Willkommen in Genf! - UITP
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Nr. 1 2013<br />
<strong>Willkommen</strong> <strong>in</strong> <strong>Genf</strong>!<br />
60. <strong>UITP</strong>-Weltkongress und<br />
Ausstellung Mobility & City Transport<br />
Dépôt à 1080 Bruxelles - Preis pro Exemplar: 15 EUR (+ PP)<br />
Photo: © photos Pierre Albouy
Inhalt<br />
Reihe 62 - Nr. 1 2013<br />
<strong>Genf</strong> und die Schweiz<br />
Photo: © photos Pierre Albouy<br />
Transformation, Innovation, Kommunikation<br />
Interview mit A. Flausch von C. Furzer<br />
Der öffentliche Verkehr der Schweiz ist e<strong>in</strong>e Erfolgsstory<br />
U. Hanselmann, U. Stückelberger und M. Bütler<br />
unireso: e<strong>in</strong> grenzübergreifender <strong>in</strong>tegrierter Tarifverbund<br />
C. Stucki, R. Burri und X. Mugnier<br />
Mobilités 2030, die multimodale Kantonsstrategie<br />
Für e<strong>in</strong>e ganzheitliche und <strong>in</strong>tegrierte Mobilitätspolitik <strong>in</strong> <strong>Genf</strong><br />
B. Hochstrasser<br />
<strong>Genf</strong> und die Schweiz, Modelle unter Druck<br />
E<strong>in</strong>e Herausforderung für die tpg<br />
R. Bonzon<br />
E<strong>in</strong> pfiffiges und unkonventionelles Market<strong>in</strong>gkonzept: der Fuchs auf dem Mond<br />
P. Anhorn<br />
TOSA: Weltpremiere am <strong>UITP</strong>-Weltkongress<br />
Nachhaltige Mobilität und <strong>in</strong>telligentes Energiemanagement<br />
P. Anhorn<br />
<strong>Genf</strong> ist die Dest<strong>in</strong>ation 2013!<br />
Verantwortlicher Herausgeber:<br />
Ala<strong>in</strong> Flausch, Brüssel, Belgien<br />
Chefredakteur<strong>in</strong>:<br />
Sylvie Cappaert-Blondelle<br />
Redakteur<strong>in</strong>:<br />
Cather<strong>in</strong>e Furzer<br />
Redaktionssekretär<strong>in</strong>:<br />
Émilie Dubos<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Émilie Condé<br />
Redaktion:<br />
Tel.: + 32 2 673 61 00<br />
Fax: + 32 2 660 10 72<br />
editor@uitp.org<br />
www.uitp.org/pti<br />
Werbung und Abonnement:<br />
Doriano Angotzi<br />
Tel.: + 32 2 663 66 46<br />
publications@uitp.org<br />
doriano.angotzi@uitp.org<br />
Prüfergruppe:<br />
E. Cornelis (Belgien), H-G. Frantz<br />
(Österreich), C. Hass-Klau (Deutschland),<br />
B. Holmberg (Schweden),<br />
E. Klijnen (Belgien), A. Lopez Pita<br />
(Spanien), J. Nelson (Großbritannien),<br />
J. Proper (Niederlande), J. Schoenhart<strong>in</strong>g<br />
(Deutschland), N. Tyler (Großbritannien),<br />
Y. Tyr<strong>in</strong>opoulos (Griechenland),<br />
D. Van de Velde (Niederlande)<br />
Druck:<br />
Board<strong>in</strong>g Concept, Belgium<br />
© Copyright Union Internationale des<br />
Transports publics<br />
Die <strong>in</strong> dieser Zeitschrift veröffentlichten<br />
Artikel drücken die persönliche<br />
Ansicht ihrer Verfasser aus, ohne<br />
hierdurch die Redaktion oder den<br />
Internationalen Verband für öffentliches<br />
Verkehrswesen zu verpflichten.<br />
Der Nachdruck der Artikel dieser<br />
Zeitschrift ist nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung des Generalsekretärs<br />
des Verbandes gestattet.<br />
PTI wird auf Englisch, Französisch,<br />
Deutsch, Spanisch, Russisch und<br />
Italienisch veröffentlicht.<br />
ISSN-1016-796X<br />
Ersche<strong>in</strong>t zweimonatlich<br />
Verantwortlicher Herausgeber:<br />
Ala<strong>in</strong> Flausch,<br />
rue Sa<strong>in</strong>te Marie 6<br />
B-1080 Brüssel<br />
Jahresabonnement: 74 Euro*<br />
Preis je Exemplar: 15 Euro*<br />
*+ Bearbeitungskosten<br />
2 PTI 1/2013
Inhalt<br />
Beobachtungsstelle für Beschäftigung<br />
Die <strong>UITP</strong>-Beobachtungsstelle für Beschäftigung:<br />
die Gegenwart beobachten, um die Zukunft zu antizipieren!<br />
C. Sadoux<br />
Wasserverkehr<br />
CO2-armer & umweltverträglicher Schiffsverkehr workshop<br />
L. Jacobs und A. Mordret<br />
Montreal gestaltet se<strong>in</strong>e Zukunft<br />
durch nachhaltige Mobilität<br />
Die ÖPNV-Vision 2020 im Großraum Montreal:<br />
Wie sieht die Umsetzungsstrategie aus?<br />
M. Veilleux<br />
Die STM beschleunigt ihre Elektrifizierungsstrategie<br />
F. Chamberland<br />
Intermodalität<br />
Intermodalität <strong>in</strong> Wien und<br />
im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR)<br />
T. Bohrn<br />
Grow with Public Transport<br />
International Awards<br />
Die „Stärker mit dem ÖPNV“-Awards sollen die Bemühungen<br />
jener Mobilitätsakteure anerkennen, die <strong>in</strong>novative<br />
Maßnahmen setzen, um die ÖPNV-Dienste zu<br />
verbessern und die ÖPNV-Nutzung anzukurbeln.<br />
Die Auszeichnungen werden am Weltkongress <strong>in</strong> <strong>Genf</strong><br />
2013 vergeben. Die Innovationen der Preisträger betreffen<br />
mehrere Schlüsselbereichen des ÖPNV: Geschäftsmodelle<br />
und F<strong>in</strong>anzierung, Kundenservice, <strong>in</strong>tegrierte<br />
Mobilität, Informationstechnologie und Design. Politische<br />
Entscheidungsträger, die sich besonders für das<br />
ÖPNV-Wachstum e<strong>in</strong>gesetzt haben, erhalten e<strong>in</strong>en „Special<br />
Award“.<br />
Sicherheit<br />
Fairplayer.manual, e<strong>in</strong> schulisches<br />
Präventionsprogramm<br />
C. Büttner<br />
Nachhaltige Entwicklung<br />
COP-Mobilität: Mit dem ÖPNV<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e CO2-arme Zukunft<br />
P. Turner<br />
Es war e<strong>in</strong>mal...<br />
Die Schweiz zum Fünften<br />
T. Maréchal<br />
Neue Mitglieder - <strong>Willkommen</strong><br />
C2: Alcoa<br />
C3: Jo<strong>in</strong>tech Vehicle<br />
System<br />
C.4: Trapeze<br />
S.7: Stadler<br />
Werbung<br />
S.23: ABB<br />
S.29: tpg<br />
S.31: Temsa<br />
S.43: Helmut Berends<br />
S. 44: Alba Fachverlag<br />
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von Public Transport International sehen?<br />
Nächste Deadl<strong>in</strong>e: 5. April 2013<br />
Kontakt: doriano.angotzi@uitp.org<br />
PTI 1/2013<br />
3
Der öffentliche Verkehr der Schweiz<br />
ist e<strong>in</strong>e Erfolgsstory<br />
Photo: © John & Melanie (Ill<strong>in</strong>gworth) Kotsopoulos<br />
Was macht den Schweizer öffentlichen Verkehr weltweit so e<strong>in</strong>zigartig und so erfolgreich? Es ist e<strong>in</strong><br />
Zusammenspielen verschiedener Punkte, angefangen bei der fast bed<strong>in</strong>gungslosen Zustimmung des Schweizer<br />
Volkes zum ÖPNV bis h<strong>in</strong> zur enormen Leistungsfähigkeit der Transportunternehmen, zusammen-gehalten<br />
vom komfortabelsten Ticketsystem, „Direkter Verkehr“ genannt.<br />
Der öffentliche Verkehr (öV) <strong>in</strong> der<br />
Schweiz ist e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />
Erfolgsgeschichte, deren<br />
Ende nicht abzusehen ist. Die Gründe<br />
dafür s<strong>in</strong>d vielfältig: E<strong>in</strong>erseits zeichnet<br />
sich der öV durch e<strong>in</strong>e flächendeckende<br />
Versorgung auch <strong>in</strong> die entlegensten<br />
Täler und Regionen aus. Gleichzeitig<br />
gewähren durchgehende Fahrkarten<br />
und kundenorientierte Angebote, wie<br />
das General- und Halbtaxabonnement<br />
(damit gibt es alle normalen Fahrkarten<br />
zum halben Preis) hohen Komfort. Denn<br />
das öV-System der Schweiz ist offen:<br />
E<strong>in</strong>e Fahrkarte von A nach B ist unabhängig<br />
von Zugtyp und Tageszeit auf<br />
allen Zügen gültig.<br />
Andererseits schafft der vernetzte<br />
Taktfahrplan e<strong>in</strong>e durchgehende<br />
Transportkette über alle Verkehrsmittel<br />
(Bahn, Tram, Bus, Schiff, Seilbahn).<br />
Neue Haltestellen, Streckenausbauten<br />
und dichtere Fahrpläne,<br />
auch nachts und an Wochenenden,<br />
s<strong>in</strong>d die Antwort auf die steigende<br />
Mobilitätsnachfrage. Durch den<br />
stetigen Ausbau ist <strong>in</strong> weiten Teilen<br />
der Schweiz e<strong>in</strong> sehr dichtes Netz<br />
mit ebenso dichten, aufe<strong>in</strong>ander<br />
abgestimmten Fahrplänen entstanden,<br />
das es den Bewohnern erlaubt,<br />
praktisch alle Mobilitätsbedürfnisse<br />
damit abzudecken, sei es für Arbeit,<br />
Schule, Freizeit oder E<strong>in</strong>kaufen.<br />
Der öV wurde damit zur immer attraktiveren<br />
Alternative zum Individualverkehr,<br />
so dass auch der Modalsplit<br />
wieder stetig ansteigt. Gleichzeitig<br />
wurde er zu e<strong>in</strong>em wichtigen Erfolgsfaktor<br />
für e<strong>in</strong>e funktionierende<br />
Wirtschaft und sogar e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Standortfaktor für die Schweiz. Der<br />
Anteil des öV am gesamten Personenverkehr<br />
auf Strasse und Schiene ist<br />
seit 2000 von 16,5 % auf 20,7 % im<br />
Jahr 2010 angestiegen. Mit dem Ausbau<br />
des sehr umweltverträglichen öV<br />
gel<strong>in</strong>gt es auch, den Weg <strong>in</strong> Richtung<br />
e<strong>in</strong>es nachhaltigen Verkehrssystems<br />
mit Erfolg weiter zu verfolgen.<br />
Dazu kommt der touristische öffentliche<br />
Verkehr, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vielfalt<br />
e<strong>in</strong>en Trumpf für das Ferienland<br />
Schweiz darstellt, während gleichzeitig<br />
der europaweit höchste<br />
Schienenanteil im alpenquerenden<br />
Transitgüterverkehr den Schutz des<br />
Tourismuszieles „Alpen“ nachhaltig<br />
unterstützt. Bemerkenswert ist dabei,<br />
dass der Anteil des Schienengüterverkehrs<br />
im Transitverkehr <strong>in</strong> der<br />
Schweiz im Vergleich zu den Nachbarn<br />
viel höher ist. 2010 entfielen<br />
<strong>in</strong> Österreich gut 33 %, <strong>in</strong> Frankreich<br />
17 % auf die Schiene. In der Schweiz<br />
waren es h<strong>in</strong>gegen 63 %.<br />
8 PTI 1/2013
Erfolg durch Abonnemente<br />
Neben der Verdichtung und Systematisierung<br />
des Angebots s<strong>in</strong>d aber<br />
auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache und preisgünstige<br />
Nutzung und e<strong>in</strong> hoher Komfort<br />
für das Umsteigen auf den öV<br />
massgebend. Massnahmen wie das<br />
verbilligte Halbtaxabonnement, die<br />
Umwelt-Abos der Verbunde und die<br />
Erneuerungen von Infrastruktur und<br />
Rollmaterial haben <strong>in</strong> der Schweiz<br />
wesentlich zum Wiederanstieg des<br />
Modalsplits geführt.<br />
Der öV wird nicht nur immer stärker<br />
benützt, die Kund<strong>in</strong>nen und Kunden<br />
nutzen ihn auch für immer längere<br />
Distanzen. Der Grossteil der Personenkilometer<br />
wird mit der Eisenbahn<br />
zurückgelegt, wo auch die stärksten<br />
Zuwachsraten zu verzeichnen s<strong>in</strong>d.<br />
Um diesen Kundenansturm bewältigen<br />
zu können, wird auch das Angebot<br />
ständig ausgebaut: Auf dem<br />
gesamten Netz verkehren mehr und<br />
längere Züge, dazu kommt <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen e<strong>in</strong>e Verdichtung der<br />
Taktfrequenz. Die Zug- und Fahrzeugkilometer<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten zehn<br />
Jahren um 22 % auf total 485 Mio.<br />
Zug- und Kurskilometer angestiegen.<br />
Mit zu diesem öV-Boom beigetragen<br />
haben auch drei schweizweit bekannte<br />
Abonnemente: Über die Hälfte aller<br />
erwachsenen Schweizer<strong>in</strong>nen und<br />
Schweizer besitzt e<strong>in</strong> Generalabonnement,<br />
das zur freien Fahrt auf dem ganzen<br />
öV-Netz berechtigt, e<strong>in</strong> Halbtaxoder<br />
e<strong>in</strong> Verbundabonnement. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d diese Abonnemente nicht nur bei<br />
e<strong>in</strong>zelnen Transportunternehmen, sondern<br />
auf dem gesamten öV-Netz der<br />
Schweiz, beziehungsweise auf dem<br />
Netz des jeweiligen Verbundes gültig.<br />
Die Schweiz verfügt damit über<br />
e<strong>in</strong>e der weltweit höchsten Marktdurchdr<strong>in</strong>gungen<br />
mit Abonnementen<br />
für den öffentlichen Verkehr.<br />
Ende 2011 waren über 2,3 Mio.<br />
Halbtax-, 1,1 Mio. Verbund- und 430 000<br />
Generalabonnemente im Umlauf.<br />
E<strong>in</strong>zigartig <strong>in</strong> Europa<br />
Die öV-Reisenden profitieren dabei<br />
von e<strong>in</strong>er Regelung, die europaweit<br />
e<strong>in</strong>zigartig ist und die „Direkter Verkehr“<br />
heißt. Geme<strong>in</strong>t ist damit: Egal,<br />
wie viele verschiedene Transportunternehmen<br />
auf e<strong>in</strong>er Reise benutzt<br />
werden, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Fahrkarte genügt.<br />
Der Direkte Verkehr hat populäre<br />
Fahrausweise wie die erwähnten<br />
General- oder Halbtaxabo geschaffen,<br />
die außer wenigen touristischen<br />
L<strong>in</strong>ien praktisch das gesamte Schweizer<br />
öV-Netz abdecken. Auch die Tarife<br />
für E<strong>in</strong>zelfahrkarten s<strong>in</strong>d durchgehend<br />
über mehrere Transportunternehmen<br />
gültig. Zusammen mit den<br />
aufe<strong>in</strong>ander abgestimmten Taktfahrplänen<br />
ergibt das e<strong>in</strong>en maximalen<br />
Reisekomfort.<br />
Die Kehrseite des öV-Booms<br />
Die Erfolgsstory „öV Schweiz“ mit<br />
ihren enormen Zuwachsraten haben<br />
aber auch Folgen für das Schienennetz:<br />
Pro Kilometer des knapp 3 000 km<br />
umfassenden SBB-Netzes fahren jeden<br />
Tag durchschnittlich 121 Personenzüge.<br />
Bei e<strong>in</strong>er Betriebsdauer von<br />
morgens 5 bis morgens 1 Uhr heißt<br />
das: Alle zehn M<strong>in</strong>uten e<strong>in</strong> Personenzug.<br />
Nur <strong>in</strong> den Niederlanden ist die<br />
Personenzugsdichte noch ger<strong>in</strong>gfügig<br />
höher.<br />
Die hohe Zugdichte br<strong>in</strong>gt jedoch<br />
auch immer grössere Herausforderungen<br />
mit sich. Weil Güterzüge verstärkt<br />
nachts verkehren, gibt es kaum<br />
mehr zeitliche Lücken für Infrastrukturunterhalt<br />
und Erneuerung. Auf<br />
e<strong>in</strong>em Netz, das täglich von fast 150<br />
Kurzporträt des VöV<br />
Die Branche, die diese Erfolgsstory<br />
jeden Tag operativ durchführt,<br />
hat sich im „Verband öffentlicher<br />
Verkehr“ (VöV) zusammengeschlossen.<br />
Der VöV vertritt die<br />
geme<strong>in</strong>samen Anliegen se<strong>in</strong>er<br />
Mitglieder gegenüber Politik, Behörden<br />
und Dritten; <strong>in</strong>formiert<br />
die Öffentlichkeit und Behörden<br />
über die Bedeutung und die Probleme<br />
des öffentlichen Verkehrs,<br />
organisiert die Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Branche, fördert<br />
die berufliche Aus- und Weiterbildung<br />
auf allen Stufen, koord<strong>in</strong>iert<br />
nationale Aufgaben und nimmt<br />
als Dienstleister übergeordnete<br />
Aufgaben der Branche wahr.<br />
Als geschäftsführende Stelle ist der<br />
VöV verantwortlich für den Direkten<br />
Verkehr (beispielsweise E<strong>in</strong>nahmenverteilung,<br />
Tarifmanagement).<br />
Zudem ist der VöV Träger verschiedener<br />
Grund- und Weiterbildungen<br />
<strong>in</strong> der öV-Branche. Der Verband engagiert<br />
sich auch <strong>in</strong> der Normung<br />
und Standardisierung im öV, unter<br />
anderem mit der Herausgabe des<br />
Regelwerks Technik Eisenbahnen.<br />
PTI 1/2013<br />
9
Zügen – darunter 25 schweren Güterzügen<br />
– befahren wird, müssen die<br />
Gleise alle 15 Jahre ausgewechselt<br />
werden.<br />
Das alles hat se<strong>in</strong>en Preis<br />
Das dichte Angebot und das gut ausgebaute<br />
Netz des öffentlichen Verkehrs<br />
haben ihren Preis. Die öffentliche<br />
Hand trägt mit Mitteln aus dem<br />
ordentlichen Budget und den zwei<br />
Verkehrsfonds (F<strong>in</strong>öV-Fonds, Infrastrukturfonds)<br />
zu dessen F<strong>in</strong>anzierung<br />
bei. Der Eigenf<strong>in</strong>anzierungsgrad des<br />
öffentlichen Verkehrs liegt bei 53 %.<br />
Er f<strong>in</strong>anziert sich damit zur Hälfte mit<br />
am Markt generierten E<strong>in</strong>nahmen und<br />
zur anderen Hälfte mit Abgeltungen<br />
der öffentlichen Hand und Infrastrukturbeiträgen.<br />
Aus allgeme<strong>in</strong>en Mitteln<br />
setzen Bund, Kantone und Geme<strong>in</strong>den<br />
rund CHF 5 Mrd. (EUR 4,1 Mrd.) für den<br />
öffentlichen Verkehr e<strong>in</strong>.<br />
6 Behörden,<br />
8 Betreiber, 1 Tarif<br />
Photo: © Oleg Sidorenko<br />
Das Schweizer Volk steht h<strong>in</strong>ter dem öV<br />
Anliegen zur Förderung des öffentlichen<br />
Verkehrs haben <strong>in</strong> der Schweiz<br />
bei Volksabstimmungen generell<br />
sehr gute Erfolgschancen. Erfolgreich<br />
waren <strong>in</strong>sbesondere alle F<strong>in</strong>anzierungsvorlagen<br />
für neue Bahn<strong>in</strong>frastrukturen<br />
wie Bahn 2000, die neuen<br />
Eisenbahn-Alpentransversalen<br />
(NEAT) zur Verbesserung des Eisenbahn-Transitverkehrs<br />
<strong>in</strong> Nord-Süd-<br />
Richtung und Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsanschlüsse.<br />
Des Weiteren wurden praktisch alle<br />
Abstimmungen im erweiterten Umfeld<br />
des öffentlichen Verkehrs, darunter<br />
diejenige über den Alpenschutzartikel<br />
(Alpen<strong>in</strong>itiative) oder diejenigen<br />
über die E<strong>in</strong>führung der leistungsabhängigen<br />
Schwerverkehrs-abgabe<br />
(LSVA) im S<strong>in</strong>ne des öffentlichen<br />
Verkehrs entschieden.<br />
Urs Hanselmann, Präsident Verband Öffentlicher<br />
Verkehr (VöV), Bern, Schweiz<br />
Ueli Stückelberger, Direktor VöV<br />
Mirjam Bütler, Vizedirektor<strong>in</strong> VöV<br />
Kontakt: <strong>in</strong>fo@voev.ch<br />
Kopie an editor@uitp.org<br />
10 PTI 1/2013
unireso: e<strong>in</strong> grenzübergreifender <strong>in</strong>tegrierter Tarifverbund<br />
Seit 11 Jahren s<strong>in</strong>d die Fahrgäste <strong>in</strong> <strong>Genf</strong> und Umgebung<br />
mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Fahrausweis (Zeitkarte oder E<strong>in</strong>zelfahrkarte)<br />
unterwegs. Ermöglicht wird dies durch den Tarifverbund<br />
unireso und die schrittweise Harmonisierung<br />
der Tarifbestimmungen se<strong>in</strong>er Partner.<br />
Die drei Gründungsmitglieder von unireso (tpg, SBB<br />
und Mouettes Genevoises) haben die Möglichkeit<br />
geschaffen, sich im Kanton <strong>Genf</strong> frei per Bus, O-Bus,<br />
Straßenbahn, Zug und Schiff fortzubewegen. E<strong>in</strong> vierjähriger<br />
Dienstleistungsvertrag mit dem Kanton <strong>Genf</strong><br />
legt die Leistungen fest, die vom Verbund angeboten<br />
werden. Er konkretisiert außerdem den F<strong>in</strong>anzbeitrag<br />
des Kantons.<br />
Über <strong>Genf</strong> h<strong>in</strong>aus haben sich im Lauf der Zeit fünf<br />
Unternehmen im Kanton Waadt und im benachbarten<br />
Frankreich den ursprünglichen Partnern angeschlossen<br />
und unireso damit zu e<strong>in</strong>er grenzüberschreitenden<br />
<strong>in</strong>tegrierten Tarifgeme<strong>in</strong>schaft gemacht. E<strong>in</strong> weiterer<br />
„regionaler“ Dienstleistungsvertrag, der an den ersten<br />
anschließt und mit sechs zuständigen Behörden<br />
unterzeichnet wurde, legt die Vorschriften h<strong>in</strong>sichtlich<br />
der Tarifgestaltung, der E<strong>in</strong>nahmenaufteilung und der<br />
f<strong>in</strong>anziellen Verpflichtungen der Behörden fest.<br />
Im Jahr 2012 wurden durch die Fahrten im Kanton <strong>Genf</strong><br />
ungefähr CHF 150 Mio. (EUR 124 Mio.) erwirtschaftet. Der<br />
fixe Verteilungsschlüssel der E<strong>in</strong>nahmen, für den man<br />
sich bei der Gründung des Verbunds entschieden hatte,<br />
wurde durch e<strong>in</strong>en dynamischen Schlüssel ersetzt.<br />
Letzterer kann sich von Jahr zu Jahr unterscheiden, da<br />
er den Beitrag jedes Betreibers zur Verbesserung des<br />
Verkehrsangebots, aber auch den Nutzungsgrad der<br />
verschiedenen L<strong>in</strong>ien berücksichtigt.<br />
Das Organisationsmodell von unireso beruht themenabhängig<br />
auf e<strong>in</strong>stimmigen Entscheidungen oder auf<br />
qualifizierten/e<strong>in</strong>fachen Mehrheitsentscheidungen. Den<br />
größten Betreibern wird e<strong>in</strong> Vetorecht zuerkannt. Dieses<br />
Modell erlaubt die Integration neuer Partner und die Anpassung<br />
an zukünftige Angebotsentwicklungen, <strong>in</strong>sbesondere<br />
im H<strong>in</strong>blick auf das S-Bahn-Netz (RER), das Ende<br />
2017 <strong>in</strong> Betrieb gehen soll.<br />
Auf Projektseite schlägt unireso im Zusammenhang<br />
mit der substanziellen Verbesserung des ÖPNV-Angebots<br />
durch die Inbetriebnahme des RER e<strong>in</strong> neues Tarifsystem<br />
ab 2017 vor. Das neue Tarifsystem wird ebenso<br />
wie die neue strukturierende ÖPNV-Achse über die<br />
aktuellen Grenzen von unireso h<strong>in</strong>ausgehen und zahlreiche<br />
Akteure mit derzeit unterschiedlichen Tarifen an<br />
e<strong>in</strong>en Tisch br<strong>in</strong>gen (zuständige Behörden, nationale<br />
und lokale Betreiber).<br />
Außerdem stellt sich aufgrund der bedeutenden Pendlerströme<br />
zwischen dem Kanton Waadt und <strong>Genf</strong> die<br />
Frage e<strong>in</strong>er Erweiterung des Gebiets von unireso <strong>in</strong><br />
Richtung des waadtländischen Tarifverbunds. Das Ziel<br />
der Studie, die derzeit von den Betreibern und den<br />
Behörden durchgeführt wird, ist die Verbesserung<br />
und Vere<strong>in</strong>fachung des derzeit unterschiedlichen Tarifangebots.<br />
Die Arbeit erforscht <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e<br />
Lösung für die Bereitstellung e<strong>in</strong>es vollständigen, geme<strong>in</strong>samen<br />
unireso-Sortiments, das den Bedürfnissen<br />
der immer zahlreicheren Nutzer entspricht.<br />
Unireso und se<strong>in</strong>e Partner erwartet e<strong>in</strong>e weitere Herausforderung.<br />
Die E<strong>in</strong>führung der kontaktlosen Karten<br />
macht den Erfolg des Tarifsystems stark von der Interoperabilität<br />
des Fahrgeldmanagements abhängig.<br />
Dazu gehört die Kapazität, sowohl die französischen<br />
als auch die Schweizer Fahrkarten zu verkaufen und zu<br />
kontrollieren.<br />
Übersetzt aus dem Französischen<br />
Christoph Stucki, Präsident unireso<br />
Rémy Burri, Manager unireso<br />
Xavier Mugnier, Geschäftsführer unireso<br />
Kontakt: stucki.c@unireso.com<br />
Kopie an editor@uitp.org<br />
PTI 1/2013<br />
11
Mobilités 2030, die multimodale Kantonsstrategie<br />
Für e<strong>in</strong>e ganzheitliche und <strong>in</strong>tegrierte Mobilitätspolitik <strong>in</strong> <strong>Genf</strong><br />
Photo: État de Genève<br />
Der Schweizer Kanton <strong>Genf</strong> hat erstmals e<strong>in</strong> Dokument vorgelegt, das e<strong>in</strong>e langfristige multimodale Strategie festlegt,<br />
um die bisher ungewöhnlich starke Konfrontation zwischen den Verkehrsmitteln durch e<strong>in</strong>e ganzheitliche und <strong>in</strong>tegrierte<br />
Mobilitätspolitik zu überw<strong>in</strong>den.<br />
Der Kanton <strong>Genf</strong>, der im Herzen<br />
e<strong>in</strong>es grenzüberschreitenden<br />
Ballungsraums liegt, dessen<br />
E<strong>in</strong>wohnerzahl bis 2030 auf e<strong>in</strong>e Million<br />
anwachsen soll, steht e<strong>in</strong>er nie<br />
da gewesenen Wachstumskrise gegenüber.<br />
Se<strong>in</strong>e wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
und se<strong>in</strong>e hohe<br />
Lebensqualität s<strong>in</strong>d der Antrieb für<br />
die Schaffung von Arbeitsplätzen und<br />
e<strong>in</strong> beträchtliches demographisches<br />
Wachstum. Beide Phänomene werden<br />
durch ihre rasche Entwicklung<br />
verstärkt, die aller Voraussicht nach<br />
andauern wird.<br />
Dieser Kontext hat beträchtliche Auswirkungen<br />
auf die Mobilität, denn<br />
während e<strong>in</strong> Großteil der neuen Arbeitsplätze<br />
im Herzen des Kantons<br />
entsteht, erstrecken sich die meisten<br />
neuen Wohnbauten über die Kantonsgrenzen<br />
h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong>s benachbarte<br />
Frankreich oder den benachbarten<br />
Kanton. Das Gebiet <strong>Genf</strong> im weiteren<br />
S<strong>in</strong>ne muss mittlerweile auf Ebene<br />
des Ballungsraums, des Großraums<br />
<strong>Genf</strong>, betrachtet werden, was e<strong>in</strong>e<br />
geographische Neudef<strong>in</strong>ition der<br />
Stadtgrenzen impliziert. So umfasst<br />
das Stadtzentrum, das als „Herz des<br />
Ballungsraums“ bezeichnet wird, mittlerweile<br />
die Randgeme<strong>in</strong>den der Stadt<br />
<strong>Genf</strong>. Das Mobilitätsmanagement<br />
muss sich an diese neue Betrachtung<br />
des Gebiets, die auf der städtischen<br />
Dichte basiert, anpassen.<br />
Die Überlastung der <strong>Genf</strong>er Mobilitätsnetze<br />
ist auch auf e<strong>in</strong> gewisses<br />
historisches Erbe und fehlenden Konsens<br />
zurückzuführen. Im Bereich der<br />
Infrastruktur s<strong>in</strong>d negative Merkmale<br />
festzustellen: e<strong>in</strong>e im 19. Jahrhundert<br />
ersonnene Urbanisierung des Stadtzentrums,<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den 1960er-Jahren stark<br />
zurückgebildetes Straßenbahnnetz und<br />
das Fehlen e<strong>in</strong>es S-Bahn-Netzes. Außerdem<br />
wurde das Verkehrsnetz durch e<strong>in</strong>e<br />
Ansammlung von Kompromissen ohne<br />
klare politische Koord<strong>in</strong>ierung zwischen<br />
den Verkehrsmitteln organisiert.<br />
Schließlich hat e<strong>in</strong>e Kultur, die der Logik<br />
der Konfrontation zwischen den Verkehrsmitteln<br />
entsprang, die Implementierung<br />
pragmatischer und dauerhafter<br />
Lösungen nicht erleichtert.<br />
Der Umgang mit der städtischen<br />
Zersiedelung<br />
Der Großraum <strong>Genf</strong> wird derzeit vom<br />
Phänomen der städtischen Zersiedelung<br />
geprägt, was e<strong>in</strong>en hohen Anstieg<br />
des motorisierten Individualverkehrs<br />
(Autos und Motorräder) mit sich<br />
br<strong>in</strong>gt. Parallel dazu s<strong>in</strong>d im Herzen<br />
des Ballungsraums, besonders <strong>in</strong> der<br />
Stadt <strong>Genf</strong> und <strong>in</strong> den Randgeme<strong>in</strong>den,<br />
seit mehreren Jahren e<strong>in</strong> bedeutender<br />
Anstieg des Verkehrsanteils<br />
sanfter Fortbewegungsarten (Zu-Fuß-<br />
Gehen und Radfahren), e<strong>in</strong> Rückgang<br />
12 PTI 1/2013
der Nutzung des Privatfahrzeugs und<br />
e<strong>in</strong>e Zunahme der Haushalte ohne<br />
Auto zu beobachten. Im Gegensatz<br />
dazu nimmt auf Ebene des Kantons<br />
und des Ballungsraums die Anzahl der<br />
Kilometer, die mit motorisierten Individualverkehrsmitteln<br />
zurückgelegt<br />
wird, auf beunruhigende Weise zu.<br />
Mittlerweile ist das <strong>Genf</strong>er Mobilitätssystem<br />
an se<strong>in</strong>e Grenzen gestoßen<br />
und kann weder das Qualitätsniveau<br />
sicherstellen, das die Bevölkerung<br />
berechtigterweise von den Dienstleistungen<br />
erwartet, noch den Mobilitätsbedarf<br />
der <strong>Genf</strong>er Bevölkerung im Jahr<br />
2030 decken.<br />
Angesichts der großen Veränderung, mit<br />
der <strong>Genf</strong> konfrontiert ist, müssen die<br />
Behörden ihren Umgang mit den Mobilitätsherausforderungen<br />
mit ihren französischen<br />
und waadtländischen Partnern<br />
sowie mit den Bundesbehörden, die für<br />
die nationale Infrastruktur verantwortlich<br />
s<strong>in</strong>d, koord<strong>in</strong>ieren. Um den nötigen<br />
Rahmen für e<strong>in</strong>e konstruktive partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit sicherzustellen,<br />
muss <strong>Genf</strong> e<strong>in</strong>e langfristige politische<br />
Mobilitätsstrategie erstellen und<br />
verfolgen, die für alle erkennbar und verständlich<br />
ist und die die erforderliche f<strong>in</strong>anzielle<br />
Unterstützung des Bundes und<br />
Europas für den Ballungsraum sicherstellt.<br />
Mobilités 2030 ist der Ausdruck<br />
dieser politischen Strategie, die auch die<br />
Arbeit mit allen Akteuren (Bewohnern,<br />
Unternehmen, Verbänden, politischen<br />
Entscheidungsträgern, usw.) fördern<br />
soll, um den erforderlichen Konsens zur<br />
Bewältigung der Herausforderungen der<br />
Zukunft zu erzielen.<br />
Schienennetz (langfristiges Ziel)<br />
In e<strong>in</strong>em Umkreis von 1 km um die Bahnhöfe<br />
herum (Innenkreis= 500 m)<br />
Im Kanton <strong>Genf</strong>:<br />
• 42 % der Bevölkerung angeschlossen<br />
• 61 % der Arbeitsplätze<br />
In e<strong>in</strong>em Umkreis von 1,5 km um die Bahnhöfe<br />
herum<br />
Im Kanton <strong>Genf</strong>:<br />
• 74 % der Bevölkerung angeschlossen<br />
• 83 % der Arbeitsplätze<br />
Die mögliche Gebietsabdeckung mit dem RER-Netz, sobald die diametrale L<strong>in</strong>ie des Ballungsraums<br />
<strong>in</strong> Betrieb ist, wird sehr <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>. So werden 75 % der Bewohner des Kantons<br />
<strong>Genf</strong> und 83 % der Arbeitsplätze weniger als 1,5 km von e<strong>in</strong>em Bahnhof entfernt se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e ganzheitliche Strategie basierend<br />
auf Komplementarität<br />
Das Dokument Mobilités 2030 schlägt<br />
vor, die derzeitigen E<strong>in</strong>schränkungen<br />
zu überw<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>dem an der Komplementarität<br />
zwischen Zu-Fuß-Gehen,<br />
Radfahren, Auto, Motorrad, ÖPNV<br />
und Berufsverkehr (Taxis, Lieferwagen)<br />
gearbeitet wird. Das Ziel? Die<br />
optimale Nutzung der Kapazität und<br />
des Potenzials all dieser Fortbewegungsarten.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne werden<br />
<strong>in</strong> bestimmten Gebietsteilen bestimmte<br />
Verkehrsmittel priorisiert, anstatt<br />
vergeblich zu versuchen, die Zirkulation<br />
aller Verkehrsmittel <strong>in</strong> allen Gebietsteilen<br />
zu organisieren. Im Herzen<br />
des Ballungsraums ist beispielsweise<br />
jenem Verkehrsmittel der Vorzug e<strong>in</strong>zuräumen,<br />
das es möglichst vielen<br />
Personen erlaubt, sich gleichzeitig am<br />
gleichen Ort fortzubewegen. So müssen<br />
neue Formen der Mobilität oder<br />
der Verkehrsmittelnutzung entstehen,<br />
die e<strong>in</strong>er moderneren urbanen Vorstellung<br />
von Mobilität Ausdruck verleihen,<br />
die nicht unbed<strong>in</strong>gt auf dem<br />
Fahrzeugeigentum basiert.<br />
Das Verkehrssystem ordnet sich demnach<br />
um das S-Bahn-Netz (Réseau<br />
Express Régional, RER) an, das die<br />
Hauptzentren des Herzens des Ballungsraums<br />
und die sekundären städtischen<br />
Ballungszentren bedient. Alle<br />
Bahnhöfe und Haltestellen werden zu<br />
Knotenpunkten umgestaltet, an denen<br />
die Netze des ÖPNV und der sanften<br />
Fortbewegungsarten zusammenlaufen,<br />
um die verfe<strong>in</strong>erte Anb<strong>in</strong>dung der<br />
umliegenden Gebiete sicherzustellen<br />
und damit die Komplementarität der<br />
Photo: État de Genève<br />
PTI 1/2013<br />
13
E<strong>in</strong> Straßenbahnnetz für den Großraum <strong>Genf</strong><br />
Sa<strong>in</strong>t-Genis<br />
Pouilly (2016)<br />
CERN<br />
Erklär<br />
Das Straßenbahnnetz heute,<br />
bis 2020 und darüber h<strong>in</strong>aus<br />
Meyr<strong>in</strong>-<br />
Gravière<br />
Vernier<br />
Le Lignon<br />
P+R<br />
Bernex<br />
Bernex<br />
Vailly<br />
Das <strong>Genf</strong>er Straßenbahnnetz wies zu Beg<strong>in</strong>n des 20.<br />
Jahrhunderts die beachtliche Gesamtstreckenlänge<br />
von 125 km auf. Ab Ende der 1950er-Jahre bildete es<br />
sich aufgrund des Automobilbooms zurück, sodass<br />
nur die historische L<strong>in</strong>ie 12 zwischen dem Stadtzentrum<br />
und der französischen Grenze bei Moillesulaz übrig<br />
blieb. Später nahm die Nachfrage wieder zu und im<br />
Jahr 1988 wählte die Bevölkerung e<strong>in</strong> Gesetz, das die<br />
allgeme<strong>in</strong>en Grundsätze der Schaffung des ÖPNV-Netzes<br />
erließ und e<strong>in</strong>e durchschnittliche jährliche F<strong>in</strong>anzierung<br />
für die langfristige Strukturierung der neuen<br />
Projekte vorsah. Zwischen 2002 und 2011 wurden zur<br />
Anb<strong>in</strong>dung der Randgeme<strong>in</strong>den an das Stadtzentrum<br />
neue L<strong>in</strong>ien errichtet (siehe Karte).<br />
Heute bef<strong>in</strong>den sich mehrere Endbahnhöfe dieser L<strong>in</strong>ien<br />
<strong>in</strong> der Nähe der französischen Grenze – e<strong>in</strong>e<br />
Gelegenheit für die Behörden, das ÖPNV-Netz so zu<br />
entwickeln, das es den Großraum <strong>Genf</strong> abdeckt. Die<br />
Herausforderung besteht dar<strong>in</strong>, die Gebiete mit hoher<br />
Bevölkerungsdichte untere<strong>in</strong>ander zu verb<strong>in</strong>den und<br />
die Entwicklung neuer Ballungszentren zu antizipieren.<br />
Die erste Etappe dieser Serie an Erweiterungen ist die<br />
Verlegung der letzten 400 Meter fehlender Gleise bis<br />
2016, um den Bahnhof zu verb<strong>in</strong>den. Auf der anderen<br />
Seite des Kantons wird der aktuelle Endbahnhof der<br />
L<strong>in</strong>ie 12 an der Zollstelle Moillesulaz mit Blick auf den<br />
zukünftigen Streckenabschnitt angepasst, der die<br />
<strong>Genf</strong>er Geme<strong>in</strong>de Thônex mit dem Viertel Perrier <strong>in</strong> Annemasse<br />
(Frankreich) verb<strong>in</strong>den soll. E<strong>in</strong>e notwendige<br />
Erweiterung: Über 5 000 Personen, die auf der anderen<br />
Seite der Grenze ansässig s<strong>in</strong>d, überqueren derzeit<br />
täglich zu Fuß die Grenze, um zur Straßenbahnhaltestelle<br />
<strong>in</strong> Moillesulaz und von hier aus mit dem ÖPNV<br />
<strong>in</strong>s Zentrum von <strong>Genf</strong> zu gelangen.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Großprojekt besteht <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung der<br />
Geme<strong>in</strong>de Lancy im Südwesten des Kantons mit der fran-<br />
Ferney-<br />
Voltaire<br />
Aéroport Grand-<br />
Saconnex<br />
Nations<br />
Lancy<br />
Sa<strong>in</strong>t-Julien-en-Genevois (2018)<br />
PAV<br />
Cornav<strong>in</strong><br />
Lac<br />
Léman<br />
Eaux-vives<br />
Thônex<br />
Bestehende L<strong>in</strong>ien<br />
Erweiterungen im <strong>Genf</strong><br />
Grenzüberschreitende L<strong>in</strong>ienerweiterungen<br />
Streckenabschnitte künftig zu entwickeln<br />
Vésenaz<br />
MICA<br />
Moillesulaz<br />
Annemasse<br />
(2016)<br />
zösischen Stadt Sa<strong>in</strong>t-Julien. Erstmals arbeiten Schweizer<br />
und französische Fachkräfte geme<strong>in</strong>sam an der<br />
kompletten Entwicklung e<strong>in</strong>er Straßenbahn, die 2018 <strong>in</strong><br />
Betrieb gehen soll.<br />
Photo: État de Genève<br />
Verkehrsmittel zu fördern. Dieses System<br />
wird durch e<strong>in</strong> Straßenverkehrsnetz<br />
ergänzt, das die Gebietsabschnitte<br />
mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det, die über<br />
ke<strong>in</strong>e gute ÖPNV-Anb<strong>in</strong>dung verfügen.<br />
Obwohl sich die multimodale Strategie<br />
größtenteils auf e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />
des Mobilitätsverhaltens stützt, müssen<br />
bis 2030 <strong>in</strong> enger Koord<strong>in</strong>ierung<br />
mit den vorgesehenen Stadtentwicklungen<br />
neue Infrastrukturen und Mobilitätsangebote<br />
geschaffen werden.<br />
Die wichtigen Investitionsbemühungen,<br />
die mit der erneuten Entwicklung<br />
des <strong>Genf</strong>er Straßenbahnnetzes ab<br />
den 1990er-Jahren verknüpft waren,<br />
müssen somit <strong>in</strong> den kommenden<br />
Jahren weitergeführt und sogar verstärkt<br />
werden, um den Ballungsraum<br />
<strong>in</strong> die multimodale strukturierte Dimension<br />
zu führen, die <strong>in</strong>sbesondere<br />
um das RER-Netz angeordnet ist.<br />
14 PTI 1/2013
Léman 2030:<br />
Die Bahn als Zukunft der lemanischen Metropole<br />
Zwischen 2000 und 2010 hat sich die Anzahl der Fahrgäste auf der Achse<br />
zwischen den Städten Lausanne und <strong>Genf</strong> (lemanische Metropole) von<br />
25 000 auf 50 000 Fahrgäste pro Tag verdoppelt. Den Prognosen der Schweizerischen<br />
Bundesbahnen (SBB) zufolge dürfte diese Zahl <strong>in</strong> 20 Jahren auf<br />
100 000 ansteigen. Zur Bewältigung dieser explodierenden Nachfrage beabsichtigen<br />
die Behörden und die SBB, die Kapazität der Sitzplätze auf dieser<br />
Strecke zu verdoppeln und die Fahrzeugfolgezeit aller Vorortbahnen (Réseau<br />
express régional, RER) auf e<strong>in</strong>e Viertel Stunde zu reduzieren.<br />
Diese Entwicklung des RER soll für e<strong>in</strong> ständiges Wachstum se<strong>in</strong>er Fahrgastzahlen<br />
sorgen, die zwischen 2005 und 2010 um 40 % gestiegen s<strong>in</strong>d. Durch die Inbetriebnahme<br />
der CEVA -Verb<strong>in</strong>dung zwischen dem Bahnhof <strong>Genf</strong>-Cornav<strong>in</strong> und<br />
der französischen Stadt Annemasse im Dezember 2017 werden Pendler bei ihren<br />
grenzüberschreitenden Fahrten 30 M<strong>in</strong>uten e<strong>in</strong>sparen. CEVA wird als Rückgrat<br />
für den gesamten französisch-waadtländisch-genferischen RER dienen, der<br />
sich über 230 km erstrecken und <strong>in</strong>sgesamt 40 Bahnhöfe bedienen wird.<br />
Die Verwirklichung dieser Ziele hängt sowohl von Investitionen im Zusammenhang<br />
mit dem Kauf neuer Züge als auch der Entwicklung der Infrastruktur<br />
ab. Die Bahnhöfe Lausanne und <strong>Genf</strong>, die derzeit zu den Spitzenzeiten<br />
ausgelastet s<strong>in</strong>d, sollen mit neuen Zugangse<strong>in</strong>richtungen, Umsteigemöglichkeiten<br />
und kommerziellen Angeboten beträchtlich umgestaltet werden.<br />
Das Infrastrukturprojekt Léman 2030 zielt auf e<strong>in</strong>e bestmögliche Verb<strong>in</strong>dung<br />
der lemanischen Metropole mit nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Verkehrsnetzen<br />
ab. Zur Verwirklichung dieses groß angelegten Projekts wurde<br />
vom Bundesamt für Verkehr, den Kantonen Waadt und <strong>Genf</strong> und den SBB<br />
die Rahmenkonvention Léman 2030 unterzeichnet.<br />
www.cff.ch/faif<br />
Exklusiv für die Kongress-Delegierte!<br />
Besichtigung der CEVA-Baustelle, Donnerstag 30. Mai<br />
Projektpräsentation und Besichtigung des<br />
Tunnels und des sich im Bau bef<strong>in</strong>dlichen Bahnhofs<br />
Information und Anmeldung: stucki.c@tpg.ch<br />
E<strong>in</strong> Referenzrahmen<br />
Die von den großen Raumplanungspolitiken<br />
des französisch-waadtländischgenferischen<br />
Ballungsraums untrennbare<br />
Strategie Mobilités 2030 dient als Referenzrahmen<br />
für den Mobilitätsbereich, der<br />
imstande ist, die langfristigen Ziele festzulegen,<br />
die durch die sektorbezogenen<br />
vierjährlichen Gesamtpläne umzusetzen<br />
s<strong>in</strong>d (öffentliche Verkehrsmittel, sanfte<br />
Mobilität, Straßennetz, Parkplätze).<br />
Außerdem dient die Strategie Mobilités<br />
2030 als Basis für e<strong>in</strong>en groß angelegten<br />
Konsultationsprozess der betroffenen<br />
örtlichen Partner. So brachte im November<br />
2012 e<strong>in</strong> Forum die Geme<strong>in</strong>den, die<br />
Vertreter der politischen Parteien, die Verbände<br />
und die Wirtschaft sowie die technischen<br />
Dienste der Kantonsverwaltung<br />
zusammen, um ihre Ansichten zu Mobilités<br />
2030 auszutauschen und e<strong>in</strong>zuholen.<br />
Das Dokument steht unter der folgenden<br />
Adresse kostenlos zum Download<br />
zur Verfügung:<br />
www.ge.ch/mobilites2030<br />
Übersetzt aus dem Französischen<br />
Blaise Hochstrasser, Generaldirektor Mobilität, Abteilung für Inneres, Mobilität und Umwelt (DIME),<br />
Republik und Kanton <strong>Genf</strong>, Schweiz<br />
Kontakt: blaise.hochstrasser@etat.ge.ch Kopie an editor@uitp.org<br />
PTI 1/2013<br />
15
<strong>Genf</strong> und die Schweiz, Modelle unter Druck<br />
E<strong>in</strong>e Herausforderung für die tpg<br />
Photo: © photos Pierre Albouy<br />
<strong>Willkommen</strong> <strong>in</strong> der Schweiz! <strong>Willkommen</strong> <strong>in</strong> <strong>Genf</strong> und willkommen bei den Transports publics genevois (tpg)!<br />
Die Verwaltungsratsmitglieder, Direktoren, Führungskräfte und Mitarbeiter der tpg s<strong>in</strong>d äußerst stolz und geehrt,<br />
Sie anlässlich des 60. Weltkongresses und der Ausstellung der <strong>UITP</strong> vom 26. bis zum 30. Mai 2013 auf dem<br />
Palexpo-Messegelände <strong>in</strong> <strong>Genf</strong> zu empfangen.<br />
E<strong>in</strong> paradoxes Beispiel<br />
Sie werden bei Ihrem Besuch schnell<br />
erkennen, dass man <strong>in</strong> <strong>Genf</strong> <strong>in</strong> konzentrierter<br />
Form all das f<strong>in</strong>det, was die<br />
Schweiz im Bereich der Mobilität und<br />
des Verkehrs so besonders macht. Dazu<br />
gehört zunächst e<strong>in</strong>e wunderbare, allerd<strong>in</strong>gs<br />
gebirgige Landschaft zwischen<br />
See, Flüssen und Bergen, die das Gebiet<br />
selten und damit wertvoll, aber auch<br />
schwer erschließbar macht. Als nächstes<br />
s<strong>in</strong>d die Geschichte, das bauliche<br />
Kulturerbe und die hyperdemokratischen<br />
Institutionen zu erwähnen, die<br />
e<strong>in</strong> unkompliziertes Bauen oder e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache Entwicklung der Infrastruktur<br />
unmöglich machen. Des Weiteren<br />
hat der ÖPNV e<strong>in</strong>e lange Tradition. Das<br />
gilt für alle Verkehrsmittel (Bahn, Nahverkehr,<br />
Postautobusse, Seilbahnen,<br />
usw.), die überall <strong>in</strong> aller Sicherheit<br />
zugänglich s<strong>in</strong>d, mit Taktfahrplänen<br />
koord<strong>in</strong>iert und pünktlich funktionieren<br />
und dank der komb<strong>in</strong>ierten Fahrkarten<br />
und der attraktiven Tarifverbunde sehr<br />
benutzerfreundlich s<strong>in</strong>d. Diese Spitzenleistung<br />
ist auf e<strong>in</strong>e Qualität zurückzuführen,<br />
die man ebenfalls sowohl <strong>in</strong><br />
<strong>Genf</strong> als auch <strong>in</strong> der übrigen Schweiz f<strong>in</strong>det:<br />
den E<strong>in</strong>fallsreichtum. Die Schweiz,<br />
die bekanntermaßen über ke<strong>in</strong>erlei<br />
Rohstoffe verfügt, war bis Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts e<strong>in</strong>es der ärmsten Länder<br />
Europas. Ihren Wohlstand verdankt sie<br />
der Agilität, der Kreativität und dem Unternehmergeist<br />
ihrer Bewohner. So viel<br />
zum Beispiel.<br />
Die Lebensqualität im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
und jene der Infrastruktur im Besonderen<br />
machen <strong>Genf</strong> und die Schweiz<br />
zu e<strong>in</strong>er der dynamischsten Regionen<br />
Europas. In den letzten Jahren war e<strong>in</strong><br />
außerordentlich starkes Bevölkerungswachstum<br />
zu beobachten, das <strong>in</strong> den<br />
nächsten 15 Jahren weiter zunehmen<br />
soll. Um nur e<strong>in</strong> Beispiel zu nennen: Im<br />
Jahr 2000 verzeichnete die Bahnl<strong>in</strong>ie<br />
zwischen Lausanne und <strong>Genf</strong> 25 000<br />
Fahrgäste pro Tag. Im Jahr 2010 waren<br />
es mit 50 000 bereits doppelt so viele<br />
und für das Jahr 2030 rechnet man mit<br />
100 000! Der Perfektionsgrad unseres<br />
ÖPNV-Systems wird übrigens nur von<br />
den immer höheren Erwartungen der<br />
Nutzer übertroffen. E<strong>in</strong>e hohe Bedienungshäufigkeit,<br />
neue klimatisierte<br />
Fahrzeuge und Echtzeit<strong>in</strong>formationen<br />
gehören zu den Standarderwartungen<br />
der Fahrgäste und zu den Argumenten,<br />
die man vorbr<strong>in</strong>gen muss, um sie<br />
davon zu überzeugen, auf den Luxus<br />
ihres Privatfahrzeugs zu verzichten.<br />
Womit wir beim Paradoxon angelangt<br />
wären: E<strong>in</strong>es der reichsten Länder der<br />
Welt fragt sich, wie es den unvermeidlichen<br />
Anstieg der Mobilitätsnachfrage<br />
<strong>in</strong> quantitativer und qualitativer<br />
H<strong>in</strong>sicht f<strong>in</strong>anzieren soll!<br />
Ziele: Qualität und Produktivität<br />
In diesem Zusammenhang und während<br />
auf Bundesebene und <strong>in</strong> den<br />
Kantonsparlamenten heftig über die<br />
16 PTI 1/2013
F<strong>in</strong>anzierungsmodelle diskutiert wird,<br />
legen wir den Schwerpunkt auf zwei<br />
Hauptachsen. Erstens denken wir bei<br />
all unseren Tätigkeiten immer an die<br />
Qualität, die sich nicht nur <strong>in</strong> den<br />
Worten, sondern auch <strong>in</strong> den Taten,<br />
den Leistungen und den Vertrags<strong>in</strong>dikatoren<br />
zu deren Evaluierung niederschlägt.<br />
Die tpg gehören zu jenen<br />
Schweizer Verkehrsunternehmen, die<br />
am meisten <strong>in</strong>ternationale Zertifizierungen<br />
besitzen: ISO 9001, 14001<br />
und 18001. Das ist gut, aber nicht<br />
ausreichend, um unsere anspruchsvollen<br />
Kunden zufriedenzustellen. Wir<br />
können uns nicht damit begnügen zu<br />
sagen, dass 99 % unserer Fahrzeuge<br />
im Vergleich zum Fahrplan pünktlich<br />
s<strong>in</strong>d, sondern müssen das e<strong>in</strong>e Prozent<br />
rechtfertigen und erklären, das<br />
zu Recht Beschwerden der Fahrgäste<br />
hervorruft. Im Juni 2011 haben wir e<strong>in</strong>e<br />
App für das iPhone bereitgestellt. Während<br />
diese bereits über 100 000 Mal<br />
heruntergeladen wurde, wurden zwei<br />
Aktualisierungen vorgenommen und<br />
e<strong>in</strong>e dritte ist am Laufen, um ständig<br />
ergonomische Verbesserungen und<br />
neue Funktionen h<strong>in</strong>zuzufügen: e<strong>in</strong>e<br />
leistungsstärkere Geolokalisierung<br />
oder auch e<strong>in</strong>e Verknüpfung des Routenplaners<br />
mit den Echtzeitfahrplänen.<br />
Und obwohl e<strong>in</strong>e mobile Website<br />
bereits den Großteil dieser Funktionen<br />
<strong>in</strong>tegriert, wird e<strong>in</strong>e App für Android<br />
vorbereitet. Diese Services haben<br />
natürlich trotz ihrer beträchtlichen<br />
Kosten neben den „ernsten“ Seiten,<br />
die den Betrieb und die Wartung des<br />
Netzes und der Fahrzeuge betreffen,<br />
e<strong>in</strong>en „spielerischen“ Aspekt. Aber<br />
sie übernehmen e<strong>in</strong>e wichtige Funktion.<br />
Vor allem deshalb, weil sie es ermöglichen,<br />
e<strong>in</strong> bestimmtes Publikum<br />
zu erreichen. So wird es beispielsweise<br />
Personen mit e<strong>in</strong>geschränkter Mobilität<br />
(oder Eltern mit K<strong>in</strong>derwagen)<br />
bald möglich se<strong>in</strong>, ihrem Smartphone<br />
zu entnehmen, ob das ankommende<br />
Fahrzeug über e<strong>in</strong>en niedrigen Flur<br />
verfügt. Auch Sehbeh<strong>in</strong>derte werden<br />
dank der Spracherkennungssoftware<br />
Siri bald von allen Funktionen der<br />
iPhone-App profitieren können. Diese<br />
Services s<strong>in</strong>d auch deshalb wichtig,<br />
weil sie das Image widerspiegeln,<br />
das der ÖPNV bei se<strong>in</strong>en Kunden von<br />
morgen verbreiten soll: jung, urban<br />
und hochmodern. Lifestyle-Aspekte<br />
spielen dabei ebenso e<strong>in</strong>e Rolle<br />
wie die unerlässlichen Fragen über<br />
die Effizienz des ÖPNV-Netzes.<br />
Wir haben unsere Market<strong>in</strong>gstrategie,<br />
<strong>in</strong> deren Mittelpunkt der berühmte<br />
Fuchs auf dem Mond („Le<br />
Renard sur la Lune“) steht, dem e<strong>in</strong><br />
eigener Artikel <strong>in</strong> dieser PTI-Ausgabe<br />
gewidmet ist (siehe Seite 19),<br />
unter Berücksichtigung dieser qualitativen<br />
Anforderungen entwickelt. Sie<br />
s<strong>in</strong>d es auch, die uns dazu antreiben,<br />
der nachhaltigen Entwicklung generell<br />
und den Umweltfragen im Besonderen<br />
große Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne verfolgen wir e<strong>in</strong>e<br />
Strategie, die entschieden auf die<br />
Elektromobilität ausgerichtet ist. In<br />
der vorliegenden PTI-Ausgabe f<strong>in</strong>den<br />
Sie auch e<strong>in</strong>en Artikel über TOSA<br />
(Seite 20), unser O-Bus-Projekt, das<br />
„ohne Oberleitung“ e<strong>in</strong>en 100 % elektrischen<br />
Betrieb ermöglicht. Das ist<br />
nur e<strong>in</strong>er von vielen Aspekten dieser<br />
Strategie. So haben wir beispielsweise<br />
gerade erst 33 Exemplare des Exqui.City<br />
von VanHool bestellt, um die ältesten<br />
Bestandteile unserer derzeitigen Flotte,<br />
die aus den späten 1980er-Jahren<br />
stammt, zu ersetzen. Diese natürlich<br />
elektrischen O-Busse werden erstmals<br />
mit e<strong>in</strong>em Hilfsantrieb ausgestattet se<strong>in</strong><br />
(für den Antrieb im Fall von Pannen oder<br />
Kontaktverlust mit der Oberleitung),<br />
der nicht mehr wie frühere Modelle<br />
mit Diesel, sonder dank e<strong>in</strong>er eigenen<br />
Batterie elektrisch betrieben wird. Diese<br />
Hochleistungsbatterietechnologie<br />
wird derzeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unserer neuesten<br />
Straßenbahnen, dem Tango von Stadler<br />
Rail, getestet. Wenn die Testergebnisse<br />
überzeugend s<strong>in</strong>d, könnten wir<br />
PTI 1/2013<br />
17
diese Batterien im gesamten Fuhrpark<br />
<strong>in</strong>stallieren, der übrigens bereits vorausgerüstet<br />
ist. Dies würde es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
ersten Schritt erlauben, den Stromverbrauch<br />
entsprechend zu reduzieren und<br />
wie bei den neuen O-Bussen auf e<strong>in</strong>en<br />
Hilfsantrieb zählen zu können. Langfristig<br />
könnte man sich auch vorstellen, das<br />
Straßenbahnnetz im Stadtkern wie den<br />
Bus im TOSA-Projekt ohne Oberleitung<br />
zu betreiben und dieselben Vorteile zu<br />
ernten: e<strong>in</strong>e größere Zuverlässigkeit<br />
und e<strong>in</strong>e ästhetische Sanierung der historischen<br />
Stadtteile (wie beispielsweise<br />
<strong>in</strong> Bordeaux).<br />
Um diese ehrgeizigen Ziele <strong>in</strong> Bezug auf<br />
die Dienstleistungsqualität verfolgen zu<br />
können, müssen die tpg ihre Produktivität<br />
ständig verbessern. Tatsächlich<br />
folgt auf e<strong>in</strong>e relativ günstige Periode<br />
für ÖPNV-Investitionen <strong>in</strong> <strong>Genf</strong>, die es<br />
erlaubt hat, das Angebot seit dem Ende<br />
der 1990er-Jahre bis heute zu verdoppeln,<br />
e<strong>in</strong>e schwierigere Periode, <strong>in</strong> der<br />
der Staat mit der Notwendigkeit konfrontiert<br />
ist, se<strong>in</strong>e Defizite zu bewältigen<br />
und se<strong>in</strong>e Schulden zu reduzieren.<br />
Außerdem können die tpg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em relativ<br />
angespannten politischen und wirtschaftlichen<br />
Kontext nicht auf e<strong>in</strong>e regelmäßige<br />
Tarifanpassung zählen, um die<br />
verfügbaren Ressourcen zu erhöhen. Sie<br />
werden also mit weniger oder zum<strong>in</strong>dest<br />
nicht mehr Mitteln immer mehr machen<br />
müssen! Ende 2011 haben die tpg <strong>in</strong>sbesondere<br />
im H<strong>in</strong>blick auf den Umgang mit<br />
diesen Herausforderungen e<strong>in</strong>en bedeutenden<br />
Wandel vollzogen.<br />
Vorrang für den ÖPNV!<br />
Die Ende 2011 e<strong>in</strong>geleiteten Veränderungen<br />
waren beachtlich: Insgesamt<br />
wurde das Angebot zu 70 % umgestaltet.<br />
Die größte Neuheit war der Umstieg<br />
von e<strong>in</strong>em achsenförmigen auf e<strong>in</strong>en<br />
l<strong>in</strong>ienförmigen Straßenbahnbetrieb.<br />
Die ersten Wochen nach der Änderung<br />
waren ziemlich chaotisch: grauenvolle<br />
Wetterbed<strong>in</strong>gungen, chronische Verkehrsüberlastung<br />
und ungewöhnlich<br />
viele Unfälle und Pannen. Unter diesen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen mussten wir zugeben,<br />
dass wir unzureichende Vorbereitungen<br />
getroffen hatten und so führten wir im<br />
Task-Force-Modus geme<strong>in</strong>sam mit den<br />
zuständigen Behörden notfallsartig die<br />
nötigen Verbesserungen durch. Der Betrieb<br />
des Verkehrsnetzes stabilisierte<br />
sich und der Zufriedenheitsgrad unserer<br />
Kunden erreichte nach e<strong>in</strong>em spektakulären<br />
Rückgang wieder e<strong>in</strong> annehmbares<br />
Niveau. Dennoch haben verschiedene<br />
unabhängige Studien über das tpg-Netz<br />
im Jahr 2012 zwei Hauptprobleme aufgezeigt.<br />
Das erste betrifft die Qualität<br />
der Umsteigemöglichkeiten. Tatsächlich<br />
wirkt sich die Notwendigkeit, die Straßenbahnl<strong>in</strong>ien<br />
unabhängig vone<strong>in</strong>ander<br />
zu betreiben, um e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>facheren und<br />
zuverlässigeren Betrieb sowie zukünftige<br />
Entwicklungen zu ermöglichen, direkt<br />
auf 10 % bis 20 % der Kunden dieser L<strong>in</strong>ien<br />
aus: Sie s<strong>in</strong>d dazu gezwungen, umzusteigen.<br />
Das Umsteigen ist allerd<strong>in</strong>gs<br />
e<strong>in</strong> großer Bremsfaktor für die ÖPNV-<br />
Nutzung, wenn es ke<strong>in</strong>e Knotenpunkte<br />
gibt, an denen das Umsteigen dank Investitionen<br />
<strong>in</strong> Komfort, Sicherheit und<br />
Beschilderung erleichtert wird. Das ist<br />
heute bei Weitem nicht der Fall und wir<br />
müssen noch mit unseren Partnern – <strong>in</strong><br />
erster L<strong>in</strong>ie dem Staat und der Stadt <strong>Genf</strong><br />
– arbeiten, um die nötigen Änderungen<br />
umzusetzen. Das zweite Problem betrifft<br />
die Durchschnittsgeschw<strong>in</strong>digkeit unseres<br />
Netzes im Stadtzentrum, das bei<br />
16 km/h stagniert, d.h. e<strong>in</strong>em Niveau,<br />
das den ÖPNV gegenüber se<strong>in</strong>en Konkurrenten<br />
– dem Auto, dem Motorrad,<br />
dem Fahrrad und sogar dem Zu-Fuß-<br />
Gehen – wenig attraktiv macht. Mehrere<br />
Initiativen zielen heute darauf ab, dem<br />
ÖPNV wie <strong>in</strong> anderen Teilen der Schweiz<br />
oder <strong>in</strong> anderen europäischen Ländern<br />
verstärkten, wenn nicht absoluten, Vorrang<br />
e<strong>in</strong>zuräumen. Sonderfahrstreifen<br />
für Busse, eigene Trassen für die Straßenbahnen<br />
und gut sichtbare Vorrangsignale<br />
an den Kreuzungen s<strong>in</strong>d die<br />
Schlüssel für e<strong>in</strong>e höhere Effizienz der<br />
tpg. Es ist auch die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit,<br />
die enormen Investitionen, die bisher<br />
geleistet wurden, und jene nicht m<strong>in</strong>der<br />
bedeutenden, die <strong>in</strong> den kommenden<br />
Jahren genehmigt werden müssen, voll<br />
rentabel zu machen.<br />
Übersetzt aus dem Französischen<br />
Roland Bonzon, Generaldirektor, Transports publics genevois (tpg), <strong>Genf</strong>, Schweiz<br />
Kontakt: bonzon.r@tpg.ch Kopie an editor@uitp.org<br />
18 PTI 1/2013