20 Jahre Technische Hochschule Ingolstadt
Festschrift zum 20-jährigen Bestehen der Technischen Hochschule Ingolstadt
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Sparte Lehre<br />
Wie vermittelt man Studenten praxisnahes Wissen? Prof. Dr. Andreas<br />
Frey berichtet, wie er und Prof. Dr. Konrad Költzsch mit <strong>20</strong> Studenten<br />
einen Stratosphärenballon konstruierten und steigen ließen.<br />
P<br />
raxisnahe Lehre wird an der <strong>Technische</strong>n <strong>Hochschule</strong> <strong>Ingolstadt</strong><br />
groß geschrieben. Deshalb sind studentische Projekte aus den<br />
Studiengängen der Fakultät Elektrotechnik und Informatik nicht mehr<br />
wegzudenken. Das Besondere: Die Studierenden haben die Möglichkeit,<br />
ein Praxisprojekt von der ersten Konzeption über die Umsetzung bis hin zum<br />
Abschluss selbst durchzuführen. Zum einen sind ihre technischen Fähigkeiten<br />
gefordert, zum anderen trainieren sie klassisches Projektmanagement:<br />
Sie planen Meilensteine, teilen Teams ein und organisieren Arbeitspakete.<br />
Jedes Projekt hat einen direkten Bezug zu den Studieninhalten der Studenten.<br />
Es wird von Professoren begleitet und abschließend benotet.<br />
Ein besonderes Projekt ist für uns das Projekt „Stratosphärenballon“,<br />
weil es in Kooperation mit der Fakultät Maschinenbau angeboten wurde.<br />
Wir betreuenden Professoren der beiden Fakultäten stellten den Studierenden<br />
die Aufgabe, einen Ballon in die Stratosphäre aufsteigen zu lassen,<br />
während des Auf- und Abstiegs Messdaten aufzunehmen und schließlich<br />
auch Kamerabilder zu machen. Das Projektteam der Fakultät Maschinenbau<br />
war für die Berechnung und den Bau des Ballons verantwortlich, während<br />
das Projektteam der Fakultät Elektrotechnik und Informatik die Sonde mit<br />
den Mess-Sensoren und die Kameras mit der Bildaufzeichnungen entwerfen<br />
und bauen sollte.<br />
Eine erste Analyse zeigte den Studierenden schnell, dass für die Sonde<br />
hohe technische Ansprüche zu erfüllen waren. Die Sonde durfte wegen der<br />
maximalen Tragkraft des Ballons nicht mehr als zwei Kilogramm wiegen.<br />
Doch damit nicht genug. Die Sonde musste angemessen isoliert werden,<br />
da beim Aufstieg auf <strong>20</strong> bis 30 Kilometer Höhe die Temperaturen auf bis zu<br />
minus 60 Grad sinken. Die Akkus und die empfindliche Elektronik durften<br />
also weder zu kalt noch zu heiß werden.<br />
Die ursprüngliche Idee, eine durchgehende Videoaufzeichnung vom<br />
Start bis zur Landung der Sonde zu machen, mussten die Studierenden<br />
nach Berechnung der erforderlichen Speichergröße verwerfen. Um aber die<br />
Reise des Ballons vom Start bis zur Landung trotzdem dokumentieren zu<br />
können, beschlossen sie, Einzelbilder im Zwei-Sekunden-Takt zu machen.<br />
Die Idee, ein 360°-Panoramabild zu erstellen, erwies sich dann während<br />
der Umsetzung ebenfalls als aufwändiger, als ursprünglich angenommen.<br />
Um den Horizont komplett abzudecken, mussten sie es schaffen, sechs<br />
Kameras synchron auszulösen und die Bilder mit einem Zeitstempel zu versehen.<br />
Nur so würden sie die einzelnen Bilder später zu einem Gesamtbild<br />
zusammensetzen können.<br />
Um die erforderlichen Komponenten für den Ballon zu beschaffen,<br />
gingen die Studierenden auf Sponsorensuche und waren auch bald<br />
erfolgreich. Nun konnte es richtig losgehen. Um ihre Konzepte und die<br />
gemachten Annahmen zu überprüfen, führten die Studierenden während der<br />
Entwicklung Tests mit Prototypen durch. Besonders wichtig waren die Tests<br />
in der Klimakammer, bei denen die Innentemperatur der Sonde während<br />
eines simulierten Aufstiegs geprüft werden konnte. Nachdem erste Tests mit<br />
einer Prototypensonde erfolgreich verliefen, konnte die eigentliche Sonde<br />
gebaut werden.<br />
Als Ballon und Sonde fertiggestellt waren, musste die Konstruktion nur<br />
noch losfliegen. An einem sonnigen Morgen kam das gesamte Team am Ettinger<br />
Segelflugplatz zusammen. Begleitet wurden sie unter anderem auch<br />
von lokalen Medienvertretern. So konnten die Studierenden Erfahrungen im<br />
Umgang mit der Presse machen.<br />
Der Ballonstart verlief reibungsfrei. Schon bald schwebte die Sonde in<br />
luftiger Höhe und war kurze Zeit später mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar.<br />
Bis in <strong>20</strong> Kilometer Höhe schaffte es der Ballon allerdings nicht, wohl<br />
wegen Löchern in der empfindlichen Außenhülle der selbst geschweißten<br />
Ballonhülle, die vermutlich der starke Wind zum Start des Ballons verursachte.<br />
Die aufgezeichneten Bilder zeigen damit einen Flug über Oberbayern<br />
in maximal 1000 Metern Höhe.<br />
Da die Sonde von einem Landwirt bei Kasing unversehrt geborgen wurde,<br />
konnten die Studenten einen zweiten Start unternehmen. Diesmal ließen<br />
sie einen handelsüblichen Stratosphärenballon steigen, der tatsächlich auf<br />
über <strong>20</strong> Kilometer Höhe stieg und dort, wie geplant, platzte. Die Sonde,<br />
die an einem Fallschirm befestigt war, landete wohlbehalten auf einem<br />
Feld bei Abensberg. Die tiefste gemessene Temperatur lag bei -34°C, bei<br />
einem Luftdruck von 50hPa. Bilder wurden diesmal nicht aufgezeichnet. Der<br />
komplexe Aufbau und die Synchronisierung der Kamerabilder wurden hier<br />
zum Verhängnis. Aber auch diese Erfahrung ist Teil des Projektes. Messdaten<br />
jedoch lieferte die Sonde jede Menge. Ein dritter Start mit nochmals<br />
modifizierter Software brachte schließlich die ersehnten Bilder aus der<br />
Stratosphäre.<br />
Das Projekt war für die Studierenden am Ende ein Erfolg. Sie konnten<br />
interessante Aufgaben umsetzen und sammelten dabei wertvolle Erfahrungen<br />
für ihren künftigen Beruf.<br />
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