Januar 2000 - Evangelische Kirchengemeinde Umkirch
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Auf ins 20. Jahrhundert!<br />
Impressionen von der Silvesternacht in Berlin und Frankfurt am Main vor 100 Jahren<br />
Um 12 Uhr nachts begrüßen die Salutschüsse der<br />
Feldbatterien im Berliner Lustgarten das 20. Jahrhundert.<br />
In den Hauptstädten der deutschen Länder,<br />
in Österreich und der Schweiz, in ganz Europa und<br />
der westlichen Welt wird der Beginn des neuen<br />
Jahrhunderts gefeiert - obwohl man oft die Frage<br />
hört: Ist das Jahr 1900 nicht das letzte Jahr des letzten<br />
Jahrhunderts? Beginnt das 20. Jahrhundert<br />
nicht erst 1901?<br />
Doch darüber wollen sich die Menschen in dieser<br />
Stunde nicht den Kopf zerbrechen. Die Arbeit ruht,<br />
überall finden Feste statt. Die Zahl der auf Litfasssäulen<br />
angekündigten Silvesterveranstaltungen<br />
übersteigt alles bisher Dagewesene. Die Feiern in<br />
der Reichshauptstadt werden allerdings durch trübes,<br />
regnerisches Wetter beeinträchtigt. Das Treiben<br />
und der Lärm auf den Straßen sind daher nicht<br />
so groß wie in den Vorjahren. In den Vorstädten<br />
sind es hauptsächlich Jugendliche und Kinder, die<br />
sich gegen Mitternacht scharenweise auf den Straßen<br />
einfinden und etwa eine Viertelstunde lang ihr<br />
„Prosit Neujahr“ schreien. Das Glockenläuten von<br />
den Türmen ist nur hier und da zu vernehmen; böse<br />
Zungen behaupten, die Kanonen im Lustgarten<br />
seien mit knallschwachem Pulver geladen. Auf den<br />
Brücken beobachten Menschengruppen den Eisgang<br />
auf der Spree, eine für Berliner Winter seltene<br />
Erscheinung.<br />
Die gesamte Polizei ist in Dienst gestellt, um Ausschreitungen<br />
vorzubeugen. Die Reviere in der Stadt<br />
sind durch dreifache Besatzung verstärkt. In der<br />
Friedrichstraße<br />
und Unter den<br />
Linden werden<br />
fliegende Wachen<br />
eingesetzt. Die<br />
Straßensperren<br />
sind angesichts<br />
der erwarteten<br />
Menschenmenge<br />
im Vergleich zum<br />
Vorjahr ausgedehnt<br />
worden.<br />
Die größeren Restaurants<br />
sind vielfach<br />
schon vor<br />
Mitternacht ge-<br />
schlossen worden.<br />
Bilanz der Polizei:<br />
133 Festnahmen<br />
wegen Skandalmachens,<br />
groben Unfugs<br />
und Trunkenheit.<br />
Ähnlich wie in Berlin<br />
sieht es in anderen<br />
Großstädten<br />
aus. Während der<br />
Adel und das Großbürgertumrauschende<br />
Feste feiern,<br />
gehen viele<br />
Arbeiter, Handwerker<br />
und Kleinbürger um Mitternacht auf die Straße.<br />
Für den Adligen und den gehobenen Bürger ist die<br />
Straße, der „Tanzsaal der armen Leute“, an Silvester<br />
etwas Unheimliches: In dieser Nacht, so lautet<br />
das Klischee, werden auf der Straße alle menschlichen<br />
Leidenschaften entfesselt. “Aus den verborgensten<br />
Winkeln kam das lichtscheue Gesindel zu<br />
einem Stelldichein zusammen,<br />
und zwar auf der<br />
Hauptverkehrsstraße“,<br />
heißt es in dem Bericht<br />
aus Frankfurt am Main.<br />
„Kein anständiger Mensch<br />
konnte an Neujahr um die<br />
Mitternachtsstunde die<br />
Zeil passieren, wenn er<br />
nicht gewärtig sein wollte,<br />
in alle möglichen Kollisionen<br />
und in Lebensgefahr<br />
zu kommen. Die Polizei<br />
erwies sich oft als machtlos,<br />
und mehr wie einmal<br />
war das Militär bereit einzugreifen.“<br />
Doch auch auf der Zeil kommt es am ersten Silvester<br />
des neuen Jahrhunderts nicht zu den gefürchteten<br />
Neujahrskrawallen. „In diesem Jahr erlies der<br />
Polizeipräsident in den Tagesblättern eine Warnung<br />
wegen Ausschreitungen in der Neujahrsnacht<br />
und machte gleichzeitig auf die Strafe aufmerksam,<br />
die aus diesem Anlass im Vorjahr verhängt wurde.<br />
Die Warnung tat ihre Wirkung. So viel man von<br />
4 Dezember 1999 - <strong>Januar</strong> <strong>2000</strong>