislang an der
Hallendecke angebrachte Leuchtstoffröhren übernehmen.
In den Montageanlagen werden nur Handarbeitsplätze
separat beleuchtet, um ein ergonomisches Arbeiten
sicherzustellen. Wegen der undifferenzierten Ausleuchtung
der gesamten Fertigung gibt es viele Bereiche,
in denen die Beleuchtung stärker als erforderlich ist,
wohingegen innerhalb der Maschinen keine optimalen
Lichtverhältnisse für Einricht- und Entstörarbeiten vorliegen.
Deshalb sind in einem Pilotbereich gezielt Maßnahmen
realisiert worden, damit der entsprechende
Energiebedarf sinkt und die Ausleuchtung der Maschinen
gleichzeitig optimiert wird.
Im Pilotbereich waren bisher 18 Leuchtstoffröhren
mit jeweils 70 Watt Leistung und einer Lichtausbeute
von 79 Lumen pro Watt installiert. Mittlerweile sind die
Hälfte der Leuchtstoffröhren abgeschaltet sowie die
Maschinen mit sechs LED-Leuchten der unternehmenseigenen
Produktfamilie PLD mit jeweils 21 Watt Leistung
bei einer Lichtausbeute von 86 Lumen pro Watt
ausgerüstet worden. Daraus ergibt sich eine Verringerung
der elektrischen Leistung für die Beleuchtung um
rund 500 Watt. Gleichzeitig lässt sich die eingesetzte
Beleuchtung zielgerichtet nutzen. Während die Deckenlampen
bis dato eine einheitliche Beleuchtungsstärke
von etwa 500 Lux bereitstellten, wird der Fußboden jetzt
lediglich mit 300 Lux ausgeleuchtet. Die relevanten Bereiche
innerhalb der Maschine weisen hingegen 1000
Lux und die Handarbeitsplätze 1400 Lux auf. Auf diese
Weise haben sich der Bedienkomfort und die Möglichkeiten
der Prozessüberwachung verbessert. Da die LED-
Beleuchtung steuerbar ist, können bestimmte Anlagenteile
im Fall einer Störung gezielt ausgeleuchtet werden.
Im Normalbetrieb genügt dann eine geringe Lichtintensität
oder die LED-Leuchten sind komplett abgeschaltet.
Unter Berücksichtigung des Investitionsvolumens für
die LED-Leuchten und des Energiebedarfs für deren
Betrieb sowie der Energieeinsparung durch die reduzierte
Deckenbeleuchtung amortisieren sich die Verbesserungsmaßnahmen
nach ungefähr vier Jahren. Darüber
hinaus zeichnen sich die LED-Leuchten mit einer Lebensdauer
von 50 000 Stunden durch eine sechsmal
längere Einsatzzeit als Leuchtstoffröhren aus. Neben
den Energiekosten sinkt somit auch der Aufwand für
die Wartung und Instandhaltung deutlich.
ANTRIEBSKONZEPT DIMENSIONIEREN
Eine Voraussetzung für den energieeffizienten Betrieb
von Maschinen und Anlagen ist, sparsame Komponenten
zu verwenden. Geräte mit hohem Wirkungsgrad
können im Bereich der Steuerungs- und Antriebstechnik
beim Sparen helfen. Bei Phoenix Contact achten die
Entwickler von Elektronikgeräten daher besonders darauf,
dass optimal dimensionierte sowie effiziente Bauteile
und -gruppen eingesetzt werden. Auf diese Weise
lässt sich der Wirkungsgrad beispielsweise der Stromversorgungen
Quint Power steigern.
Der unternehmenseigene Maschinenbau leistet ebenfalls
einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf eine energieeffiziente
Produktion. Speziell im Bereich der Antriebstechnik
ergeben sich hier bei den Montagemaschinen
Ansatzpunkte. Dabei kommt der Auswahl des
bestmöglichen Antriebskonzepts eine große Bedeutung
zu. So muss bei der Entscheidung zwischen pneumatischen
und elektrischen Achsen beachtet werden, dass
elektrische Antriebe Energie für die Beschleunigung
und Verzögerung benötigen, wohingegen der Verfahrweg
eine untergeordnete Rolle spielt. Bei pneumatischen
Antrieben ist der Druckluft- und damit der
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25
PRAXIS
VERGLEICH DES
TAGESENERGIE-
BEDARFS zwischen
pneumatischen und
elektrischen Achsen.
TYPISCHE
WIRKUNGSGRADE
(Quelle: Fraunhofer ISI)
und Leistungsaufnahmen
verschiedener
Motortypen bei 63 Watt
Antriebsleistung.
EXEMPLARISCHE LEISTUNGSAUFNAHME
einer Montagemaschine. Bilder: Phoenix Contact
Energiebedarf hingegen proportional vom Verfahrweg
abhängig. Untersuchungen belegen, dass bei einem Verfahrweg
von 5 Millimetern ein Pneumatikzylinder kostengünstiger
betrieben werden kann. Beträgt der Verfahrweg
50 Millimeter, ist ein elektrischer Antrieb zu
bevorzugen. Bei der Auswahl elektrischer Antriebe
müssen die unterschiedlichen Wirkungsgrade der verschiedenen
Motortypen berücksichtigt werden. Ist beispielsweise
ein Drehmoment von 0,2 Newtonmeter bei
einer Drehzahl von 3000 Umdrehungen pro Minute und
folglich 63 Watt Leistung an der Antriebswelle bereitzustellen,
ergibt sich die elektrische Leistung in hohem
Maße aus dem Typ des genutzten Motors.
Die verbauten Getriebe beeinflussen die Energieeffizienz
ebenso erheblich. Bei Förderband-Antrieben können
Stirnradgetriebe aufgrund ihres höheren Wirkungsgrads
bis zu 20 Prozent mehr Leistung als Schneckengetriebe
liefern. Werden für Handhabungsaufgaben
Roboter eingesetzt, sollten die bewegten Massen
möglichst gering und somit die Abmessungen des Roboters
sowie die Masse der Greifer optimal dimensioniert
sein. Als Verfahrstrategie ist statt einer Linieneine
Punkt-zu-Punkt-Bewegung zu präferieren, um den
Energiebedarf für die Beschleunigung der verschiedenen
Achsen zu minimieren. Sowohl bei Servoantrieben
als auch Roboterachsen sollten Stillstands-Drehmomente
auf das erforderliche Minimum abgesenkt
werden. Außerdem bietet die komplette Abschaltung
von Antrieben, die für einen gewissen Zeitraum nicht
benötigt werden, deutliches Einsparpotenzial.
ANLAGENTEILE ZIELGERICHTET ABSCHALTEN
Als weitere Möglichkeit zur Energieeinsparung in der
Produktion ist das Abschalten aktuell nicht für die Fertigung
notwendiger Anlagenkomponenten mittels einer
intelligenten Standby-Funktion zu nennen. Aus dem
exemplarischen Verlauf der Leistungsaufnahme einer
Montagemaschine lässt sich ersehen, dass sie selbst
dann rund 2000 Watt aufnimmt, wenn sie gar nicht in
Betrieb ist. Dies wird durch Komponenten wie Netzteile,
Steuerungen, Bildschirme und die Antriebselektronik
hervorgerufen. Die Leistungsaufnahme liegt bei
etwa 2500 Watt, sobald die Schwingförderer für die
Zuführung von Kunststoff- und Metalleinzelteilen eingeschaltet
werden. Während des Herstellungsprozesses
erhöht sich die Leistungsaufnahme im Mittel auf ungefähr
3000 Watt, wobei wegen der zeitlichen Überlagerung
unterschiedlicher Montageprozesse Leistungsspitzen
bis 6000 Watt auftreten. Der Leistungsverlauf
zeigt das Einsparpotenzial während des Maschinenstillstands
auf. Liegt also eine längere Produktionsunterbrechung
vor – beispielsweise durch eine geplante
Pause –, kann die Leerlaufleistung durch das gezielte
Abschalten leistungsintensiver Maschinenkomponenten
erheblich verringert werden.
Derzeit arbeitet Phoenix Contact an der Umsetzung
einer Steuerungslösung, die ein solches zielgerichtetes
Abschalten (intelligentes Standby) ermöglicht. Während
der Pausen und in produktionsfreien Zeiten schaltet
die SPS alle Anlagenkomponenten so weit aus, dass
die verbleibende Leistungsaufnahme nur noch 5 Watt
beträgt. Das Abschalten erfolgt entweder durch einen
Knopfdruck des Bedieners oder automatisch nach einer
einstellbaren Zeit, wenn ein Fertigungsauftrag fehlt
oder unterbrochen wurde. Das Wiedereinschalten geschieht
ebenfalls manuell per Knopfdruck oder zu
einem festgelegten Zeitpunkt, beispielsweise zu
Schichtbeginn oder nach einer definierten Pausenzeit.
In Anlehnung an das Profienergy-Profil sorgt eine zentral
in der Montagemaschine installierte Steuerung für
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atp edition
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das geregelte Herunterfahren der SPS der verschiedenen
Maschinenteile. Außerdem trennt sie die nicht
mit einer Profinet- oder Ethernet-Schnittstelle ausgestatteten
Geräte von der Netzspannung. Ferner lässt
sich die Hallenbeleuchtung reduzieren, sobald sämtliche
Maschinen eines festgelegten Hallenbereichs in
den Standby-Zustand versetzt wurden.
Auf dem Weg zur energieeffizienten Fabrik der Zukunft
hat Phoenix Contact bereits in unterschiedlichen
Bereichen erfolgreich Maßnahmen durchgeführt. Neben
der Fortsetzung laufender Aktivitäten und der Realisierung
der intelligenten Standby-Funktion für Montagemaschinen
sind weitere Aktionen geplant. Ist zum
Beispiel der Energiebedarf der verschiedenen Produktionsanlagen
und -prozesse transparent erfasst worden,
werden die entsprechenden Kosten bei der TCO-Berechnung
berücksichtigt, damit sich energiebezogene
Investitionsentscheidungen treffen lassen. Großes Potenzial
ergibt sich zudem durch eine Vernetzung von
MES-System sowie Gebäude- und Energiemanagement.
Zum einen ist eine von der aktuellen Fertigungssituation
abhängige Verringerung des Energiebedarfs bestimmter
Gebäudeteile durch das Abschalten von Licht,
Druckluft und Kühlwasser denkbar. Andererseits können
die durch variable Stromtarife veränderlichen Energiekosten
als weiteres Kriterium bei der Planung der
Produktionsaufträge herangezogen werden.
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SCHREIBER ist Abteilungsleiter
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Auto mation bei Phoenix
Contact GmbH & Co. KG
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Phoenix Contact GmbH & Co. KG,
Flachsmarktstraße 8, D-32825 Blomberg,
E-Mail: aschreiber@phoenixcontact.com,
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HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014
Wasser und Abwasser in
Megastädten der Zukunft
Semizentrale Systeme für die Ver- und Entsorgung
Dieser Beitrag befasst sich mit dem Konzept semizentraler Ver- und Entsorgungssysteme,
das es ermöglicht, die Herausforderungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung
in Megastädten zu lösen. Das Konzept basiert auf der Idee, Abfallstoffe,
wie Schmutzwasser und organische Abfälle, als Wertstoff zu betrachten und durch
energetische Verwertung sowie durch Ressourcenwiederverwendung den Energieund
Stoffkreislauf zu schließen. Die Autoren stellen die besonderen Merkmale semizentraler
integrierter Ver- und Entsorgungssysteme vor und betrachten entstehende
Anforderungen an die MSR-Technik und die Prozessautomatisierung.
SCHLAGWÖRTER Semizentrale Ver- und Entsogungssysteme / Megastädte /
Wasserwiederverwendung
Water and Wastewater Management in Mega Cities –
Semi-Centralized Supply and Treatment Systems
Semi-centralized systems can offer a way of meeting the challenges of water supplies
and wastewater treatment in mega cities. Waste flows like grey water, black water
and organic waste are regarded as reusable resources and the concept closes the
cycles of material and energy flow by waste recycling and biogas production. The
article presents the specific features of semi-centralized integrated supply and treatment
systems and examines demands on the measurement and control technology
and process automation.
KEYWORDS Semi-centralized supply and treatment systems / mega cities /
water reuse
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atp edition
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ACHIM GAHR, Endress+Hauser Conducta
CHRISTIAN WOLF, PETER KERN, Fachhochschule Köln
Rasches Wirtschaftswachstum und zunehmende
Urbanisierung stellen vor allem Großstädte
vor immer größere Schwierigkeiten bei
der Abwasserentsorgung und Abfallbe -
sei tigung sowie der Wasser- und Ener gieversorgung.
Vielerorts sind lokale Wasserressourcen
knapp und herkömmliche zentrale Ver- und Entsorgungssysteme
sowie bestehende Infrastrukturen können
nicht an das dynamische Städtewachstum angepasst
werden. Außerdem stellen die zunehmenden
Mengen des Klärschlamms eine große Herausforderung
dar. Wirtschaftsboom und Urbanisierung wirken sich
vor allem in Asien nachteilig auf die Sicherstellung der
Trinkwasserversorgung, die Abwasserreinigung und
die Abfallbehandlung aus.
Als Lösung dieser Herausforderungen wurde am Institut
IWAR des Fachgebietes Abwassertechnik der
Technischen Universität Darmstadt das Konzept Semizentral
in mehrjähriger Projektarbeit bis zur Umsetzungsreife
entwickelt. Mittlerweile ist es zu einer ökonomisch
wie ökologisch tragfähigen Zukunftstechnologie
gereift. Sie ermöglicht mit der Implementierung
geeigneter MSR-Technik den Aufbau flexibler und
hocheffizienter Ver- und Entsorgungssysteme für Wasser,
Abwasser, Abfall und Klärschlamm.
1. DAS KONZEPT SEMIZENTRAL
Das in Bild 1 illustrierte Konzept basiert auf der Idee,
die in einem Siedlungsgebiet anfallenden Abfälle und
Abwasserströme als Wertstoffe zu betrachten und durch
Wiederverwendung dem Ressourcenkreislauf wieder
zuzuführen. Zu diesem Zweck werden das Grauwasser
(Abwasserströme von Duschen, Waschbecken und
Waschmaschinen) und das Schwarzwasser (Toilettenabwasser)
durch getrennte Entsorgungsnetze erfasst,
abgeleitet und in einem Ver- und Entsorgungszentrum
(VEZ) in parallelen Aufbereitungsmodulen behandelt.
Das Grauwasser wird nach mechanischer Vorreinigung
mit Hilfe der MBR-Verfahrenstechnik zu Brauchwasser
aufbereitet und anschließend den Wohneinheiten
im Siedlungsgebiet zur Toilettenspülung, gegebenenfalls
auch für Reinigungs- oder Bewässerungszwecke
zur Verfügung gestellt. Daher wird in einem
letzten Reinigungsschritt das aufbereitete Grauwasser
in einer Desinfektionsstufe desinfiziert. Abschließend
ist ein Auslaufbehälter als Pumpenvorlage nachgeschaltet,
aus dem das gereinigte Grauwasser entnommen
und in das Brauchwassernetz gespeist wird. Durch
die Rückführung des aufbereiteten Grauwassers sinkt
der häusliche Trinkwasserbedarf um mindestens 30 %.
In einem parallel verlaufenden Prozess findet die Aufbereitung
des Schwarzwassers statt. Das Aufbereitungsmodul
umfasst neben einer mechanischen Vorreinigung
und Vorklärung als wesentlichen Verfahrensschritt das
Sequencing-Batch-Reactor-Verfahren (SBR). Es ist aufgrund
der hohen Schmutzfracht sinnvoll und ermöglicht
den Abbau von Kohlenstoffverbindungen sowie
von Phosphor- und Stickstoffverbindungen.
Zusätzlich werden im VEZ die festen Bioabfälle aus
dem Siedlungsgebiet zusammen mit dem Klärschlamm,
der bei der Grau- und Schwarzwasserbehandlung anfällt,
thermophil behandelt. Dadurch entsteht Biogas, das zur
Eigenenergieerzeugung verstromt wird und unter Idealbedingungen
einen energieautarken Betrieb des VEZ
ermöglicht. So wird die Abhängigkeit von Primärenergie,
die meist aus fossilen Ressourcen stammt, minimiert.
Der durch die Vergärung entstehende Gärrest ist
hochwertig (Biosolids) und kann als Bodenverbesserer
kommerziell genutzt werden, sodass auf eine Deponierung
des Klärschlamms sowie des Bioabfalls verzichtet
werden kann. Die nährstoffreichen Stoffe werden in
den natürlichen Kreislauf zurückgeführt.
Aus dem semizentralen Konzept leiten sich Anforderungen
ab, die im Falle einer konkreten Umsetzung an
die Verfahrenstechnik und die Infrastruktur gestellt
werden müssen und zu berücksichtigen sind:
getrennte Leitungen für Grau- und Schwarzwasser,
also keine Mischkanalisation
separates Leitungsnetz für das Brauchwasser
Errichtung im Siedlungsgebiet für eine kostengünstige
und einfache Infrastruktur (beispielsweise
atp edition
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HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014
Siedlungsgebiet
Ver- und Entsorgungszentrum
(VEZ)
Online-
Messtechnik
Leitungswasser
Brauchwasser
BILD 1: Schematische
Darstellung der
integrierten Abfallund
Klärschlammbehandlung
innerhalb
des semizentralen
Ver- und Entsorgungssystems,
in Anlehnung an [1]
Grauwasser
Bioabfälle
Schwarzwasser
Klärschlamm
Klärschlamm
Abfall- und Klärschlammbehandlung
Grauwasserreinigung
Schwarzwasserreinigung
Energie
Energie
Energie
Biosolids
Reststoffe
Regelung
Dynamische
Simulation
analyse
Prozessoptimierung
erfassung
Daten-
Daten-
BILD 2: Voraussetzungen für
einen optimalen Anlagenbetrieb
einfache Leitungsführung und kurze Leitungen für
das Brauchwasser)
Integration in das Stadtbild, folglich Unterbringung
der Verfahrenstechnik im Gebäude
kompakte Bauweise (zum Beispiel doppelstöckig)
Minimierung der Gas- und Geräuschemissionen
parallele Aufbereitungsmodule für Grau- und
Schwarzwasser
übertragbare und erweiterbare Verfahrenstechnik
2. UMSETZUNG DES KONZEPTES
Das Konzept Semizentral wird mit einem aktuellen
Verbundvorhaben mit der Realisierung eines semizentralen
Ver- und Entsorgungssystems in einem neuen
Siedlungsgebiet auf dem Gelände der diesjährigen Weltgartenbauausstellung
(World Horticulture Exhibition,
WHE) in Qingdao, China, erstmals umgesetzt. Anlässlich
der WHE wurde die Referenzanlage am 27. April
2014 eröffnet.
Das in zwei Phasen geteilte Verbundprojekt Ressourceneffiziente
und flexible Ver- und Entsorgungsinfrastruktursysteme
für schnell wachsende Städte der Zukunft
wird vom Bundesministerium für Forschung und
Bildung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms
Client China gefördert. Die Zielsetzung umfasst die
Anpassung des semizentralen Konzeptes an die realen
Rahmenbedingungen des Standortes sowie die Umsetzung
im Realmaßstab und die Validierung, Optimierung
und Weiterentwicklung des Ansatzes. Das Projektkonsortium
ist ein Forschungsverbund aus zahlreichen
deutschen und chinesischen Kooperationspartnern
aus Forschung, Lehre und Industrie.
Im Rahmen des Projektes ist Endress+Hauser maßgeblich
an der Prozessautomatisierung und Qualitätssicherung
beteiligt und beschäftigt sich dabei mit prozessanalytischen
und regelungstechnischen Fragestellungen
von Stoff- und Energieströmen innerhalb des
VEZ sowie mit der Qualitätsüberwachung des produzierten
Brauchwassers im Verteilnetz. Dabei besteht
eine enge Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe
Gummersbach Environmental Computing Center (Gecoc)
der Fachhochschule Köln, die ebenfalls Projektpartner
im Projektkonsortium ist. Gecoc übernimmt
die Regelung und Optimierung der anaeroben Vergärung
von Schlämmen aus der Abwasserbehandlung des
VEZ sowie von Speiseresten aus den umliegenden Hotels
und beschäftigt sich ferner mit der Entwicklung
von Soft-Sensoren, die es ermöglichen, aus Standardmessgrößen
komplexe Prozessvariablen zu bestimmen.
3. INSTRUMENTIERUNG UND ANFORDERUNGEN
Die MSR-Technik auf Abwasser- und Wertstofferschließungsanlagen
dient der Prozessüberwachung, der Prozesssicherung,
der Prozessführung und der Prozessregelung.
Weitere Aufgaben der Leit- und Automatisierungstechnik
sind das Bedienen und Beobachten der
Anlage, die Grenzwertüberwachung und Alarmbehandlung
sowie die systematisierte Dokumentation
gemäß den einschlägigen regulatorischen Anforderungen.
Mit der Darstellung von Prozesszuständen und der
Ermittlung sowie Bewertung von geeigneten Kennzahlen
wird ein besseres Verständnis von betrieblichen
Zusammenhängen und ihrem dynamischen Verhalten
ermöglicht. Allerdings sind für die Prozessoptimierung,
wie in Bild 2 schematisiert, neben der Datenerfassung
zusätzliche Schritte wie die Datenanalyse und
die dynamische Simulation erforderlich. Die Zielsetzungen
der Prozessoptimierung bestehen darin,
die Anlageneffizienz zu erhöhen (zum Beispiel
hohe Energieeffizienz bei hohem Wirkungsgrad der
Abfallbeseitigung und Abwasserreinigung),
die Kosten zu optimieren und den Arbeitsaufwand
zu reduzieren,
30
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die Betriebssicherheit und die Prozessstabilität zu
steigern,
die betrieblichen und gesetzlichen Qualitätsanforderungen
zu jedem Zeitpunkt einzuhalten oder
die Betriebszustände der Verfahrensmodule und des
VEZ einfach zu visualisieren.
Eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen automatisierten
und optimal geregelten Betrieb des VEZ ist
der Einsatz geeigneter Prozessmesstechnik an Messorten,
die für den Prozess repräsentativ sind. Aus Sicht des
Betreibers des VEZ werden an die Analysenmesstechnik
grundlegende Anforderungen gestellt:
wartungsarm
platzsparend
möglichst reagenzienfrei
möglichst keine oder vollautomatische Probenaufbereitung
Installation möglichst direkt im Prozess (in situ)
Die Messtechnik sowie die Konzepte zur Steuerung und
Regelung müssen außerdem an die Gegebenheiten des
VEZ adaptiert und entsprechend der modularen Bau- und
Verfahrensweise auf die einzelnen Prozessschritte ausgelegt
sein. Dabei verfügt jedes der folgenden Module über
eine eingangsseitige Sammelvorrichtung, die von Pumpen
bedient wird, und über Messeinrichtungen zur Bestimmung
des Füll- und Grenzstandes sowie über Durchflussmengenzähler
für Kontroll- und Steuerungszwecke:
Grauwasserbehandlung mit Desinfektion
(aerobe Behandlung)
Schwarzwasserbehandlung mit Desinfektion
(aerobe Behandlung)
Prozesswasserbehandlung
(Anammox-Verfahren im SBR-Batchbetrieb)
organische Feststoffbehandlung zusammen mit
der Behandlung von Überschussschlamm zur
Biogasgewinnung (anaerobes Verfahren)
Überwachung des Brauchwassernetzes
3.1 Abwasserbehandlung
Bei der Grau- und Schwarzwasseraufbereitung benötigt
die aerobe biologische Behandlung zur Prozessregelung
Signalgeber, zum Beispiel für Sauerstoff, Ammonium,
Nitrat, ortho-Phosphat, Druck, Temperatur und Durchfluss.
Der Sollwert der Sauerstoffkonzentration wird in
Abhängigkeit von der am Ablauf der Belebung gemessenen
NH 4 -N-Konzentration verändert. Bei steigendem
NH 4 -N-Gehalt wird der O 2 -Sollwert erhöht, bei sinkendem
Gehalt gesenkt. Ferner kann bei steigendem NH 4 -
N-Gehalt die Zu- beziehungsweise Abschaltung von flexiblen
Nitrifikations-/Denitrifikationszonen geregelt
werden. Zusätzlich lassen sich NO 3 -N- und PO 4 -P-Konzentrationssignale
in die Regelung einbeziehen. Eine
solche Vorgehensweise optimiert den O 2 -Eintrag und
steigert die Energieeffizienz.
Die Behandlung von Prozesswasser, das mit organischen
Stoffen und Ammonium hoch belastet ist, stellt für das VEZ
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist
aus der Fusion von Universität Karlsruhe und Forschungszentrum
Karlsruhe hervorgegangen. Am KIT
arbeiten und studieren mehr als 9.400 Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen und über 24.000 Studierende.
Das KIT besetzt im Bereich III „Maschinenbau
und Elektrotechnik“ zum nächstmöglichen Zeitpunkt
eine Direktorenstelle für die kollegiale
Leitung des Instituts für
Angewandte Informatik (IAI)
verbunden mit der
W3-Professur für
Angewandte Informatik und
Automatisierungstechnik
der KIT-Fakultät für Maschinenbau.
Das im Großforschungsbereich des KIT angesiedelte
Institut mit ca. 120 Mitarbeitern betreibt
Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet
innovativer, anwendungsorientierter Informations-,
Automatisierungs- und Systemtechnik
sowie dem Gebiet der Energieinformatik.
Gesucht wird eine Persönlichkeit aus Wissenschaft
oder Industrie, die in wesentlichen Themenbereichen
der Angewandten Informatik und
Automatisierungstechnik wissenschaftlich hervorragend
ausgewiesen ist, über die Fähigkeit zur
Führung eines großen Instituts verfügt und
exzellente Befähigungen für die Lehre hat.
Die Habilitation oder habilitationsäquivalente
Leistungen werden vorausgesetzt, industrielle
Erfahrung ist erwünscht. Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen
nach § 47 LHG.
Der/Die Stelleninhaber/-in ist als Direktor/-in des IAI
verantwortlich für die Beiträge des Instituts in Forschungsprogrammen
der Helmholtz-Gemeinschaft,
insbesondere in den Programmen „Science and
Technology of Nanosystems“ und „BioInterfaces
in Technology and Medicine“ sowie in „Supercomputing
and Big Data“. Eine aktive Beteiligung
an der strategischen Weiterentwicklung und der
Ausprägung neuer Forschungsfelder und der Einwerbung
von Drittmitteln wird erwartet.
Erwartet werden Erfahrungen und richtungsweisende
Beiträge in der ingenieurwissenschaftlichen
Umsetzung zur Automatisierung neuartiger Verfahren
z. B. in der Bio- und Nanotechnologie sowie
zur Bilderkennung und -verarbeitung insbesondere
bei hohen Durchsätzen. Die daraus resultierenden
Erkenntnisse sollen u. a. genutzt werden, um in
Innovationen auf den Gebieten der Nano- und
Mikrotechnologien, Biotechnologie, Fertigung und
Produktion, der Optik und Photonik, Mechatronik,
Anthropomatik und Robotik zu stimulieren.
In der Lehre sollen die Studiengänge Maschinenbau
und Mechatronik der KIT-Fakultät für Maschinenbau
mit Angeboten aus der Mechatronik,
der technischen Informatik sowie der Automatisierungs-
und Regelungstechnik bereichert werden.
Diese Angebote können auch von Hörern anderer
Fakultäten wahrgenommen werden.
Das KIT strebt die Erhöhung des Anteils an Professorinnen
an und begrüßt deshalb die Bewerbung
von Frauen. Schwerbehinderte Bewerberinnen
und Bewerber werden bei entsprechender Eignung
bevorzugt berücksichtigt.
Ihre Bewerbung richten Sie bitte mit tabellarischem
Lebenslauf, Darstellung des wissenschaftlichen
und beruflichen Werdegangs, Listen der wissenschaftlichen
Arbeiten unter Benennung der fünf
wichtigsten Publikationen, Lehrportfolio mit Verzeichnis
der Lehrveranstaltungen und Evaluationen
der vergangenen zwei Jahre in schriftlicher
und elektronischer Form bis zum 15.10.2014 an
das Karlsruher Institut für Technologie (KIT),
KIT-Dekan der KIT-Fakultät für Maschinenbau,
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer, Kaiserstr. 12,
76131 Karlsruhe, E-Mail: dekanat@mach.kit.edu.
KIT - Universität des Landes Baden-Württemberg und
nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft
atp edition
9 / 2014
31
HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014
– wie für jede Kläranlage – eine verfahrenstechnische
Herausforderung dar. Für diesen Aufbereitungsschritt
kommt das Anammox-Verfahren zum Einsatz, das in den
letzten Jahren als ein neues im Industriemaßstab umsetzbares
Verfahren bekannt geworden ist. Es ermöglicht die
direkte anaerobe Umsetzung von Ammonium mit Nitrit
zu elementarem Stickstoff. Der Umweg über Nitrat (Nitrifikation)
und die stufenweise bakterielle Reduktion zu
Stickstoff (Denitrifikation) ist nicht erforderlich, weshalb
sich das Anammox-Verfahren dazu eignet, den Energiebedarf
für die Abwasserreinigung signifikant zu senken.
Das Verfahren wird als einstufiger Batchprozess ausgelegt.
Dies zieht erhöhte Anforderungen an die Messtechnik
und die Prozessführung nach sich, da die zu
verwendenden Mikroorganismen in einem engen Temperaturbereich
aktiv sind und Stoffwechselabbauprodukte
den Abbauprozess hemmen können. Geeignete
Messgeräte müssen vor allem über eine kurze Ansprechzeit
und eine hohe Messpräzision verfügen. Für die Prozessführung
des Anammox-Verfahrens sind die Prozessparameter
Temperatur, Ammoniumkonzentration und
pH von Bedeutung, da diese den Schaltpunkt von aerober
auf anoxischer Behandlung bestimmen. Ferner ist die
gezielte Abtrennung der Anammox-Spezies von der übrigen
Biozönose ein weiterer wesentlicher Prozessschritt,
der für das Schlammalter von hoher Bedeutung ist.
Zur automatisierten Steuerung oder Regelung der
Abwasserbehandlung sind automatisierte und kontinuierlich
arbeitende Messgeräte erforderlich, deren
Abtastrate in Bezug auf die hydraulischen Gegebenheiten
ausreichend hoch sein muss. Für einen zuverlässigen
Betrieb ist ferner eine sachgerechte Installation,
Inbetriebnahme und Instandhaltung durch geschultes
Personal notwendig.
3.2 Schlammbehandlung und Biogas
Die Herausforderung des Verfahrensmoduls Schlammbehandlung/Biogas
besteht darin, die Stabilität des
Fermentationsprozesses sicherzustellen, während die
Biogasproduktion und die Biogasqualität maximiert
werden. Nur so lässt sich ein langfristig nachhaltiger
und wirtschaftlicher Betrieb der anaeroben Vergärungsstufe
des VEZ gewährleisten.
Voraussetzung für eine solche Regelung und Optimierung
ist eine MSR-Technik, die es ermöglicht, den Biogasprozess
zuverlässig und idealerweise online zu beurteilen
und zu überwachen. Insbesondere kritische Prozessvariablen,
wie der FOS/TAC-Wert (Verhältnis aus
dem Gehalt an flüchtigen organischen Säuren und der
Carbonatpufferkapazität), der als Leitwert für die Regelung
von Biogasanlagen gilt, lässt sich bislang nicht zufriedenstellend
online und vollautomatisch bestimmen.
Ferner ist für die Regelung und Optimierung von Biogasanlagen
Online-Messtechnik für die Prozessvariablen
pH-Wert, Redoxpotenzial und Trockensubstanzgehalt
(TS) sowie für die Bestimmung der Zusammensetzung
der Inputstoffe erforderlich, um im Vorhinein
die Biogasproduktion hinsichtlich Menge und Qualität
abschätzen zu können. Dies ist besonders bei gemischten
Abfallströmen von großer Bedeutung.
Der Nutzen geeigneter Online-Messtechnik liegt in
der Früherkennung von Betriebsproblemen und einer
optimierten Anpassung der Substratzufuhr und der
Rührintervalle innerhalb des Fermenters. Darüber hinaus
können auf Basis der Messwerte Simulationsmodelle
der betreffenden Anlagen kalibriert und für die
Entwicklung von optimalen Regelungsstrategien genutzt
werden. Aufgrund der hohen TS-Gehalte der Inputstoffe
sowie des Gärschlammes innerhalb des Fermenters
müssen die Messsonden und Armaturen besonders
robust und wartungsarm sein. Insbesondere
Fremdstoffe, wie kleine Steine und Glassplitter, kommen
häufig vor und können die eingesetzte MSR-Technik
binnen kurzer Zeit beschädigen. Ferner können
hohe Konzentrationen an Ammoniak und Schwefelwasserstoff
zu einer Vergiftung der Sensoren führen,
was häufige Kalibrierungen und Justierungen sowie
regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen zur Folge
hat. Darüber hinaus spielen die Investitions- und Betriebskosten
eine große Rolle, die meist nur in Verbindung
mit Aussicht auf eine optimierte Substratzufuhr
als vertretbar akzeptiert werden.
3.3 Brauchwassernetz
Die qualitativen Anforderungen an Brauchwasser sind
grundsätzlich geringer als die an Trinkwasser. Nichtsdestotrotz
muss jede Form von Brauchwasser unbedenklich
nutzbar sein und als potenzielle Quelle von Risiken
ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu den Bedingungen
in Deutschland, bei denen für Water re-use keine
gesetzlichen Randbedingungen – mit Ausnahme der
Trinkwasserverordnung – festgelegt sind, regelt China
die Anforderungen an die Abwasserwiederverwendung
für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten gesetzlich [2].
An die Verteilung des gereinigten Abwassers vom Einspeisepunkt
am Ausgang des VEZ bis zu den Entnahmestellen
bei den Verbrauchern werden hohe Anforderungen
gestellt, da das Brauchwasser für die angestrebte
Nutzung als Toilettenspülwasser beim Transport in die
Wohnstätten in hygienisch einwandfreier Form vorliegen
muss. So muss für alle Anwendungen der Restchlorgehalt
nach 30-minütiger Kontaktzeit mindestens 1 mg/l
betragen, und am Ende der Leitung muss ein Restgehalt
von mindestens 0,2 mg/l Chlor vorliegen. Diese Forderung
bedingt einerseits eine Desinfektion des aufbereiteten
Grauwassers vor dem Einspeisen in das Netz. Andererseits
muss im Brauchwassernetz an jedem Punkt
und zu jeder Zeit eine ausreichend hohe Desinfektionskapazität
vorhanden sein, damit die hygienischen
Grenzwerte an den Entnahmestellen eingehalten werden.
Damit müssen die Regelung der Desinfektionsmitteldosierung
und die Einstellung einer ausreichenden
Desinfektionsmitteldepotwirkung an die spezifischen
Gegebenheiten des Brauchwassernetzes und die Chlorzehrungseigenschaften
des Mediums angepasst sein.
Wie aus der Übersichtskarte in Bild 3 hervorgeht, ist
das Brauchwassernetz (Länge etwa 3 km) ringförmig angelegt.
Insgesamt sind drei Übergabepunkte vorgesehen,
an denen die Einspeisung des Brauchwassers zum Teil
über Stichleitungen in die Gebäudeinstallation erfolgt.
32
atp edition
9 / 2014
BILD 3: Darstellung
des WHE-Geländes
mit Kennzeichnung
der Brauchwasserleitungen
(rote Linien)
und der Übergabepunkte
in die Gebäude
(blaue Kreise mit
Beschriftung)
BILD 4: Ergebnisse des
LSR-basierten Soft-
Sensors für CSB
auf Trainings- und
Validierungsdaten
(Quelle: C. Wolf, Gummersbach
Environmental
Computing Center, FH Köln,
unveröffentlichte Ergebnisse)
BILD 5: Ergebnisse des
SVR-basierten Soft-
Sensors für CSB
auf Trainings- und
Validierungsdaten
(Quelle: C. Wolf, Gummersbach
Environmental
Computing Center, FH Köln,
unveröffentlichte Ergebnisse)
atp edition
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33
HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014
Bei der Dimensionierung des Netzes wurde von einem
mittleren stündlichen Brauchwasserbedarf von etwa
8 m³/h und einem Spitzenbedarf von etwa 30 m³/h ausgegangen.
Die angeschlossene Einwohnerzahl beträgt etwa
6000 mit einem spezifischen Bedarf von 33 l/Einwohner/Tag,
sodass sich ein Tagesbedarf von etwa 198 m³/Tag
ergibt. Da die Grauwasseraufbereitung für etwa 720 m³/Tag
ausgelegt ist, wird weniger Brauchwasser entnommen
als produziert.
4. LÖSUNGSANSÄTZE FÜR DIE MSR-TECHNIK
Bei der Schwarzwasseraufbereitung ist die Messung des
chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) als Parameter für
die Belastung des Abwassers mit organischen Stoffen
für die Optimierung und Regelung der Abbauprozesse
entscheidend. Allerdings liefern die gängigen Methoden
zur CSB-Bestimmung entweder nur zeitlich punktuelle
Information (manuelle Probenahme und manuelle Analyse
im Labor als 24-Stunden-Mischprobe) oder sie sind
apparativ vergleichsweise aufwändig und kostenintensiv
(Online-Messtechnik mit nasschemischen Analysatoren
oder mit spektroskopischen Sensoren).
Eine kostengünstige Alternative sind Soft-Sensoren,
die auf der Basis von Standardmesstechnik, vor allem
für Trübung sowie für Ammonium- und Nitratstickstoff,
die aktuelle CSB-Konzentration im Kläranlagenzulauf
bestimmen. Zur Entwicklung solcher Soft-Sensoren
werden Regressionsmethoden aus dem Bereich
des Machine Learning eingesetzt.
Erste Ergebnisse einer Entwicklungs- und Testphase,
die von Gecoc mit Unterstützung von Endress+Hauser
an der Kläranlage Rospe in Gummersbach durchgeführt
wurden, zeigen, dass die Werte des Soft-Sensors
sehr gut mit den herkömmlich ermittelten CSB-Messdaten
übereinstimmen, siehe Bild 4 und 5.
Als Datensätze liegen die Werte von Messgrößen zugrunde,
die im Kläranlagenzulauf bestimmt worden sind,
nämlich Durchfluss, Temperatur, pH, Leitfähigkeit und
Trübung (im Beitrag als st Zulauf bezeichnet). Diese Trainingsdatensätze
sind von besonderem Interesse, da sie
bis auf die Trübungsmessung auf Messgrößen beruhen,
die auf den meisten Kläranlagen standardmäßig ermittelt
werden. Die Online-Trübungsmessung kann jedoch im
Bedarfsfall kostengünstig nachgerüstet werden.
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass bei den
Trainings- und den Validierungsdaten eine gute bis
sehr gute Übereinstimmung der Kurvenverläufe feststellbar
ist. Dabei liefern die Standardregressionsverfahren
der linearen Regression, der multiplen normalen
Regression und der Least Squares Regression (LSR)
gleich gute Ergebnisse mit einem Root Mean Square
Error (RMSE) von 4,98 und einer Korrelation von 0,88
auf die Validierungsdaten. Im Vergleich dazu bildet
die Support Vektor Regression (SVR) den Kurvenverlauf
der Validierungsdaten deutlich präziser ab (RMSE
= 3,67; Korrelation = 0,94).
Auffällig ist, dass alle Regressionsverfahren bei den
Trainingsdaten deutliche Konzentrationsspitzen prädiktieren,
die so nicht in den Originaldaten zu finden
sind und bei bei den Validierungsdaten nicht auftreten.
Eine Ursache für diese extremen CSB-Spitzen bei den
Trainingsdaten konnte bislang nicht ermittelt werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass basierend auf den
Messergebnissen von Standardmesstechnik ein gut
funktionierender Soft-Sensor für die Prädiktion der
CSB-Konzentrationen entwickelt werden kann. Ein solcher
Soft-Sensor liefert kostengünstig zusätzliche Prozessinformation,
die für die nachgeschalteten Regelungen
genutzt werden kann. Diese Methodik soll zur
CSB-Bestimmung im Schwarzwassermodul des VEZ
angewendet werden. Darauf aufbauend lassen sich vorausschauende
Regelungskonzepte für die Nitrifikation
und Denitrifikation entwickeln.
4.1 Regelung der Substratzufuhr
Eine Biogasanlage lässt sich in erster Linie durch die
Substratzufuhr steuern und regeln. Ein Konzept zur
Optimierung und Regelung des Fermentationsprozesses
im VEZ muss daher darauf ausgerichtet sein, die
Substratbeschickung so zu regeln, dass eine optimale
Biogasproduktion bei hoher Prozessstabilität erreicht
wird. Hierfür kommen unterschiedliche methodische
Ansätze in Betracht, die im Rahmen des Projektes evaluiert
und für das VEZ optimiert werden.
Einerseits werden zur Fütterungsoptimierung dynamische
Simulationsmodelle eingesetzt, die neue Möglichkeiten
zur Regelung von komplexen Prozessen bieten. So
kann mit Hilfe eines dynamischen Simulationsmodells
auf Basis des Anaerobic Digestion Model No. 1 (ADM1)
eine komplette Biogasanlage am Rechner abgebildet und
simuliert werden [3]. Dies ermöglicht es, unterschiedliche
Substratbeschickungen zu betrachten und die Auswirkungen
auf den Anlagenbetrieb abzuschätzen. Schließlich
kann so eine optimale Substratzufuhr für den aktuellen
Betriebszustand der Anlage bestimmt werden.
Andererseits kommen Simulationsmodelle zur vorausschauenden
Regelung von Anlagen zum Einsatz. Diese
Modelle werden als Model Predictive Control (MPC) bezeichnet
[4]. Das Funktionsprinzip ist in Bild 6 veranschaulicht.
Demnach wird auf Basis von Online-Messwerten
der aktuelle Betriebszustand der Biogasanlage mit
einem Zustandsschätzer bestimmt. Dieser Anlagenzustand
wird dann in einem dynamischen Simulations modell der
Anlage benutzt, um verschiedente Substratbeschickungen
zu testen und die optimale Substratzufuhr zu ermitteln.
Dafür können verschiedene Gütekriterien definiert werden.
Auf diese Weise kann ein nachhaltiges Fütterungsregime
für Biogasanlagen umgesetzt werden, da auch bei
wechselnder Verfügbarkeit von Substraten automatisch
auf ideale Alternativen gewechselt werden kann, sodass
ein kontinuierlicher Anlagenbetrieb auf hohem Niveau
erreicht wird.
In Bild 7 wird die Regelung des Substratmixes mit
wechselnder Substratverfügbarkeit beispielhaft für eine
landwirtschaftliche Biogasanlage visua lisiert. Als Regler
wird der oben genannte NMPC genutzt, welcher den
optimalen Substratmixverlauf für ein validiertes Simulationsmodell
bestimmt [5].
Zu Simulationsbeginn ist der Substratmix nicht optimal,
was durch die schlechten Werte des festgelegten
34
atp edition
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Dynamisches Simulationsmodell
(Nonlinear Model Predictive Control, NMPC)
Optimierungsmethode
Gütefunktion und
Randbedingungen
Optimierung
der
Substratzufuhr!
Biogasanlage
BILD 6: Schematische Darstellung der
Funktionsweise des NMPC zur Regelung
von Biogasanlagen.
Modell der Biogasanlage
online
Messdaten
Bestimmung des
aktuellen Anlagenzustandes
(Zustandsschätzer)
BILD 7: Beispielhafte Darstellung der Regelung
der Substratzufuhr einer Biogasanlage [6]
BILD 8: Multiparameter-
Messsystem zur kontinuierlichen
Überwachung
des Brauchwassernetzes.
Wesentliche Komponenten:
Zulaufstutzen mit Ventil
und Druckminderer (1),
Blasenfalle mit Entlüftungsventil
und Steigrohr
(2), SAK-Sonde mit
Armatur (3), Trübungssonde
mit Armatur (4), Multisensormodul
für pH, Chlor und
Redox mit Armatur (5),
Durchflussmesser (6),
Ablaufstutzen mit
Belüftungsventil (7) und
Multikanaltrans mitter (8)
Gütekriteriums ausgedrückt wird. Im Diagramm sind die
Werte des Gütekriteriums durch die Farbgebung der Bildpunkte
gekennzeichnet. Die Steuerung regelt die Biogasanlage
automatisch, sodass schließlich ein optimaler
Substratmix aus Gülle und Maissilage erreicht wird. Dabei
symbolisiert jedes Quadrat ein durch den Regler evaluiertes
Substratgemisch.
Das Konzept zur optimalen Substratregelung von Biogasanlagen
mit vorausschauenden Modellen MPC zeigt,
dass sich mit Hilfe vorhandener Messtechnik der Anlagenbetrieb
nachhaltig optimieren lässt. Wie das Beispiel
zeigt, kann dadurch eine deutliche Effizienzsteigerung
des Anlagenbetriebs erreicht werden. Diese
Methodik wird derzeit an die Biogasanlage des VEZ
angepasst und soll während des Verbundvorhabens
dort zum Einsatz kommen.
4.2 Qualitätsmonitoring Brauchwasser
Während des Transports des Brauchwassers im Netz kann
durch unterschiedliche Mechanismen ein Verbrauch an
Desinfektionsmittel stattfinden, sodass eine Gefährdung
der Nutzung der Ressource Brauchwasser durch Wiederverkeimung
nicht ausgeschlossen werden darf. Daher ist
für Systeme, die Brauchwasser nutzen, ein Risikomanagement
obligatorisch, das unter anderem darauf abzielt,
geeignete Konzepte für die Qualitätsüberwachung sowie
Qualitätssicherung und Maßnahmenpläne für den Fall
der Nichteinhaltung von Grenzwerten bereitzustellen. Die
Entwicklung von Instrumenten und Methoden für das
betriebliche Qualitätsmanagement sind wesentlicher Bestandteil
des MSR-Konzeptes. Im Rahmen des Verbundprojektes
werden zwei Aspekte verfolgt.
Erstens wurde für die Qualitätsüberwachung des
Brauchwassers an den Übergabepunkten eine an die
jeweilige Messstelle angepasste Multiparameter-Messstation
als Systemlösung konzipiert. Der schematische
Aufbau geht aus Bild 7 hervor. Solche Messsysteme
sollen künftig eingesetzt werden, um die Einhaltung
der Anforderung an die Chlorkonzentration (≥ 0,2 mg/l
freies Chlor) kontinuierlich zu überwachen und verschmutzungsrelevante
Parameter, wie zum Beispiel die
Trübung, den spektralen Absorptionskoeffizienten, den
pH-Wert, die Temperatur und die Leitfähigkeit als Qualitätsparameter
aufzuzeichnen. Nach erfolgter Inbetriebnahme
und Betriebsbewährung sollen die Multiparameter-Messsysteme
in den Regelbetrieb übernommen und
für Steuerungs- beziehungsweise Regelungsaufgaben
eingesetzt werden, vor allem um die Einhaltung der
Grenzwerte zu überwachen und bei Grenzwert überschreitungen
auf Trinkwasser umzuschalten.
Zweitens wurde auf Basis der Planungsdaten ein
Rohrnetzmodell erstellt, das zusätzlich zur rein hydraulischen
Betrachtung mit dem Chlorzehrungsverhalten
verknüpft wurde, um eine Aussage bezüglich des zeitlichen
Profils der Restchlorkonzentration zu treffen und
daraus das Wiederverkeimungspotenzial abschätzen zu
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9 / 2014
35
HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014
AUTOREN
Dr. ACHIM GAHR (geb. 1965) studierte
Chemie an der Technischen Universität
München und promovierte auf den
Gebieten Chemische Analytik und
Wasseraufbereitungstechnologien. Nach
seiner Zeit als Wissenschaftler war Gahr
in der Messtechnikbranche im Bereich
F&E tätig. Seit 2005 ist er bei
Endress+Hauser beschäftigt und arbeitet
heute als Business Development Manager Environmental.
Hauptarbeitsgebiete: Akquise und Management nationaler
und internationaler Leitprojekte für die Strategie Wasser/
Abwasser/Umwelt, Entwicklung von Systemkonzepten und
-lösungen für Megatrends, Ausbau des strategischen Geschäftsfeldes
für die Umweltbranche.
Endress+Hauser Conducta GmbH + Co. KG,
Dieselstraße 24, D-70839 Gerlingen,
Tel. +49 (0) 7156 20 93 73, E-Mail: achim.gahr@conducta.endress.com
Dr. CHRISTIAN WOLF (geb. 1981) studierte
Elektrotechnik mit Schwerpunkt Automatisierung
und Industrial IT an der
Fachhochschule Köln und promovierte
an der National University of Ireland
Maynooth zum Thema „Simulation,
Optimization and Instrumentation of
Agricultural Biogas Plants“. Seit 2013
arbeitet er am Gummersbach Environmental
Computing Center der FH Köln. Hauptarbeitsgebiete:
Instrumentierung und Regelung umwelttechnischer Prozesse
und Einsatz von Methoden aus den Bereichen der multivariaten
Datenanalyse, des Machine Learnings und der Computational
Intelligence.
Fachhochschule Köln,
Gummersbach Environmental Computing Center,
Steinmüllerallee 1, D-51643 Gummersbach,
Tel. +49 (0) 2261 81 96 64 34, E-Mail: christian.wolf@fh-koeln.de
Dipl.-Ing. PETER KERN M. Sc. (geb. 1977)
studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt
Automatisierung und Industrial IT an der
Fachhochschule Köln und im Fachgebiet
regenerative Energienutzung am Institut
für Technologie in den Tropen. Derzeit
promoviert er an der National University
of Ireland Maynooth zum Thema „Computational
Intelligence Techniques for
Control and Optimization of Wastewater Treatment Plants“.
Fachhochschule Köln,
Gummersbach Environmental Computing Center,
Steinmüllerallee 1, D-51643 Gummersbach,
Tel. +49 (0) 2261 81 96 64 34, E-Mail: peter.kern@fh-koeln.de
können. Mit Vorgabe einer Chlorkonzentration am Einspeisepunkt
von 1 mg/l und mit Berücksichtigung der
Chlorzehrung im Desinfektions- und Ablaufbecken des
Grauwassermoduls kann mit Hilfe des erweiterten
Rohrnetzmodells in Abhängigkeit von der produzierten
Brauchwassermenge diejenige Menge an Desinfektionsmittel
ermittelt werden, die für eine ausreichende Desinfektion
an der Dosierstelle dem Brauchwasser hinzugegeben
werden muss. Die Auslegung wurde für Natriumhypochlorit
als Desinfektionsmittel mit unterschiedlichen
Aktivchlorgehalten durchgeführt. Demnach
wird für eine sichere Desinfektion des Brauchwassernetzes
bei einer Produktionskapazität von 83 m 3 /Tag je
nach Aktivchlorgehalt (4 bis 20 %) eine Desinfektionsmittelmenge
zwischen 11 und 55 kg pro Tag benötigt.
Das dynamische Rohrnetzmodell soll schließlich validiert
und gegebenenfalls angepasst werden, damit es für
die Online-Simulation der Chlorzehrung und des Wiederverkeimungsrisikos
entlang der Transportstrecke des
Brauchwassers im Netz eingesetzt werden kann. Damit
soll während des Betriebs die Brauchwasserqualität an
den Entnahmestellen kontinuierlich vorhergesagt und zur
Steuerung von Gegenmaßnahmen verwendet werden.
Ferner soll zukünftig untersucht werden, ob sich das
Wiederverkeimungsrisiko als Qualitätsindex aus direkt
bestimmbaren Messgrößen ableiten lässt (zum Beispiel
aus den Nährstoffparametern Ammonium und ortho-
Phosphat, dem spektralen Absorptionskoefffizienten als
Verschmutzungsindikator, der Temperatur, der Leitfähigkeit
und dem Chlorgehalt). Hierzu sollen die Datensätze
der Multiparameter-Messstation zugrunde gelegt
und mit Hilfe von intelligenten Methoden ausgewertet
werden, um abschließend zu evaluieren, ob für die Bestimmung
des hygienischen Zustands des Brauchwassernetzes
ein Soft-Sensor entwickelt werden kann.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Semizentrale, integrierte Infrastruktursysteme ermöglichen
eine zukunftsorientierte Ver- und Entsorgung
REFERENZEN
[1] Bieker, S., Cornel, P., Wagner, M.: Semicentralised supply and
treatment systems: integrated infrastructure solutions for
fast growing urban areas. Water Science & Technology 61(11),
S. 2905-2913, 2010
[2] GBT 18920-2002: The reuse of urban recycling water –
Water quality standard for urban miscellaneous water consumption,
Dezember 2002, http://www.cn-standard.net/
[3] Batstone, D.J., Keller, J., Angelidaki, I., Kalyuzhnyi, S.V.,
Pavlostathis, S.G., Rozzi, A., Sanders, W.T.M., Siegrist, H.,
Vavilin, V.A.: Anaerobic digestion model no. 1 (ADM1).
In: Scientific and Technical Report No. 13. IWA Task Group for
Mathematical Modelling of Anaerobic Digestion Processes
(ed.) IWA Publishing, London 2002
36
atp edition
9 / 2014
www.atp-edition.de
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von Wasser und Abwasser in schnell wachsenden
urbanen Räumen. Mit der Realisierung des weltweit
ersten Ver- und Entsorgungszentrums ist ein Verbundvorhaben
verknüpft, dessen Zielsetzung in der
Optimierung und Weiterentwicklung des semizentralen
Konzeptes liegt. Die Validierung der Stoffund
Energieströme, die Übertragbarkeit des Ansatzes
auf andere Standorte und die Prozessoptimierung
unter den Gesichtspunkten Betriebsstabilität,
Energieeffizienz und Ressourcenschonung spielen
eine wesentliche Rolle.
Für die zukünftige MSR-Technik und Prozessautomatisierung
leiten sich Entwicklungsanforderungen
ab. So wurde beispielhaft aufgezeigt, dass ein Soft-
Sensor für die CSB-Bestimmung, ein Modell zur vorausschauenden
Regelung des Biogas-Moduls und die
dynamische Simulation des Brauchwassernetzes geeignete
Werkzeuge sind, um einen ökonomischen und
sicheren Betrieb des VEZ zu gewährleisten.
DANKSAGUNG
MANUSKRIPTEINGANG
30.06.2014
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
Die Referenzklasse für die
Automatisierungstechnik
atp edition ist das Fachmagazin für die Automatisierungstechnik.
Die Qualität der wissenschaftlichen Hauptbeiträge
sichert ein strenges Peer-Review-Verfahren. Bezug zur
automatisierungstechnischen Praxis nehmen außerdem
die kurzen Journalbeiträge aus der Fertigungs- und Prozessautomatisierung.
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Wird danken dem Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) für die finanzielle Unterstützung
der Teilprojekte (Förderkennzeichen
02WCL1215C und 02WCL1266C), dem Institut IWAR
des Fachgebietes Abwassertechnik der Technischen
Universität Darmstadt für die Federführung
des Verbundvorhabens und für die Möglichkeit
als Projektpartner daran teilhaben zu können,
der Forschungsgruppe Gummersbach Environmental
Computing Center (Gecoc) der Fachhochschule
Köln für die Kooperation auf dem Gebiet
der Regelungstechnik sowie dem Rheinisch-Westfälischen
Institut für Wasser (IWW) für die Unterstützung
bei der Rohrnetzmodellierung.
[4] Gaida, D., Wolf, C., Meyer, C., Stuhlsatz, A., Lippel, J.,
Bäck, T., Bongards, M., McLoone, S.: State estimation
for anaerobic digesters using the ADM1. Water Science
& Technology, 66 (5), p. 1088 - 1095, 2012
[5] Gaida, D., Sousa Brito, A.L., Wolf, C., Bäck, T., Bongards,
M., McLoone, S.: Optimal control of biogas plants using
nonlinear model predictive control.
In: IET Irish Signals and Systems Conference 2011
(ISSC 2011), S. 219 - 224, Dublin, 2011
[6] Wolf, C., Gaida, D., Bongards, M..: Steuerungs- und
Regelungskonzepte für landwirtschaftliche Biogasanlagen.
In: Biogas in der Landwirtschaft – Stand und
Perspektiven Vol. 3, S. 225 – 234, Kassel, 2013
atp edition erscheint in der DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München
HAUPTBEITRAG
Anforderungs und
TestfallCodesign
Formalisierung und Testfall-Generierung in der Praxis
Durch den verstärkten Einsatz von Software in mechatronischen Systemen und die
hohen Anforderungen an die Qualität derselben, müssen Entwicklungsprozesse bei
der mechatronischen Produkt beziehungsweise Geräteentwicklung angepasst werden,
um dem interdisziplinären Charakter in der Entwicklung zu entsprechen. In
diesem Beitrag wird eine Untersuchung von aktuellen Vorgehensweisen und den
sich daraus ableitenden Herausforderungen an das Anforderungs und Testmanagement
vorgestellt. Ferner wird ein Konzept zur integrierten Modellierung und Spezifikation
von Anforderungen und Testfällen vorgestellt. Fazit: Eine Formalisierung
von Anforderungen bis hin zu semiformalen Anforderungen ermöglicht bei der
Spezifikation eine automatische Generierung von Testfällen.
SCHLAGWÖRTER Anforderungs- und Testmanagement / Mechatronische Systeme /
Formalisierung von Anforderungen
Requirement and Test Case Co-Design –
Semi-Formalization and Test Case Generation in Practice
Due to the increasing use of software in mechatronic systems, coupled with exacting
demands on quality, it is necessary to adapt development processes in the field of
mechatronic systems engineering in order to cope with the interdisciplinary characteristics
of these systems. A survey is presented of current development processes
and resulting requirements on specification and test management. A concept is
presented for the integrated modelling and specification of requirements and test
cases. It is concluded that semiformalization of requirements forms an integral part
of the approach making the automatic generation of test cases possible.
KEYWORDS requirements and test management / mechatronic systems /
formalization of requirements
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SUSANNE RÖSCH, STEFAN FELDMANN, Technische Universität München
DOROTHEA FÖRSTER, Schunk
BIRGIT VOGEL-HEUSER, Technische Universität München
Um den Anforderungen an einen hohen Funktionsumfang
gerecht zu werden, steigt der
Einsatz von Software bei der Entwicklung
im Maschinenbau zunehmend [1], da zusätzliche
Funktionen durch die Software realisiert
werden. Somit werden mehr mechatronische
Produkte beziehungsweise Geräte produziert anstatt
rein mechanischer Produkte. Diese kennzeichnet eine
enge Integration der Domänen Mechanik, Elektrotechnik
und Informatik und sie erzielen so wertvolle Synergieeffekte.
Diese Entwicklung erhöht die Produktund
Prozesskomplexität und steht hohen Anforderungen
an das Qualitätsmanagement gegenüber. Eine
mechatronische Produktentwicklung erfordert Vorgehensweisen,
die alle beteiligten Disziplinen über den
gesamten Entwicklungsprozess hinweg unterstützen.
Neben den bisher üblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen
muss in der Testphase der Nachweis einer
hohen Softwarequalität des mechatronischen Produkts
und der Korrektheit der zu realisierenden Systemfunktion
erbracht werden.
Um in diesem Bereich aktuelle Vorgehensweisen zu
analysieren, wurden Experten aus dem Bereich Anforderungs
und Testmanagement von neun Maschinenbauunternehmen,
insbesondere Gerätehersteller aber
auch Dienstleister, durch Einzelinterviews befragt.
Fokus der Interviews waren aktuell eingesetzte Methoden,
Werkzeugketten und der entsprechende Handlungsbedarf,
um das Anforderungs und Testmanagement
zu verbessern.
Die Ergebnisse der Interviews zeigten, dass das Anforderungsmanagement
und entsprechende Dokumente
meist durch sequenzielle Listen mit einer Unterteilung
in funktionale und nichtfunktionale Anforderungen
geprägt sind. Die Beschreibung der Anforderungen erfolgt
vorwiegend in informeller textueller Form, und es
gibt keine oder nur wenige Vorgaben bezüglich des zu
verwendenden Vokabulars, der Ausführlichkeit der
Beschreibung oder genauen Parametervariationen, die
für die Durchführung von Testfällen notwendig sind.
Die informelle Formulierung kann zu falscher Interpretation
und damit zu Fehlern führen.
Da zumeist mehrere Personen an einem Anforderungsdokument
arbeiten, bei den befragten Unternehmen
durchschnittlich zwischen einer und drei bis hin
zu sieben Personen, ergeben sich oft Inkonsistenzen
bezüglich verwendeter Begrifflichkeiten und letztendlich
der Anforderungen selbst.
Im Anforderungsmanagement werden die spezifizierten
Anforderungen selten auf ihre Testbarkeit hin
überprüft. Hier ist teilweise ein Bruch beim Übergang
vom Anforderungs zum Testmanagement zu sehen.
Eine automatische Generierung von Testfällen hat
bisher kaum Einzug bei der mechatronischen Produktentwicklung
gehalten. Weiterhin werden Testfälle
oft erst erstellt, wenn das Produkt schon fertiggestellt
ist (zwei von neun befragten Unternehmen) oder
sich zumindest schon in der DesignPhase befindet
(fünf von neun befragten Unternehmen). Dies hat zur
Folge, dass Inkonsistenzen in den Anforderungsdokumenten
teilweise erst sehr spät aufgedeckt werden
und späte Änderungen durchgeführt werden müssen.
Das verursacht hohe Kosten, da die Änderungen in
allen Phasen des Entwicklungsprozesses nachgezogen
werden müssen [2].
Auf Basis der Interviews wurden folgende Ziele in
Form einer gewichteten Wunschliste der befragten Unternehmen
definiert:
Anforderungsspezifikation: Definition einer auf
Systemebene möglichst umfassend abgestimmten
und abgesicherten Spezifikation der Anforderungen
(sehr wichtig)
Nachverfolgbarkeit (Traceability): frühzeitige Integration
der Zusammenhänge zwischen Anforderungen
und Testfällen (sehr wichtig), um Widersprüche
frühzeitig beheben zu können (wichtig)
Testfallentwurf: frühzeitiger, systematischer Entwurf
der Testfälle auf Basis der Anforderungen
(sehr wichtig) mit möglichst hoher Testabdeckung
bei möglichst geringem Aufwand (sehr wichtig)
Beim im Beitrag vorgestellten Ansatz wurde diese
Wunschliste berücksichtigt und ein Konzept für eine
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HAUPTBEITRAG
entsprechende Vorgehensweise entwickelt. Das Konzept
wurde unter stetiger Diskussion der Ergebnisse mit
den befragten Unternehmen erarbeitet und an Industriebeispielen
evaluiert.
1. STAND DER TECHNIK
Die fehlende Formalisierung von Anforderungen wird
in vielen Forschungsarbeiten adressiert. Für die formale
Beschreibung von Anforderungen existieren verschiedene
Möglichkeiten von textuellen Beschreibungen
[3] über eine Darstellung in Form von Automaten
oder Zustandsdiagrammen [4] bis hin zur tabellarischen
Darstellung [5]. Nach ersten Untersuchungen
erlaubt eine tabellarische Darstellung ein schnelleres
Verständnis und einen besseren Überblick, im Gegensatz
zu anderen Darstellungen bei formalen Anforderungen
[6]. Insbesondere für sicherheitskritische
Anforderungen ist eine inkonsistente Anforderungserhebung
ein Problem, weshalb gerade für diesen Anwendungsfall
Ansätze zur Formalisierung von sicherheitskritischen
Anforderungen und Safety-Patterns
entwickelt wurden [7]. Aufbauend auf formalen Anforderungen
gibt es bereits zahlreiche Ansätze, bei denen
Testfälle automatisch generiert werden [8, 9]. Weiterhin
werden formale Modelle für eine automatische Transformation
zwischen Steuerungsprogrammen und Modell,
wie beispielsweise in [10], zur Überprüfung des
korrekten Systemverhaltens genutzt und lassen sich für
die Verifikation verwenden. Auch modellbasierte Ansätze,
die auf Basis einer semantisch spezifizierten Modellierungssprache
die nutzergerechte Modellierung
und die automatische Testfallgenerierung ermöglichen,
wie zum Beispiel in [11] vorgeschlagen, bieten vielversprechende
Ansätze, die Formalisierung von Systembeschreibungen
voranzutreiben. Allerdings steht bei
diesen Ansätzen das Ziel der Integration mit aktuellen
Vorgehensweisen, bei denen eine Pflichtenheftbeschreibung
und abschließende Tests auf Black-Box-
Ebene zum Einsatz kommen, die für die Kunden als
Nachweis dienen, nicht im Fokus.
Auch eine Übergabe an die Systementwicklung erfolgt
meist manuell, und es existieren keine durchgängigen
Werkzeugketten, wie beispielsweise eine in [12]
vorgeschlagene formale Prozessbeschreibung mit Anforderungserhebung,
die eine durchgängige Übergabe
von Information bis in die Entwicklung ermöglicht.
Diese bezieht sich jedoch hauptsächlich auf die Einschränkung
der technischen Ressourcen in Zusammenhang
mit den Prozessschritten, und der Test steht
nicht im Vordergrund.
2. KONZEPT ZUM ANFORDERUNGS- UND
TESTFALL-CODESIGN
Im Folgenden wird der Ansatz für ein integriertes Anforderungs-
und Testfall-Codesign vorgestellt, siehe
Bild 1, der den Entwicklungsprozess von der Anforderungserhebung
bis hin zum Test unterstützen soll. Der
Ansatz sieht zunächst die Modellierung von Features
vor, die hier im Sinne einer allgemeinen Beschreibung
von Kundenfunktionen verwendet werden. Anschließend
ist eine Modellierung der Anforderungen an die
Features vorgesehen, Bild 1, . Dazu wurden Schablonen
entworfen, die die wichtigsten Elemente zur Modellierung
derselben enthalten. Die Elemente wurden
nach Analyse von Pflichtenheften aus drei der befragten
neun Unternehmen und dem aktuellen Stand
der Technik entworfen. Die Modellierung des Systems
erfolgt hierbei aus Black-Box-Sicht. Es soll auch aus
Kundensicht nachvollziehbar sein, wie sich das System
von außen verhält.
Weiterhin sieht die Vorgehensweise eine Formalisierung
der funktionalen bis hin zu semi-formalen Anforderungen
vor, Bild 1, , die im Abschnitt 2.3 im Detail
erläutert wird. Dies dient dem Ziel der schnellen, effizienten
Testfallerstellung für funktionale Anforderungen,
da auf Basis der semi-formalen Anforderungen
automatisiert Testfälle generiert werden können, Bild
1, . Nachdem die Phase der Anforderungsdefinition
abgeschlossen ist, folgt eine Übergabe an die Systementwicklung,
die unter anderem durch eine Visualisierung
in Klassifikationsbäumen umgesetzt wird, Bild 1,
, die in Abschnitt 2.5 im Detail erläutert werden. Auf
Basis des Ansatzes wird das Anforderungs- und Testmanagement
enger verzahnt.
2.1 Anwendungsbeispiel
Zur Illustration des Konzepts wird in diesem Beitrag
ein reales Anwendungsbeispiel LED-Anzeige aus dem
Unternehmen Schunk verwendet, das für die Darstellung
stark vereinfacht wurde. Weitere typische Anwendungsfälle,
auf denen der Fokus für die Entwicklung
der Vorgehensweise lag, sind Geräte wie Stellventile
oder Produkte aus der Messtechnik wie Wegaufnehmer.
Die Anzeige soll Auskunft über den Status von Motoren,
wie zum Beispiel die Funktionsfähigkeit, Firmware-Updates,
Einschaltvorgang und Fehler, geben und
sich als zusätzliche Komponente einsetzen lassen. Geplant
ist eine Anzeige mit: zwei grünen LED-Elementen
LED_Logik und LED_Motor, einer roten LED_Fehler und
einer gelben LED_Ready, siehe Bild 2. Als Vorgabe für
das funktionale Verhalten der Anzeige werden unter
anderem folgende Anforderungen gestellt:
Anforderung A1: Die LEDs LED_Logik und LED_
Motor müssen immer eingeschaltet sein, wenn das
Modul funktionsfähig ist. Der Status Fehler darf
zugleich nicht aktiv sein.
Anforderung A2: Beim Einschaltvorgang muss
LED_Fehler eingeschaltet und LED_Ready ausgeschaltet
sein.
Anforderung A3: Die Fehlercodes E.72 (Error_Logic_Low),
E.73 (Error_Logic_High), E.74 (Error_Mo-
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tor_Low) und E.75 (Error_Motor_High), die das
Über beziehungsweise Unterschreiten einer Höchstoder
Mindestspannung repräsentieren, müssen visualisiert
werden. Gleichzeitig soll der Status Fehler
aktiv sein. Für die Visualisierung dürfen nicht LED_
Logik und LED_Motor verwendet werden.
In das Pflichtenheft fließen auch Anforderungen aus
Leitfäden für Statusanzeigen ein. Ziel des Anforderungs
und TestfallCodesigns ist es, ein konsistentes
Pflichtenheft und eine Testfallspezifikation zu erstellen.
2.2 Modellierung von Features und Anforderungen
Für die integrierte Modellierung von Anforderungen
und Features wurden die Schablonen Feature und Requirement
entworfen. Allgemein enthalten alle Schablonen
neben der tatsächlichen Formulierung und Detaillierung
der Anforderungen zusätzliche Information,
das heißt Metadaten zu Ersteller, Version und Datum
und K l a s s i fi k a t i o n , die zu einer vollständigen Pflichtenheftbeschreibung
gehören (Bild 3).
Die Schablone Feature
Die Schablone für das Feature enthält über die entsprechenden
Metadaten hinaus zur Modellierung das Feld
Content, siehe Bild 3, in dem wichtige Attribute wie
die Priorität und eine Beschreibung des Features definiert
werden können. In einem Feature werden alle
SystemParameter gesammelt, die später innerhalb der
Anforderungen verwendet werden. Das System wird
als BlackBox betrachtet und die Parameter mit einer
Richtung In für Eingangswerte, Out für Ausganswerte
oder InOut für Ein/Ausgangswerte versehen.
Das Feature des Anwendungsbeispiels bezieht sich im
Beitrag auf die Komponente LEDAnzeige. Die System
Parameter sind zum einen die LEDs, aber ebenso der
Status und alle weiteren Signale, die bei der BlackBox
Betrachtung eine Rolle spielen. Hier übernimmt der
Entwickler beim Anforderungs und Testmanagement
eine wesentliche Rolle, da er nicht nur Parameter, die
automatisiert verarbeitet werden können spezifizieren
kann, sondern auch Parameter, die eventuell manuell
vom Tester manipuliert und angepasst werden müssen.
In dem LEDBeispiel sind die LEDs die nach außen
sichtbare Visualisierung, daher wird hier die Richtung
Out definiert, siehe zum Beispiel Bild 3, Anforderung
A1, LED_Logik. Die ErrorParameter gehen als Input zur
Anzeige und sollen auch nach außen visualisiert werden.
Für die Visualisierung wird der Ausgangsparameter
7SegmentAnzeige mit den Werten E.72 bis E.75
eingeführt, siehe Bild 3, Feature Fehleranzeige.
Die Schablone Requirement
In den Schablonen, die die Anforderungen beschreiben,
werden die im Feature definierten Parameter zueinander
in Beziehung gesetzt. Es werden außerdem funktionale
und nichtfunktionale Anforderungen klassifiziert, was
für die weitere Formalisierung und Testfallgenerierung
wichtig ist, da diese ausschließlich auf den funktionalen
Anforderungen aufbauen. Da Anforderungen beim Anforderungs
und TestfallCodesign unter dem Aspekt der
Testbarkeit betrachtet werden, werden zeitliche Anfor
BILD 1: Übersicht über das
Konzept zum integrierten
Anforderungs- und Testfall-
Codesign.
BILD 2: Zu spezifizierendes und zu
testendes Produkt LED-Anzeige
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HAUPTBEITRAG
derungen, im Unterschied zur ISO 25010 [13], zu den
funktionalen Anforderungen gezählt. Zu den nichtfunktionalen
Anforderungen gehören alle anderen Anforderungen
nach ISO 25010, wie beispielsweise Usability.
Im ContentTeil der Anforderungen werden die nach
der IstAnalyse identifizierten wichtigsten Beschreibungselemente,
die in den meisten Pflichtenheften enthalten
sind, wie Priorität und Beschreibung, definiert.
Somit enthält die Schablone die Elemente, die in den
etablierten Prozessen bei den Unternehmen beschrieben
werden müssen. Weiterhin werden Parametervariationen
definiert, die sich aus der Anforderung ableiten.
Parametervariationen dienen zur Angabe des gültigen
Bereichs von Parametern. Für einen Parameter des Typs
Fließkommazahl könnte dies zum Beispiel ein definiertes
Intervall wie beispielsweise 15 bis 30 sein.
Ein Aspekt, der bisher in der frühen Phase von Entwicklungsprozessen
meist vernachlässigt wird, ist die
Testbarkeitsbetrachtung. Die Tatsache, dass eine Anforderung
gegebenenfalls nicht testbar ist, fällt auf diese
Weise oft erst in späten Phasen auf und ist zum Beispiel
auf fehlende Beschreibung von für einen Test
notwendigen Parametervariationen oder fehlende Aussagekraft
einer Anforderung (Testziel) zurückzuführen.
Ohne die Angabe der Parametervariation lässt sich
nicht bestimmen welche Testeingabedaten gültig sind
und welche nicht. Dies wird in der Anforderungsschablone
(requirement) explizit adressiert.
In Bild 3 ist eine ausgefüllte Schablone für Anforderung
A1 ohne den Teil Formalization dargestellt, die im
Abschnitt 2.3 im Detail beschrieben wird. Die Parametervariationen
werden in Anforderung A1 nicht eingeschränkt
und können alle die nach dem Typ möglichen
Werte annehmen, gekennzeichnet durch das Symbol*.
Für Status ist dies zum Beispiel Einschaltend oder Info.
2.3 Semi-Formalisierung der Anforderungen
Aufgrund der nach [6] untersuchten guten Lesbarkeit
von formalen Spezifikationen durch Wahrheitstabellen
wurde diese Darstellungsform für die Vorgehensweise
gewählt. Die Notation dieser semiformalen Beschreibung
ist der formalen Beschreibung der SpecTRMRL
[5] sehr ähnlich. Jedoch ist die SpecTRMRL auf eine
vollständige formale Beschreibung des Systems ausgelegt,
was der Anforderung einer aufwandsarmen
Spezifikation widerspricht.
Die Formalisierung erfolgt anhand von Wahrheitstabellen,
in denen die Ausgangsparameter mit wahr (T),
falsch (F) und don‘t care (*) beschrieben werden. Ein
Ausgangsparameter nimmt dabei genau den Wert an,
für den die in der Tabelle spezifizierten Bedingungen
erfüllt sind. Bedingungen können dabei durch die
Kombination einzelner Variablenbelegungen formuliert
werden, die in den Wahrheitstabellen grafisch hinterlegt
sind, siehe Bild 4. Das zeilen und spaltenweise
Formulieren des Wahrheitsgehalts erlaubt die Verknüpfung
der Variablenbelegungen durch ein logisches
AND (zeilenweise) beziehungsweise OR (spaltenweise).
Da die Bedingungen eine semiformale Beschreibung
zulassen, ist die Formulierung von komplexen Bedingungen
möglich. Ein Beispiel ist ein kontinuierlich
steigendes Signal, wofür eine entsprechende Parametervariation,
zum Beispiel var1 == 3*t, also die Bedingung,
dass var1 über die Zeit kontinuierlich größer
BILD 3: Modell des
Anwendungsbeispiels.
Detaildarstellung
des
Features Fehleranzeige
und der
Anforderung A1.
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wird, angelegt werden muss. Die Einstufung unter
Testability muss dann semiautomatisch oder manuell
erfolgen, da hier der Testingenieur für die konkrete
Umsetzung dieses Signals zuständig ist. Damit werden
dem Entwickler bei der Testfallbeschreibung kreative
Freiräume eingeräumt, um die Spezifikation nach seinen
beziehungsweise den Wünschen des Unternehmens
anzupassen.
Die Wahrheitstabellen können auf Basis der Eingabedaten
ausgewertet werden. Auf Basis der modellierten
Anforderungen lassen sich für die generierten Kombinationen
an Eingangsvariablen somit entsprechende
erwartete Belegungen der Ausgangsvariablen generieren.
Darüber hinaus können Konsistenzprüfungsmechanismen
auf die formalisierten Anforderungen angewandt
werden, um zum Beispiel widersprüchliche
Anforderungen oder Mehrdeutigkeiten in der Spezifikation
zu identifizieren. Eine erste Anwendung in Zusammenspiel
mit der Vorgehensweise zum Anforderungs
und TestfallCodesign wird in [14] vorgestellt.
Im Anwendungsbeispiel, siehe Bild 4, nimmt LED_
Fehler den Wert on an, falls der Status Einschaltend
(Status == Einschaltend ist wahr) vorliegt.
Wenn alle Anforderungen nach diesem Schema semiformalisiert
wurden, werden die einem Feature zugehörigen
Anforderungen gesammelt und für die Testfallgenerierung
ausgewertet.
2.4 Automatische Generierung der Testfälle
Ziel der Testfallgenerierung ist eine standardisierte
und durchgängige Vorgehensweise für die Erstellung
BILD 4: Semi-Formalisierung der
Anforderungen A1, A2 und A3.
von Testfällen, bei der sich im Anschluss eine genaue
Aussage über die Testabdeckung machen lässt. Mit der
Formalisierung der funktionalen Anforderungen zu
semiformalen Beschreibungen werden dabei die Ausgaben
bei der Testfallgenerierung erzeugt. Die Testfälle
für nichtfunktionale Anforderungen werden manuell
angelegt.
Für die Wahl der Testeingabedaten gibt es verschiedene
Kriterien. So muss entschieden werden, wie groß
die Stichprobe für einen Parameter sein soll. Der Parameter
Motorspannung, der durch eine weitere Anforderung
beschrieben wird, hat seinen gültigen Bereich
zwischen 15 und 30 V. Um eine volle Testabdeckung
für gültige Testeingabedaten zu erreichen,
müsste nun jeder mögliche Wert getestet werden, was
jedoch bei der tatsächlichen Durchführung meist
nicht realisierbar ist. Wie groß die Stichprobe sein
muss, liegt vorrangig im Entscheidungsspielraum des
Testingenieurs, der dies auf Erfahrungsbasis festlegt.
Dieses Knowhow wird bei der Modellierung durch
die Festlegung des Attributs step-size integriert. Dadurch
wird entschieden, wie viele Testfälle generiert
werden, indem im Bereich der gültigen Variation des
Parameters Werte mit dem Abstand step-size als Testeingabe
generiert werden. Für die Generierung der
Testeingabedaten gibt es viele Kriterien, wie zum Beispiel
die Generierung aller möglichen Eingabekombinationen,
die berücksichtigt werden können [15]. Beim
vorgestellten Ansatz wurde das Generierungskriterium,
dass jeder durch die Schrittweite definierte Wert
mindestens einmal getestet werden muss, als Grundlage
gewählt. Da Negativtests eine wichtige Rolle beim
Testen spielen, müssen zusätzlich Tests mit ungültigen
Testeingabedaten spezifiziert und durchgeführt
werden. Für die Negativtests werden die ungültigen
Grenzwerte als Testeingabe mitgeneriert, da gerade in
diesem Bereich viele Fehler aufgedeckt werden können
[16]. Die Bestimmung der Ausgabedaten erfolgt
anhand der in Abschnitt 2.3 beschriebenen Auswertung
der Wahrheitstabellen.
Die für funktionale Anforderungen und abgeleitete
Testfälle eingesetzte Schablone ist für alle Testfälle vorgesehen
und kann für nichtfunktionale Anforderungen,
wie Geschäfts oder Prozessanforderungen, Produktionskosten,
manuell angelegt werden. Diese sind dann
unter der Bewertung Rating als manuell einzuordnen,
da sie nicht durch einen klassischen Testfall sondern
von einer Person manuell überprüft werden müssen.
In Bild 5 ist ein Beispiel für einen einzelnen generierten
Testfall dargestellt. Die Logikspannung ist außerhalb
des gültigen Bereichs (der gültige Bereich ist
24 V) und der Status Fehler wird gemeldet. Die Auswertung
der Wahrheitstabellen führt zur erwarteten Anzeige
der LEDs und der Ausgabe E.72 auf der 7Segment
Anzeige. Auf der rechten Seite von Bild 5 wird zudem
ein Sequenzdiagramm gezeigt, dass die zu erwartende
Sequenz der Ausgabevariablen visualisiert, womit der
Testingenieur die tatsächliche mit der zu erwartenden
Systemreaktion vergleichen kann.
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HAUPTBEITRAG
2.5 Übergabe an Design-/Systementwicklung
Als Bestandteil des Anforderungs und TestfallCodesigns
können generierte Testfälle innerhalb eines
Klassifikationsbaums dargestellt werden. In Bild 6 auf
der linken Seite ist das Ergebnis dieser Generierung für
das Beispiel LED zu sehen. Der Klassifikationsbaum hat
sich für die Darstellung von Testeingabedaten im Bereich
des Testmanagements etabliert [15], da sich Black
BoxTests übersichtlich darstellen lassen. Jede Spalte
steht für einen konkreten Wert eines Testeingabeparameters,
jede Zeile für einen konkreten Test. In dem
Baum bezeichnen die farblich markierten Testeingabedaten
ungültige Werte und somit Negativtests. Bei der
Vorgehensweise kann dieser automatisiert generiert
werden. Die für die spezifizierten Eingaben erwarteten
Ausgaben sind aus Bild 6 rechts ersichtlich und dienen
als Ergänzung.
3. DISKUSSION UND BEWERTUNG DES ANSATZES
Die Evaluation der Vorgehensweise erfolgte anhand
eines Fragebogens, der die aktuell vorherrschenden
Vorgehensweisen dem im Beitrag vorgestellten Anforderungs
und TestfallCodesign gegenüberstellt. Um
den Teilnehmern an den Einzelinterviews eine umfassende
Entscheidungsbasis für die Bewertung zu
ermöglichen, wurde ein Workshop durchgeführt, in
dem die Vorgehensweise mit Hilfe eines Leitfadens
erläutert und gemeinschaftlich anhand von zwei Beispielen
aus der Industrie erarbeitet wurde, eines davon
das hier vorgestellte Anwendungsbeispiel. Die Probanden
setzten sich aus sechs Experten aus fünf Unternehmen
zusammen.
Im Workshop konnte bei der Modellierung der Anforderungen
bereits früh eine Inkonsistenz aufgedeckt
werden. Beim Beispiel der LEDAnzeige wird durch
BILD 5: Schablone für Testfälle, Beispiel mit einer
ungültigen Eingabe für die Logikspannung
BILD 7: Bewertung der Vorgehensweise im
Vergleich zu aktuellen Vorgehensweisen im Bereich
Anforderungs- und Testmanagement
BILD 6: Darstellung der
Testeingabedaten und der
erwarteten Ausgaben in
einem Klassifikationsbaum
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Anforderung A3 die Anzeige von vier Fehlercodes gefordert,
wobei LED_Fehler auf jeden Fall im Status on
sein soll. Durch die detaillierte Modellierung der Anforderungen,
einschließlich Parametervariationen, fällt
bei der Formulierung auf, dass sich lediglich drei offene
Kombinationen aus den für die Darstellung erlaubten
LEDs, LED_Ready und LED_Fehler ergeben:
{blinking, on}, {flashing, on} und {on, on}. Die Ausgabe
{off, on} ist nach Anforderung A2 bereits vorbelegt. Dies
hat zur Folge, dass die mechanischen und elektronischen
Elemente erneut geplant werden müssen. Um
die funktionalen Anforderungen zu erfüllen wird daher
eine 7SegmentAnzeige in den Entwurf integriert.
Nachdem beide Beispiele erarbeitet wurden, beantworteten
die Experten einen Fragebogen zur Evaluation
des Ansatzes, der aufbauend auf den zu Beginn des
Projektes ermittelten Anforderungen bezüglich Anforderungsspezifikation,
Testmanagement und generierung,
Integration in Entwicklungsprozesse und Mitarbeiterlast
erstellt worden war. Die Mittelwerte sind in
Bild 7 dargestellt (1: voll erfüllt, 6: gar nicht erfüllt).
Lediglich beim Aufwand der Spezifikation und Papierarbeit
mussten bei der Vorgehensweise Abstriche
gemacht werden. Dies soll durch eine geeignete Werkzeugunterstützung
verbessert werden. Die Evaluation
wurde anschließend mit den Teilnehmern diskutiert
und es ergab sich der Konsens, dass ein geringer Mehraufwand
in der frühen Phase zugunsten einer effektiven
und fehlerfreien Arbeitsweise akzeptabel ist.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Die erste Evaluation mit zwei Beispielen aus der Industrie
ergab, dass die Vorgehensweise die Anforderungen
aus der Industrie für ein qualitativ hochwertiges An
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45
HAUPTBEITRAG
forderungs und Testmanagement für diesen Teilbereich
an Anwendungen von mechatronischen Produkten
für die Experten der Anwendergruppe erfüllt.
Durch eine einfache Formalisierung von Anforderungen
bis hin zu einer semiformalen Beschreibung gelingt
es, automatisch Testfälle schnell und aufwandsarm
zu generieren. Durch die Modellanalyse der Anforderungen
konnten weiterhin schnell beziehungsweise
in einer sehr frühen Phase des Entwicklungsprozesses
Inkonsistenzen aufgedeckt werden, was eine Kostenersparnis
bei der Anwendung der Methode in Unternehmen
erwarten lässt. Eine Evaluation für komplexere
Systeme, zusätzliche Anwendungen und eine Evaluation
mit einer größeren Anwendergruppe ist ein weiteres
Ziel, um die Anwendbarkeit und Qualität des
Ansatzes aufzeigen zu können. Für komplexe mechatronische
Systeme ist bereits eine Hierarchisierung und
Zerlegung des Problems vorgesehen, eine Evaluation
steht dafür noch aus.
Eine weitere Herausforderung ist die Integration von
Testszenarien, bei der eine Folge von Eingabedaten das
gewünschte Testziel herbeiführt. Prinzipiell ist eine
dementsprechende Modellierung innerhalb der Anforderungsschablonen
bereits möglich, durch die Verwendung
von InOut als Richtung für Parameter, die eine
Rückführung von Parametern erlauben, bei der Testfallgenerierung
werden diese jedoch noch nicht berücksichtigt.
Die prototypische Realisierung der Vorgehensweise
in einem Editor dient in zukünftigen Arbeiten
der Evaluation der Usability der Modellierung
und Vorgehensweise.
DANKSAGUNG
MANUSKRIPTEINGANG
08.04.2014
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
Das IGF-Vorhaben 17259 N/1 der Deutschen
Forschungsgesellschaft für Automatisierung und
Mikroelektronik e.V. (DFAM) wurde über die AiF
im Rahmen des Programms zur Förderung der
Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen
Bundestages gefördert.
AUTOREN
Dipl.Ing. SUSANNE RÖSCH (geb. 1987) ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Lehrstuhl für
Automatisierung und Informationssysteme an der
Technischen Universität München. Ihr Forschungsinteresse
gilt der effizienten Testfallerstellung
und dem automatisierten Test von Steuerungssoftware
in der Automatisierungstechnik.
Lehrstuhl für Automatisierung und
Informationssysteme,
Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,
Tel. +49 (0) 89 28 91 64 38,
E-Mail: roesch@ais.mw.tum.de
Dipl.Ing. (FH) DOROTHEA FÖRSTER (geb. 1985)
ist angestellte Mitarbeiterin bei Schunk in der
Abteilung Entwicklung Greifsysteme, Produkt
und Vorentwicklung Mechatronik. Ihr Aufgabengebiet
umfasst die Erstellung und Durchführung
automatisierter Tests für die Validierung von
eingebetteter Software in industriellen Automationskomponenten
und Reglern.
SCHUNK GmbH & Co. KG,
Bahnhofstraße 106-134, D-74348 Lauffen/Neckar,
Tel. +49 (0) 7133 103 20 78,
E-Mail: dorothea.foerster@de.schunk.com
Dipl.Ing. STEFAN FELDMANN (geb. 1990) ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl
für Automatisierung und Informationssysteme
an der Technischen Universität München.
Sein Forschungsinteresse gilt der Anwendung
wissens basierter Systeme zur Verbesserung der
interdisziplinären Entwicklung in automatisierungstechnischen
Projekten.
Lehrstuhl für Automatisierung und
Informationssysteme,
Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,
Tel. +49 (0) 89 28 91 64 41,
E-Mail: feldmann@ais.mw.tum.de
Prof. Dr.Ing. BIRGIT VOGEL-HEUSER (geb. 1961)
leitet den Lehrstuhl für Automatisierung und
Informationssysteme an der Technischen Universität
München. Ihre Forschungsgebiete adressieren
die System und Softwareentwicklung,
insbesondere die Modellierung verteilter, intelligenter
eingebetteter Systeme.
Lehrstuhl für Automatisierung und
Informationssysteme,
Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,
Tel. +49 (0) 89 28 91 64 00,
E-Mail: vogel-heuser@ais.mw.tum.de
46
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9 / 2014
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HAUPTBEITRAG
Stellantrieb mit
sicheren Funktionen
nach IEC EN 61508
Entwicklung und Umsetzung von Architekturmerkmalen
Die IEC EN 61508 beschreibt die Bereiche zur Beherrschung systematischer und
zufälliger Fehler an sicherheitsrelevanten technischen Systemen. Sie führt die Rahmenbedingungen
auf, die für Entwurf, Realisierung und Betrieb sicherheitsbezogener
Systeme erforderlich sind. Obwohl in den Anhängen der Norm auf technische und
praktische Aspekte eingegangen wird, stellt sie keine Standardbauanleitung für sicherheitsrelevante
Systeme dar. Dies gibt den Entwicklern Freiräume, um innovative
und wettbewerbsfähige Produkte zu konzipieren. In diesem Beitrag wird die Entwicklung
und Implementierung sicherer Funktionen für einen Stellantrieb beschrieben.
Dabei werden die möglichen Architekturmerkmale behandelt und diskutiert.
SCHLAGWÖRTER IEC EN 61508 / SIL / Stellantrieb / Common Cause Failure
Actuator with Safety Functions in Accordance with IEC EN 61508 –
Development and Implementation of Architectural Features
IEC EN 61508 describes the control of systematic and unexpected hazardous events
with safety-relevant technological systems. It establishes necessary conditions for
the design, development, and operation of safety-related systems. Although the standard
includes annexes which address technical and practical aspects, it does not
constitute a set of instructions for the development of safety-relevant systems. Developers
therefore have scope to design innovative and competitive products. Here
the development and implementation of safe functions are described for an actuator.
Possible architectural characteristics are considered.
KEYWORDS IEC EN 61508 / safety integrity level / SIL / actuator /
common cause failure
48
atp edition
9 / 2014
PETER MALUS, WERNER THOMANN, Auma
KARL-HEINZ KAYSER, Hochschule Esslingen
Stellantriebe für Armaturen und Maschinenantriebe
kommen in vielfältigen Anwendungen
im Stahlwasserbau, bei Wasserverund
-entsorgungsanlagen, Kraftwerks- und
Chemieanlagen, bei Öl- und Gasförderung,
Öl-, Gastransport (Pipelines) und Verarbeitung, sowie
im maritimen Bereich zum Einsatz. Kennzeichnend für
die Produkte sind deren extreme Einsatzbedingungen,
siehe Bild 1, bei gleichzeitig geforderter langjähriger,
hoher Verfügbarkeit.
Die Entwicklung von Stellantrieben und deren Steuerungen
ist geprägt durch eine zunehmende Komplexität.
Ausgehend von einfachen Logiksteuerungen haben
sich die Geräte zu intelligenten Steuerungen mit
vielen Kommunikationsschnittstellen (Feldbus, Bluetooth),
komfortabler Programmierung und Bedienung,
integrierten Regelalgorithmen mit umfangreicher intelligenter
Sensorik entwickelt.
Elektrische Stellantriebe sind seit mehr als 50 Jahren
im industriellen Einsatz, auch in sicherheitsrelevanten
Bereichen. Viele etablierte, aber nicht harmonisierte
Sicherheitsstandards, prägen das heutige Bild. Sicherheitsstandards,
Sicherheitsregeln und Verordnungen
sind regional unterschiedlich vorgegeben, unter anderem
durch Anlagenbetreiber, Anlagenversicherer sowie
nationale Regelwerke und Vorschriften. Die etablierten
Sicherheitsregeln werden trotz der Verabschiedung der
internationalen Norm zur funktionalen Sicherheit (IEC
EN 61508) vor zwölf Jahren kurz- und mittelfristig noch
Bestand haben.
Die Norm IEC EN 61508 beschreibt Verfahren und
Methoden wie sich systematische und zufällige Fehler
beherrschen lassen; kennzeichnend sind formale Vorgehensmodelle
(zum Beispiel bei Entwurf, Konstruktion,
Inbetriebnahme und Betrieb sicherheitsrelevanter
Geräte) sowie entsprechende probabilistische Nachweisverfahren.
Damit ist die Norm IEC EN 61508 als
Grundlage für die Entwicklung sicherheitsrelevanter,
komplexer Systeme geeignet. Entwicklungsziel von
Auma war es, bestehend auf der aktuellen Stellantriebsgeneration,
eine Ausführung zu entwickeln, die alle
Anforderungen der Norm IEC EN 61508 erfüllt.
1. AUSGANGSSITUATION
Stellantriebe sind stets in Verbindung mit anderen
Komponenten in ein Gesamtsystem integriert.
Beispiel Schiffsschleuse: Schleusentor – mechanischer
Gewindetrieb – Stellantrieb – Signal-/Datenleitung
– Leitsteuerung – Energieversorgung. Beispiel
Gasversorgung: Gasleitung – Drucksensor – Armatur
– Stellantrieb – Signal-/Datenleitung – Leitsteuerung
– Energieversorgung. Stellantriebe bestehen aus den
Komponenten: Stellantriebsmechanik (Getriebe), Motor
(geschaltet oder drehzahlveränderlich), Sensorik
(beispielsweise Stellwegerfassung, Endlagen- und
Drehmomenterfassung), Stellantriebssteuerung (inklusive
Ortssteuerstelle, elektrische Anschlüsse für
Ansteuerung und Energie) und Signal- sowie Datenleitungen
von und zur übergeordneten Leitsteuerung.
Stellantriebe öffnen, schließen, positionieren oder
regeln eine Armaturenstellung. Hierzu werden unter
anderem die Stellwegs- oder Endlagensignale verarbeitet.
Die Lastmomentinformation wird zur Drehmomentüberwachung
und zur Abschaltung bei drehmomentabhängigen
Armaturen verwendet.
2. ANFORDERUNGEN AN SICHERHEITSFUNKTIONEN
Grundsätzlich ist der gesamte Lebenszyklus eines Produktes
von der Spezifikation, Entwicklung, Produktion,
Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung bis zur Außerbetriebssetzung
zu betrachten. In diesem Beitrag wird
ausschließlich der Betrieb eines Stellantriebs betrachtet.
Die wesentlichen sicherheitsrelevanten Stellantriebsfunktionen
sind Emergency Shut Down (ESD) und
der sichere Stopp, wobei ESD zu unterteilen ist in sicheres
Öffnen und sicheres Schließen, zum Beispiel
einer Armatur. Die Bilder 2 und 3 zeigen zwei Anwendungsbeispiele
für ESD.
Während für den sicheren Stopp lediglich der Stellantrieb
sicher abzuschalten und ein Haltemoment aufrecht
zu erhalten ist (zum Beispiel durch Selbsthemmung
des Getriebes), erfordern die ESD-Funktionen
atp edition
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49
HAUPTBEITRAG
sicheres Öffnen und sicheres Schließen, eine hohe
Verfügbarkeit wesentlicher Komponenten im Antriebsstrang
und der Sensorik des Stellantriebs – zumindest
solange, bis der Stellantrieb die Offen- beziehungsweise
Geschlossen-Stellung erreicht hat. Die Realisierung
der ESD-Funktion stellt demnach die höheren technischen
Anforderungen.
2.1 Sicherheitsintegritäts-Level (SIL)
Der erforderliche Sicherheitsintegritäts-Level (SIL)
wird durch eine Gefährdungsanalyse an einer Applikation
beziehungsweise Anlage ermittelt. Als Komponentenlieferant
erhält Auma die Anforderungen an den
SIL durch den Planer oder Endkunden, da nur dieser
in der Lage ist, eine entsprechende Risikoanalyse einer
Anlage durchzuführen. Häufig werden für einzelne
Stellantriebe SIL-2-Fähigkeiten, gelegentlich auch SIL-
3-Fähigkeiten gefordert, siehe Norm [1]. SIL-3-Anforderungen
lassen sich durch redundante, 2-kanalige
Aufbauten, wie beispielhaft in Bild 2 und 3 dargestellt,
realisieren. Die Autoren weisen darauf hin, dass bei
gleichartigem Aufbau beider Kanäle (homogene Redundanz),
Fehler gemeinsamer Ursachen (common
cause failure, CCF), problematisch und daher zu vermeiden
sind. Insbesondere systematische Fehler stellen
Fehler gemeinsamer Ursachen dar und führen
dazu, dass das Verhalten, beziehungsweise die Verfügbarkeit
eines 2-kanaligen Systems auf das eines 1-kanaligen
zurückfällt.
Sichere Stellantriebsfunktionalität bedeutet für den
gesamten Produktlebenszyklus des Stellantriebs:
Vermeidung und Beherrschung systematischer
Fehler
Einhaltung statistischer Grenzwerte bezüglich
zufälliger Fehler
Systematische Fehler betreffen vor allem den Entwicklungs-
und Produktionsprozess und zu einem
gewissen Teil die Inbetriebnahme und Wartungstätigkeiten.
Zufällige Fehler, zum Beispiel durch Bauteileausfall,
sind vornehmlich während der Betriebsphase
des Stellantriebs zu berücksichtigen. Dabei
sind Grenzwerte für die zwei probabilistischen Kenngrößen
Safe Failure Fraction (SFF) und die mittlere
Probability of (dangerous) Failure PF D (im Beitrag
auch als Fehlerwahrscheinlichkeit bezeichnet) einzuhalten.
PFD wird weiter differenziert, ob eine sichere
Funktion permanent (high demand) PFH D an einer
Anlage benutzt wird, oder nur bei Bedarf (on demand)
PFD D . (Die Definitionen der Begrifflichkeiten finden
sich in der Norm [1] oder im Kasten Erläuterungen –
Begriffsdefinitionen im Beitrag).
Während die für SIL 2 erforderlichen SFF-Grenzwerte
(Grenzwerte sind abhängig von der Hardwarefehlertoleranz
HFT) von allen sicherheitsrelevanten Komponenten
einer Anlage zu erfüllen sind, ist der Grenzwert für
die mittlere Fehlerwahrscheinlichkeit PFH D beziehungsweise
PFD D durch die Summe der mittleren Fehlerwahrscheinlichkeiten
aller an einer Anlage für die
Erfüllung einer sicheren Funktion erforderlichen Einzelkomponenten
gegeben. Für den Komponentenhersteller
bedeutet dies, dass er für sein Produkt nur einen
gewissen Prozentsatz des Grenzwertes für die mittlere
Fehlerwahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen darf,
damit der Kunde in die Lage versetzt wird, mit technisch
vertretbarem Aufwand den geforderten SIL der
Gesamtanlage zu erzielen, siehe Bild 4.
Die erzielbaren PFH D - beziehungsweise PFD D -Werte
eines Produkts werden wesentlich von den durch den
technischen Entwurf festgelegten Produktmerkmalen
bestimmt. Diese sind:
gerätetechnischer Aufbau
(Konstruktion, Schaltung),
Bauteile- und Komponentenauswahl,
Architekturmerkmale, zum Beispiel ein- oder
mehrkanalige Struktur
automatisierte Überwachungs- und Diagnosefunktionen
Weitere Einflussfaktoren ergeben sich durch die während
der Produktbetriebsphase gegebenenfalls festzulegenden
Wartungsintervalle. Eine Erhöhung der Wartungsintensität
und der Wartungshäufigkeit verringert
die mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit eines gefährlichen
Zustandes beziehungsweise verbessert den Wert
PFH D oder PFD D . Technischer Entwurf und Wartungsintervalle
bestimmen und beeinflussen die Anschaffungs-
und Betriebskosten. Letztere sind ein entscheidendes
Kriterium für die Produktakzeptanz durch den
Kunden. Ziel der ingenieursmäßigen Konstruktion ist
es, die geforderte Sicherheitsfunktionalität zu erfüllen
und dabei die Interessen von Kunde und Anlagenbetreiber
zu wahren.
3. TECHNISCHE KONZEPTION DER
SICHERHEITSFUNKTIONEN
Das Blockschaltbild in Bild 5 zeigt die wesentlichen
Komponenten des zu betrachtenden Stellantriebs. Dieser
bildet im Beitrag den Ausgangspunkt für die technische
Integration der sicheren Funktionen ESD und
Stopp. Dabei sind folgende Komponenten an der Erfüllung
der sicheren Funktionen beteiligt:
Ansteuer- und Statussignale
(dient als Schnittstelle zur übergeordneten
Steuerung und Leittechnik)
Steuerung
Sensorik
Spannungsversorgung
Ansteuerung
Motor
Getriebe
50
atp edition
9 / 2014
BILD 2: Applikation: sicheres Schließen von Öl-/
Gaszuführung – 2-kanalige Anlagenarchitektur
BILD 1: Stellantrieb im Test unter simulierten
Einsatzbedingungen
BILD 4: Prozentuale Aufteilung der Fehlerwahrscheinlichkeit
im Sicherheitssystem
BILD 3: Applikation: sicheres Öffnen im
Kühlkreislauf – 2-kanalige Anlagenarchitektur
BILD 5:
Aufbau des
bestehenden
Stellantriebs
atp edition
9 / 2014
51
HAUPTBEITRAG
Für den technischen Entwurf der sicherheitsrelevanten
Funktionen und die Einhaltung der entsprechenden
Grenzwerte für SFF und PF D sind
bestimmte Prinzipien zu berücksichtigen und in
Betrachtung zu ziehen:
ein- oder mehrkanalige Struktur (hardware
fault tolerance, HFT) für das Gesamtsystem
oder Teile davon
Realisierung mit einfachen Bauteilen
(Typ A gemäß IEC EN 61508) oder mit komplexen
Bauteilen (Typ B entsprechend IEC EN
61508, zum Beispiel Mikroprozessor und
Software)
Diagnoseabdeckung (diagnostic coverage, DC),
um sicherheitsrelevante Fehler rechtzeitig zu
entdecken und Schäden abzuwenden
Trennung beziehungsweise Kapselung von
normaler Funktion und sicherer Funktion
Ziel ist es, die sicheren Funktionen auf Basis der
aktuellen Stellantriebsgeneration zu integrieren,
ohne dabei systemrelevante Änderungen (zum Beispiel
Gehäuse, Außenabmessungen) am bestehenden
Stellantrieb durchzuführen.
Eine redundante oder mehrkanalige Ausführung
der Teilkomponenten Getriebe, Motor, Motoransteuerung
(Schütze, Thyristor) scheidet aus technischen
sowie den vorab genannten Gründen aus.
Erste Analysen und Berechnungen zu SFF und
PFD ergaben, dass mit den oben genannten und
bereits vorhandenen Teilkomponenten die erforderlichen
Grenzwerte erreicht werden. Somit ist
eine grundsätzliche Umsetzbarkeit, das heißt Integration
der sicheren Funktionen in den bestehenden
Antrieb, machbar.
Die existierende Steuerung (Logik) des Stellantriebs
basiert auf einem Mehrprozessorsystem samt
Software und beinhaltet im Standard bereits Funktionen
wie Stopp beziehungsweise ESD. Diese erfüllen
aber nicht die Anforderungen an SIL 2. Eine
softwarebasierte Integration der sicheren Funktionen
auf das vorhandene Mikroprozessorsystem
ist theoretisch möglich, eine Trennung der sicheren
Funktionen von den Standardfunktionen
wäre aber mit erheblichem technischen Aufwand
verbunden.
Die Schnittstellen zur Kommunikation mit übergeordneter
Leittechnik (Feldbus oder binäre E/A)
erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen an SIL 2
und sind deshalb anzupassen.
3.1 Umsetzung der sicheren Funktionen
BILD 6: Steuerungskonzeptionen für die Umsetzung
sicherer Stellantriebsfunktionen
Wie zuvor beschrieben, sind die Steuerung (Logik)
und die Schnittstellen die wesentlichen Handlungsfelder
für die Integration der sicheren Funktionen
ESD und Stopp in den Stellantrieb.
52
atp edition
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BILD 7: Aufbau
Gesamtsystem
eines sicheren
Stellantriebs
Steuerungskonzeptionen
Zur Integration der sicheren Funktionen in die Stellantriebssteuerung
sind diese Lösungswege zielführend,
siehe Bild 6.
1 | Direkte Integration in die bereits im Standard
vorhandene, auf einem Mehrprozessorsystem basierende
Steuerung (Software in sicherer Hardwareumgebung
Typ B)
2 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten
sicheren Steuerung (1-kanalig) (Software
auf zusätzlicher sicherer Hardware Typ B)
3 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten
sicheren Steuerung (1-kanalig), ferner
Überwachung (Diagnose) durch die vorhandene
Steuerung, was der Integration von sicheren
Diagnosealgorithmen auf der vorhandenen Steuerung
entspricht (Diagnosesoftware in sicherer
Hardwareumgebung Typ B und Funktionssoftware
auf zusätzlicher sicherer Hardware Typ B)
4 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten
sicheren Steuerung und auf der vorhandenen
Steuerung. Dadurch ergibt sich eine
2-kanalige Gesamtimplementierung mit der Möglichkeit
zur gegenseitigen Überwachung (Diagnose)
(Software in sicherer Hardwareumgebung Typ
B und Software auf zusätzlicher sicherer Hardware
Typ B)
5 | Integration auf einer zusätzlichen, sicheren und
festverdrahteten Steuerlogik, was eine hardwarebasierte
Lösung darstellt (zusätzliche sichere Logikhardware
Typ A)
Bewertung der Steuerungskonzeptionen
Die Lösungsansätze 1 bis 4 verwenden Mikroprozessoren
und erfordern die Entwicklung sicherheitsrelevanter
Software. Mikroprozessoren stellen im Sinne
der IEC EN 61508 komplexe Bauteile dar (Typ B), bei
deren Verwendung weitaus strengere Grenzwerte für
SFF gelten, und damit mehr Diagnoseaufwand als
beim Einsatz einfacher Bauteile (Typ A) notwendig
wird. Die komplexe Schaltungstechnik bei Typ B sowie
die zu erstellende sichere Software bergen ein
erhöhtes Potenzial an systematischen Fehlern (Software)
sowie zufälligen Fehlern (Komplexität der Hardware).
Dagegen beinhaltet der Lösungsansatz 5 ein
geringes Potenzial an systematischen Fehlern (keine
Software, einfache Schaltlogik). Durch die Verwendung
von Bauteilen geringer Komplexität (zum Beispiel
Logikbausteine, Typ A) sind geringere Anforderungen
an den SFF zu erfüllen, und damit unter Umständen
geringere Anforderungen an die Diagnose
erforderlich. Dies bedeutet nicht, dass auf umfangreiche
Diagnosefunktionalität in der Standardsteuerung
verzichtet wird, sondern, dass bestehende Diagnosealgorithmen
nicht in die formalen Sicherheitsbetrachtungen
einbezogen werden. Bei Lösungsansatz
5 sind vordergründig zufällige Fehler zu beherrschen,
was auf Grund der vorhandenen und anerkannten Datenbasis
hinsichtlich Bauteileausfallwahrscheinlichkeiten
[2], unproblematisch ist.
Wie zuvor erwähnt, sind bei 2- oder mehrkanaligen
Anlagenarchitekturen zur Erreichung eines SIL 3, siehe
Bild 2 und 3, Fehler gemeinsamer Ursachen (CCF)
zu vermeiden. Bezüglich des CCF sind die Lösungsansätze
1 bis 4 wegen systematischer Fehler kritisch zu
bewerten; dagegen eignet sich Lösungsansatz 5 am besten
für mehrkanalige Anlagenarchitekturen.
Lösungsansatz 1 bietet zunächst Vorteile, da für die
Implementierung der sicheren Funktionen die vorhandene
Steuerungshardware mit geringen Hardware-
Anpassungen genutzt werden kann. Aber wie bereits
atp edition
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53
HAUPTBEITRAG
ERLÄUTERUNGEN – BEGRIFFSDEFINITIONEN
Fehlerrate λ und Fehlerwahrscheinlichkeit PF(t)
Fehlerrate λ hat die Einheit [1/h] beziehungsweise
[FIT=10 –9 1/h]. Für λ = const. (gilt für die Betriebsphase
der Weibullverteilung), gilt der Zusammenhang zwischen
der Fehlerwahrscheinlichkeit PF [%] (Probability of
Failure) und der Fehlerrate λ:
PF(t) = 1 – e –λt oder der vereinfachte und linearisierte
Ansatz: PF(t) = λ · t (für Betriebszeit
edundante, 2-kanalige (HFT=1) und 3-kanalige (HFT=2).
HFT=N bedeutet, N+1 Fehler können den Verlust der
entsprechenden Sicherheitsfunktion bewirken.
Grenzwerte der Kenngröße SFF
Je nach erforderlichem Sicherheitsintegritätsgrad (SIL)
sind für die sicherheitsbezogenen Systeme und Teilsysteme
und für die Kenngröße SFF (Anteil sicherer
Ausfälle) Grenzwerte gemäß nachfolgender Tabelle
einzuhalten.
Anteil
Geräte Typ A Geräte Typ B
sicherer
Ausfälle
Hardware Fehlertoleranz
HFT
Hardware Fehlertoleranz
HFT
SFF
N=0 N=1 N=2 N=0 N=1 N=2
< 60% SIL 1 SIL 2 SIL 3
nicht
erlaubt SIL 1 SIL 2
60 % – < 90 % SIL 2 SIL 3 SIL 4 SIL 1 SIL 2 SIL 3
90 % – < 99 % SIL 3 SIL 4 SIL 4 SIL 2 SIL 3 SIL 4
99 % SIL 3 SIL 4 SIL 4 SIL 3 SIL 4 SIL 4
GRENZWERTE SFF [1]
Sind für die Teilsysteme TS1 bis TS3 (siehe Referenzarchitektur)
bezüglich SFF die jeweiligen erreichbaren
SIL-Werte ermittelt, dann bestimmt das Teilsystem mit
dem niedrigsten SIL, den SIL des Gesamtsystems.
SIL Gesamtsystem = kleinster SIL-Wert von TS1 bis TS3
Grenzwerte der Kenngrößen PFD D / PFH D
Für die Kenngrößen PFD D und PFH D gelten die Grenzwerte
gemäß folgender Tabelle.
Safety
Integrity
Level
SIL
Betrieb im niederen
Anforderungsmodus
Wahrscheinlichkeit
eines Ausfalls einer
vorgesehenen
Funktion bei
Anforderung
Betrieb im ununterbrochenen
/ hohen
Anforderungsmodus
Wahrscheinlichkeit
eines gefährlichen
Ausfalls pro Stunde
4 ≥10 -5 bis
HAUPTBEITRAG
Aus den Rückmeldungen des Kunden ließen sich
zwei Anwendungsvorteile erkennen:
Der Einsatz einer separaten sicheren, hardwarebasierten
Steuerungshardware nach Typ A erweist
sich bei der Umsetzung redundanter Gesamtstrukturen
wegen der erwähnten CCF-Problematik als
vorteilhaft.
Das spezielle Design, bei dem durch die Verwendung
einer zusätzlichen sicheren Logikhardware
(SIL-Modul) höchste Anforderungen an die Zuverlässigkeit
der Sicherheitsfunktionen erfüllt werden,
fand besonderen Anklang.
Durch den Einsatz des zusätzlichen SIL-Moduls war es
möglich, elektromechanische Wegendschalter und die
Drehmomentüberwachung mit in die Sicherheitsfunktion
zu integrieren. Bei vergleichbaren Systemen werden
diese Signale üblicherweise ausgeblendet, der Antrieb
fährt im Anforderungsfall mit höchstem Drehmoment
in die Armaturenendlage, während in der aktuellen
Lösung die gewohnten Funktionen zum Schutz
der Armatur zum Einsatz kommen.
MANUSKRIPTEINGANG
04.09.2013
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
AUTOREN
Dipl. Ing. (FH) PETER MALUS ist bei
Auma als Produktmanager für den
Bereich Drehantriebe und Explosionsschutz
tätig. Im Rahmen eines Entwicklungsprojektes
war er im Projektteam für
die Definition der grundlegenden Anforderungen
des „Sicheren Stellantriebs“
zuständig.
AUMA Riester GmbH & Co. KG,
Aumastraße 1,
D-79379 Müllheim,
Tel. + 49 (0) 7631 80 90,
E-Mail: Peter.Malus@auma.com
Dipl. Ing. WERNER THOMANN arbeitet bei
Auma als Entwicklungsingenieur in der
Elektronikabteilung und war für die
Entwicklung der zusätzlichen Logikhardware
(SIL-Modul) für den sicheren
Stellantrieb zuständig. Zudem war er
maßgeblich an der Erstellung der Dokumentation
entsprechend dem FSM Plan
beteiligt.
AUMA Riester GmbH & Co. KG,
Aumastraße 1,
D-79379 Müllheim,
Tel. +49 (0) 7631 80 90,
E-Mail: Werner.Thomann@auma.com
REFERENZEN
[1] DIN EN 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener
elektrischer/elektronischer/programmierbarer
elektronischer Systeme, Teile 1 bis 7.
VDE, Beuth
[2] SN 29500: Ausfallraten Bauelemente – Erwartungswerte,
Teile 1 bis 15. Siemens AG
[3] Arndt, V., Kuschnerus, N., Morr, W., Netter, P.,
Schroers, B.: Funktionale Sicherheit – ein wichtiges
Thema in der NAMUR. Tagungsband 8. AALE
Fachkonferenz 2011, S. 7-15. Oldenbourg Industrieverlag,
2011
[4] Netter, P.: Wie die Sicherheit laufen lernte.
Ent wicklung der funktionalen Sicherheit in Deutschland.
atp edition – Automatisierungstechnische
Praxis 52(1-2), S. 46-55, 2011
Prof. Dr.-Ing. KARL-HEINZ KAYSER
(geb. 1955) lehrt an der Hochschule
Esslingen in der Fakultät Mechatronik
und Elektrotechnik im Studiengang
Automatisierungstechnik. Er leitet das
Labor Automatisierungstechnik am
Standort in Göppingen. Im Rahmen eines
Forschungssemesters beteiligte er sich an
der Entwicklung des sicheren Stellantriebs.
Hochschule Esslingen –
University of Applied Sciences,
Robert-Bosch Str. 1,
D-73037 Göppingen,
Tel. +49 (0) 7161 679 11 98,
E-Mail: karl-heinz.kayser@hs-esslingen.de
56
atp edition
9 / 2014
Der Klassiker für die
Prozessautomation geht
ins 21. Jahrhundert
Das Handbuch der Prozessautomation ist ein Standardwerk für die Planung
verfahrenstechnischer Anlagen. In der 5., überarbeiteten Version geht es auf
die Herausforderung bei der Digitalisierung der Anlage ein. Das Handbuch
wurde von fast 50 Experten mit umfassenden Praxiskenntnissen gestaltet
und deckt das gesamte Feld der Prozessautomatisierung ab.
Hrsg.: K. F. Früh, U. Maier, D. Schaudel
5. Auflage 2014
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Adaptive Führung
eines Modulkraftwerks
Konzept für eine zu 100 % autarke, regenerative Energieversorgung
Ziel des Vorhabens, das in diesem Beitrag beschrieben wird, ist die Entwicklung
eines kompakten grund- und spitzenlastfähigen Kraftwerks auf Basis regenerativer
Energien und verschiedener Energiespeichersysteme. Das Kraftwerk soll autark in
netzfernen Gebieten eine Strom- und Wasserstoffversorgung gewährleisten. Die besondere
Innovation liegt in der neuartigen, energieeffizienten Kopplung der Komponenten,
wodurch eine modulare Bauweise sowie eine bessere Optimierung auf
den jahreszeitlichen Energiebedarf des Kunden und die standortspezifischen Energiequellen
möglich werden. Um das autarke Kraftwerk grundlastfähig zu machen,
vernetzt eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) die Komponenten miteinander
und ermöglicht so eine bisher unerreichte autarke Systemleistung.
SCHLAGWÖRTER Modulkraftwerk / Hybridkraftwerk / autarke Energieversorgung
Adaptive Control of a Modular Power Plant –
Providing a Stand-alone Regenerative Energy Supply
The main focus of the project is the development of a small base / peak load power
plant using renewable sources of energy and various storage systems for rural energy
supply with electricity and hydrogen. The main innovation is the efficient coupling
of the various components, which allows a seasonal and location specific adaptation
to the specific demand. The power plant is equipped with a programmable
logic controller (PLC) which offers a new quality of stand-alone system performance.
KEYWORDS Modular power plant / hybrid power plant / stand alone energy supply
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CHRISTIAN KOLBE, Fachhochschule Stralsund
Mit dem weltweiten Ausbau von regenerativen
Energien und der allgemeinen Frage der Verteilung
sowie der Speicherung von Energie
wird der dezentrale Einsatz von autarken,
regenerativen Kleinkraftwerken immer interessanter.
Die abnehmende Zahl von Großkraftwerken und
die gleichzeitig wachsende installierte Leistung von regenerativen
Erzeugern erfordern eine Lösungsstrategie, um
die Grundlastversorgung mit regenerativen Energien zu
sichern. Das autarke Modulkraftwerk (MKW) als Eigenentwicklung
im Rahmen eines Förderprojektes am Institut
für Regenerative Energiesysteme (IRES) der FH-Stralsund
vereint ein autarkes, modulares Energienetz mit verschiedenen
Speichertechnologien. Zwecks weltweiter Transportierbarkeit
in netzferne Regionen ist es in einem 20 Fuß-
Container untergebracht. Der Anwendungsfall zielt grundsätzlich
auf die Elektrifizierung mit einem individuellen
Lastprofil ab, in einem nicht erschlossenen Gebiet. Durch
den modularen Aufbau und die Möglichkeit, das System
individuell energetisch auf den Nutzer anzupassen, ergeben
sich nahezu uneingeschränkte Einsatzmöglichkeiten.
Die externen Erzeuger lassen sich ohne großen Aufwand
demontieren und zum Transport im Container verstauen.
Es sind verschiedene Systemaufbauten möglich, wobei die
Leistung sowie der Erzeuger variiert werden kann.
Der Prototyp in Stralsund ist als Drehstrom-Inselsystem
ausgeführt, wobei neben einer Kleinwindkraftanlage
eine Fotovoltaikanlage als Haupterzeuger installiert
ist. Die Hauptenergiequelle des Inselsystems ist
eine 48 V-Blei- OPZV-Batteriebank, die aus Einzelzellen
besteht, die über bidirektionale Inselwechselrichter die
Energieversorgung der Wechselstrom/Drehstromverbraucher
übernimmt. Als Backup oder Möglichkeit zur
Überschusseinspeisung können die Inselwechselrichter
auf ein lokales Netz synchronisiert werden.
Neben dem elektrischen System ist das Kraftwerk mit
einer vollständigen Wasserstoffkette, bestehend aus
zwei Elektrolyseuren, einer Brennstoffzelle sowie einem
Wasserstoffspeicher auf Basis von Druckgasspeichern
ausgestattet. Der Wasserstoffspeicher dient in der Konfiguration
des Prototyps in erster Linie als Saisonalspeicher,
wobei Energieüberschüsse im Inselnetz durch die
Wasserstoffherstellung abgefangen und Energieengpässe
über die Rückverstromung des Wasserstoffs durch
eine Brennstoffzelle möglichst vermieden werden.
1. SYSTEMAUSLEGUNG
Die Systemauslegung wurde mit der frei verfügbaren Software
Homer Legacy [5] durchgeführt, die auf die Auslegung
von Inselsystemen spezialisiert ist. Die Komponenten
werden mit den Kennlinien der Datenblätter über
quantitative Sensitivitäten definiert, wodurch die Software
das System berechnet. Somit ist es möglich, neben
einer standortspezifischen Ertragsprognose der regenerativen
Erzeuger unter Einbeziehung von Lastprofilen eine
wirtschaftlich-energetisch optimierte Systemauslegung
zu treffen, passend zu einem definierten Lastprofil [2].
Für die Auslegung des Prototyps werden in der Simulation
normierte Lastprofile mit den Standards Business,
Haushalt und Landwirtschaft verwendet. Durch
mehrjährige Windmessungen stehen aussagekräftige
Werte für die Simulation der Windkraftanlage zur Verfügung,
die in Kombination mit den Daten der Solardatenbank
der Software die Energieproduktion des Systems
hinreichend genau vorhersagen können.
Bei der Validierung der Simulationsdaten gegen die
realen Messdaten fällt die Kleinwindkraftanlage mit sehr
schlechter Bilanz auf, da diese real nur einen Bruchteil
des prognostizierten Ertrags pro Jahr erzeugt. Die Prognose
der Fotovoltaikanlage wurde in der Simulation sehr
genau bilanziert. Die angesetzte maximale Versorgungskapazität
im autarken Betrieb von 11 kWh/Tag bei genormten
Lastprofilen musste aufgrund der schlecht funktionierenden
Kleinwindkraftanlage auf 7 kWh/Tag korrigiert
werden. Diese Prognose wurde durch Entladetests
im Zeitraum von einem Jahr am realen System bestätigt.
In Bild 2 sind die simulierten Ladezustände der Batterie
und des Wasserstoffspeichers im zeitlichen Verlauf
über ein Jahr abgebildet, wobei das System über
ein Haushalts-Lastprofil mit einem gemittelten Verbrauch
von 7 kWh/Tag belastet wird. Die Batterien sind
initial vollständig geladen.
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HAUPTBEITRAG
Der Wasserstoffspeicher ist initial vollständig entleert.
Er wird im Sommer beladen und in den ertragsschwachen
Zeiten im Winter entladen. Die Simulationsergebnisse
vermitteln jedoch nur eine erste Dimensionierung
der Komponenten, abhängig von einem spezifischen Lastprofil.
Spezielle Betriebsführungen können jedoch nicht
in die Simulation eingepflegt werden.
1.1 Systemübersicht
Die Wechselrichter sind zwecks freier Konvektion an
den Wänden des Containers installiert, siehe Bild 3. Die
elektrische Verschaltung erfolgt im Hauptschaltschrank,
wobei die Hauptsteuerung in der Schaltschranktür installiert
ist. Bei Ausfall der SPS lässt sich das Kraftwerk
über eine Handsteuerung bedienen. Tabelle 1 zeigt die
Komponenten des Modulkraftwerks.
am Eingang, wie in Bild 5 durch die gestrichelten Linien
dargestellt, kein Netz anliegt [2].
Der Ausgang der Inselwechselrichter ist der netzbildende
Anschluss des Inselwechselrichters, wobei der Eingang ausschließlich
als Backup/Einspeisung genutzt werden kann.
Im autarken Betrieb wird die Last über die Batterie und die
Erzeuger versorgt. Steigt im Ladevorgang die Batteriespannung
über das vorgegebene Limit der Ladephase, so werden
die Erzeuger mittels Frequenzerhöhung im Inselnetz vom
Inselwechselrichter abgeworfen, wodurch das System vor
Überladung geschützt wird. Um die Erzeugerenergie im autarken
Betrieb möglichst auszuschöpfen, ist eine genaue
Systemauslegung auf die elektrischen Lasten vorteilhaft.
2. SYSTEMBESCHREIBUNG
Die Inselwechselrichter mit integriertem Ladegerät
stellen über den Batterieanschluss ein bidirektionales
Drehstrominselnetz am Ausgang (AC_out) bereit, worüber
die Energie der Erzeuger in die Batterie geladen,
wie auch über die Verbraucher aus der Batterie entnommen
werden kann, siehe Bild 4. Neben der direkt
verbrauchten Energie durch eine elektrische Last oder
die Elektrolyseure wird die Überschussenergie im Inselnetzbetrieb
in der Batterie gespeichert. Die Erzeuger
sind über separate Netzwechselrichter auf das Inselnetz
synchronisiert. Der Ladezustand der Batterie wird
durch einen separaten Batteriemonitor über eine
Shunt-Messung bestimmt.
Bei Verfügbarkeit eines lokalen Netzes kann über den
Eingang der Inselwechselrichter (AC_in) die Überschussenergie
aus dem Inselnetz eingespeist, die Batterie
bei Tiefenentladung in ertragsschwachen Zeiten
nachgeladen sowie die elektrischen Verbraucher variabel
unterstützt werden. Zudem besteht die Möglichkeit,
die Batterien ins Netz zu entladen, um zum Beispiel
ein Microgrid zu unterstützen.
Die Funktionalität der gesteuerten Netzzuschaltung
wird vom Inselwechselrichter nicht übernommen. Um eine
gezielte Netzzuschaltung in Abhängigkeit vom Ladezustand
der Batterie, Erzeugerlast sowie Verbraucherlast zu
realisieren, ist das System mit einer übergeordneten SPS
ausgerüstet, die eine optimierte Betriebsführung des autarken
Kraftwerks ermöglicht. Das Kraftwerk kann, abhängig
vom Einsatzgebiet, in verschiedenen Modi gefahren
werden. Über die Verschaltungsmöglichkeiten der Netzkopplung
lässt sich das Kraftwerk individuell betreiben.
BILD 1: Aufbau eines Containerkraftwerks mit
verschiedenen Systemaufbauten
BILD 2: Simulierte Ladezustände der
Speicher über ein Jahr
2.1 Autarker Betrieb
Das Haupteinsatzgebiet des Modulkraftwerks sind
netzferne Regionen, wo ein lokales Netz sowie ein Notstromaggregat
nicht oder selten vorhanden sind. Im
autarken Betrieb sind die regenerativen Erzeuger auf
die Ausgänge der Inselwechselrichter geschaltet, wobei
BILD 3: Innenansicht des Containers
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2.2 Semi-autarker Betrieb
Der semi-autarke Betrieb ähnelt dem autarken Betrieb, mit
dem Unterschied, dass am Eingang der Inselwechselrichter
das lokale Netz zugeschaltet wird, siehe Bild 5. Somit
kann das System bei Perioden geringer Last und hoher
Energieproduktion vollständig in Betrieb bleiben,
ohne die Erzeuger abschalten zu müssen [2]. Nachteilig
an diesem Betriebsmodus ist, dass bei großen Anschlussleistungen
im Inselnetz sowie bei der Batterienachladung
immer ein Anteil Netzenergie bezogen
wird und somit der autarke Grundgedanke des Kraftwerks
in den Hintergrund rückt. Der maximale Bezugsstrom
am Eingang wird, je nach Einspeiselast,
dynamisch eingestellt.
2.3 Netzbetrieb
Im Netzbetrieb wird das lokale Netz, wie in Bild 6
gezeigt, am Eingang zugeschaltet und die regenerativen
Erzeuger ebenfalls auf das lokale Netz synchronisiert.
Somit entsteht ein netzgebundenes Batteriekraftwerk,
das bei Netzausfall eine unterbrechungsfreie
Stromversorgung der Lasten darstellt. Bei einer
Unterbrechung des lokalen Netzes schalten sich die
Komponente
Elektrisches System
Inselwechselrichter
Fotovoltaikanlage
Kleinwindkraftanlage
Wandler Brennstoffzelle
Batteriespeicher
Wasserstoffsystem
Brennstoffzelle
Elektrolyseur
H 2 -Speicher
Steuerung
HMI-SPS
Gehäuse
Container
Isolierung
Details
3 x 3,6 kW, 400 Vac. 48 Vdc
15 x 240 Wp, 3,6 kWp Wechselrichter
1,5 kW, 170 Vdc, 1,7 kWp Wechselrichter
DC/DC, 1,2 kW, 48 V Ausgangsspannung
24 x 2V Zelle, OPZV, 600 Ah (C10)
1,2 kW, 16-36 V, (PEM), 48 V DC/DC Wandler
2 x (1,2 kW, 200 Nl/h), 30 Bar max.
2 x 60 l Stahlflasche mit GFK
DC1010, 10“-Display, 400 MHz
DIN-20 Fuß-Überseecontainer
60 mm-PUR-Sandwichplatten
BILD 5: Autarker
beziehungsweise
semi-autarker Betrieb
TABELLE 1: Komponentenübersicht des Systems
BILD 6: Netzbetrieb
(netzgebundenes
Batteriekraftwerk)
BILD 4: Gesamtsystem des Modulkraftwerks
BILD 7: Kriterien der Netzautomatik
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HAUPTBEITRAG
regenerativen Erzeuger ab, und das Inselsystem sichert
die Energiebereitstellung.
Der Vorteil dieser Verschaltung ist, dass die Nennleistung
der Inselwechselrichter nicht der Nennleistung
der Erzeuger entsprechen muss, wie es bei den autarken
Modi der Fall ist, und somit die Inselwechselrichter, je
nach Lastanforderung, kleiner dimensioniert werden
können. In den autarken Modi, muss der Inselwechselrichter
der Nennleistung der Erzeuger entsprechen, um
diese Leistung in die Batterie laden zu können.
3. ADAPTIVES STEUERUNGS- UND REGELUNGSKONZEPT
Um den autarken Einsatz des Kraftwerks individuell
anpassbar und zu einem gewissen Maß intelligent zu
machen, sind in der SPS des Modulkraftwerks Funktionalitäten
programmiert, die die Systemperformance
des Gesamtsystems maßgeblich beeinflussen. Das eingesetzte
Steuerungsgerät ist eine kompakte HMI-Steuerung,
die über Steckkarten mit Ein/Ausgängen sowie
mit verschiedenen Schnittstellen ausgestattet und in
einem Displaygehäuse verbaut ist. Die Steuerung wird
mit der Software CoDeSys 2.3 programmiert und vernetzt
im Modulkraftwerk alle definierten Schnittstellen
miteinander. Über eine RS 232-Schnittstelle werden die
wichtigsten elektrischen Systemgrößen der Inselwechselrichter,
wie der Ladezustand der Batterie, die aktuelle
Ladephase und die elektrischen Messwerte, ausgelesen.
3.1 Netzautomatik
Das Ziel der Netzautomatik ist es, die Netzkopplung ausschließlich
zur Überschuss- oder Batterieeinspeisung zu
nutzen. Die vordefinierte Betriebsführung der Inselwechselrichter
wird durch die übergeordnete SPS wesentlich
in deren Anwendungsvariabilität erweitert.
Somit wird neben der Überschusseinspeisung eine geziehlte
Batterieeinspeisung mit anschließender autarker
Nachladung möglich. So könnte ein aus mehreren Modulkraftwerken
bestehendes Minigrid Energie zwischen
einzelnen Containern transferieren. Ohne die Netzautomatik
ist eine definierte autarke Ladung in den netzgekoppelten
Modi nicht möglich. Sobald keine Überschussenergie
im Inselsystem mehr anfällt, wird das lokale
Netz durch die Netzautomatik vom Kraftwerk getrennt.
Mit Unterschreiten eines kritischen Batterieladezustands
wird das lokale Netz zwecks Batterienachladung
zur Vorbeugung eines Systemausfalls zugeschaltet. Folgende
Regelgrößen gehen in die Netzautomatik ein:
Batterieladephase: Bulk (I)/ Absorption (U1)/
Schwebeladung (U2)
Referenzspannung der Ladephasen und Batteriespannung
Die Netzautomatik vergleicht die aktuelle Batterieladephase
der mehrstufigen Ladekurve mit der Batteriespannung
und deren Sollwert und entscheidet, ob das
Kraftwerk autark, oder zwecks Überschusseinspeisung,
mit Netzkopplung arbeitet, siehe Bild 7. Die Batterieladephase
der Inselwechselrichter ist abhängig
vom errechneten SOC des Batteriemanagementsystems
(BMS). Dieses wurde speziell auf die verwendeten Batterien
parametriert.
Somit wird der Energiebezug aus dem Netz auf ein
Minimum begrenzt und das Kraftwerk bis zu definierten
Grenzsituationen autark betrieben. Die Netzautomatik
ist entsprechend der Ladezyklenwechsel der
Batterie träge schaltend, um ein zu häufiges Zu/Abschalten
des Netzes zu verhindern. Die Batterien werden,
soweit wie möglich, autark geladen, wobei der Ladezyklus
durch das lokale Netz vollständig beendet wird.
BILD 8: Spannung [V] und Frequenz [Hz] am AC_in
BILD 10: Ladezustand [%] und Batteriespannung [V]
BILD 9: Summenstrom [A] am AC_in
BILD 11: Summenleistung [kVA] am AC_out
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Eine vollständig, autarke Ladung ist aufgrund der unregelbaren
regenerativen Erzeuger meist nicht möglich.
Entladetest mit Netzautomatik
Im folgenden Abschnitt wird eine Messung einer Batterieeinspeisung
ins lokale Netz mit anschließender autarker
Nachladung durch die regenerativen Erzeuger dargestellt.
Als Lastszenario wird zwischen 2 und 5 Uhr ein
Teil der gespeicherten Energie aus der Batterie ins lokale
Netz eingespeist, indem das Netz in diesem Zeitraum
zugeschaltet, siehe Bild 8, die Batterieeinspeisung aktiviert
und der Sollwert für die Einspeisung auf 5 A pro
Phase eingestellt wird, siehe Bild 9. Die Messung zeigt
den charakteristischen Verlauf eines sonnigen Märztages.
Wie in Bild 9 gezeigt, summiert sich der Einspeisestrom
am AC_in auf 15 A.
Die Batterie wird in diesem Zeitraum von initial
90 % SOC bis zu 50 % SOC entladen, wobei die Batteriespannung
auf 46,5 V einbricht, siehe Bild 10.
Mit beginnender Fotovoltaikeinspeisung ab t > 8 Uhr,
wird die Batterie bis t = 17 Uhr autark geladen, siehe Bild
11. Der Ladezustand steigt über den Tag bis auf 90 % SOC
an, wobei die Batteriespannung einen Wert 55 V erreicht.
Die summierte Leistung am Inselnetzausgang (AC_
out) ist in Bild 11 dargestellt. Würde die Batterie im
Verlauf des Tages vollständig geladen und die Ladeendspannung
erreichen, würde die Netzautomatik das lokale
Netz zwecks Überschusseinspeisung zuschalten.
Normalbetrieb mit Netzautomatik
Im nächsten Abschnitt wird der Normalbetrieb des
Systems mit aktivierter Netzautomatik beschrieben. Die
Messung zeigt eine charakteristische Messung eines
Tages im August. Das System läuft bis t = 10 Uhr autark
ohne Netzkopplung, siehe Bild 12.
Mit beginnender Energieproduktion der Fotovoltaikanlage
ab t > 9 Uhr, siehe Bild 13, steigt die Batteriespannung,
siehe Bild 14, stetig an, bis die Ladeendspannung
erreicht wird.
Bei t = 10 Uhr wird die Ladeendspannung von 57 V
erreicht, siehe Bild 14, und die Netzautomatik schaltet
das lokale Netz zu, um eine Überspannung zu vermeiden.
Mit zugeschaltetem Netz bei t > 10 Uhr wird die
Ladeendspannung noch bis t = 10:30 Uhr gehalten, um
den Batterieladezyklus vollständig zu beenden. Während
der Überschusseinspeisung wird die Batteriespannung
auf dem definierten Niveau der Schwebeladungsspannung
gehalten.
Mit zugeschaltetem Netz wird der überschüssige Erzeugerstrom
ins lokale Netz gespeist, siehe Bild 15. Ab
t = 22 Uhr wird mit einer definierten Verzögerung zur
letzten Überschusseinspeisung der autarke Modus aktiviert
und das Kraftwerk ohne Netzkopplung durch
die Nacht betrieben, siehe Bild 12.
Die Netzautomatik bietet somit die Möglichkeit, die
ungeregelten regenerativen Erzeuger solange autark zu
betreiben, bis die Referenzspannung der jeweiligen
Ladephase überschritten wird. Beim Betrieb mit deaktivierter
Netzautomatik würden die Erzeuger stattdessen
über eine Erhöhung der Inselnetzfreuqenz über die
Betriebsführung der Inselwechselrichter abgeschaltet,
wobei Ertragsausfälle entstehen. Somit wird die autarke
Performance des Kraftwerks durch die Netzautomatik
verbessert und eine gezielte Einspeisung ins
lokale Netz ermöglicht.
3.2 Dynamische Entladegrenze
Die autarke Ausrichtung eines Systems bringt immer
einen möglichen Energieengpass mit sich, wobei ungesicherte
Lasten zwecks Vorbeugung eines Systemausfalls
abgeworfen werden. Das Modulkraftwerk bedient
sich dieser Funktionalität mit der Erweiterung einer
BILD 12: Spannung [V] und Frequenz [Hz] am AC_in
BILD 14: Ladezustand [%] und Batteriespannung [V]
BILD 13: Summenleistung [kVA] am AC_out
BILD 15: Summenstrom [A] am AC_in
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HAUPTBEITRAG
BILD 16: Monatliche Ertragsprognose des Systems [kWh]
BILD 18: Kriterien für Wasserstofferzeugung
BILD 17: Dynamische Entladegrenze der Batterie [%]
BILD 19: Betriebsführung Rückverstromung
dynamischen Anpassung der Lastabwurfschwelle, die
als Initialwerte die Ertragsdaten der Software Homer
Legacy, siehe Bild 16, sowie die Eigenverbrauchsdaten
und Lastprofildaten der Nutzeranforderung zur Errechnung
der Lastabwurfschwelle verwendet [3]. Diese werden
für den jeweiligen Einsatzort oder das Lastszenario
im Quelltext der Steuerung hinterlegt.
Aus der Batteriekapazität und dem durchschnittlich
prognostizierten Tagesertrag wird die dynamische Entladegrenze
in der SPS berechnet und zwecks Zyklenmaximierung
der Batterie auf Werte zwischen 30 % und
80 % SOC begrenzt. Die Daten der Simulation werden mit
den Messwerten von Ertrag und Verbrauch monatlich
aktualisiert und somit zyklisch in der SPS korrigiert.
Die untere Entladegrenze der Batterie wird mit 30 %
SOC angegeben, wobei die zyklen-maximierte Entladegrenze
mit 80 % SOC angegeben wird. Die errechnete
Entladegrenze wird durch dieses Intervall angepasst
und als dynamische Entladegrenze im System verwendet,
siehe Bild 17. Somit kann das System für jeden
Standort jahreszeitabhängig an die individuell variierenden
Erzeuger-Lastverhältnisse angepasst und die
autarke Performance des Systems nochmals gesteigert
werden. Die dauerhaft korrigierten Mittelwerte optimieren
mit der Zeit die dynamische Entladegrenze und
verbessern somit die Ausnutzung der Batteriekapazität.
3.3 Wasserstoffherstellung (H2-Modus)
Der H2-Modus steuert die gezielte Zuschaltung der
Elektrolyseurstufen. Bei gleichzeitiger Aktivierung des
H2-Modus mit der Netzautomatik wird die Wasserstoffkette
im System freigegeben. Im Fall eines Energieüberschusses
im autarken Betrieb werden die Elektrolyseure,
wie in Bild 18 dargestellt, zum Abfangen der
überschüssigen Energie stufenweise aktiviert.
Der Algorithmus ähnelt dem der Netzautomatik. Die
Messung der Systemlast erfolgt über die Batteriespannung
sowie über die dazugehörige Ladephase der Batterie.
Tritt trotz aktivierten Elektrolyseuren eine Batterieüberspannung
auf, wird das Energiemanagement der
Netzautomatik zugeordnet, die in diesem Fall, wenn
möglich, eine Netzzuschaltung durchführt. Um die
Batteriekapazität der elektrischen Grund-/Spitzenlastversorgung
vorzuhalten, werden die Elektrolyseure im
H2-Modus durch regenerative Erzeuger betrieben und
möglichst nicht aus der Batterie gespeist.
3.4 Wasserstoffrückverstromung (H2-Modus)
Der erzeugte Wasserstoff wird im aktivierten Wasserstoffbetrieb
zur Rückverstromung in ertragsschwachen
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Zeiten verwendet. Kommt es trotz Lastabwurfsystem
zu einer Tiefenentladung der Batterie (SOC < 30 %) wird
über die Brennstoffzelle eine Notladung der Batterie
aktiviert.
Im Boost-Betrieb wird die Brennstoffzelle bei hohen
Anschlussleistungen am autarken System aktiviert, um
der Batterieentladung entgegenzuwirken. Der Leistungssollwert
für die Aktivierung der Boost-Funktion kann
vom Nutzer je nach Spitzenlastbedarf eingestellt werden.
Dieser Wert ist üblicherweise größer als die Nennleistung
der regenerativen Erzeuger und beträgt maximal
die Nennleistung des Inselsystems (5-10,8 kW).
ZUSAMMENFASSUNG
Das Modulkraftwerk zeigt den Stand der Technik im
Bereich autarker Elektrifizierung mit den Schwerpunkten
Leistungselektronik, Batterietechnologie, Wasserstofftechnik
sowie Steuerungstechnik auf. Es ist ein
Beispiel für eine modellbasierte Systementwicklung
mit prognostizierter Ertragsabschätzung. Die Entwicklung
einer Steuerungssoftware als ersten Ansatz für ein
grundlastfähiges, autarkes Kraftwerk ist erfolgreich
umgesetzt, birgt aber noch ein großes Entwicklungspotenzial.
Das für den autarken Einsatz optimierte Modulkraftwerk
hat Innovationscharakter, da vergleichbare Serienprodukte
am Markt die autarke Ausfallsicherheit
meist über den Einsatz von fossilen Energien sicherstellen.
Die Kombination aus Batterie- und Wasserstoffspeicher
unter Verwendung einer übergeordneten, auf den
autarken Einsatz optimierten Betriebsführung, lässt
sich derzeit am Markt als Serienprodukt nicht finden.
Die verschiedenen Komponenten des Modulkraftwerks
lassen sich nach deren anteiligen Kosten pro
Kilowatt darstellt, siehe Bild 20.
Die Wasserstoffkomponenten sind wesentlich kostenintensiver
als die Komponenten des grundlegenden
Elektrosystems bei gleichzeitig niedrigerer Lebensdauer.
Bei den regenerativen Erzeugern zeigt sich, dass
Kleinwindkraftanlagen im Vergleich zu Fotovoltaikanlagen
noch immer weitaus teurer sind. Für die genaue
Ertragsabschätzung und Systemauslegung eines autarken
Systems hat sich herausgestellt, dass das Performancepotenzial
von Kleinwindkraftanlagen schwierig
einzuschätzen ist und manche Produkte kritisch hinterfragt
werden müssen.
Durch Verwendung von Wasserstoffkomponenten im
Container müssen besondere Klimatisierungsvorschriften
bezüglich Luftdurchsatz und Temperatur im Container
eingehalten werden. In Regionen mit extremen
Temperaturen muss das Containerkraftwerk mit Klimatisierungsgeräten
ausgestattet werden, die im Prototyp
nicht installiert sind. Das Modulkraftwerk wird an
der FH-Stralsund bei der Ausbildung am Institut für
Regenerative Energiesysteme verwendet und dadurch
dauerhaft weiterentwickelt.
MANUSKRIPTEINGANG
23.10.2013
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
REFERENZEN
AUTOR
BILD 20:
Prozentuale Kosten
pro Kilowatt Peak
[1] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Development of a base load, autarkic,
modular power plant. In: Tagungsband HTRSE 2012, S.43-48,
Miedzyzdroje
[2] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Modulkraftwerk- Eine Inselenergieversorgung.
In: Tagungsband REGWA Symposium 2012, S.46-50, Stralsund
[3] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Adaptives Steuerungs- und Regelungskonzept
eines autarken Kraftwerks. In: Tagungsband AALE- 2013,
ISBN: 9783835633643
[4] Hompage Modulkraftwerk: http://salon.io/Modulkraftwerk
[5] NREL: Homer Legacy.
http://www.homerenergy.com/HOMER_legacy.html
Dipl.-Ing. (FH) CHRISTIAN KOLBE
(geb.1981) arbeitet als R&D-Systemingenieur
bei der Heliocentris Academia
GmbH in Berlin. Von 2011 bis 2013 war
er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim
Projekt Modulkraftwerk am Institut für
Regenerative Energiesysteme der
FH-Stralsund. Nach dem Studium
Regenerative Energietechnik an der
FH-Nordhausen von 2004 bis 2009 war er bis 2011 als
Entwicklungsingenieur Leistungselektronik bei der Suzlon
Energy GmbH in Rostock tätig.
Heliocentris Academia GmbH,
Rudower Chaussee 29, D-12489 Berlin,
Tel. +49 (0) 30 340 60 17 35, E-Mail: Christian.Kolbe@gmx.de
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IMPRESSUM / VORSCHAU
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Es gelten die Preise der Mediadaten 2014
Anzeigenverwaltung:
Brigitte Krawczyk
Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 12
E-Mail: krawczyk@di-verlag.de
Art Direction / Layout:
deivis aronaitis design | dad |
Druck:
Druckerei Chmielorz GmbH,
Ostring 13,
D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt
Gedruckt auf chlor- und
säurefreiem Papier.
Die atp wurde 1959 als „Regelungstechnische
Praxis – rtp“ gegründet.
DIV Deutscher Industrieverlag
GmbH München
Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen
Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich
geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich
zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne
Ein willigung des Verlages strafbar.
Gemäß unserer Verpflichtung nach § 8
Abs. 3 PresseG i. V. m. Art. 2 Abs. 1c DVO
zum BayPresseG geben wir die Inhaber
und Beteiligungsverhältnisse am Verlag
wie folgt an:
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH,
Arnulfstraße 124, D-80636 München.
Alleiniger Gesellschafter des Verlages
ist die ACM-Unternehmensgruppe,
Ostring 13,
D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt.
ISSN 2190-4111
DIE AUSGABE 10 / 2014 DER
ERSCHEINT AM 02.10.2014
MIT DEM SCHWERPUNKT
„MENSCH-PROZESS-KOMMUNIKATION“
Zustandsüberwachung
und Performanzprognose
Energieorientierte
Prozessbewertung
und -führung
Hochverfügbare
Kommunikation für die
industrielle Automation
Anlagendiagnose in der
industriellen Produktion
Aus aktuellem Anlass können sich die Themen
kurzfristig verändern.
LESERSERVICE
E-MAIL:
leserservice@di-verlag.de
TELEFON:
+ 49 (0) 931 417 04 59
66
atp edition
9 / 2014
6. SIL-Sprechstunde
Funktionale Sicherheit
23. + 24.9.2014, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH
www.sil-sprechstunde.de
Irrtümer und
Missverständnisse
Veranstaltungskonzept
Termin
Ort
Haben Sie Fragen zur Anwendung der Normen
IEC 61508, IEC 61511 oder VDI/VDE 2180? Sind Sie
gefordert, die eingetretenen Pfade zur Erlangung der
Sicherheit zu verlassen? Dann sind Sie hier richtig!
Reichen Sie Ihre Fragen rund um SIL ein. Diskutieren
Sie mit Experten über die aktuellen Themen der
Funktionalen Sicherheit am 23. und 24. September
in Mannheim!
Dienstag, 23.09.2014
Veranstaltung (11:30 – 17:15 Uhr)
„Get-Together“ (ab 18:00 Uhr)
Mittwoch, 24.09.2014
Veranstaltung (9:00 – 15:00 Uhr)
Pepperl+Fuchs GmbH
Lilienthalstr. 200
68307 Mannheim
Programm
Vom Umgang mit SIL – Erfahrungen eines
Behördenvertreters
Fallstricke bei der SIL-Einreichung –
Beobachtungen einer Prüfstelle
Die meistgemachten Fehler in der funktionalen
Sicherheit
Richtige Mitbenutzung sicherheitstechnischer
Komponenten für die Prozessleittechnik
Korrelation zwischen funktionaler Sicherheit
und IT-Security
Ist SIL eine Produkteigenschaft?
Workshops
Referenten
Thomas Gabriel, Bayer Technology Services GmbH
Dirk Hablawetz, BASF SE
Martin Herrmann, Infracor GmbH
Andreas Hildebrandt, Pepperl+Fuchs GmbH
Udo Hug, BImSchG ß 29a Sachverständiger
Thomas Karte, Samson AG
Josef Kuboth, Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen
Bernd Schrörs, Bayer Technology Services
Heiko Schween, HIMA Paul Hildebrandt GmbH + Co KG
Peter Sieber, Bilfinger alpha msr GmbH
Johann Ströbl, TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Werner Brockschmidt, Tesium GmbH
Teilnahmegebühren
atp edition-Abonnenten 540 € zzgl. MwSt.
Firmenempfehlung 590 € zzgl. MwSt.
reguläre Teilnahmegebühr 690 € zzgl. MwSt.
Studenten
kostenlos
(Universität, Fachhochschule, Duale Hochschule – Vorlage des
Studentenausweises bei der Anmeldung erforderlich)
Anmeldung
Detaillierte Informationen zur Veranstaltung,
das vollständige Programm sowie die Online-
Anmeldung finden Sie im Internet unter
www.sil-sprechstunde.de
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH
Kirstin Sommer
Arnulfstraße 124
80636 München
Tel.: +49 (0) 89 203 53 66-24
Fax: +49 (0) 89 203 53 66-99
E-Mail: soerensen@di-verlag.de
www.sil-sprechstunde.de
Pepperl+Fuchs GmbH
Dr. Andreas Hildebrandt
Lilienthalstraße 200
68307 Mannheim
Tel.: +49 (0) 621 776-1454
Fax: +49 (0) 621 776-1108
E-Mail: ahildebrandt@de.pepperl-fuchs.com
www.pepperl-fuchs.de
Der wohl kleinste
Drucktransmitter der Welt.
Kompensierte Drucktransmitter ab Durchmesser 11 mm mit hermetisch eingebettetem Signalprozessor.
Die einmalige Kombination aus kleinster Baugrösse, Performance und Medienvertäglichkeit.
Druckbereiche: 0,3…1000 bar / Genauigkeit: 0,15 %FS / Rostfreies Stahlgehäuse
Analoge C-Linie (Serie 4 LC…9 LC)
- Analogausgang: 0,5…4,5 V ratiometrisch
- 2 kHz Abtastrate
- Betriebstemperaturbereich bis zu 150 °C
- Geschützt bis ±33 V
Digitale D-Linie (Serie 4 LD…9 LD)
- Digitale Schnittstelle: I 2 C
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- Druck- und Temperaturinformation
www.keller-druck.com