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mit Geschichte - Bauholz design a.r.t.

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Genehmigung<br />

LAND UND LEUTE<br />

2010<br />

Möbel<br />

<strong>mit</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

Bernd Schuster wirft ungern etwas weg.<br />

Deshalb liegen auf dem ehemaligen<br />

Gutshof im idyllischen Münsterland<br />

Hunderte Holzbalken. Die Gerüstbretter sind zehn<br />

bis zwanzig Jahre alt, einige noch älter. Manche<br />

Leitern lehnten schon an Architektenhäusern und<br />

Arbeiterwohnungen, als Bundeskanzler Helmut<br />

Schmidt noch die Geschicke der Bundesrepublik<br />

leitete. Früher, weiß Geschäftsführer Schuster,<br />

wanderten „diese Bohlen einfach auf den Müll“.<br />

Aus dem Gebrauchsholz entstehen unter den<br />

Händen geschickter Tischler moderne Möbel.<br />

Heft 7/2010<br />

Auf einem Bauernhof bei Münster tischlern Handwerker<br />

aus alten Bohlen moderne Möbel.<br />

In der Werkstatt der Münsteraner Möbel-Macher stapelt sich altes<br />

<strong>Bauholz</strong> (oben). Ist es zu Regalen, Tisch und Hocker (links) oder zu<br />

hölzernen Podesten (unten) verarbeitet, sieht man den Brettern ihre<br />

schlichte Herkunft nicht mehr an.<br />

Bernd Schuster ist zufrieden. Gut gelaunt blättert<br />

der Chef von „<strong>Bauholz</strong> <strong>design</strong>“ in seiner Auftragsmappe.<br />

Ein Bierlokal in Binz auf Rügen möchte<br />

eine neue Theke, ein Strandrestaurant auf<br />

Norderney Tische und Stühle, eine Gärtnerei in<br />

der Schweiz und ein Pasta-Restaurant in<br />

Luxemburg wünschen sich eine komplette Ladeneinrichtung.<br />

Die Recycling-Idee der Münsteraner<br />

Möbel<strong>design</strong>er fasziniert und begeistert viele, ob<br />

Beachclub-Betreiber, Blumenladenbesitzer oder<br />

Bürogemeinschaften.<br />

Im Jahr 1999 fing hier alles <strong>mit</strong> Keramik an.<br />

Da<strong>mit</strong> die Vasen und Töpfe bei Messen richtig<br />

groß rauskommen, suchte die Firma passende<br />

Gestelle. Am Ende stand die Kollektion auf<br />

handgeschliffenen Gerüstbohlen. Die Idee war der<br />

Impuls für die Gründung der Möbel-Manufaktur.<br />

Wo früher das liebe Vieh fröhlich krähte und<br />

quiekte, werkeln nun zwanzig Festangestellte und<br />

zehn freie Mitarbeiter. Der 56-jährige Bernd<br />

Der Möbel-Macher<br />

<strong>Bauholz</strong> <strong>design</strong> a.r.t. GmbH<br />

Sudmühlenstraße 167, 48157 Münster<br />

Tel. (0251) 2841786, www.bauholz<strong>design</strong>.com<br />

Fotos: Oliver Zelt (7); <strong>Bauholz</strong> <strong>design</strong> (2)<br />

44 www.liebes-land.de 7/2010<br />

7/2010 www.liebes-land.de 45


Bernd Schuster (links) und sein Team erwecken altes Holz zu neuem Leben.<br />

Nur echt <strong>mit</strong> dem Brandzeichen: Künstliche Patina gibt’s hier nicht. Dafür erzählen Furchen und Farbreste vom arbeitsreichen Vorleben der Bohlen.<br />

Schuster ist seit 2006 Chef von „<strong>Bauholz</strong><br />

<strong>design</strong>“, deren Tische und Regale selbstverständlich<br />

eigene Holz-Kreationen sind.<br />

Sorge, dass die alten Bohlen eines Tages<br />

ausgehen, hat Schuster selten. Sicher,<br />

das Material ist endlich, aber ein Scout<br />

(englisch: Kundschafter, Späher) ist zwischen<br />

Ostseeküste und Bodensee unterwegs<br />

und sucht nach gebrauchten Bohlen.<br />

Verträge <strong>mit</strong> zwei deutschen Gerüstbauern<br />

sichern neuen Nachschub, denn<br />

beim Autobahnbrückenbau, wo Standard-<br />

Maße nicht die Norm sind, stehen die<br />

Arbeiter immer noch auf Holzträgern. So<br />

wie einst Maurer, Anstreicher und Dachdecker<br />

auf den Balken arbeiteten.<br />

Oft achtlos von einer Baustelle zur<br />

nächsten transportiert, zeigen die vierkantigen<br />

Bauhölzer viele Macken und<br />

Makel. Wind und Wetter haben sie<br />

gegerbt. Mancher Maler kleckerte über<br />

seinen Pinselpott, Maurer verklebten den<br />

Mörtel nicht nur in die Steinritzen, und<br />

Kettensägen hinterließen Kerben. Farbkleckse<br />

bilden Muster auf den Brettern.<br />

Genau diese antiken Spuren schätzen die<br />

<strong>Bauholz</strong>-Mitarbeiter. „Das Material hat<br />

Charakter“, sagt Schuster. Dieser Charakter<br />

ist zunächst grob und ungehobelt.<br />

Aber nicht jede Bohle ist für die Münsteraner<br />

wertvoll. „Sie müssen unbehandelt<br />

sein“, so Schuster. Imprägnierte oder<br />

eingefärbte Bretter haben keine Chance<br />

auf ein zweites Leben als Holz-Hocker.<br />

In der Manufaktur reinigt das Tischler-<br />

Team die Bohlen, meist Tanne oder<br />

Fichte, zunächst <strong>mit</strong> Bürste, Spachtel und<br />

elektrischer Schleifmaschine und schneidet<br />

sie anschließend auf die gewünschten<br />

Maße. Immer wieder nehmen die Handwerker<br />

Schmirgelpapier und glätten die<br />

Bretter von Hand. „Wir schleifen nur wenige<br />

Millimeter ab“, erklärt Produktionsleiter<br />

Carsten Tewes. So bleiben genau<br />

die Spuren, „die wir erhalten möchten“:<br />

Furchen im Holz, Firmenstempel des<br />

Bauunternehmers und Farbreste. Nur die<br />

Nägel ziehen die Handwerker heraus. Das<br />

ist oft mühsam. Wenn es mal gar nicht<br />

klappt, „bleibt auch mal einer drin und<br />

wird plattgehobelt“.<br />

Aus dem eigentlich sehr gewöhnlichen<br />

Baumaterial entstehen am Ende <strong>mit</strong><br />

wenigen Dübeln, Schrauben und schmalen<br />

Metallbändern Tische, Theken und<br />

Regale. Jedes Stück ist ein Unikat <strong>mit</strong><br />

besonderem Charme. So wie das Leben<br />

beim Menschen für Falten sorgt, altert<br />

auch das Holz. „Maserungen und Farben<br />

fallen bei jeder Bohle verschieden aus“,<br />

weiß Bernd Schuster. Deshalb kann er<br />

keine Serien herstellen, obwohl „der eine<br />

unempfindlich. Ein unschätzbarer Vorteil<br />

vor allem für Stühle und Sofas, die auf<br />

dem Balkon oder im Garten stehen sollen:<br />

Selbst Regen schadet ihnen nicht mehr.<br />

„Das Holz arbeitet kaum noch“, sagt Produktionsleiter<br />

Carsten Tewes. Besucher<br />

des Firmengeländes könnten fast den Eindruck<br />

gewinnen, die Kreativen übertreiben<br />

es leicht <strong>mit</strong> dem resoluten Recyoder<br />

andere Kunde das gerne hätte“.<br />

Auch eine künstliche Patina verbietet sich<br />

bei „<strong>Bauholz</strong> <strong>design</strong>“. Nichts werde „auf<br />

alt getrimmt“, versichert der Chef. Dafür<br />

steht das markante Brandzeichen <strong>mit</strong><br />

dem Firmenlogo auf den Möbeln.<br />

Ihr langes Vorleben in Sommer-Sonne<br />

und Winter-Weiß macht die Hölzer<br />

cling. „Für unsere Möbel muss kein neuer<br />

Baum fallen“, sagt Schuster. Selbst die<br />

Hobelspäne wandern nicht auf den Müll.<br />

Die Münsteraner Künstlerin Leonie Wöller<br />

verarbeitet den Sägeabfall. Sie formt<br />

daraus grazile Skulpturen, die sie „Diva“<br />

nennt. Sie stehen – wie könnte es anders<br />

sein – auf einem Quader aus Gerüstholz.<br />

Oliver Zelt<br />

Das ist Charakter-Holz: Erst roh und ungehobelt,<br />

später geschliffen und fein aufgemöbelt.<br />

46 www.liebes-land.de 7/2010

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