04.09.2014 Aufrufe

atp edition Wasser und Abwasser in Megastädten der Zukunft (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

9 / 2014

56. Jahrgang B3654

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Automatisierungstechnische Praxis

Wasser und Abwasser in

Megastädten der Zukunft | 28

Anforderungs- und

Testfall-Codesign | 38

Stellantrieb mit sicheren

Funktionen nach IEC EN 61508 | 48

Adaptive Führung eines

Modulkraftwerks | 58


Erreichen Sie die Top-Entscheider

der Automatisierungstechnik.

Sprechen Sie uns an wegen Anzeigenbuchungen

und Fragen zu Ihrer Planung.

Inge Spoerel: Telefon +49 (0) 89 203 53 66-22

E-Mail: spoerel@di-verlag.de


EDITORIAL

Modulare Automation

in der Prozessindustrie

Prozessintensivierung, Modularisierung, Plug-and-Produce sind Schlagworte

für Ansätze, in der Prozessindustrie die konzeptionelle Lücke

zwischen der kontinuierlichen und hocheffizienten Massenproduktion von

Ausgangsstoffen und entsprechend der spezifischen Anforderungen einzelner

Kunden funktionalisierter Endprodukte zu schließen. Bei letzteren werden

die Anforderungen an die Flexibilität der Produktion und die Anpassung

an die Volatilität der Märkte heute durch eine Chargenfahrweise erreicht,

jedoch häufig mit einer deutlich geringeren Raum-Zeit-Ausbeute und Auslastung

des Equipments als ein äquivalenter, kontinuierlich geführter Produktionsprozess.

Die Architekturen aktueller Prozessleitsysteme sind darauf angelegt, mittlere

bis große Anlagen skalierbar und effizient automatisieren zu können. Sie

sind entsprechend modular aufgebaut und erlauben zumeist auch einen modularen

Aufbau der Automatisierungslogik. Die Zerlegung in wiederverwendbare

Einheiten ist Voraussetzung und geübte Praxis für das Massendaten-Engineering.

Leider funktioniert das heute im Allgemeinen nur dann

effizient, solange man innerhalb der homogenen Welt eines Leitsystems bleibt.

Die nahtlose Integration eines Prozessmoduls als Einheit aus Prozesstechnik

und Automationssystem in heutige Leitsysteme erfordert hingegen erhebliche

manuelle Aufwände. Da es hierfür noch keine standardisierten

Beschreibungsmittel gibt, müssen im Extremfall die Kommunikationsstrukturen

zur Integration des Informationshaushalts eines Moduls in eine übergeordnete,

echtzeitfähige Prozessführungsebene manuell Bit für Bit angelegt

werden. Hier beschleunigen findige Ingenieure ihre Arbeit häufig mit einer

bekannten Tabellenkalkulationssoftware. Für eine zuverlässige wiederholbare

Automation der Automation in einer herstellerübergreifend definierten

Plug-and-Produce-Architektur, die beispielsweise erlaubt, ein defektes Prozessmodul

in 10 bis 30 Minuten auszutauschen oder ein neues Modul in in

weniger als einer Stunde zu integrieren und in Betrieb zu nehmen sind jedoch

noch erhebliche konzeptionelle Anstrengungen notwendig.

Erste gemeinsame Schritte von Herstellern und Anwendern sind bereits

zu erkennen. So arbeitet der ZVEI-Arbeitskreis Modulare Automation als

Spiegelarbeitskreises des NAMUR AK 1.12 eine gemeinsame Antwort auf

die NE 148. Der GMA-Fachausschuss 6.16 setzt die Anforderungen der

NE 150 um, um bidirektional den in einem PLT-CAE-System abgelegten

Planungsstand und den im Leitsystem hinterlegten Ist-Stand auf einer Anlage

abzustimmen. Der GMA FA 5.16 beschäftigt sich nach Fertigstellung

des Blatts VDI/VDE 2657-2, Vorgehensmodelle für den Middleware-Engineering-Prozess,

mit Architekturen für Automatisierungsysteme und deren

Eignung, Anforderungen an integriertes Engineering, plug-and-produce,

funktionale Sicherheit und Informationssicherheit zu erfüllen.

Diese Bandbreite der Anforderungen an Automation in einem Umfeld, das

zunehmend von Kommunikation und Integration in Wertschöpfungsnetze

geprägt ist spiegelt sich auch in den für diese Ausgabe der atp edition ausgewählten

Hauptbeiträgen. Viel Vergnügen bei der Lektüre.

Signum

LEON URBAS,

Chefredakteur atp edition

Professor für Prozessleittechnik

an der Technischen Universität

Dresden

atp edition

9 / 2014

3


INHALT 9 / 2014

VERBAND

6 | Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 –

Call for Papers zur 12. AALE-Konferenz in Jena

VDE lobt Preis für junge Ingenieurinnen aus

FORSCHUNG

8 | RoboCup in Brasilien: Teams der TU Darmstadt

und FH Aachen kehren als Sieger zurück

Call for atp experts: Digitale Fabrik

9 | Humanoider Roboter mit Fingerspitzengefühl

BRANCHE

10 | GMA-Report: CPS-basierte Automation ist die Grundlage,

um Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen

Call for Papers für AMA-Kongresse

11 | Workshop IT Security: Lösungen für die Praxis

Neuer Studiengang zur Cybersicherheit

RUBRIKEN

3 | Editorial

66 | Impressum, Vorschau

4

atp edition

9 / 2014


PRAXIS

12 | Herausforderung Maschinenrichtlinie:

Internes Managementsystem

bringt Effizienz und Sicherheit

16 | Prädiktive Wartung: Analyse von

Echtzeit- und historischen Daten kann

Ausfälle verhindern

20 | Sensible Roboterhaut erlaubt sichere

Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

22 | Schweißstromquelle, Werkstückpositionierer

und Roboter stimmen

ihre Aktionen aufeinander ab

24 | Maßnahmen auf dem Weg zur

energieeffizienten Fabrik der Zukunft

Produkte,

Systeme

und Service

für die

Prozessindustrie?

Natürlich.

HAUPTBEITRÄGE

28 | Wasser und Abwasser in

Megastädten der Zukunft

A. GAHR, C. WOLF UND P. KERN

38 | Anforderungs- und Testfall-Codesign

S. RÖSCH, S. FELDMANN, D. FÖRSTER UND B. VOGEL-HEUSER

48 | Stellantrieb mit sicheren

Funktionen nach IEC EN 61508

P. MALUS, W. THOMANN UND K.-H. KAYSER

58 | Adaptive Führung

eines Modulkraftwerks

C. KOLBE

Der PostionMaster EDP300 überzeugt

durch hohe Luftleistung von 50 kg/h bei

10 bar, Diagnosefähigkeit nach Namur

und Überdruckfestigkeit. Mit den

Zulassungen für den Betrieb in Ex-Zone 1

und SIL2 ermöglicht der EDP300 eine

hohe Anlagensicherheit. Durch die

mechanische Stellungsanzeige ist

die Erfassung der Ventilstellung auch

ohne Stromversorgung möglich.

Zuverlässiges Regelverhalten, Flexibilität

und seine kompakte Bauform zeichnen

den EDP300 aus.

www.abb.de/aktorik

Wussten Sie, dass Ihnen ABB

neben dem umfassenden Portfolio

für die Instrumentierung ebenso

herausragende Produkte und

Lösungen für die Analysentechnik,

modernste Leitsysteme sowie

erstklassigen Service bietet?

Lesen Sie mehr unter:

www.abb.de/

prozessautomatisierung

ABB Automation Products GmbH

Tel.: 0800 111 44 11

Fax: 0800 111 44 22

vertrieb.messtechnik-produkte@de.abb.com


VERBAND

Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 –

Call for Papers zur 12. AALE-Konferenz in Jena

AALE 2014 AN DER OTH REGENSBURG: Eine konferenzbegleitende

Ausstellung wird auch 2015 in Jena die Möglichkeit

bieten, aktuelle Produktentwicklungen auf dem Gebiet der

Automatisierungstechnik kennenzulernen. Bild: OTH Regensburg

Automatisierung im Fokus von Industrie 4.0 lautet das

Leitthema der 12. Konferenz für Angewandte Automatisierungstechnik

in Lehre und Entwicklung (AALE).

Sie findet am 5. und 6. März 2015 in Jena statt. Die AALE

2015 wird vom Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik

der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena in

Kooperation mit der Jenaer Akademie für Lebenslanges

Lernen organisiert und durch VFAALE, den Verein der

Freunde und Förderer der AALE unterstützt. Printmedienpartner

ist der DIV Deutsche Industrieverlag, in dem

auch die Tagungsbände AALE-Konferenzen erscheinen.

Die Veranstalter rufen zur Einreichung von Beiträgen

auf. Gewünscht sind Vorträge über Trends in der Auto-

matisierungstechnik, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten,

Kooperationen zwischen Hochschulen und

Industrie sowie Lehre und Ausbildung, Didaktik oder

MINT-Projekte. Die Beiträge können aus allen Gebieten

mit Bezug zur Automatisierungstechnik stammen.

Wichtig ist den Veranstaltern: Die AALE fördert insbesondere

Hochschul-Industrie-Netzwerke. Die nicht von

Hochschulen eingereichten Beiträge sollten deshalb

mindestens einen Hochschulangehörigen als Autor aufweisen.

Die Eckdaten für den Call for Papers: Abstracts

können eingereicht werden bis zum 6. Oktober. Bis 3.

November werden die Einreicher über eine Annahme

benachrichtigt. Die druckfertigen Beiträge müssen bis

zum 1. Dezember vorliegen. Der Abstract sollte etwa

1200 Zeichen, maximal aber zwei Seiten umfassen. Für

jeden Vortrag sind 15 Minuten vorgesehen. Die Einreichung

der Abstracts zu den Beiträgen erfolgt in elektronischer

Form unter www.conftool.net/aale2015.

Die AALE hat sich zu einem bewährten Forum für

Hochschulprofessoren und -innen sowie Vertreter

und Vertreterinnen aus Wirtschaft und Industrie entwickelt

und dient zum Erfahrungsaustausch über

moderne Konzepte, Entwicklungen und die Lehre in

der Automatisierungstechnik. Die konferenzbegleitende

Ausstellung namhafter Firmen bietet die Möglichkeit

aktuelle Produktentwicklungen auf dem Gebiet

der Automatisierungstechnik kennen zu lernen.

Unternehmen, die die AALE unterstützen möchten,

finden Informationen über Sponsoringpakete unter

http://www.vfaale.de/index.php/pages/news. (gz)

ORGANISATIONSBÜRO DER AALE 2015,

ERNST-ABBE-FACHHOCHSCHULE JENA,

Carl-Zeiss-Promenade 2, D-07745 Jena,

Tel. +49 (0) 3641 20 51 08,

Internet: www.fh-jena.de/aale2015

VDE lobt Preis für junge Ingenieurinnen aus

Der VDE und die Dr. Wilhelmy-Stiftung haben sich in

einer Kooperationsvereinbarung darauf verständigt,

künftig gemeinsam herausragende Dissertationen der Elektrotechnik

auszuzeichnen. Der neu ins Leben gerufene

Elektrotechnik-Preis soll jedes Jahr an bis zu drei junge

Ingenieurinnen der Elektro- und Informationstechnik verliehen

werden. Die Auszeichnung ist mit je 3000 Euro

dotiert und soll junge Forscherinnen zu einer wissenschaftlichen

Laufbahn motivieren. Mit dem neuen Elektrotechnik-Preis

für Nachwuchswissenschaftler will der

VDE junge Talente fördern, um den Fachkräftebedarf

Deutschlands als Technikstandort langfristig zu befriedigen

zu können. Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage

an gut ausgebildeten Elektroingenieurinnen und

-ingenieuren in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird.

Voraussetzung für die Auszeichnung mit dem neuen

Elektrotechnik-Preis sind ein herausragender Promoti-

onsabschluss und eine hohe Bedeutung der Dissertation

für die Wissenschaft und den Elektrotechnik-Standort

Deutschland. Bei Abgabe der Dissertation dürfen die

Ingenieurinnen nicht älter als 35 Jahre gewesen sein.

Berücksichtigt werden ausschließlich Arbeiten aus dem

deutschsprachigen Raum. Die Preisverleihung wird einmal

jährlich im Rahmen einer repräsentativen VDE-

Veranstaltung stattfinden – die Auswahl der Preisträgerinnen

erfolgt durch eine hochkarätige Jury des VDE.

Bewerbungen können bis zum 31. Januar 2015 eingereicht

werden. Weitere Informationen zum Preis sind zu

finden unter www.vde.com/ingenieurinnen. (gz)

VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK ELEKTRONIK

INFORMATIONSTECHNIK E.V.,

Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,

Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com

6

atp edition

9 / 2014


STROMVERSORGUNG MIT SYSTEM

Leistungsstark und effizient

EPSITRON ® COMPACT Power

EPSITRON ® ECO Power

EPSITRON ® CLASSIC Power

EPSITRON ® PRO Power

Die Kompakten –

Die Wirtschaftlichen –

Die Robusten –

Die Leistungsstarken –

im flachen Reihen-

zur Standardversorgung

DC 12 V, 24 V, 48 V

mit TopBoost, PowerBoost

einbaugehäuse

mit DC 24 V

und optionalem LineMonitor

Individuell ergänzbar mit unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV),

Puffermodulen, Redundanzmodulen und elektronischen Schutzschaltern.

www.wago.com/EPSITRON


FORSCHUNG

RoboCup in Brasilien: Teams der TU Darmstadt

und FH Aachen kehren als Sieger zurück

DAS TEAM

UM HECTOR:

Studierende,

Doktorandinnen

und Doktoranden

holten mit ihrem

Rettungsroboter

bei der Roboter-

WM in Argentinien

die meisten

Punkte.

Bild: TU Darmstadt

Bei der RoboCup-Weltmeisterschaft in Brasilien

konnten zwei deutsche Hochschulen Siege in den

Hauptwettbewerben erringen. Bei den Rettungsrobotern

kam ein Team der TU Darmstadt mit „Hector“

auf den ersten Platz. Im Wettbewerb der Logistikroboter

gewann die Mannschaft der FH Aachen mit ihrer Entwicklung

„Carologistics“. Das Darmstädter Team Hector

konnte in der RoboCup Rescue-League erstmals den

Weltmeistertitel erringen. Außerdem gewann des Team

erneut den Preis für den intelligentesten Roboter (Best

in Class Autonomy Award).

Beim RoboCup Rescue-Wettbewerb versuchen die

Teams, simulierte Katastrophenszenarien zu erkunden

und jeweils so viele Punkte wie möglich zu erreichen.

Die Roboter operieren in einem Szenario, wie es sich

beispielsweise nach einem Erdbeben oder einem Tsunami

darstellt. Mit ihren vielfältigen Sensoren – Video-

Kameras, Infrarot-Sensoren, 3D-Kameras, Laser-Scanner

– suchen die Roboter möglichst autonom versteckte Opfer

und Objekte.

Team Hector legt den Forschungsfokus auf die Autonomie

der Roboter, also die Fähigkeit, Katastrophengebiete

selbständig vollständig erkunden zu können. Dies

ist bei realen Einsätzen wichtig, da Funkverbindungen

zwischen Rettungskräften und Robotern, die im Gebäudeinneren

operieren, abreißen können. Durch die hohe

Zuverlässigkeit der Autonomiefunktionen war es dem

Team möglich, vom ersten Tag an hohe Punktzahlen zu

erzielen, da die automatische Erkennung und Kartierung

von simulierten Opfern hoch bewertet wird.

Team Hector hat nun viele Kernkomponenten seiner

Forschung als frei verfügbare (Open Source) Software

veröffentlicht, um die Entwicklung autonomer Rettungsrobotersysteme

zu beschleunigen und den realen Einsatz

zur Rettung von Menschenleben voranzutreiben.

Das Team Hector des DFG-Graduiertenkollegs 1362

„Cooperative, adaptive and responsive monitoring in

mixed mode environments“ besteht aus Studierenden,

Doktorandinnen und Doktoranden des Fachgebiets Simulation,

Systemoptimierung und Robotik, Fachbereich

Informatik, und des Instituts für Flugsysteme und Regelungstechnik,

Fachbereich Maschinenbau. (gz)

TECHNISCHE UNIVERSITÄT DARMSTADT,

Karolinenplatz 5, D-64289 Darmstadt,

Tel. +49 (0) 6151 160,

Internet: www.tu-darmstadt.de

Call for atp experts: Digitale Fabrik

IN AUSGABE 57(3) DER ATP EDITION im

März 2015 diskutiert die atp edition das

Thema digitale Fabrik. Die digitale Fabrik

ist nach VDI 4499-1 der Oberbegriff

für ein umfassendes Netzwerk

von digitalen Beschreibungsmitteln,

Methoden und Werkzeugen, die durch

ein durchgängiges Datenmanagement

integriert werden. Das effektive Management

der in der digitalen Anlage

abgelegten Information ist eine der

Grundlagen für die Realisierung von

Industrie-4.0-Konzepten. Ausgabe

57(3) diskutiert Herausforderungen

und stellt aktuelle Forschungs- und

Entwicklungsergebnisse vor. Ihre Beiträge

berichten idealerweise über

erste Erfahrungen mit prototypischen

Implementierungen oder der Überführung

in Produkte. Wir bitten Sie, bis

zum 28. Oktober 2014 zu diesem Themenschwerpunkt

einen gemäß der

Autorenrichtlinien der atp edition ausgearbeiteten

Hauptbeitrag per E-Mail

an urbas@di-verlag.de einzureichen.

Die atp edition ist die hochwertige Monatspublikation

für Fach- und Führungskräfte

der Automatisierungsbranche.

In den Hauptbeiträgen werden

die Themen mit hohem wissenschaftlichem

und technischem Anspruch und

vergleichsweise abstrakt dargestellt.

Im Journalteil werden praxisnahe Erfahrungen

von Anwendern mit neuen

Technologien, Prozessen oder Produkten

beschrieben.

Alle Beiträge werden von einem Fachgremium

begutachtet. Sollten Sie sich

selbst aktiv an dem Begutachtungsprozess

beteiligen wollen, bitten wir um

kurze Rückmeldung. Für weitere Rückfragen

stehen wir Ihnen selbstverständlich

gerne zur Verfügung.

Redaktion atp edition

Leon Urbas, Gerd Scholz

CALL FOR

Aufruf zur Beitragseinreichung

Thema: Digitale Fabrik

Kontakt: urbas@di-verlag.de

Termin: 28. Oktober 2014

8

atp edition

9 / 2014


Humanoider Roboter

mit Fingerspitzengefühl

1,30 METER GROSS UND 50 KILOGRAMM

SCHWER: Die neueste Generation des

Roboters Asimo kann auch den Inhalt einer

Flasche in Becher füllen. Bild: Honda

Asimo kann jetzt sogar Flaschen öffnen, Gläser

befüllen, Gebärdensprache „sprechen“, Gesichter

erkennen und Menschen ausweichen. Dieser Roboter

von Honda ist laut dem Hersteller der fortschrittlichste

humanoide Roboter der Welt. Asimo steht für

Advanced Step in Innovative Mobility. Seit 14 Jahren

präsentiert Honda immer wieder Fortentwicklungen

des Roboters. Seite 2011 spricht Honda nicht mehr

von einer automatischen, sondern von einer autonomen

Maschine, da sie ihre Umwelt immer besser

erkennt und auf dieser Basis Entscheidungen trifft.

Die neueste Version, die das Unternehmen kürzlich

in Brüssel vorstellte, kann beispielsweise Gesichter

und Stimmen mehrerer Personen erkennen,

die gleichzeitig sprechen und das eigene Verhalten

in Echtzeit der Umgebung anpassen. So ist Asimo

nun beispielsweise in der Lage vorherzusagen, in

welche Richtung eine Person gehen wird und kann

einen anderen Weg wählen, um einen Zusammenstoß

zu vermeiden.

Zudem ist die neueste Asimo-Version schneller.

Asimo läuft nun mit bis zu neun Kilometer pro Stunde

um rund 50 Prozent schneller als sein Vorgänger.

Der Roboter kann auch rückwärts laufen, Treppen

hinauf- und hinabsteigen, springen und kontinuierlich

auf einem Bein hüpfen. Seine mehrfingrigen Hände

können dank moderner Objekterkennungstechnologie

komplexe Tätigkeiten durchführen. (gz)

HONDA MOTOR EUROPE LTD.,

470 London Road,

Slough, Berkshire, SL3 8QY, United Kingdom,

Tel: +44 (0) 1753 59 05 90,

Internet: www.hondanews.eu/en


BRANCHE

GMA-Report: CPS-basierte Automation ist die

Grundlage, um Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen

reiche einteilen. Hier empfehlen wir als GMA, in den

nächsten Jahren Forschung zu fördern.“

DER NEUE

GMA-STATUS-

REPORT zu

Industrie 4.0 zeigt

den Forschungsbedarf

bei

CPS-basierter

Automation.

Bild: SmartFactoryKL

Mit dem neuen Statusreport „Industrie 4.0 – CPS-basierte

Automation“ hat die VDI/VDE-Gesellschaft

Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) herausgearbeitet,

welche konkreten Forschungsaufgaben nun zu

bewältigen sind. In dem Papier „wird deutlich, dass CPSbasierte

Automation die Grundlage ist, um konkreten

Nutzen aus Industrie 4.0 zu ziehen“, betont die neue GMA-

Geschäftsführerin Dr. Dagmar Dirzus. Der Nutzen beginne

mit der Option, alle benötigten Informationen für ein

durchgängiges Systems-Engineering bereitzustellen.

CPS-basierte Automation bietet laut Dirzus die Voraussetzung

für Diagnose und Wartung von Anlagen

sowie zur Flexibilisierung der Produktion. Großes Potenzial

liege darin, Benutzerschnittstellen einzurichten,

um Transparenz und damit Verständnis von Anlagen

zu jedem Z eitpunkt zu ermöglichen. Um diese

Chancen zu nutzen, müssten die notwendigen Forschungsbedarfe

konkretisiert werden. Aufbauend auf

dem Whitepaper der Plattform Industrie 4.0 von April

2014, wurden daher anhand von drei Usecases, in denen

existierende Anlagen mit CPS-Technologie ausgestattet

wurden, die entstehenden Anforderungen an

zielgerichtete Forschung analysiert. „Das Ergebnis“, so

Dirzus, „lässt sich auf vier fundamental wichtige Be-

1 | Statt Software komplett neu zu entwickeln solle

bislang für Vernetzung erfolgreich eingesetzte

Unternehmens-IT fit gemacht werden, um die Anforderungen

der industriellen Produktion erfüllen

zu können. Dazu zählen Echtzeitfähigkeit, Gewährleistung

funktionaler Sicherheit sowie Informationssicherheit.

2 | Auch Methoden der Automatisierungstechnik

müssten angepasst werden. So müssten beispielsweise

systematische Ansätze gefunden werden,

um die Steuerrezepterstellung in externe Cloud-

Dienste auszulagern oder um komplexe Optimierungsaufgaben

durchzuführen. Denn hier liege

das große, wirtschaftlich bedeutende Potenzial der

Effizienzsteigerung durch Industrie 4.0.

3 | Um alle Vorteile einer flexiblen Produktion zu nutzen

und physische wie virtuelle Modelle während

der Laufzeit der Anlagen austauschen, abschalten

oder ersetzen zu können, müssten flexibel anpassbare

Schnittstellen eine reibungslose Integration

und eine sichere Systemfunktionalität gewährleisten.

Trotz Flexibilität und Komplexität der Produktionssysteme

müssten geeignete Benutzerschnittstellen

garantieren, dass das Verständnis

für das Systemverhalten erhalten bleibt.

4 | Schließlich müssten Forschungen erfolgen, um die

zur Verfügung stehenden Informationen über die

gesamte Laufzeit der Produkte und Anlagen für ein

durchgängiges System-Engineering auszunutzen

und die Daten und Modelleigenschaften zwischen

den Engineering-Schritten auszutauschen. (gz)

VDI/VDE-GESELLSCHAFT MESS- UND

AUTOMATISIERUNGSTECHNIK (GMA)

VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,

VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,

Tel. +49 (0) 211 621 40, Internet: www.vdi.de

Call for Papers für AMA-Kongresse

Der AMA Verband für Sensorik und Messtechnik hat

den Call for Papers für die beiden AMA-Kongresse

Sensor und IRS² im Jahr 2015 gestartet. Beide Tagungen

finden parallel zur Messe Sensor+Test vom 19. bis 21. Mai

in Nürnberg statt. Abstracts der Vorträge oder Poster können

eingereicht werden bis zum 17. Oktober 2014.

Der Sensor-Kongress fokussiert auf die Entwicklung von

Sensoren, Aktoren und Mess- und Prüftechnik. IRS² präsentiert

aktuellste Entwicklungen von Infrarot-Sensoren

und Systemen. Die parallel stattfindende Fachmesse

Sensor+Test mit mehr als 500 Ausstellern, gilt als wichtigste

Informationsplattform der Sensorik, Mess- und Prüf-

technik europaweit und erweitert den Innovationsdialog

der Kongressteilnehmer über die AMA-Kongresse hinaus.

Interessierte Autoren bittet der Verband, eine kurze Zusammenfassung

des Vortrags oder Posters bis zum 17. Oktober

2014 einzureichen. Informationen zu den Themenschwerpunkten

und zur Dokumentvorlage sind zu finden

unter www.ama-science.org/direct/call-for-papers. (gz)

AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.,

Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,

Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20,

Internet: www.ama-sensorik.de

10

atp edition

9 / 2014


Workshop IT Security:

Lösungen für die Praxis

Die IT Security gilt als eine zentrale Voraussetzung

für den Erfolg von Industrie 4.0. Dem trägt das VDI/

VDE-Expertenforum „IT Security Lösungen für die Praxis!“

Rechnung, das am 11. November als Workshop in

Frankfurt stattfindet. Der Praxisbezug wird dort im Vordergrund

stehen. Die Veranstaltung geht auf eine gemeinsame

Initiative von Namur, PNO, VDI/VDE-GMA,

VDMA und ZVEI zurück.

Die Veranstalter betonen, IT-Security sei zwar auch

wegen des Themas Industrie 4.0 in den Fokus geraten,

werde aber interdisziplinär in der Praxis nicht ausreichend

behandelt oder noch aus der Diskussion zu Industrie

4.0 ausgeklammert. Im Workshop geht es um Problemstellungen

und dazu passende Lösungsansätze aus

der täglichen Praxis. Berichte zu IT-Security-Projekten

aus der Fabrikautomatisierung und aus dem Umfeld der

Prozessautomatisierung werden zur Diskussion gestellt.

Zentrale Themen des Workshops sind: Skizzierung

der aktuellen Bedrohungslage für die Industrieautomation,

Praxiserfahrungen aus dem Betrieb von automatisierten

Produktions- und Fertigungsanlagen, Unterstützung

durch Normen und Behörden, IT Security-Prozesse

im Unternehmen.

(gz)

Unser

Know-how

für Sie

VDI/VDE-GESELLSCHAFT MESS- UND

AUTOMATISIERUNGSTECHNIK,

VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf, Dr. Heinz Bedenbender,

Tel. +49 (0) 211 621 44 85, E-Mail: bedenbender@vdi.de

Neuer Studiengang

zur Cybersicherheit

Wie Unternehmen die eigenen Daten vor Angriffen

schützen können, wird ab Oktober im neuen Bachelor-Studiengang

Cybersicherheit an der Universität des

Saarlandes gelehrt. Die Studenten erforschen selbst die

digitalen Bedrohungen im weltweiten Netz, sind gleichzeitig

Angreifer, Verteidiger und Forscher. Sie lernen, wie

man Smartphones gegen Spionage-Apps wappnet, Computernetzwerke

gegen Angriffe aus aller Welt schützt.

„Wir sind die erste Informatik-Fakultät, die einen solchen

Studiengang im universitären Umfeld anbietet“,

sagt Michael Backes, Professor für Informationssicherheit

und Kryptografie der Universität des Saarlandes

und wissenschaftlicher Direktor des von der Bundesregierung

geförderten Kompetenzzentrums für IT-Sicherheit

(CISPA). Er wird in diesem Studiengang mit den

Forscherkollegen an den verschiedenen Informatik-Instituten

auf dem Campus zusammenarbeiten. (gz)

Mit über 50 weitgehend selbstständigen

Tochtergesellschaften

und über 220 Ingenieur- und

Verkaufsbüros ist SAMSON auf

allen Kontinenten kundennah

vertreten.

Um Ihnen die gesamte Regeltechnik

in höchster Qualität zu

bieten, hat SAMSON mit hochspezialisierten

Unternehmen die

SAMSON GROUP gebildet.

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES,

FACHRICHTUNG INFORMATIK,

Campus, D-66123 Saarbrücken,

Tel. +49 (0) 681 30 25 80 90,

Internet: www.cs.uni-saarland.de

A01120DE

SAMSON AG · MESS- UND REGELTECHNIK

Weismüllerstraße 3 · 60314 Frankfurt am Main

Telefon: 069 4009-0 · Telefax: 069 4009-1507

E-Mail: samson@samson.de · www.samson.de

SAMSON GROUP · www.samsongroup.net


PRAXIS

Herausforderung Maschinenrichtlinie: Internes

Managementsystem bringt Effizienz und Sicherheit

Normen und Richtlinien werden zuverlässig berücksichtigt und Schwachstellen frühzeitig erkannt

UM MASCHINEN UND

ANLAGEN im europäischen

Wirtschaftsraum

in Verkehr

bringen zu dürfen,

müssen die Vorgaben

der Maschinen richtlinie

(MaschRL 2006/42/EG)

erfüllt sein.

Unternehmen, die ihre Maschinensicherheit systematisch

managen, verfügen über ein wirksames

Werkzeug zur Risikobeurteilung von neuen oder modifizierten

Produkten – und damit über einen entscheidenden

Wettbewerbsvorteil.

Maschinensicherheit im Allgemeinen und funktionale

Sicherheit im Speziellen sind elementare Herausforderungen

bei der Entwicklung und Konstruktion von

Maschinen. Ziel ist es, die Risiken und Gefahren für

Mensch und Umwelt so weit wie möglich auszuschließen.

Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG nimmt Hersteller

und Betreiber in die Pflicht. Ein effizientes Managementsystem

zur funktionalen Sicherheit haben

Experten von TÜV Süd bei einem schwedischen Hersteller

von Bergbaumaschinen erfolgreich eingeführt.

Um Produkte innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums

(EWR), der Schweiz und der Türkei in

Verkehr bringen zu dürfen, müssen Hersteller von Maschinen

die Anforderungen der Maschinenrichtlinie

erfüllen. Ziel ist primär, Mensch und – davon abgeleitet

– die Umwelt zu schützen und aus unterschiedlichen

Sicherheitsanforderungen resultierende Wettbewerbsverzerrungen

zu vermeiden. Handelshemmnisse innerhalb

der EU sollen so abgebaut werden.

DIE NORMEN WERDEN KONTINUIERLICH ANGEPASST

Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG formuliert im Anhang

I allgemeine sicherheitstechnische Anforderungen.

Abhängig von der jeweiligen Branche, dem Maschinentyp

und der technischen Ausstattung greifen dann unterschiedliche,

harmonisierte und im Amtsblatt der EU

veröffentlichte Normen mit unterschiedlicher Gewichtung.

Die Normen werden dem Stand der Technik entsprechend

kontinuierlich überarbeitet und angepasst.

Exportiert ein Hersteller in Länder außerhalb des

EWR muss er darüber hinaus die Gesetze und Vorschriften

des jeweiligen Landes erfüllen, in dem die

Maschine vermarktet beziehungsweise betrieben werden

soll. In den USA beispielsweise gelten andere Vorschriften

und Auflagen zur Gewährleistung der funktionalen

Sicherheit als im europäischen Wirtschaftsraum,

zum Beispiel die UL-Standards.

MASCHINENSICHERHEIT SYSTEMATISCH MANAGEN

Hersteller und Betreiber stehen damit in der Verantwortung,

geltende, veränderte und neue Sicherheitsanforderungen

für alle Produkte und weltweite Märkte

systematisch zu beobachten und umzusetzen. Das stellt

die Unternehmen vor vielschichtige Herausforderungen:

Wie können die allgemeinen Anforderungen

der Maschinenrichtlinie in jedem konkreten Fall erfüllt

werden? Welche Normen und Standards müssen berücksichtigt

seininsbesondere auch außerhalb der

EU? Wie erfolgt die rechtssichere und belastbare Dokumentation?

Und wie kann das alles pragmatisch und

mit geringem Kostenaufwand realisiert werden?

Eine effiziente und dauerhafte Lösung zur Bewältigung

dieser komplexen Aufgaben ist die Einführung

eines betriebsinternen Managementsystems zur Maschinensicherheit

und funktionalen Sicherheit. Das

12

atp edition

9 / 2014


System bildet den organisatorischen Rahmen zur

Sicherstellung sämtlicher technischer und prozesstechnischer

Methoden und Maßnahmen, die notwendig

sind, um die Maschinensicherheit zu gewährleisten.

Das erforderliche Know-how wird gebündelt

und aufgearbeitet und kann unternehmensweit

bereits in einer frühen Phase der Entwicklung

neuer oder modifizierter Maschinen in den Konstruktionsprozess

einfließen.

Der Prozess von der Konzeption bis zur Etablierung

eines Managementsystems zur funktionalen Sicherheit

einschließlich einer möglichen Verzahnung mit

bereits vorhandenen qualitätssichernden Systemen

stellt höchste Anforderungen an ein Unternehmen.

Vor diesem Hintergrund hat ein schwedischer Hersteller

von Bergbaumaschinen Erfahrung und Knowhow

von TÜV Süd Industrie Service hinzugezogen,

um ein solches Management für den Bereich der funktionalen

Sicherheit im Unternehmen zu etablieren.

Als externe Berater zeichneten die TÜV Süd-Experten

für funktionale Sicherheit dafür verantwortlich, dass

alle relevanten Normen und Richtlinien berücksichtigt

und mögliche Schwachstellen frühzeitig identifiziert

und ausgeräumt werden konnten.

VOM KONZEPT ZUM MANAGEMENTSYSTEM

Für das global agierende Unternehmen galt es zunächst,

grundlegende Fragen zu klären: Welche konkreten

Gefahren und Risiken gehen von den im Unternehmen

hergestellten Bergbaumaschinen aus?

Welche Normen und Richtlinien sind für diese Maschinen

– auch hinsichtlich der globalen Zielmärkte

– zu erfüllen? Mit welchen Methoden können Risiken

beschrieben und quantifiziert werden? Welche konstruktiven

Maßnahmen sind unter Sicherheits- und

wirtschaftlichen Aspekten geeignet, um diese Risiken

zu minimieren oder auszuschließen?

Um diese Fragen fundiert zu beantworten, führten

die TÜV Süd-Experten zunächst mehrere Workshops

und Schulungen im Unternehmen durch. Gemeinsam

mit verantwortlichen Maschinenbauern, Konstrukteuren,

Sicherheitsingenieuren und Mitarbeitern wurde

der tatsächliche Handlungsbedarf ermittelt. Basierend

auf den Ergebnissen konnte ein erstes Konzept

entwickelt werden.

Um belastbare Aussagen zu möglichen Risiken treffen

zu können, wurden exemplarisch Mustermaschinen

analysiert und nach den einschlägigen Normen

wie der IEC 61508, EN ISO 62061, EN ISO 12100 und

EN ISO 13849-1 und EN ISO 13849-2 beurteilt. Fokussiert

wurden die inhärent sichere Konstruktion der

Maschinen, die Ausfallsicherheit der elektrischen

Systeme und der Steuerung sowie das Gefährdungspotenzial

der mechanischen und hydraulischen Elemente.

Durch die Untersuchung konnten wesentliche

Sicherheitsaspekte identifiziert werden. Die Ergeb-

Hidden Champion!

ARCA

Flow Gruppe

weltweit:

2. – 4. 12. 2014

Halle 4 · Stand A02

ECOTROL ® Stellventil

Argumente, die sich

nicht verstecken lassen:

● hohe Zuverlässigkeit garantiert durch

sorgfältige Auslegung, Fertigung

und Qualitätskontrolle

innere und äußere Dichtheit nach

höchsten internationalen Standards

● rohrloser, integrierter Anbau

von intelligenten Stellungsreglern

nach VDI 3847

● minimiert die Lebenszykluskosten

● vielfach patentiert und ausgezeichnet

Nutzen Sie den technischen Fortschritt

einer Generation bis DN 400!

ARCA Regler GmbH, 47913 Tönisvorst

Tel. 02156-7709-0, Fax 7709-55, sale@arca-valve.com

www.arca-valve.com

Für weitere

Produktinformationen

• Zuverlässigkeit in Regelarmaturen, Pumpen & Cryogenics

• Mit Tochtergesellschaften und Partnern in der Schweiz, den

Niederlanden, Indien, VR China, Korea und Mexiko!


PRAXIS

AUSMASS UND EINTRITTSWAHR-

SCHEINLICHKEIT eines Schadens

werden in der Risikomatrix abgebildet.

Sie visualisiert, ob Risiken im tolerierbaren

Bereich liegen oder nicht.

Inakzeptabel sind Ereignisse, die mit

hoher Wahrscheinlichkeit eintreten und

erhebliche negative Auswirkungen auf

Mensch und Umwelt haben.

nisse und die erarbeitete Methodik wurden anschließend

wirksam auf andere im Unternehmen entwickelte und

produzierte Bergbaumaschinen übertragen.

RISIKOMATRIX ALS ZENTRALES ANALYSEWERKZEUG

Zentrales Werkzeug der Risikoanalyse ist die Risikomatrix.

Sie dient der Abbildung von Risiken und der Ableitung

der sicherheitstechnischen Anforderungen und

der gezielten Bestimmung risikoreduzierender Maßnahmen.

Beruhend auf der klassischen Risikoanalyse, werden

Risiken nach Eintrittshäufigkeit und Schadensausmaß

in einer Matrix qualifiziert. Sie liegen entweder in

einem tolerierbaren, nicht tolerierbaren oder in einem

Bereich dazwischen und werden entsprechend einer

Risikoklasse zugeordnet. Vermeidbare Risiken lassen

sich so effektiv identifizieren, evaluieren und modifizieren,

verbleibende Restrisiken können wirksam kontrolliert

beziehungsweise adressiert werden.

PROZESSHANDBUCH BÜNDELT DAS WISSEN

Risikoanalyse und -bewertung sind in Anhang I der

Maschinenrichtlinie verankert und für jede einzelne

Maschine erforderlich, die im Geltungsbereich erstmalig

in Verkehr gebracht wird. Wesentlicher Bestandteil

der Analyse und unternehmenskritischer Faktor ist die

lückenlose, rechtssichere Dokumentation. Nur durch

sie kann im Fall der Fälle der eindeutige Nachweis erbracht

werden, dass die Maschinen entsprechend der

geltenden Normen und Vorschriften konstruiert und

gebaut wurden. Die Dokumentation ist unternehmensspezifisch,

und im Verlauf der Workshops wurden die

Anforderungen an die Risikoanalyse detailliert betrachtet.

Darauf aufbauend wurde eine entsprechende Vorgehensweise

für das Unternehmen abgeleitet.

Sämtliche Vorgehensweisen und Ergebnisse wurden

gemeinsam mit den Experten von TÜV Süd in einem

Prozesshandbuch zusammengeführt, das dem Unternehmen

als verbindlicher Leitfaden zur Maschinenentwicklung

und -konstruktion dient. Zudem gewährleistet

ein für die funktionale Sicherheit von Maschinen

verantwortlicher Mitarbeiter die Vollständigkeit, Aktualisierung

von Normen und Richtlinien sowie die

unternehmensweite Verfügbarkeit der Dokumentation.

Ein erfolgreiches und wirtschaftliches Management

zur Maschinensicherheit im Allgemeinen und zur funktionalen

Sicherheit im Speziellen erfordert neben der

Anpassung unternehmensinterner Prozesse entsprechende

Organisationsstrukturen. Neu gestaltete Organisations-,

Kommunikations- und Informationsstrukturen

sorgen jetzt bei dem Hersteller von Bergbaumaschinen

dafür, dass funktionale Sicherheitsanforderungen

in sämtlichen Prozessschritten der Planung,

Konstruktion und Fertigung berücksichtigt werden.

Vom verteilten Wissen in der lernenden Organisation

profitieren auch die Mitarbeiter in Einkauf und im Vertrieb.

Bei der Beschaffung sicherheitsrelevanter Komponenten

oder beim Export in Länder mit abweichenden

Vorgaben zur Maschinensicherheit haben diese Organisationseinheiten

nun Zugriff auf aktuelle, fundierte

und belastbare Daten.

AUTOR

Dr. ROLF M. ZÖLLNER ist

CE-Experte und Risikomanager

bei der TÜV SÜD

Industrie Service GmbH

in München.

TÜV SÜD AG,

Westendstraße 199,

D-80686 München,

Tel. +49 (0) 89 57 91 15 91,

E-Mail:

rolf.zoellner@tuev-sued.de

14

atp edition

9 / 2014


6. SIL-Sprechstunde

Funktionale Sicherheit

23. + 24.9.2014, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH

www.sil-sprechstunde.de

Irrtümer und

Missverständnisse

Veranstaltungskonzept

Termin

Ort

Haben Sie Fragen zur Anwendung der Normen

IEC 61508, IEC 61511 oder VDI/VDE 2180? Sind Sie

gefordert, die eingetretenen Pfade zur Erlangung der

Sicherheit zu verlassen? Dann sind Sie hier richtig!

Reichen Sie Ihre Fragen rund um SIL ein. Diskutieren

Sie mit Experten über die aktuellen Themen der

Funktionalen Sicherheit am 23. und 24. September

in Mannheim!

Dienstag, 23.09.2014

Veranstaltung (11:30 – 17:15 Uhr)

„Get-Together“ (ab 18:00 Uhr)

Mittwoch, 24.09.2014

Veranstaltung (9:00 – 15:00 Uhr)

Pepperl+Fuchs GmbH

Lilienthalstr. 200

68307 Mannheim

Programm

Vom Umgang mit SIL – Erfahrungen eines

Behördenvertreters

Fallstricke bei der SIL-Einreichung –

Beobachtungen einer Prüfstelle

Die meistgemachten Fehler in der funktionalen

Sicherheit

Richtige Mitbenutzung sicherheitstechnischer

Komponenten für die Prozessleittechnik

Korrelation zwischen funktionaler Sicherheit

und IT-Security

Ist SIL eine Produkteigenschaft?

Workshops

Referenten

Thomas Gabriel, Bayer Technology Services GmbH

Dirk Hablawetz, BASF SE

Martin Herrmann, Infracor GmbH

Andreas Hildebrandt, Pepperl+Fuchs GmbH

Udo Hug, BImSchG ß 29a Sachverständiger

Thomas Karte, Samson AG

Josef Kuboth, Landesamt für Natur, Umwelt und

Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen

Bernd Schrörs, Bayer Technology Services

Heiko Schween, HIMA Paul Hildebrandt GmbH + Co KG

Peter Sieber, Bilfinger alpha msr GmbH

Johann Ströbl, TÜV SÜD Industrie Service GmbH

Werner Brockschmidt, Tesium GmbH

Teilnahmegebühren

atp edition-Abonnenten 540 € zzgl. MwSt.

Firmenempfehlung 590 € zzgl. MwSt.

reguläre Teilnahmegebühr 690 € zzgl. MwSt.

Studenten

kostenlos

(Universität, Fachhochschule, Duale Hochschule – Vorlage des

Studentenausweises bei der Anmeldung erforderlich)

Anmeldung

Detaillierte Informationen zur Veranstaltung,

das vollständige Programm sowie die Online-

Anmeldung finden Sie im Internet unter

www.sil-sprechstunde.de

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Kirstin Sommer

Arnulfstraße 124

80636 München

Tel.: +49 (0) 89 203 53 66-24

Fax: +49 (0) 89 203 53 66-99

E-Mail: soerensen@di-verlag.de

www.sil-sprechstunde.de

Pepperl+Fuchs GmbH

Dr. Andreas Hildebrandt

Lilienthalstraße 200

68307 Mannheim

Tel.: +49 (0) 621 776-1454

Fax: +49 (0) 621 776-1108

E-Mail: ahildebrandt@de.pepperl-fuchs.com

www.pepperl-fuchs.de


PRAXIS

Prädiktive Wartung: Analyse von Echtzeit- und

historischen Daten kann Ausfälle verhindern

Werkzeuge müssen nicht nur Anlagenausrüstung selbst modellieren, sondern auch die Steuerung

RENTABILITÄT UNTER DRUCK: Die Betriebs kosten machen bei

Anlagen der Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik nahezu 60

Prozent der Gesamtkosten aus. Prädiktive Wartung und Instandhaltung

kann hier deutliche Optimierungen bringen. Bilder: Dassault Systèmes

PRÄDIKTIVE KONZEPTE

zur Anlagenwartung

sind bereits in Gebrauch.

Die Ansätze weisen aber

noch Schwächen auf.

EINDIMENSIONALE FUNKTIONALE UND

DYSFUNKTIONALE SYSTEMANALYSE:

Dies erhöht die Effizienz und ermöglicht

es Unternehmen, effiziente prädiktive

Sicherheitsanalysen durchzuführen. Ein

Beispiel ist das Eurosyslib-Projekt, das

von einem europäischen Firmenkonsortium

im Nuklearbereich initiiert wurde.

Anlagenbetreiber aus der Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik

stehen unter ständigem Druck, die

Leistung zu maximieren und die Kosten zu minimieren.

Die Betriebskosten machen nahezu 60 Prozent der Gesamtkosten

aus. Die Rentabilität eines Anlagengeschäftsbereichs

hängt daher entscheidend von der Verfügbarkeit

der Einrichtungen ab. Die Verfügbarkeiten müssen

daher möglichst hoch, die Stillstandzeiten möglichst

kurz sein. Alle Wartungsstrategien zielen letztlich darauf

ab, künftige Verhaltensmuster zu prognostizieren,

sobald die aktuelle Situation bekannt ist. Die prädiktive

Wartung ist der Königsweg, eine derartige Strategie zur

Wahrung der Funktionstüchtigkeit einer Anlage anzuwenden.

Heutige Strategien erfüllen die Anforderungen

von Anlageneignern allerdings nicht.

SCHWÄCHEN DER ZUSTANDSBASIERTEN WARTUNG

Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter wirken

sich erheblich auf die Kosten eines Endprodukts aus.

Das gilt insbesondere für die Energie-, Prozess- und Versorgungstechnik.

In den 90er Jahren kamen die zustandsbasierte

Instandhaltung und die zustandsbasierte Wartung

auf. Hierzu wurden Informationen von Sensoren

genutzt, um Alarme auszulösen oder um Instandhaltungs-

beziehungsweise Arbeitsaufträge zu veranlassen

und somit einem Ausfall oder Fehlern zuvorzukommen.

Zur Umsetzung eines funktionierenden prädiktiven

Konzepts wurden an diesem Ansatz mehrere Verbesserungen

vorgenommen. Hierzu zählte unter anderem

die Berücksichtigung der vor Ort erhobenen Daten. Anstatt

sich im Falle eines Alarms unverzüglich vor Ort

zu begeben, nutzte man andere, weitergehende Konzepte

zur Überwachung langfristiger Trends anhand

entsprechender Parameter, um somit künftige Ausfälle

antizipieren zu können.

Dieses Konzept ist heute noch in Gebrauch. Es unterliegt

jedoch gewissen Einschränkungen und Ineffizienzen:

16

atp edition

9 / 2014


Relevante Informationen müssen in den richtigen

Intervallen erhoben werden, um effiziente Ergebnisse

zu erhalten.

Die erhobenen Daten müssen zeitnah analysiert werden,

um effiziente Vorhersagen tätigen zu können.

Dieser Ansatz bezieht keine Produktionspläne ein;

die Vorhersage von Ausfallzeiten und die zugehörigen

Austauschaufträge könnten also die Produktion

beeinträchtigen.

Das Konzept entspricht nicht der „Lebenswirklichkeit“:

Trends und Korrelationen werden ermittelt,

ohne die Abtast- oder Probenhäufigkeit zu berücksichtigen.

Hier wird versucht, ein Modell eines

Normalverhaltens zu erzeugen und anomale Tendenzen

davon abzuziehen. (Unter „Lebenswirklichkeit“

ist hier zu verstehen, anomale Vorfälle/

Trends direkt zu betrachten.)

VORHERSAGEBASIS UND PRÄDIKTIVE

TECHNOLOGIEN

Effiziente Werkzeuge sollten nicht nur die Anlagenausrüstung

selbst modellieren können, sondern die

Steuerung der Anlage. Letztlich sollte man in der Lage

sein, die 3D-Dimension dieser Ressourcen und die

Auswirkung auf deren Verhalten zu integrieren.

Dazu einige Definitionen und Grundsätze: Prädiktion

bedeutet, in einer Lage zu sein (zu einem Zeitpunkt

= t), den künftigen Status eines Systems und

der Ausrüstung zu beschreiben (zu einem Zeitpunkt

= t + dt). Dies impliziert, dass ein explizites oder implizites

Modell des Systems und der Ausrüstung vorliegt,

mit dem der künftige Status hinreichend berechenbar

oder extrapolierbar ist. Dafür sind folgende

Punkte bedeutsam:

Modell und Kenntnisse müssen im Vorfeld aufgebaut

werden.

Anschließend ist ein Benchmarking anhand bekannter/dokumentierter

vorheriger realer Situationen

notwendig, um die Vorhersagegenauigkeit

dieser „Referenzfälle“ zu überprüfen.

Es müssen ausreichend viele Situationen getestet

werden, damit Abdeckung und Umfang genau genug

sind, um im „Extrapolationsmodus“ für andere,

noch nicht getestete Situationen verwendbar zu sein.

Der „explizite“ Ansatz ist zwar genauer, jedoch nur

für „kurzfristige Situationen“ gültig (kurze „dt“),

während der „implizite“ Ansatz komplexere Algorithmen

benötigt, aber potenziell für längere Vorhersagezeiträume

nutzbar ist. Ist kein Modell vorhanden,

kann man einen rein stochastischen

Blackbox-Ansatz oder ein nicht deterministisches

Phänomen verfolgen, bei dem man lediglich die

bisherigen Erfahrungen dazu nutzt, einige Verhaltensweisen

zu identifizieren, die potenziell reproduzierbar

sind.

WEGE ZUM ZUVERLÄSSIGEN VERHALTENSMODELL

Ein zuverlässiges Verhaltensmodell lässt sich aufbauen

durch:

1 | empirische/heuristische/symbolische Verlaufsanalysen

(die die gängigste Form für prädiktive Arbeiten

darstellen):

Lösungen für

die Industrie

Actemium ist ein kompetenter Anbieter von

elektro- und automatisierungstechnischen

Lösungen und Services.

www.actemium.de


PRAXIS

UMFASSENDE ABSICHERUNG: Wenn nicht exakt bekannt

ist, welche Art von Ereignissen zu einem Ausfall führen

könnten, lässt sich durch Kombination mehrerer Technologien

ein sehr breites Gefahrenspektrum abdecken.

ELEMENTE DER LÖSUNG „SAFE

PLANT OPERATION“: Eine solche

Umgebung kann die prädiktive

Wartung grundlegend verändern.

Rein informale Know-how-Erfassung („Erfahrung“)

Statistische Analyse

2 | expliziten mathematischen „Whitebox“-Ansatz:

Modellbasierte physikalische Gleichungen,

sofern verfügbar

Regelbasiert (Expertensystem, Mustererkennung)

Entscheidungsbaum/Fehlerbaum (zur Diagnoseunterstützung)

3 | expliziten mathematischen „Blackbox“-Ansatz

(primär zur Beschreibung eines chemischen Prozesses/Transformationsprozesses,

also für erweiterte

Echtzeit-Kontrollstrategien):

„Neuronale Netzwerke“

„SVM“ (Support Vector Machine)

Multivariables Prozessschritt-Reaktionsmodell

(Und-/Oder-Impuls) (primär zur erweiterten

Kontrolle kontinuierlicher Prozesse)

4 | Nutzung einer dynamischen 3D-Multiphysik-

Simulation:

Dieser sehr spezifische Ansatz berücksichtigt

die 3D-Eigenschaften jeder Ausrüstung und

deren Reaktion auf ihre physische 3D-Umgebung,

wobei der 3D-Einfluss nicht Bestandteil

der zuvor aufgeführten Konzepte ist

Dieser Ansatz konzentriert sich auf das

Ausrüstungsverhalten im Verhältnis zu den

physischen Einschränkungen (beispielsweise

Schwingung, Wärme)

TECHNOLOGIEN ZUR PRÄDIKTIONSMODELLIERUNG

Dassault Systèmes verfügt über ein großes Portfolio an

Technologien, die sich nicht nur auf Engineering-Tätigkeiten

beziehen, sondern auch erfolgreich für Betriebsund

Wartungszwecke verwendbar sind (und bereits

verwendet werden). Beide Bereiche (Engineering auf der

einen Seite sowie Betrieb und Wartung auf der anderen)

erfordern zuverlässige Modelle, um einen künftigen

Prozess zu simulieren, ein vergangenes Ereignis wiederzugeben

oder ein künftiges Ereignis vorherzusagen.

Der empirische/heuristische/symbolische/stochastische

Ansatz ist wie bereits erwähnt der heute für die

prädiktive Wartung gängigste Ansatz. Anlagenbetreiber

nutzen die große Menge von „Echtzeitdaten“ und historischen

Daten, die durch Sensoren, DCS (Distributed

Control Systems), Scada (Supervisory Control And Data

Acquisition) oder Verlaufsaufzeichnungen erhoben

wurden. Dank der Analyse dieser Massendaten sind

Unternehmen in der Lage, Trends zu identifizieren und

den künftigen Status eines laufenden Prozesses zu extrapolieren.

Durch rechtzeitiges Einrichten von

Alarmen lässt sich ein Ausfall vermeiden.

Mit der Exalead SBA-Umgebung (Search Based Application)

ist es zudem sehr leicht und effizient, aussagekräftige

Informationen aus massiven Datensammlungen

und mit erweiterten Dashboard-Funktionen zu

sortieren, zu filtern und zu extrahieren.

Mit der Delmia OI-Technologie (Operation Intelligence)

lassen sich in einem Wartungsszenario präskriptive

Funktionen bereitstellen. Diese Technologie kann „verdeckte

Regeln“ aus einer Reihe von Werten extrahieren,

die sich auf verschiedene Parameter beziehen, die „a priori“

zusammen keine starken Interaktionen aufweisen.

„WHITEBOX“-KONZEPT AUCH FÜR REALEN BETRIEB

Dassault Systèmes stellt mehrere Modellierungstechnologien

bereit, die auf dem mathematischen „Whitebox“-

Konzept beruhen: Dymola basiert auf der offenen Sprache

„Modelica“. Sie bietet Modellierungsfunktionen für

18

atp edition

9 / 2014


Funktionssysteme, die auf jede Art von komplexen

Ausrüstungssystemen anwendbar sind (oder auf eine

komplette Anlage, die ein „System von Systemen“ ist).

Sie wird in der Energieerzeugungsbranche mit einer

großen Zahl an Bibliotheken mit Komponenten, Standardausrüstungen

benutzt, wie beispielsweise Kesseln,

Wärmetauschern, Verdichtern.

Sie ist nicht nur in den Vorstudien für neue Anlagen

zur Dimensionierung der Ausrüstung einsetzbar, sondern

auch im realen Betrieb. Dort dient sie zur Untersuchung

des dynamischen Verhaltens der Anlage während

des Anfahrens, der Übergangsphasen oder des

Herunterfahrens sowie zur Diagnose von Materialermüdungen.

SD9 (Safety Designer) ist eine weitere Modellierungstechnologie,

die auf der Sprache „altarica“ beruht. Sie

ermöglicht die Erstellung von Systemmodellen mit dysfunktionaler

Beschreibung (anhand der Ausfallmodi

FMEA, MTBR). Mit einer derartigen Lösung lassen sich

die abschließenden Folgen eines Ausfalls in einem System

ermitteln. Die Lösung kann die Fortpflanzung des

Ausfalls innerhalb der verbundenen Komponenten prognostizieren

und einen Endstatus liefern. Dies lässt sich

mit der komplementären Lösung FT9 (Fault Tree Analyzer)

kombinieren, um die Effizienz des gesamten Konzepts

zu verbessern.

ANSATZ BERÜCKSICHTIGT AUCH DIE 3D-GEOMETRIE

Alle vorherigen Ansätze sind „1D“-Verfahren: Sie berücksichtigen

nicht die 3D-Eigenschaften von Ausrüstungen.

Die 3D-Geometrie kann jedoch das Verhalten

dieser Ressourcen in ihrer Umgebung beeinflussen.

Dies wird mit dem Dynamischen 3D-Multiphysik-Lösungsansatz

berücksichtigt.

Mit Simulia Abaqus wird die Geometrie anhand der

Finite-Elemente-Methode (FEM) einbezogen. Simulia

umfasst dynamische Multiphysik-Modelle zur Simulation

des Verhaltens von Ausrüstungen unter physikalischen

Einschränkungen, wie beispielsweise Schwingung

und Wärme. So ist es möglich, diese Einschränkungen

auf die Geometrie einer neuen Ausrüstung

sowie auf die „modifizierte Geometrie“ einer alten

BEISPIEL-CHECKLISTE

Ausrüstung anzuwenden (einschließlich der 3D-Defekte

aus dem bisherigen Lebenszyklus der Ausrüstung),

um die bis zu einem schweren Ausfall verbleibende

Lebensdauer zu prognostizieren.

Die Workflow-Engine Simulia Isight ist in der Lage,

eine Reihe von Tests und Simulationen mit verschiedenen

Werkzeugen zu automatisieren. Zur Erzielung

bestmöglicher Ergebnisse kann sie zudem die Produktivität

einer solchen Tätigkeit durch Anwendung diverser

Optimierungsmethoden verbessern (wie beispielsweise

„Erfahrungsplanung“). Isight dient darüber

hinaus zur Automatisierung von Simulia-Tests (oder

anderer Simulationswerkzeuge).

OPTIMIERUNG DURCH KOMBINIERTE TECHNOLOGIEN

Jeder Ansatz und jede Technologie hat ihre eigenen

Stärken in Bezug auf die Ausfallprognose (präskriptiver

oder prädiktiver Ansatz, beginnend mit Ausfallmodi

und so weiter). Durch Kombination mehrerer

Ansätze können Unternehmen ein breiteres Spektrum

von Ereignissen abdecken (was wichtig ist, wenn es

sich um Ereignisse handelt, die nicht im Voraus bekannt

sind).

Es ist beispielsweise möglich, Folgendes miteinander

zu kombinieren: ein physisches Top-Down-Modell

basierend auf einem Schadenprognoseansatz mit

einem semantischen Bottom-Up-Netz (Fehlerbaum)

zur Diagnoseunterstützung. Dies erhöht die Effizienz

und ermöglicht es Unternehmen, effiziente prädiktive

Sicherheitsanalysen durchzuführen. Ein Beispiel

ist das Eurosyslib-Projekt, das von einem europäischen

Firmenkonsortium im Nuklearbereich initiiert

wurde.

Mit der Branchenlösung „Safe Plant Operation“ geht

Dassault Systèmes noch weiter. Diese Lösung basiert auf

einer einzigen 3DExperience-Plattform und umfasst mehrere

Anwendungen: Die direkte Befähigung zur prädiktiven

Wartung (wie oben aufgeführt) oder Unterstützung

angrenzender Prozesse für andere, wie beispielsweise die

virtuelle Ausbildung von Wartungspersonal, Anlagen-

Informationslebenszyklus oder Ersatzteil-Intelligenz.

AUTOR

Die wichtigsten Punkte für eine dynamische Modellierung

eines Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerks:

Genaue Prüfung der Leistung und der Konstruktion

durch die Hersteller (Kommissionierung)

Prüfung und Validierung durch Simulation des

GT-Trip-Szenarios mit Hoch- und Herunterfahren

Finden optimierter Betriebspunkte und Optimierungsverfahren

für Bediener

Integration des Modells in die Betriebs- oder

Engineering-Software (lokale oder entfernte

Überwachung)

Validierung des Steuerungssystems

Dr. JOACHIM BETZ ist Business

Consultant für die Energie-,

Prozess- und Utility-Industrie

bei Dassault Systèmes

Deutschland GmbH.

Dassault Systèmes

Deutschland GmbH,

Messe-Campus Riem,

Joseph-Wild-Str. 20,

D-81829 München,

Tel. +49 (0) 173 318 16 91,

E-Mail: joachim.betz@3ds.com

atp edition

9 / 2014

19


PRAXIS

Sensible Roboterhaut erlaubt sichere

Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

Fraunhofer IFF entwickelt hybrides Sensorsystem mit Annäherungserkennung

MIT EINER SPEZIELLEN SENSORHAUT

bringen die Forscher vom Fraunhofer IFF

Robotern das „Fühlen“ bei.

IM AUFTRAG

VON BMW haben

die Forscher einen

ABB-Roboter

proto typisch mit

der Sensorhaut

ausgestattet.

Bilder: Fraunhofer IFF

MIT DER SENSORHAUT merkt der Roboter

nicht nur, dass sich jemand nähert,

sondern auch, aus welcher Richtung.

Die Vision für die Industrie der Zukunft: Mensch

und Roboter sollen Hand in Hand arbeiten. Das geht

jedoch nur dann, wenn die Roboter Menschen zuverlässig

erkennen, also „sehen“ oder „spüren“, wenn ein

Mensch ihnen gefährlich nahe kommt und entsprechend

ausweichen. Etwa über eine sensible Haut.

TEAMWORK IST DIE ZUKUNFT

Die Zukunft liegt in der Teamarbeit. Sowohl Menschen

als auch Roboter sollen ihre besonderen Fähigkeiten

einbringen und gemeinsam in der Produktion arbeiten.

Im Alltag könnte das folgendermaßen aussehen: Bauteile

beispielsweise, die zu schwer für den Menschen

sind, aber zu leicht für einen Kran, hebt der Roboter.

Den Weg gibt sein menschlicher Kollege vor, etwa indem

er ihn am Arm fasst und führt. Kurzum: Der Mensch

entscheidet und bringt sein Know-how ein, der Roboter

übernimmt die schwere Arbeit. Dies ist auch vor dem

Hintergrund des demografischen Wandels sinnvoll. Die

Bevölkerung wird immer älter, daher sollen die Arbeiter

möglichst lange in den Fabriken arbeiten können. Eine

Möglichkeit dazu liegt darin, die körperlich schwere

Arbeit den Maschinen zu überlassen.

Für die Zusammenarbeit gibt es verschiedene Formen.

Entweder Mensch und Roboter arbeiten zu unterschiedlichen

Zeiten an einem Bauteil oder sie montieren gleichzeitig

ein Bauteil Hand in Hand. Doch bevor Roboter und

Mensch zusammenarbeiten können, muss eine Risikoanalyse

durchgeführt werden – für jeden einzelnen Arbeitsplatz.

Welche Sicherheitsanforderungen muss der

Roboter einhalten? Wie schnell darf er arbeiten und

wann muss er seine Bewegungen stoppen, um den Menschen

nicht in Gefahr zu bringen? Anhand dieser Bewertung

lässt sich entscheiden, über welche Sensoren

der Roboter oder die Roboterzelle verfügen müssen.

ROBOTER SOLL SCHNELL UND SICHER SEIN

Bei dieser Teamarbeit gilt es jedoch, konträre Anforderungen

unter einen Hut zu bringen. Zum einen darf der

Roboter in der Nähe eines Menschen nicht zu schnell

arbeiten, um ihn bei einer möglichen Kollision nicht zu

verletzen. Zum anderen sollen möglichst viele Produkte

in kurzer Zeit gefertigt werden – dazu müsste sich der

Roboter schnell bewegen. Wie lassen sich diese zwei

Forderungen miteinander kombinieren, wo sie doch so

gegensätzlich sind? Eine Möglichkeit dafür haben die

Forscher am Fraunhofer IFF in Magdeburg mit ihren

druck- und näherungssensitiven Sensorsystemen geschaffen.

Die Sensorsysteme können in Form einer Sensorhaut

auf die Roboteroberfläche aufgebracht werden.

Nähert sich jemand, spürt der Roboter dies über die

Sensorhaut und bremst so weit ab, dass er den Menschen

bei einem Zusammenstoß nicht verletzt. Auch Berührungen

nimmt er wahr und weicht dementsprechend

20

atp edition

9 / 2014


aus. Ein weiterer Vorteil: Das Sensorsystem verleiht dem

harten Stahl des Roboters eine weiche Oberfläche, quasi

eine Art Knautschzone. Der Roboter kann dadurch

schneller arbeiten und die gewünschten kurzen Taktzeiten

realisieren. Nur dann, wenn ein Mensch in seinen

Bereich kommt, bremst er ab – und gewährleistet

somit die Sicherheit seiner menschlichen Kollegen.

Einen Prototyp dieser Sensorhaut haben die Forscher

unter anderem beispielhaft für einen ABB-Roboter entwickelt,

im Auftrag von BMW. Mit diesem Prototyp

wollen die Autobauer die Möglichkeiten und Grenzen

der Technik austesten und Vorlaufforschung betreiben.

Sie möchten untersuchen, was ein solcher Roboter kann

und in welchem Bereich der Produktion man ihn bestmöglich

einsetzen könnte.

FEINFÜHLIGE HAUT DES ROBOTERS

Wie die menschliche Haut, besteht auch die Sensorhaut

aus mehreren Schichten. Berührungen werden über einen

patentierten, matrixförmigen Sensorverbund mit einer

Vielzahl von Einzelsensoren erfasst. Wirkt eine Kraft auf

einen der Einzelsensoren, so ändert dieser seinen elektrischen

Widerstand. Ein mit der Sensorhaut ausgestatteter

Roboter spürt daher nicht nur, dass er angefasst wird,

sondern auch wo und wie fest. Zusätzlich haben die Experten

in die Sensorhaut kapazitive Sensorelemente integriert.

Diese bilden in ihrer Umgebung ein elektrisches

Feld aus. Nähert sich ein Mensch, ändert sich dieses Feld.

Die Änderung kann gemessen und der Mensch damit in

der Umgebung des Roboters erfasst werden. Da die Forscher

auch hier nicht nur einen einzelnen Sensor eingebaut

haben, sondern wiederum ein ganzes Sensornetzwerk,

spürt der Roboter nicht nur, dass sich jemand nähert,

sondern merkt auch aus welcher Richtung.

ZUSAMMENSPIEL DER SENSORSYSTEME

Die grundlegende Entwicklungsleistung bei der Integration

der unterschiedlichen Sensorfunktionen in eine

kompakte, universell adaptierbare Roboterhaut besteht

im komplexen Zusammenspiel der einzelnen Sensorsysteme.

Die Schwierigkeit dabei: Die zur Annäherungsdetektion

genutzten kapazitiven Sensorelemente und die

Drucksensoren dürfen sich gegenseitig nicht beeinflussen.

Zudem ist eine hohe Reichweite der Näherungssensorik

gewünscht – das elektrische Feld der kapazitiven

Sensorelemente soll daher möglichst weitreichend und

gerichtet aus der Roboteroberfläche austreten.

Darüber hinaus gilt es, die Sensorik auf die komplexe

Geometrie des Roboters aufzubringen und dort mit

Strom zu versorgen. Dafür haben sich Sensorschalen

bewährt, die an die Geometrie des Roboters angepasst

werden. Sie ermöglichen zudem eine einfache Wartung

und auch den Austausch defekter Sensoren. Die Sensoren,

die sich in der Sensorhaut verbergen, sind robust

und haben eine lange Lebensdauer. Funktioniert doch

mal einer nicht, so wird der Defekt durch integrierte

Überwachungsmechanismen erkannt und das System

gibt eine Warnung aus. Der Endnutzer kann nun selbst

tätig werden und die defekte Sensorschale mit wenigen

Handgriffen auswechseln – ohne tagelang auf einen Servicetechniker

warten zu müssen.

BREITES ANWENDUNGSSPEKTRUM

Das Anwendungsspektrum der patentierten Sensortechnologie

aus dem Fraunhofer IFF ist groß. Die Industrie hat

erhebliches Interesse an einer Umsetzung zum Produkt.

Dabei sind die möglichen Einsatzfelder nicht allein auf

die Robotik begrenzt. So lässt sich das Sensorsystem beispielsweise

im Fußboden integrieren. Personen könnten

damit lokalisiert und Bewegungen verfolgt werden.

Die Sensoren könnten auch an den Greifern der Roboter

angebracht werden und ihnen somit einen Tastsinn verleihen.

Dann würden die Roboter spüren, wie sie ein bestimmtes

Objekt gegriffen haben und ob es beispielsweise

rutscht. Denkbar ist es auch, innovative Eingabegeräte auf

Basis dieser Sensorsysteme zu verwirklichen. Drucksensitive

Oberflächen auf Robotern könnten neben Sicherheitsfunktion

auch grundlegende Interaktionsmodalitäten

bieten – der Mitarbeiter könnte über bestimmte Schaltflächen

beispielsweise den Greifer des Roboters direkt ansteuern.

Berührt er den Roboter an einer bestimmten Stelle,

so registriert der Roboter, dass es sich hier nicht um

eine zufällige Kollision handelt, sondern um eine gezielte

Eingabe – und öffnet oder schließt seinen Greifer.

AUTOREN

M.Eng. MARKUS FRITZSCHE

ist Mitarbeiter im Geschäftsfeld

Robotersysteme am Fraunhofer

IFF in Magdeburg.

Dr. techn. NORBERT ELKMANN

ist Leiter des Geschäftsfelds

Robotersysteme am Fraunhofer

IFF in Magdeburg.

Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,

Sandtorstraße 22, D-39004 Magdeburg, Tel. +49 (0) 391 409 02 89,

E-Mail: norbert.elkmann@iff.fraunhofer.de

atp edition

9 / 2014

21


PRAXIS

Schweißstromquelle, Werkstückpositionierer und

Roboter stimmen ihre Aktionen aufeinander ab

Craemer-Gruppe nutzt Lösung zum automatisierten Fügen und bewahrt sich dennoch Flexibilität

Die Craemer Gruppe setzt bei Schweißarbeiten erfolgreich

auf Automatisierung. Ein aktuelles Fallbeispiel

bilden modulare Zellen des Typs FlexArc RX1. Als

Gründe für ihre Investitionsentscheidung nennen die

Verantwortlichen bei Craemer die sehr guten, reproduzierbaren

Schweißergebnisse sowie komfortables Bedienen

bei wechselnden, flexibel gestaltbaren Fügeaufgaben.

Die Anwender verwirklichen eine konstante Streckenenergie

auch bei komplexen Bahnen. Die Schweißzellen

überzeugen mit ihrer kompakten, flächensparenden

Baugröße, der „Plug-and-produce“-Realität und vor

allem mit der modularen, nachträglichen Umrüstbarkeit.

Sie sind für kleine bis mittelgroße Bauteile der Automobilzuliefer-

und übrigen Industrie ausgelegt.

Schweißaufgaben gehören dank der Trendsetterrolle

der Automobilindustrie zu den Fertigungsschritten mit

der längsten Automatisierungs-Tradition. Höchste Ansprüche

der B2B- und der Endkunden setzen hier die

Standards für Qualität und Produktivität. Die Craemer

Gruppe fungiert in ihrem Geschäftsfeld Metallumformung

als Zulieferer namhafter Automobilisten und

fertigt unter anderem Sitzschalen. Deren Strukturbauteile

sind im MAG (Metall Aktiv Gas)-Verfahren zu Baugruppen

zu verbinden – in hoher Leistung, maximal

flexibel beispielsweise für unterschiedliche Typen –

und auf knapp bemessenem Raum.

MODULARE ZELLE FÜGT SITZSTRUKTURELEMENTE

Im Stammwerk Herzebrock-Clarholz sowie am slowakischen

Standort Liptowsky Mikuláš von Craemer sammeln

die Schweißexperten bereits seit 2005 gute Erfahrungen

mit Roboterlösungen von ABB. Die neue modulare

Zelle speziell für das Fügen der Sitzstrukturelemente

arbeitet seit 2012 zur Zufriedenheit der Betreiber.

Sie besteht im Wesentlichen aus einem Grundrahmen,

dem Positionierer, der Stromquelle, einer Brennerreinigungsstation,

einem elektrischen Rolltor mit Frequenzumrichter,

Bedienfeld, Steuerschränken sowie

den Robotern.

Vorn in der Zelle der Paul Craemer GmbH befindet

sich ein drehbarer Werkstückpositionierer des Typs

IRBP R-600 mit identischen Haltevorrichtungen auf

beiden Seiten. Im hinteren Bereich arbeitet ein Roboter

des Typs IRB 1600. Wenn der Bediener die zu fügenden

Teile in die erste Haltevorrichtung des IRBP R-600 eingelegt

hat, werden sie ins Innere der Zelle gedreht.

Während der IRB 1600 schweißt, legt der Werker die

nächsten Werkstücke in die andere Vorrichtung. „So

erzielen wir eine optimale Produktivität“, charakterisiert

Fertigungsleiter Reiner Veit einen Hauptnutzen

dieser Teilautomation.

Eine hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit gewährleistet

die Kommunikationsschnittstelle SpeedWeldPac

von ABB und SKS Welding Systems. SpeedWeldPac

stellt die prozesstechnische Einheit zwischen Roboter

und der Steuerung der Schweißstromquelle her. So

empfängt beispielsweise die Steuerung der Stromquelle

in Echtzeit Signale über die aktuelle Ist-Geschwindigkeit

des Roboters, verarbeitet diese Information und

generiert im Ergebnis die automatische Regelung der

Parameter. Ein aufwendiges Programmieren entfällt

damit. Und auch bei wechselnden Geschwindigkeiten,

Beschleunigungen oder Verzögerungen des Schweißbrenners

ergibt sich stets eine konstante Streckenenergie

und damit ein gleichbleibendes Nahtbild an allen

Punkten der Schweißverbindung. Nur drei Tage benötigten

die ABB-Experten zum Implementieren der kompletten,

betriebsbereiten Zelle als Plug-and-play-Version

bei Craemer.

INDIVIDUALLÖSUNGEN NUR LANGFRISTIG SINNVOLL

Ebenso wie bei der Paul Craemer GmbH sind technische

Qualität, Funktions- und Betriebssicherheit, eine passende

Auswahl der gewünschten Funktionen sowie

geringer Planungs- und Projektleitungsaufwand in nahezu

allen Betrieben gefragt, die in thermischen Fügeprozessen

Metallteile verbinden. Das gilt im besonderen

Maße für die Betreiber oder Nutzer technischer

Investitionsgüter zur automatisierten Fertigung.

Für das Beispiel Schweißzelle gilt ähnlich wie für vergleichbare

Automationsprojekte: Individuallösungen rentieren

sich nur, wenn es um das Entwickeln langfristig

zu nutzender Produktionslinien geht, die zum Fertigen

großer Serien bestimmt sind. Modulare Konzepte jedoch

sind von vornherein auf vielfältige, bedarfsgerecht optimierbare

Lösungen zugeschnitten. Und diese Anforderung

entspricht zunehmend dem „Normalfall“.

Die Experten von ABB unterstützen den Anwender

bereits ab der Planungsphase bei der Wahl seiner „Bausteine“

zum Beispiel für die Grundfunktionen, zeigen

die Alternativen auf, machen unterschiedliche Angebote

transparent und unterstützen vor der Realisierung

der Schweißzelle beim Entwurf des optimalen Layouts.

Das umfassende Modul-Programm der Standard-

Schweißzelle umfasst neben den üblichen Grundausstattungen

auch Software, Sicherheitstechnik und Peripherie.

Optional sind auch individuelle Abwicklungen

oder Ergänzungen möglich.

SOFTWAREMODULE SORGEN FÜR FLEXIBILITÄT

Weil die Schweißaufgabe und die Anforderungen häufig

sowohl hoch komplex als auch unterschiedlich sein können,

bietet ABB differenzierte, aufeinander und auf die

Hardware abgestimmte Softwaremodule. Sie arbeiten mit

sämtlichen integrierten Softwareprodukten zusammen,

gesteuert per Robotersteuerung IRC5 inklusive RobotWare.

Mit ihr erreicht der Anwender kürzeste Zykluszeiten.

Die Zellenablaufsteuerung zum Öffnen und Schließen

der Rolltore und das Ansteuern der Vorrichtungsspanntechnik

übernimmt eine SPS, die mit der IRC5

verknüpft ist. Schnittstellen zur Kommunikation mit

den gängigen automatisierbaren Schweißsystemen der

22

atp edition

9 / 2014


UMFORMTEILE

verbindet

Craemer per

automatisiertem

MAG-Schweißprozess

zu

Sitzstruktur teilen.

SCHWEISSROBOTER IRB 1600: Die Kommunikationsschnittstelle

SpeedWeldPac von ABB und SKS Welding

Systems stellt die prozess technische Einheit zwischen

Roboter und der Steuerung der Schweißstromquelle her.

ROBOTSTUDIO: Die Software simuliert

und visualisiert beispielsweise die

Positionen des Brenners am Werkstück

in Form von „Brenner wolken“. So kann

der Anwender sicherstellen, dass es

später in der realen Anwendung zu

keinen Kollisionen kommt. Bilder: ABB

ZWEISTATIONEN-

POSITIONIER IRBP C:

Die Koordinierung mit

den Robotern übernimmt

die Robotersteuerung.

führenden Hersteller bietet die IRC5. So kann der Anwender

seinen Erfahrungen und Präferenzen entsprechend

das bevorzugte Schweißsystem wählen. Je nach

Schweißsystem beziehungsweise -hersteller lassen sich

auch Funktionen wie SpeedWeldPac integrieren.

SIMULATION SCHLIESST REALE KOLLISIONEN AUS

Die Schlüsselsoftware RobotStudio begleitet den Anwender

durchgängig vom Engineering bis zum Fertigungsprozess.

Mit ihm programmiert der Anwender

offline am PC, auch bereits zur Planung wie zur Produktion.

Beispiele sind Zugänglichkeits- und Taktzeituntersuchungen,

Vorrichtungsoptimierung, virtuelle

Bauteilprogrammierung mit 1:1-Übertrag in die Steuerung

IRC5 der realen Zelle. RobotStudio stellt alle Standardzellen

virtuell auf dem PC dar und ermöglicht

deren Simulation bis hin zur Schulung. Zu weiteren

Funktionen zählen CAD-Schnittstellen zum Einlesen

von Daten der Bauteile und Vorrichtungen zum Prüfen

von Zugänglichkeit und Kollision. Zum Erleichtern der

Programmierarbeiten kann der Anwender die Software

ArcWelding PowerPac nutzen.

RobotStudio simuliert und visualisiert beispielsweise

die Positionen des Brenners am Werkstück in Form

von „Brennerwolken“. So kann der Anwender vor dem

Herstellen einer Vorrichtung in „Stahl und Eisen“ sicherstellen,

dass später in der Realität keine Kollisionen

mit Vorrichtungsaufbauten entstehen. Zudem

kann er Vorrichtungsentwürfe anhand dieser Analysemethode

kontinuierlich auf die Eignung für die jeweilige

Anwendung überprüfen. Eine Situationsanalyse

vor dem Projektbeginn ergibt neben erheblichen Zeitund

Kosteneinsparungen gerade in der Inbetriebnahmephase

die gewünschte Sicherheit.

AUTOR

CHRISTIAN MICKASCH ist im Vertrieb

Metallbearbeitung bei ABB Automation

im Unternehmensbereich Robotics tätig.

ABB Automation GmbH,

Unternehmensbereich Robotics,

Grüner Weg 6, D-61169 Friedberg,

Tel. +49 (0) 6031 850,

E-Mail: christian.mickasch@de.abb.com

atp edition

9 / 2014

23


PRAXIS

Maßnahmen auf dem Weg zur

energieeffizienten Fabrik der Zukunft

Durch gezielte Beleuchtung und Abschalten von Anlagenteilen Energie sparen

VERKÜRZTE PNEUMATIKSCHLÄUCHE reduzieren die ungenutzte

Schlauchluft und beschleunigen die Füllung der Aktoren.

AUSLEUCHTUNG DER MONTAGEMASCHINE ohne

(links) und mit LED-Maschinenleuchten (rechts).

DER HOHE WIRKUNGSGRAD

von 94 Prozent war ein Grund,

weshalb die Firma Kolbus die

Quint-Strom versorgungen in

den Schaltschränken ihrer

Buchbindereimaschinen einsetzt.

Aufgrund steigender Kosten für Rohstoffe und Energie

sowie gesetzlicher Vorgaben gewinnen Methoden

und Maßnahmen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz

stetig an Bedeutung. Die Firma Phoenix Contact

spart Energie, indem sie Druckluft in Montagemaschinen

optimal einsetzt, Gebäude und Maschinen effizient

beleuchtet und Anlagen beziehungsweise Anlagenteile

zum Teil abschaltet.

Die Energieeffizienz-Richtlinie 2012/27/EG der Europäischen

Union gibt eine Steigerung der Energieeffizienz

um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 als Ziel vor. Alle

Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, ein nationales Energieeffizienz-Ziel

zur Reduzierung des Energieverbrauchs

bis 2020 festzulegen. Die Bundesrepublik

Deutschland strebt an, den Primärenergieverbrauch bis

2020 um 20 Prozent gegenüber 2008 und bis 2050 um

50 Prozent zu senken. Der Stromverbrauch soll bis 2020

um 10 Prozent und bis 2050 um 25 Prozent verringert

werden. Den gesetzlichen Vorgaben zur Energieeinsparung

stehen Schätzungen gegenüber, dass das tatsächliche

Potenzial in Industrie und Gewerbe bis zu 40

Prozent beträgt. In der Europäischen Union lässt sich

der Energiebedarf mit entsprechenden Effizienz-

Maßnahmen bis 2050 um zwei Drittel reduzieren. Bei

Phoenix Contact stehen Aktivitäten zur Erhöhung der

Effizienz schon seit vielen Jahren im Fokus. Die Einführung

eines Energiemanagement-Systems gemäß DIN

EN ISO 50001 führt dabei zur notwendigen Transparenz

und Messbarkeit der durchgeführten Schritte. Das

Unternehmen entwickelt unter anderem energieeffi-

24

atp edition

9 / 2014


ziente Komponenten, Maschinen und Anlagen, die es

in der eigenen Produktion einsetzt. Außerdem ist es in

den Bereichen Energiegewinnung und -rückgewinnung

sowie Messung und Analyse von Energiebedarfen tätig.

DRUCKLUFTVERBRAUCH SENKEN

Die Drucklufterzeugung ist für rund sieben Prozent des

industriellen Stromverbrauchs verantwortlich. Daher

bietet sich eine gezielte Analyse der Verwendung von

Druckluft an, um Einsparpotenziale zu identifizieren.

In den Montagemaschinen von Phoenix Contact wird

Druckluft für unterschiedliche Aufgaben genutzt. Zur

Verbesserung der Versorgung haben die Mitarbeiter

zwei Ansatzpunkte herausgearbeitet. Wird der Druckverlust

in den Leitungen gesenkt, kann mit einem geringeren

Druck gearbeitet werden. Eine Verringerung

des Volumens innerhalb der Zuleitungen zwischen den

Ventilen und pneumatischen Aktoren zieht eine Minimierung

des Luftverbrauchs pro Arbeitshub nach sich.

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sind die

Druckluft-Zuleitungen innerhalb der Montagemaschinen

verkürzt respektive als Ringleitung ausgelegt worden.

Ferner haben die Mitarbeiter Querschnitts-Verringerungen

und Kanten an den Verbindungsstellen vermieden

und so die Anschlusstechnik optimiert. Aufgrund

der räumlich nahen Anordnung der Ventilinseln

an den Aktoren verkürzen sich die Leitungen an einzelnen

Montagestationen deutlich. So resultiert die von

1,3 Meter auf 0,4 Meter reduzierte Schlauchlänge in

einer Montagestation in einer Verringerung des Luftverbrauchs

von 40 Kubikzentimeter auf 12 Kubikzentimeter

pro Hub. Die beschriebenen Maßnahmen sind

im ersten Schritt an drei Montagemaschinen umgesetzt

worden. Im Ergebnis ist das Niveau des Versorgungsdrucks

um 1 bar gesunken, während sich der Druckluft-

Verbrauch der Maschinen um durchschnittlich 25 Prozent

reduziert hat. Seit rund einem Jahr werden die

Erkenntnisse auf alle Montagemaschinen übertragen.

So lassen sich die Energiekosten für die Druckluft-Erzeugung

nachhaltig verringern.

ANLAGEN BEDARFSGERECHT AUSLEUCHTEN

Weiteres Verbesserungspotenzial liegt in der Beleuchtung

von Produktionsbereichen, was bislang an der

Hallendecke angebrachte Leuchtstoffröhren übernehmen.

In den Montageanlagen werden nur Handarbeitsplätze

separat beleuchtet, um ein ergonomisches Arbeiten

sicherzustellen. Wegen der undifferenzierten Ausleuchtung

der gesamten Fertigung gibt es viele Bereiche,

in denen die Beleuchtung stärker als erforderlich ist,

wohingegen innerhalb der Maschinen keine optimalen

Lichtverhältnisse für Einricht- und Entstörarbeiten vorliegen.

Deshalb sind in einem Pilotbereich gezielt Maßnahmen

realisiert worden, damit der entsprechende

Energiebedarf sinkt und die Ausleuchtung der Maschinen

gleichzeitig optimiert wird.

Im Pilotbereich waren bisher 18 Leuchtstoffröhren

mit jeweils 70 Watt Leistung und einer Lichtausbeute

von 79 Lumen pro Watt installiert. Mittlerweile sind die

Hälfte der Leuchtstoffröhren abgeschaltet sowie die

Maschinen mit sechs LED-Leuchten der unternehmenseigenen

Produktfamilie PLD mit jeweils 21 Watt Leistung

bei einer Lichtausbeute von 86 Lumen pro Watt

ausgerüstet worden. Daraus ergibt sich eine Verringerung

der elektrischen Leistung für die Beleuchtung um

rund 500 Watt. Gleichzeitig lässt sich die eingesetzte

Beleuchtung zielgerichtet nutzen. Während die Deckenlampen

bis dato eine einheitliche Beleuchtungsstärke

von etwa 500 Lux bereitstellten, wird der Fußboden jetzt

lediglich mit 300 Lux ausgeleuchtet. Die relevanten Bereiche

innerhalb der Maschine weisen hingegen 1000

Lux und die Handarbeitsplätze 1400 Lux auf. Auf diese

Weise haben sich der Bedienkomfort und die Möglichkeiten

der Prozessüberwachung verbessert. Da die LED-

Beleuchtung steuerbar ist, können bestimmte Anlagenteile

im Fall einer Störung gezielt ausgeleuchtet werden.

Im Normalbetrieb genügt dann eine geringe Lichtintensität

oder die LED-Leuchten sind komplett abgeschaltet.

Unter Berücksichtigung des Investitionsvolumens für

die LED-Leuchten und des Energiebedarfs für deren

Betrieb sowie der Energieeinsparung durch die reduzierte

Deckenbeleuchtung amortisieren sich die Verbesserungsmaßnahmen

nach ungefähr vier Jahren. Darüber

hinaus zeichnen sich die LED-Leuchten mit einer Lebensdauer

von 50 000 Stunden durch eine sechsmal

längere Einsatzzeit als Leuchtstoffröhren aus. Neben

den Energiekosten sinkt somit auch der Aufwand für

die Wartung und Instandhaltung deutlich.

ANTRIEBSKONZEPT DIMENSIONIEREN

Eine Voraussetzung für den energieeffizienten Betrieb

von Maschinen und Anlagen ist, sparsame Komponenten

zu verwenden. Geräte mit hohem Wirkungsgrad

können im Bereich der Steuerungs- und Antriebstechnik

beim Sparen helfen. Bei Phoenix Contact achten die

Entwickler von Elektronikgeräten daher besonders darauf,

dass optimal dimensionierte sowie effiziente Bauteile

und -gruppen eingesetzt werden. Auf diese Weise

lässt sich der Wirkungsgrad beispielsweise der Stromversorgungen

Quint Power steigern.

Der unternehmenseigene Maschinenbau leistet ebenfalls

einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf eine energieeffiziente

Produktion. Speziell im Bereich der Antriebstechnik

ergeben sich hier bei den Montagemaschinen

Ansatzpunkte. Dabei kommt der Auswahl des

bestmöglichen Antriebskonzepts eine große Bedeutung

zu. So muss bei der Entscheidung zwischen pneumatischen

und elektrischen Achsen beachtet werden, dass

elektrische Antriebe Energie für die Beschleunigung

und Verzögerung benötigen, wohingegen der Verfahrweg

eine untergeordnete Rolle spielt. Bei pneumatischen

Antrieben ist der Druckluft- und damit der

atp edition

9 / 2014

25


PRAXIS

VERGLEICH DES

TAGESENERGIE-

BEDARFS zwischen

pneumatischen und

elektrischen Achsen.

TYPISCHE

WIRKUNGSGRADE

(Quelle: Fraunhofer ISI)

und Leistungsaufnahmen

verschiedener

Motortypen bei 63 Watt

Antriebsleistung.

EXEMPLARISCHE LEISTUNGSAUFNAHME

einer Montagemaschine. Bilder: Phoenix Contact

Energiebedarf hingegen proportional vom Verfahrweg

abhängig. Untersuchungen belegen, dass bei einem Verfahrweg

von 5 Millimetern ein Pneumatikzylinder kostengünstiger

betrieben werden kann. Beträgt der Verfahrweg

50 Millimeter, ist ein elektrischer Antrieb zu

bevorzugen. Bei der Auswahl elektrischer Antriebe

müssen die unterschiedlichen Wirkungsgrade der verschiedenen

Motortypen berücksichtigt werden. Ist beispielsweise

ein Drehmoment von 0,2 Newtonmeter bei

einer Drehzahl von 3000 Umdrehungen pro Minute und

folglich 63 Watt Leistung an der Antriebswelle bereitzustellen,

ergibt sich die elektrische Leistung in hohem

Maße aus dem Typ des genutzten Motors.

Die verbauten Getriebe beeinflussen die Energieeffizienz

ebenso erheblich. Bei Förderband-Antrieben können

Stirnradgetriebe aufgrund ihres höheren Wirkungsgrads

bis zu 20 Prozent mehr Leistung als Schneckengetriebe

liefern. Werden für Handhabungsaufgaben

Roboter eingesetzt, sollten die bewegten Massen

möglichst gering und somit die Abmessungen des Roboters

sowie die Masse der Greifer optimal dimensioniert

sein. Als Verfahrstrategie ist statt einer Linieneine

Punkt-zu-Punkt-Bewegung zu präferieren, um den

Energiebedarf für die Beschleunigung der verschiedenen

Achsen zu minimieren. Sowohl bei Servoantrieben

als auch Roboterachsen sollten Stillstands-Drehmomente

auf das erforderliche Minimum abgesenkt

werden. Außerdem bietet die komplette Abschaltung

von Antrieben, die für einen gewissen Zeitraum nicht

benötigt werden, deutliches Einsparpotenzial.

ANLAGENTEILE ZIELGERICHTET ABSCHALTEN

Als weitere Möglichkeit zur Energieeinsparung in der

Produktion ist das Abschalten aktuell nicht für die Fertigung

notwendiger Anlagenkomponenten mittels einer

intelligenten Standby-Funktion zu nennen. Aus dem

exemplarischen Verlauf der Leistungsaufnahme einer

Montagemaschine lässt sich ersehen, dass sie selbst

dann rund 2000 Watt aufnimmt, wenn sie gar nicht in

Betrieb ist. Dies wird durch Komponenten wie Netzteile,

Steuerungen, Bildschirme und die Antriebselektronik

hervorgerufen. Die Leistungsaufnahme liegt bei

etwa 2500 Watt, sobald die Schwingförderer für die

Zuführung von Kunststoff- und Metalleinzelteilen eingeschaltet

werden. Während des Herstellungsprozesses

erhöht sich die Leistungsaufnahme im Mittel auf ungefähr

3000 Watt, wobei wegen der zeitlichen Überlagerung

unterschiedlicher Montageprozesse Leistungsspitzen

bis 6000 Watt auftreten. Der Leistungsverlauf

zeigt das Einsparpotenzial während des Maschinenstillstands

auf. Liegt also eine längere Produktionsunterbrechung

vor – beispielsweise durch eine geplante

Pause –, kann die Leerlaufleistung durch das gezielte

Abschalten leistungsintensiver Maschinenkomponenten

erheblich verringert werden.

Derzeit arbeitet Phoenix Contact an der Umsetzung

einer Steuerungslösung, die ein solches zielgerichtetes

Abschalten (intelligentes Standby) ermöglicht. Während

der Pausen und in produktionsfreien Zeiten schaltet

die SPS alle Anlagenkomponenten so weit aus, dass

die verbleibende Leistungsaufnahme nur noch 5 Watt

beträgt. Das Abschalten erfolgt entweder durch einen

Knopfdruck des Bedieners oder automatisch nach einer

einstellbaren Zeit, wenn ein Fertigungsauftrag fehlt

oder unterbrochen wurde. Das Wiedereinschalten geschieht

ebenfalls manuell per Knopfdruck oder zu

einem festgelegten Zeitpunkt, beispielsweise zu

Schichtbeginn oder nach einer definierten Pausenzeit.

In Anlehnung an das Profienergy-Profil sorgt eine zentral

in der Montagemaschine installierte Steuerung für

26

atp edition

9 / 2014


das geregelte Herunterfahren der SPS der verschiedenen

Maschinenteile. Außerdem trennt sie die nicht

mit einer Profinet- oder Ethernet-Schnittstelle ausgestatteten

Geräte von der Netzspannung. Ferner lässt

sich die Hallenbeleuchtung reduzieren, sobald sämtliche

Maschinen eines festgelegten Hallenbereichs in

den Standby-Zustand versetzt wurden.

Auf dem Weg zur energieeffizienten Fabrik der Zukunft

hat Phoenix Contact bereits in unterschiedlichen

Bereichen erfolgreich Maßnahmen durchgeführt. Neben

der Fortsetzung laufender Aktivitäten und der Realisierung

der intelligenten Standby-Funktion für Montagemaschinen

sind weitere Aktionen geplant. Ist zum

Beispiel der Energiebedarf der verschiedenen Produktionsanlagen

und -prozesse transparent erfasst worden,

werden die entsprechenden Kosten bei der TCO-Berechnung

berücksichtigt, damit sich energiebezogene

Investitionsentscheidungen treffen lassen. Großes Potenzial

ergibt sich zudem durch eine Vernetzung von

MES-System sowie Gebäude- und Energiemanagement.

Zum einen ist eine von der aktuellen Fertigungssituation

abhängige Verringerung des Energiebedarfs bestimmter

Gebäudeteile durch das Abschalten von Licht,

Druckluft und Kühlwasser denkbar. Andererseits können

die durch variable Stromtarife veränderlichen Energiekosten

als weiteres Kriterium bei der Planung der

Produktionsaufträge herangezogen werden.

Die passende Füllstand- und Druckmesstechnik

können Sie lange suchen ...

AUTOREN

... oder schnell finden.

FRIEDRICH CAPELLE ist

Fachleiter Automation

bei Phoenix Contact

GmbH & Co. KG in

Blomberg.

Das Einfacher-ist-besser-Prinzip

von VEGA.

Dr.-Ing. ANDREAS

SCHREIBER ist Abteilungsleiter

Industrial

Auto mation bei Phoenix

Contact GmbH & Co. KG

in Blomberg.

Phoenix Contact GmbH & Co. KG,

Flachsmarktstraße 8, D-32825 Blomberg,

E-Mail: aschreiber@phoenixcontact.com,

fcapelle@phoenixcontact.com

VEGA hat das „Einfacher-ist-besser“-Prinzip konsequent

zu Ende gedacht. Die Geräteplattform plics ® löst alle

Messaufgaben rund um Füllstand und Druck, und dies

seit 10 Jahren.

9 leichte Geräteauswahl 9 einfache Inbetriebnahme

9 schnelle Lieferung 9 sicherer Betrieb

9 kinderleichte Montage 9 schneller Service

www.vega.com/plics


HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014

Wasser und Abwasser in

Megastädten der Zukunft

Semizentrale Systeme für die Ver- und Entsorgung

Dieser Beitrag befasst sich mit dem Konzept semizentraler Ver- und Entsorgungssysteme,

das es ermöglicht, die Herausforderungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung

in Megastädten zu lösen. Das Konzept basiert auf der Idee, Abfallstoffe,

wie Schmutzwasser und organische Abfälle, als Wertstoff zu betrachten und durch

energetische Verwertung sowie durch Ressourcenwiederverwendung den Energieund

Stoffkreislauf zu schließen. Die Autoren stellen die besonderen Merkmale semizentraler

integrierter Ver- und Entsorgungssysteme vor und betrachten entstehende

Anforderungen an die MSR-Technik und die Prozessautomatisierung.

SCHLAGWÖRTER Semizentrale Ver- und Entsogungssysteme / Megastädte /

Wasserwiederverwendung

Water and Wastewater Management in Mega Cities –

Semi-Centralized Supply and Treatment Systems

Semi-centralized systems can offer a way of meeting the challenges of water supplies

and wastewater treatment in mega cities. Waste flows like grey water, black water

and organic waste are regarded as reusable resources and the concept closes the

cycles of material and energy flow by waste recycling and biogas production. The

article presents the specific features of semi-centralized integrated supply and treatment

systems and examines demands on the measurement and control technology

and process automation.

KEYWORDS Semi-centralized supply and treatment systems / mega cities /

water reuse

28

atp edition

9 / 2014


ACHIM GAHR, Endress+Hauser Conducta

CHRISTIAN WOLF, PETER KERN, Fachhochschule Köln

Rasches Wirtschaftswachstum und zunehmende

Urbanisierung stellen vor allem Großstädte

vor immer größere Schwierigkeiten bei

der Abwasserentsorgung und Abfallbe -

sei tigung sowie der Wasser- und Ener gieversorgung.

Vielerorts sind lokale Wasserressourcen

knapp und herkömmliche zentrale Ver- und Entsorgungssysteme

sowie bestehende Infrastrukturen können

nicht an das dynamische Städtewachstum angepasst

werden. Außerdem stellen die zunehmenden

Mengen des Klärschlamms eine große Herausforderung

dar. Wirtschaftsboom und Urbanisierung wirken sich

vor allem in Asien nachteilig auf die Sicherstellung der

Trinkwasserversorgung, die Abwasserreinigung und

die Abfallbehandlung aus.

Als Lösung dieser Herausforderungen wurde am Institut

IWAR des Fachgebietes Abwassertechnik der

Technischen Universität Darmstadt das Konzept Semizentral

in mehrjähriger Projektarbeit bis zur Umsetzungsreife

entwickelt. Mittlerweile ist es zu einer ökonomisch

wie ökologisch tragfähigen Zukunftstechnologie

gereift. Sie ermöglicht mit der Implementierung

geeigneter MSR-Technik den Aufbau flexibler und

hocheffizienter Ver- und Entsorgungssysteme für Wasser,

Abwasser, Abfall und Klärschlamm.

1. DAS KONZEPT SEMIZENTRAL

Das in Bild 1 illustrierte Konzept basiert auf der Idee,

die in einem Siedlungsgebiet anfallenden Abfälle und

Abwasserströme als Wertstoffe zu betrachten und durch

Wiederverwendung dem Ressourcenkreislauf wieder

zuzuführen. Zu diesem Zweck werden das Grauwasser

(Abwasserströme von Duschen, Waschbecken und

Waschmaschinen) und das Schwarzwasser (Toilettenabwasser)

durch getrennte Entsorgungsnetze erfasst,

abgeleitet und in einem Ver- und Entsorgungszentrum

(VEZ) in parallelen Aufbereitungsmodulen behandelt.

Das Grauwasser wird nach mechanischer Vorreinigung

mit Hilfe der MBR-Verfahrenstechnik zu Brauchwasser

aufbereitet und anschließend den Wohneinheiten

im Siedlungsgebiet zur Toilettenspülung, gegebenenfalls

auch für Reinigungs- oder Bewässerungszwecke

zur Verfügung gestellt. Daher wird in einem

letzten Reinigungsschritt das aufbereitete Grauwasser

in einer Desinfektionsstufe desinfiziert. Abschließend

ist ein Auslaufbehälter als Pumpenvorlage nachgeschaltet,

aus dem das gereinigte Grauwasser entnommen

und in das Brauchwassernetz gespeist wird. Durch

die Rückführung des aufbereiteten Grauwassers sinkt

der häusliche Trinkwasserbedarf um mindestens 30 %.

In einem parallel verlaufenden Prozess findet die Aufbereitung

des Schwarzwassers statt. Das Aufbereitungsmodul

umfasst neben einer mechanischen Vorreinigung

und Vorklärung als wesentlichen Verfahrensschritt das

Sequencing-Batch-Reactor-Verfahren (SBR). Es ist aufgrund

der hohen Schmutzfracht sinnvoll und ermöglicht

den Abbau von Kohlenstoffverbindungen sowie

von Phosphor- und Stickstoffverbindungen.

Zusätzlich werden im VEZ die festen Bioabfälle aus

dem Siedlungsgebiet zusammen mit dem Klärschlamm,

der bei der Grau- und Schwarzwasserbehandlung anfällt,

thermophil behandelt. Dadurch entsteht Biogas, das zur

Eigenenergieerzeugung verstromt wird und unter Idealbedingungen

einen energieautarken Betrieb des VEZ

ermöglicht. So wird die Abhängigkeit von Primärenergie,

die meist aus fossilen Ressourcen stammt, minimiert.

Der durch die Vergärung entstehende Gärrest ist

hochwertig (Biosolids) und kann als Bodenverbesserer

kommerziell genutzt werden, sodass auf eine Deponierung

des Klärschlamms sowie des Bioabfalls verzichtet

werden kann. Die nährstoffreichen Stoffe werden in

den natürlichen Kreislauf zurückgeführt.

Aus dem semizentralen Konzept leiten sich Anforderungen

ab, die im Falle einer konkreten Umsetzung an

die Verfahrenstechnik und die Infrastruktur gestellt

werden müssen und zu berücksichtigen sind:

getrennte Leitungen für Grau- und Schwarzwasser,

also keine Mischkanalisation

separates Leitungsnetz für das Brauchwasser

Errichtung im Siedlungsgebiet für eine kostengünstige

und einfache Infrastruktur (beispielsweise

atp edition

9 / 2014

29


HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014

Siedlungsgebiet

Ver- und Entsorgungszentrum

(VEZ)

Online-

Messtechnik

Leitungswasser

Brauchwasser

BILD 1: Schematische

Darstellung der

integrierten Abfallund

Klärschlammbehandlung

innerhalb

des semizentralen

Ver- und Entsorgungssystems,

in Anlehnung an [1]

Grauwasser

Bioabfälle

Schwarzwasser

Klärschlamm

Klärschlamm

Abfall- und Klärschlammbehandlung

Grauwasserreinigung

Schwarzwasserreinigung

Energie

Energie

Energie

Biosolids

Reststoffe

Regelung

Dynamische

Simulation

analyse

Prozessoptimierung

erfassung

Daten-

Daten-

BILD 2: Voraussetzungen für

einen optimalen Anlagenbetrieb

einfache Leitungsführung und kurze Leitungen für

das Brauchwasser)

Integration in das Stadtbild, folglich Unterbringung

der Verfahrenstechnik im Gebäude

kompakte Bauweise (zum Beispiel doppelstöckig)

Minimierung der Gas- und Geräuschemissionen

parallele Aufbereitungsmodule für Grau- und

Schwarzwasser

übertragbare und erweiterbare Verfahrenstechnik

2. UMSETZUNG DES KONZEPTES

Das Konzept Semizentral wird mit einem aktuellen

Verbundvorhaben mit der Realisierung eines semizentralen

Ver- und Entsorgungssystems in einem neuen

Siedlungsgebiet auf dem Gelände der diesjährigen Weltgartenbauausstellung

(World Horticulture Exhibition,

WHE) in Qingdao, China, erstmals umgesetzt. Anlässlich

der WHE wurde die Referenzanlage am 27. April

2014 eröffnet.

Das in zwei Phasen geteilte Verbundprojekt Ressourceneffiziente

und flexible Ver- und Entsorgungsinfrastruktursysteme

für schnell wachsende Städte der Zukunft

wird vom Bundesministerium für Forschung und

Bildung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms

Client China gefördert. Die Zielsetzung umfasst die

Anpassung des semizentralen Konzeptes an die realen

Rahmenbedingungen des Standortes sowie die Umsetzung

im Realmaßstab und die Validierung, Optimierung

und Weiterentwicklung des Ansatzes. Das Projektkonsortium

ist ein Forschungsverbund aus zahlreichen

deutschen und chinesischen Kooperationspartnern

aus Forschung, Lehre und Industrie.

Im Rahmen des Projektes ist Endress+Hauser maßgeblich

an der Prozessautomatisierung und Qualitätssicherung

beteiligt und beschäftigt sich dabei mit prozessanalytischen

und regelungstechnischen Fragestellungen

von Stoff- und Energieströmen innerhalb des

VEZ sowie mit der Qualitätsüberwachung des produzierten

Brauchwassers im Verteilnetz. Dabei besteht

eine enge Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe

Gummersbach Environmental Computing Center (Gecoc)

der Fachhochschule Köln, die ebenfalls Projektpartner

im Projektkonsortium ist. Gecoc übernimmt

die Regelung und Optimierung der anaeroben Vergärung

von Schlämmen aus der Abwasserbehandlung des

VEZ sowie von Speiseresten aus den umliegenden Hotels

und beschäftigt sich ferner mit der Entwicklung

von Soft-Sensoren, die es ermöglichen, aus Standardmessgrößen

komplexe Prozessvariablen zu bestimmen.

3. INSTRUMENTIERUNG UND ANFORDERUNGEN

Die MSR-Technik auf Abwasser- und Wertstofferschließungsanlagen

dient der Prozessüberwachung, der Prozesssicherung,

der Prozessführung und der Prozessregelung.

Weitere Aufgaben der Leit- und Automatisierungstechnik

sind das Bedienen und Beobachten der

Anlage, die Grenzwertüberwachung und Alarmbehandlung

sowie die systematisierte Dokumentation

gemäß den einschlägigen regulatorischen Anforderungen.

Mit der Darstellung von Prozesszuständen und der

Ermittlung sowie Bewertung von geeigneten Kennzahlen

wird ein besseres Verständnis von betrieblichen

Zusammenhängen und ihrem dynamischen Verhalten

ermöglicht. Allerdings sind für die Prozessoptimierung,

wie in Bild 2 schematisiert, neben der Datenerfassung

zusätzliche Schritte wie die Datenanalyse und

die dynamische Simulation erforderlich. Die Zielsetzungen

der Prozessoptimierung bestehen darin,

die Anlageneffizienz zu erhöhen (zum Beispiel

hohe Energieeffizienz bei hohem Wirkungsgrad der

Abfallbeseitigung und Abwasserreinigung),

die Kosten zu optimieren und den Arbeitsaufwand

zu reduzieren,

30

atp edition

9 / 2014


die Betriebssicherheit und die Prozessstabilität zu

steigern,

die betrieblichen und gesetzlichen Qualitätsanforderungen

zu jedem Zeitpunkt einzuhalten oder

die Betriebszustände der Verfahrensmodule und des

VEZ einfach zu visualisieren.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen automatisierten

und optimal geregelten Betrieb des VEZ ist

der Einsatz geeigneter Prozessmesstechnik an Messorten,

die für den Prozess repräsentativ sind. Aus Sicht des

Betreibers des VEZ werden an die Analysenmesstechnik

grundlegende Anforderungen gestellt:

wartungsarm

platzsparend

möglichst reagenzienfrei

möglichst keine oder vollautomatische Probenaufbereitung

Installation möglichst direkt im Prozess (in situ)

Die Messtechnik sowie die Konzepte zur Steuerung und

Regelung müssen außerdem an die Gegebenheiten des

VEZ adaptiert und entsprechend der modularen Bau- und

Verfahrensweise auf die einzelnen Prozessschritte ausgelegt

sein. Dabei verfügt jedes der folgenden Module über

eine eingangsseitige Sammelvorrichtung, die von Pumpen

bedient wird, und über Messeinrichtungen zur Bestimmung

des Füll- und Grenzstandes sowie über Durchflussmengenzähler

für Kontroll- und Steuerungszwecke:

Grauwasserbehandlung mit Desinfektion

(aerobe Behandlung)

Schwarzwasserbehandlung mit Desinfektion

(aerobe Behandlung)

Prozesswasserbehandlung

(Anammox-Verfahren im SBR-Batchbetrieb)

organische Feststoffbehandlung zusammen mit

der Behandlung von Überschussschlamm zur

Biogasgewinnung (anaerobes Verfahren)

Überwachung des Brauchwassernetzes

3.1 Abwasserbehandlung

Bei der Grau- und Schwarzwasseraufbereitung benötigt

die aerobe biologische Behandlung zur Prozessregelung

Signalgeber, zum Beispiel für Sauerstoff, Ammonium,

Nitrat, ortho-Phosphat, Druck, Temperatur und Durchfluss.

Der Sollwert der Sauerstoffkonzentration wird in

Abhängigkeit von der am Ablauf der Belebung gemessenen

NH 4 -N-Konzentration verändert. Bei steigendem

NH 4 -N-Gehalt wird der O 2 -Sollwert erhöht, bei sinkendem

Gehalt gesenkt. Ferner kann bei steigendem NH 4 -

N-Gehalt die Zu- beziehungsweise Abschaltung von flexiblen

Nitrifikations-/Denitrifikationszonen geregelt

werden. Zusätzlich lassen sich NO 3 -N- und PO 4 -P-Konzentrationssignale

in die Regelung einbeziehen. Eine

solche Vorgehensweise optimiert den O 2 -Eintrag und

steigert die Energieeffizienz.

Die Behandlung von Prozesswasser, das mit organischen

Stoffen und Ammonium hoch belastet ist, stellt für das VEZ

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist

aus der Fusion von Universität Karlsruhe und Forschungszentrum

Karlsruhe hervorgegangen. Am KIT

arbeiten und studieren mehr als 9.400 Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen und über 24.000 Studierende.

Das KIT besetzt im Bereich III „Maschinenbau

und Elektrotechnik“ zum nächstmöglichen Zeitpunkt

eine Direktorenstelle für die kollegiale

Leitung des Instituts für

Angewandte Informatik (IAI)

verbunden mit der

W3-Professur für

Angewandte Informatik und

Automatisierungstechnik

der KIT-Fakultät für Maschinenbau.

Das im Großforschungsbereich des KIT angesiedelte

Institut mit ca. 120 Mitarbeitern betreibt

Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet

innovativer, anwendungsorientierter Informations-,

Automatisierungs- und Systemtechnik

sowie dem Gebiet der Energieinformatik.

Gesucht wird eine Persönlichkeit aus Wissenschaft

oder Industrie, die in wesentlichen Themenbereichen

der Angewandten Informatik und

Automatisierungstechnik wissenschaftlich hervorragend

ausgewiesen ist, über die Fähigkeit zur

Führung eines großen Instituts verfügt und

exzellente Befähigungen für die Lehre hat.

Die Habilitation oder habilitationsäquivalente

Leistungen werden vorausgesetzt, industrielle

Erfahrung ist erwünscht. Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen

nach § 47 LHG.

Der/Die Stelleninhaber/-in ist als Direktor/-in des IAI

verantwortlich für die Beiträge des Instituts in Forschungsprogrammen

der Helmholtz-Gemeinschaft,

insbesondere in den Programmen „Science and

Technology of Nanosystems“ und „BioInterfaces

in Technology and Medicine“ sowie in „Supercomputing

and Big Data“. Eine aktive Beteiligung

an der strategischen Weiterentwicklung und der

Ausprägung neuer Forschungsfelder und der Einwerbung

von Drittmitteln wird erwartet.

Erwartet werden Erfahrungen und richtungsweisende

Beiträge in der ingenieurwissenschaftlichen

Umsetzung zur Automatisierung neuartiger Verfahren

z. B. in der Bio- und Nanotechnologie sowie

zur Bilderkennung und -verarbeitung insbesondere

bei hohen Durchsätzen. Die daraus resultierenden

Erkenntnisse sollen u. a. genutzt werden, um in

Innovationen auf den Gebieten der Nano- und

Mikrotechnologien, Biotechnologie, Fertigung und

Produktion, der Optik und Photonik, Mechatronik,

Anthropomatik und Robotik zu stimulieren.

In der Lehre sollen die Studiengänge Maschinenbau

und Mechatronik der KIT-Fakultät für Maschinenbau

mit Angeboten aus der Mechatronik,

der technischen Informatik sowie der Automatisierungs-

und Regelungstechnik bereichert werden.

Diese Angebote können auch von Hörern anderer

Fakultäten wahrgenommen werden.

Das KIT strebt die Erhöhung des Anteils an Professorinnen

an und begrüßt deshalb die Bewerbung

von Frauen. Schwerbehinderte Bewerberinnen

und Bewerber werden bei entsprechender Eignung

bevorzugt berücksichtigt.

Ihre Bewerbung richten Sie bitte mit tabellarischem

Lebenslauf, Darstellung des wissenschaftlichen

und beruflichen Werdegangs, Listen der wissenschaftlichen

Arbeiten unter Benennung der fünf

wichtigsten Publikationen, Lehrportfolio mit Verzeichnis

der Lehrveranstaltungen und Evaluationen

der vergangenen zwei Jahre in schriftlicher

und elektronischer Form bis zum 15.10.2014 an

das Karlsruher Institut für Technologie (KIT),

KIT-Dekan der KIT-Fakultät für Maschinenbau,

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer, Kaiserstr. 12,

76131 Karlsruhe, E-Mail: dekanat@mach.kit.edu.

KIT - Universität des Landes Baden-Württemberg und

nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

atp edition

9 / 2014

31


HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014

– wie für jede Kläranlage – eine verfahrenstechnische

Herausforderung dar. Für diesen Aufbereitungsschritt

kommt das Anammox-Verfahren zum Einsatz, das in den

letzten Jahren als ein neues im Industriemaßstab umsetzbares

Verfahren bekannt geworden ist. Es ermöglicht die

direkte anaerobe Umsetzung von Ammonium mit Nitrit

zu elementarem Stickstoff. Der Umweg über Nitrat (Nitrifikation)

und die stufenweise bakterielle Reduktion zu

Stickstoff (Denitrifikation) ist nicht erforderlich, weshalb

sich das Anammox-Verfahren dazu eignet, den Energiebedarf

für die Abwasserreinigung signifikant zu senken.

Das Verfahren wird als einstufiger Batchprozess ausgelegt.

Dies zieht erhöhte Anforderungen an die Messtechnik

und die Prozessführung nach sich, da die zu

verwendenden Mikroorganismen in einem engen Temperaturbereich

aktiv sind und Stoffwechselabbauprodukte

den Abbauprozess hemmen können. Geeignete

Messgeräte müssen vor allem über eine kurze Ansprechzeit

und eine hohe Messpräzision verfügen. Für die Prozessführung

des Anammox-Verfahrens sind die Prozessparameter

Temperatur, Ammoniumkonzentration und

pH von Bedeutung, da diese den Schaltpunkt von aerober

auf anoxischer Behandlung bestimmen. Ferner ist die

gezielte Abtrennung der Anammox-Spezies von der übrigen

Biozönose ein weiterer wesentlicher Prozessschritt,

der für das Schlammalter von hoher Bedeutung ist.

Zur automatisierten Steuerung oder Regelung der

Abwasserbehandlung sind automatisierte und kontinuierlich

arbeitende Messgeräte erforderlich, deren

Abtastrate in Bezug auf die hydraulischen Gegebenheiten

ausreichend hoch sein muss. Für einen zuverlässigen

Betrieb ist ferner eine sachgerechte Installation,

Inbetriebnahme und Instandhaltung durch geschultes

Personal notwendig.

3.2 Schlammbehandlung und Biogas

Die Herausforderung des Verfahrensmoduls Schlammbehandlung/Biogas

besteht darin, die Stabilität des

Fermentationsprozesses sicherzustellen, während die

Biogasproduktion und die Biogasqualität maximiert

werden. Nur so lässt sich ein langfristig nachhaltiger

und wirtschaftlicher Betrieb der anaeroben Vergärungsstufe

des VEZ gewährleisten.

Voraussetzung für eine solche Regelung und Optimierung

ist eine MSR-Technik, die es ermöglicht, den Biogasprozess

zuverlässig und idealerweise online zu beurteilen

und zu überwachen. Insbesondere kritische Prozessvariablen,

wie der FOS/TAC-Wert (Verhältnis aus

dem Gehalt an flüchtigen organischen Säuren und der

Carbonatpufferkapazität), der als Leitwert für die Regelung

von Biogasanlagen gilt, lässt sich bislang nicht zufriedenstellend

online und vollautomatisch bestimmen.

Ferner ist für die Regelung und Optimierung von Biogasanlagen

Online-Messtechnik für die Prozessvariablen

pH-Wert, Redoxpotenzial und Trockensubstanzgehalt

(TS) sowie für die Bestimmung der Zusammensetzung

der Inputstoffe erforderlich, um im Vorhinein

die Biogasproduktion hinsichtlich Menge und Qualität

abschätzen zu können. Dies ist besonders bei gemischten

Abfallströmen von großer Bedeutung.

Der Nutzen geeigneter Online-Messtechnik liegt in

der Früherkennung von Betriebsproblemen und einer

optimierten Anpassung der Substratzufuhr und der

Rührintervalle innerhalb des Fermenters. Darüber hinaus

können auf Basis der Messwerte Simulationsmodelle

der betreffenden Anlagen kalibriert und für die

Entwicklung von optimalen Regelungsstrategien genutzt

werden. Aufgrund der hohen TS-Gehalte der Inputstoffe

sowie des Gärschlammes innerhalb des Fermenters

müssen die Messsonden und Armaturen besonders

robust und wartungsarm sein. Insbesondere

Fremdstoffe, wie kleine Steine und Glassplitter, kommen

häufig vor und können die eingesetzte MSR-Technik

binnen kurzer Zeit beschädigen. Ferner können

hohe Konzentrationen an Ammoniak und Schwefelwasserstoff

zu einer Vergiftung der Sensoren führen,

was häufige Kalibrierungen und Justierungen sowie

regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen zur Folge

hat. Darüber hinaus spielen die Investitions- und Betriebskosten

eine große Rolle, die meist nur in Verbindung

mit Aussicht auf eine optimierte Substratzufuhr

als vertretbar akzeptiert werden.

3.3 Brauchwassernetz

Die qualitativen Anforderungen an Brauchwasser sind

grundsätzlich geringer als die an Trinkwasser. Nichtsdestotrotz

muss jede Form von Brauchwasser unbedenklich

nutzbar sein und als potenzielle Quelle von Risiken

ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu den Bedingungen

in Deutschland, bei denen für Water re-use keine

gesetzlichen Randbedingungen – mit Ausnahme der

Trinkwasserverordnung – festgelegt sind, regelt China

die Anforderungen an die Abwasserwiederverwendung

für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten gesetzlich [2].

An die Verteilung des gereinigten Abwassers vom Einspeisepunkt

am Ausgang des VEZ bis zu den Entnahmestellen

bei den Verbrauchern werden hohe Anforderungen

gestellt, da das Brauchwasser für die angestrebte

Nutzung als Toilettenspülwasser beim Transport in die

Wohnstätten in hygienisch einwandfreier Form vorliegen

muss. So muss für alle Anwendungen der Restchlorgehalt

nach 30-minütiger Kontaktzeit mindestens 1 mg/l

betragen, und am Ende der Leitung muss ein Restgehalt

von mindestens 0,2 mg/l Chlor vorliegen. Diese Forderung

bedingt einerseits eine Desinfektion des aufbereiteten

Grauwassers vor dem Einspeisen in das Netz. Andererseits

muss im Brauchwassernetz an jedem Punkt

und zu jeder Zeit eine ausreichend hohe Desinfektionskapazität

vorhanden sein, damit die hygienischen

Grenzwerte an den Entnahmestellen eingehalten werden.

Damit müssen die Regelung der Desinfektionsmitteldosierung

und die Einstellung einer ausreichenden

Desinfektionsmitteldepotwirkung an die spezifischen

Gegebenheiten des Brauchwassernetzes und die Chlorzehrungseigenschaften

des Mediums angepasst sein.

Wie aus der Übersichtskarte in Bild 3 hervorgeht, ist

das Brauchwassernetz (Länge etwa 3 km) ringförmig angelegt.

Insgesamt sind drei Übergabepunkte vorgesehen,

an denen die Einspeisung des Brauchwassers zum Teil

über Stichleitungen in die Gebäudeinstallation erfolgt.

32

atp edition

9 / 2014


BILD 3: Darstellung

des WHE-Geländes

mit Kennzeichnung

der Brauchwasserleitungen

(rote Linien)

und der Übergabepunkte

in die Gebäude

(blaue Kreise mit

Beschriftung)

BILD 4: Ergebnisse des

LSR-basierten Soft-

Sensors für CSB

auf Trainings- und

Validierungsdaten

(Quelle: C. Wolf, Gummersbach

Environmental

Computing Center, FH Köln,

unveröffentlichte Ergebnisse)

BILD 5: Ergebnisse des

SVR-basierten Soft-

Sensors für CSB

auf Trainings- und

Validierungsdaten

(Quelle: C. Wolf, Gummersbach

Environmental

Computing Center, FH Köln,

unveröffentlichte Ergebnisse)

atp edition

9 / 2014

33


HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014

Bei der Dimensionierung des Netzes wurde von einem

mittleren stündlichen Brauchwasserbedarf von etwa

8 m³/h und einem Spitzenbedarf von etwa 30 m³/h ausgegangen.

Die angeschlossene Einwohnerzahl beträgt etwa

6000 mit einem spezifischen Bedarf von 33 l/Einwohner/Tag,

sodass sich ein Tagesbedarf von etwa 198 m³/Tag

ergibt. Da die Grauwasseraufbereitung für etwa 720 m³/Tag

ausgelegt ist, wird weniger Brauchwasser entnommen

als produziert.

4. LÖSUNGSANSÄTZE FÜR DIE MSR-TECHNIK

Bei der Schwarzwasseraufbereitung ist die Messung des

chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) als Parameter für

die Belastung des Abwassers mit organischen Stoffen

für die Optimierung und Regelung der Abbauprozesse

entscheidend. Allerdings liefern die gängigen Methoden

zur CSB-Bestimmung entweder nur zeitlich punktuelle

Information (manuelle Probenahme und manuelle Analyse

im Labor als 24-Stunden-Mischprobe) oder sie sind

apparativ vergleichsweise aufwändig und kostenintensiv

(Online-Messtechnik mit nasschemischen Analysatoren

oder mit spektroskopischen Sensoren).

Eine kostengünstige Alternative sind Soft-Sensoren,

die auf der Basis von Standardmesstechnik, vor allem

für Trübung sowie für Ammonium- und Nitratstickstoff,

die aktuelle CSB-Konzentration im Kläranlagenzulauf

bestimmen. Zur Entwicklung solcher Soft-Sensoren

werden Regressionsmethoden aus dem Bereich

des Machine Learning eingesetzt.

Erste Ergebnisse einer Entwicklungs- und Testphase,

die von Gecoc mit Unterstützung von Endress+Hauser

an der Kläranlage Rospe in Gummersbach durchgeführt

wurden, zeigen, dass die Werte des Soft-Sensors

sehr gut mit den herkömmlich ermittelten CSB-Messdaten

übereinstimmen, siehe Bild 4 und 5.

Als Datensätze liegen die Werte von Messgrößen zugrunde,

die im Kläranlagenzulauf bestimmt worden sind,

nämlich Durchfluss, Temperatur, pH, Leitfähigkeit und

Trübung (im Beitrag als st Zulauf bezeichnet). Diese Trainingsdatensätze

sind von besonderem Interesse, da sie

bis auf die Trübungsmessung auf Messgrößen beruhen,

die auf den meisten Kläranlagen standardmäßig ermittelt

werden. Die Online-Trübungsmessung kann jedoch im

Bedarfsfall kostengünstig nachgerüstet werden.

Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass bei den

Trainings- und den Validierungsdaten eine gute bis

sehr gute Übereinstimmung der Kurvenverläufe feststellbar

ist. Dabei liefern die Standardregressionsverfahren

der linearen Regression, der multiplen normalen

Regression und der Least Squares Regression (LSR)

gleich gute Ergebnisse mit einem Root Mean Square

Error (RMSE) von 4,98 und einer Korrelation von 0,88

auf die Validierungsdaten. Im Vergleich dazu bildet

die Support Vektor Regression (SVR) den Kurvenverlauf

der Validierungsdaten deutlich präziser ab (RMSE

= 3,67; Korrelation = 0,94).

Auffällig ist, dass alle Regressionsverfahren bei den

Trainingsdaten deutliche Konzentrationsspitzen prädiktieren,

die so nicht in den Originaldaten zu finden

sind und bei bei den Validierungsdaten nicht auftreten.

Eine Ursache für diese extremen CSB-Spitzen bei den

Trainingsdaten konnte bislang nicht ermittelt werden.

Abschließend ist festzuhalten, dass basierend auf den

Messergebnissen von Standardmesstechnik ein gut

funktionierender Soft-Sensor für die Prädiktion der

CSB-Konzentrationen entwickelt werden kann. Ein solcher

Soft-Sensor liefert kostengünstig zusätzliche Prozessinformation,

die für die nachgeschalteten Regelungen

genutzt werden kann. Diese Methodik soll zur

CSB-Bestimmung im Schwarzwassermodul des VEZ

angewendet werden. Darauf aufbauend lassen sich vorausschauende

Regelungskonzepte für die Nitrifikation

und Denitrifikation entwickeln.

4.1 Regelung der Substratzufuhr

Eine Biogasanlage lässt sich in erster Linie durch die

Substratzufuhr steuern und regeln. Ein Konzept zur

Optimierung und Regelung des Fermentationsprozesses

im VEZ muss daher darauf ausgerichtet sein, die

Substratbeschickung so zu regeln, dass eine optimale

Biogasproduktion bei hoher Prozessstabilität erreicht

wird. Hierfür kommen unterschiedliche methodische

Ansätze in Betracht, die im Rahmen des Projektes evaluiert

und für das VEZ optimiert werden.

Einerseits werden zur Fütterungsoptimierung dynamische

Simulationsmodelle eingesetzt, die neue Möglichkeiten

zur Regelung von komplexen Prozessen bieten. So

kann mit Hilfe eines dynamischen Simulationsmodells

auf Basis des Anaerobic Digestion Model No. 1 (ADM1)

eine komplette Biogasanlage am Rechner abgebildet und

simuliert werden [3]. Dies ermöglicht es, unterschiedliche

Substratbeschickungen zu betrachten und die Auswirkungen

auf den Anlagenbetrieb abzuschätzen. Schließlich

kann so eine optimale Substratzufuhr für den aktuellen

Betriebszustand der Anlage bestimmt werden.

Andererseits kommen Simulationsmodelle zur vorausschauenden

Regelung von Anlagen zum Einsatz. Diese

Modelle werden als Model Predictive Control (MPC) bezeichnet

[4]. Das Funktionsprinzip ist in Bild 6 veranschaulicht.

Demnach wird auf Basis von Online-Messwerten

der aktuelle Betriebszustand der Biogasanlage mit

einem Zustandsschätzer bestimmt. Dieser Anlagenzustand

wird dann in einem dynamischen Simulations modell der

Anlage benutzt, um verschiedente Substratbeschickungen

zu testen und die optimale Substratzufuhr zu ermitteln.

Dafür können verschiedene Gütekriterien definiert werden.

Auf diese Weise kann ein nachhaltiges Fütterungsregime

für Biogasanlagen umgesetzt werden, da auch bei

wechselnder Verfügbarkeit von Substraten automatisch

auf ideale Alternativen gewechselt werden kann, sodass

ein kontinuierlicher Anlagenbetrieb auf hohem Niveau

erreicht wird.

In Bild 7 wird die Regelung des Substratmixes mit

wechselnder Substratverfügbarkeit beispielhaft für eine

landwirtschaftliche Biogasanlage visua lisiert. Als Regler

wird der oben genannte NMPC genutzt, welcher den

optimalen Substratmixverlauf für ein validiertes Simulationsmodell

bestimmt [5].

Zu Simulationsbeginn ist der Substratmix nicht optimal,

was durch die schlechten Werte des festgelegten

34

atp edition

9 / 2014


Dynamisches Simulationsmodell

(Nonlinear Model Predictive Control, NMPC)

Optimierungsmethode

Gütefunktion und

Randbedingungen

Optimierung

der

Substratzufuhr!

Biogasanlage

BILD 6: Schematische Darstellung der

Funktionsweise des NMPC zur Regelung

von Biogasanlagen.

Modell der Biogasanlage

online

Messdaten

Bestimmung des

aktuellen Anlagenzustandes

(Zustandsschätzer)

BILD 7: Beispielhafte Darstellung der Regelung

der Substratzufuhr einer Biogasanlage [6]

BILD 8: Multiparameter-

Messsystem zur kontinuierlichen

Überwachung

des Brauchwassernetzes.

Wesentliche Komponenten:

Zulaufstutzen mit Ventil

und Druckminderer (1),

Blasenfalle mit Entlüftungsventil

und Steigrohr

(2), SAK-Sonde mit

Armatur (3), Trübungssonde

mit Armatur (4), Multisensormodul

für pH, Chlor und

Redox mit Armatur (5),

Durchflussmesser (6),

Ablaufstutzen mit

Belüftungsventil (7) und

Multikanaltrans mitter (8)

Gütekriteriums ausgedrückt wird. Im Diagramm sind die

Werte des Gütekriteriums durch die Farbgebung der Bildpunkte

gekennzeichnet. Die Steuerung regelt die Biogasanlage

automatisch, sodass schließlich ein optimaler

Substratmix aus Gülle und Maissilage erreicht wird. Dabei

symbolisiert jedes Quadrat ein durch den Regler evaluiertes

Substratgemisch.

Das Konzept zur optimalen Substratregelung von Biogasanlagen

mit vorausschauenden Modellen MPC zeigt,

dass sich mit Hilfe vorhandener Messtechnik der Anlagenbetrieb

nachhaltig optimieren lässt. Wie das Beispiel

zeigt, kann dadurch eine deutliche Effizienzsteigerung

des Anlagenbetriebs erreicht werden. Diese

Methodik wird derzeit an die Biogasanlage des VEZ

angepasst und soll während des Verbundvorhabens

dort zum Einsatz kommen.

4.2 Qualitätsmonitoring Brauchwasser

Während des Transports des Brauchwassers im Netz kann

durch unterschiedliche Mechanismen ein Verbrauch an

Desinfektionsmittel stattfinden, sodass eine Gefährdung

der Nutzung der Ressource Brauchwasser durch Wiederverkeimung

nicht ausgeschlossen werden darf. Daher ist

für Systeme, die Brauchwasser nutzen, ein Risikomanagement

obligatorisch, das unter anderem darauf abzielt,

geeignete Konzepte für die Qualitätsüberwachung sowie

Qualitätssicherung und Maßnahmenpläne für den Fall

der Nichteinhaltung von Grenzwerten bereitzustellen. Die

Entwicklung von Instrumenten und Methoden für das

betriebliche Qualitätsmanagement sind wesentlicher Bestandteil

des MSR-Konzeptes. Im Rahmen des Verbundprojektes

werden zwei Aspekte verfolgt.

Erstens wurde für die Qualitätsüberwachung des

Brauchwassers an den Übergabepunkten eine an die

jeweilige Messstelle angepasste Multiparameter-Messstation

als Systemlösung konzipiert. Der schematische

Aufbau geht aus Bild 7 hervor. Solche Messsysteme

sollen künftig eingesetzt werden, um die Einhaltung

der Anforderung an die Chlorkonzentration (≥ 0,2 mg/l

freies Chlor) kontinuierlich zu überwachen und verschmutzungsrelevante

Parameter, wie zum Beispiel die

Trübung, den spektralen Absorptionskoeffizienten, den

pH-Wert, die Temperatur und die Leitfähigkeit als Qualitätsparameter

aufzuzeichnen. Nach erfolgter Inbetriebnahme

und Betriebsbewährung sollen die Multiparameter-Messsysteme

in den Regelbetrieb übernommen und

für Steuerungs- beziehungsweise Regelungsaufgaben

eingesetzt werden, vor allem um die Einhaltung der

Grenzwerte zu überwachen und bei Grenzwert überschreitungen

auf Trinkwasser umzuschalten.

Zweitens wurde auf Basis der Planungsdaten ein

Rohrnetzmodell erstellt, das zusätzlich zur rein hydraulischen

Betrachtung mit dem Chlorzehrungsverhalten

verknüpft wurde, um eine Aussage bezüglich des zeitlichen

Profils der Restchlorkonzentration zu treffen und

daraus das Wiederverkeimungspotenzial abschätzen zu

atp edition

9 / 2014

35


HAUPTBEITRAG | AUTOMATION 2014

AUTOREN

Dr. ACHIM GAHR (geb. 1965) studierte

Chemie an der Technischen Universität

München und promovierte auf den

Gebieten Chemische Analytik und

Wasseraufbereitungstechnologien. Nach

seiner Zeit als Wissenschaftler war Gahr

in der Messtechnikbranche im Bereich

F&E tätig. Seit 2005 ist er bei

Endress+Hauser beschäftigt und arbeitet

heute als Business Development Manager Environmental.

Hauptarbeitsgebiete: Akquise und Management nationaler

und internationaler Leitprojekte für die Strategie Wasser/

Abwasser/Umwelt, Entwicklung von Systemkonzepten und

-lösungen für Megatrends, Ausbau des strategischen Geschäftsfeldes

für die Umweltbranche.

Endress+Hauser Conducta GmbH + Co. KG,

Dieselstraße 24, D-70839 Gerlingen,

Tel. +49 (0) 7156 20 93 73, E-Mail: achim.gahr@conducta.endress.com

Dr. CHRISTIAN WOLF (geb. 1981) studierte

Elektrotechnik mit Schwerpunkt Automatisierung

und Industrial IT an der

Fachhochschule Köln und promovierte

an der National University of Ireland

Maynooth zum Thema „Simulation,

Optimization and Instrumentation of

Agricultural Biogas Plants“. Seit 2013

arbeitet er am Gummersbach Environmental

Computing Center der FH Köln. Hauptarbeitsgebiete:

Instrumentierung und Regelung umwelttechnischer Prozesse

und Einsatz von Methoden aus den Bereichen der multivariaten

Datenanalyse, des Machine Learnings und der Computational

Intelligence.

Fachhochschule Köln,

Gummersbach Environmental Computing Center,

Steinmüllerallee 1, D-51643 Gummersbach,

Tel. +49 (0) 2261 81 96 64 34, E-Mail: christian.wolf@fh-koeln.de

Dipl.-Ing. PETER KERN M. Sc. (geb. 1977)

studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt

Automatisierung und Industrial IT an der

Fachhochschule Köln und im Fachgebiet

regenerative Energienutzung am Institut

für Technologie in den Tropen. Derzeit

promoviert er an der National University

of Ireland Maynooth zum Thema „Computational

Intelligence Techniques for

Control and Optimization of Wastewater Treatment Plants“.

Fachhochschule Köln,

Gummersbach Environmental Computing Center,

Steinmüllerallee 1, D-51643 Gummersbach,

Tel. +49 (0) 2261 81 96 64 34, E-Mail: peter.kern@fh-koeln.de

können. Mit Vorgabe einer Chlorkonzentration am Einspeisepunkt

von 1 mg/l und mit Berücksichtigung der

Chlorzehrung im Desinfektions- und Ablaufbecken des

Grauwassermoduls kann mit Hilfe des erweiterten

Rohrnetzmodells in Abhängigkeit von der produzierten

Brauchwassermenge diejenige Menge an Desinfektionsmittel

ermittelt werden, die für eine ausreichende Desinfektion

an der Dosierstelle dem Brauchwasser hinzugegeben

werden muss. Die Auslegung wurde für Natriumhypochlorit

als Desinfektionsmittel mit unterschiedlichen

Aktivchlorgehalten durchgeführt. Demnach

wird für eine sichere Desinfektion des Brauchwassernetzes

bei einer Produktionskapazität von 83 m 3 /Tag je

nach Aktivchlorgehalt (4 bis 20 %) eine Desinfektionsmittelmenge

zwischen 11 und 55 kg pro Tag benötigt.

Das dynamische Rohrnetzmodell soll schließlich validiert

und gegebenenfalls angepasst werden, damit es für

die Online-Simulation der Chlorzehrung und des Wiederverkeimungsrisikos

entlang der Transportstrecke des

Brauchwassers im Netz eingesetzt werden kann. Damit

soll während des Betriebs die Brauchwasserqualität an

den Entnahmestellen kontinuierlich vorhergesagt und zur

Steuerung von Gegenmaßnahmen verwendet werden.

Ferner soll zukünftig untersucht werden, ob sich das

Wiederverkeimungsrisiko als Qualitätsindex aus direkt

bestimmbaren Messgrößen ableiten lässt (zum Beispiel

aus den Nährstoffparametern Ammonium und ortho-

Phosphat, dem spektralen Absorptionskoefffizienten als

Verschmutzungsindikator, der Temperatur, der Leitfähigkeit

und dem Chlorgehalt). Hierzu sollen die Datensätze

der Multiparameter-Messstation zugrunde gelegt

und mit Hilfe von intelligenten Methoden ausgewertet

werden, um abschließend zu evaluieren, ob für die Bestimmung

des hygienischen Zustands des Brauchwassernetzes

ein Soft-Sensor entwickelt werden kann.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Semizentrale, integrierte Infrastruktursysteme ermöglichen

eine zukunftsorientierte Ver- und Entsorgung

REFERENZEN

[1] Bieker, S., Cornel, P., Wagner, M.: Semicentralised supply and

treatment systems: integrated infrastructure solutions for

fast growing urban areas. Water Science & Technology 61(11),

S. 2905-2913, 2010

[2] GBT 18920-2002: The reuse of urban recycling water –

Water quality standard for urban miscellaneous water consumption,

Dezember 2002, http://www.cn-standard.net/

[3] Batstone, D.J., Keller, J., Angelidaki, I., Kalyuzhnyi, S.V.,

Pavlostathis, S.G., Rozzi, A., Sanders, W.T.M., Siegrist, H.,

Vavilin, V.A.: Anaerobic digestion model no. 1 (ADM1).

In: Scientific and Technical Report No. 13. IWA Task Group for

Mathematical Modelling of Anaerobic Digestion Processes

(ed.) IWA Publishing, London 2002

36

atp edition

9 / 2014


www.atp-edition.de

Jetzt bestellen!

von Wasser und Abwasser in schnell wachsenden

urbanen Räumen. Mit der Realisierung des weltweit

ersten Ver- und Entsorgungszentrums ist ein Verbundvorhaben

verknüpft, dessen Zielsetzung in der

Optimierung und Weiterentwicklung des semizentralen

Konzeptes liegt. Die Validierung der Stoffund

Energieströme, die Übertragbarkeit des Ansatzes

auf andere Standorte und die Prozessoptimierung

unter den Gesichtspunkten Betriebsstabilität,

Energieeffizienz und Ressourcenschonung spielen

eine wesentliche Rolle.

Für die zukünftige MSR-Technik und Prozessautomatisierung

leiten sich Entwicklungsanforderungen

ab. So wurde beispielhaft aufgezeigt, dass ein Soft-

Sensor für die CSB-Bestimmung, ein Modell zur vorausschauenden

Regelung des Biogas-Moduls und die

dynamische Simulation des Brauchwassernetzes geeignete

Werkzeuge sind, um einen ökonomischen und

sicheren Betrieb des VEZ zu gewährleisten.

DANKSAGUNG

MANUSKRIPTEINGANG

30.06.2014

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

Die Referenzklasse für die

Automatisierungstechnik

atp edition ist das Fachmagazin für die Automatisierungstechnik.

Die Qualität der wissenschaftlichen Hauptbeiträge

sichert ein strenges Peer-Review-Verfahren. Bezug zur

automatisierungstechnischen Praxis nehmen außerdem

die kurzen Journalbeiträge aus der Fertigungs- und Prozessautomatisierung.

Sichern Sie sich jetzt diese erstklassige Lektüre! Als

exklusiv ausgestattetes Heft oder als praktisches ePaper

– ideal für unterwegs, auf mobilen Endgeräten oder zum

Archivieren.

Wählen Sie einfach das Bezugsangebot, das Ihnen zusagt:

als Heft, ePaper oder Heft + ePaper!

Wird danken dem Bundesministerium für Bildung

und Forschung (BMBF) für die finanzielle Unterstützung

der Teilprojekte (Förderkennzeichen

02WCL1215C und 02WCL1266C), dem Institut IWAR

des Fachgebietes Abwassertechnik der Technischen

Universität Darmstadt für die Federführung

des Verbundvorhabens und für die Möglichkeit

als Projektpartner daran teilhaben zu können,

der Forschungsgruppe Gummersbach Environmental

Computing Center (Gecoc) der Fachhochschule

Köln für die Kooperation auf dem Gebiet

der Regelungstechnik sowie dem Rheinisch-Westfälischen

Institut für Wasser (IWW) für die Unterstützung

bei der Rohrnetzmodellierung.

[4] Gaida, D., Wolf, C., Meyer, C., Stuhlsatz, A., Lippel, J.,

Bäck, T., Bongards, M., McLoone, S.: State estimation

for anaerobic digesters using the ADM1. Water Science

& Technology, 66 (5), p. 1088 - 1095, 2012

[5] Gaida, D., Sousa Brito, A.L., Wolf, C., Bäck, T., Bongards,

M., McLoone, S.: Optimal control of biogas plants using

nonlinear model predictive control.

In: IET Irish Signals and Systems Conference 2011

(ISSC 2011), S. 219 - 224, Dublin, 2011

[6] Wolf, C., Gaida, D., Bongards, M..: Steuerungs- und

Regelungskonzepte für landwirtschaftliche Biogasanlagen.

In: Biogas in der Landwirtschaft – Stand und

Perspektiven Vol. 3, S. 225 – 234, Kassel, 2013

atp edition erscheint in der DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München


HAUPTBEITRAG

Anforderungs­ und

Testfall­Codesign

Formalisierung und Testfall-Generierung in der Praxis

Durch den verstärkten Einsatz von Software in mechatronischen Systemen und die

hohen Anforderungen an die Qualität derselben, müssen Entwicklungsprozesse bei

der mechatronischen Produkt­ beziehungsweise Geräteentwicklung angepasst werden,

um dem interdisziplinären Charakter in der Entwicklung zu entsprechen. In

diesem Beitrag wird eine Untersuchung von aktuellen Vorgehensweisen und den

sich daraus ableitenden Herausforderungen an das Anforderungs­ und Testmanagement

vorgestellt. Ferner wird ein Konzept zur integrierten Modellierung und Spezifikation

von Anforderungen und Testfällen vorgestellt. Fazit: Eine Formalisierung

von Anforderungen bis hin zu semi­formalen Anforderungen ermöglicht bei der

Spezifikation eine automatische Generierung von Testfällen.

SCHLAGWÖRTER Anforderungs- und Testmanagement / Mechatronische Systeme /

Formalisierung von Anforderungen

Requirement and Test Case Co-Design –

Semi-Formalization and Test Case Generation in Practice

Due to the increasing use of software in mechatronic systems, coupled with exacting

demands on quality, it is necessary to adapt development processes in the field of

mechatronic systems engineering in order to cope with the interdisciplinary characteristics

of these systems. A survey is presented of current development processes

and resulting requirements on specification and test management. A concept is

presented for the integrated modelling and specification of requirements and test

cases. It is concluded that semi­formalization of requirements forms an integral part

of the approach making the automatic generation of test cases possible.

KEYWORDS requirements and test management / mechatronic systems /

formalization of requirements

38

atp edition

9 / 2014


SUSANNE RÖSCH, STEFAN FELDMANN, Technische Universität München

DOROTHEA FÖRSTER, Schunk

BIRGIT VOGEL-HEUSER, Technische Universität München

Um den Anforderungen an einen hohen Funktionsumfang

gerecht zu werden, steigt der

Einsatz von Software bei der Entwicklung

im Maschinenbau zunehmend [1], da zusätzliche

Funktionen durch die Software realisiert

werden. Somit werden mehr mechatronische

Produkte beziehungsweise Geräte produziert anstatt

rein mechanischer Produkte. Diese kennzeichnet eine

enge Integration der Domänen Mechanik, Elektrotechnik

und Informatik und sie erzielen so wertvolle Synergieeffekte.

Diese Entwicklung erhöht die Produktund

Prozesskomplexität und steht hohen Anforderungen

an das Qualitätsmanagement gegenüber. Eine

mechatronische Produktentwicklung erfordert Vorgehensweisen,

die alle beteiligten Disziplinen über den

gesamten Entwicklungsprozess hinweg unterstützen.

Neben den bisher üblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen

muss in der Testphase der Nachweis einer

hohen Softwarequalität des mechatronischen Produkts

und der Korrektheit der zu realisierenden Systemfunktion

erbracht werden.

Um in diesem Bereich aktuelle Vorgehensweisen zu

analysieren, wurden Experten aus dem Bereich Anforderungs­

und Testmanagement von neun Maschinenbauunternehmen,

insbesondere Gerätehersteller aber

auch Dienstleister, durch Einzelinterviews befragt.

Fokus der Interviews waren aktuell eingesetzte Methoden,

Werkzeugketten und der entsprechende Handlungsbedarf,

um das Anforderungs­ und Testmanagement

zu verbessern.

Die Ergebnisse der Interviews zeigten, dass das Anforderungsmanagement

und entsprechende Dokumente

meist durch sequenzielle Listen mit einer Unterteilung

in funktionale und nicht­funktionale Anforderungen

geprägt sind. Die Beschreibung der Anforderungen erfolgt

vorwiegend in informeller textueller Form, und es

gibt keine oder nur wenige Vorgaben bezüglich des zu

verwendenden Vokabulars, der Ausführlichkeit der

Beschreibung oder genauen Parametervariationen, die

für die Durchführung von Testfällen notwendig sind.

Die informelle Formulierung kann zu falscher Interpretation

und damit zu Fehlern führen.

Da zumeist mehrere Personen an einem Anforderungsdokument

arbeiten, bei den befragten Unternehmen

durchschnittlich zwischen einer und drei bis hin

zu sieben Personen, ergeben sich oft Inkonsistenzen

bezüglich verwendeter Begrifflichkeiten und letztendlich

der Anforderungen selbst.

Im Anforderungsmanagement werden die spezifizierten

Anforderungen selten auf ihre Testbarkeit hin

überprüft. Hier ist teilweise ein Bruch beim Übergang

vom Anforderungs­ zum Testmanagement zu sehen.

Eine automatische Generierung von Testfällen hat

bisher kaum Einzug bei der mechatronischen Produktentwicklung

gehalten. Weiterhin werden Testfälle

oft erst erstellt, wenn das Produkt schon fertiggestellt

ist (zwei von neun befragten Unternehmen) oder

sich zumindest schon in der Design­Phase befindet

(fünf von neun befragten Unternehmen). Dies hat zur

Folge, dass Inkonsistenzen in den Anforderungsdokumenten

teilweise erst sehr spät aufgedeckt werden

und späte Änderungen durchgeführt werden müssen.

Das verursacht hohe Kosten, da die Änderungen in

allen Phasen des Entwicklungsprozesses nachgezogen

werden müssen [2].

Auf Basis der Interviews wurden folgende Ziele in

Form einer gewichteten Wunschliste der befragten Unternehmen

definiert:

Anforderungsspezifikation: Definition einer auf

Systemebene möglichst umfassend abgestimmten

und abgesicherten Spezifikation der Anforderungen

(sehr wichtig)

Nachverfolgbarkeit (Traceability): frühzeitige Integration

der Zusammenhänge zwischen Anforderungen

und Testfällen (sehr wichtig), um Widersprüche

frühzeitig beheben zu können (wichtig)

Testfallentwurf: frühzeitiger, systematischer Entwurf

der Testfälle auf Basis der Anforderungen

(sehr wichtig) mit möglichst hoher Testabdeckung

bei möglichst geringem Aufwand (sehr wichtig)

Beim im Beitrag vorgestellten Ansatz wurde diese

Wunschliste berücksichtigt und ein Konzept für eine

atp edition

9 / 2014

39


HAUPTBEITRAG

entsprechende Vorgehensweise entwickelt. Das Konzept

wurde unter stetiger Diskussion der Ergebnisse mit

den befragten Unternehmen erarbeitet und an Industriebeispielen

evaluiert.

1. STAND DER TECHNIK

Die fehlende Formalisierung von Anforderungen wird

in vielen Forschungsarbeiten adressiert. Für die formale

Beschreibung von Anforderungen existieren verschiedene

Möglichkeiten von textuellen Beschreibungen

[3] über eine Darstellung in Form von Automaten

oder Zustandsdiagrammen [4] bis hin zur tabellarischen

Darstellung [5]. Nach ersten Untersuchungen

erlaubt eine tabellarische Darstellung ein schnelleres

Verständnis und einen besseren Überblick, im Gegensatz

zu anderen Darstellungen bei formalen Anforderungen

[6]. Insbesondere für sicherheitskritische

Anforderungen ist eine inkonsistente Anforderungserhebung

ein Problem, weshalb gerade für diesen Anwendungsfall

Ansätze zur Formalisierung von sicherheitskritischen

Anforderungen und Safety-Patterns

entwickelt wurden [7]. Aufbauend auf formalen Anforderungen

gibt es bereits zahlreiche Ansätze, bei denen

Testfälle automatisch generiert werden [8, 9]. Weiterhin

werden formale Modelle für eine automatische Transformation

zwischen Steuerungsprogrammen und Modell,

wie beispielsweise in [10], zur Überprüfung des

korrekten Systemverhaltens genutzt und lassen sich für

die Verifikation verwenden. Auch modellbasierte Ansätze,

die auf Basis einer semantisch spezifizierten Modellierungssprache

die nutzergerechte Modellierung

und die automatische Testfallgenerierung ermöglichen,

wie zum Beispiel in [11] vorgeschlagen, bieten vielversprechende

Ansätze, die Formalisierung von Systembeschreibungen

voranzutreiben. Allerdings steht bei

diesen Ansätzen das Ziel der Integration mit aktuellen

Vorgehensweisen, bei denen eine Pflichtenheftbeschreibung

und abschließende Tests auf Black-Box-

Ebene zum Einsatz kommen, die für die Kunden als

Nachweis dienen, nicht im Fokus.

Auch eine Übergabe an die Systementwicklung erfolgt

meist manuell, und es existieren keine durchgängigen

Werkzeugketten, wie beispielsweise eine in [12]

vorgeschlagene formale Prozessbeschreibung mit Anforderungserhebung,

die eine durchgängige Übergabe

von Information bis in die Entwicklung ermöglicht.

Diese bezieht sich jedoch hauptsächlich auf die Einschränkung

der technischen Ressourcen in Zusammenhang

mit den Prozessschritten, und der Test steht

nicht im Vordergrund.

2. KONZEPT ZUM ANFORDERUNGS- UND

TESTFALL-CODESIGN

Im Folgenden wird der Ansatz für ein integriertes Anforderungs-

und Testfall-Codesign vorgestellt, siehe

Bild 1, der den Entwicklungsprozess von der Anforderungserhebung

bis hin zum Test unterstützen soll. Der

Ansatz sieht zunächst die Modellierung von Features

vor, die hier im Sinne einer allgemeinen Beschreibung

von Kundenfunktionen verwendet werden. Anschließend

ist eine Modellierung der Anforderungen an die

Features vorgesehen, Bild 1, . Dazu wurden Schablonen

entworfen, die die wichtigsten Elemente zur Modellierung

derselben enthalten. Die Elemente wurden

nach Analyse von Pflichtenheften aus drei der befragten

neun Unternehmen und dem aktuellen Stand

der Technik entworfen. Die Modellierung des Systems

erfolgt hierbei aus Black-Box-Sicht. Es soll auch aus

Kundensicht nachvollziehbar sein, wie sich das System

von außen verhält.

Weiterhin sieht die Vorgehensweise eine Formalisierung

der funktionalen bis hin zu semi-formalen Anforderungen

vor, Bild 1, , die im Abschnitt 2.3 im Detail

erläutert wird. Dies dient dem Ziel der schnellen, effizienten

Testfallerstellung für funktionale Anforderungen,

da auf Basis der semi-formalen Anforderungen

automatisiert Testfälle generiert werden können, Bild

1, . Nachdem die Phase der Anforderungsdefinition

abgeschlossen ist, folgt eine Übergabe an die Systementwicklung,

die unter anderem durch eine Visualisierung

in Klassifikationsbäumen umgesetzt wird, Bild 1,

, die in Abschnitt 2.5 im Detail erläutert werden. Auf

Basis des Ansatzes wird das Anforderungs- und Testmanagement

enger verzahnt.

2.1 Anwendungsbeispiel

Zur Illustration des Konzepts wird in diesem Beitrag

ein reales Anwendungsbeispiel LED-Anzeige aus dem

Unternehmen Schunk verwendet, das für die Darstellung

stark vereinfacht wurde. Weitere typische Anwendungsfälle,

auf denen der Fokus für die Entwicklung

der Vorgehensweise lag, sind Geräte wie Stellventile

oder Produkte aus der Messtechnik wie Wegaufnehmer.

Die Anzeige soll Auskunft über den Status von Motoren,

wie zum Beispiel die Funktionsfähigkeit, Firmware-Updates,

Einschaltvorgang und Fehler, geben und

sich als zusätzliche Komponente einsetzen lassen. Geplant

ist eine Anzeige mit: zwei grünen LED-Elementen

LED_Logik und LED_Motor, einer roten LED_Fehler und

einer gelben LED_Ready, siehe Bild 2. Als Vorgabe für

das funktionale Verhalten der Anzeige werden unter

anderem folgende Anforderungen gestellt:

Anforderung A1: Die LEDs LED_Logik und LED_

Motor müssen immer eingeschaltet sein, wenn das

Modul funktionsfähig ist. Der Status Fehler darf

zugleich nicht aktiv sein.

Anforderung A2: Beim Einschaltvorgang muss

LED_Fehler eingeschaltet und LED_Ready ausgeschaltet

sein.

Anforderung A3: Die Fehlercodes E.72 (Error_Logic_Low),

E.73 (Error_Logic_High), E.74 (Error_Mo-

40

atp edition

9 / 2014


tor_Low) und E.75 (Error_Motor_High), die das

Über­ beziehungsweise Unterschreiten einer Höchstoder

Mindestspannung repräsentieren, müssen visualisiert

werden. Gleichzeitig soll der Status Fehler

aktiv sein. Für die Visualisierung dürfen nicht LED_

Logik und LED_Motor verwendet werden.

In das Pflichtenheft fließen auch Anforderungen aus

Leitfäden für Statusanzeigen ein. Ziel des Anforderungs­

und Testfall­Codesigns ist es, ein konsistentes

Pflichtenheft und eine Testfallspezifikation zu erstellen.

2.2 Modellierung von Features und Anforderungen

Für die integrierte Modellierung von Anforderungen

und Features wurden die Schablonen Feature und Requirement

entworfen. Allgemein enthalten alle Schablonen

neben der tatsächlichen Formulierung und Detaillierung

der Anforderungen zusätzliche Information,

das heißt Metadaten zu Ersteller, Version und Datum

und K l a s s i fi k a t i o n , die zu einer vollständigen Pflichtenheftbeschreibung

gehören (Bild 3).

Die Schablone Feature

Die Schablone für das Feature enthält über die entsprechenden

Metadaten hinaus zur Modellierung das Feld

Content, siehe Bild 3, in dem wichtige Attribute wie

die Priorität und eine Beschreibung des Features definiert

werden können. In einem Feature werden alle

System­Parameter gesammelt, die später innerhalb der

Anforderungen verwendet werden. Das System wird

als Black­Box betrachtet und die Parameter mit einer

Richtung In für Eingangswerte, Out für Ausganswerte

oder InOut für Ein­/Ausgangswerte versehen.

Das Feature des Anwendungsbeispiels bezieht sich im

Beitrag auf die Komponente LED­Anzeige. Die System­

Parameter sind zum einen die LEDs, aber ebenso der

Status und alle weiteren Signale, die bei der Black­Box­

Betrachtung eine Rolle spielen. Hier übernimmt der

Entwickler beim Anforderungs­ und Testmanagement

eine wesentliche Rolle, da er nicht nur Parameter, die

automatisiert verarbeitet werden können spezifizieren

kann, sondern auch Parameter, die eventuell manuell

vom Tester manipuliert und angepasst werden müssen.

In dem LED­Beispiel sind die LEDs die nach außen

sichtbare Visualisierung, daher wird hier die Richtung

Out definiert, siehe zum Beispiel Bild 3, Anforderung

A1, LED_Logik. Die Error­Parameter gehen als Input zur

Anzeige und sollen auch nach außen visualisiert werden.

Für die Visualisierung wird der Ausgangsparameter

7­Segment­Anzeige mit den Werten E.72 bis E.75

eingeführt, siehe Bild 3, Feature Fehleranzeige.

Die Schablone Requirement

In den Schablonen, die die Anforderungen beschreiben,

werden die im Feature definierten Parameter zueinander

in Beziehung gesetzt. Es werden außerdem funktionale

und nicht­funktionale Anforderungen klassifiziert, was

für die weitere Formalisierung und Testfallgenerierung

wichtig ist, da diese ausschließlich auf den funktionalen

Anforderungen aufbauen. Da Anforderungen beim Anforderungs­

und Testfall­Codesign unter dem Aspekt der

Testbarkeit betrachtet werden, werden zeitliche Anfor­

BILD 1: Übersicht über das

Konzept zum integrierten

Anforderungs- und Testfall-

Codesign.

BILD 2: Zu spezifizierendes und zu

testendes Produkt LED-Anzeige

atp edition

9 / 2014

41


HAUPTBEITRAG

derungen, im Unterschied zur ISO 25010 [13], zu den

funktionalen Anforderungen gezählt. Zu den nicht­funktionalen

Anforderungen gehören alle anderen Anforderungen

nach ISO 25010, wie beispielsweise Usability.

Im Content­Teil der Anforderungen werden die nach

der Ist­Analyse identifizierten wichtigsten Beschreibungselemente,

die in den meisten Pflichtenheften enthalten

sind, wie Priorität und Beschreibung, definiert.

Somit enthält die Schablone die Elemente, die in den

etablierten Prozessen bei den Unternehmen beschrieben

werden müssen. Weiterhin werden Parametervariationen

definiert, die sich aus der Anforderung ableiten.

Parametervariationen dienen zur Angabe des gültigen

Bereichs von Parametern. Für einen Parameter des Typs

Fließkommazahl könnte dies zum Beispiel ein definiertes

Intervall wie beispielsweise 15 bis 30 sein.

Ein Aspekt, der bisher in der frühen Phase von Entwicklungsprozessen

meist vernachlässigt wird, ist die

Testbarkeitsbetrachtung. Die Tatsache, dass eine Anforderung

gegebenenfalls nicht testbar ist, fällt auf diese

Weise oft erst in späten Phasen auf und ist zum Beispiel

auf fehlende Beschreibung von für einen Test

notwendigen Parametervariationen oder fehlende Aussagekraft

einer Anforderung (Testziel) zurückzuführen.

Ohne die Angabe der Parametervariation lässt sich

nicht bestimmen welche Testeingabedaten gültig sind

und welche nicht. Dies wird in der Anforderungsschablone

(requirement) explizit adressiert.

In Bild 3 ist eine ausgefüllte Schablone für Anforderung

A1 ohne den Teil Formalization dargestellt, die im

Abschnitt 2.3 im Detail beschrieben wird. Die Parametervariationen

werden in Anforderung A1 nicht eingeschränkt

und können alle die nach dem Typ möglichen

Werte annehmen, gekennzeichnet durch das Symbol*.

Für Status ist dies zum Beispiel Einschaltend oder Info.

2.3 Semi-Formalisierung der Anforderungen

Aufgrund der nach [6] untersuchten guten Lesbarkeit

von formalen Spezifikationen durch Wahrheitstabellen

wurde diese Darstellungsform für die Vorgehensweise

gewählt. Die Notation dieser semi­formalen Beschreibung

ist der formalen Beschreibung der SpecTRM­RL

[5] sehr ähnlich. Jedoch ist die SpecTRM­RL auf eine

vollständige formale Beschreibung des Systems ausgelegt,

was der Anforderung einer aufwandsarmen

Spezifikation widerspricht.

Die Formalisierung erfolgt anhand von Wahrheitstabellen,

in denen die Ausgangsparameter mit wahr (T),

falsch (F) und don‘t care (*) beschrieben werden. Ein

Ausgangsparameter nimmt dabei genau den Wert an,

für den die in der Tabelle spezifizierten Bedingungen

erfüllt sind. Bedingungen können dabei durch die

Kombination einzelner Variablenbelegungen formuliert

werden, die in den Wahrheitstabellen grafisch hinterlegt

sind, siehe Bild 4. Das zeilen­ und spaltenweise

Formulieren des Wahrheitsgehalts erlaubt die Verknüpfung

der Variablenbelegungen durch ein logisches

AND (zeilenweise) beziehungsweise OR (spaltenweise).

Da die Bedingungen eine semi­formale Beschreibung

zulassen, ist die Formulierung von komplexen Bedingungen

möglich. Ein Beispiel ist ein kontinuierlich

steigendes Signal, wofür eine entsprechende Parametervariation,

zum Beispiel var1 == 3*t, also die Bedingung,

dass var1 über die Zeit kontinuierlich größer

BILD 3: Modell des

Anwendungsbeispiels.

Detaildarstellung

des

Features Fehleranzeige

und der

Anforderung A1.

42

atp edition

9 / 2014


wird, angelegt werden muss. Die Einstufung unter

Testability muss dann semi­automatisch oder manuell

erfolgen, da hier der Testingenieur für die konkrete

Umsetzung dieses Signals zuständig ist. Damit werden

dem Entwickler bei der Testfallbeschreibung kreative

Freiräume eingeräumt, um die Spezifikation nach seinen

beziehungsweise den Wünschen des Unternehmens

anzupassen.

Die Wahrheitstabellen können auf Basis der Eingabedaten

ausgewertet werden. Auf Basis der modellierten

Anforderungen lassen sich für die generierten Kombinationen

an Eingangsvariablen somit entsprechende

erwartete Belegungen der Ausgangsvariablen generieren.

Darüber hinaus können Konsistenzprüfungsmechanismen

auf die formalisierten Anforderungen angewandt

werden, um zum Beispiel widersprüchliche

Anforderungen oder Mehrdeutigkeiten in der Spezifikation

zu identifizieren. Eine erste Anwendung in Zusammenspiel

mit der Vorgehensweise zum Anforderungs­

und Testfall­Codesign wird in [14] vorgestellt.

Im Anwendungsbeispiel, siehe Bild 4, nimmt LED_

Fehler den Wert on an, falls der Status Einschaltend

(Status == Einschaltend ist wahr) vorliegt.

Wenn alle Anforderungen nach diesem Schema semiformalisiert

wurden, werden die einem Feature zugehörigen

Anforderungen gesammelt und für die Testfallgenerierung

ausgewertet.

2.4 Automatische Generierung der Testfälle

Ziel der Testfallgenerierung ist eine standardisierte

und durchgängige Vorgehensweise für die Erstellung

BILD 4: Semi-Formalisierung der

Anforderungen A1, A2 und A3.

von Testfällen, bei der sich im Anschluss eine genaue

Aussage über die Testabdeckung machen lässt. Mit der

Formalisierung der funktionalen Anforderungen zu

semi­formalen Beschreibungen werden dabei die Ausgaben

bei der Testfallgenerierung erzeugt. Die Testfälle

für nicht­funktionale Anforderungen werden manuell

angelegt.

Für die Wahl der Testeingabedaten gibt es verschiedene

Kriterien. So muss entschieden werden, wie groß

die Stichprobe für einen Parameter sein soll. Der Parameter

Motorspannung, der durch eine weitere Anforderung

beschrieben wird, hat seinen gültigen Bereich

zwischen 15 und 30 V. Um eine volle Testabdeckung

für gültige Testeingabedaten zu erreichen,

müsste nun jeder mögliche Wert getestet werden, was

jedoch bei der tatsächlichen Durchführung meist

nicht realisierbar ist. Wie groß die Stichprobe sein

muss, liegt vorrangig im Entscheidungsspielraum des

Testingenieurs, der dies auf Erfahrungsbasis festlegt.

Dieses Know­how wird bei der Modellierung durch

die Festlegung des Attributs step-size integriert. Dadurch

wird entschieden, wie viele Testfälle generiert

werden, indem im Bereich der gültigen Variation des

Parameters Werte mit dem Abstand step-size als Testeingabe

generiert werden. Für die Generierung der

Testeingabedaten gibt es viele Kriterien, wie zum Beispiel

die Generierung aller möglichen Eingabekombinationen,

die berücksichtigt werden können [15]. Beim

vorgestellten Ansatz wurde das Generierungskriterium,

dass jeder durch die Schrittweite definierte Wert

mindestens einmal getestet werden muss, als Grundlage

gewählt. Da Negativtests eine wichtige Rolle beim

Testen spielen, müssen zusätzlich Tests mit ungültigen

Testeingabedaten spezifiziert und durchgeführt

werden. Für die Negativtests werden die ungültigen

Grenzwerte als Testeingabe mitgeneriert, da gerade in

diesem Bereich viele Fehler aufgedeckt werden können

[16]. Die Bestimmung der Ausgabedaten erfolgt

anhand der in Abschnitt 2.3 beschriebenen Auswertung

der Wahrheitstabellen.

Die für funktionale Anforderungen und abgeleitete

Testfälle eingesetzte Schablone ist für alle Testfälle vorgesehen

und kann für nicht­funktionale Anforderungen,

wie Geschäfts­ oder Prozessanforderungen, Produktionskosten,

manuell angelegt werden. Diese sind dann

unter der Bewertung Rating als manuell einzuordnen,

da sie nicht durch einen klassischen Testfall sondern

von einer Person manuell überprüft werden müssen.

In Bild 5 ist ein Beispiel für einen einzelnen generierten

Testfall dargestellt. Die Logikspannung ist außerhalb

des gültigen Bereichs (der gültige Bereich ist

24 V) und der Status Fehler wird gemeldet. Die Auswertung

der Wahrheitstabellen führt zur erwarteten Anzeige

der LEDs und der Ausgabe E.72 auf der 7­Segment­

Anzeige. Auf der rechten Seite von Bild 5 wird zudem

ein Sequenzdiagramm gezeigt, dass die zu erwartende

Sequenz der Ausgabevariablen visualisiert, womit der

Testingenieur die tatsächliche mit der zu erwartenden

Systemreaktion vergleichen kann.

atp edition

9 / 2014

43


HAUPTBEITRAG

2.5 Übergabe an Design-/Systementwicklung

Als Bestandteil des Anforderungs­ und Testfall­Codesigns

können generierte Testfälle innerhalb eines

Klassifikationsbaums dargestellt werden. In Bild 6 auf

der linken Seite ist das Ergebnis dieser Generierung für

das Beispiel LED zu sehen. Der Klassifikationsbaum hat

sich für die Darstellung von Testeingabedaten im Bereich

des Testmanagements etabliert [15], da sich Black­

Box­Tests übersichtlich darstellen lassen. Jede Spalte

steht für einen konkreten Wert eines Testeingabeparameters,

jede Zeile für einen konkreten Test. In dem

Baum bezeichnen die farblich markierten Testeingabedaten

ungültige Werte und somit Negativtests. Bei der

Vorgehensweise kann dieser automatisiert generiert

werden. Die für die spezifizierten Eingaben erwarteten

Ausgaben sind aus Bild 6 rechts ersichtlich und dienen

als Ergänzung.

3. DISKUSSION UND BEWERTUNG DES ANSATZES

Die Evaluation der Vorgehensweise erfolgte anhand

eines Fragebogens, der die aktuell vorherrschenden

Vorgehensweisen dem im Beitrag vorgestellten Anforderungs­

und Testfall­Codesign gegenüberstellt. Um

den Teilnehmern an den Einzelinterviews eine umfassende

Entscheidungsbasis für die Bewertung zu

ermöglichen, wurde ein Workshop durchgeführt, in

dem die Vorgehensweise mit Hilfe eines Leitfadens

erläutert und gemeinschaftlich anhand von zwei Beispielen

aus der Industrie erarbeitet wurde, eines davon

das hier vorgestellte Anwendungsbeispiel. Die Probanden

setzten sich aus sechs Experten aus fünf Unternehmen

zusammen.

Im Workshop konnte bei der Modellierung der Anforderungen

bereits früh eine Inkonsistenz aufgedeckt

werden. Beim Beispiel der LED­Anzeige wird durch

BILD 5: Schablone für Testfälle, Beispiel mit einer

ungültigen Eingabe für die Logikspannung

BILD 7: Bewertung der Vorgehensweise im

Vergleich zu aktuellen Vorgehensweisen im Bereich

Anforderungs- und Testmanagement

BILD 6: Darstellung der

Testeingabedaten und der

erwarteten Ausgaben in

einem Klassifikationsbaum

44

atp edition

9 / 2014


Anforderung A3 die Anzeige von vier Fehlercodes gefordert,

wobei LED_Fehler auf jeden Fall im Status on

sein soll. Durch die detaillierte Modellierung der Anforderungen,

einschließlich Parametervariationen, fällt

bei der Formulierung auf, dass sich lediglich drei offene

Kombinationen aus den für die Darstellung erlaubten

LEDs, LED_Ready und LED_Fehler ergeben:

{blinking, on}, {flashing, on} und {on, on}. Die Ausgabe

{off, on} ist nach Anforderung A2 bereits vorbelegt. Dies

hat zur Folge, dass die mechanischen und elektronischen

Elemente erneut geplant werden müssen. Um

die funktionalen Anforderungen zu erfüllen wird daher

eine 7­Segment­Anzeige in den Entwurf integriert.

Nachdem beide Beispiele erarbeitet wurden, beantworteten

die Experten einen Fragebogen zur Evaluation

des Ansatzes, der aufbauend auf den zu Beginn des

Projektes ermittelten Anforderungen bezüglich Anforderungsspezifikation,

Testmanagement und ­generierung,

Integration in Entwicklungsprozesse und Mitarbeiterlast

erstellt worden war. Die Mittelwerte sind in

Bild 7 dargestellt (1: voll erfüllt, 6: gar nicht erfüllt).

Lediglich beim Aufwand der Spezifikation und Papierarbeit

mussten bei der Vorgehensweise Abstriche

gemacht werden. Dies soll durch eine geeignete Werkzeugunterstützung

verbessert werden. Die Evaluation

wurde anschließend mit den Teilnehmern diskutiert

und es ergab sich der Konsens, dass ein geringer Mehraufwand

in der frühen Phase zugunsten einer effektiven

und fehlerfreien Arbeitsweise akzeptabel ist.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Die erste Evaluation mit zwei Beispielen aus der Industrie

ergab, dass die Vorgehensweise die Anforderungen

aus der Industrie für ein qualitativ hochwertiges An­

REFERENZEN

[1] Reimann, G.: Trendstudie: IT und Automation in den Produkten

des Maschinenbau bis 2015. In: VDMA Branchen: Software –

IT-Umfragen, 2012. Online: http://www5.vdma.org/wps/

portal/Home/de/Branchen/S/SW/Projekte_und_Initiativen/IT

- Umfragen/SW_A120423_Trendstudie_IT_und_Automation_

im_Maschinenbau, abgerufen im August 2014.

[2] Balzert, H.: Lehrbuch der Softwaretechnik – Softwaremanagement.

Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2008.

[3] Mauco, M. V., Leonardi, M. C., Riesco, D., Montejano, G.,

Debnath, N.: Formalising a derivation strategy for formal

specifications from natural language requirements models.

In: 5th IEEE International Symposium on Signal Processing

and Information Technology, S. 646-651, 2005.

[4] Huber, F., Molterer, S., Schätz, B., Slotosch, O., Vilbig, A.: Traffic

lights-an AutoFocus case study. In: 1st International Conference

on Application of Concurrency to System Design, S. 282-294, 1998.

[5] Leveson, N., Heimdahl, M. P., Reese, J. D.: Designing Specification

Languages for Process Control Systems: Lessons Learned

and Steps to the Future? In: Software Engineering – 7th

European Software Engineering Conference/7th ACM SIGSOFT

Symposium on the Foundations of Software Engineering,

Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, 1999.

[6] Zimmermann, M. K., Lundqvit, K., Leveson, N.: Investigating

the Readability of State-Based Formal Requirements

Specification Languages. In: 24th IEEE International Conference

on Software Engineering, S. 33-43, 2002.

[7] Bitsch, F.: Safety-Anwendbare Spezifikation formal verifizierbarer

Sicherheitsanforderungen mit Safety-Pattern -Verfahren

zur Spezifikation funktionaler Sicherheitsanforderungen

für Automatisierungssysteme. atp – Automatisierungstechnische

Praxis 48(8), S. 50-61, 2006.

[8] Kelley, K.: Automated Test Case Generation from Correct and

Complete System Requirements Models. In: IEEE Aerospace

Conference, S. 1-10, 2009.

[9] Broy, M., Slotosch, O.: From requirements to validated

embedded systems. In: Lecture Notes in Computer

Science, Vol. 2211, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg,

S. 51-65, 2001.

[10] Soliman, D., Thramboulidis, K., Frey, G.: Function Block

Diagram to UPPAAL Timed Automata Transformation

Based on Formal Models. In: 14th IFAC Symposium

on Information Control Problems in Manufacturing,

S. 625-631, 2012.

[11] Hussain, T., Frey, G.: UML-based Development Process for

IEC 61499 with Automatic Test-case Generation. In: 11th

IEEE Conference on Emerging Technologies and Factory

Automation, S. 1277-1284, 2006.

[12] Jäger, T., Christiansen, L. Strube, M. Fay A.: Durchgängige

Werkzeugunterstützung von der Anforderungserhebung

bis zur Anlagenstrukturbeschreibung mittels formalisierter

Prozessbeschreibung und AutomationML. In: Entwurf

komplexer Automatisierungssysteme, S. 239-251, 2012.

[13] ISO/IEC 25010: Systems and software engineering

– Systems and software Quality Requirements and

Evaluation (SQuaRE) – System and software quality

models. 2011.

[14] Feldmann, S., Rösch, S., Legat, C., Vogel-Heuser, B.:

Keeping Requirements and Test Cases Consistent:

Towards an Ontology-based Approach. In: 5th IEEE

International Conference on Industrial Informatics,

S. 1-8, 2014.

[15] Kruse, P. M., Wegener, J.: Test Sequence Generation from

Classification Trees. In: 5th IEEE International Conference

on Software Testing, Verification and Validation,

S. 539-548, 2012.

[16] Myers, G. J., Sandler, C., Badgett T., Thomas, T. M.: The Art

of Software Testing, Second Edition. John Wiley & Sons,

New Jersey, 2004.

atp edition

9 / 2014

45


HAUPTBEITRAG

forderungs­ und Testmanagement für diesen Teilbereich

an Anwendungen von mechatronischen Produkten

für die Experten der Anwendergruppe erfüllt.

Durch eine einfache Formalisierung von Anforderungen

bis hin zu einer semi­formalen Beschreibung gelingt

es, automatisch Testfälle schnell und aufwandsarm

zu generieren. Durch die Modellanalyse der Anforderungen

konnten weiterhin schnell beziehungsweise

in einer sehr frühen Phase des Entwicklungsprozesses

Inkonsistenzen aufgedeckt werden, was eine Kostenersparnis

bei der Anwendung der Methode in Unternehmen

erwarten lässt. Eine Evaluation für komplexere

Systeme, zusätzliche Anwendungen und eine Evaluation

mit einer größeren Anwendergruppe ist ein weiteres

Ziel, um die Anwendbarkeit und Qualität des

Ansatzes aufzeigen zu können. Für komplexe mechatronische

Systeme ist bereits eine Hierarchisierung und

Zerlegung des Problems vorgesehen, eine Evaluation

steht dafür noch aus.

Eine weitere Herausforderung ist die Integration von

Testszenarien, bei der eine Folge von Eingabedaten das

gewünschte Testziel herbeiführt. Prinzipiell ist eine

dementsprechende Modellierung innerhalb der Anforderungsschablonen

bereits möglich, durch die Verwendung

von InOut als Richtung für Parameter, die eine

Rückführung von Parametern erlauben, bei der Testfallgenerierung

werden diese jedoch noch nicht berücksichtigt.

Die prototypische Realisierung der Vorgehensweise

in einem Editor dient in zukünftigen Arbeiten

der Evaluation der Usability der Modellierung

und Vorgehensweise.

DANKSAGUNG

MANUSKRIPTEINGANG

08.04.2014

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

Das IGF-Vorhaben 17259 N/1 der Deutschen

Forschungsgesellschaft für Automatisierung und

Mikroelektronik e.V. (DFAM) wurde über die AiF

im Rahmen des Programms zur Förderung der

Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

aufgrund eines Beschlusses des Deutschen

Bundestages gefördert.

AUTOREN

Dipl.­Ing. SUSANNE RÖSCH (geb. 1987) ist wissenschaftliche

Mitarbeiterin am Lehrstuhl für

Automatisierung und Informationssysteme an der

Technischen Universität München. Ihr Forschungsinteresse

gilt der effizienten Testfallerstellung

und dem automatisierten Test von Steuerungssoftware

in der Automatisierungstechnik.

Lehrstuhl für Automatisierung und

Informationssysteme,

Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,

Tel. +49 (0) 89 28 91 64 38,

E-Mail: roesch@ais.mw.tum.de

Dipl.­Ing. (FH) DOROTHEA FÖRSTER (geb. 1985)

ist angestellte Mitarbeiterin bei Schunk in der

Abteilung Entwicklung Greifsysteme, Produkt

und Vorentwicklung Mechatronik. Ihr Aufgabengebiet

umfasst die Erstellung und Durchführung

automatisierter Tests für die Validierung von

eingebetteter Software in industriellen Automationskomponenten

und Reglern.

SCHUNK GmbH & Co. KG,

Bahnhofstraße 106-134, D-74348 Lauffen/Neckar,

Tel. +49 (0) 7133 103 20 78,

E-Mail: dorothea.foerster@de.schunk.com

Dipl.­Ing. STEFAN FELDMANN (geb. 1990) ist

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl

für Automatisierung und Informationssysteme

an der Technischen Universität München.

Sein Forschungsinteresse gilt der Anwendung

wissens basierter Systeme zur Verbesserung der

interdisziplinären Entwicklung in automatisierungstechnischen

Projekten.

Lehrstuhl für Automatisierung und

Informationssysteme,

Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,

Tel. +49 (0) 89 28 91 64 41,

E-Mail: feldmann@ais.mw.tum.de

Prof. Dr.­Ing. BIRGIT VOGEL-HEUSER (geb. 1961)

leitet den Lehrstuhl für Automatisierung und

Informationssysteme an der Technischen Universität

München. Ihre Forschungsgebiete adressieren

die System­ und Softwareentwicklung,

insbesondere die Modellierung verteilter, intelligenter

eingebetteter Systeme.

Lehrstuhl für Automatisierung und

Informationssysteme,

Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching bei München,

Tel. +49 (0) 89 28 91 64 00,

E-Mail: vogel-heuser@ais.mw.tum.de

46

atp edition

9 / 2014


Die Referenzklasse für die

Automatisierungstechnik

www.atp-edition.de

atp edition ist das Fachmagazin für die Automatisierungstechnik.

Die Qualität der wissenschaftlichen Hauptbeiträge

sichert ein strenges Peer-Review-Verfahren. Bezug

zur automatisierungstechnischen Praxis nehmen außerdem

die kurzen Journalbeiträge aus der Fertigungs- und

Prozessautomatisierung.

Sichern Sie sich jetzt diese erstklassige Lektüre! Als exklusiv

ausgestattetes Heft oder als praktisches ePaper – ideal für

unterwegs, auf mobilen Endgeräten oder zum Archivieren.

Wählen Sie einfach das Bezugsangebot, das Ihnen zusagt:

• Heft

• ePaper

• Heft + ePaper

25% ersten Bezugsjahr

Rabatt im

atp edition erscheint in der DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München

WISSEN FÜR DIE

ZUKUNFT

Vorteilsanforderung per Fax: +49 Deutscher 931 Industrieverlag / 4170-494 GmbH | Arnulfstr. oder 124 abtrennen | 80636 München und im Fensterumschlag einsenden

Ja, ich möchte atp edition regelmäßig lesen und im ersten Bezugsjahr 25 % sparen.

Bitte schicken Sie mir die Fachpublikation für zunächst ein Jahr (10 Ausgaben)

als Heft für € 389,25 zzgl. Versand

(Deutschland: € 30,- / Ausland: € 35,-).

als ePaper (Einzellizenz) für € 389,25

als Heft + ePaper für € 536,03

inkl. Versand (Deutschland) / € 541,03 (Ausland).

Alle Preise sind Jahrespreise und verstehen sich inklusive Mehrwertsteuer. Nur wenn ich nicht bis 8 Wochen

vor Bezugsjahresende kündige, verlängert sich der Bezug zu regulären Konditionen um ein Jahr.

Firma/Institution

Vorname, Name des Empfängers

Straße / Postfach, Nr.

Land, PLZ, Ort

Antwort

Leserservice atp

Postfach 91 61

97091 Würzburg

Telefon

E-Mail

Branche / Wirtschaftszweig

Telefax

Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B.

Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur

Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an den Leserservice atp, Postfach

9161, 97091 Würzburg.


Ort, Datum, Unterschrift

PAATPE2014

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,

dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.

Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


HAUPTBEITRAG

Stellantrieb mit

sicheren Funktionen

nach IEC EN 61508

Entwicklung und Umsetzung von Architekturmerkmalen

Die IEC EN 61508 beschreibt die Bereiche zur Beherrschung systematischer und

zufälliger Fehler an sicherheitsrelevanten technischen Systemen. Sie führt die Rahmenbedingungen

auf, die für Entwurf, Realisierung und Betrieb sicherheitsbezogener

Systeme erforderlich sind. Obwohl in den Anhängen der Norm auf technische und

praktische Aspekte eingegangen wird, stellt sie keine Standardbauanleitung für sicherheitsrelevante

Systeme dar. Dies gibt den Entwicklern Freiräume, um innovative

und wettbewerbsfähige Produkte zu konzipieren. In diesem Beitrag wird die Entwicklung

und Implementierung sicherer Funktionen für einen Stellantrieb beschrieben.

Dabei werden die möglichen Architekturmerkmale behandelt und diskutiert.

SCHLAGWÖRTER IEC EN 61508 / SIL / Stellantrieb / Common Cause Failure

Actuator with Safety Functions in Accordance with IEC EN 61508 –

Development and Implementation of Architectural Features

IEC EN 61508 describes the control of systematic and unexpected hazardous events

with safety-relevant technological systems. It establishes necessary conditions for

the design, development, and operation of safety-related systems. Although the standard

includes annexes which address technical and practical aspects, it does not

constitute a set of instructions for the development of safety-relevant systems. Developers

therefore have scope to design innovative and competitive products. Here

the development and implementation of safe functions are described for an actuator.

Possible architectural characteristics are considered.

KEYWORDS IEC EN 61508 / safety integrity level / SIL / actuator /

common cause failure

48

atp edition

9 / 2014


PETER MALUS, WERNER THOMANN, Auma

KARL-HEINZ KAYSER, Hochschule Esslingen

Stellantriebe für Armaturen und Maschinenantriebe

kommen in vielfältigen Anwendungen

im Stahlwasserbau, bei Wasserverund

-entsorgungsanlagen, Kraftwerks- und

Chemieanlagen, bei Öl- und Gasförderung,

Öl-, Gastransport (Pipelines) und Verarbeitung, sowie

im maritimen Bereich zum Einsatz. Kennzeichnend für

die Produkte sind deren extreme Einsatzbedingungen,

siehe Bild 1, bei gleichzeitig geforderter langjähriger,

hoher Verfügbarkeit.

Die Entwicklung von Stellantrieben und deren Steuerungen

ist geprägt durch eine zunehmende Komplexität.

Ausgehend von einfachen Logiksteuerungen haben

sich die Geräte zu intelligenten Steuerungen mit

vielen Kommunikationsschnittstellen (Feldbus, Bluetooth),

komfortabler Programmierung und Bedienung,

integrierten Regelalgorithmen mit umfangreicher intelligenter

Sensorik entwickelt.

Elektrische Stellantriebe sind seit mehr als 50 Jahren

im industriellen Einsatz, auch in sicherheitsrelevanten

Bereichen. Viele etablierte, aber nicht harmonisierte

Sicherheitsstandards, prägen das heutige Bild. Sicherheitsstandards,

Sicherheitsregeln und Verordnungen

sind regional unterschiedlich vorgegeben, unter anderem

durch Anlagenbetreiber, Anlagenversicherer sowie

nationale Regelwerke und Vorschriften. Die etablierten

Sicherheitsregeln werden trotz der Verabschiedung der

internationalen Norm zur funktionalen Sicherheit (IEC

EN 61508) vor zwölf Jahren kurz- und mittelfristig noch

Bestand haben.

Die Norm IEC EN 61508 beschreibt Verfahren und

Methoden wie sich systematische und zufällige Fehler

beherrschen lassen; kennzeichnend sind formale Vorgehensmodelle

(zum Beispiel bei Entwurf, Konstruktion,

Inbetriebnahme und Betrieb sicherheitsrelevanter

Geräte) sowie entsprechende probabilistische Nachweisverfahren.

Damit ist die Norm IEC EN 61508 als

Grundlage für die Entwicklung sicherheitsrelevanter,

komplexer Systeme geeignet. Entwicklungsziel von

Auma war es, bestehend auf der aktuellen Stellantriebsgeneration,

eine Ausführung zu entwickeln, die alle

Anforderungen der Norm IEC EN 61508 erfüllt.

1. AUSGANGSSITUATION

Stellantriebe sind stets in Verbindung mit anderen

Komponenten in ein Gesamtsystem integriert.

Beispiel Schiffsschleuse: Schleusentor – mechanischer

Gewindetrieb – Stellantrieb – Signal-/Datenleitung

– Leitsteuerung – Energieversorgung. Beispiel

Gasversorgung: Gasleitung – Drucksensor – Armatur

– Stellantrieb – Signal-/Datenleitung – Leitsteuerung

– Energieversorgung. Stellantriebe bestehen aus den

Komponenten: Stellantriebsmechanik (Getriebe), Motor

(geschaltet oder drehzahlveränderlich), Sensorik

(beispielsweise Stellwegerfassung, Endlagen- und

Drehmomenterfassung), Stellantriebssteuerung (inklusive

Ortssteuerstelle, elektrische Anschlüsse für

Ansteuerung und Energie) und Signal- sowie Datenleitungen

von und zur übergeordneten Leitsteuerung.

Stellantriebe öffnen, schließen, positionieren oder

regeln eine Armaturenstellung. Hierzu werden unter

anderem die Stellwegs- oder Endlagensignale verarbeitet.

Die Lastmomentinformation wird zur Drehmomentüberwachung

und zur Abschaltung bei drehmomentabhängigen

Armaturen verwendet.

2. ANFORDERUNGEN AN SICHERHEITSFUNKTIONEN

Grundsätzlich ist der gesamte Lebenszyklus eines Produktes

von der Spezifikation, Entwicklung, Produktion,

Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung bis zur Außerbetriebssetzung

zu betrachten. In diesem Beitrag wird

ausschließlich der Betrieb eines Stellantriebs betrachtet.

Die wesentlichen sicherheitsrelevanten Stellantriebsfunktionen

sind Emergency Shut Down (ESD) und

der sichere Stopp, wobei ESD zu unterteilen ist in sicheres

Öffnen und sicheres Schließen, zum Beispiel

einer Armatur. Die Bilder 2 und 3 zeigen zwei Anwendungsbeispiele

für ESD.

Während für den sicheren Stopp lediglich der Stellantrieb

sicher abzuschalten und ein Haltemoment aufrecht

zu erhalten ist (zum Beispiel durch Selbsthemmung

des Getriebes), erfordern die ESD-Funktionen

atp edition

9 / 2014

49


HAUPTBEITRAG

sicheres Öffnen und sicheres Schließen, eine hohe

Verfügbarkeit wesentlicher Komponenten im Antriebsstrang

und der Sensorik des Stellantriebs – zumindest

solange, bis der Stellantrieb die Offen- beziehungsweise

Geschlossen-Stellung erreicht hat. Die Realisierung

der ESD-Funktion stellt demnach die höheren technischen

Anforderungen.

2.1 Sicherheitsintegritäts-Level (SIL)

Der erforderliche Sicherheitsintegritäts-Level (SIL)

wird durch eine Gefährdungsanalyse an einer Applikation

beziehungsweise Anlage ermittelt. Als Komponentenlieferant

erhält Auma die Anforderungen an den

SIL durch den Planer oder Endkunden, da nur dieser

in der Lage ist, eine entsprechende Risikoanalyse einer

Anlage durchzuführen. Häufig werden für einzelne

Stellantriebe SIL-2-Fähigkeiten, gelegentlich auch SIL-

3-Fähigkeiten gefordert, siehe Norm [1]. SIL-3-Anforderungen

lassen sich durch redundante, 2-kanalige

Aufbauten, wie beispielhaft in Bild 2 und 3 dargestellt,

realisieren. Die Autoren weisen darauf hin, dass bei

gleichartigem Aufbau beider Kanäle (homogene Redundanz),

Fehler gemeinsamer Ursachen (common

cause failure, CCF), problematisch und daher zu vermeiden

sind. Insbesondere systematische Fehler stellen

Fehler gemeinsamer Ursachen dar und führen

dazu, dass das Verhalten, beziehungsweise die Verfügbarkeit

eines 2-kanaligen Systems auf das eines 1-kanaligen

zurückfällt.

Sichere Stellantriebsfunktionalität bedeutet für den

gesamten Produktlebenszyklus des Stellantriebs:

Vermeidung und Beherrschung systematischer

Fehler

Einhaltung statistischer Grenzwerte bezüglich

zufälliger Fehler

Systematische Fehler betreffen vor allem den Entwicklungs-

und Produktionsprozess und zu einem

gewissen Teil die Inbetriebnahme und Wartungstätigkeiten.

Zufällige Fehler, zum Beispiel durch Bauteileausfall,

sind vornehmlich während der Betriebsphase

des Stellantriebs zu berücksichtigen. Dabei

sind Grenzwerte für die zwei probabilistischen Kenngrößen

Safe Failure Fraction (SFF) und die mittlere

Probability of (dangerous) Failure PF D (im Beitrag

auch als Fehlerwahrscheinlichkeit bezeichnet) einzuhalten.

PFD wird weiter differenziert, ob eine sichere

Funktion permanent (high demand) PFH D an einer

Anlage benutzt wird, oder nur bei Bedarf (on demand)

PFD D . (Die Definitionen der Begrifflichkeiten finden

sich in der Norm [1] oder im Kasten Erläuterungen –

Begriffsdefinitionen im Beitrag).

Während die für SIL 2 erforderlichen SFF-Grenzwerte

(Grenzwerte sind abhängig von der Hardwarefehlertoleranz

HFT) von allen sicherheitsrelevanten Komponenten

einer Anlage zu erfüllen sind, ist der Grenzwert für

die mittlere Fehlerwahrscheinlichkeit PFH D beziehungsweise

PFD D durch die Summe der mittleren Fehlerwahrscheinlichkeiten

aller an einer Anlage für die

Erfüllung einer sicheren Funktion erforderlichen Einzelkomponenten

gegeben. Für den Komponentenhersteller

bedeutet dies, dass er für sein Produkt nur einen

gewissen Prozentsatz des Grenzwertes für die mittlere

Fehlerwahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen darf,

damit der Kunde in die Lage versetzt wird, mit technisch

vertretbarem Aufwand den geforderten SIL der

Gesamtanlage zu erzielen, siehe Bild 4.

Die erzielbaren PFH D - beziehungsweise PFD D -Werte

eines Produkts werden wesentlich von den durch den

technischen Entwurf festgelegten Produktmerkmalen

bestimmt. Diese sind:

gerätetechnischer Aufbau

(Konstruktion, Schaltung),

Bauteile- und Komponentenauswahl,

Architekturmerkmale, zum Beispiel ein- oder

mehrkanalige Struktur

automatisierte Überwachungs- und Diagnosefunktionen

Weitere Einflussfaktoren ergeben sich durch die während

der Produktbetriebsphase gegebenenfalls festzulegenden

Wartungsintervalle. Eine Erhöhung der Wartungsintensität

und der Wartungshäufigkeit verringert

die mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit eines gefährlichen

Zustandes beziehungsweise verbessert den Wert

PFH D oder PFD D . Technischer Entwurf und Wartungsintervalle

bestimmen und beeinflussen die Anschaffungs-

und Betriebskosten. Letztere sind ein entscheidendes

Kriterium für die Produktakzeptanz durch den

Kunden. Ziel der ingenieursmäßigen Konstruktion ist

es, die geforderte Sicherheitsfunktionalität zu erfüllen

und dabei die Interessen von Kunde und Anlagenbetreiber

zu wahren.

3. TECHNISCHE KONZEPTION DER

SICHERHEITSFUNKTIONEN

Das Blockschaltbild in Bild 5 zeigt die wesentlichen

Komponenten des zu betrachtenden Stellantriebs. Dieser

bildet im Beitrag den Ausgangspunkt für die technische

Integration der sicheren Funktionen ESD und

Stopp. Dabei sind folgende Komponenten an der Erfüllung

der sicheren Funktionen beteiligt:

Ansteuer- und Statussignale

(dient als Schnittstelle zur übergeordneten

Steuerung und Leittechnik)

Steuerung

Sensorik

Spannungsversorgung

Ansteuerung

Motor

Getriebe

50

atp edition

9 / 2014


BILD 2: Applikation: sicheres Schließen von Öl-/

Gaszuführung – 2-kanalige Anlagenarchitektur

BILD 1: Stellantrieb im Test unter simulierten

Einsatzbedingungen

BILD 4: Prozentuale Aufteilung der Fehlerwahrscheinlichkeit

im Sicherheitssystem

BILD 3: Applikation: sicheres Öffnen im

Kühlkreislauf – 2-kanalige Anlagenarchitektur

BILD 5:

Aufbau des

bestehenden

Stellantriebs

atp edition

9 / 2014

51


HAUPTBEITRAG

Für den technischen Entwurf der sicherheitsrelevanten

Funktionen und die Einhaltung der entsprechenden

Grenzwerte für SFF und PF D sind

bestimmte Prinzipien zu berücksichtigen und in

Betrachtung zu ziehen:

ein- oder mehrkanalige Struktur (hardware

fault tolerance, HFT) für das Gesamtsystem

oder Teile davon

Realisierung mit einfachen Bauteilen

(Typ A gemäß IEC EN 61508) oder mit komplexen

Bauteilen (Typ B entsprechend IEC EN

61508, zum Beispiel Mikroprozessor und

Software)

Diagnoseabdeckung (diagnostic coverage, DC),

um sicherheitsrelevante Fehler rechtzeitig zu

entdecken und Schäden abzuwenden

Trennung beziehungsweise Kapselung von

normaler Funktion und sicherer Funktion

Ziel ist es, die sicheren Funktionen auf Basis der

aktuellen Stellantriebsgeneration zu integrieren,

ohne dabei systemrelevante Änderungen (zum Beispiel

Gehäuse, Außenabmessungen) am bestehenden

Stellantrieb durchzuführen.

Eine redundante oder mehrkanalige Ausführung

der Teilkomponenten Getriebe, Motor, Motoransteuerung

(Schütze, Thyristor) scheidet aus technischen

sowie den vorab genannten Gründen aus.

Erste Analysen und Berechnungen zu SFF und

PFD ergaben, dass mit den oben genannten und

bereits vorhandenen Teilkomponenten die erforderlichen

Grenzwerte erreicht werden. Somit ist

eine grundsätzliche Umsetzbarkeit, das heißt Integration

der sicheren Funktionen in den bestehenden

Antrieb, machbar.

Die existierende Steuerung (Logik) des Stellantriebs

basiert auf einem Mehrprozessorsystem samt

Software und beinhaltet im Standard bereits Funktionen

wie Stopp beziehungsweise ESD. Diese erfüllen

aber nicht die Anforderungen an SIL 2. Eine

softwarebasierte Integration der sicheren Funktionen

auf das vorhandene Mikroprozessorsystem

ist theoretisch möglich, eine Trennung der sicheren

Funktionen von den Standardfunktionen

wäre aber mit erheblichem technischen Aufwand

verbunden.

Die Schnittstellen zur Kommunikation mit übergeordneter

Leittechnik (Feldbus oder binäre E/A)

erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen an SIL 2

und sind deshalb anzupassen.

3.1 Umsetzung der sicheren Funktionen

BILD 6: Steuerungskonzeptionen für die Umsetzung

sicherer Stellantriebsfunktionen

Wie zuvor beschrieben, sind die Steuerung (Logik)

und die Schnittstellen die wesentlichen Handlungsfelder

für die Integration der sicheren Funktionen

ESD und Stopp in den Stellantrieb.

52

atp edition

9 / 2014


BILD 7: Aufbau

Gesamtsystem

eines sicheren

Stellantriebs

Steuerungskonzeptionen

Zur Integration der sicheren Funktionen in die Stellantriebssteuerung

sind diese Lösungswege zielführend,

siehe Bild 6.

1 | Direkte Integration in die bereits im Standard

vorhandene, auf einem Mehrprozessorsystem basierende

Steuerung (Software in sicherer Hardwareumgebung

Typ B)

2 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten

sicheren Steuerung (1-kanalig) (Software

auf zusätzlicher sicherer Hardware Typ B)

3 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten

sicheren Steuerung (1-kanalig), ferner

Überwachung (Diagnose) durch die vorhandene

Steuerung, was der Integration von sicheren

Diagnosealgorithmen auf der vorhandenen Steuerung

entspricht (Diagnosesoftware in sicherer

Hardwareumgebung Typ B und Funktionssoftware

auf zusätzlicher sicherer Hardware Typ B)

4 | Integration auf einer zusätzlichen, mikroprozessorbasierten

sicheren Steuerung und auf der vorhandenen

Steuerung. Dadurch ergibt sich eine

2-kanalige Gesamtimplementierung mit der Möglichkeit

zur gegenseitigen Überwachung (Diagnose)

(Software in sicherer Hardwareumgebung Typ

B und Software auf zusätzlicher sicherer Hardware

Typ B)

5 | Integration auf einer zusätzlichen, sicheren und

festverdrahteten Steuerlogik, was eine hardwarebasierte

Lösung darstellt (zusätzliche sichere Logikhardware

Typ A)

Bewertung der Steuerungskonzeptionen

Die Lösungsansätze 1 bis 4 verwenden Mikroprozessoren

und erfordern die Entwicklung sicherheitsrelevanter

Software. Mikroprozessoren stellen im Sinne

der IEC EN 61508 komplexe Bauteile dar (Typ B), bei

deren Verwendung weitaus strengere Grenzwerte für

SFF gelten, und damit mehr Diagnoseaufwand als

beim Einsatz einfacher Bauteile (Typ A) notwendig

wird. Die komplexe Schaltungstechnik bei Typ B sowie

die zu erstellende sichere Software bergen ein

erhöhtes Potenzial an systematischen Fehlern (Software)

sowie zufälligen Fehlern (Komplexität der Hardware).

Dagegen beinhaltet der Lösungsansatz 5 ein

geringes Potenzial an systematischen Fehlern (keine

Software, einfache Schaltlogik). Durch die Verwendung

von Bauteilen geringer Komplexität (zum Beispiel

Logikbausteine, Typ A) sind geringere Anforderungen

an den SFF zu erfüllen, und damit unter Umständen

geringere Anforderungen an die Diagnose

erforderlich. Dies bedeutet nicht, dass auf umfangreiche

Diagnosefunktionalität in der Standardsteuerung

verzichtet wird, sondern, dass bestehende Diagnosealgorithmen

nicht in die formalen Sicherheitsbetrachtungen

einbezogen werden. Bei Lösungsansatz

5 sind vordergründig zufällige Fehler zu beherrschen,

was auf Grund der vorhandenen und anerkannten Datenbasis

hinsichtlich Bauteileausfallwahrscheinlichkeiten

[2], unproblematisch ist.

Wie zuvor erwähnt, sind bei 2- oder mehrkanaligen

Anlagenarchitekturen zur Erreichung eines SIL 3, siehe

Bild 2 und 3, Fehler gemeinsamer Ursachen (CCF)

zu vermeiden. Bezüglich des CCF sind die Lösungsansätze

1 bis 4 wegen systematischer Fehler kritisch zu

bewerten; dagegen eignet sich Lösungsansatz 5 am besten

für mehrkanalige Anlagenarchitekturen.

Lösungsansatz 1 bietet zunächst Vorteile, da für die

Implementierung der sicheren Funktionen die vorhandene

Steuerungshardware mit geringen Hardware-

Anpassungen genutzt werden kann. Aber wie bereits

atp edition

9 / 2014

53


HAUPTBEITRAG

ERLÄUTERUNGEN – BEGRIFFSDEFINITIONEN

Fehlerrate λ und Fehlerwahrscheinlichkeit PF(t)

Fehlerrate λ hat die Einheit [1/h] beziehungsweise

[FIT=10 –9 1/h]. Für λ = const. (gilt für die Betriebsphase

der Weibullverteilung), gilt der Zusammenhang zwischen

der Fehlerwahrscheinlichkeit PF [%] (Probability of

Failure) und der Fehlerrate λ:

PF(t) = 1 – e –λt oder der vereinfachte und linearisierte

Ansatz: PF(t) = λ · t (für Betriebszeit


edundante, 2-kanalige (HFT=1) und 3-kanalige (HFT=2).

HFT=N bedeutet, N+1 Fehler können den Verlust der

entsprechenden Sicherheitsfunktion bewirken.

Grenzwerte der Kenngröße SFF

Je nach erforderlichem Sicherheitsintegritätsgrad (SIL)

sind für die sicherheitsbezogenen Systeme und Teilsysteme

und für die Kenngröße SFF (Anteil sicherer

Ausfälle) Grenzwerte gemäß nachfolgender Tabelle

einzuhalten.

Anteil

Geräte Typ A Geräte Typ B

sicherer

Ausfälle

Hardware Fehlertoleranz

HFT

Hardware Fehlertoleranz

HFT

SFF

N=0 N=1 N=2 N=0 N=1 N=2

< 60% SIL 1 SIL 2 SIL 3

nicht

erlaubt SIL 1 SIL 2

60 % – < 90 % SIL 2 SIL 3 SIL 4 SIL 1 SIL 2 SIL 3

90 % – < 99 % SIL 3 SIL 4 SIL 4 SIL 2 SIL 3 SIL 4

99 % SIL 3 SIL 4 SIL 4 SIL 3 SIL 4 SIL 4

GRENZWERTE SFF [1]

Sind für die Teilsysteme TS1 bis TS3 (siehe Referenzarchitektur)

bezüglich SFF die jeweiligen erreichbaren

SIL-Werte ermittelt, dann bestimmt das Teilsystem mit

dem niedrigsten SIL, den SIL des Gesamtsystems.

SIL Gesamtsystem = kleinster SIL-Wert von TS1 bis TS3

Grenzwerte der Kenngrößen PFD D / PFH D

Für die Kenngrößen PFD D und PFH D gelten die Grenzwerte

gemäß folgender Tabelle.

Safety

Integrity

Level

SIL

Betrieb im niederen

Anforderungsmodus

Wahrscheinlichkeit

eines Ausfalls einer

vorgesehenen

Funktion bei

Anforderung

Betrieb im ununterbrochenen

/ hohen

Anforderungsmodus

Wahrscheinlichkeit

eines gefährlichen

Ausfalls pro Stunde

4 ≥10 -5 bis


HAUPTBEITRAG

Aus den Rückmeldungen des Kunden ließen sich

zwei Anwendungsvorteile erkennen:

Der Einsatz einer separaten sicheren, hardwarebasierten

Steuerungshardware nach Typ A erweist

sich bei der Umsetzung redundanter Gesamtstrukturen

wegen der erwähnten CCF-Problematik als

vorteilhaft.

Das spezielle Design, bei dem durch die Verwendung

einer zusätzlichen sicheren Logikhardware

(SIL-Modul) höchste Anforderungen an die Zuverlässigkeit

der Sicherheitsfunktionen erfüllt werden,

fand besonderen Anklang.

Durch den Einsatz des zusätzlichen SIL-Moduls war es

möglich, elektromechanische Wegendschalter und die

Drehmomentüberwachung mit in die Sicherheitsfunktion

zu integrieren. Bei vergleichbaren Systemen werden

diese Signale üblicherweise ausgeblendet, der Antrieb

fährt im Anforderungsfall mit höchstem Drehmoment

in die Armaturenendlage, während in der aktuellen

Lösung die gewohnten Funktionen zum Schutz

der Armatur zum Einsatz kommen.

MANUSKRIPTEINGANG

04.09.2013

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

AUTOREN

Dipl. Ing. (FH) PETER MALUS ist bei

Auma als Produktmanager für den

Bereich Drehantriebe und Explosionsschutz

tätig. Im Rahmen eines Entwicklungsprojektes

war er im Projektteam für

die Definition der grundlegenden Anforderungen

des „Sicheren Stellantriebs“

zuständig.

AUMA Riester GmbH & Co. KG,

Aumastraße 1,

D-79379 Müllheim,

Tel. + 49 (0) 7631 80 90,

E-Mail: Peter.Malus@auma.com

Dipl. Ing. WERNER THOMANN arbeitet bei

Auma als Entwicklungsingenieur in der

Elektronikabteilung und war für die

Entwicklung der zusätzlichen Logikhardware

(SIL-Modul) für den sicheren

Stellantrieb zuständig. Zudem war er

maßgeblich an der Erstellung der Dokumentation

entsprechend dem FSM Plan

beteiligt.

AUMA Riester GmbH & Co. KG,

Aumastraße 1,

D-79379 Müllheim,

Tel. +49 (0) 7631 80 90,

E-Mail: Werner.Thomann@auma.com

REFERENZEN

[1] DIN EN 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener

elektrischer/elektronischer/programmierbarer

elektronischer Systeme, Teile 1 bis 7.

VDE, Beuth

[2] SN 29500: Ausfallraten Bauelemente – Erwartungswerte,

Teile 1 bis 15. Siemens AG

[3] Arndt, V., Kuschnerus, N., Morr, W., Netter, P.,

Schroers, B.: Funktionale Sicherheit – ein wichtiges

Thema in der NAMUR. Tagungsband 8. AALE

Fachkonferenz 2011, S. 7-15. Oldenbourg Industrieverlag,

2011

[4] Netter, P.: Wie die Sicherheit laufen lernte.

Ent wicklung der funktionalen Sicherheit in Deutschland.

atp edition – Automatisierungstechnische

Praxis 52(1-2), S. 46-55, 2011

Prof. Dr.-Ing. KARL-HEINZ KAYSER

(geb. 1955) lehrt an der Hochschule

Esslingen in der Fakultät Mechatronik

und Elektrotechnik im Studiengang

Automatisierungstechnik. Er leitet das

Labor Automatisierungstechnik am

Standort in Göppingen. Im Rahmen eines

Forschungssemesters beteiligte er sich an

der Entwicklung des sicheren Stellantriebs.

Hochschule Esslingen –

University of Applied Sciences,

Robert-Bosch Str. 1,

D-73037 Göppingen,

Tel. +49 (0) 7161 679 11 98,

E-Mail: karl-heinz.kayser@hs-esslingen.de

56

atp edition

9 / 2014


Der Klassiker für die

Prozessautomation geht

ins 21. Jahrhundert

Das Handbuch der Prozessautomation ist ein Standardwerk für die Planung

verfahrenstechnischer Anlagen. In der 5., überarbeiteten Version geht es auf

die Herausforderung bei der Digitalisierung der Anlage ein. Das Handbuch

wurde von fast 50 Experten mit umfassenden Praxiskenntnissen gestaltet

und deckt das gesamte Feld der Prozessautomatisierung ab.

Hrsg.: K. F. Früh, U. Maier, D. Schaudel

5. Auflage 2014

740 Seiten, 170 x 240mm, Hardcover

Erhältlich in 2 Varianten

www.di-verlag.de

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München

Jetzt vorbestellen!

Bestellung per Fax: +49 (0) 201 Deutscher / 82002-34 Industrieverlag GmbH oder | Arnulfstr. abtrennen 124 und | 80636 im München Fensterumschlag einsenden

Ja, ich bestelle gegen Rechnung 3 Wochen zur Ansicht

___ Ex.

Handbuch der Prozessautomatisierung

5. Auflage – ISBN: 978-3-8356-3372-8

für € 199,90 (zzgl. Versand)

Firma/Institution

Vorname, Name des Empfängers

___ Ex.

Handbuch der Prozessautomatisierung

mit interaktivem eBook (Online-Lesezugriff im MediaCenter)

5. Auflage – ISBN: 978-3-8356-7119-5

für € 259,90 (zzgl. Versand)

Straße / Postfach, Nr.

Land, PLZ, Ort

Antwort

Vulkan-Verlag GmbH

Versandbuchhandlung

Postfach 10 39 62

45039 Essen

Telefon

E-Mail

Telefax

Branche / Wirtschaftszweig

Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B.

Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform.

Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH,

Versandbuchhandlung, Friedrich-Ebert-Straße 55, 45127 Essen.

Ort, Datum, Unterschrift

PAHBPA2014

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,

dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.

Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


HAUPTBEITRAG

Adaptive Führung

eines Modulkraftwerks

Konzept für eine zu 100 % autarke, regenerative Energieversorgung

Ziel des Vorhabens, das in diesem Beitrag beschrieben wird, ist die Entwicklung

eines kompakten grund- und spitzenlastfähigen Kraftwerks auf Basis regenerativer

Energien und verschiedener Energiespeichersysteme. Das Kraftwerk soll autark in

netzfernen Gebieten eine Strom- und Wasserstoffversorgung gewährleisten. Die besondere

Innovation liegt in der neuartigen, energieeffizienten Kopplung der Komponenten,

wodurch eine modulare Bauweise sowie eine bessere Optimierung auf

den jahreszeitlichen Energiebedarf des Kunden und die standortspezifischen Energiequellen

möglich werden. Um das autarke Kraftwerk grundlastfähig zu machen,

vernetzt eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) die Komponenten miteinander

und ermöglicht so eine bisher unerreichte autarke Systemleistung.

SCHLAGWÖRTER Modulkraftwerk / Hybridkraftwerk / autarke Energieversorgung

Adaptive Control of a Modular Power Plant –

Providing a Stand-alone Regenerative Energy Supply

The main focus of the project is the development of a small base / peak load power

plant using renewable sources of energy and various storage systems for rural energy

supply with electricity and hydrogen. The main innovation is the efficient coupling

of the various components, which allows a seasonal and location specific adaptation

to the specific demand. The power plant is equipped with a programmable

logic controller (PLC) which offers a new quality of stand-alone system performance.

KEYWORDS Modular power plant / hybrid power plant / stand alone energy supply

58

atp edition

9 / 2014


CHRISTIAN KOLBE, Fachhochschule Stralsund

Mit dem weltweiten Ausbau von regenerativen

Energien und der allgemeinen Frage der Verteilung

sowie der Speicherung von Energie

wird der dezentrale Einsatz von autarken,

regenerativen Kleinkraftwerken immer interessanter.

Die abnehmende Zahl von Großkraftwerken und

die gleichzeitig wachsende installierte Leistung von regenerativen

Erzeugern erfordern eine Lösungsstrategie, um

die Grundlastversorgung mit regenerativen Energien zu

sichern. Das autarke Modulkraftwerk (MKW) als Eigenentwicklung

im Rahmen eines Förderprojektes am Institut

für Regenerative Energiesysteme (IRES) der FH-Stralsund

vereint ein autarkes, modulares Energienetz mit verschiedenen

Speichertechnologien. Zwecks weltweiter Transportierbarkeit

in netzferne Regionen ist es in einem 20 Fuß-

Container untergebracht. Der Anwendungsfall zielt grundsätzlich

auf die Elektrifizierung mit einem individuellen

Lastprofil ab, in einem nicht erschlossenen Gebiet. Durch

den modularen Aufbau und die Möglichkeit, das System

individuell energetisch auf den Nutzer anzupassen, ergeben

sich nahezu uneingeschränkte Einsatzmöglichkeiten.

Die externen Erzeuger lassen sich ohne großen Aufwand

demontieren und zum Transport im Container verstauen.

Es sind verschiedene Systemaufbauten möglich, wobei die

Leistung sowie der Erzeuger variiert werden kann.

Der Prototyp in Stralsund ist als Drehstrom-Inselsystem

ausgeführt, wobei neben einer Kleinwindkraftanlage

eine Fotovoltaikanlage als Haupterzeuger installiert

ist. Die Hauptenergiequelle des Inselsystems ist

eine 48 V-Blei- OPZV-Batteriebank, die aus Einzelzellen

besteht, die über bidirektionale Inselwechselrichter die

Energieversorgung der Wechselstrom/Drehstromverbraucher

übernimmt. Als Backup oder Möglichkeit zur

Überschusseinspeisung können die Inselwechselrichter

auf ein lokales Netz synchronisiert werden.

Neben dem elektrischen System ist das Kraftwerk mit

einer vollständigen Wasserstoffkette, bestehend aus

zwei Elektrolyseuren, einer Brennstoffzelle sowie einem

Wasserstoffspeicher auf Basis von Druckgasspeichern

ausgestattet. Der Wasserstoffspeicher dient in der Konfiguration

des Prototyps in erster Linie als Saisonalspeicher,

wobei Energieüberschüsse im Inselnetz durch die

Wasserstoffherstellung abgefangen und Energieengpässe

über die Rückverstromung des Wasserstoffs durch

eine Brennstoffzelle möglichst vermieden werden.

1. SYSTEMAUSLEGUNG

Die Systemauslegung wurde mit der frei verfügbaren Software

Homer Legacy [5] durchgeführt, die auf die Auslegung

von Inselsystemen spezialisiert ist. Die Komponenten

werden mit den Kennlinien der Datenblätter über

quantitative Sensitivitäten definiert, wodurch die Software

das System berechnet. Somit ist es möglich, neben

einer standortspezifischen Ertragsprognose der regenerativen

Erzeuger unter Einbeziehung von Lastprofilen eine

wirtschaftlich-energetisch optimierte Systemauslegung

zu treffen, passend zu einem definierten Lastprofil [2].

Für die Auslegung des Prototyps werden in der Simulation

normierte Lastprofile mit den Standards Business,

Haushalt und Landwirtschaft verwendet. Durch

mehrjährige Windmessungen stehen aussagekräftige

Werte für die Simulation der Windkraftanlage zur Verfügung,

die in Kombination mit den Daten der Solardatenbank

der Software die Energieproduktion des Systems

hinreichend genau vorhersagen können.

Bei der Validierung der Simulationsdaten gegen die

realen Messdaten fällt die Kleinwindkraftanlage mit sehr

schlechter Bilanz auf, da diese real nur einen Bruchteil

des prognostizierten Ertrags pro Jahr erzeugt. Die Prognose

der Fotovoltaikanlage wurde in der Simulation sehr

genau bilanziert. Die angesetzte maximale Versorgungskapazität

im autarken Betrieb von 11 kWh/Tag bei genormten

Lastprofilen musste aufgrund der schlecht funktionierenden

Kleinwindkraftanlage auf 7 kWh/Tag korrigiert

werden. Diese Prognose wurde durch Entladetests

im Zeitraum von einem Jahr am realen System bestätigt.

In Bild 2 sind die simulierten Ladezustände der Batterie

und des Wasserstoffspeichers im zeitlichen Verlauf

über ein Jahr abgebildet, wobei das System über

ein Haushalts-Lastprofil mit einem gemittelten Verbrauch

von 7 kWh/Tag belastet wird. Die Batterien sind

initial vollständig geladen.

atp edition

9 / 2014

59


HAUPTBEITRAG

Der Wasserstoffspeicher ist initial vollständig entleert.

Er wird im Sommer beladen und in den ertragsschwachen

Zeiten im Winter entladen. Die Simulationsergebnisse

vermitteln jedoch nur eine erste Dimensionierung

der Komponenten, abhängig von einem spezifischen Lastprofil.

Spezielle Betriebsführungen können jedoch nicht

in die Simulation eingepflegt werden.

1.1 Systemübersicht

Die Wechselrichter sind zwecks freier Konvektion an

den Wänden des Containers installiert, siehe Bild 3. Die

elektrische Verschaltung erfolgt im Hauptschaltschrank,

wobei die Hauptsteuerung in der Schaltschranktür installiert

ist. Bei Ausfall der SPS lässt sich das Kraftwerk

über eine Handsteuerung bedienen. Tabelle 1 zeigt die

Komponenten des Modulkraftwerks.

am Eingang, wie in Bild 5 durch die gestrichelten Linien

dargestellt, kein Netz anliegt [2].

Der Ausgang der Inselwechselrichter ist der netzbildende

Anschluss des Inselwechselrichters, wobei der Eingang ausschließlich

als Backup/Einspeisung genutzt werden kann.

Im autarken Betrieb wird die Last über die Batterie und die

Erzeuger versorgt. Steigt im Ladevorgang die Batteriespannung

über das vorgegebene Limit der Ladephase, so werden

die Erzeuger mittels Frequenzerhöhung im Inselnetz vom

Inselwechselrichter abgeworfen, wodurch das System vor

Überladung geschützt wird. Um die Erzeugerenergie im autarken

Betrieb möglichst auszuschöpfen, ist eine genaue

Systemauslegung auf die elektrischen Lasten vorteilhaft.

2. SYSTEMBESCHREIBUNG

Die Inselwechselrichter mit integriertem Ladegerät

stellen über den Batterieanschluss ein bidirektionales

Drehstrominselnetz am Ausgang (AC_out) bereit, worüber

die Energie der Erzeuger in die Batterie geladen,

wie auch über die Verbraucher aus der Batterie entnommen

werden kann, siehe Bild 4. Neben der direkt

verbrauchten Energie durch eine elektrische Last oder

die Elektrolyseure wird die Überschussenergie im Inselnetzbetrieb

in der Batterie gespeichert. Die Erzeuger

sind über separate Netzwechselrichter auf das Inselnetz

synchronisiert. Der Ladezustand der Batterie wird

durch einen separaten Batteriemonitor über eine

Shunt-Messung bestimmt.

Bei Verfügbarkeit eines lokalen Netzes kann über den

Eingang der Inselwechselrichter (AC_in) die Überschussenergie

aus dem Inselnetz eingespeist, die Batterie

bei Tiefenentladung in ertragsschwachen Zeiten

nachgeladen sowie die elektrischen Verbraucher variabel

unterstützt werden. Zudem besteht die Möglichkeit,

die Batterien ins Netz zu entladen, um zum Beispiel

ein Microgrid zu unterstützen.

Die Funktionalität der gesteuerten Netzzuschaltung

wird vom Inselwechselrichter nicht übernommen. Um eine

gezielte Netzzuschaltung in Abhängigkeit vom Ladezustand

der Batterie, Erzeugerlast sowie Verbraucherlast zu

realisieren, ist das System mit einer übergeordneten SPS

ausgerüstet, die eine optimierte Betriebsführung des autarken

Kraftwerks ermöglicht. Das Kraftwerk kann, abhängig

vom Einsatzgebiet, in verschiedenen Modi gefahren

werden. Über die Verschaltungsmöglichkeiten der Netzkopplung

lässt sich das Kraftwerk individuell betreiben.

BILD 1: Aufbau eines Containerkraftwerks mit

verschiedenen Systemaufbauten

BILD 2: Simulierte Ladezustände der

Speicher über ein Jahr

2.1 Autarker Betrieb

Das Haupteinsatzgebiet des Modulkraftwerks sind

netzferne Regionen, wo ein lokales Netz sowie ein Notstromaggregat

nicht oder selten vorhanden sind. Im

autarken Betrieb sind die regenerativen Erzeuger auf

die Ausgänge der Inselwechselrichter geschaltet, wobei

BILD 3: Innenansicht des Containers

60

atp edition

9 / 2014


2.2 Semi-autarker Betrieb

Der semi-autarke Betrieb ähnelt dem autarken Betrieb, mit

dem Unterschied, dass am Eingang der Inselwechselrichter

das lokale Netz zugeschaltet wird, siehe Bild 5. Somit

kann das System bei Perioden geringer Last und hoher

Energieproduktion vollständig in Betrieb bleiben,

ohne die Erzeuger abschalten zu müssen [2]. Nachteilig

an diesem Betriebsmodus ist, dass bei großen Anschlussleistungen

im Inselnetz sowie bei der Batterienachladung

immer ein Anteil Netzenergie bezogen

wird und somit der autarke Grundgedanke des Kraftwerks

in den Hintergrund rückt. Der maximale Bezugsstrom

am Eingang wird, je nach Einspeiselast,

dynamisch eingestellt.

2.3 Netzbetrieb

Im Netzbetrieb wird das lokale Netz, wie in Bild 6

gezeigt, am Eingang zugeschaltet und die regenerativen

Erzeuger ebenfalls auf das lokale Netz synchronisiert.

Somit entsteht ein netzgebundenes Batteriekraftwerk,

das bei Netzausfall eine unterbrechungsfreie

Stromversorgung der Lasten darstellt. Bei einer

Unterbrechung des lokalen Netzes schalten sich die

Komponente

Elektrisches System

Inselwechselrichter

Fotovoltaikanlage

Kleinwindkraftanlage

Wandler Brennstoffzelle

Batteriespeicher

Wasserstoffsystem

Brennstoffzelle

Elektrolyseur

H 2 -Speicher

Steuerung

HMI-SPS

Gehäuse

Container

Isolierung

Details

3 x 3,6 kW, 400 Vac. 48 Vdc

15 x 240 Wp, 3,6 kWp Wechselrichter

1,5 kW, 170 Vdc, 1,7 kWp Wechselrichter

DC/DC, 1,2 kW, 48 V Ausgangsspannung

24 x 2V Zelle, OPZV, 600 Ah (C10)

1,2 kW, 16-36 V, (PEM), 48 V DC/DC Wandler

2 x (1,2 kW, 200 Nl/h), 30 Bar max.

2 x 60 l Stahlflasche mit GFK

DC1010, 10“-Display, 400 MHz

DIN-20 Fuß-Überseecontainer

60 mm-PUR-Sandwichplatten

BILD 5: Autarker

beziehungsweise

semi-autarker Betrieb

TABELLE 1: Komponentenübersicht des Systems

BILD 6: Netzbetrieb

(netzgebundenes

Batteriekraftwerk)

BILD 4: Gesamtsystem des Modulkraftwerks

BILD 7: Kriterien der Netzautomatik

atp edition

9 / 2014

61


HAUPTBEITRAG

regenerativen Erzeuger ab, und das Inselsystem sichert

die Energiebereitstellung.

Der Vorteil dieser Verschaltung ist, dass die Nennleistung

der Inselwechselrichter nicht der Nennleistung

der Erzeuger entsprechen muss, wie es bei den autarken

Modi der Fall ist, und somit die Inselwechselrichter, je

nach Lastanforderung, kleiner dimensioniert werden

können. In den autarken Modi, muss der Inselwechselrichter

der Nennleistung der Erzeuger entsprechen, um

diese Leistung in die Batterie laden zu können.

3. ADAPTIVES STEUERUNGS- UND REGELUNGSKONZEPT

Um den autarken Einsatz des Kraftwerks individuell

anpassbar und zu einem gewissen Maß intelligent zu

machen, sind in der SPS des Modulkraftwerks Funktionalitäten

programmiert, die die Systemperformance

des Gesamtsystems maßgeblich beeinflussen. Das eingesetzte

Steuerungsgerät ist eine kompakte HMI-Steuerung,

die über Steckkarten mit Ein/Ausgängen sowie

mit verschiedenen Schnittstellen ausgestattet und in

einem Displaygehäuse verbaut ist. Die Steuerung wird

mit der Software CoDeSys 2.3 programmiert und vernetzt

im Modulkraftwerk alle definierten Schnittstellen

miteinander. Über eine RS 232-Schnittstelle werden die

wichtigsten elektrischen Systemgrößen der Inselwechselrichter,

wie der Ladezustand der Batterie, die aktuelle

Ladephase und die elektrischen Messwerte, ausgelesen.

3.1 Netzautomatik

Das Ziel der Netzautomatik ist es, die Netzkopplung ausschließlich

zur Überschuss- oder Batterieeinspeisung zu

nutzen. Die vordefinierte Betriebsführung der Inselwechselrichter

wird durch die übergeordnete SPS wesentlich

in deren Anwendungsvariabilität erweitert.

Somit wird neben der Überschusseinspeisung eine geziehlte

Batterieeinspeisung mit anschließender autarker

Nachladung möglich. So könnte ein aus mehreren Modulkraftwerken

bestehendes Minigrid Energie zwischen

einzelnen Containern transferieren. Ohne die Netzautomatik

ist eine definierte autarke Ladung in den netzgekoppelten

Modi nicht möglich. Sobald keine Überschussenergie

im Inselsystem mehr anfällt, wird das lokale

Netz durch die Netzautomatik vom Kraftwerk getrennt.

Mit Unterschreiten eines kritischen Batterieladezustands

wird das lokale Netz zwecks Batterienachladung

zur Vorbeugung eines Systemausfalls zugeschaltet. Folgende

Regelgrößen gehen in die Netzautomatik ein:

Batterieladephase: Bulk (I)/ Absorption (U1)/

Schwebeladung (U2)

Referenzspannung der Ladephasen und Batteriespannung

Die Netzautomatik vergleicht die aktuelle Batterieladephase

der mehrstufigen Ladekurve mit der Batteriespannung

und deren Sollwert und entscheidet, ob das

Kraftwerk autark, oder zwecks Überschusseinspeisung,

mit Netzkopplung arbeitet, siehe Bild 7. Die Batterieladephase

der Inselwechselrichter ist abhängig

vom errechneten SOC des Batteriemanagementsystems

(BMS). Dieses wurde speziell auf die verwendeten Batterien

parametriert.

Somit wird der Energiebezug aus dem Netz auf ein

Minimum begrenzt und das Kraftwerk bis zu definierten

Grenzsituationen autark betrieben. Die Netzautomatik

ist entsprechend der Ladezyklenwechsel der

Batterie träge schaltend, um ein zu häufiges Zu/Abschalten

des Netzes zu verhindern. Die Batterien werden,

soweit wie möglich, autark geladen, wobei der Ladezyklus

durch das lokale Netz vollständig beendet wird.

BILD 8: Spannung [V] und Frequenz [Hz] am AC_in

BILD 10: Ladezustand [%] und Batteriespannung [V]

BILD 9: Summenstrom [A] am AC_in

BILD 11: Summenleistung [kVA] am AC_out

62

atp edition

9 / 2014


Eine vollständig, autarke Ladung ist aufgrund der unregelbaren

regenerativen Erzeuger meist nicht möglich.

Entladetest mit Netzautomatik

Im folgenden Abschnitt wird eine Messung einer Batterieeinspeisung

ins lokale Netz mit anschließender autarker

Nachladung durch die regenerativen Erzeuger dargestellt.

Als Lastszenario wird zwischen 2 und 5 Uhr ein

Teil der gespeicherten Energie aus der Batterie ins lokale

Netz eingespeist, indem das Netz in diesem Zeitraum

zugeschaltet, siehe Bild 8, die Batterieeinspeisung aktiviert

und der Sollwert für die Einspeisung auf 5 A pro

Phase eingestellt wird, siehe Bild 9. Die Messung zeigt

den charakteristischen Verlauf eines sonnigen Märztages.

Wie in Bild 9 gezeigt, summiert sich der Einspeisestrom

am AC_in auf 15 A.

Die Batterie wird in diesem Zeitraum von initial

90 % SOC bis zu 50 % SOC entladen, wobei die Batteriespannung

auf 46,5 V einbricht, siehe Bild 10.

Mit beginnender Fotovoltaikeinspeisung ab t > 8 Uhr,

wird die Batterie bis t = 17 Uhr autark geladen, siehe Bild

11. Der Ladezustand steigt über den Tag bis auf 90 % SOC

an, wobei die Batteriespannung einen Wert 55 V erreicht.

Die summierte Leistung am Inselnetzausgang (AC_

out) ist in Bild 11 dargestellt. Würde die Batterie im

Verlauf des Tages vollständig geladen und die Ladeendspannung

erreichen, würde die Netzautomatik das lokale

Netz zwecks Überschusseinspeisung zuschalten.

Normalbetrieb mit Netzautomatik

Im nächsten Abschnitt wird der Normalbetrieb des

Systems mit aktivierter Netzautomatik beschrieben. Die

Messung zeigt eine charakteristische Messung eines

Tages im August. Das System läuft bis t = 10 Uhr autark

ohne Netzkopplung, siehe Bild 12.

Mit beginnender Energieproduktion der Fotovoltaikanlage

ab t > 9 Uhr, siehe Bild 13, steigt die Batteriespannung,

siehe Bild 14, stetig an, bis die Ladeendspannung

erreicht wird.

Bei t = 10 Uhr wird die Ladeendspannung von 57 V

erreicht, siehe Bild 14, und die Netzautomatik schaltet

das lokale Netz zu, um eine Überspannung zu vermeiden.

Mit zugeschaltetem Netz bei t > 10 Uhr wird die

Ladeendspannung noch bis t = 10:30 Uhr gehalten, um

den Batterieladezyklus vollständig zu beenden. Während

der Überschusseinspeisung wird die Batteriespannung

auf dem definierten Niveau der Schwebeladungsspannung

gehalten.

Mit zugeschaltetem Netz wird der überschüssige Erzeugerstrom

ins lokale Netz gespeist, siehe Bild 15. Ab

t = 22 Uhr wird mit einer definierten Verzögerung zur

letzten Überschusseinspeisung der autarke Modus aktiviert

und das Kraftwerk ohne Netzkopplung durch

die Nacht betrieben, siehe Bild 12.

Die Netzautomatik bietet somit die Möglichkeit, die

ungeregelten regenerativen Erzeuger solange autark zu

betreiben, bis die Referenzspannung der jeweiligen

Ladephase überschritten wird. Beim Betrieb mit deaktivierter

Netzautomatik würden die Erzeuger stattdessen

über eine Erhöhung der Inselnetzfreuqenz über die

Betriebsführung der Inselwechselrichter abgeschaltet,

wobei Ertragsausfälle entstehen. Somit wird die autarke

Performance des Kraftwerks durch die Netzautomatik

verbessert und eine gezielte Einspeisung ins

lokale Netz ermöglicht.

3.2 Dynamische Entladegrenze

Die autarke Ausrichtung eines Systems bringt immer

einen möglichen Energieengpass mit sich, wobei ungesicherte

Lasten zwecks Vorbeugung eines Systemausfalls

abgeworfen werden. Das Modulkraftwerk bedient

sich dieser Funktionalität mit der Erweiterung einer

BILD 12: Spannung [V] und Frequenz [Hz] am AC_in

BILD 14: Ladezustand [%] und Batteriespannung [V]

BILD 13: Summenleistung [kVA] am AC_out

BILD 15: Summenstrom [A] am AC_in

atp edition

9 / 2014

63


HAUPTBEITRAG

BILD 16: Monatliche Ertragsprognose des Systems [kWh]

BILD 18: Kriterien für Wasserstofferzeugung

BILD 17: Dynamische Entladegrenze der Batterie [%]

BILD 19: Betriebsführung Rückverstromung

dynamischen Anpassung der Lastabwurfschwelle, die

als Initialwerte die Ertragsdaten der Software Homer

Legacy, siehe Bild 16, sowie die Eigenverbrauchsdaten

und Lastprofildaten der Nutzeranforderung zur Errechnung

der Lastabwurfschwelle verwendet [3]. Diese werden

für den jeweiligen Einsatzort oder das Lastszenario

im Quelltext der Steuerung hinterlegt.

Aus der Batteriekapazität und dem durchschnittlich

prognostizierten Tagesertrag wird die dynamische Entladegrenze

in der SPS berechnet und zwecks Zyklenmaximierung

der Batterie auf Werte zwischen 30 % und

80 % SOC begrenzt. Die Daten der Simulation werden mit

den Messwerten von Ertrag und Verbrauch monatlich

aktualisiert und somit zyklisch in der SPS korrigiert.

Die untere Entladegrenze der Batterie wird mit 30 %

SOC angegeben, wobei die zyklen-maximierte Entladegrenze

mit 80 % SOC angegeben wird. Die errechnete

Entladegrenze wird durch dieses Intervall angepasst

und als dynamische Entladegrenze im System verwendet,

siehe Bild 17. Somit kann das System für jeden

Standort jahreszeitabhängig an die individuell variierenden

Erzeuger-Lastverhältnisse angepasst und die

autarke Performance des Systems nochmals gesteigert

werden. Die dauerhaft korrigierten Mittelwerte optimieren

mit der Zeit die dynamische Entladegrenze und

verbessern somit die Ausnutzung der Batteriekapazität.

3.3 Wasserstoffherstellung (H2-Modus)

Der H2-Modus steuert die gezielte Zuschaltung der

Elektrolyseurstufen. Bei gleichzeitiger Aktivierung des

H2-Modus mit der Netzautomatik wird die Wasserstoffkette

im System freigegeben. Im Fall eines Energieüberschusses

im autarken Betrieb werden die Elektrolyseure,

wie in Bild 18 dargestellt, zum Abfangen der

überschüssigen Energie stufenweise aktiviert.

Der Algorithmus ähnelt dem der Netzautomatik. Die

Messung der Systemlast erfolgt über die Batteriespannung

sowie über die dazugehörige Ladephase der Batterie.

Tritt trotz aktivierten Elektrolyseuren eine Batterieüberspannung

auf, wird das Energiemanagement der

Netzautomatik zugeordnet, die in diesem Fall, wenn

möglich, eine Netzzuschaltung durchführt. Um die

Batteriekapazität der elektrischen Grund-/Spitzenlastversorgung

vorzuhalten, werden die Elektrolyseure im

H2-Modus durch regenerative Erzeuger betrieben und

möglichst nicht aus der Batterie gespeist.

3.4 Wasserstoffrückverstromung (H2-Modus)

Der erzeugte Wasserstoff wird im aktivierten Wasserstoffbetrieb

zur Rückverstromung in ertragsschwachen

64

atp edition

9 / 2014


Zeiten verwendet. Kommt es trotz Lastabwurfsystem

zu einer Tiefenentladung der Batterie (SOC < 30 %) wird

über die Brennstoffzelle eine Notladung der Batterie

aktiviert.

Im Boost-Betrieb wird die Brennstoffzelle bei hohen

Anschlussleistungen am autarken System aktiviert, um

der Batterieentladung entgegenzuwirken. Der Leistungssollwert

für die Aktivierung der Boost-Funktion kann

vom Nutzer je nach Spitzenlastbedarf eingestellt werden.

Dieser Wert ist üblicherweise größer als die Nennleistung

der regenerativen Erzeuger und beträgt maximal

die Nennleistung des Inselsystems (5-10,8 kW).

ZUSAMMENFASSUNG

Das Modulkraftwerk zeigt den Stand der Technik im

Bereich autarker Elektrifizierung mit den Schwerpunkten

Leistungselektronik, Batterietechnologie, Wasserstofftechnik

sowie Steuerungstechnik auf. Es ist ein

Beispiel für eine modellbasierte Systementwicklung

mit prognostizierter Ertragsabschätzung. Die Entwicklung

einer Steuerungssoftware als ersten Ansatz für ein

grundlastfähiges, autarkes Kraftwerk ist erfolgreich

umgesetzt, birgt aber noch ein großes Entwicklungspotenzial.

Das für den autarken Einsatz optimierte Modulkraftwerk

hat Innovationscharakter, da vergleichbare Serienprodukte

am Markt die autarke Ausfallsicherheit

meist über den Einsatz von fossilen Energien sicherstellen.

Die Kombination aus Batterie- und Wasserstoffspeicher

unter Verwendung einer übergeordneten, auf den

autarken Einsatz optimierten Betriebsführung, lässt

sich derzeit am Markt als Serienprodukt nicht finden.

Die verschiedenen Komponenten des Modulkraftwerks

lassen sich nach deren anteiligen Kosten pro

Kilowatt darstellt, siehe Bild 20.

Die Wasserstoffkomponenten sind wesentlich kostenintensiver

als die Komponenten des grundlegenden

Elektrosystems bei gleichzeitig niedrigerer Lebensdauer.

Bei den regenerativen Erzeugern zeigt sich, dass

Kleinwindkraftanlagen im Vergleich zu Fotovoltaikanlagen

noch immer weitaus teurer sind. Für die genaue

Ertragsabschätzung und Systemauslegung eines autarken

Systems hat sich herausgestellt, dass das Performancepotenzial

von Kleinwindkraftanlagen schwierig

einzuschätzen ist und manche Produkte kritisch hinterfragt

werden müssen.

Durch Verwendung von Wasserstoffkomponenten im

Container müssen besondere Klimatisierungsvorschriften

bezüglich Luftdurchsatz und Temperatur im Container

eingehalten werden. In Regionen mit extremen

Temperaturen muss das Containerkraftwerk mit Klimatisierungsgeräten

ausgestattet werden, die im Prototyp

nicht installiert sind. Das Modulkraftwerk wird an

der FH-Stralsund bei der Ausbildung am Institut für

Regenerative Energiesysteme verwendet und dadurch

dauerhaft weiterentwickelt.

MANUSKRIPTEINGANG

23.10.2013

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

REFERENZEN

AUTOR

BILD 20:

Prozentuale Kosten

pro Kilowatt Peak

[1] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Development of a base load, autarkic,

modular power plant. In: Tagungsband HTRSE 2012, S.43-48,

Miedzyzdroje

[2] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Modulkraftwerk- Eine Inselenergieversorgung.

In: Tagungsband REGWA Symposium 2012, S.46-50, Stralsund

[3] Kolbe, C., Luschtinetz, T.: Adaptives Steuerungs- und Regelungskonzept

eines autarken Kraftwerks. In: Tagungsband AALE- 2013,

ISBN: 9783835633643

[4] Hompage Modulkraftwerk: http://salon.io/Modulkraftwerk

[5] NREL: Homer Legacy.

http://www.homerenergy.com/HOMER_legacy.html

Dipl.-Ing. (FH) CHRISTIAN KOLBE

(geb.1981) arbeitet als R&D-Systemingenieur

bei der Heliocentris Academia

GmbH in Berlin. Von 2011 bis 2013 war

er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim

Projekt Modulkraftwerk am Institut für

Regenerative Energiesysteme der

FH-Stralsund. Nach dem Studium

Regenerative Energietechnik an der

FH-Nordhausen von 2004 bis 2009 war er bis 2011 als

Entwicklungsingenieur Leistungselektronik bei der Suzlon

Energy GmbH in Rostock tätig.

Heliocentris Academia GmbH,

Rudower Chaussee 29, D-12489 Berlin,

Tel. +49 (0) 30 340 60 17 35, E-Mail: Christian.Kolbe@gmx.de

atp edition

9 / 2014

65


IMPRESSUM / VORSCHAU

IMPRESSUM

VORSCHAU

Verlag:

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Arnulfstraße 124, D-80636 München

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 0

Telefax + 49 (0) 89 203 53 66 99

www.di-verlag.de

Geschäftsführer:

Carsten Augsburger, Jürgen Franke

Verlagsleiterin:

Kirstin Sommer

Spartenleiterin:

Kirstin Sommer

Herausgeber:

Dr.rer.nat. Thomas Albers

Dr. Gunther Kegel

Dipl.-Ing. Hans-Georg Kumpfmüller

Dr.-Ing. Wilhelm Otten

Beirat:

Dr.-Ing. Kurt Dirk Bettenhausen

Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple

Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay

Prof. Dr.-Ing. Michael Felleisen

Prof. Dr.-Ing. Georg Frey

Dipl.-Ing. Thomas Grein

Prof. Dr.-Ing. Hartmut Haehnel

Dipl.-Ing. Tim-Peter Henrichs

Dr.-Ing. Jörg Kiesbauer

Dipl.-Ing. Gerald Mayr

Dr.-Ing. Josef Papenfort

Igor Stolz

Dr. Andreas Wernsdörfer

Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp

Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich

Dr.rer.nat. Christian Zeidler

Organschaft:

Organ der GMA

(VDI/VDE-Gesell schaft Messund

Automatisierungs technik)

und der NAMUR (Interessengemeinschaft

Automatisierungstechnik

der Prozessindustrie).

Redaktion:

Jürgen Franke (verantwortlich)

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 10

E-Mail: franke@di-verlag.de

Aljona Hartstock (aha)

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 78

E-Mail: hartstock@di-verlag.de

Gerd Scholz (gz)

Einreichung von Hauptbeiträgen:

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas

(Chefredakteur, verantwortlich

für die Hauptbeiträge)

Technische Universität Dresden

Fakultät Elektrotechnik

und Informationstechnik

Professur für Prozessleittechnik

D-01062 Dresden

Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14

E-Mail: urbas@di-verlag.de

Fachredaktion:

Dr.-Ing. Michael Blum

Dipl.-Ing. Heinrich Engelhard

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite

Dr.-Ing. Bernhard Kausler

Dr.-Ing. Niels Kiupel

Prof. Dr.-Ing. Gerrit Meixner

Dr.-Ing. Jörg Neidig

Dipl.-Ing. Ingo Rolle

Dr.-Ing. Stefan Runde

Prof. Dr.-Ing. Frank Schiller

Bezugsbedingungen:

atp edition – Automatisierungs technische

Praxis“ erscheint monatlich mit Doppelausgaben

im Januar/Februar und Juli/August.

Bezugspreise:

Abonnement jährlich: € 519,– + € 30,–/ € 35,–

Versand (Deutschland/Ausland);

Heft-Abonnement + Online-Archiv: € 704,70;

ePaper (PDF): € 519,–; ePaper + Online-Archiv:

€ 674,70; Einzelheft: € 59,– + Versand;

Die Preise enthalten bei Lieferung in EU-

Staaten die Mehrwertsteuer, für alle übrigen

Länder sind es Nettopreise. Mitglieder der

GMA: 30% Ermäßigung auf den Heftbezugspreis.

Bestellungen sind jederzeit über den Leserservice

oder jede Buchhandlung möglich.

Die Kündigungsfrist für Abonnement aufträge

beträgt 8 Wochen zum Bezugsjahresende.

Abonnement-/Einzelheftbestellung:

DataM-Services GmbH, Leserservice atp

Herr Marcus Zepmeisel

Franz-Horn-Str. 2, 97082 Würzburg

Telefon + 49 (0) 931 417 04 59

Telefax + 49 (0) 931 417 04 94

leserservice@di-verlag.de

Verantwortlich für den Anzeigenteil:

Inge Spoerel

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 22

E-Mail: spoerel@di-verlag.de

Kirstin Sommer (Key Account)

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 36

E-Mail: sommer@di-verlag.de

Angelika Weingarten (Key Account)

Telefon + 49 (0) 89 203 53 13

E-Mail: weingarten@di-verlag.de

Es gelten die Preise der Mediadaten 2014

Anzeigenverwaltung:

Brigitte Krawczyk

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 12

E-Mail: krawczyk@di-verlag.de

Art Direction / Layout:

deivis aronaitis design | dad |

Druck:

Druckerei Chmielorz GmbH,

Ostring 13,

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt

Gedruckt auf chlor- und

säurefreiem Papier.

Die atp wurde 1959 als „Regelungstechnische

Praxis – rtp“ gegründet.

DIV Deutscher Industrieverlag

GmbH München

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich

geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne

Ein willigung des Verlages strafbar.

Gemäß unserer Verpflichtung nach § 8

Abs. 3 PresseG i. V. m. Art. 2 Abs. 1c DVO

zum BayPresseG geben wir die Inhaber

und Beteiligungsverhältnisse am Verlag

wie folgt an:

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH,

Arnulfstraße 124, D-80636 München.

Alleiniger Gesellschafter des Verlages

ist die ACM-Unternehmensgruppe,

Ostring 13,

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt.

ISSN 2190-4111

DIE AUSGABE 10 / 2014 DER

ERSCHEINT AM 02.10.2014

MIT DEM SCHWERPUNKT

„MENSCH-PROZESS-KOMMUNIKATION“

Zustandsüberwachung

und Performanzprognose

Energieorientierte

Prozessbewertung

und -führung

Hochverfügbare

Kommunikation für die

industrielle Automation

Anlagendiagnose in der

industriellen Produktion

Aus aktuellem Anlass können sich die Themen

kurzfristig verändern.

LESERSERVICE

E-MAIL:

leserservice@di-verlag.de

TELEFON:

+ 49 (0) 931 417 04 59

66

atp edition

9 / 2014


6. SIL-Sprechstunde

Funktionale Sicherheit

23. + 24.9.2014, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH

www.sil-sprechstunde.de

Irrtümer und

Missverständnisse

Veranstaltungskonzept

Termin

Ort

Haben Sie Fragen zur Anwendung der Normen

IEC 61508, IEC 61511 oder VDI/VDE 2180? Sind Sie

gefordert, die eingetretenen Pfade zur Erlangung der

Sicherheit zu verlassen? Dann sind Sie hier richtig!

Reichen Sie Ihre Fragen rund um SIL ein. Diskutieren

Sie mit Experten über die aktuellen Themen der

Funktionalen Sicherheit am 23. und 24. September

in Mannheim!

Dienstag, 23.09.2014

Veranstaltung (11:30 – 17:15 Uhr)

„Get-Together“ (ab 18:00 Uhr)

Mittwoch, 24.09.2014

Veranstaltung (9:00 – 15:00 Uhr)

Pepperl+Fuchs GmbH

Lilienthalstr. 200

68307 Mannheim

Programm

Vom Umgang mit SIL – Erfahrungen eines

Behördenvertreters

Fallstricke bei der SIL-Einreichung –

Beobachtungen einer Prüfstelle

Die meistgemachten Fehler in der funktionalen

Sicherheit

Richtige Mitbenutzung sicherheitstechnischer

Komponenten für die Prozessleittechnik

Korrelation zwischen funktionaler Sicherheit

und IT-Security

Ist SIL eine Produkteigenschaft?

Workshops

Referenten

Thomas Gabriel, Bayer Technology Services GmbH

Dirk Hablawetz, BASF SE

Martin Herrmann, Infracor GmbH

Andreas Hildebrandt, Pepperl+Fuchs GmbH

Udo Hug, BImSchG ß 29a Sachverständiger

Thomas Karte, Samson AG

Josef Kuboth, Landesamt für Natur, Umwelt und

Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen

Bernd Schrörs, Bayer Technology Services

Heiko Schween, HIMA Paul Hildebrandt GmbH + Co KG

Peter Sieber, Bilfinger alpha msr GmbH

Johann Ströbl, TÜV SÜD Industrie Service GmbH

Werner Brockschmidt, Tesium GmbH

Teilnahmegebühren

atp edition-Abonnenten 540 € zzgl. MwSt.

Firmenempfehlung 590 € zzgl. MwSt.

reguläre Teilnahmegebühr 690 € zzgl. MwSt.

Studenten

kostenlos

(Universität, Fachhochschule, Duale Hochschule – Vorlage des

Studentenausweises bei der Anmeldung erforderlich)

Anmeldung

Detaillierte Informationen zur Veranstaltung,

das vollständige Programm sowie die Online-

Anmeldung finden Sie im Internet unter

www.sil-sprechstunde.de

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Kirstin Sommer

Arnulfstraße 124

80636 München

Tel.: +49 (0) 89 203 53 66-24

Fax: +49 (0) 89 203 53 66-99

E-Mail: soerensen@di-verlag.de

www.sil-sprechstunde.de

Pepperl+Fuchs GmbH

Dr. Andreas Hildebrandt

Lilienthalstraße 200

68307 Mannheim

Tel.: +49 (0) 621 776-1454

Fax: +49 (0) 621 776-1108

E-Mail: ahildebrandt@de.pepperl-fuchs.com

www.pepperl-fuchs.de


Der wohl kleinste

Drucktransmitter der Welt.

Kompensierte Drucktransmitter ab Durchmesser 11 mm mit hermetisch eingebettetem Signalprozessor.

Die einmalige Kombination aus kleinster Baugrösse, Performance und Medienvertäglichkeit.

Druckbereiche: 0,3…1000 bar / Genauigkeit: 0,15 %FS / Rostfreies Stahlgehäuse

Analoge C-Linie (Serie 4 LC…9 LC)

- Analogausgang: 0,5…4,5 V ratiometrisch

- 2 kHz Abtastrate

- Betriebstemperaturbereich bis zu 150 °C

- Geschützt bis ±33 V

Digitale D-Linie (Serie 4 LD…9 LD)

- Digitale Schnittstelle: I 2 C

- Ultra low power: 11 µW @ 1 SPS und 1,8 V

- Bis zu 250 Samples/s

- Druck- und Temperaturinformation

www.keller-druck.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!