pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg
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Konstitutiv für diese Arbeit sind die Annahmen des Radikalen Konstruktivismus.<br />
Die Grundlagen dieses Ansatzes werden daher im Folgenden skizziert (Punkt 1.1.1) und in<br />
ihrer Bedeutung für die Konstruktion sozialer Kategorien dargestellt (Punkt 1.1.2).<br />
1.1.1 Grundlagen des Radikalen Konstruktivismus<br />
Die Bezeichnung Radikaler Konstruktivismus geht auf Ernst von Glasersfeld zurück<br />
und bezieht sich vor allem auf das zugrundeliegende Verständnis von Wirklichkeit: 21 Ausgehend<br />
von den Postulaten, daß lebende Organismen zum einen autonome, geschlossene<br />
Systeme sind und zum anderen selbst Teil der Welt, die sie beobachten, 22 ist für diesen Diskurs<br />
die Überzeugung kennzeichnend, daß es eine Wirklichkeit ‚an sich‘, das heißt unabhängig<br />
von der Beobachterin bzw. dem Beobachter, nicht geben kann. Aus radikalkonstruktivistischer<br />
Sicht gibt es Wirklichkeit vielmehr nur in Verbindung mit Erfahrungen und<br />
nicht als eigenständigen Komplex, den es lediglich in unterschiedlicher Weise und Intensität<br />
zu verstehen oder zu beschreiben gilt. Jede mögliche Aussage über ‚die Wirklichkeit‘<br />
wird auf das je subjektive Erleben zurückgeführt. Mithin ist es nicht möglich, unsere Umgebung<br />
so zu sehen, ‚wie sie ist‘, auch nicht annähernd, selektiv oder in unterschiedlicher<br />
Herangehensweise. 23 Handlungen oder Denkstrukturen können Wirklichkeit als solche daher<br />
nicht abbilden; denn Wahrnehmung ist immer schon interpretativ, sie vollzieht sich stets<br />
in Verbindung mit bestimmten Deutungen, die durch eigene Erfahrungen, aber auch durch<br />
die Erfahrungen der sozialen Gruppen, in denen wir leben, entstanden sind. In diesem Sinne<br />
ist auch jedes menschliches ‚Wissen‘ konstruiert. Verständnismöglichkeiten von ‚Wirklich-<br />
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Siehe beispielsweise Assmann, Jan: Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur,<br />
Wien 1998, insbes. 17-23.<br />
Siehe beispielsweise Müssen, Peter: Ethik als handlungsleitende Sinnwissenschaft und der Diskurs<br />
des Radikalen Konstruktivismus, in: Franz Furger (Hrsg.): Ethische Theorie praktisch. Der fundamental-moraltheologische<br />
Ansatz in sozialethischer Entfaltung (ICS-Schriften; Bd. 23), Münster<br />
1991, 36-65; Osberger, Stefan: Christliche Moral im wissenschaftlichen Diskurs des Konstruktivismus.<br />
Skizzen, Entwürfe, Grundlinien einer konstruktivistischen Ethik, unveröffentlichte Diplomarbeit,<br />
<strong>Bamberg</strong> 1995; Rusch, Gebhard; Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Konstruktivismus und<br />
Ethik (Delfin 1995), Frankfurt am Main 1995.<br />
Siehe beispielsweise Gildemeister, Regine; Wetterer, Angelika: Wie Geschlechter gemacht werden.<br />
Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung,<br />
in: Gudrun-Axeli Knapp; Angelika Wetterer (Hrsg.): Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer<br />
Theorie, Freiburg i. Br. 1995, 201-254; Hagemann-White, Carol: Wir werden nicht zweigeschlechtlich<br />
geboren…, in: dies.; Maria S. Rerrich (Hrsg.): FrauenMännerBilder. Männer und<br />
Männlichkeit in der feministischen Diskussion, Bielefeld 1988, 224-235; Lorber, Judith: Gender-<br />
Paradoxien (Geschlecht und Gesellschaft; Bd. 15), Opladen 1999; Sgier, Irena: Aus eins mach zehn<br />
und zwei lass gehn. Zweigeschlechtlichkeit als kulturelle Konstruktion, Bern; Zürich; Dortmund<br />
1994. Zur konstruktivistischen Geschlechterforschung siehe auch Punkt 1.1.2.<br />
Siehe beispielsweise Dittrich, Eckhard J.; Radtke, Frank-Olaf: Ethnizität – Wissenschaft und Minderheiten,<br />
Opladen 1990; Gümen, Sedef: Die sozialpolitische Konstruktion ‚kultureller’ Differenzen<br />
in der bundesdeutschen Frauen- und Migrationsforschung, in: beiträge zur feministischen theorie<br />
und praxis 19 (1996) 42, 77–89. Zur konstruktivistischen Migrationsforschung siehe auch<br />
Punkt 1.1.2.<br />
Siehe Glasersfeld, Ernst von: Einführung in den radikalen Konstruktivismus, in: Paul Watzlawick<br />
(Hrsg.): Die erfundene Wirklichkeit, 16-38, hier 23.<br />
Die Bezeichnungen Radikaler Konstruktivismus und Konstruktivismus werden häufig synonym<br />
verwendet (vgl. Siegfried J. Schmidt: Der Radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären<br />
Diskurs, in: ders. [Hrsg.]: Diskurs, 11-88, hier 76, Anm. 1).<br />
Siehe Foerster, Heinz von: Entdecken oder Erfinden, 42f.<br />
Siehe Watzlawick, Paul: Wirklichkeitsanpassung, 93f.