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Klausur Nr. 1 - Sw-cremer.de

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LK Sozialwiss./Wirtschaft<br />

-CREMER-<br />

<strong>Klausur</strong> <strong>Nr</strong>. 1<br />

Köln, <strong>de</strong>n 17.04.2012<br />

Arbeitszeit: 9.50 – 13.00 Uhr<br />

Thema: Braucht Deutschland eine an<strong>de</strong>re Politik gegen Armut?<br />

Aufgabenstellung:<br />

1. Erläutere <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r „Armut“ und ver<strong>de</strong>utliche, worüber Konsens besteht und welche<br />

Gesichtspunkte kontrovers diskutiert wer<strong>de</strong>n. (24 Punkte)<br />

2. Werte die Tabelle (M1) aus. Fasse Deine Auswertungsergebnisse am En<strong>de</strong> bitte übersichtlich<br />

bzw. systematisch zusammen. (22 Punkte)<br />

3. Analysiere die Position von Wehner/Liebermann zum bedingungslosen Grun<strong>de</strong>inkommen,<br />

die aus <strong>de</strong>m Interview (M2) hervorgeht. (27 Punkte)<br />

4. Erörtere, ob die bestehen<strong>de</strong> Grundsicherung für Erwerbsfähige (ALG II) durch ein bedingungsloses<br />

Grun<strong>de</strong>inkommen ersetzt wer<strong>de</strong>n sollte. (Gehe bitte davon aus, dass die Finanzierung<br />

<strong>de</strong>s bedingungslosen Grun<strong>de</strong>inkommens über eine Verbrauchssteuer – wie<br />

die Mehrwertsteuer – erfolgen wür<strong>de</strong>, die die komplette Einkommensteuer ablösen wür<strong>de</strong>.)<br />

(27 Punkte)<br />

Viel Glück und Erfolg!!


M2<br />

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Sozialstaat "Das bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen macht nicht faul"<br />

Was, wenn <strong>de</strong>r Staat je<strong>de</strong>m Bürger genügend Geld zum Leben zahlte? Die Gesellschaft wür<strong>de</strong> davon profitieren, sagen ein Arbeitspsychologe<br />

und ein Soziologe im Interview.<br />

Von: Max Neufeind<br />

30.12.2011 - 09:49 Uhr<br />

ZEIT ONLINE: Herr Wehner 1 , Herr Liebermann 2 , die Piraten-Partei und Teile <strong>de</strong>r Linkspartei werben für das Bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen.<br />

Bürgerliche Parteien tun die I<strong>de</strong>e jedoch als Utopie ab.<br />

Theo Wehner: Ich wür<strong>de</strong> sagen, dass Vollbeschäftigung eine utopischere Vorstellung ist als die eines bedingungslosen Grun<strong>de</strong>inkommens. Die<br />

Gesellschaft wird nicht auf technische und soziale Innovationen verzichten, und sollte es auch nicht. Das be<strong>de</strong>utet zwangsläufig auch Rationalisierung.<br />

Gleichzeitig gelingt es <strong>de</strong>n entwickelten Arbeitsgesellschaften nicht, Rationalisierungsgewinne gerecht beziehungsweise zum Nutzen aller zu<br />

verteilen. Das Ergebnis sind Resttätigkeiten, Dequalifizierung und Arbeitslosigkeit für die Einen und Arbeitsverdichtung, Selbstausbeutung und Erschöpfung<br />

für die An<strong>de</strong>ren.<br />

[...]<br />

ZEIT ONLINE: Selbst die SPD, <strong>de</strong>r soziale Gerechtigkeit ein Grundanliegen ist, spricht sich gegen ein bedingungsloses Grun<strong>de</strong>inkommen aus.<br />

Liebermann: Die SPD begreift sich – nicht überraschend – noch immer als Arbeiterpartei. Sie propagiert die Verwirklichung <strong>de</strong>s Menschen durch<br />

Arbeit.<br />

ZEIT ONLINE: Auch Ökonomen argumentieren, dass keiner mehr arbeiten wür<strong>de</strong>, wenn es ein bedingungsloses Grun<strong>de</strong>inkommen gäbe. Viele<br />

Menschen wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m intuitiv zustimmen...<br />

Wehner: Ein Grun<strong>de</strong>inkommen macht genauso wenig faul, wie Erwerbsarbeit grundsätzlich fleißig macht. Der Mensch ist ein tätiges Wesen.<br />

Liebermann: Ohne bürgerschaftlich Engagierte gäbe es ebenfalls viele Leistungen nicht. An vielen Stellen treffen wir auf das Phänomen, dass<br />

Menschen auf <strong>de</strong>r Basis eines inneren Antriebs, <strong>de</strong>r sich lebensgeschichtlich gebil<strong>de</strong>t hat, tätig sind. Eines äußerlichen Stimulus, eines externen<br />

Anreizes, bedarf es nicht. Mit einer Einkommenssicherheit könnten sich die Menschen <strong>de</strong>r Entfaltung dieses inneren Antriebs viel einfacher stellen.<br />

Es wür<strong>de</strong> also eher wohlstandsför<strong>de</strong>rnd wirken.<br />

ZEIT ONLINE: Ist es nicht eher so, dass man versuchen wür<strong>de</strong> einen Mitarbeiter, <strong>de</strong>r über ein gesichertes Grun<strong>de</strong>inkommen verfügt, im Lohn zu<br />

drücken?<br />

1 Wehner, geboren 1947, ist Professor für Arbeitspsychologie an <strong>de</strong>r ETH Zürich. Er befasst sich mit <strong>de</strong>n Wechselbeziehungen zwischen Mensch<br />

und Arbeit im organisationalen und gesellschaftlichen Kontext und ist Mitglied bei kontrapunkt, <strong>de</strong>m Schweizer Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik.<br />

Anfang 2012 erscheint von ihm Corporate Volunteering: Unternehmen im Spannungsfeld von Effizienz und Ethik.<br />

2 Liebermann, geboren 1967, studierte Philosophie bei Jürgen Habermas und Soziologie bei Ulrich Oevermann. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

an <strong>de</strong>r Ruhr Universität Bochum und Mitbegrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung, die sich für eine öffentliche Diskussion um ein<br />

Grun<strong>de</strong>inkommen einsetzt.


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Liebermann: Mit einem Bedingungslosen Grun<strong>de</strong>inkommen setzt sich das Einkommen, über das eine Person verfügt, an<strong>de</strong>rs zusammen als heute.<br />

Während <strong>de</strong>r Lohn gegenwärtig sowohl die Existenzsicherung leisten als auch <strong>de</strong>n Mitarbeiter würdigen soll, wür<strong>de</strong> das durch das Bedingungslose<br />

Grun<strong>de</strong>inkommen getrennt. Für die Existenzsicherung sorgt das Bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen, <strong>de</strong>r Lohn drückt dann nur noch aus, welchen<br />

Anteil am Unternehmenserfolg ein Mitarbeiter erhält. Selbst bei niedrigerem Lohn als zuvor könnte ein höheres Gesamteinkommen erzielt<br />

wer<strong>de</strong>n, weil das Bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen ja immer da ist und nicht verrechnet wer<strong>de</strong>n soll.<br />

ZEIT ONLINE: Ein niedriger Lohn be<strong>de</strong>utet aber eine weitere Abwertung <strong>de</strong>r Erwerbsarbeit.<br />

Liebermann: Nur wenn Sie <strong>de</strong>n Wert einer Tätigkeit am Lohn bemessen. Der sagt aber nichts darüber aus, welche Be<strong>de</strong>utung diese Tätigkeit für<br />

die Person hat, die sie ausübt und für jene, die sie in Anspruch nehmen. Ist die Müllabfuhr weniger be<strong>de</strong>utend als das Investmentbanking? Solange<br />

jemand seinen Beruf gerne ausübt, sich mit <strong>de</strong>r Aufgabe i<strong>de</strong>ntifiziert, ist er bereit, erhebliche Lohneinbußen in Kauf zu nehmen. Problematisch<br />

wird das erst, wenn die Löhne zu niedrig sind, um ein sicheres Auskommen zu haben. Man ha<strong>de</strong>rt dann ja nicht mit seinem Beruf, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r<br />

Einkommenssituation. Das bringt Leistungseinbußen mit sich. Die wie<strong>de</strong>rum tauchen in keiner Statistik auf.<br />

ZEIT ONLINE: Verabschie<strong>de</strong>t sich eine Gesellschaft, die ein Bedingungsloses Grun<strong>de</strong>inkommen einführt, nicht vom alten I<strong>de</strong>al "Recht auf Arbeit"?<br />

Liebermann: Ein Recht auf einen Arbeitsplatz gibt es auch heute nicht, wie wir an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Arbeitsmarkts sehen. Zum Glück gibt es<br />

dieses Recht nicht, <strong>de</strong>nn Erwerbsarbeit ist ja nicht per se sinnvoll. Sie ist es nur, wenn sie zur Wertentstehung notwendig ist. Wo Maschinen sie<br />

ersetzen kann, können wir Lebenszeit zurückgewinnen. Durch ein Grun<strong>de</strong>inkommen wäre es möglich, sich Aufgaben zuzuwen<strong>de</strong>n, die Maschinen<br />

nicht übernehmen können und die nicht zwangsläufig in Erwerbstätigkeit führen müssen.<br />

[...]<br />

ZEIT ONLINE: Wer soll das Grun<strong>de</strong>inkommen eigentlich bezahlen? Ist es überhaupt finanzierbar?<br />

Liebermann: Die Frage klingt kompliziert, die Antwort ist einfach: nur das Gemeinwesen kann es "bezahlen". Das geht nur, wenn die Bürger das<br />

Grun<strong>de</strong>inkommen auch zu tragen bereit sind. Das gilt für alle öffentlichen Leistungen heute gleichermaßen. Finanziert wer<strong>de</strong>n sollte es mittels eines<br />

Steuerwesens, das Leistungserstellung for<strong>de</strong>rt und nicht hemmt. Die Vorschläge zur Finanzierung über eine Konsumsteuer, wie sie etwa Götz<br />

W. Werner und Benediktus Hardorp vertreten, bei Wegfall aller Einkommensbesteuerung, scheint mir die Richtung zu weisen.<br />

Die Fragen stellte: Max Neufeind. Er ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrumfür Organisations- und Arbeitswissenschaften an<br />

<strong>de</strong>r ETH Zürich.<br />

Quelle: ZEIT ONLINE<br />

Adresse: http://www.zeit.<strong>de</strong>/politik/<strong>de</strong>utschland/2011-12/bedingungsloses-grun<strong>de</strong>inkommen-interview/komplettansicht<br />

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