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TRADERS´PEOPLE

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<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

84 Juni 2011 | www.traders-mag.com


<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

TRADERS´ Interview:<br />

Thomas Kahdemann –<br />

Elliott-Wave ist kein Hokuspokus<br />

Thomas Kahdemann (45) war von 1987 bis 1995<br />

Wertpapierberater in einer deutschen Privatkundenbank<br />

und später Vermögensverwalter und Derivate-Spezialist.<br />

1995 vervollständigte er in Chicago bei der REFCO INC<br />

seine Derivate-Ausbildung an der Chicagoer Börse (CBOT<br />

sowie CME) und war anschließend als Eigenhändler<br />

(Renten, Aktien, Derivate) für eine Großbank in der<br />

Schweiz tätig. Von 1997 bis 2007 betreute er vermögende<br />

Privatkunden, um dann im Jahr 2007 Gesellschafter und<br />

Geschäftsführer der KBG-Beratungsgesellschaft sowie der<br />

KBG asset management GmbH zu werden. Zusammen mit<br />

seinen Kollegen Sven Benniß und Jürgen Gindner managt<br />

er den vermögensverwaltenden KBG-Athene Portfolio<br />

UI Fonds (WKN: A0YJF7). Ein wesentlicher Bestandteil<br />

im Fondsmanagement des Unternehmens stellt die<br />

Technische Analyse dar. Während seiner Zeit in den USA<br />

konnte Thomas Kahdemann seine Kenntnisse rund um<br />

Elliott-Wave, Gann, Fibonacci, und Marktpsychologie<br />

ausbauen und setzt diese heute aktiv im Tagesgeschehen<br />

ein. Marko Gränitz hat Thomas Kahdemann für einen<br />

Tag in seinem Trading-Büro besucht und ihn exklusiv für<br />

TRADERS´ interviewt. Freuen Sie sich auf ein spannendes<br />

Interview.<br />

Juni 2011 | www.traders-mag.com<br />

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<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

o TRADERS´: Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem<br />

Thema Börse und Trading in Berührung gekommen?<br />

Kahdemann: Das war im Alter von 14 Jahren. Mich hat die<br />

Börse von Anfang an fasziniert. Ich habe alles dazu gelesen,<br />

was ich in die Hände bekommen konnte. Mit 18 Jahren habe<br />

ich dann meine ersten eigenen Trades im Rahmen meiner<br />

Bankausbildung gemacht. Ich kann mich noch gut erinnern,<br />

dass mein erster Trade ein Call auf Hoesch war, der auch im<br />

Gewinn endete. Zu dieser Zeit tradete ich unter Aufsicht meines<br />

Vorgesetzten, der zugleich auch für lange Zeit mein Vorbild<br />

im Trading war. Er und andere Vorgesetzte erkannten<br />

meine anhaltende Motivation und förderten mich, wofür ich<br />

natürlich sehr dankbar war und bin. Auf diesem Weg bin ich<br />

dann in die Abteilung der Vermögensverwaltung „gerutscht“<br />

und konnte mich dort weiter profilieren.<br />

TRADERS´: Wie erfolgreich war Ihre Anfangszeit?<br />

Kahdemann: Eigentlich lief es von Anfang an gut – und<br />

dass, obwohl ich in der ersten Zeit viele verschiedene Handelstechniken<br />

ausprobiert habe. Als Instrumente setzte ich<br />

fast ausschließlich Optionen auf Einzelwerte wie Mannesmann,<br />

Volkswagen oder eben Hoech ein. Damals war das<br />

Die Märkte tendieren die meiste Zeit nicht klar aufwärts oder<br />

abwärts, sondern seitwärts.<br />

ganze Optionsgeschäft noch klassisch organisiert und nicht<br />

so standardisiert wie heute. Zum Beispiel sagten wir „Kauf<br />

einer Kaufoption“ und nicht „Long Call“. Die neuen Begrifflichkeiten<br />

und die Standardisierung kamen dann erst mit<br />

dem Start der Deutschen Terminbörse (DTB) im Jahr 1990.<br />

Was sich viele heute auch nicht mehr vorstellen können, ist<br />

die Tatsache, dass wir in meiner Anfangszeit – obwohl wir<br />

B1) Außer Spesen nix gewesen<br />

Dargestellt ist der 15-Minuten-Chart des DAX-Future von Anfang April 2011. Per Saldo hat sich der Markt in dieser<br />

Zeit nicht bewegt, aber mit Sicherheit hat sich in diesem Zeitraum so mancher Marktteilnehmer verzockt.<br />

Quelle: www.tradesignalonline.com<br />

in einer Bank gehandelt haben – nicht ständig neue Kurse<br />

geliefert bekamen. Ganz im Gegenteil: Immer mittags gegen<br />

13:00 Uhr kam das Update per Fernschreiber bei uns an. Wie<br />

man daran erkennt, haben sich der gesamte Finanzmarkt<br />

und die zugehörige Technologie seither unglaublich stark<br />

weiterentwickelt.<br />

TRADERS´: Bleiben wir gleich bei den „alten Zeiten“.<br />

Wie haben Sie den großen Crash am Aktienmarkt im<br />

Jahr 1987 erlebt?<br />

Kahdemann: Das war wirklich ein bemerkenswertes Erlebnis<br />

in meiner Laufbahn. Ich hatte im Laufe des Jahres verschiedene<br />

Positionen in diversen Put-Optionen mit einer<br />

Laufzeit von neun Monaten aufgebaut, die anfangs nicht so<br />

recht liefen, da die Märkte deutlich länger stiegen, als ich es<br />

vermutet hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich diese Positionen<br />

bereits abgeschrieben, da der Wert praktisch gleich Null<br />

war und sich ein Verkauf auch nicht mehr gelohnt hätte.<br />

In der zweiten Jahreshälfte von 1987 leistete ich einen<br />

Teil meines Wehrdienstes ab und erfuhr über weite Strecken<br />

erst durch die Berichterstattung in der Presse, was in<br />

der Wirtschaft und an der Börse los war. Ich erinnere mich<br />

noch genau daran, dass ich am Tag nach dem Crash in der<br />

Amtsstube saß und dort eine Zeitung zwischen die Finger<br />

bekam, aus der ich das Ganze erst erfuhr. Mit einem Schlag<br />

waren meine Optionen bares Geld wert und ich stellte meine<br />

Trades glatt. Insgesamt hat mir dieses Extremereignis eine<br />

ordentliche Rendite gebracht.<br />

TRADERS´: Und wie haben Sie das andere Extrem erlebt,<br />

die Kursblase während der New Economy?<br />

Kahdemann: Den Neuen Markt habe ich komplett verpasst,<br />

da mir das Ganze nicht geheuer war. Ich hatte keine einzige<br />

dieser abgehobenen Aktien gekauft, obwohl hier mit dem<br />

richtigen Timing natürlich unglaubliche Renditen möglich<br />

waren.<br />

Es ist allerdings nicht so schlimm, dass ich bei dieser Rallye<br />

nicht dabei war, denn für mich lief es in der Baisse von<br />

2000 bis 2003 sehr gut. Für diesen Zeitraum gibt es sicherlich<br />

nicht viele, die das behaupten können.<br />

TRADERS´: Sie haben also eine Stärke für die Short-Seite<br />

im Markt entwickelt?<br />

Kahdemann: Ich glaube ja. Es ist mir immer wieder ganz gut<br />

gelungen, in Zeiten fallender Kurse eine anständige Rendite<br />

einzufahren. So ist zum Beispiel auch meine „Lehrzeit“ an der<br />

Eurex in eine Marktphase gefallen, an der die Börse ordentlich<br />

nach unten marschierte. Das war zu Zeiten des Zweiten Golfkriegs<br />

1990/91, als viele Aktien herbe Verluste verzeichneten.<br />

Meiner Einschätzung nach ist es wichtig, zu erkennen, dass<br />

man auf der Short-Seite viel schneller Geld verdienen kann als<br />

bei Positionen auf steigende Kurse.<br />

Das ist nicht nur bei Extremereignissen wie dem 1987er<br />

Crash so, sondern generell. Wenn die Kurse fallen, geht das<br />

deutlich schneller als bei einem Anstieg um den gleichen<br />

Betrag.<br />

Hinzu kommt, dass die Kurse nach unten auch gern überschießen,<br />

da einige Marktteilnehmer liquidieren müssen und<br />

86 Juni 2011 | www.traders-mag.com


<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

B2) Elliott-Wave-Muster<br />

und danach zu handeln. Um das zu schaffen, benötigen Sie<br />

eine Analysemethode, der Sie vertrauen und die Ihnen das<br />

Timing ermöglicht. Und dafür brauchen Sie natürlich eine<br />

Menge Erfahrung.<br />

Hier sehen Sie das idealtypische 1-2-3-4-5-a-b-c -Muster der Elliott-Wave-Grundtheorie für einen übergeordneten<br />

Aufwärtstrend. Die Impulswelle besteht aus fünf Wellen, von denen im übergeordneten Aufwärtstrend drei<br />

aufwärts (1-3-5) und zwei abwärts gerichtet sind (2-4). Die Korrekturwelle besteht aus drei Wellen, von<br />

denen zwei abwärts (a-c) und eine aufwärts gerichtet ist (b). Impulswellen laufen immer in Richtung des<br />

übergeordneten Trends und werden zur Orientierung üblicherweise mit Zahlen, Korrekturwellen dagegen mit<br />

Buchstaben beschriftet. Innerhalb jedes Sub-Zyklus tritt das gleiche Muster im Kleinen erneut auf (fraktale Natur<br />

der Märkte). Ausgehend von diesem Muster lassen sich feinere Eigenschaften untergliedern. Ein Beispiel ist, dass<br />

auf eine einfache Welle 2 später häufig eine komplexe Welle 4 und umgekehrt auf eine komplexe Welle 2 eine<br />

einfache Welle 4 trifft.<br />

Quelle: R.N. Elliott, „The Basis of the Wave Principle,“ October 1940, Wikipedia (veröffentlicht von Nutzer „Masur“).<br />

sich mitunter Angst und Panik breit machen. Es ist wichtig, zu<br />

wissen, dass die Märkte die meiste Zeit nicht klar aufwärts<br />

oder abwärts tendieren, sondern seitwärts. Aus diesem Grund<br />

glaube ich, dass viele Trader und Investoren in Seitwärtsbewegungen<br />

viel Geld verlieren, wenn sie versuchen, prozyklisch in<br />

Stärke hinein zu kaufen und Schwäche zu verkaufen.<br />

TRADERS´: In Seitwärts-Märkten wird also „eingezahlt“?<br />

Wo werden die Fehler gemacht?<br />

Kahdemann: Natürlich wird es auch immer Marktteilnehmer<br />

geben, die in Aufwärts- oder Abwärtstrends „einzahlen“. Ich<br />

denke, das grundsätzliche Problem besteht darin, dass es<br />

viele Leute mit wirklich guten Analysen gibt, die aber daraus<br />

keinen Mehrwert schöpfen können. Mit anderen Worten:<br />

Viele Experten haben im Wesentlichen Recht mit dem, was<br />

sie aus ihren Analysen schlussfolgern – allerdings haben sie<br />

oft zur falschen Zeit Recht oder sie setzen die falschen Instrumente<br />

ein. Das ist eines der größten Probleme im Trading-<br />

Geschäft überhaupt, da die getroffenen Einschätzungen<br />

meist Realität werden – nur eben zur falschen Zeit.<br />

Es gibt viele Beispiele für gute und richtige Szenarien, bei<br />

denen die Anwender aber auf dem Weg „verhungert“ sind,<br />

weil die Märkte zu dieser Zeit gerade nicht mitspielen wollten.<br />

Wir müssen also nicht nur versuchen, Recht zu haben,<br />

sondern auch Gelegenheiten zur richtigen Zeit zu erkennen<br />

TRADERS´: Das Stichwort „Analysemethode“ lässt mich<br />

aufhorchen. Sie wenden eine ganz besondere Analysemethode<br />

an: Elliott-Wave. Wir haben schon viel darüber<br />

gehört und gelesen, aber bei diesem Thema wird<br />

viel um den heißen Brei herum geredet. Können Sie<br />

uns einfach und verständlich erklären, wie das Ganze<br />

funktioniert?<br />

Kahdemann: Ein umfassendes Verständnis und die Hintergründe<br />

zu Elliott-Wave habe ich während meiner Zeit in<br />

Chicago bei REFCO kennengelernt. Es gibt sehr viel Literatur,<br />

die mitunter auch hinsichtlich der Interpretationsmöglichkeiten<br />

nicht ganz eindeutig ist. Die Klassiker sind Alfred J.<br />

Frost und Robert R. Prechter, deren Veröffentlichungen ich<br />

jedem nur empfehlen kann.<br />

Grundsätzlich ist Elliott-Wave aber ganz einfach. Die<br />

Grundannahme ist, dass sich die Märkte wellenartig bewegen,<br />

in einem Muster der Abfolge 1-2-3-4-5-a-b-c (Bild 2).<br />

Ausgehend von einem vorangegangenen Abwärtstrend<br />

stellt die Impulswelle 1 den Start des Aufwärtstrends dar, der<br />

sich bis Welle 5 fortsetzt. Anschließend folgen drei Abwärts-<br />

Korrekturwellen a, b und c, woran sich dann ein neuer Zyklus<br />

anschließt.<br />

Damit ist Elliott-Wave in der allgemeinen Form beschrieben.<br />

Wichtig ist, dass sich jede einzelne Welle wiederum<br />

in die Zyklen 1-2-3-4-5-a-b-c untergliedern lässt. Das liegt<br />

daran, dass die Märkte fraktaler Natur sind, sich also die gleichen<br />

Muster immer wieder zeigen – egal, wie weit wir „hinein<br />

zoomen“.<br />

TRADERS´: Elliott-Wave wird von manchen Marktteilnehmern<br />

belächelt oder als „Hokuspokus“ bezeichnet.<br />

Was können Sie dem entgegnen?<br />

Kahdemann: Genau das ist das Schöne an der Börse: Jeder<br />

macht, was er will und was er für richtig hält. Und am Ende<br />

gibt uns der Erfolg Recht oder eben nicht. Meiner Einschätzung<br />

nach ist Elliott-Wave keineswegs Hokuspokus. Allerdings<br />

ist die Technik nicht starr und es gibt verschiedene<br />

Interpretationsmöglichkeiten, sodass man das Ganze nicht<br />

oder nur sehr schwer in eine mathematische Beschreibung<br />

pressen kann, mit der objektive Rückrechnungen der Strategie<br />

möglich sind.<br />

Aus persönlicher Erfahrung der Anwendung von Elliott-<br />

Wave und aus meiner Überzeugung von der zugrunde liegenden<br />

Wellentheorie glaube ich an das Funktionieren der<br />

Methode, und das genügt mir völlig.<br />

TRADERS´: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen<br />

Elliott-Wave und Gann?<br />

Kahdemann: Die Gann-Technik ist im Wesentlichen ein Gradientensystem,<br />

das den Chart in verschiedene Cluster oder<br />

Bereiche auf Grundlage einer markanten Hoch/Tief-Spanne<br />

unterteilt. Das Ganze basiert auf der Beziehung zwischen Preis<br />

und Zeit und lässt sich mit herkömmlichen Chartprogrammen<br />

88 Juni 2011 | www.traders-mag.com


<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

nur oberflächlich darstellen, da man für die Feinheiten eine<br />

echte logarithmische Achsendarstellung benötigt.<br />

TRADERS´: Sie setzen auch ganz allgemein Instrumente<br />

der Technischen Analyse und der Charttechnik ein. Wo<br />

genau sehen Sie den Mehrwert dieser Analysen?<br />

Kahdemann: Nun ja, gerade die Charttechnik kann eine<br />

„self-fulfilling prophecy“, also eine sich selbst erfüllende Prophezeiung,<br />

sein. Diese Idee ist weitgehend bekannt. Allerdings<br />

funktioniert das nur, wenn möglichst viele Marktteilnehmer<br />

mitmachen und es einen klaren „Mainstream“ gibt,<br />

der die Richtung diktiert. Eine solche Masse – nennen wir sie<br />

pragmatisch „Herde“ – wird bestimmte Fehler immer wieder<br />

machen. Und das vielleicht sogar dann, wenn Einzelne wissen,<br />

dass es falsch ist. Die Charttechnik und die Technische<br />

Analyse setzen auf genau solche wiederkehrenden Verhaltensmuster,<br />

und aus diesem Grund können diese Analyseformen<br />

bei richtiger Anwendung gut funktionieren.<br />

TRADERS´: Was meinen Sie genau mit „richtiger<br />

Anwendung“?<br />

Kahdemann: Ich selbst verstehe darunter, dass ich beim<br />

ersten Drittel einer Bewegung dabei sein will – und muss, da<br />

es sich sonst nicht mehr lohnt, mit dem Positionsaufbau zu<br />

beginnen. Mit dieser Ein-Drittel-Strategie möchte ich dafür<br />

sorgen, dass der größere Teil der Marktteilnehmer nach mir<br />

einsteigt und die Kurse in meine Richtung treibt.<br />

TRADERS´: Wie kann man sich das vorstellen?<br />

Kahdemann: Versuchen Sie einfach einmal, den Markt als<br />

bloße Masse aus einzelnen Akteuren zu sehen, die in eine<br />

bestimmte Richtung strömt. Am besten funktioniert das aus<br />

der Hubschrauber-Perspektive, aus der Sie in Ihrer Vorstellung<br />

auf die Masse herabschauen wie auf eine große Herde<br />

Tiere. Wenn jetzt vorne der „Leithammel“ der Herde die Richtung<br />

ändert und die ersten zu folgen beginnen, was macht<br />

dann der hintere Teil der Masse? Richtig, dieser hat von der<br />

Richtungsänderung noch nichts mitbekommen und rennt<br />

zunächst weiter in die falsche Richtung. Den Letzten beißen<br />

bekanntlich die Hunde beziehungsweise an der Börse die<br />

Kurse.<br />

TRADERS´: Man muss also versuchen, die Massenbewegungen<br />

für sich zu nutzen?<br />

Kahdemann: Ja, aber auch das ist nicht ganz einfach. Denn<br />

in der Regel sitzt man ja nicht im Hubschrauber, sondern<br />

ist selbst ein Hammel in der Herde. Ich versuche, bildlich<br />

gesprochen, mich in der Masse gut zu positionieren, sensibel<br />

für Veränderungen zu sein und dann flexibel und möglichst<br />

frühzeitig die neue Richtung zu antizipieren. Natürlich<br />

klappt das nicht immer, aber wenn, dann folgt nach mir der<br />

größere Teil der Masse, der die Kurse dann weiter in meine<br />

Richtung treibt.<br />

Ich versuche also, die Verzögerung zu nutzen, die zwischen<br />

der kaum zu erkennenden Richtungsänderung des<br />

Leithammels und dem letzten offensichtlichen Richtungsschub<br />

durch die Nachzügler in der Herde entsteht. Wenn<br />

ich im ersten Drittel der Bewegung einsteige und das letzte<br />

Drittel halbwegs gut prognostizieren kann, fahre ich mit dieser<br />

Taktik im Mittel ziemlich gut.<br />

TRADERS´: Um die Herde richtig einschätzen zu können,<br />

ist die Art und Weise, wie Sie mit Informationen umgehen,<br />

entscheidend. Wie sieht Ihr Ansatz dazu aus?<br />

Kahdemann: Wir leben in einer Zeit der unüberschaubaren<br />

Informationsflut. Ich gehe daher einfach davon aus, dass alle<br />

Informationen im Chart zu finden sind. Ich weiß natürlich,<br />

dass das in der Realität nicht immer der Fall ist, sonst wären<br />

andere Informationen ja stets wertlos. Wenn es aber darum<br />

geht, gute Trading-Entscheidungen zu treffen, finde ich alle<br />

dafür notwendigen Informationen tatsächlich im Chart. Man<br />

muss dafür natürlich bereit sein, den Strom der News und<br />

Emotionen am Markt loslassen zu können, einen Schritt<br />

zurück zu machen und das Ganze emotionslos aus einer<br />

gewissen Distanz zu betrachten. Aus diesem Blickwinkel<br />

lässt sich dann eine bewährte Strategie anwenden, die von<br />

bestimmten Konstellationen und Mustern am Markt profitiert.<br />

Wichtig ist, dass es dabei nicht zu kompliziert wird. Halten<br />

Sie Ihre Strategie also möglichst einfach und vermeiden<br />

Sie zu komplexe Interpretationsmöglichkeiten, da Sie das<br />

beim Traden in Echtzeit unnötig unter Druck bringen kann.<br />

TRADERS´: Nutzen Sie auch Fundamentaldaten?<br />

Kahdemann: Es ist sicherlich kein Fehler, auch ein paar<br />

grobe Fundamentaldaten zu kennen. Allerdings ist es am<br />

Ende immer so, dass Multiples, wie zum Beispiel das Kurs/<br />

Gewinn-Verhältnis (KGV), nichts als relative Kennzahlen und<br />

damit für die Entscheidungsfindung zu schwammig sind.<br />

Zum Beispiel kann es sein, dass eine Aktie mit einem KGV<br />

von 15 in einer Baisse ein klarer Verkaufskandidat ist, aber<br />

der gleiche Titel in einer Hausse als heißer Kaufkandidat gilt.<br />

Im Übergang zwischen beiden Phasen kann die Einschätzung<br />

B3) Elliott-Wave Extension bei Silber<br />

In diesem Chart sehen Sie ein schönes Beispiel dafür, wie sich eine finale Welle nach oben ausdehnen kann.<br />

Innerhalb der Aufwärtswelle von Punkt 4 zu Punkt 5 bildet sich eine kurze Korrektur, nach der sich die Bewegung<br />

dynamisch fortsetzt. Die Welle wird dadurch „gestreckt“. Innerhalb der Extension lassen sich wiederum die Sub-<br />

Wellen 1 bis 5 (grün markiert) erkennen.<br />

Quelle: www.tradesignalonline.com<br />

Juni 2011 | www.traders-mag.com<br />

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<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

B4) Trades vom 11. April 2011<br />

Hier sehen Sie den 15-Minuten-Chart des DAX-Future vom 11. April 2011, dem Tag des Interviews. Im Chart sind<br />

die Bollinger-Bänder zu sehen und unter dem Chart der Stochastik-Indikator. Ich war für diesen Tag bärisch<br />

eingestellt, da es ein Nachbeben mit noch unbekannten Schäden in Japan gegeben und auch der Vortag bereits<br />

schwächer geendet hatte. Ich baute meine Short-Position in drei Stufen bei 7236, 7225 und 7215 Punkten auf<br />

(siehe rote Pfeile). Mit der starken Aufwärts-Kerze am Mittag wurden diese Positionen schnell bei 7204, 7208 und<br />

7215 Punkten ausgestoppt (siehe grüne Pfeile). Ich lag also mit meiner Spekulation letztlich nicht richtig und habe<br />

trotzdem Geld verdient. Am Nachmittag ist schön zu sehen, dass es an manchen Tagen auch gut ist, einfach nichts<br />

zu tun – der Markt pendelte lustlos am Gleitenden Durchschnitt der Bollinger-Bänder entlang.<br />

Quelle: www.tradesignalonline.com<br />

zu der Aktie dagegen völlig unentschlossen sein. Um also die<br />

Aktie einschätzen zu können, müssen Sie viele weitere Faktoren<br />

kennen oder schätzen, sodass es erstens komplex und<br />

zweitens interpretationsbedürftig wird. Da ist es doch viel einfacher,<br />

die ganzen Kennzahlen den Analysten zu überlassen<br />

und sich die Informationen für die Handelsentscheidung aus<br />

dem Chart zu holen.<br />

TRADERS´: Welche weiteren Erkenntnisse in Ihrer Trading-Karriere<br />

sind entscheidend für Ihren Erfolg?<br />

Kahdemann: Das sind im Wesentlichen zwei Dinge: Zum<br />

einen würde ich sagen, dass man nicht jede Bewegung bis<br />

zum letzten Euro Gewinn ausreizen sollte. Das lässt sich auch<br />

mit „Den letzten Euro hebt man nicht auf“ ausdrücken. Es<br />

ist sowieso unmöglich, genau die Hochs und Tiefs zu erwischen,<br />

also sollten wir das auch nicht versuchen. Ich bin mit<br />

meinen Ein- und Ausstiegen auch lieber etwas zu früh dran,<br />

als die Gelegenheit am Ende zu verpassen.<br />

Die zweite Erkenntnis, die ich glücklicherweise mithilfe<br />

meiner Mentoren schon vor langer Zeit gemacht habe, ist, dass<br />

die Börse und insbesondere das Trading ein riesiges Haifischbecken<br />

ist, in dem es nur ein Ziel gibt: Überleben. Daraus wiederum<br />

folgt, dass es in erster Linie um das Risiko-Management<br />

und erst in zweiter Linie um die Maximierung der Rendite geht.<br />

Wer sich nicht daran hält, wird ganz schnell „gefressen“.<br />

TRADERS´: Ihre Handelsstrategie besteht aus drei Bausteinen.<br />

Können Sie uns das genauer erklären?<br />

Kahdemann: Wir setzen Eurex-Strategien, mein Handelsmodell<br />

sowie eine klassische Asset Allocation mit Exchange<br />

Traded Funds (ETFs) und Einzeltiteln (Aktien, Renten, Rohstoffen)<br />

ein, wobei ich grundsätzlich versuche, die Währungsrisiken<br />

zu hedgen. Aus Trading-Sicht sind natürlich<br />

die Eurex-Strategien und vor allem das Handelsmodell<br />

am interessantesten. Während Letzteres auf den bereits<br />

beschriebenen Techniken wie Elliott-Wave basiert, kommen<br />

bei den Eurex-Strategien andere, aber ebenfalls diskretionäre<br />

Elemente zum Einsatz. Ich verwende hier die gesamte<br />

Bandbreite an Strategien. Eine Möglichkeit sind marktneutrale<br />

Strategien, bei denen ich Long- und Short-Positionen in<br />

verschiedenen Einzelwerten aufbaue, die sich über ihre relative<br />

Bewegung zueinander in den Gewinn (und manchmal in<br />

den Verlust) bewegen, aber unabhängig vom Gesamtmarkt.<br />

Ein anderes Beispiel sind Optionsstrategien, die auf den Zeitwert<br />

oder die Volatilität abzielen. Mitunter setze ich auch<br />

auf Call-Optionen, statt die Aktien direkt zu kaufen, oder ich<br />

schreibe gedeckte Calls auf Aktien, die ich im Portfolio halte<br />

(Covered Call).<br />

TRADERS´: Das Trading ist also ein aktiver Zugewinn<br />

zum klassischen Portfolio-Management?<br />

Kahdemann: Ja, denn es kommt immer darauf an, was ich<br />

wo geboten bekomme. Und wie wir alle wissen, ändern sich<br />

die Konditionen ständig. Wichtig ist zum Beispiel die relative<br />

Performance verschiedener Anlageklassen. Wenn ich hohe<br />

Zinsen bei niedriger bis moderater Inflation bekommen kann<br />

– also einen attraktiven Realzins –, erhöhe ich das Gewicht<br />

bei festverzinslichen Anlagen. Sehr hohe Realzinsen hatten<br />

wir zum Beispiel bei der Wiedervereinigung in Deutschland.<br />

Wenn aber wie heute das Geld „billig“ ist und die Inflation<br />

gleichauf, würde das am Ende nichts bringen oder sogar zu<br />

einem Wertverlust führen. Daher erhöhe ich die Trading-<br />

Komponente, also das Gewicht meiner Eurex-Strategien und<br />

meines Handelsmodells. Das Ganze kann man übrigens auch<br />

als eine Art „Trade“ sehen, allerdings strategischer Natur.<br />

TRADERS´: Warum hat sich diese dynamische Herangehensweise<br />

an das Portfolio-Management erst in den<br />

letzten Jahren entwickelt?<br />

Kahdemann: In der Hausse bis zum Jahr 2000 hat es den<br />

durchschnittlichen Anleger nicht gestört, dass er mit dem<br />

typischen Fonds schlechter abgeschnitten hat als der Index<br />

– oder besser gesagt: er wusste es überhaupt nicht, da er<br />

sich über die dennoch (scheinbar) guten Renditen gefreut<br />

hat. Der Grund dafür war, dass es Kursgewinne für alle gab,<br />

auch nach Kosten. Seit dem Jahr 2000 hat sich diese Wahrnehmung<br />

deutlich verändert. Jetzt schauen die Anleger viel<br />

stärker auf die relative Performance und auf die Kosten wie<br />

Ausgabeaufschlag und Verwaltungsgebühr.<br />

TRADERS´: Kommen wir noch mal auf Ihre Handelsstrategien<br />

zurück. Können Sie uns Ihre Technik anhand<br />

einiger Beispiele erklären?<br />

Kahdemann: Ich unterscheide den langfristigen und den<br />

kurzfristigen Horizont. Für Ersteren verwende ich Wochencharts,<br />

um einen Gesamtüberblick zu bekommen und die<br />

übergeordnete Marktrichtung zu erkennen. Auf dieser<br />

Zeitebene treffen wir die Entscheidungen zur klassischen<br />

90 Juni 2011 | www.traders-mag.com


<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

Asset Allocation. Für mein Futures Trading setze ich eine<br />

viel kleinere Zeitebene ein, den 15-Minuten-Chart. Daraus<br />

leitet sich ab, dass ich überwiegend intraday handle und es<br />

weitgehend vermeide, Positionen über Nacht oder gar über<br />

mehrere Tage zu halten. Ein Beispiel für einen gestaffelten<br />

Trade vom 11. April 2011 (dem Tag, an dem dieses Interview<br />

durchgeführt wurde; Anmerkung M.G.) sehen Sie in Bild 4.<br />

Als unterstützende Indikatoren setze ich gern die Bollinger-<br />

Bänder sowie den Stochastik ein.<br />

TRADERS´: Können Sie uns auch Ihre Optionsstrategien<br />

etwas genauer vorstellen?<br />

Kahdemann: Ja, gern. Mein Options-Trading sieht ganz<br />

anders aus als mein Futures Trading. Mit Optionen möchte<br />

ich gern an einer größeren Bewegung partizipieren und<br />

investiere daher in weit aus dem Geld liegende Scheine.<br />

Grundsätzlich gehe ich dafür nur kleine Risiken ein. Am liebsten<br />

verwende ich für Options-Spekulationen einen Teil des<br />

„Geldes des Marktes“, das ich in einem Futures Trade erwirtschaftet<br />

habe. Damit eröffnet sich die Chance, nur einen Teil<br />

des Gewinns wieder zu riskieren, aber ein Vielfaches des Einsatzes<br />

gewinnen zu können. Ein Beispiel, in dem mir das in<br />

diesem Jahr sehr gut gelungen ist, ist meine Long-Position in<br />

Calls auf die Aktie der Deutschen Telekom (Bild 5).<br />

TRADERS´: Viele Ihrer Optionsgeschäfte laufen also ins<br />

Leere und Sie setzen auf wenige große Gewinn-Trades?<br />

Kahdemann: Genau. Das Ganze ist natürlich volatilitätsabhängig.<br />

Ich steige gern bei niedriger Volatilität in meine<br />

Long Call- und Long Put-Optionsgeschäfte ein und wähle<br />

„Harakiri“-Basispreise. Dadurch kosten die Optionen, bezogen<br />

auf eine Aktie, oft nur wenige Cents. Wenn dann eine der<br />

Spekulationen aufgeht, sind hohe Gewinne möglich. Wenn<br />

B5) Long Call auf Deutsche Telekom<br />

die Volatilität sehr hoch ist – und damit die Optionsprämien<br />

besonders saftig – schreibe ich dagegen Optionen. Häufig<br />

handle ich dabei nach der bereits genannten Strategie Covered<br />

Call, bei der ich eine Call-Option schreibe (Short Call), auf<br />

die ich die entsprechenden Aktien im Portfolio halte.<br />

TRADERS´: Ihre Strategien sind also weitgehend diskretionär,<br />

folgen aber einigen grundsätzlich festgelegten<br />

Regeln. Glauben Sie, dass sich das gesamte Börsengeschehen<br />

in eine Formel pressen lässt?<br />

Kahdemann: Ich verstehe die Börse als eine Art Weltenformel,<br />

die eine evolutorische und eine zufällige Komponente<br />

enthält. Dadurch sind die Entwicklungen nie vollständig<br />

prognostizierbar. Durch eine Analyse des massenpsychologischen<br />

Verhaltens lässt sich jedoch antizipieren, was mehr<br />

und was weniger wahrscheinlich passieren wird. Zudem gibt<br />

es Gesetzmäßigkeiten wie das Elliott-Wave-Prinzip, die für<br />

einzelne Marktteilnehmer allerdings nicht oder nur schwer<br />

erkennbar sind. Solche Gesetzmäßigkeiten existieren überall<br />

in der Natur. Das beste Beispiel ist Fibonacci – es findet sich in<br />

den verschiedensten Bereichen unseres Alltags. Da die Menschen<br />

gerade in Extremsituationen immer wieder auf einfache,<br />

also natürliche Verhaltensmuster zurückgreifen, spiegelt<br />

sich das natürliche Fibonacci-Verhältnis letztlich auch an der<br />

Börse wider. Und da sich die Verhaltensmuster wiederholen,<br />

ergeben sich an der Börse immer wieder ähnliche Muster.<br />

TRADERS´: Wieso können Menschen in Extremsituationen<br />

nicht einfach vernünftig handeln?<br />

Kahdemann: Wenn wir uns in einer außergewöhnlichen<br />

– positiven oder negativen – Situation befinden, schüttet<br />

unser Körper Hormone aus, die unser rationales Denken<br />

blockieren. Im Ergebnis schalten wir auf Angriff (Gier) oder<br />

Flucht (Angst) um und unsere Emotionen gewinnen die<br />

Oberhand über das logische Denken. Später bereuen wir<br />

mitunter die Entscheidungen, die wir in einer solchen Situation<br />

unüberlegt getroffen haben.<br />

TRADERS´: Was bedeutet das für die Preisfindung an der<br />

Börse?<br />

Kahdemann: Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die<br />

Emotionen umso höher kochen, je stärker der Trend in die<br />

eine oder die andere Richtung läuft. In Crashs und Booms sind<br />

die Denkblockaden also am höchsten, in Seitwärtsphasen ist<br />

das emotionale Stresslevel entsprechend am niedrigsten. Das<br />

bedeutet, dass in Seitwärtsphasen rational nach dem „richtigen“<br />

Wert gesucht wird. Aus diesem Grund sind dynamische<br />

Ausbrüche aus längeren Seitwärtsphasen auch häufig nachhaltig,<br />

da es rational-fundamental gerechtfertigt ist.<br />

Bei der Deutschen Telekom habe ich einen echten Glücksgriff gelandet. Ich habe bei niedriger Volatilität<br />

stufenweise aus dem Geld liegende Call-Optionen mit einem Basispreis von zehn Euro gekauft (grüne Pfeile).<br />

Mein Einstiegskurs am 21.12.2010 lag bei 0,29 Euro und mein Zukauf am 19.01.2011 erfolgte zu 0,21 Euro. Diese<br />

Optionen stiegen dann bei dem Kurssprung der Telekom massiv im Wert und ich konnte meine Position am<br />

04.04.2011 mit hohen Gewinnen zu 1,00 Euro glattstellen (roter Pfeil).<br />

Quelle: www.tradesignalonline.com<br />

TRADERS´: Wenn es also keine berechenbare Börsenformel<br />

gibt, sondern nur eine ungenaue Beschreibung mit<br />

evolutorischer und zufälliger Komponente, dann ist die<br />

Suche nach dem „Heiligen Gral“ des Tradings von Vornherein<br />

sinnlos?<br />

Kahdemann: Ganz genau, und so muss es auch sein, sonst<br />

gäbe es keine Unsicherheit und damit auch keine Überrenditen<br />

durch Trading. Das eine bedingt das andere. Dennoch<br />

92 Juni 2011 | www.traders-mag.com


<strong>TRADERS´PEOPLE</strong><br />

sucht jeder die „perfekte Handelsstrategie“. Die Börse lebt<br />

praktisch davon, dass es Leute gibt, die an den Heiligen Gral<br />

glauben. Ich kann dazu eine schöne Geschichte erzählen. Als<br />

ich damals ganz am Anfang meiner Karriere stand und in einer<br />

kleinen Niederlassung der Bank gearbeitet habe, dachte ich<br />

immer, dass die Leute in der Frankfurter Zentrale allen überlegen<br />

wären und wüssten, „wie die Börse wirklich funktioniert“.<br />

Als ich dann in der Zentrale arbeitete, merkte ich schnell, dass<br />

dem nicht so war. Es herrschte die gleiche Unsicherheit wie<br />

in der Niederlassung. Da dachte ich, dass es zumindest die<br />

Trader in den Handelsabteilungen, zum Beispiel in Zürich,<br />

wissen müssen. Als ich dann dort im Eigenhandel arbeitete,<br />

war wieder keine Spur von Allwissenheit. „Aber die ganz großen<br />

Trader in den USA müssen wissen, wie es funktioniert“,<br />

dachte ich. Doch auch hier wurde ich enttäuscht, als ich in<br />

Chicago arbeitete und nach dem Heiligen Gral suchte. Mit<br />

abschließender Sicherheit weiß niemand, wie man ununterbrochen<br />

Gewinne erzielt. Als Trader müssen Sie sich das eingestehen<br />

und lernen, mit der unausweichlichen Unsicherheit<br />

zurecht zu kommen.<br />

B6) Long Call auf SAP<br />

Bei SAP habe ich auf weit aus dem Geld liegende Call-Optionen gesetzt. Am 28.10.2010 habe ich Calls mit einem<br />

Basispreis von 44 Euro zu 0,40 Euro gekauft und diese am 28.01.2011 zu 1,00 Euro verkauft.<br />

Quelle: www.tradesignalonline.com<br />

TRADERS´: Welche Eigenschaften sollten Trader mitbringen,<br />

die sich auf die Herausforderung Trading einlassen<br />

und dauerhaft dabei bleiben möchten?<br />

Kahdemann: Um ehrlich zu sein – ich glaube, dass das Trading-Geschäft<br />

nichts für den durchschnittlichen Privatanleger<br />

ist. Langfristig verlieren fast alle ihr Geld oder geben enttäuscht<br />

auf. All denjenigen, die sich trotzdem der Herausforderung<br />

stellen, kann ich ein paar klassische Ratschläge geben:<br />

1) Das Risiko Management kommt immer an erster Stelle.<br />

2) Traden Sie nur mit Geld, auf das Sie im Notfall verzichten<br />

könnten.<br />

3) Handeln Sie nicht aus dem Bauch heraus, sondern nach<br />

klaren Regeln.<br />

4) Wenn Sie tatsächlich etwas finden, das gut funktioniert,<br />

dann ziehen Sie es auch durch.<br />

5) Denken Sie immer daran: Ihre Konkurrenz sind Profis, die<br />

immer präsent sind.<br />

TRADERS´: Es gibt im Trading typische Fehler, die immer<br />

wieder gemacht werden. Worauf sollte man Ihrer Einschätzung<br />

nach besonders achten?<br />

Kahdemann: Man muss den Markt immer atmen lassen.<br />

Viele Trader setzen ihre Stopps so eng, dass die Position zu<br />

stark eingeengt wird und eine kleine Zufallsbewegung ausreicht,<br />

um die Position auszustoppen. Das ist taktisch unklug.<br />

Stellen Sie sich das Gegenteil vor: Wenn Ihr Gewinnziel ganz<br />

nah am aktuellen Kurs liegt, rechnen Sie doch damit, dass<br />

es häufig erreicht wird. Mit diesem Fehler verbunden ist,<br />

dass Stopps nicht der Volatilität angepasst werden. Schauen<br />

Sie sich die kurzfristige Kurshistorie an und richten Sie den<br />

Abstand des Stopps anhand der Bewegungsspanne aus. So<br />

können Sie häufig ein ungewolltes Ausstoppen vermeiden.<br />

Ein anderer Fehler ist es, ständig nur auf die hypothetischen<br />

Trades zu schauen, bei denen man Gewinne erzielt<br />

hätte, aber zuvor ausgestoppt wurde. An entgangenen<br />

Gewinnen ist noch keiner gestorben. Der erste Verlust ist<br />

immer der kleinste und da das Risiko-Management immer<br />

an erster Stelle kommt, ist es unerheblich, ob die Position<br />

später dreht oder nicht.<br />

TRADERS´: Welche Vor- und Nachteile hat man als institutioneller<br />

Marktteilnehmer und wo sehen Sie die Vorteile<br />

privater Trader?<br />

Kahdemann: Als professioneller Marktteilnehmer hat man<br />

eine professionelle Infrastruktur, die aber letztlich wiederum<br />

aus dem Trading finanziert werden muss. Zudem haben<br />

Profis eine direkte Betreuung durch die Handelsabteilung<br />

ihres Brokers – immer wenn eine Order ausgeführt wurde,<br />

bekomme ich einen Anruf mit kurzer Bestätigung des Trades.<br />

Ansonsten sind die Privat-Trader heute weitgehend<br />

gleichauf mit den Profis, was die Informationsverfügbarkeit<br />

und die Handelskosten angeht. Der Vorteil – aber auch die<br />

Gefahr – für private Trader liegt in der großen Entscheidungsfreiheit<br />

und der Möglichkeit, schnell zwischen Positionen<br />

hin- und her zu wechseln, ohne damit selbst den Kurs zu<br />

beeinflussen.<br />

TRADERS´: Glauben Sie, dass man erfolgreiches Trading<br />

erlernen kann?<br />

Kahdemann: Ja, das glaube ich. Aber es ist natürlich nicht<br />

leicht. Wenn man sich auf ein professionelles Niveau vorgearbeitet<br />

hat, ist es auch wichtig, nicht alles übermäßig optimieren<br />

zu wollen. Die KISS-Regel (Keep It Simple, Stupid!)<br />

hat sich als Leitlinie für Profis bewährt.<br />

TRADERS´: Im Anschluss an die fachliche Diskussion<br />

würde uns noch interessieren, wie Sie sich in Ihrer Freizeit<br />

einen Ausgleich zum Trading schaffen – wie bekommen<br />

Sie den Kopf frei?<br />

Kahdemann: Man muss wissen, dass Börse und Geld nicht<br />

alles im Leben sind. Ich habe drei Kinder und gehe gern auf<br />

Reisen. Außerdem habe ich ein Motorrad und mache damit<br />

ganz gern mal einen Ausflug. •<br />

Juni 2011 | www.traders-mag.com<br />

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