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David Bowie<br />
Nothing has changed.<br />
Die definitive David Bowie S<strong>am</strong>mlung - mit seinen größten Songs aus den<br />
<strong>Jahre</strong>n 1964 - 2014 inkl. der neuen Single „Sue (Or In Season Of Crime)“<br />
plus weiterem, bisher unveröffentlichtem Material<br />
3CD und Download<br />
mit 59 Songs<br />
2CD und Download<br />
mit 39 Songs<br />
2LP und Download<br />
mit 20 Songs<br />
Ab 14. November<br />
Sue (Or In A Season Of Crime)<br />
10“ Vinyl und Download<br />
David Bowie Is – der Kinofilm zur Sensationsaustellung.<br />
Ab 18.11. in den deutschen Kinos.<br />
www.davidbowie.com/davidbowieisfilm<br />
www.davidbowie.com - www.warnermusic.de
IMPRESSUM<br />
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Fabian Leibfried<br />
Eberdinger Straße 37<br />
71665 Vaihingen/Enz<br />
Tel.: 0 70 42/37660-160<br />
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Fabian Leibfried<br />
Mitarbeiter:<br />
Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Kathrin<br />
Bonacker, Kirsten Borchardt, Lothar Brandt,<br />
Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck, Hans-Jürgen<br />
Günther, Peter Henning, Christian Hentschel,<br />
Teddy Hoersch, Hugo Kastner, Andreas<br />
Kötter, Bernd Matheja, Kati Naumann, Helmut<br />
Ölschlegel, Thorsten Pöttger, Alexander Querengässer,<br />
Sven Rachner, Philipp Roser, Roland<br />
Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz, Eckhard<br />
Schwettmann, Christian Simon, Alan Tepper,<br />
Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit, Uli Twelker,<br />
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Andrea Leibfried<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />
Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />
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Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />
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IPS Pressevertrieb GmbH<br />
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53334 Meckenheim, Tel: 0 22 25/88 01-0<br />
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siehe Seite 67<br />
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Titelfoto:<br />
Sophia Loren: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Story &<br />
Poster<br />
Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />
Fällt der Begriff Retro", rümpfen Feuilletonisten gerne die Nase;<br />
"<br />
viele verwenden ihn mit einem negativen Beigeschmack. Bei der<br />
breiten Masse hingegen ist Retro" in aller Regel positiv besetzt.<br />
"<br />
Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass etwa im Bereich der<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteur-<br />
Musik regelmäßig Retro-Wellen aus den Lautsprechern tönen. Junge Musiker greifen<br />
gerne die Vorlagen der musikalisch Altvorderen auf, setzen diese in ihrem Sinne<br />
neu um, vielleicht auch mit modernen Ansätzen. Retro-Rock der späten 60er und<br />
frühen 70er <strong>Jahre</strong> ist derzeit wieder schwer angesagt, die Disco-Welle schwappte vor<br />
nicht allzu langer Zeit erneut durch die Lande, der Gl<strong>am</strong>-Rock wird immer wieder<br />
aufgefrischt – ganz zu schweigen vom Blues, der seit Jahrzehnten nicht totzukriegen<br />
ist. Oder auch der Schlager, den es ja immer auch in niveauvoller und eben<br />
nicht platter, zum Oberschenkelklopfen animierender Form gab. Ähnliches gilt für<br />
die Modewelt, den Automarkt, Architektur und Wohn-Innendekor – die Liste ließe<br />
sich beliebig fortsetzen. Das Alte inspiriert und befruchtet das Neue. Daher ist es das<br />
längst Vergangene immer wert, in Erinnerung gerufen zu werden – so wie wir es auch<br />
mit dieser <strong>kult</strong>!-Ausgabe einmal mehr versuchen.<br />
Manche Erinnerungen an längst vergangene Zeiten dürften dabei wieder wach werden<br />
– an Filme, die man einst gesehen hat; an die Musik, die man mit Hilfe des<br />
Walkmans genießen konnte; an Spielzeug, mit dem man sich als Kind beschäftigt<br />
hat; an Autos, von denen man ebenso träumte wie von Musikwiedergabegeräten von<br />
höchster Qualität, die man sich d<strong>am</strong>als nicht leisten konnte. Und auch die Idole längst<br />
vergangener Zeiten rücken erneut in den (Erinnerungs-)Mittelpunkt. Apropos: Viele<br />
dieser in der eigenen Kindheit und Jugend angesagten Dinge sind heute wieder erhältlich<br />
– dank DVD/Blu-ray, Retro-Neuauflagen und dergleichen ...<br />
Viel Spaß beim Schwelgen in Erinnerungen wünscht Ihnen<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem,<br />
chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt!<br />
Weiterverwendung aller in GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
erschienenen Artikel, Interviews, Fotos,<br />
Rezensionen etc. nur mit der Zustimmung des<br />
Herausgebers gestattet.<br />
Gerichtsstand: Stuttgart<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 3<br />
www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />
<strong>kult</strong>!<br />
Nr. 12 erscheint <strong>am</strong> 17.4.2015
Ausgabe Oktober 2014<br />
1/2015 (Nr. 11)<br />
INHALT<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial/Impressum<br />
4 Inhaltsverzeichnis<br />
5 Top 5: Kinder- und Jugendbücher<br />
Mitarbeiter & Prominenz<br />
6 News from the past<br />
Altes neu ausgepackt<br />
37 <strong>kult</strong>! Shop<br />
45 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />
67 <strong>kult</strong>! Weihnachts-Geschenkabo<br />
47 The Sweet/Sophia Loren<br />
Riesenposter<br />
Seite 14<br />
<strong>kult</strong>!<br />
60er · 70er · 80er<br />
Seite 40<br />
Seite 70<br />
14 Die Geburt der Superbikes<br />
Frankensteins wilde Töchter<br />
16 Mode-Serie – 70er <strong>Jahre</strong> (Teil 3)<br />
Alles geht! Auch heute noch<br />
20 Erich Kästner<br />
Der veritable Doppelschriftsteller"<br />
"<br />
22 Rekl<strong>am</strong>e für Erfrischungsgetränke<br />
Süße Brause für Spaßvögel & Sportskanonen<br />
26 Spiel ohne Grenzen<br />
Wie der Straßenfeger einst die ganze F<strong>am</strong>ilie<br />
vor dem Fernseher vereinte<br />
28 Das Jahr 1974<br />
Brandt stürzt – Müller trifft – Tetzlaff pöbelt ...<br />
und vier Schweden krempeln die Pop-Welt um<br />
32 Die <strong>kult</strong>igsten Facebook- & Internetseiten<br />
Sind wir nicht alle ein bisschen ... <strong>kult</strong>!?<br />
34 <strong>Rockpalast</strong><br />
Heiße Open Airs auf der Loreley<br />
38 Hommage an den Walkman<br />
Wie die Idee vom Musikhören unterwegs<br />
die Welt eroberte<br />
40 Gl<strong>am</strong>-Rock<br />
Charts-Stürmer auf Plateausohlen<br />
43 Steve McQueen – Bullitt<br />
1968 wurden die Cops plötzlich coolol<br />
46 <strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong><br />
Liebe, Leiden, Lollipop<br />
56 Die Shaw Brothers<br />
Asiens größte Filmmogule in Action<br />
58 40 <strong>Jahre</strong> VW Golf<br />
Erfolgsgeschichte auf vier Rädern<br />
62 Kultbücher<br />
Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
Seite 76<br />
Seite 38<br />
Seite 46<br />
Seite 34<br />
Seite 68<br />
Seite 58<br />
Seite 88<br />
Seite 74<br />
64 The Longest Day (Der längste Tag)<br />
Darryl F. Zanucks D-Day-Epos als Mutter<br />
aller Kriegsfilme<br />
68 Lolek & Bolek<br />
Reise um die Welt in <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
70 30 <strong>Jahre</strong> Modern Talking<br />
Die Einzigartigen<br />
72 Sophia Loren<br />
Alles zu groß" – und trotzdem ein Star<br />
" 74 Barbapapa<br />
Ziemlich beste Wohlfühl-Freunde<br />
76 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Nutella</strong><br />
Nougatrausch fürs Brot<br />
78 DDR-Zeitschriften aus dem Verlag<br />
Junge Welt<br />
K<strong>am</strong> ein kleiner Teddybär ..."<br />
" 82 Udo Jürgens<br />
Zum 80. Geburtstag<br />
86 Die Leute von der Shiloh Ranch<br />
TV-Westerndr<strong>am</strong>en für Erwachsene<br />
88 Action Te<strong>am</strong><br />
Taffe Glücksritter lassen Kinderherzen<br />
höher schlagen<br />
92 Die ZDF-Abenteuervierteiler<br />
Schiffbruch mit freudigen Folgen<br />
96 Wundertüten<br />
Bunte Abwechslung im tristen<br />
Nachkriegs-Alltag<br />
98 Formel Eins<br />
Oliver Bertr<strong>am</strong>s Insiderblick hinter<br />
die Kulissen<br />
Seite 4 ■ GoodTimes 1/2015
TOP 5<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Kinder- und Jugendbücher<br />
1. Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer – Michael Ende<br />
2. Der Räuber Hotzenplotz – Otfried Preußler<br />
3. Wir Kinder aus Bullerbü – Astrid Lindgren<br />
4. Die drei ??? – Alfred Hitchcock<br />
5. Oliver Twist – Charles Dickens<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Das fliegende Klassenzimmer – Erich Kästner<br />
2. Wir Kinder aus Bullerbü – Astrid Lindgren<br />
3. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />
4. Die rote Zora und ihre Bande – Kurt Held<br />
5. Der Räuber Hotzenplotz – Otfried Preußler<br />
Sven Rachner<br />
1. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />
2. Der Geist des Llano Estacado – Karl May<br />
3. Ivanhoe – Walter Scott<br />
4. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />
5. Abenteuer unter Wasser mit Mike Nelson – Cole Fannin<br />
Horst Berner<br />
1. Alles von Karl May<br />
2. Max & Moritz – Wilhelm Busch<br />
3. Rittersagen – Gustav Schwab<br />
4. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />
5. Prinz <strong>Eis</strong>enherz – Hal Foster<br />
Philipp Roser<br />
1. Ferien auf Saltkrokan – Astrid Lindgren<br />
2. Wintersonnenwende – Susan Cooper<br />
3. Liebe Inge – Berte Bratt<br />
4. Schreckenstein – Oliver Hassenc<strong>am</strong>p<br />
5. Hanni & Nanni – Enid Blyton<br />
Kathrin Bonacker<br />
1. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />
2. Michel aus Lönneberga – Astrid Lindgren<br />
3. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />
4. Die schwarzen Brüder – Lisa Tetzner<br />
5. Winnetou – Karl May<br />
Roland Schäfli<br />
1. Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt – Boy Lornsen<br />
2. Die kleine Hexe – Otfried Preußler<br />
3. Der Schut – Karl May<br />
4. Der Fluss der Abenteuer – Enid Blyton<br />
5. Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer – Michael Ende<br />
Lothar Brandt<br />
1. Geheime Tips von Donald Duck – Walt Disney<br />
2. Pu der Bär – A. A. Milne<br />
3. Momo – Michael Ende<br />
4. Alice im Wunderland – Lewis Carroll<br />
5. Der kleine Hobbit – J. R. R. Tolkien<br />
Oliver Schuh<br />
1. Momo – Michael Ende<br />
2. Der kleine Hobbit – J. R. R. Tolkien<br />
3. Das kleine weiße Pferd – Elizabeth Goudge<br />
4. Krabat – Otfried Preußler<br />
5. Der Mausevater und sein Sohn – Russell Hoban<br />
Michael F.-G<strong>am</strong>böck<br />
1. Der Hobbit oder hin und zurück – J. R. R. Tolkien<br />
2. Urmel aus dem <strong>Eis</strong> – Max Kruse<br />
3. Bill Bo und seine sechs Kumpane – Josef Göhlen<br />
4. Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry<br />
5. Sophies Welt – Jostein Gaarder<br />
Ulrich Schwartz<br />
1. Timm Thaler oder das verkaufte Lachen – J<strong>am</strong>es Krüss<br />
2. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />
3. Alfons Zitterbacke – Gerhard Holtz-Baumert<br />
4. Die Reise nach Sundevit – Benno Pludra<br />
5. Der Zauberer der Smaragdenstadt – Alexander Wolkow<br />
Christian Hentschel<br />
1. Der Schatz im Silbersee – Karl May<br />
2. Winnetou (1–3) – Karl May<br />
3. Funkstreife Isar 12 – Kurt Vethake<br />
4. Das Rätsel der Baubude – Herbert Erdmann<br />
5. Helmut findet die richtige Spur – Hans-Jürgen Laturner<br />
Christian Simon<br />
1. Winnetou – Karl May<br />
2. Lederstrumpf – J<strong>am</strong>es Fenimore Cooper<br />
3. Geronimo – K<strong>am</strong>pf bis zur letzten Patrone – Peter Dubina<br />
4. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />
5. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />
Andreas Kötter<br />
1. Die Alice-Romane – Lewis Carroll<br />
2. Der Schatz im Silbersee – Karl May<br />
3. Peter Pan – J. M. Barrie<br />
4. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />
5. Der Wind in den Weiden – Kenneth Grah<strong>am</strong>e<br />
Alan Tepper<br />
1. Bille & Zottel – Tina Caspari<br />
2. Hanni & Nanni – Enid Blyton<br />
3. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />
4. Die drei ??? – Alfred Hitchcock<br />
5. Winnetou – Karl May<br />
Andrea Leibfried<br />
1. Pony Pedro – Erwin Strittmatter<br />
2. Das Mädchen hieß Gesine – Karl Neumann<br />
3. Bettina bummelt – Elizabeth Shaw<br />
4. Die kleinen Bären – A. C. Lagger<br />
5. Der Fänger im Roggen – J. D. Salinger<br />
Claudia Tupeit<br />
1. Timm Thaler oder das verkaufte Lachen – J<strong>am</strong>es Krüss<br />
2. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />
3. Shakespeare-Märchen – Franz Fühmann<br />
4. Die großen Abenteuer des kleinen Ferdinand – Ondrej Sekora<br />
5. Die Gärten von Dorr – Paul Biegel<br />
Kati Naumann<br />
1. Kalle Blomquist – Astrid Lindgren<br />
2. Jan als Detektiv – Knud Meister/Carlo Andersen<br />
3. Abenteuer in der P<strong>am</strong>pa – Georg Grillmayer<br />
4. Wir helfen – Sabine Hagen<br />
5. Dr. Dolittle und seine Tiere – Hugh Lofting<br />
Jürgen Wolff<br />
1. Die unendliche Geschichte – Michael Ende<br />
1. Grimms Märchen (natürlich)<br />
2. Ronja Räubertochter – Astrid Lindgren<br />
2. Hertha die Funkerin<br />
3. Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee – Erich Kästner<br />
3. Tom Sawyer & Huckleberry Finn<br />
4. Orientzyklus – Karl May<br />
4. Das fliegende Klassenzimmer<br />
5. Servus Opa, sagte ich leise – Elfie Donnelly<br />
5. Die Schatzinsel<br />
Thorsten Pöttger<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 5<br />
Inga Rumpf<br />
© Pressefoto
DVDs + BLU-RAYs<br />
I AM ALI<br />
Muh<strong>am</strong>mad Ali wurde 1942 als Cassius Marcellus<br />
Clay in Louisville, Kentucky, geboren.<br />
Er ist dreifacher Box-Weltmeister im Schwergewicht<br />
und wurde 1999 vom Internationalen<br />
Olympischen Komitee zum<br />
Sportler des Jahrhunderts"<br />
"<br />
gewählt. Auch abseits des<br />
Boxrings sorgte Ali immer<br />
wieder für Schlagzeilen.<br />
So unterstützte er Mitte der<br />
60er <strong>Jahre</strong> die Emanzipationsbewegung<br />
der Afro<strong>am</strong>erikaner,<br />
trat zum Isl<strong>am</strong><br />
über und verweigerte den Militärdienst. 1967<br />
wurde er deshalb zu fünf <strong>Jahre</strong>n Haft verurteilt<br />
und verlor vorübergehend sogar seine Boxlizenz.<br />
Seit dem Ende seiner Karriere 1981 widmet<br />
sich der an Parkinson erkrankte Sportler<br />
zahlreichen sozialen Projekten, seit 2001 ist er<br />
UN-Friedensbotschafter. Doch neben dem öffentlichen<br />
Leben als Kämpfer in- und außerhalb<br />
des Boxrings zeigt Ali auch im privaten Leben<br />
zahlreiche Facetten, ist Held und Verräter,<br />
Liebhaber und Vater, Fanatiker und Philosoph.<br />
Die Sportdokumentation I Am Ali" beleuchtet<br />
"<br />
die ungewöhnliche Lebensgeschichte der Ikone<br />
aus einer nie zuvor gezeigten Perspektive.<br />
Über viele <strong>Jahre</strong> hinweg führte Ali Audio-Tagebücher,<br />
die auf sehr persönliche Weise intime<br />
Einblicke in das Leben des Mannes hinter<br />
der Legende geben. Gleichzeitig kommen in<br />
dieser ergreifenden Dokumentation neben engen<br />
Freunden auch seine Tochter, sein Bruder<br />
und seine Ex-Frau zu Wort, außerdem wurden<br />
Boxstars wie Mike Tyson und George Foreman<br />
interviewt. I Am Ali" gibt es ab 10. Oktober<br />
"<br />
für kurze Zeit in ausgewählten Kinos sowie bei<br />
iTunes, und <strong>am</strong> 6. November erscheint der Film<br />
in unterschiedlichen Editionen auch auf DVD<br />
und Blu-ray.<br />
(Universal, 106 Min.)<br />
INGMAR BERGMAN<br />
SZENEN EINER EHE + SARABANDE<br />
+ AUS DEM LEBEN DER MARIONET-<br />
TEN + EINEN SOMMER LANG<br />
Ingmar Bergman gehört ohne Frage zu den renommiertesten<br />
und produktivsten Künstlern des<br />
20. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer Regisseur<br />
prägte der Schwede<br />
die Entwicklung des europäischen<br />
Erzählkinos.<br />
Ende September veröffentlicht<br />
Arthaus vier seiner<br />
Klassiker erstmals als<br />
Einzel-Blu-rays, dazu gibt<br />
es die Kino- und TV-Fassung<br />
von Szenen einer<br />
"<br />
Ehe" und "<br />
Sarabande"" erstmals in einer Blu-ray<br />
Edition. Die Filme "<br />
Aus dem Leben der Marionetten"<br />
sowie "<br />
Einen Sommer lang" erscheinen<br />
parallel dazu erstmals als Einzel-DVD.<br />
(Arthaus/Studiocanal)<br />
DICK & DOOF<br />
ABENTEUER IM SPIELZEUGLAND<br />
In diesem märchenhaften Musical – als Bluray<br />
in kolorierter & restaurierter s/w-Version<br />
– leben Stannie Dum und Ollie Dee im Spielzeugland<br />
und wohnen bei der Witwe Peep<br />
und deren schöner Tochter Bo-Peep zur Untermiete<br />
in einem Schuh. Der bösartige alte<br />
Barnaby besitzt eine Hypothek auf Witwe<br />
Peeps Haus, die er ihr nur erlassen will, wenn<br />
ihre Tochter ihn heiratet. Um Peep zu helfen,<br />
bitten Stannie und Ollie, die in einer Spielzeugfabrik<br />
arbeiten, ihren Chef um einen Vorschuss.<br />
Da sie aber einen Auftrag von Santa<br />
Claus falsch ausgeführt und versehentlich<br />
statt kleiner Holzsoldaten mannshohe hergestellt<br />
haben, verlieren sie stattdessen ihren<br />
Job. Bei dem Versuch,<br />
den Hypothekenbrief zu<br />
stehlen, werden Stannie<br />
und Ollie gefasst. Unter<br />
der Bedingung, dass<br />
Barnaby auf eine Anklage<br />
verzichtet, willigt Bo-<br />
Peep in die Heirat ein.<br />
Am Hochzeitstag verkleidet<br />
sich Stannie als Braut, doch als der<br />
Schwindel auffliegt, marschiert der erboste<br />
Barnaby mit einer Armee der bösen Mächte<br />
ins Spielzeugland ein. Das ist die Story des<br />
eher ungewöhnlichen Films von Stan Laurel<br />
und Oliver Hardy, dessen Charme weniger<br />
durch die sonst üblichen Slapstickeinlagen<br />
als durch die außergewöhnlichen Kulisse und<br />
die kindlichen Figuren entsteht.<br />
(Starmovie/edel, 80 Min.)<br />
LOLEK + BOLEK<br />
SAMMELBOX<br />
Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> erschuf<br />
das polnische Trickfilmstudio<br />
Studio Filmów<br />
Rysunkowych das Brüderpaar<br />
Lolek und Bolek, das<br />
es vor allem in der DDR zu<br />
enormer Beliebtheit brachte.<br />
Ende letzten <strong>Jahre</strong>s gab es dann zum ersten<br />
Mal die Langfilme aus den 70er <strong>Jahre</strong>n als<br />
DVD, jetzt erscheint mit der Lolek + Bolek<br />
"<br />
S<strong>am</strong>melbox" eine vier Discs enthaltende Zus<strong>am</strong>menstellung.<br />
Neben den beiden Filmen<br />
Lolek und Bolek im Wilden Westen" und<br />
"<br />
from the past<br />
Loleks und Boleks große Reise" gibt es dabei<br />
"<br />
noch 15 weitere, kürzere Filme mit den lustigen<br />
Abenteuern des <strong>kult</strong>igen Brüderpaares<br />
zu sehen, von Tola hat Geburtstag" über Lo-<br />
" "<br />
lek und Bolek in Spanien" und "<br />
Abenteuer auf<br />
zwei Rädern" bis zu "<br />
Die Seefahrt".<br />
(Icestorm Distribution, 4 DVDs, 315 Min.)<br />
ARMEE IM SCHATTEN<br />
Starker Film aus der Zeit des französischen<br />
Widerstands gegen die deutsche Besatzung im<br />
Zweiten Weltkrieg, 1969<br />
von Jean-Pierre Melville<br />
mit Schauspielern wie Lino<br />
Ventura, Simone Signoret,<br />
Jean-Pierre Cassel und Paul<br />
Crauchet in Szene gesetzt.<br />
Ein Film, der mit seiner<br />
Atmosphäre und der realistischen<br />
Darstellung der<br />
Härten des Krieges überzeugt und bei dem es<br />
Regisseur Melville hervorragend gelingt, den<br />
teuflischen Kreis aus Loyalität, Verrat, Hass<br />
und Liebe zum Thema zu machen.<br />
(Studiocanal, 145 Min.)<br />
ASTERIX IN AMERIKA<br />
Keine Frage, ohne ihren Zaubertrank wären<br />
die Gallier um Asterix und Obelix ganz normale<br />
Dörfler im Weltreich<br />
des großen Cäsar. Als der<br />
große Imperator diese<br />
Tatsache erkennt, lässt er<br />
den Erschaffer des Zaubertranks,<br />
den Druiden Miraculix,<br />
übers Meer ans Ende<br />
der Welt entführen, wo er<br />
über den Rand der Erdscheibe<br />
geworfen werden soll. Doch Asterix<br />
und Obelix folgen den Entführern und erleben<br />
fortan zahlreiche Abenteuer mit finsteren Medizinmännern,<br />
wilden Indianerstämmen und<br />
den üblichen Schlägereien. Natürlich bekommt<br />
Cäsar <strong>am</strong> Ende des Ausfluges in die neue Welt<br />
eine weitere Lektion erteilt, ohne Zweifel gehört<br />
dieser 1994 entstandene Zeichentrickfilm<br />
zum Pflichtprogr<strong>am</strong>m für Asterix-Fans.<br />
(Studiocanal, 85 Min.)<br />
ROBERT L. STEVENSON<br />
Obwohl der schottische Schriftsteller Robert<br />
Louis Stevenson schon mit 44 <strong>Jahre</strong>n an Tuberkulose<br />
starb, hinterließ er eine umfangreiche<br />
S<strong>am</strong>mlung an Abenteuerliteratur, Reiseerzählungen<br />
und historischen Romanen. Am<br />
bekanntesten wohl immer<br />
noch der Jugendbuchklassiker<br />
Die Schatzinsel",<br />
"<br />
deren Fortsetzungsgeschichte<br />
mit dem Titel Die "<br />
Schatzinsel 2" mit Robert<br />
Newton und Rod Raylor<br />
verfilmt wurde und nun<br />
als einer von drei Filmen<br />
in der Robert L. Stevenson"-Box dabei ist.<br />
"<br />
Die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde"<br />
"<br />
Seite 6 ■ GoodTimes 1/2015
gibt es hier in der ursprünglich von John Robertson<br />
als Stummfilm produzierten Version<br />
mit John Barrymore, Marthy Mansfield und<br />
Brandon Hurst; erst nachträglich wurden die<br />
Tonspuren hinzugefügt, was dieser Version<br />
zu einem ganz eigenen Charme verhilft. Mit<br />
St. Ives – Eine Liebesgeschichte" ist auch ein<br />
"<br />
relativ neuer Film mit dabei, 2005 verfilmte<br />
Regisseur Harry Hook mit Schauspielern wie<br />
Jean-Marc Barr, Miranda Richardson und Tim<br />
Dutton diese historische Liebes- und Abenteuergeschichte<br />
von Robert Louis Stevenson.<br />
(Starmovie/edel, 254 Min.)<br />
BILLY THE KID<br />
Auf zwei DVDs mit einer Laufzeit von rund<br />
zehn Stunden liefert diese Box neun Filme<br />
über die Pionierzeit des<br />
Wilden Westens. Nicht nur<br />
der titelgebende Billy The "<br />
Kid" wird dabei zum Thema,<br />
auch Banditenkollege<br />
Jesse J<strong>am</strong>es steht im Mittelpunkt<br />
eines dieser Filme.<br />
In den Hauptrollen gibt es<br />
einmal Jane Russell ( Geächtet"),<br />
zweimal Roy Rogers ( The Days Of<br />
"<br />
"<br />
Jesse J<strong>am</strong>es", Billy The Kid kehrt zurück") und<br />
"<br />
sechsmal Westernlegende John Wayne ( Stagecoach",<br />
Rodeo", Der schwarze Reiter", Das<br />
" " "<br />
"<br />
Gesetz des Stärkeren", Reiter der Gerechtigkeit",<br />
Im Schatten des Adlers") zu sehen. Eine<br />
"<br />
"<br />
ideale Box, um S<strong>am</strong>mlungslücken aufzufüllen.<br />
(Great Movies/edel, 2 DVDs, 600 Min.)<br />
ALFRED HITCHCOCK XXL<br />
Ohne Frage gehört Alfred Hitchcock zu den stilistisch<br />
einflussreichsten Spielfilmregisseuren<br />
aller Zeiten und etablierte dabei die Begriffe<br />
Spannung und Grusel auf seine ganz eigene<br />
Art und Weise. Sein angest<strong>am</strong>mtes Genre war<br />
der Thriller, charakteristisch<br />
seine Verbindung von<br />
Spannung und Humor. Die<br />
immer wiederkehrenden<br />
Motive seiner Filme waren<br />
Angst, Schuld und Identitätsverlust,<br />
oft variierte er<br />
auch das Thema des unschuldig<br />
Verfolgten. Die<br />
Alfred Hitchcock XXL"-Box liefert auf zwei<br />
"<br />
DVDs die Filme Die Taverne von J<strong>am</strong>aika"<br />
"<br />
(1939) mit Charles Laughton und Maureen<br />
O'Hara, Ich kämpfe um dich" (1945) mit Ingrid<br />
"<br />
Bergman und Gregory Peck, Der Mann der<br />
"<br />
zu viel wusste" (1934) mit Leslie Banks, Edna<br />
Best und Doris Day sowie die beiden Kurzfilme<br />
" Landung auf Madagaskar" und Gute Reise".<br />
"<br />
(Starmovie/edel, 2 DVDs, 335 Min.)<br />
BRAM STOKERS DRACULA<br />
1973 drehte Dan Curtis mit Jack Palance in der<br />
Titelrolle Br<strong>am</strong> Stokers Dracula". Dabei gelang<br />
"<br />
dem britischen Regisseur eine Verfilmung, die in<br />
ihrer Realitätsnähe bis heute Maßstäbe setzt, vor<br />
allem Jack Palace verleiht<br />
dem sagenumwobenen Graf<br />
Dracula eine physische Präsenz,<br />
die in der restaurierten<br />
Blu-ray-Fassung noch<br />
einmal an Tiefe gewinnt.<br />
Dass die Verfilmung schon<br />
Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> als<br />
altmodisch" bezeichnet<br />
"<br />
wurde, erhöht heute ohne Frage den Kultfaktor<br />
dieses Streifens. Dazu gibt es über drei Stunden<br />
Bonus-Material wie eine 4:3-Fernsehfassung mit<br />
alternativen Szenen, Originaltrailern und Interviews<br />
mit Jack Palace und Dan Curtis.<br />
(Starmovie/edel, 100 Min.)<br />
WESTERN KLASSIKER<br />
Mit vier Filmen von Western-Star Roy Rogers<br />
verdient sich diese DVD ihren N<strong>am</strong>en zu<br />
Recht. Denn die Themen, um die es in diesen<br />
vier Filmen geht, sind genau die, die dem Genre<br />
seine zeitlose Klasse verliehen<br />
haben: In Billy The Kid<br />
"<br />
kehrt zurück" gibt sich Roy<br />
Rogers als Billy The Kid aus,<br />
um Billys Freund Pat Garrett<br />
dabei zu unterstützen, die<br />
Ranch der Homesteaders zu<br />
verteidigen. In Arizona Kid"<br />
"<br />
werden Roy und sein Freund<br />
Gabby bei der Armee aufgenommen und in<br />
Kämpfen mit Rebellen schwer verletzt. Auch<br />
in Colorado" steht die Unionsarmee im Mittelpunkt<br />
des Geschehens, hier muss Roy Rogers<br />
"<br />
die Umstände aufklären, die die Truppe zum<br />
Rückzug zwangen. Auch bei Sheriff Of Tombstone"<br />
geht es um ein immer wiederkehrendes<br />
"<br />
Thema: Der Bürgermeister der Stadt hat einen<br />
zwielichtigen Banditen d<strong>am</strong>it beauftragt, in seiner<br />
Stadt aufzuräumen. Der will aber die Stadt<br />
übernehmen. Als Roy und sein Freund Gabby<br />
auftauchen, wird Roy mit dem Revolverhelden<br />
verwechselt, und als sich dann doch alles zum<br />
Guten zu wenden scheint und Rogers alles aufklären<br />
kann, taucht der echte Bösewicht auf ...<br />
(Starmovie/edel, 230 Min.)<br />
YPS<br />
DIE SENDUNG<br />
Ende der 70er <strong>Jahre</strong> war das<br />
Wissensmagazin "<br />
Yps" in<br />
fast jedem Jugendhaushalt<br />
zu finden, das Wort "<br />
Gimmick"<br />
fand gar Einlass in den<br />
deutschen Sprachgebrauch.<br />
Im Herbst 2012 feierte das<br />
bunt schräge Magazin ein<br />
vielbeachtetes Comeback, da lag es nahe,<br />
spannende und ungewöhnliche Alltagsphänomene<br />
im "<br />
Yps"-Style auch als bewegte Bilder<br />
umzusetzen. RTL Nitro hat dies getan, alle<br />
Folgen der ersten Staffel sind Mitte August<br />
in zwei Editionen auf DVD erschienen. Moderiert<br />
von Jan Köppen klärt "<br />
Yps – Die Sendung"<br />
ungewöhnliche Fragen, testet die neuesten<br />
Gadgets, spürt neuen Trends hinterher<br />
und überrascht mit witzigen Einspielern. Die<br />
Lifestyle-Edition hat eine Spieldauer von 120<br />
Minuten, die Sciene-Fiction-Edition läuft 140<br />
Minuten – Ehrensache, dass es zu jeder DVD<br />
auch ein Gimmick gibt!<br />
(Karussell/Universal, 2 DVDs 120 /140 Min.)<br />
DIE 3 TAGE DES CONDOR<br />
Ein unauffälliges Büro der Amerikanischen Gesellschaft<br />
für Literaturgeschichte in Manhattan<br />
ist die perfekte Tarnung für eine hochtechnisierte<br />
Organisation der CIA. Hier werden weltweit<br />
Nachrichten ges<strong>am</strong>melt, die über Krieg oder<br />
Frieden entscheiden. Agent Joe Turner kommt<br />
von der Mittagspause zurück und findet ein<br />
Massaker vor: Alle Kollegen<br />
liegen erschossen <strong>am</strong><br />
Boden. Sofort gibt er unter<br />
seinem Deckn<strong>am</strong>en "<br />
Condor"<br />
Meldung an die Zentrale<br />
– und entgeht kurz darauf<br />
nur knapp einem Anschlag.<br />
Voller Panik taucht<br />
er unter, er will und muss<br />
herausfinden, wer hinter diesem mörderischen<br />
Komplott steckt. Doch die Killer sind ihm auf<br />
den Fersen, und es bleibt ihm nur wenig Zeit.<br />
Paraderolle für Robert Redford, der in diesem<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 7
from the past<br />
1975er Agentenklassiker von Sydney Pollack die<br />
ganze Bandbreite seines Könnens zeigt.<br />
(Studiocanal, 117 Min.)<br />
CAPTAIN AMERICA<br />
RETURN OF THE SUPERAVENGER<br />
Wie frei die US-Serien-Schreiber teilweise mit<br />
Comicvorlagen umgingen, zeigt diese DVD, die<br />
mit dem etwas irreführenden<br />
Titel "<br />
Captain America – Return<br />
Of The Superavenger"<br />
angeboten wird. Denn in der<br />
1944 produzierten <strong>am</strong>erikanischen<br />
Miniserie mit 15 Episoden<br />
hat "<br />
Captain America"<br />
– der Originaltitel – so gut wie<br />
nichts mit der Marvel-Vorlage<br />
gemein, hier geht es um den Staatsanwalt Grant<br />
Gardner (Dick Purcell), der sich in seiner Freizeit<br />
als Captain America auf die Jagd nach den verbrecherischen<br />
Museumsdirektor Cyrus Maldor<br />
(Lionel Atwill) begibt. Als "<br />
Scarab" tötet dieser<br />
seine Widersacher nicht nur regelmäßig durch<br />
Vergiftung, sondern kommt auch in den Besitz<br />
einer geheimen Maschine, die mittels Ultraschall<br />
Gebäude zum Einsturz bringen kann – also genau<br />
der richtige Gegner für diesen "<br />
Captain America"!<br />
(Paragon Movies/edel, 233 Min.)<br />
ES WAR EINMAL ... DER<br />
MENSCH + ES WAR<br />
EINMAL ... UNSERE ERDE<br />
Auf drei Blu-rays bzw. sechs DVDs erscheinen<br />
Mitte November die beiden jeweils 26-teiligen,<br />
französischen Zeichentrickserien Es war einmal..."<br />
von Albert Barille. Hauptfigur ist dabei<br />
"<br />
der weise Maestro", ein bärtiger, alter Mann, der<br />
"<br />
stets im Hintergrund die einzelnen<br />
Geschichten erzählt, oft<br />
aber auch Teil des Geschehens<br />
ist. In thematisch voneinander<br />
getrennten Episoden wird hier<br />
spielerisch und auf humorvolle<br />
Art Wissen vermittelt.<br />
Aus dem Jahr 1978 st<strong>am</strong>mt<br />
... der Mensch", liefert Kapitel<br />
wie Der Neandertaler",<br />
" "<br />
Das Römische Reich", " Amerika"<br />
und Aufbruch ins 20.<br />
" Jahrhundert", ... unsere Erde"<br />
" entstand 2008 und widmet sich<br />
Themen wie Klimawandel: Der<br />
"<br />
"<br />
Treibhauseffekt", Wasser, das blaue Gold", Das<br />
" "<br />
Haus und die Stadt", Woher kommt unsere Energie"<br />
oder Neue Technologien".<br />
"<br />
"<br />
(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises, 3 Blu-rays,<br />
6<strong>50</strong> Min. + 6 DVDs, 6<strong>50</strong> Min.)<br />
INDIANER BOX XXL<br />
Diese Box eignet sich bestens, um S<strong>am</strong>mlungslücken<br />
im DVD-Regal zu schließen. Acht klassische<br />
Western, bei denen es aber nicht nur alleine um das<br />
Thema Indianer geht, gibt es auf drei DVDs zu sehen,<br />
dazu noch die Dokumentation Die Welt der<br />
"<br />
Indianer". In Filmen wie Daniel<br />
Boone", Der letzte Mo-<br />
"<br />
"<br />
hikaner", Höllenfahrt nach<br />
"<br />
Santa Fé", My West", Wyoming"<br />
oder Desert Trail"<br />
"<br />
" "<br />
begegnet man historischen Figuren<br />
wie dem Trapper Daniel<br />
Boone oder dem Mohikaner<br />
Chingachgook, dargestellt<br />
von legendären Künstlern wie John Wayne, Roy<br />
Rogers, Faron Young sowie der nächsten Schauspielergeneration<br />
wie John Cusack, John Goodman,<br />
Harvey Keitel und David Bowie.<br />
(Starmovie/edel, 3 DVDs, 699 Min.)<br />
LOUIS DE FUNÈS<br />
COLLECTION<br />
Über die Qualitäten des französischen Komikers<br />
Louis de Funès muss an dieser Stelle nicht<br />
mehr gesprochen werden, mit zahlreichen Klassikern<br />
hat er sich bei Filmfans unsterblich gemacht.<br />
In der Anfang September<br />
veröffentlich ten<br />
Louis de Funès Collection"<br />
gibt es nun erstmals<br />
"<br />
drei seiner besten Filme<br />
als Blu-rays. Als Restaurantkritiker<br />
hat er sich in<br />
Brust oder Keule" vorgenommen,<br />
den r<strong>am</strong>po-<br />
"<br />
nierten Ruf der französischen Küche wieder<br />
aufzupolieren; ein Unterfangen, das, noch dazu<br />
mit seinem alles andere als motivierten Sohn<br />
im Schlepptau, nur scheitern kann. In Die "<br />
große Sause" ist Paris während des Zweiten<br />
Weltkriegs von deutschen Truppen besetzt.<br />
Als eine Royal-Air-Force-Maschine bei einem<br />
Aufklärungsflug über der Stadt von der Wehrmacht<br />
abgeschossen wird, kann sich die Besatzung<br />
noch rechtzeitig mit einem Fallschirm<br />
retten. Doch im besetzten Paris ist es für die<br />
britischen Piloten schwer unterzutauchen. Sie<br />
bekommen aber Unterstützung von zwei Pa-<br />
JOHN WAYNE<br />
STERNSTUNDEN<br />
Auf zwei DVDs liefert diese Box vier Filme von<br />
John Wayne. In Shadow Of The Eagle" spielt<br />
"<br />
er einen Piloten einer Flugshow, dessen Besitzer<br />
beschuldigt wird, Drohungen gegen verschiedene<br />
Firmen in den Himmel zu schreiben". Doch Wayne<br />
glaubt an die Unschuld seines Chefs und ver-<br />
"<br />
sucht mit allen Mitteln (und rasanten Flugmanövern),<br />
den wirklichen Eagle" zu finden. In San<br />
" "<br />
Francisco Lilly" spielt er einen Cowboy, der auf<br />
dem Weg nach San Francisco<br />
ist, um dort von einem Barbesitzer<br />
Schulden einzutreiben.<br />
Doch im Kartenspiel gegen<br />
ihn verliert er seinen ges<strong>am</strong>ten<br />
Besitz, und schnell wird klar,<br />
dass hier gezinkte Karten im<br />
Spiel waren. Um seinen Hab<br />
und Gut zurückzugewinnen,<br />
lässt er sich im Kartenspielen ausbilden und fordert<br />
Revanche. In California Goldrausch" spielt<br />
"<br />
John Wayne einen Arzt in den Tagen des kalifornischen<br />
Goldrausches. Nachdem er die skrupellosen<br />
Machenschaften eines Politikers aufgedeckt<br />
hat, der sich auf Kosten der Rancher bereichert<br />
hat, setzt er sich an die Spitze der Revolte gegen<br />
diese Ungerechtigkeit. In Desert Trail" wird<br />
"<br />
der Rodeoreiter John Scott fälschlicherweise für<br />
einen Mord verantwortlich gemacht und vom<br />
Sheriff verfolgt und inhaftiert. Doch nachdem ihn<br />
ein Unbekannter aus dem Gefängnis befreit hat,<br />
machen sie sich gemeins<strong>am</strong> auf die Suche nach<br />
dem wahren Mörder.<br />
(Starmovie/edel, 2 DVDs, 407 Min.)<br />
INSPECTOR<br />
MORSE<br />
STAFFEL 1<br />
Als Vorgänger der höchst<br />
erfolgreichen "<br />
Lewis"-Serie<br />
ging John Thaw Ende der<br />
80er <strong>Jahre</strong> als "<br />
Inspector<br />
Morse" auf Verbrecherjagd.<br />
Auf vier DVDs gibt es nun<br />
vier dieser Filme in der englischen Sprachfassung<br />
mit deutschen Untertiteln in einer Box. Morse<br />
ist ein richtiger Eigenbrötler, mag Bier ( "<br />
There's<br />
always time for one more pint"), guten Scotch und<br />
klassische Musik. Penibel und antiquiert löst er<br />
seine Fälle, und mit seinen Ermittlungsmethoden<br />
ist Inspector Morse genau der Richtige für hochklassige,<br />
britische Krimi-Unterhaltung.<br />
(ITV Studios/edel, 410 Min.,<br />
Engl. mit dt. Untertiteln)<br />
MISSION: IMPOSSIBLE<br />
IN GEHEIMER MISSION SEASON 1.1<br />
In neuem Gewand kehrt hier ein Klassiker unter<br />
den Fernsehserien zurück: Mission: Impossible",<br />
früher unter dem N<strong>am</strong>en<br />
" Kobra, übernehmen Sie"<br />
"<br />
bekannt. Nach dem Mord an<br />
seinem Nachfolger kehrt Jim<br />
Phelps in den aktiven Dienst<br />
zurück. Er verpflichtet neue<br />
Agenten, um weitere Fälle zu<br />
lösen, baut sich ein Te<strong>am</strong> aus<br />
dem Verwandlungskünstler<br />
Nicholas, dem Muskelmann Max, der hübschen<br />
Casey und dem Elektronikspezialisten Grant auf.<br />
15 <strong>Jahre</strong> nach der Originalserie Kobra, übernehmen<br />
Sie" kehrte Peter Graves in seiner Pa-<br />
"<br />
raderolle als Jim Phelps zurück, auf drei DVDs<br />
gibt es hier als deutsche Erstveröffentlichung<br />
zehn Missionen der <strong>kult</strong>igen Geheimagenten zu<br />
sehen.<br />
(Explosive Media/Alive, 482 Min.)<br />
Seite 8 ■ GoodTimes 1/2015
iser Bürgern, die ihnen zur Flucht verhelfen<br />
wollen. Bei "<br />
Louis und seine außerirdischen<br />
Kohlköpfe" sind die beiden Nachbarn Claude<br />
und Chérasse gute Freunde, die viel ihrer Zeit<br />
miteinander verbringen. Vor allem ihre Leidenschaft<br />
für Kohl und die daraus zubereitete<br />
Suppe schweißt die beiden zus<strong>am</strong>men, so dass<br />
sie durch diese Leidenschaft schon zahlreiche<br />
geschmackliche Genüsse erlebt haben. Als sie<br />
sich eines Abends wieder einmal einem dieser<br />
Kohlsuppenexzesse hingeben und danach<br />
den dadurch entstandenen Gasen freies Geleit<br />
lassen, locken sie d<strong>am</strong>it einen außerirdischen<br />
Besucher an, der schon bald Gefallen an ihrer<br />
selbst gekochten Kohlsuppe findet.<br />
(Studiocanal/edel, 3 Blu-rays, 331 Min.)<br />
NOSFERATU + DAS CABINET<br />
DES DR. CALIGARI<br />
Immer noch gehört F.W. Murnaus erste Adaption<br />
von Br<strong>am</strong> Stokers Dracula" zu den beeindrucktesten<br />
Horrorfilmen aller Zeiten, vor allem<br />
"<br />
da er seine Wirkung nicht aus der blutrünstigen<br />
Inszenierung physischer Gewalt oder durch<br />
eine künstliche Studio-Atmosphäre erzielt. Das<br />
Grauen entsteht aus dem Kontrast zwischen<br />
der Starrheit des V<strong>am</strong>pirs<br />
Nosferatu und dem Ungestüm<br />
des jugendlichen<br />
Helden Hutter, dazu noch<br />
aus der Gegensätzlichkeit<br />
des kargen, trostlosen<br />
Karpatenschlosses und der<br />
Biedermeieratmos phäre<br />
der Stadt Wisborg. Neben<br />
einem 20-seitigem Booklet liefert die Blu-ray<br />
als Bonus-Material eine gut <strong>50</strong>-minütige Doku<br />
über Murnau sowie eine 25-minütige 8mm-Fassung<br />
des Filmes. Auch die<br />
restaurierte Blu-ray-Version<br />
des Stummfilmklassikers<br />
Das Cabinet des<br />
"<br />
Dr. Caligari" bietet neben<br />
dem knapp 80-minütigen<br />
Hauptfilm eine knappe<br />
Stunde Bonus-Material,<br />
Doku über die Entstehung des Filmes sowie ein<br />
interessantes Making-Of" der digitalen Restaurierung<br />
mit Beispielen. "<br />
(Universum Film, 173 Min. + 135 Min.)<br />
SHAKESPEARE BOX<br />
Dass sich Shakespeare-Dr<strong>am</strong>en bestens zur<br />
Verfilmung eignen, ist kein Geheimnis. In<br />
dieser Box werden die Filme The Tempest<br />
"<br />
(der Sturm)" und Wie es euch gefällt" zus<strong>am</strong>mengefasst.<br />
In der 2010er "<br />
Fassung von The Tempest"<br />
der "<br />
<strong>am</strong>erikanischen<br />
Theaterregisseurin Julie<br />
Taymor ist die Hauptfigur<br />
weiblich und heißt Prospera.<br />
Die Geschichte spielt<br />
in der Zeit des 16. und 17.<br />
Jahrhundert, als Frauen,<br />
die sich mit Magie und Alchemie beschäftigten,<br />
oft der Hexerei angeklagt wurden. Von<br />
ihrem Bruder wird Prospera zus<strong>am</strong>men mit<br />
ihrer vierjährigen Tochter mit einem Schiff<br />
fortgeschickt. Sie landet auf einer Insel ohne<br />
Gesellschaftsform und wird dort schnell zu<br />
einer Führungsfigur. Das führt zum Machtk<strong>am</strong>pf<br />
zwischen Prospera und dem bisherigen<br />
Herrscher Caliban, ein K<strong>am</strong>pf, der nicht mit<br />
Muskelkraft, sondern mit dem Intellekt ausgetragen<br />
wird. In den Hauptrollen sind Helen<br />
Mirren, Djmon Hounson, Alfred Molina, Ben<br />
Wishaw und Russell Brand zu sehen. 1936<br />
war "<br />
Wie es euch gefällt" einer der ersten<br />
Shakespeare-Tonfilme, auch für Laurence<br />
Olivier (hier zus<strong>am</strong>men mit Elisabeth Bergner)<br />
war diese stark theaterhafte Adaption<br />
eine seiner ersten Hauptrollen, auf die später<br />
(teilweise auch als Regisseur und Produzent)<br />
zahlreiche weiter Shakespeare-Verfilmungen<br />
folgten.<br />
(Starmovie/edel, 201 Min.)<br />
SEIN ODER NICHTSEIN<br />
1942 inszenierte der deutschstämmige Regisseur<br />
Ernst Lubitsch im <strong>am</strong>erikanischen Exil diese<br />
immer noch faszinierende<br />
Komödie, die mit<br />
den Waffen der Satire die<br />
deutsche Wehrmacht und<br />
die Gestapo der Lächerlichkeit<br />
preisgibt. Denn<br />
ebenso scharfsinnig, wie<br />
die Theaterschauspieler<br />
in Lubitschs Meisterwerk<br />
die Mittel der Kunst in den Dienst des Widerstandes<br />
gegen die Besatzungsmacht stellen, so<br />
nutzt Lubitsch die Möglichkeiten dieses Films,<br />
um mit dem Nationalsozialismus abzurechnen.<br />
So gelang ihm die perfekte Verschmelzung von<br />
Ehekomödie und Politsatire, widmet er sich mit<br />
gleicher Leidenschaft dem Menschlichen wie<br />
dem Politischen. Ein Film, der dazu nichts von<br />
seiner politischen Aussagekraft verloren hat,<br />
vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass<br />
er erst 1960 – nach heftigen Kontroversen –<br />
seine Premiere in den deutschen Kinos erleben<br />
durfte.<br />
(Studiocanal, 100 Min.)<br />
Das Beste der 70er,<br />
80er und 90er <strong>Jahre</strong><br />
R und © 2014 Ses<strong>am</strong>e Workshop. Alle Rechte vorbehalten.<br />
2<br />
DVDs<br />
2<br />
2<br />
GoodTimes DVDs 1/2015 ■ Seite 9DVDs<br />
Jetzt<br />
auf DVD!
TIMM THALER<br />
Regisseur Sigi Rothemund drehte Ende der 70er<br />
<strong>Jahre</strong> mit Thomas Ohrner in der Titelrolle und<br />
Horst Frank als fiesem Gegenspieler die 13-teilige<br />
Serie Timm Thaler", die 1979 als erste<br />
"<br />
Weihnachtsserie vom ZDF ausgestrahlt wurde.<br />
Dem herzlichen und ansteckenden Lachen von<br />
Timm Thaler kann sich keiner entziehen, diese<br />
Eigenschaft will sich der düstere<br />
Geschäftsmann Baron<br />
de Lefouet zunutze machen<br />
und bietet einen Handel an:<br />
Für sein Lachen wird Timm<br />
jede Wette gewinnen. Doch<br />
erst nachdem Timm sich auf<br />
diesen Handel eingelassen<br />
hat erkennt er, dass dies ein<br />
Fehler war. Er reißt von zu Hause aus und versucht<br />
auf eigene Faust, sein Lachen wieder zurückzugewinnen.<br />
Auf zwei DVDs gibt es jetzt diesen<br />
Straßenfeger aus den 70er <strong>Jahre</strong>n in digital restaurierter<br />
Fassung, ein herrliches Vergnügen, das<br />
dazu noch wunderbar nostalgische Erinnerungen<br />
an lange vergangene (Weihnachts-)Zeiten bietet.<br />
(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises, 2 DVDs, 325 Min.)<br />
THUNDERBIRDS ARE GO /<br />
THUNDERBIRDS 6<br />
Mitte der 60er <strong>Jahre</strong> wurde diese Marionetten-<br />
Science-Fiction-Serie in England produziert,<br />
insges<strong>am</strong>t wurden, verteilt auf zwei Staffeln,<br />
32 Folgen mit den Abenteuern der international<br />
operierenden Rettungstruppe<br />
ausgestrahlt. Das Hauptquartier<br />
der Thunderbirds<br />
liegt auf einer versteckten<br />
Insel im Pazifik, von dort aus<br />
koordiniert der ehemalige<br />
Astronaut Jeff Tracy deren<br />
Einsätze. Ihm zur Seite stehen<br />
seine fünf Söhne, von<br />
denen jeder ein spezielles Flugzeug/Raumschiff<br />
für unterschiedliche Arten von Rettungseinsätzen<br />
zur Verfügung hat. Zusätzlich werden die Tracys<br />
vom Genie Brains unterstützt, der für die vielen<br />
Erfindungen zuständig ist, sowie vom Diener der<br />
F<strong>am</strong>ilie, Kyrano, und dessen Tochter TinTin. Bei<br />
ihren Einsätzen, bei denen die örtlichen Hilfstruppen<br />
so gut wie immer überfordert sind, können<br />
die Tracys Dank ihrer technisch fortschrittlichen<br />
Einsatzfahrzeuge erfolgreich helfen. Oft sind die<br />
Unglücksfälle, bei denen "<br />
International Rescue"<br />
eingreifen muss, vom Dauerbösewicht The Hood<br />
verursacht worden, dessen tatsächlicher N<strong>am</strong>e<br />
niemals bekannt wird. Bei dessen Bekämpfung<br />
erhalten die Tracys auch Unterstützung von der<br />
britischen Agentin Lady Penelope Creighton-<br />
Ward, die an ihre Einsatzorte mit einem stark um<br />
technische Spielereien erweiterten Rolls-Royce<br />
mit der Bezeichnung Fab1 gelangt. Der wohl<br />
größte Pluspunkt dieser Serie ist die unglaublich<br />
ideenreiche Gestaltung der Szenerie, bei jedem<br />
neuen Durchlauf entdeckt man neue Details; und<br />
dadurch, dass die Geschichten in der ganzen Welt<br />
spielen, sind auch in dieser Hinsicht der Fantasie<br />
keine Grenzen gesetzt. Dicke Empfehlung, auch<br />
für alle TV-Fans, die die 1968er Erstausstrahlung<br />
dieser Serie in der ARD – warum auch immer –<br />
nicht gesehen haben!<br />
(Concorde Home Entertainment,<br />
2 DVDs/Blu-ray)<br />
BILITIS<br />
Rund 1,5 Millionen deutsche<br />
Kinobesucher machten<br />
Bilitis" 1977 zu einem<br />
"<br />
der erfolgreichsten Erotikfilme<br />
aller Zeiten. Regisseur<br />
David H<strong>am</strong>ilton, der<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits<br />
als Meister der erotischen Fotografie zu Weltruhm<br />
gelangt war, setzte mit diesem Film neue<br />
Maßstäbe bei der Inszenierung von Sinnlichkeit<br />
auf der Kinoleinwand. Auch der Soundtrack von<br />
Francis Lai eroberte die Charts und ist bis heute<br />
unverkennbar geblieben. Mit weichgezeichneten,<br />
mehr verbergenden als zeigenden Bildern erzählt<br />
H<strong>am</strong>ilton die Geschichte der 17-jährigen Internatsschülerin<br />
Bilitis, die ihre Sommerferien an<br />
der Cote d'Azur bei ihrer erwachsenen Freundin<br />
Melissa verbringt. Dabei verliebt sich Bilitis in<br />
den jungen Fotografen Lucas, während sie sich<br />
gleichzeitig zu Melissa hingezogen fühlt. Es beginnt<br />
eine Zeit voller erotischer Versuchungen und<br />
zärtlicher Leidenschaft. Zum ersten Mal erscheint<br />
Bilitis" in Deutschland auf Blu-ray, in aufwändig<br />
"<br />
digital restaurierter Fassung und Full HD.<br />
(Busch Media Group/Alive, 94 Min.)<br />
SESAMSTRASSE CLASSICS<br />
DIE 90er JAHRE<br />
Als zu Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> die deutsche Version<br />
der <strong>am</strong>erikanischen "<br />
Ses<strong>am</strong>e Street" auf Sendung<br />
ging, konnte wohl kaum einer ahnen, dass<br />
sich diese Vorschulsendung zu einer der erfolgreichsten<br />
Serien der deutschen TV-Geschichte<br />
entwickeln würde. Auch im neuen Jahrtausend<br />
gehört die "<br />
Ses<strong>am</strong>straße" immer noch zu den beliebtesten<br />
Kinderprogr<strong>am</strong>men, begeistern Ernie<br />
und Bert, Grobi, das Krümelmonster<br />
und die anderen<br />
Charaktere Jung und Alt.<br />
Auf zwei Discs zeigt diese<br />
Ausgabe der "<br />
Ses<strong>am</strong>straße<br />
Classics" über drei Stunden<br />
lang digital remasterte Höhepunkte<br />
und Klassiker aus<br />
den <strong>Jahre</strong>n 1990 bis 1999,<br />
dazu gibt es als Special Features fünf Originalfolgen<br />
in ganzer Länge, ein Highlight-Progr<strong>am</strong>m<br />
aus den 90ern sowie ein ausführliches Booklet mit<br />
Hintergrundinformationen.<br />
(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises,<br />
2 DVDs, 200 Min.)<br />
from the past<br />
Bücher + Comics<br />
AUF FREIHEIT<br />
ZUGESCHNITTEN:<br />
EMILIE FLÖGE – MODESCHÖPFERIN<br />
UND GEFÄHRTIN GUSTAV KLIMTS<br />
Von Margret Greiner<br />
2014, K & S Verlag<br />
ISBN 978-3-21800-933-1<br />
304 Seiten; 24 Ð<br />
<strong>Jahre</strong> vor Coco Chanel befreite Emilie Flöge die<br />
Frauen von Mieder und Korsett. Gemeins<strong>am</strong><br />
mit ihren zwei Schwestern betrieb sie in Wien<br />
den Salon Flöge: Wer in der d<strong>am</strong>aligen Gesellschaft<br />
etwas auf sich hielt, der ließ sich ein<br />
Haus von Josef Hoffmann bauen und einrichten,<br />
seine Frau von Gustav<br />
Klimt malen und von Emilie<br />
Flöge einkleiden. Adele<br />
Bloch-Bauer, Margarete<br />
Wittgenstein-Stonborough,<br />
Berta Zuckerkandl und Clarisse<br />
Rothschild liebten ihren<br />
bahnbrechenden neuen<br />
Stil. In Form eines Romans<br />
erzählt Margret Greiner das<br />
Leben der Emilie Flöge, die Gustav Klimt bereits<br />
als junges Mädchen kennen lernte und die<br />
dem schwierigen und extravaganten Künstler<br />
bis zu seinem Tod eine verlässliche Gefährtin<br />
jenseits aller konventionellen Liebesbeziehungen<br />
war. Die Biografie zeichnet dabei das<br />
Bild einer Frau, die unbeirrt ihren Weg ging und<br />
– beruflich äußerst erfolgreich – einen völlig<br />
neuen Mode-Stil kreierte. Ihre für die d<strong>am</strong>alige<br />
Zeit ungewöhnliche finanzielle Unabhängigkeit<br />
ermöglichte es ihr auch, ihr Privatleben selbst<br />
zu gestalten. Sie heiratete nie, blieb in freier<br />
Entscheidung kinderlos, verweigerte sich allen<br />
gängigen Rollenklischees. Basierend auf den<br />
Erkenntnissen der gegenwärtigen Forschung,<br />
geht das Buch über das rein Faktische hinaus<br />
und zeichnet in einer Mischform aus Roman<br />
und Dokumentarbericht das Lebensbild einer<br />
wahrhaft außergewöhnlichen Frau.<br />
DAS KLEINE BUCH DER<br />
MODE<br />
Von Christian Dior<br />
2014, Eden Books<br />
ISBN 978-3-94429-657-9<br />
128 Seiten; 14,95 Ð<br />
Vor 60 <strong>Jahre</strong>n, 1954, veröffentlichte<br />
Christian Dior<br />
erstmals sein persönliches<br />
Mode-Handbuch. Von A bis<br />
Z werden darin alle wichtigen Stichworte aus<br />
dem Bereich der Mode abgehandelt, über die<br />
jede stilbewusste Frau Bescheid wissen sollte –<br />
seien es Schnitte, Farben oder Materialien. Bis<br />
heute hat Diors <strong>kult</strong>ige Modebibel nichts von<br />
Seite 10 ■ GoodTimes 1/2015
ihrer Gültigkeit verloren; der klassische Look,<br />
der Dior berühmt machte, überzeugt durch seine<br />
zeitlose Eleganz und liegt nach wie vor voll<br />
im Trend. Das liebevoll gestaltete Büchlein mit<br />
herrlichem Vintage-Charme ist daher immer<br />
noch ein wichtiger Ratgeber für alle Frauen, die<br />
sich für Mode interessieren.<br />
MEINE TAGE IN GELBEN<br />
SOCKEN<br />
Morten Grunwald<br />
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag<br />
ISBN: 978-3-86265-374-4<br />
232 Seiten; 24,95 Ð<br />
Der 79-jährige dänische Schauspieler Morten<br />
Grunwald hatte im Laufe seiner Karriere etliche<br />
Rollen gespielt, eine davon machte ihn aber<br />
besonders populär. Nämlich die des immer in<br />
zu kurzen Hosen, braunkarierten Sakkos und<br />
gelben Socken gekleideten, leicht tänzelnden<br />
Benny Frandsen, den er seit 1968 30 <strong>Jahre</strong> lang<br />
in 14 Krimikomödien darstellte. Benny bildete<br />
mit seinen Freunden Egon Olsen und Kjeld Jensen<br />
die Olsenbande, die <strong>am</strong> Anfang eines jeden<br />
Films den mit einem neuen Plan ausgestatteten<br />
Bandenchef Egon nach der Entlassung vom<br />
Knast abholen, um dann bei der Umsetzung des<br />
neuen Coups jedesmal sympathisch zu scheitern.<br />
Nun legt Grunwald seine Biografie vor, und es<br />
ist vor allem ein großes Erinnerungsalmanach<br />
der Olsenbande. Absolut<br />
kurzweilig berichtet<br />
der Schauspieler<br />
von den Anfängen der<br />
Olsenbande und der<br />
Zus<strong>am</strong>menarbeit mit<br />
den Kollegen wie Ove<br />
Sprogøe (Egon Olsen), Poul Bundgaard (Kjeld)<br />
sowie den Filmemachern Henning Bahs und<br />
Erik Balling. Das Buch lebt von unzähligen, bisher<br />
unbekannten Anekdoten. Grunwald ist als<br />
Buchautor ein ähnlicher Spaßvogel wie als Benny.<br />
Der Standardslogan des Benny in den Filmen<br />
war immer Mächtig gewaltig". Das lässt sich<br />
"<br />
auch zum vorliegenden Buch sagen, das ein schickes<br />
Querformat hat, reichlich bebildert und mit<br />
einem Vorwort des Der Turm"-Schriftstellers<br />
"<br />
Uwe Tellk<strong>am</strong>p versehen ist.<br />
DAS KLEINE 80er<br />
JAHRE QUIZ<br />
2014, Huch! & friends<br />
ISBN 978-3-98145-736-0<br />
100 Fragen; 4,99 Ð<br />
Wie hieß Alf aus der gleichn<strong>am</strong>igen<br />
Serie mit richtigem men? Wer verhalf Aerobic zum<br />
weltweiten Durchbruch? Welcher afrikanische<br />
Na-<br />
Staat wurde 1980 unabhängig? Welche Uhr k<strong>am</strong><br />
1983 auf den Markt? Wer wurde im Dezember<br />
1980 zu Europas Fußballer des <strong>Jahre</strong>s gewählt?<br />
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Vokuhila?<br />
Bei welchem Tanz bewegte man in den 80ern die<br />
Ellenbogen auf und ab, machte Kniebeugen und<br />
klatschte in die Hände? Ja, ja, die 80er waren in<br />
so manchen Dingen schon eine höchst selts<strong>am</strong>e<br />
Zeit, in 100 Fragen führt "<br />
Das kleine 80er <strong>Jahre</strong><br />
Quiz" zurück in diese Zeit. D<strong>am</strong>it es nicht ganz<br />
so schwer wird, gibt es für jede Frage vier Antworten<br />
zur Auswahl, von denen eine die richtige<br />
ist, Lösungen jeweils auf der Rückseite der Fragekarten.<br />
Ach ja, Alf hieß übrigens mit richtigem<br />
N<strong>am</strong>en Gordon Shumway und st<strong>am</strong>mte vom<br />
Planeten Melmac, hätten Sie's (noch) gewusst?<br />
DAS SCIENCE FICTION<br />
JAHR 2014<br />
Von Sascha M<strong>am</strong>czak, Sebastian<br />
Pirling, Wolfgang Jeschke<br />
2014, Heyne<br />
ISBN 978-3-45331-580-8<br />
976 Seiten; 36,99 Ð<br />
Im jährlich publizierten Science-Fiction-Jahrbuch<br />
findet<br />
sich auch diesmal ein ausgewogener<br />
Mix aus kritischen<br />
und erhellenden Beiträgen,<br />
Besprechungen diverser<br />
Medien (Film, Buch, Spiele,<br />
Comic und Hörbuch) und Marktbeobachtungen.<br />
Aufsätze zur Möglichkeit der positiven Utopie<br />
innerhalb des Genres, eine Analyse der Autoren<br />
Orson Scott Card und Arno Schmidt, ein wissenschaftlicher<br />
Bericht über Weltraumteleskope und<br />
ein gelungener Abriss zum Phänomen Planet "<br />
der Affen" informieren nicht nur, sondern geben<br />
auch wichtige Denkanstöße. Während die<br />
Buchbesprechungen von Autoren wie S<strong>am</strong>uel R.<br />
Delany, Dimitry Glukhovsky, David Lodge und<br />
J<strong>am</strong>es Tiptree Jr. seriös ausfallen, transportieren<br />
einige Filmbesprechungen unterhalts<strong>am</strong>en Spott<br />
und Häme, was aber bei dem Kl<strong>am</strong>auk aus dem<br />
Jahr 2013 wie Jack And The Giants" oder Under<br />
The Dome" nachvollziehbar ist. Erstklassig!<br />
" "<br />
Ab nächstem Jahr wird das Jahrbuch nicht mehr<br />
bei Heyne erscheinen, sondern beim Golkonda-<br />
Verlag.<br />
THE BEATLES ILLUSTRATED<br />
LYRICS<br />
Von Alan Aldridge<br />
2014, Omnibus Press<br />
ISBN 978-1-78038-825-0<br />
224 Seiten; 32,25 Ð<br />
1969 illustrierte Alan Aldrige zum ersten Mal dieses<br />
Buch voller Songtexte der Beatles, nach zahlreichen<br />
Neuauflagen (und einem zweiten Teil, der<br />
1971 veröffentlicht wurde) ist The Beatles Illustrated<br />
Lyrics" nun gerade wieder frisch aufgelegt<br />
"<br />
worden. Dass die Aktualität dieses dicken Wälzers<br />
immer noch ungebrochen ist, liegt natürlich<br />
einerseits daran, dass die Musik von John, Paul,<br />
George und Ringo immer noch so gut klingt wie<br />
vor <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n. Andererseits ist es Aldridge aber<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 11<br />
auch gelungen, mit seinen<br />
Illustrationen den Geist der<br />
Texte in Bilder umzusetzen;<br />
von Collagen-haften<br />
Bildern über Fotografien<br />
bis zu surrealistischen<br />
Zeichnungen reicht das<br />
Spektrum seiner Arbeiten,<br />
immer wieder bleibt man beim Durchblättern<br />
staunend irgendwo hängen, kann man sich der<br />
Faszination dieser einmaligen Kombination aus<br />
Beatles-Texten und ungewöhnlicher Bildsprache<br />
kaum entziehen.<br />
1001 IDEEN, DIE UNSER<br />
DENKEN BEEINFLUSSEN<br />
Von Robert Arp (Hrsg.)<br />
2014, Edition Olms<br />
ISBN 978-3-28301-173-4<br />
960 Seiten; 29,95 Ð<br />
Die überaus erfolgreiche 1001"-Serie, in<br />
"<br />
der bislang unter anderem Titel über Comics,<br />
Filme, Alben und Autos erschienen sind, kann<br />
mit einem neuen Titel aufwarten,<br />
der es in sich hat.<br />
Von renommierten Geisteswissenschaftlern<br />
zus<strong>am</strong>mengestellt<br />
und erstklassig<br />
übersetzt, werden hier<br />
revolutionäre Denkansätze<br />
vorgestellt. Von der Psychoanalyse<br />
über den Anarchismus<br />
und die Fibonacci-Folge bis hin zu<br />
Fairtrade, Karma oder Black Power kann der<br />
Leser innerhalb kürzester Zeit seinen Wissensschatz<br />
bereichern. Der hervorragend illustrierte<br />
Band eignet sich sowohl als Lexikon als auch<br />
als Reiseführer durch die Jahrhunderte des Denkens,<br />
denn er beginnt chronologisch um circa<br />
1.6000.000 v. Chr. mit der Kontrolle über das<br />
"<br />
Feuer" und endet 2012 mit den neuesten Erkenntnissen<br />
zur Genetik. Wertvoll und ein ideales<br />
Weihnachtsgeschenk.<br />
VESPA: DIE GESCHICHTE<br />
DES KULTKLASSIKERS IM<br />
BILD<br />
Von Günther Uhlig<br />
2014, Motorbuch Verlag<br />
ISBN 978-3-61303-672-7<br />
272 Seiten; 29,90 Ð<br />
Die Bücher aus dem Motorbuch Verlag sind für<br />
ihre hohe Qualität bekannt Auch der aktuelle Band<br />
spiegelt das Niveau wider, denn Günther Uhlig<br />
würdigt hier die Vespa –<br />
der Kultroller überhaupt<br />
– nicht nur durch zahlreiche<br />
Bilder, sondern<br />
auch durch kurze, aber äußerst<br />
fundierte Texte. Vom<br />
Beginn ihres Siegeszuges<br />
im sonnigen Italien über
from the past<br />
die düsteren Winkel Sohos, wo die Mods in den<br />
Sechzigern die Straßen unsicher machten, bis hin<br />
zu aktuellen Modellen wie der fetzig wirkenden<br />
XV 946 reicht die Darstellung. Fotos von Treffen<br />
der Vespa-Fans, aus Museen, sogar von Vespas<br />
mit Beiwagen oder exotischen Einsatzorten<br />
(Thailand) werden von Uhligs Texten erläutert,<br />
wobei der Leser deutlich merkt, dass er es hier<br />
mit einem waschechten Fan zu tun hat, denn die<br />
Leidenschaft für das Thema und der Spaß an den<br />
Details werden offensichtlich. Pflichtlektüre!<br />
SCHLAFENDE HUNDE<br />
Von Ian Rankin<br />
2014, Manhattan<br />
ISBN 978-3-44254-723-4<br />
462 Seiten; 19,90 Ð<br />
Ian Rankin zählt mittlerweile<br />
zu den beliebtesten Krimiautoren<br />
Großbritanniens und<br />
wurde mit dem Order Of The<br />
British Empire ausgezeichnet.<br />
Von Pete Townshend von The<br />
Who hochgelobt – obwohl die<br />
Hauptfigur John Rebus ständig Rolling-Stones-<br />
Platten hört –, begeistert Rankin nicht nur das<br />
anspruchsvolle Publikum, sondern auch den ganz<br />
normalen Leser. In "<br />
Schlafende Hunde" kehrt der<br />
pensionierte Detective Sergeant Rebus wieder in<br />
den Polizeidienst zurück. Vor dem Hintergrund<br />
des schottischen Referendums zur Unabhängigkeit<br />
muss er mit seiner ehemals untergebenen<br />
Kollegin Siobhan Clarke einen komplizierten<br />
Fall erneut aufrollen, dessen Wurzeln mehr als<br />
30 <strong>Jahre</strong> zurückliegen. Die Ergebnisse verblüffen<br />
nicht nur ihn. Eine spannende Handlung, die ausgearbeiteten<br />
Charaktere, die der Leser förmlich<br />
vor den eigenen Augen visualisieren kann und<br />
speziell die "<br />
schottische Perspektive" vereinen<br />
sich zu einem empfehlenswerten Roman.<br />
DER INOFFIZIELLE GAME &<br />
WATCH SAMMLERKATALOG<br />
Von David Gschmeidler und<br />
Gerhard Meyer<br />
2013, Selbstverlag, www.g<strong>am</strong>eandwatch.at<br />
ISBN 978-3-20003-384-9<br />
208 Seiten; Standard: 39,95 Ð<br />
(Hardcover 59,59 Ð)<br />
Über zwei <strong>Jahre</strong> haben die beiden Autoren David<br />
Gschmeidler und Gerhard Meyer an diesem einzigartigen<br />
S<strong>am</strong>mlerkatalog gearbeitet, haben in<br />
aufwändiger Arbeit die wichtigsten Daten über<br />
die <strong>kult</strong>igen 80er-<strong>Jahre</strong>-LCD-Spiele der japanischen<br />
Firma Nintendo zus<strong>am</strong>mengetragen.<br />
Dabei richtet sich<br />
dieser Katalog ebenso an bein-<br />
harte S<strong>am</strong>mler wie an interessier-<br />
te Quereinsteiger, die sich über<br />
den großen Themenkomplex<br />
der G<strong>am</strong>e & Watch-Geräte<br />
informieren wollen. Jedes<br />
der 59 Spiele wird ausführlich in Text und Bild<br />
vorgestellt, Screenshots, Kurzbeschreibung, Seltenheitsbarometer<br />
und Preisentwicklungs-Charts<br />
sorgen für faktenreiche Hintergrundinfos, dazu<br />
werden noch weitere G<strong>am</strong>e-Versionen vorgestellt,<br />
auf die Geschichte der Handheld-Spiele<br />
eingegangen, zeigen die Kapitel Kuriosa" und<br />
"<br />
Merchandise", zu welchen Auswüchsen die<br />
"<br />
Nintendo-Manie führte, welche Bücher und Magazine<br />
sich heute und d<strong>am</strong>als mit dem Thema<br />
beschäftigten. Neben der Standard (Softcover-)<br />
Ausgabe gibt es Den inoffiziellen G<strong>am</strong>e &<br />
"<br />
Watch S<strong>am</strong>mlerkatalog" auch als streng limitierte<br />
Hardcover-Version inklusive Zertifikat und Lesezeichen.<br />
Großartig!<br />
CDs<br />
CHRISTIAN ANDERS<br />
ORIGINALE ALBUM-BOX<br />
Mit einer tollen Ausstattung<br />
liefert<br />
Universal gleich mehrere Gründe,<br />
sich bei den jetzt<br />
neu erschienenen<br />
Album-<br />
Boxen<br />
zu bedienen.<br />
Jeweils<br />
fünf CDs,<br />
die größtenteils noch nie als<br />
CD zu haben waren und auch als originale Vinyl-<br />
LP nur noch auf Ebay & Co. zu finden sind, gibt<br />
es pro Box, jede einzelne von ihnen remastert<br />
und herrlich in einem aufklappbaren Cover im<br />
Original-LP-Artwork verpackt, dazu noch die<br />
eine oder andere Bonus-Zugabe, meistens Non-<br />
Albumtracks wie Single-B-Seiten oder Livemitschnitte.<br />
Bei Christian Anders beginnt die Reise<br />
1970 mit GEH' NICHT VORBEI, führt über das<br />
ein Jahr später veröffentlichte ICH LASS' DICH<br />
NICHT GEH'N bis zum 1972er ES FÄHRT<br />
EIN ZUG NACH NIRGENDWO, das mit dem<br />
gleichn<strong>am</strong>igen Titelsong auch einen der größten<br />
Hits des österreichischen Schlagersängers<br />
bietet. Beflügelt von diesem Erfolg, bestärkte<br />
es ihn, seinen getragenen, melancholischen Stil<br />
weiterzuentwickeln, und er legte 1974 mit EIN-<br />
SAMKEIT HAT VIELE NAMEN sowie 1975<br />
mit DER LETZTE TANZ zwei traumhafte Alben<br />
nach.<br />
(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />
RALF BENDIX<br />
GROSSE ERFOLGE & EVERGREENS<br />
Natürlich kennt jeder den inzwischen zum<br />
Kult-Song avancierten "Babysitter-Boogie",<br />
mit dem Ralf Bendix 1961 wochenlang die<br />
Spitzenposition der deutschen Single-Charts<br />
innehatte. Am 16. August feierte Bendix seinen<br />
90. Geburtstag, welchen besseren Grund<br />
könnte es geben, sich ins Gedächtnis zu rufen,<br />
dass der <strong>am</strong> 1. September verstorbene Sänger<br />
daneben noch zahlreiche andere erfolgreiche<br />
Titel im Progr<strong>am</strong>m hatte.<br />
GROSSE ERFOLGE<br />
& EVERGREENS vers<strong>am</strong>melt<br />
all diese nun<br />
auf zwei CDs, auf denen<br />
es von "B<strong>am</strong>bina" über<br />
die "Striptease Susi",<br />
den "Venus-Walzer"<br />
und den "Armen Gigolo" bis zu Klassikern wie<br />
"Buona Sera" und den "Kriminal-Tango" geht.<br />
(Electrola/Universal, 2014,<br />
22/60:53, 20/56:43)<br />
UDO JÜRGENS UND SEINE<br />
GÄSTE<br />
MITTEN IM LEBEN – DAS TRIBUTE<br />
ALBUM<br />
Udo Jürgens: eine lebende Legende und einer<br />
der größten Entertainer und Musiker. Die Musik-<br />
und TV-Welt lässt es sich daher nicht nehmen,<br />
mit ihm seinen 80. Geburtstag im Rahmen<br />
einer großen Geburtstagsgala zu feiern. Viele<br />
musikalische Gäste werden in der Show auftreten<br />
und dabei die bekanntesten Lieder von<br />
Udo Jürgens in ihrer persönlichen<br />
Version performen.<br />
Mit dabei sind Chris<br />
de Burgh, Annett Louisan,<br />
Helene Fischer, David<br />
Garrett, Christina Stürmer,<br />
Tim Bendzko, Santiano,<br />
Otto Waalkes, LaBrass-<br />
Banda, Schiller, Yvonne Catterfeld und J<strong>am</strong>ie<br />
Cullum. Natürlich darf bei einem solchen Event<br />
seine langjährige musikalische Begleitung, die<br />
Pepe Lienhard Band, nicht fehlen. Pünktlich<br />
zur <strong>am</strong> 18. Oktober ausgestrahlten Sendung<br />
wird eine Doppel-CD veröffentlicht, auf der die<br />
Songs der in Freiburg aufgezeichneten Sendung<br />
zu hören sind. Dazu gibt es auf einer zweiten<br />
CD noch die Originale von Udo Jürgens, von<br />
"Merci Cherie" über "Griechischer Wein" bis<br />
zu "Ich war noch niemals in New York" einen<br />
hochklassigen Streifzug durch seine lange und<br />
erfolgreiche Karriere. Ohne Zweifel eine Geburtstagsparty<br />
der Extraklasse, Genre übergreifend<br />
und voller musikalischer Überraschungen,<br />
die einen der größten Musiker unserer Zeit auf<br />
ganz besondere Weise ehrt.<br />
(Ariola/Sony Music, 2014, 2 CDs)<br />
FREDDY QUINN<br />
ORIGINALE ALBUM-BOX<br />
Die Auswahl der Alben von Freddy Quinn<br />
für die "<br />
Originale Album-Box" reicht von<br />
1965 bis 1977. Zwei Alben, STIMME DER<br />
HEIMAT und SINGT DIE SCHÖNSTEN<br />
DEUTSCHEN VOLKSLIEDER, widmen<br />
sich, getreu den Titeln der LPs, dem deut-<br />
Seite 12 ■ GoodTimes 1/2015
schen Volkslied. Von "In einem kühlen Grunde"<br />
und "Kein schöner Land" über "Am<br />
Brunnen vor dem Tore"<br />
und "Im schönsten Wiesengrunde"<br />
bis zu "Jetzt<br />
kommen die lustigen<br />
Tage" und "Der Mond<br />
ist aufgegangen" reicht<br />
Quinns Auswahl, als<br />
Bonus-Tracks gibt es u.a. Live-Aufnahmen<br />
zus<strong>am</strong>men mit den Fischer Chören und dem<br />
Medium-Terzett. DAS GROSSE WUNSCH-<br />
KONZERT, VIVA MEXICO und WO MEINE<br />
SONNE SCHEINT zeigen den Sänger dann<br />
mit dem internationalen Titelmix, der ihn in<br />
den 60er <strong>Jahre</strong>n zu einem der beliebtesten<br />
Interpreten gemacht hat: "Good-Bye Jonny",<br />
"O, mein Papa", "Bes<strong>am</strong>e Mucho", die "Schiwago-Melodie",<br />
"R<strong>am</strong>ona", "Ol' Man River",<br />
"Heimat deine Sterne" oder "Das alte Lied".<br />
(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />
NANA MOUSKOURI<br />
MEINE REISE VON 1962 BIS HEUTE<br />
Am 13. Oktober feierte Nana Mouskouri ihren<br />
80. Geburtstag, mit über 2<strong>50</strong> Millionen verkauften<br />
Tonträgern gehört sie zu den kommerziell<br />
erfolgreichsten Sängerinnen aller<br />
Zeiten. Eine Laufbahn als Opernsängerin<br />
verwarf sie früh, widmete sich<br />
Knüppel<br />
Joachim<br />
Werner<br />
stattdessen dem Chanson, dem Jazz,<br />
Knüppel<br />
Helmut<br />
Rohde<br />
den Balladen – in Deutschland wurde<br />
sie vor allem als Schlagersängerin<br />
wahrgenommen. Wie keine Zweite<br />
nahm sie sich<br />
den Rat von<br />
Maria Callas<br />
zu Herzen:<br />
Es tut nichts<br />
"<br />
zur Sache, was<br />
Sie singen; es<br />
ist nur wichtig,<br />
warum Sie es singen und wie Sie<br />
es singen!" Auf zwei CDs nimmt<br />
Nana Mouskouri ihre Hörer mit auf<br />
die Reise durch ihre lange Karriere,<br />
von "Einmal weht der Südwind wieder"<br />
über "Die Rose" bis zu "Weiße<br />
Rosen aus Athen". Die komplette<br />
zweite CD liefert dazu Songs, die sie<br />
in Englisch, Französisch oder Griechisch<br />
singt.<br />
(Mercury/Universal, 2014,<br />
22/81:18, 22/79:49)<br />
DALIAH LAVI<br />
ORIGINALE ALBUM-BOX<br />
Nachdem Daliah Lavi in den <strong>50</strong>er<br />
<strong>Jahre</strong>n den Wehrdienst in ihrer israelischen<br />
Heimat abgeleistet hatte,<br />
k<strong>am</strong> sie über Jobs als Mannequin<br />
und nach ersten Rollen in Kinofil-<br />
IN DIESER AUSGABE NEU:<br />
Karl-May-Bücher 1876-1980<br />
Alle 1000 Abbildungen in Farbe !<br />
men zur Musik. 1969 war sie zu Gast in einer<br />
BBC-Sendung, wo sie mit ihrer rauchigen Stimme<br />
einige hebräische Lieder sang und sofort einen<br />
Plattenvertrag von einem britischen Label<br />
angeboten bek<strong>am</strong>. Doch erst als der H<strong>am</strong>burger<br />
Produzent Jimmy Bowien sie bei der deutschen<br />
Polydor unter Vertrag nahm, begann ihre außerordentlich<br />
erfolgreiche Karriere als Sängerin. Bereits<br />
ihre erste Single "Liebeslied jener Sommernacht"<br />
wurde 1970 ein Hit. Mit der französischen<br />
Version "Prends l’<strong>am</strong>our"<br />
begeisterte sie noch im<br />
selben Jahr beim International<br />
Song Festival" in "<br />
Tokio das Publikum, das<br />
Lied wurde als "Love’s<br />
Song" auch ins Englische<br />
übertragen und als Single veröffentlicht. Daliah<br />
Lavi sang in ihrer langen Karriere auf Deutsch,<br />
Französisch, Englisch, Hebräisch, Italienisch und<br />
Spanisch. In der Fünferbox gibt es nun die Alben<br />
ICH BIN DEIN FREUND (1972), MEINE<br />
ART LIEBE ZU ZEIGEN (1972), CAFÈ DECA-<br />
DENCE (1975), NEUER WIND (1976) sowie<br />
BEI DIR BIN ICH IMMER NOCH ZUHAUS<br />
(1978).<br />
(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />
Allgemeiner<br />
ISBN 978-3-00-034171-7<br />
für deutschsprachige Romanhefte,<br />
Bücher von Karl May und Leihbücher<br />
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39,95€<br />
Rund 1000 Abbildungen!<br />
Komplett in Farbe!<br />
Erstmals mit Karl May!<br />
COMICLADEN KOLLEKTIV<br />
Fruchtallee 130<br />
20259 H<strong>am</strong>burg<br />
Telefon: 040/40 77 81<br />
info@comicladen-kollektiv.de<br />
www.romanhefte.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo-Fr 10.30 – 19.00 Uhr<br />
Sa 10.00 – 14.00 Uhr<br />
Ständiger An-und Verkauf!<br />
„In unserem Laden findet Ihr neue Comics aller Verlage<br />
und alte Comics von 1945 bis heute, wie Micky Maus ab<br />
1951, Sigurd, Felix, Bessy usw.“<br />
AUSSERDEM FOLGENDE SAMMELGEBIETE:<br />
alte Romanhefte von 1900-heute<br />
alte Musikzeitschriften wie Bravo, POP,<br />
Musikparade, Popfoto usw.<br />
Erotikmagazine von 19<strong>50</strong>-1980<br />
S<strong>am</strong>melbilderalben wie Panini, Voss usw.<br />
Filmprogr<strong>am</strong>me<br />
Kinderbilderbücher<br />
Figuren der Firma ELASTOLIN, Timpo-Toys<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 13<br />
ROY BLACK<br />
ORIGINALE ALBUM-BOX<br />
Über Roy Blacks Erfolge in den 70er <strong>Jahre</strong>n<br />
muss an dieser Stelle wohl kaum berichtet<br />
werden. Jeder, der in<br />
dieser Zeit die Unterhaltungssendungen<br />
im<br />
Radio oder im Fernsehen<br />
verfolgt hat, k<strong>am</strong> an<br />
diesem smarten Sänger<br />
nicht vorbei. Vor allem<br />
zu Beginn der 70er veröffentlichte er zahlreiche<br />
LPs, die es noch nie als CD gab und<br />
als LP schon lange vergriffen sind, so dass<br />
auch hier die Alben IM LAND DER LIEDER<br />
(1970), WO BIST DU (1971), EINE LIEBES-<br />
GESCHICHTE (1971), TRÄUME IN SAMT<br />
UND SEIDE (1972) und WUNDERBAR IST<br />
DIE WELT (1972) für Schlagerfans hochwillkommen<br />
sein dürften. Einer der Bonus-Tracks<br />
liefert mit "Verliebt und froh und heiter" die<br />
Fortsetzung des Riesenhits "Schön ist es auf<br />
der Welt zu sein", die Roy Black beide zus<strong>am</strong>men<br />
mit Anita (Hegerland) – später als<br />
Lebensgefährtin von Mike Oldfield auf dessen<br />
Alben zu hören – aufgenommen hat.<br />
(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />
NINO DE ANGELO<br />
ORIGINALE ALBUM-BOX<br />
Es war nicht nur sein Blick, auch<br />
mit seiner Stimme konnte Nino de<br />
Angelo Gletscher zum Schmelzen<br />
bringen. Anfang der 80er <strong>Jahre</strong> startete<br />
die Karriere des Sängers mit<br />
italienischen Wurzeln in Deutschland<br />
so richtig durch, mit dem von<br />
Drafi Deutscher geschriebenen<br />
Song "Jenseits von Eden" ging es<br />
bis an die Spitze der Single-Charts<br />
in Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz, die LP JENSEITS VON<br />
EDEN kletterte 1984 bis auf den<br />
zweiten Platz. Auch sein ein Jahr<br />
zuvor veröffentlichtes Debüt JUN-<br />
GES BLUT gelangte schon bis auf<br />
den zehnten Platz, für ZEIT FÜR<br />
REBELLEN reichte es immerhin<br />
noch zu Nummer 46. Nicht mehr<br />
platzieren konnten sich ICH SU-<br />
CHE NACH LIEBE (1986) und<br />
D U R C H<br />
1000 FEUER<br />
(1987), dennoch<br />
sind beide<br />
Alben heute<br />
umso mehr<br />
Kult-verdächtig,<br />
dazu noch bieten sie mit Singleund<br />
Extended-Versionen zahlreiche<br />
Bonus-Tracks.<br />
(Electrola/Universal, 5 CDs)
DIE GEBURT DER SUPERBIKES<br />
Frankensteins<br />
wilde Töchter<br />
Mit der CB 7<strong>50</strong> Four revolutionierte Honda Ende<br />
der 60er <strong>Jahre</strong> den Motorradbau, das Bike war endgültig<br />
in der Moderne angekommen. Kawasaki<br />
mit der nicht weniger legendären Z 900, Suzuki<br />
mit den GS-Baureihen und Y<strong>am</strong>aha mit der mächtigen<br />
XS 1100 sollten schon bald folgen.<br />
großen Entwicklungssprung hatte es bisher in der Motorradindustrie<br />
noch nicht gegeben: Ein Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit<br />
obenliegender Nockenwelle und 67 PS, dazu ein Elektrostarter, fünf<br />
Gänge und, um die enorme Beschleunigung auch wieder in den<br />
Griff zu bekommen, vorne eine (später zwei) Scheibe(n)- statt einer<br />
Trommelbremse. Keine Frage, die Four gilt zu Recht als das erste<br />
Superbike, und Honda hat mit ihr Motorradgeschichte geschrieben.<br />
S<br />
Aber die Geschichte ist – vereinfacht ausgedrückt – nun mal weniger<br />
chönheit ist Geschmackssache, so der Volksmund. Tatsächlich eine Konstante als vielmehr eine Variable. Die Dinge entwickeln sich,<br />
aber ist längst erwiesen, dass die Kriterien für das, was wir als<br />
und ein „Höher, Schneller, Weiter" gibt es längst nicht nur im Sport.<br />
schön empfinden, fest in unserem Bewusstsein<br />
So war es vor allem die japanische Konkurrenz, allen voran Kawasaki,<br />
verankert sind. Geht es zum Beispiel el um die<br />
die blitzschnell auf die CB 7<strong>50</strong> reagierte.<br />
schönsten Autos aller Zeiten, würde wohl kaum<br />
Kawasaki Z1<br />
einer den Jaguar E-Type oder den Mercedes 300 SL<br />
Die Z1 – Schneller, als<br />
außen vor lassen. Und was für Autos gilt, trifft auf<br />
das Fahrwerk erlaubt<br />
Motorräder ebenso zu. So halten viele die CB 7<strong>50</strong><br />
M<br />
Four von Honda für das schönste Motorrad aller<br />
it der Z1 / Z 900 toppte das Unternehmen<br />
Zeiten. Und genaugenommen gibt es wohl nur<br />
aus Kobe 1972 zumindest die Leistungsdaten<br />
ein anderes Bike, das der Honda diesen Rang<br />
der Honda deutlich. Wie bei Honda setzte man<br />
streitig machen könnte – die Kawasaki Z1<br />
auch bei Kawasaki auf einen luftgekühlten Vierzylinderbeziehungsweise<br />
Z 900. In einem Punkt<br />
Viertakt-Reihenmotor, allerdings mit zwei obenliegenden<br />
aber liegt die Honda ganz klar vorn:<br />
Nockenwellen. Der aber wies nicht 7<strong>50</strong> ccm, sondern<br />
Mit der Vorstellung der CB 7<strong>50</strong> Four<br />
gar 900 ccm auf – was die Maschine gleichzei-<br />
auf der „Tokyo Motor Show" von 1968<br />
tig zum ersten Big Bike der Motorradhistorie<br />
begann das Zeitalter der Superbikes, der<br />
machte – und lieferte zudem 79, später 82<br />
schweren, um die 200 km/h schnellen en<br />
PS, so dass es für jeden Fahrer grundsätzlich<br />
Maschinen, die technisch zu jeder Zeit den<br />
kein Problem gewesen wäre, die 200 km/hjeweiligen<br />
Status quo repräsentieren.<br />
Marke mehr als deutlich zu knacken. Der<br />
S<br />
Konjunktiv aber ist sehr bewusst gewählt. Denn<br />
elbstverständlich gab es auch vorher Motorräder, die enorme<br />
die schiere Power der „Kawa" traf zumindest<br />
Leistung boten. So etwa die Zwei-Zylinder-Modelle der britischen<br />
bei der ersten Baureihe nicht auf ein adäquates<br />
Marken BSA, Matchless oder Triumph, um nur einige Beispiele zu nen. Die Honda CB 7<strong>50</strong> Four aber war buchstäblich aus einer anderen<br />
Hochgeschwindigkeitsfahrten konnten so, besonders<br />
nen-<br />
Fahrwerk, das diese Kraft hatte bändigen können.<br />
Zeit. Oder besser, sie läutete eine andere, eine neue Zeit ein. Einen so für eher Ungeübte, schnell mal zum Höllenritt werden. Kein Wunder<br />
Seite 14 ■ GoodTimes 1/2015
also, dass sich die Z1 / Z 900 alsbald<br />
den Spitzn<strong>am</strong>en „Frankensteins Tochter"<br />
erwarb. Aus heutiger Sicht betrachtet,<br />
scheint das allerdings ein wenig ungerecht.<br />
Denn Kawasaki reagierte schnell und besserte<br />
nach, indem man der Vorderradgabel<br />
di ckere Standrohre spendierte und vorne<br />
von einer auf zwei Scheibenbremsen aufstockte.<br />
Mit diesen Maßnahmen verbesserten<br />
sich Fahrverhalten und Fahrbarkeit deutlich.<br />
Mit der Z 900 begann aber auch das<br />
Wettrüsten. Suzuki<br />
etwa hatte zwar bereits<br />
seit 1971 mit der GT<br />
7<strong>50</strong> ebenfalls ein<br />
Suzuki<br />
GS 1000 S<br />
Superbike im<br />
Progr<strong>am</strong>m. Der<br />
wegen seiner<br />
Wasserkühlung<br />
auch „Wasserbüffel"<br />
genannte<br />
Drei-Zylinder-<br />
Zweitakt-Motor hatte<br />
aber schon d<strong>am</strong>als<br />
wegen zunehmend verschärfter<br />
Abgasbestim mungen kaum eine<br />
Chance auf eine längere Lebensdauer. Auch<br />
Italienern, den Deutschen? Auch die<br />
Suzuki benötigte also unbedingt ein<br />
Viertakt-Aggregat. gregat. Und das k<strong>am</strong> auch,<br />
1976 mit der GS 7<strong>50</strong>, der schon bald<br />
die noch größere GS 1000 folgen sollte.<br />
bauten in den 70er <strong>Jahre</strong>n tolle Motorräder.<br />
Erwähnt sei hier<br />
die Benelli<br />
7<strong>50</strong> Sei, die schon fünf <strong>Jahre</strong><br />
vor Honda und<br />
Kawasaki auf<br />
Der wiederum wurde auf der IFMA<br />
einen<br />
Sechszylinder-Motor<br />
in Köln, der „Internationalen Fahrrad-<br />
und Motorradausstellung",<br />
die sportlichere<br />
Variante ante<br />
setzte. Oder die nicht weni-<br />
ger legendäre<br />
Moto Guzzi<br />
8<strong>50</strong> Le Mans, ein ech-<br />
ter Meilenstein für<br />
GS 1000 S<br />
den<br />
italienischen<br />
zur Seite e<br />
Hersteller und<br />
gestellt. Die<br />
ohne<br />
Frage<br />
im traditionellen<br />
Suzuki-Blauweiß uweiß<br />
gehaltene S war<br />
ebenfalls mit<br />
Klassikerpotenzial.<br />
ein bildhübsches<br />
Y<strong>am</strong>aha<br />
Nichts anderes<br />
Bike und setzte unter<br />
XS 1100<br />
gilt auch für die<br />
anderem auf eine Cockpitverkleidung und<br />
eine luftunterstützte Telegabel. Mit 90 PS<br />
war die Suzi zudem<br />
bestens motorisiert.<br />
Das stärkste Motorrad<br />
seiner Zeit aber<br />
war sie nicht. Honda setzte ab 1978 bei<br />
der CBX 1000 gar auf einen Sechszylinder-<br />
Reihenmotor enmotor mit 105 PS. Ähnlich wie die Z<br />
900 war aber auch die CBX fahrwerksmäßig<br />
von ihrer eigenen Kraft<br />
ein wenig überfor-<br />
dert. Und als<br />
BMW<br />
R 90 S, die<br />
bis dahin sportlichste BMW aller Zeiten, die<br />
schon 1973 auf den Markt k<strong>am</strong> und bis<br />
heute eine der ganz großen Ikonen<br />
der Bayerischen Motorenwerke<br />
ist. Und dennoch, trotz all<br />
dieser und weiterer klassischer<br />
Big Bikes aus den<br />
70ern, wie der Laverda<br />
7<strong>50</strong> S, der Ducati 7<strong>50</strong><br />
GT oder der Norton<br />
kurz darauf<br />
Commando 8<strong>50</strong><br />
die Kawasaki<br />
–, den entscheidenden<br />
Z 1300 auf<br />
Schritt<br />
den Markt<br />
machte Honda<br />
k<strong>am</strong>, einigten<br />
mit der CB 7<strong>50</strong><br />
sich die Hersteller<br />
Four.<br />
Dieses<br />
auf eine freiwil-<br />
lige Leistungsbeschränkung<br />
BMW R 90 S<br />
Motorrad, besser<br />
noch diese<br />
auf<br />
Skulptur<br />
einer<br />
100 PS, die man erst 1999 wieder aufhob.<br />
Was nichts daran änderte, dass die Z 1300 –<br />
wie die CBX ein Sechszylinder – noch einmal<br />
rund 300 ccm und <strong>50</strong> kg mehr zu bieten<br />
hatte. Fürs sportliche Fahren war das jeden-<br />
Maschine und eines<br />
Motors, wird für immer für den Übergang<br />
von der Neuzeit in die Moderne des<br />
Motorradbaus stehen!<br />
Andreas Kötter<br />
falls viel zu viel, so dass Kawasaki die Z 1300<br />
fortan als Tourer bewarb.<br />
Y<strong>am</strong>ahas XS 1100 S:<br />
Schön, aber keine Ikone<br />
Was aber machte eigentlich Y<strong>am</strong>aha, der<br />
Vierte aus dem Quartett der großen<br />
japanischen Motorradhersteller? Dort reagierte<br />
man spät, aber nicht zu spät auf den<br />
Trend vom „Höher, Schneller,<br />
Weiter" und konnte 1977<br />
mit der mächtigen XS 1100<br />
einen gelungenen Konter<br />
fahren. Eine Legende wie<br />
die CB 7<strong>50</strong> Four oder<br />
die Z 900 aber wurde der<br />
Reihenvierzylinder<br />
nicht, obwohl die<br />
XS gerade in der<br />
„S"-Ausführung<br />
von 1981 im<br />
schwarz-goldenen<br />
Look durchaus eine<br />
Augen weide war.<br />
Und was war mit den anderen, den
MODE-SERIE<br />
DRITTER TEIL<br />
instyles<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Von Claudia Tupeit<br />
Foto<br />
:©<br />
Bild<br />
arch<br />
iv H<br />
allh<br />
uber<br />
a war das Hippie-Flair, das bereits Ende der 60er <strong>Jahre</strong><br />
die Welt mit Flower-Power-Optik, Haarbändern und großen<br />
Sonnenbrillen überflutete. Die Schlaghosen glitzerten immer<br />
mehr, offene Plateauschuhe klatschten sich mit den geschlossenen<br />
Stiefeln ab. Glänzende und robuste Stoffe bedeckten <strong>am</strong> Körper, was<br />
unbedingt bedeckt werden musste. Und bevor das Jahrzehnt zu Ende<br />
ging, erschreckten Karos, zerrissene Strumpfhosen, spitze Nietengürtel,<br />
Haarkämme und klobige Schnürstiefel das Establishment. Die 70er <strong>Jahre</strong><br />
waren ein extrem buntes, vielfältiges Jahrzehnt. Eine<br />
Dekade, aus der modische Extreme in großer Zahl<br />
bis heute überdauerten. Oft nicht mehr ganz so<br />
bunt – zumindest im normalen Straßenbild. Und<br />
ob der Fülle an Einkaufsmöglichkeiten sicherlich<br />
auch nicht mehr ganz so kreativ und individuell umgesetzt.<br />
Aber Punk-Look, <strong>am</strong> Gl<strong>am</strong> angelehnte Outfits mit viel<br />
Glitzer, Pailletten und Metallic sowie Schlagjeans, hohe<br />
Schuhe mit dicken Sohlen, blumige Hippie-Kleider und<br />
" Vintage"<br />
und "<br />
Retro" sind die Modewörter<br />
der Stunde. Die Kl<strong>am</strong>ottentrends von<br />
heute verleiben sich alles ein: Bubikragen der<br />
<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>, Miniröcke im 60er Stil, Schlaghosen und<br />
Plateauschuhe kommen aus dem Jahrzehnt von Abba, breite<br />
Schultern, Neonfarben und Chino-Hosen sind ein Relikt der<br />
verrückten 80er. Wer heute IN sein will, hat die vergangenen<br />
Dekaden aber nicht nur im Kleiderschrank, sondern auch auf<br />
dem Plattenteller und im DVD-Player. <strong>kult</strong>! widmet sich<br />
den Trends von d<strong>am</strong>als, die heute schon wieder für<br />
viele zum Lebensgefühl gehören. Nach den <strong>50</strong>s<br />
und 60s sind nun die bunten 70er<br />
<strong>Jahre</strong> an der Reihe.<br />
Schlapphüte sind an trendbewussten Menschen auch<br />
heute noch ständig zu sehen.<br />
ieles davon ist auf jeden Fall alltagstauglich<br />
geworden. Laufsteg-Götter wie die Designer<br />
aus den Häusern Yves Saint Laurent oder Chanel –<br />
um nur zwei zu nennen – zeigten mit ihren letzten<br />
Kollektionen den 70s-Chic schlechthin:<br />
Punk – oder zumindest das, was man<br />
heute dafür hält. Gepaart wird er in der<br />
modernen Variante mit Elementen aus den 80ern und den<br />
frühen 90ern, etwa Flanell-Holzfällerhemden, weiten Shirts<br />
und Hosen, Spitzenstrümpfen sowie Freizeittretern, die wegen ihrer<br />
Sportschuh-Optik beim Betrachten dazu animieren, ins nächstgelegene<br />
Fitnessstudio zu gehen. Fertig ist der Anputz für 2014: ein Mix aus<br />
dem Punk der 70er <strong>Jahre</strong> mit Grunge. Models und It-Girls „all over the<br />
world" machen das, was einst verpönt und als „Arbeiterklasse-Mode"<br />
Seite 16 ■ GoodTimes 1/2015
propos Masche: Der Trend seit<br />
Herbst/Winter 2012/2013 sind<br />
Lochmusterpullis. Tops, Langarmshirts,<br />
Blusen – die recht durchlässigen Oberteile<br />
werden praktisch über alles gestreift, was vorzeigbar<br />
ist. Viele Designer haben sie auf den Laufstegen<br />
gehabt, bis sie dann schließlich Einzug bei trendbewussten<br />
und bezahlbaren Modehäusern wie H&M, Zara, Mango und<br />
Topshop hielten. Sie werden lässig zur Jeans kombiniert, gern auch zu<br />
den heißen Höschen, also den Hot-Pants – ebenfalls ein (knappes) Relikt<br />
aus den 70s.<br />
Foto: © INTERFOTO<br />
abgestempelt wurde, absolut salonfähig. Mädchen gehen mit Löchern<br />
in den schwarzen Feinstrumpfhosen in die Schule, kombinieren dazu<br />
jede Menge Ketten- und Nietengürtel, Kariertes, tragen Ledermini oder<br />
Jeans-Shorts mit ausgefransten Säumen – und dazu natürlich das ultimative<br />
Schuhwerk: Doc Martens. Heute erhältlich in allen<br />
erdenklichen Farben und Mustern wie C<strong>am</strong>ouflage,<br />
Karos, mit dem Union-Jack drauf oder geblümt wie<br />
Kindergummistiefel.<br />
n den 70ern – quasi bei den Originalen – ist<br />
das dezenter abgelaufen. Zumindest farblich. Am<br />
Ende des Jahrzehnts waren zu heftig leuchtende<br />
Farbflashs und Glitter bei den coolen Typen verpönt.<br />
Ganz im Gegensatz zum Beginn der modischkunterbunten<br />
Dekade.<br />
as Feeling des legendären<br />
Woodstock-Festivals in den<br />
USA und die Hippie-Kultur in San<br />
Francisco (vor allem im noch heute<br />
authentisch daherkommenden Viertel<br />
Haight & Ashbury) sind Anfang der 70er<br />
in modischer Hinsicht immer noch auf ihrem<br />
Höhepunkt. Die Mädchen hatten Blumenkränze und<br />
bunte Stoffbänder im (möglichst) langen Haar. Sie<br />
trugen Wallekleider mit Orn<strong>am</strong>entdrucken und Blumenprints.<br />
Dazu Zehensandalen mit Lederband, Fußkettchen, lange<br />
Halsketten, und davon viele. Am besten mit Anhänger<br />
im „Make love not war"-Style – und stets ein völlig<br />
entspanntes Lächeln auf den Lippen. Schnitte, Muster,<br />
Farben, Details haben ihre Wurzeln in der Folklore.<br />
lore<br />
So war es nicht verwunderlich,<br />
dass – im Übrigen auch<br />
bei den heutigen Trendteilen des<br />
70s-Look durchaus üblich – so einiges anmutete,<br />
als sei es von Indianern gefertigt worden. Aber<br />
auch Elemente aus anderen Kulturkreisen flossen<br />
mit ein: Spanisches, Arabisches, Asiatisches oder<br />
Accessoires, die von der afrikanischen Folklore<br />
inspiriert waren.<br />
© Claudia Tupeit<br />
uch gehäkelte Oberteile und Kleidchen,<br />
unter denen farbenfroh ein Bikini durchblitzte,<br />
waren der Renner. 2011 widmete das<br />
Maschenmuseum in Albstadt der Mode der<br />
70er (und 80er) sogar eine Retrospektive. Bei<br />
Führungen konnten Besucher die bunte, verrückte,<br />
punkige, aber auch elegante Mode-Dekade bewundern. (Die<br />
Sonderausstellung füllten ausgewählte Originalkleidungsstücke aus der<br />
S<strong>am</strong>mlung von Renate Steim-Ölkrug).<br />
© Pressefoto<br />
it Ende der kalten <strong>Jahre</strong>szeit folgte auf den Winterstrick im<br />
Sommer 2013 das ultimative Outfit für den wahrhaft heißen<br />
Sommer: Häkel- und Strickmusterteile. Und wieder sind sie da, die<br />
Kleidchen mit großen und kleinen Löchern, in Cremeweiß, aber auch farbiger,<br />
mit allerhand netten Details wie unterschiedlichen Maschengrößen<br />
an Ober- und Rockteil, Muschel- und Perlenverzierungen <strong>am</strong> Saum und/<br />
oder Ausschnitt. Mal mit Neckholder, mal mit normalen Trägern. Auch<br />
Tops und sogar Shorts im Häkelstil gehen über die Ladentheke wie warme<br />
Semmeln. Nicht fehlen dürfen auch die groben Maschen an den Füßen<br />
und als Accessoires für den Strand. Nein, d<strong>am</strong>it ist nicht der Hut gemeint,<br />
sondern vielmehr der – wie die anderen Sachen auch – von den modebewussten<br />
M<strong>am</strong>as in den 70ern stolz vorgeführte Häkel-Bikini. Der ist<br />
tatsächlich nur zum Vorführen geeignet. Nass sollte der Badezweiteiler<br />
freilich nicht werden (schon mal nasse Wollfäden <strong>am</strong> Körper<br />
gehabt?), und auch auf der von Sonnencreme geschützten Haut<br />
schmiegt sich der Stoff nicht gerade bequem über Brüste und Po.<br />
Aber es sieht chic aus.<br />
er heute Lust auf das Flair von d<strong>am</strong>als<br />
hat, der sollte sich aufmachen und im<br />
Juli das seit 1968 – mit Unterbrechungen –<br />
jährlich stattfindende „Burg Herzberg Festival"<br />
in Hessen besuchen. Überall laufen auf dem<br />
Gelände Leute in typischer Hippiekluft<br />
herum, der Geruch von Marihuana weht<br />
aus so manchem Kaffeezelt heraus, es<br />
gibt Workshops in Sachen Batik – das<br />
bunte, verlaufene Muster, das Anfang<br />
der 70er unheimlich beliebt gewesen<br />
ist. Die musikalischen Klänge versetzen<br />
den geneigten Besucher sowieso irgendwie nach<br />
Monterey, Woodstock und in die Konzerte der<br />
Künstler aus den frühen 70ern zurück. Es gibt<br />
viel Psychedelisches, progressiven Rock von Bands wie Gong, Van der<br />
Graaf Generator oder Ex-Genesis-Gitarrist Steve Hackett. Und außerdem<br />
Weltmusik, die nicht zuletzt in Deutschland in der ersten Hälfte der 70er<br />
<strong>Jahre</strong> mit vielen Krautrockbands zur vollen Blüte k<strong>am</strong>. Zum Originalfeeling<br />
gehören natürlich auch ökologisch wertvolles Essen und Trinken wie Bio-<br />
Wein, Mate-Tee, ee, viel<br />
Gemüse, wenig Fleisch, Gewürze aus aller Herren<br />
Länder und entspannte Wirte.<br />
uch nach Idolen, die für die 70er stehen<br />
und sie selbst miterlebt haben, braucht<br />
nicht lange zu suchen, wer auf die Mode<br />
jenes Jahrzehnts steht. Stevie Nicks ist da<br />
ein wunderbares Beispiel. Die kleine, süße<br />
blonde Fleetwood-Mac-Sängerin trägt noch<br />
heute mit knapp über 60 ihren bekannten und<br />
vielkopierten Gypsy-Look. Man nehme einen<br />
Flatterrock, dessen Saum auch unterschiedliche<br />
Längen haben darf, oder einen Rock mit<br />
diverser Musterung, die von Spitzenbordüren<br />
unterbrochen wird. Ziehe dazu Spitze an,<br />
zum Beispiel in Form eines Shirts mit langen<br />
Spitzenärmeln, addiere<br />
einen (locker geschnallten) Gürtel, geschnürte<br />
Booties mit kleinem Absatz, eine Prise<br />
offene Haare, etwas von allem aus dem<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 17
Schmuckkästchen und als Sahnehäubchen ein paar Tücher,<br />
die entweder ums Handgelenk, als Haarband oder um die<br />
Hüfte getragen werden: Fertig ist das Zigeuner-Outfit der<br />
etwas gehobeneren Art! Eigentlich für jeden machbar, denn<br />
etwas von alledem hat so ziemlich jeder im Schrank.<br />
as Röcke angeht – ob Mini, Midi oder Maxi, ob<br />
mit Stiefeln oder hohen Sandalen kombiniert, mit<br />
reingesteckter Schluppen-Bluse und großem Schlapphut<br />
oder zu Batikshirts –, waren die 70er <strong>Jahre</strong> äußerst vielfältig<br />
und im Gegensatz zu den Mini-versessenen 60s<br />
für jeden Figur-Typ geeignet. Bei einem weiteren Trend<br />
für Untenrum sah das schon ganz anders aus: der<br />
Schlaghose. Am Oberschenkel schön eng, spätestens<br />
auf Höhe des Knöchels dann aber mit ausladendem<br />
Schlag – oft sogar schon ab Kniehöhe. Mal war<br />
der Schlag außen bestickt, mit Spitze besetzt oder<br />
andersfarbig, mal war die<br />
Hose aus Jeansstoff, mal<br />
aus dem – heute wieder<br />
beliebten – Cord. Was dazu<br />
passte? Eigentlich alles. Am coolsten waren<br />
aber auf Bundhöhe endende oder reingesteckte<br />
(!) Blusen, Plateauschuhe (der Schlag<br />
musste im Stehen aber die Schuhe komplett<br />
bedecken), Westen mit Fellbesatz oder auch<br />
aus Wildleder mit langen Fransen.<br />
tliche Männer, die zuvor noch die in den<br />
60ern so begehrten Röhren getragen hatten,<br />
griffen im kunterbunten Modejahrzehnt<br />
wie selbstverständlich zu Schlaghosen. Sogar<br />
Schuhe oder Stiefel mit Plateausohlen trugen<br />
die Herren der Schöpfung dazu. Wie sexy<br />
das aussehen konnte, zeigen heute nicht nur<br />
Fotos, sondern auch DVDs mit Kultserien à la<br />
„Die Straßen von San Francisco" oder „Kojak".<br />
Michael Douglas als Inspektor neben seinem<br />
Kollegen Karl Malden? Ein Traum! Die Haare<br />
waren eh nicht mehr raspelkurz oder wie ein<br />
Pilzkopf geschnitten, sondern etwas länger, vielleicht auf Nackenhöhe<br />
h<br />
fallend. Genau richtig für frau, die gern durch die männliche Haarpracht<br />
streicht. Und jedesmal, wenn Michael Douglas aus dem coolen 70er-<br />
<strong>Jahre</strong>-Auto steigt, freut sich das Auge über die schlanken Beine in den<br />
wohlformenden Schlaghosen. Neben diesem hat auch ein – zugegeben<br />
– nicht mehr so junger und auch ohne Haarpracht agierender anderer<br />
US-Fernsehermittler die Schlaghose <strong>am</strong> Mann salonfähig gemacht:<br />
Lieutenant Kojak. Auch er trug sie mal zu gelackten schwarzen Schuhen,<br />
mal zu leichten Plateaus. Und beide – Douglas wie auch Telly Savallas<br />
in seiner Paraderolle – kombinierten einen weiteren Trend für den Mann<br />
beim 70s-Look: die breite und etwas kürzere Krawatte (im Gegensatz zu<br />
den sehr schmalen und längeren Modellen aus den 60s). Lange hielt der<br />
Schlaghosen-Wahn beim Mann allerdings nicht vor, wenngleich auch<br />
die Gl<strong>am</strong>-Rocker zum Schlag griffen, da allerdings auch<br />
schriller, bunter, ausgeflippter.<br />
nd heute – nachdem die Schlaghose immer wieder<br />
mal mehr, mal weniger ausladend als Trend<br />
aufploppt – ist das Hosenmodell wieder en vogue.<br />
An Frauen! Die Designergrößen der Mode-<br />
Metropolen machen es vor: Die D<strong>am</strong>en tragen<br />
wieder viel Schlag. Nicht mehr so verspielt,<br />
nicht mehr mit komischem Spitzenbesatz oder<br />
bunten Figuren <strong>am</strong> Schlag, sondern wieder<br />
lässig-cool als pure Jeans- oder Cordhose<br />
in dezenten Farben. In jedem Fall<br />
mit Plateaus kombiniert. Aber die<br />
Männer? Für die ist der in den<br />
70er <strong>Jahre</strong>n große Hosentrend<br />
definitiv passé.<br />
© Claudia Tupeit © Pressefoto<br />
emein? Keineswegs! Dafür sind die Parkas<br />
wieder da. Getragen werden darf, was die<br />
Military-Asservatenk<strong>am</strong>mer hergibt. Grüntöne<br />
aller Art – von Khaki über Olivgrün bis hin zum<br />
wieder sehr angesagten C<strong>am</strong>ouflage-Look<br />
– können bei Wind und Wetter in jeglicher<br />
Form übergezogen werden. Wer Glück hat,<br />
ergattert auf Londons Portobello Road Market<br />
oder an den Ständen des Old Spitalfields Market im<br />
East-End eine Originalvariante. Zum Beispiel mit <strong>am</strong> oberen Ärmelteil<br />
aufgestickter Nationalflagge. Die modernen Versionen, die in New York,<br />
Berlin oder London an It-Girls, Bloggerinnen, Mode-Redakteurinnen<br />
oder Schauspielerinnen zu sehen sind, haben Fellkragen oder sind innen<br />
warm mit L<strong>am</strong>mfell gefüttert. Sie haben Goldknöpfe, sind unterschiedlich<br />
lang. Aber auf keinen Fall fehlen dürfen der obligatorische Tunnelzug,<br />
der Reißverschluss und natürlich die nötige Attitude. D<strong>am</strong>als wie heute<br />
tragen Mädels ihren Parka als Stilbruch mit Doc Martens zum leichten<br />
Blümchenkleid oder sportlich zur Jeans. Und<br />
– ebenfalls d<strong>am</strong>als wie heute – tragen selbst<br />
Männer Militärisches, die eigentlich politisch<br />
links stehen und stolze Kriegsdienstverweigerer<br />
oder erklärte Kriegsgegner sind. Wen stört’s?<br />
Der coole Look ist die Hauptsache.<br />
ährend die einen noch in den<br />
Ausläufern der Hippiezeit mit Flower-<br />
Power und überdimensionierten Sonnenbrillen<br />
zu Weltmucke mit dem Peace-Zeichen durch<br />
die Gegend liefen, sind die Trendsetter längst<br />
in einem anderen Zug unterwegs – mit mehreren<br />
Waggons: Gl<strong>am</strong>, Punk und Disco. Und<br />
die Kl<strong>am</strong>ottentrends konnten unterschiedlicher<br />
nicht sein: Die Gl<strong>am</strong>-Rocker und Disco-<br />
Fanatiker glitzerten und leuchteten eindeutig<br />
aus der Masse hervor. Je mehr, desto besser,<br />
lautete die Devise. Extreme Farben im Gesicht,<br />
jede Menge Haarspray und Schaumfestiger für<br />
den Schopf, Strass auf Tops, Blazern, Hosen,<br />
Röcken und natürlich an den Schuhen. Auf<br />
Hosen und Jacken Sterne oder – wie bei<br />
Dave Hill von Slade – kleine Schminkspiegel. Dazu bunte Shirts, die oft<br />
andersfarbige Blitze zierten, an den Frauen Minikleider, Miniröcke und<br />
Hot-Pants, aber nix mehr Wallekleid oder A-Linie wie in den 60s. Hauteng<br />
sollte es sein, wie ein Schlauch den Körper einhüllen. Nun allerdings weniger<br />
Flower-Power und fester Stoff, sondern mehr Polyesterschwitz, Seide<br />
und Sonstiges, was irgendwie glänzte und glitzerte. Die Gl<strong>am</strong>-Rocker<br />
trugen weiter Schlaghosen und manchmal höhere Plateaus als Mädchen.<br />
Sie schminkten sich mit blauem oder grünem Lidschatten, statt Rouge<br />
malten sie silberfarbene oder weiße Striche über die Wangen.<br />
Der Lidstrich saß natürlich perfekter als bei manchem Girl.<br />
nhänger dieses Trends mussten improvisieren.<br />
Jungs, die wenigstens zu Konzerten oder<br />
Partys den Aufputz ihrer Idole imitieren wollten,<br />
mopsten die entsprechende Pflege für das<br />
Haarstyling und dezente Schminkaktionen Mutti oder Schwester aus<br />
dem Kosmetikschrank. Ach, und übrigens: Gerade die schwedische<br />
Gruppe Abba haben wohl die meisten sofort vor Augen,<br />
wenn es um den typischen Look der 70er <strong>Jahre</strong> geht, der<br />
von Disco- und Gl<strong>am</strong>-Kleidung beherrscht wird. Aber Benny,<br />
Agnetha, Frieda und Björn sind – um beim Anfangsbild zu<br />
bleiben – in erster Linie auf den bereits fahrenden Zug aufgesprungen.<br />
Dafür sind ihre Kl<strong>am</strong>otten extrem cool, die Schuhe<br />
und Accessoires stilvoll, teils exzentrisch und für so manch<br />
weibliches Auge nachahmenswert. Und die Designer bewiesen<br />
vor allem einen enormen Einfallsreichtum, weshalb einzelne<br />
Kreationen durchaus für Aufsehen und entsprechenden<br />
Nachhall sorgten.<br />
Seite 18 ■ GoodTimes 1/2015
as Besondere an der Gl<strong>am</strong>- und Disco-<br />
Mode d<strong>am</strong>als: Für Anhänger ist der Look<br />
nicht nur schwer nachzumachen, sondern auch<br />
im Alltag auf der Straße so gut wie nicht tragbar.<br />
Zu extrem, zu überladen, bedenkt man<br />
die Phase, in der die Viva-Las-Vegas-Elvis-<br />
Anzüge unheimlich groß sind: Overalls, vor<br />
allem an Kragen und Ausschnitt über und<br />
über bestickt mit Goldorn<strong>am</strong>enten, Strass-<br />
Steinchen und sonstigem Schnickschnack<br />
und – ganz wichtig – mit sehr tiefem<br />
V-Ausschnitt, der möglichst dichtes<br />
Brusthaar enthüllt. Diese äußerst maskuline Art<br />
der Männermode aus der Gl<strong>am</strong>- und Disco-<br />
Epoche ist nicht so richtig wiedergekommen<br />
– bisher zumindest. Heute drücken Männer<br />
vermehrt ihre feminine Seite durch auffallend<br />
stilvolle Kl<strong>am</strong>otten, blasse Farben, Frisuren aus<br />
dem aktuellen D<strong>am</strong>entrendkatalog aus.<br />
u einer wahren Sensation, die bis heute<br />
die Modeszene mehr als nur prägt, k<strong>am</strong> es<br />
schließlich Mitte der 70er <strong>Jahre</strong>. Es ging weg<br />
von Gl<strong>am</strong>, Disco und Co., Hippies waren längst<br />
passé, und mit der Generation Punk sollten spätestens<br />
bei Anhängern und Mitläufern die in den<br />
70s berühmt-beliebten Zimmereinrichtungsteile<br />
wie Laval<strong>am</strong>pen, Flokatiteppiche, Gummibäume,<br />
Telefone mit Wählscheibe und psychedelisch angehauchte<br />
Tapeten in Orange-, Braun-, Gelb-, Weißtönen verschwinden.<br />
Ebenso die an Fäden aufgespannten Glasperlen, Muscheln oder Kugeln,<br />
die herunterhängend als eine Art Vorhang dienten und immer so schön<br />
rasselten, wenn man sie zum Durchgehen beiseite schob.<br />
ür die D<strong>am</strong>enwelt hat sich aus diesem Part der 70er wesentlich<br />
mehr erhalten. Vor allem mit Strass und Pailletten besetzte Kleidung<br />
ist seit Ende 2012 wieder enorm angesagt. Hosen in Zigarettenform,<br />
Blazer, Miniröcke, Clutches, High Heels und Tops – party- und selbst<br />
bürotaugliche Teile mussten eine gewisse Zeit glitzern. Mit Schwarz und<br />
Silber trumpft man auf, pastellige Töne sieht man ebenfalls. Allerdings<br />
ebbt der Trend schon wieder etwas ab. Glitzernde Anzüge und Flower-<br />
Power-Mode sind zudem äußerst beliebt bei Faschingspartys. Dieser bloße<br />
Gebrauch als Kostüm für die fünfte <strong>Jahre</strong>szeit wird Schnitten, Mustern,<br />
Accessoires, Farben und Co. der 70er allerdings nicht gerecht. Was der<br />
Modepart der Hippies, Gl<strong>am</strong>-Rocker und Co. für die Nachwelt hinterlassen<br />
hat, bietet weit mehr als nur ein lustiges Outfit und reicht viel weiter.<br />
ie viel, das zeigt seit Februar dieses <strong>Jahre</strong>s in den deutschen<br />
Kinos der mehrfach Oscar-nominierte US-Film „American Hustle"<br />
mit Bradley Cooper („Hangover"), Amy Ad<strong>am</strong>s und Oscar-Preisträgerin<br />
Jennifer Lawrence in den Hauptrollen. Eine Art Gaunerkomödie ganz<br />
und gar in den Kontext der 70er eingebettet, natürlich auch kl<strong>am</strong>ottentechnisch.<br />
Wer Kleider, Mäntel, Schuhe, Schmuck des Jahrzehnts upper<br />
class betrachten möchte – die heute mehr denn je hip sind –, muss den<br />
Film schauen. Und dann einfach zurücklehnen, schwelgen und in den<br />
nächsten Modeladen gehen: Man wird staunen, was gerade jetzt wieder<br />
an typischen 70s-Looks an den Puppen hängt.<br />
nbedingt erwähnenswert, da für die Frauenwelt revolutionär: das<br />
Wickelkleid. Erfunden hat’s die belgische und nach Amerika ausgewanderte<br />
Designerin Diane von Fürstenberg. Die stets schmale, braungebrannte<br />
Frau mit dem tollen Lockenschopf und den orientalischen Augen<br />
hat in den 70ern etwas geschaffen, das jeder Frau steht: Ob Eieruhrfigur,<br />
ob gerade Taille, ob großer Busen oder kleines Bäuchlein – dem gewikkelten<br />
Kleid mit kurzen Ärmeln, Bindegürtel zur Seite und dem obligatorischen<br />
Oberschenkelblitzer beim Gehen hat so manche D<strong>am</strong>e viel zu verdanken.<br />
Schöne Beine zaubert es zwar nicht, dafür<br />
umspielt es die Figur bzw. betont jeweils genau<br />
die richtigen Stellen. Das berühmte Wickelkleid<br />
erfreut sich vielfältiger Nachahmung – vor allem<br />
auch durch die Schneider der Kettengeschäfte. Das<br />
Schönste ist und bleibt aber die Originalversion by<br />
DvF, denn sie weiß eben um den richtigen Einsatz<br />
von Stoff, Farbe und Muster.<br />
Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />
enn jetzt wurde es mit Bands wie The D<strong>am</strong>ned, den R<strong>am</strong>ones, The<br />
Clash rau, verwegen, teilweise räudig und auf alle Fälle derb-cool.<br />
Die Künstler machten den Stil vor, die Fans atmeten alles ein und setzten<br />
ihn <strong>am</strong> eigenen Leib um. Oft so kreativ, dass die Marke Eigenbau heutzutage<br />
sehnsüchtig gesucht und hochdotiert<br />
auf Märkten oder im Internet<br />
feilgeboten wird. „In" war, was im<br />
Schrank hing. Und das war bei den<br />
Kindern in der britischen Arbeiterklasse<br />
meist nicht viel. Deshalb passte es selten<br />
zus<strong>am</strong>men, sah verwegen aus, war nicht selten<br />
kaputt und zerrissen, symbolisierte inmitten<br />
des hochgeschraubten Stylings der „Angepassten" n"<br />
die Kraft der Zerstörung<br />
und des sich Auflehnens<br />
gegen das Establishment.<br />
Punk war anfangs vollkommen<br />
unprätentiös.<br />
Hochwasserhosen mit<br />
Löchern an den Knien und<br />
zerfetzten Gesäßtaschen, poröse Hemden, die<br />
beim nächsten Sl<strong>am</strong>-Dance in Fetzen flogen<br />
und für die nächste Party mit Sicherheitsnadeln<br />
zus<strong>am</strong>mengehalten wurden. Viele Elemente aus<br />
der Skinhead-„Uniform" flossen in den Punkstil mit<br />
ein. Als das Ganze zu einer Welle wurde, entwickelten<br />
sich Wiedererkennungs-Effekte, die schon in den ausklingenden 70ern<br />
verächtlich den „Mode-Punks" zugeschrieben wurden: die rot-schwarz<br />
karierte Hose (bzw. der Rock), dazu Netzstrumpfhosen (möglichst nicht<br />
heil), Nietengürtel, Shirts mit ausgefransten Säumen, überall Buttons,<br />
Kippe im Mundwinkel, böser Blick, noch bösere Worte und zum so<br />
genannten Irokesenk<strong>am</strong>m geschnittene und gegelte Haare.<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 19<br />
eben Künstlern ist übrigens die noch heute<br />
schrille und wahnsinnig kreative britische<br />
Designerin Vivienne Westwood eine Vertreterin<br />
dieser Mode. Was sie trägt und kreiert, war nicht<br />
nur in den 70s heißbegehrt. Und das Schöne<br />
ist: Niemand muss lange suchen, um – inspiriert<br />
von Plattencovern, Konzertmitschnitten und<br />
Cliquenfotos von d<strong>am</strong>als – authentisch punkig aussehen<br />
zu können. Punk ist Trend, Punk beherrscht<br />
die Läden. Und Punk – wie eingangs erwähnt – ist<br />
gerade wieder so gefragt, dass<br />
die großen Modeschöpfer<br />
die geilsten Elemente herausgepickt<br />
haben, um<br />
sie zum Grunge-Look<br />
zu stylen. Fertig ist die<br />
Modegeneration Punk 2.0.<br />
© Pressefoto<br />
© Claudia Tupeit
ERICH KÄSTNER<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
Der<br />
veritable<br />
" Doppelschriftsteller"<br />
919 schrieb Kästner sich in Leipzig als Student der Germanistik und<br />
1Geschichte ein. D<strong>am</strong>it begann seine erste und auch produktivste Phase,<br />
die später durch ein Schreibverbot im Dritten Reich jedoch abrupt<br />
beendet wurde. 1923 wurde er als Redakteur des „Leipziger Tageblatt"<br />
engagiert, jedoch vier <strong>Jahre</strong> später fristlos entlassen. Ausgerechnet an<br />
Beethovens 100. Geburtstag war ein – für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse – frivoles<br />
Gedicht Kästners erschienen, das in konservativen Kreisen als Parodie<br />
auf den Komponisten missverstanden wurde. Seinen N<strong>am</strong>ensvetter und<br />
Mitarbeiter Erich Ohser (e.o.plauen, Schöpfer der „Vater und Sohn"-<br />
Comics), der eine freche Zeichnung beigesteuert hatte, ereilte das gleiche e<br />
Schicksal. Dass sie aufgrund dieses Vorfalls nach Berlin umzogen, darf<br />
allerdings als Fortschritt für die Karrieren der beiden Freunde gewertet<br />
et<br />
werden.<br />
Lexi<br />
xika<br />
hal<br />
alte<br />
ten viel<br />
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itig<br />
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äfti<br />
tigu<br />
ng mit<br />
sei<br />
eine<br />
n We rken<br />
en.<br />
Als ein Kind des 20. Jahrhunderts k<strong>am</strong> Erich Kästner <strong>am</strong> 23. Februar<br />
1899 als Sohn von Emil und Ida Kästner in Dresden zur Welt.<br />
Seine frühen <strong>Jahre</strong> lassen sich vorzüglich anhand der 1957 erschienenen<br />
Autobiografie „Als ich ein kleiner Junge war" rekonstruieren,<br />
deren letzter Satz in typisch lakonischer Art lautet: „Der Weltkrieg hatte<br />
begonnen, und meine Kindheit war zu Ende." Über seinen Vater ist<br />
darin allerdings genauso wenig zu erfahren wie sonst auch. Dass sich<br />
bis heute das Gerücht hält, nicht der Handwerker Emil, sondern der<br />
Hausarzt der F<strong>am</strong>ilie sei sein Erzeuger, unterstreicht die lebenslange enge<br />
Bindung zwischen Erich und seiner Mutter, der auch in den Büchern mit<br />
entsprechenden Figuren Ausdruck verliehen wurde. Offensichtlich sah<br />
Ida Kästner nach sieben <strong>Jahre</strong>n Ehe in der Geburt ihres Sprösslings eine<br />
neue sinnstiftende Aufgabe, wie dieser in seinen Schriften bestätigte. Die<br />
zahlreichen Briefe an sie wurden von Kästner bevorzugt mit der Anrede<br />
„Mein liebes Muttchen" versehen. Und „Muttchen" ließ sich selbst dann<br />
noch Erichs Wäsche zuschicken, als dieser bereits sein erstes eigenes Geld<br />
verdiente. Um ihm eine bilderbuchartige Schullaufbahn zu ermöglichen,<br />
richtete sie in der Wohnung eine Frisierstube ein und trat ein Zimmer zur<br />
Untermiete ab – und zwar ausschließlich<br />
an Lehrer. Der Filius dankte ihr die<br />
Zuneigung und das Vertrauen, indem<br />
er sich als Musterknabe gab, der den Lehrerberuf ergreifen wollte. Als<br />
Kästner mit 17 <strong>Jahre</strong>n einer Volksschulklasse Unterricht erteilen sollte,<br />
weil sich die Studenten älterer Jahrgänge bereits an der Front befanden,<br />
erkannte er jedoch, dass er „kein Lehrer", sondern ein „Lerner" war. Sein<br />
Interesse <strong>am</strong> Schulalltag sollte er später im berühmten Kinderroman „Das<br />
fliegende Klassenzimmer" ausleben. 1917 wurde dann auch er einberufen<br />
und kehrte erst gegen Kriegsende mit einer Herzschwäche als Folge<br />
der Schikanen durch einen menschenverachtenden Ausbilder aus einem<br />
Lazarett zurück.<br />
"<br />
Man kann auf seinem Standpunkt stehen,<br />
aber man sollte nicht darauf sitzen."<br />
Erich Kästner<br />
© Pressefotos<br />
Seite 20 ■ GoodTimes 1/2015
Kästner und Ohser durchstreiften fortan die deutsche<br />
Hauptstadt, die Ersterer rückblickend als „interessanteste<br />
Großstadt der Welt" beschrieb. Sie verfassten Reportagen<br />
und feilten an politischen Witzen, während sie stundenlang<br />
in Cafés saßen. Eines Tages trat Edith Jacobsen, die Besitzerin<br />
des Verlags der Zeitschrift „Weltbühne", an Kästner mit der<br />
Anregung heran, doch einmal ein Kinderbuch zu verfassen.<br />
Dies war die Geburtsstunde von „Emil und die Detektive",<br />
das 1929 veröffentlicht wurde und den Weltruhm seines<br />
Autors auch dank des gleichn<strong>am</strong>igen Films begründete. Es<br />
ist schon sehr viel Anstrengung erforderlich, in dieser ersten<br />
Detektivgeschichte der deutschen Jugendliteratur keine autobiografischen<br />
Elemente Kästners zu entdecken. Nicht nur die Idee, eine Gruppe<br />
von Kindern einen Dieb überführen zu lassen, hat bis heute zahlreiche<br />
Nachahmer gefunden. Allein schon der Handlungsort der Großstadt<br />
und die Konfrontation von Kindern mit „realistischen" Begebenheiten<br />
unterstreichen, dass Erich Kästner kein klassischer „Märchenonkel"<br />
war, sondern für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse sehr modern. Illustriert wurde<br />
„Emil und die Detektive" von Walther Trier, der bis zu seinem Tod 1951<br />
auch die nachfolgenden Kinderbücher Kästners mit unverwechselbaren<br />
Zeichnungen versah.<br />
Die Aktualität des<br />
Autors zeigte sich<br />
auch in seinen anderen<br />
Werken. 1928<br />
erschien Kästners<br />
erster Gedichtband<br />
„Herz auf Taille",<br />
zu dem Ohser Bilder<br />
beisteuerte. Mit dem<br />
nicht von ungefähr an<br />
den Anfang gestell-<br />
Berlin<br />
1929 929: 9: Eri<br />
rich<br />
Kästner<br />
an<br />
seinem<br />
ersten eigenen Schreibtisch<br />
ten „Jahrgang<br />
1899" bekannte<br />
sich Kästner als<br />
Vertreter einer desillusionierten<br />
„verlorenen" Generation infolge des Ersten Weltkriegs. Für<br />
seine Dichtkunst insges<strong>am</strong>t schuf er den Begriff „Gebrauchslyrik". Ruhm<br />
in der Nachwelt war Kästner nicht wichtig, er verstand sich als Reporter<br />
seines Zeitalters. Dennoch dürften sich auch heute Leser beispielsweise in<br />
dem Gedicht „Sachliche Romanze" wiederfinden, in dem die erloschene<br />
Liebe zwischen einem Paar mit einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand<br />
wie einem verlegten Spazierstock verglichen wird.<br />
Auch in seinem Roman „Fabian – Die Geschichte eines<br />
Moralisten", der sich an Erwachsene wendet, kritisierte<br />
Kästner seine Zeit, indem er die Sorgen und Nöte<br />
der Angestellten in der Weimarer Republik während der<br />
Weltwirtschaftskrise in den Blickpunkt rückte. Die Titelfigur<br />
trifft in mehreren Episoden auf Personen, die den politischen<br />
und moralischen Verfall der Gesellschaft widerspiegeln.<br />
Im Vorwort schrieb Kästner, mit dem Roman vor dem<br />
„Abgrund", dem sich Deutschland und Europa näherten,<br />
warnen zu wollen. Erst im vergangenen Jahr ist das Werk<br />
unter dem vom ersten Verleger abgelehnten Titel „Der Gang<br />
vor die Hunde" und in ungekürzter Form erschienen, so, wie<br />
sein Verfasser es sich ursprünglich vorgestellt hatte.<br />
Ohne dass Kästner sich je zu einer politischen Ideologie oder<br />
Partei bekannt hätte, wurden auch seine Bücher mit den<br />
Worten „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht<br />
und Sitte in F<strong>am</strong>ilie und Staat" von Reichspropagand<strong>am</strong>inister<br />
Goebbels <strong>am</strong> Abend des 10. Mai 1933 im Rahmen der<br />
Bücherverbrennung in die Fl<strong>am</strong>men geworfen. Bis dahin<br />
hatte Kästner vier Gedichtbände, einen Roman, ein Hör- und<br />
Bühnenstück, fünf Kinderbücher, darunter seine erste rein<br />
fantastische Geschichte mit dem bezeichnenden Titel „Der<br />
35. Mai", sowie Verfilmungen und Bühnenadaptionen von „Emil und<br />
die Detektive" und „Pünktchen und Anton" veröffentlicht. Als einziger<br />
der betroffenen prominenten Schriftsteller weilte er dem<br />
Akt selbst als stiller Beobachter bei. Obwohl Kästner wähirend<br />
der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Ausland weilte, emigrierte er in der Zeit des Dritten Reichs<br />
nicht, sondern schlug sich während seiner zweiten wichtigen<br />
Schaffensperiode zwischen 1933 und 1945 mit leichter, unter<br />
Pseudonym veröffentlichter beziehungsweise in der Schweiz<br />
verlegter Unterhaltungsliteratur durch, darunter „Drei Männer<br />
ne<br />
im Schnee" mit seinen komischen Verwechslungsszenen.<br />
ne<br />
n.<br />
Kenner vermuten als eigentlichen Grund für sein Verbleiben ben<br />
in Deutschland trotz ständiger Observierung und zweimaliger<br />
Verhaftung allerdings weniger Zivilcourage, sondern den Umstand, dass s er<br />
seine Mutter nicht alleine lassen wollte. Seine Eltern überlebten den Krieg<br />
und starben in den <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n. 1943 lockerte Goebbels übrigens persön-<br />
"<br />
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."<br />
Erich Kästner<br />
lich Kästners Berufsverbot ein einziges Mal unmittelbar vor einer absoluten<br />
Publikationsuntersagung und ließ ihn – offiziell anlässlich des 25-jährigen<br />
Bestehens der Ufa-Studios – ohne n<strong>am</strong>entliche Erwähnung im Film<br />
das Drehbuch für „Münchhausen"<br />
mit Superstar Hans Albers in der<br />
Titelrolle verfassen.<br />
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
fand Kästner in München eine<br />
neue Heimat, wo er das Kabarett<br />
„Schaubude" mit Texten belieferte,<br />
die den Schwerpunkt seiner dritten<br />
Schaffensperiode bildeten. Aber<br />
auch Kinderbücher standen wieder<br />
auf der Tagesordnung. „Das doppelte<br />
Lottchen" hatte gegen Kriegsende<br />
bereits als Filmmanuskript in der<br />
Schublade gelegen und wurde<br />
zunächst als Buch veröffentlicht,<br />
Kästner mit seiner<br />
kretärin<br />
Liselottete Rasenow<br />
bevor der Autor selbst es erneut<br />
zu einem Drehbuch mit anschließender<br />
Verfilmung umschrieb, bei der er selbst mitspielte. 1948 entwarf<br />
Kästner mit „Die Konferenz der Tiere" seine antimilitaristische Utopie<br />
von einer friedlichen Welt und sprach sich gegen die Wiederbewaffnung<br />
und atomare Aufrüstung der Bundesrepublik aus. Seinem 1957 geborenen<br />
Sohn widmete er die letzten<br />
Kinderbücher „Der kleine Mann"<br />
sowie „Der kleine<br />
Mann und die kleine<br />
Miss" über Mäxchen<br />
Pichelsteiner, der in einer<br />
Streichholzschachtel<br />
schläft. Während Kästner<br />
Satire und Galgenhumor<br />
Sekr<br />
ansons ten seinen<br />
Werken für Erwachsene<br />
vorbehielt, weswegen<br />
manche Kritiker ihm eine<br />
„Doppelbegabung" als<br />
Schriftsteller sowohl<br />
für Erwachsene e<br />
als auch für deren<br />
Nachkommen bescheinigen, ist in diesen Alterswerken<br />
auch Ironie zu finden, die für Jüngere nicht einfach zu<br />
verstehen ist. Dennoch galt Kästners Sympathie zeitlebens<br />
den Kindern, deren Welt er stets als „gutartig" schilderte.<br />
Dass er sie beispielsweise in „Pünktchen und Anton" als<br />
quasi bessere, moralisch überlegene „junge Erwachsene"<br />
beschrieb, spricht dafür, dass er sich im Endeffekt doch<br />
als eine Art Pädagoge verstand. Letztlich tl ist es aber insbesondere<br />
Kästners klarer, natürlich-lebendiger lebe<br />
ndig<br />
iger<br />
Erzählstil,<br />
l,<br />
der ihm auch nach seinem Tod im Juli 1974 Generationen neuer er<br />
Leser<br />
er<br />
zugeführt hat.<br />
Zu Hau<br />
ause<br />
bei<br />
der<br />
Arbeit.<br />
Der Kopf<br />
raucht.<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 21
Rekl<strong>am</strong>e für Erfrischungsgetränke<br />
Von Kathrin Bonacker<br />
Süße Brause für<br />
Spaßvögel &<br />
Sportskanonen<br />
Im Freien sitzen und eine Cola mit einem bunten<br />
Plastikhalm trinken – was für ein Fest! "<br />
Cola": Das<br />
war zu Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> beim Essengehen<br />
oder als große Ausnahme zum Kindergeburtstag<br />
in der guten Stube noch ein echtes Zauberwort<br />
in Kinderohren. Dabei spielte es keine Rolle, ob<br />
es sich um Sinalco-Kola, Afri-, Pepsi- oder Coca-<br />
Cola handelte – und Club-Cola kannten wir im<br />
Westen noch gar nicht ... Der Prickel und das<br />
Überschäumen waren in jedem Fall reizvoll,<br />
auch später die ersten klebrigen Versuche<br />
beim Trinken aus der Dose! Wer aber das<br />
Rennen um die kleineren oder größeren<br />
Kunden machen wollte, der musste sich in<br />
Sachen Werbung ganz schön was einfallen<br />
lassen: Die Konkurrenz schlief nicht!
Was gab<br />
es hier zu Lande eigentlich Mitte des 20.<br />
Jahrhunderts zu trinken? Vielleicht Wasser, Milch oder<br />
Pfefferminztee, je nach F<strong>am</strong>iliengewohnheit, Geschmack<br />
oder Geldbeutel. Und nichts Süßes? Doch! Früchtesirup wurde mit<br />
Wasser verdünnt, und für alle Süßschnuten gab es auch schon sehr<br />
lange Limonade (aus Wasser, Zitronensaft und Zucker), seit dem 19.<br />
Jahrhundert bereits mit Kohlensäure angereichert.<br />
Ab 1929 trat dann die <strong>am</strong>erikanische<br />
Firma Coca-Cola auch in Deutschland<br />
ihren Siegeszug an. Das koffeinhaltige<br />
Cola-Getränk war in den USA bereits seit<br />
langem etabliert und enthielt zwar noch<br />
Kolanuss als Koffeinlieferant, aber dann<br />
doch kein Kokain mehr. Der vormals in die<br />
Kritik geratene Inhaltsstoff des Erythroxylums<br />
(Coca-Blätterextrakt) lieferte jetzt nur noch<br />
Koffein. Die Essener Vertriebsgesellschaft für<br />
Naturgetränke, die von da an Coca-Cola in<br />
unseren Breiten vertrat, produzierte ab 1940<br />
in derselben Fabrik zusätzlich übrigens auch<br />
die neu entwickelte Orangenlimonade Fanta,<br />
so dass beides in der Nachkriegszeit bereits<br />
eingeführt war. Ein Werbefachmann schrieb<br />
über diese frühen <strong>Jahre</strong> von Coca-Cola in<br />
Deutschland: „Coca-Cola war eines der ersten<br />
Produkte, für das konsequent mit dem <strong>am</strong>erikanischen<br />
Way of life geworben wurde"<br />
(Kriegeskorte, S. 164). Die lachenden Cola-<br />
Trinker waren in Freizeitsituationen abgebildet,<br />
und der langjährige Slogan hieß Mitte der<br />
<strong>50</strong>er bis Anfang der 60er <strong>Jahre</strong>: „Mach mal Pause ..." Wer frei hatte<br />
und sich mit Freunden und F<strong>am</strong>ilie traf, der sollte Cola trinken: Die<br />
Rechnung ging g auf!<br />
Um ebenfalls in diesem<br />
Sektor zu punkten,<br />
ergänzte die westfälische<br />
Traditionsfirma<br />
Sinalco das althergebrachte<br />
Limonadengetränk ihrerseits<br />
um Sinalco-Kola,<br />
denn wer auf sich hielt,<br />
bot das Duo zur Auswahl:<br />
Pepsi hatte Mirinda dabei,<br />
und Afri-Cola bot Bluna<br />
als Orangenbrause. Aber<br />
auch wenn vielleicht der<br />
orangene Sprudel oder eine<br />
schlichte Apfelschorle viel<br />
besser schmeckten, so war<br />
doch der Reiz des Seltenen<br />
enorm viel größer, und das Cola-Image bestimmte über das<br />
Firmenschicksal.<br />
Der K<strong>am</strong>pf zwischen Coca-Cola und Pepsi war inzwischen<br />
schon etabliert: Neben Preiskämpfen k<strong>am</strong> es<br />
immer wieder zu aggressiver vergleichender Werbung – das<br />
Ganze hieß in der Branche schlicht der „Cola-Krieg". Für<br />
die Verbraucher zeigten Lokale direkt mit dem Logo auf<br />
der Speisekarte, wessen Schanklizenz sie hatten: Sinalcos<br />
schräger Schriftzug im roten Punkt, Pepsis blau-weiß-roter<br />
„Globus", Coca-Colas rot-weißer Schriftzug oder Afris<br />
Palmenbild auf schwarzem Grund versprachen die Brause,<br />
auf die die Kinder hofften. In der DDR dagegen gab es<br />
zunächst noch die seit 1958 produzierte Vita-Cola (die laut<br />
Fünfjahresplan die Versorgung der Bevölkerung mit alkoholfreien<br />
Getränken verbessern sollte), ab 1967 wurde diese<br />
von der legendären Club-Cola ergänzt. Rekl<strong>am</strong>e hierfür war<br />
nicht nötig. Die Marktführer im Westen hingegen überboten<br />
sich<br />
bei ihren Werbek<strong>am</strong>pagnen in der Kategorie „Gute Laune" und<br />
beteuerten, der Geschmack sei jeweils einzigartig.<br />
Einzigartig war jedenfalls der Fotograf Charles Wilp, der ab<br />
1968 für Afri-Cola und Bluna so provozierende Bilder machte,<br />
wie sie in dieser Frechheit erst wieder Oliviero Toscani (ab 1982 für<br />
Benetton) bot. Wilp arbeitete mit Effekten wie vereisten Scheiben<br />
und künstlichem Nebel. Die aufreizend bekleideten Models wurden<br />
in Zus<strong>am</strong>menhänge gebracht, die sofort für<br />
Aufmerks<strong>am</strong>keit sorgten – so inszenierte er<br />
Afri-Cola beispielsweise als Rausch erzeugende<br />
Droge. Dazu gab es 1969 sogar<br />
eine Schallplatte mit „Afri-Rauschmusik" als<br />
„Super-Single" für 4,95 DM bei Afri-Cola in<br />
Köln zu erwerben – die Bilder verknüpften<br />
ungeniert Erotisches und Revolutionäres mit<br />
dem simplen Süßgetränk.<br />
Die K<strong>am</strong>pagne spielte mit Worten,<br />
und anstelle der üblichen ernsten<br />
Werbetexte entstanden beinahe sinnfreie<br />
Comic-Sprachkollagen wie „sexy –<br />
mini – super – flower – pop-op-cola". Im<br />
Werbefernsehen lief ein Wilp-Spot, der den<br />
„Afri-Cola-Rausch" an attraktiven „Nonnen"<br />
in weißen Hauben demonstrierte: „Untermalt<br />
mit psychedelischer Musik drücken junge<br />
D<strong>am</strong>en in keuschen Ordenstrachten lechzende<br />
Zungen und brauselüsterne Körper<br />
an vereisten Glasscheiben platt", beschrieb<br />
es der Werbeforscher Hars und betonte den<br />
Effekt fe<br />
der<br />
K<strong>am</strong>pagne: „Die Umsätze stiegen wunschgemäß um 40<br />
Prozent" (Hars, S. 24/25).<br />
Für Bluna erdichteten die Werbetreibenden gar einen verrückten<br />
Mythos: Dazu gruppierte Wilp jeweils „7 Jungfrauen" in<br />
einem dunklen Raum – meist in ganz und gar nicht jungfräulicher<br />
Gewandung –, die sich „bei Vollmond" trafen, um Bluna herzustellen.<br />
D<strong>am</strong>it war auch das zweite Standbein der Afri-Produktion mit<br />
auffälliger Rekl<strong>am</strong>e versorgt. Für eine Bosco-Bitter-Anzeige dagegen<br />
(das Tonic des Konzerns) posierte dann eine boxende Frau, die<br />
frech in Wilps K<strong>am</strong>era schaute. Typisch für diese Zeit: Der unauffällige<br />
Mann neben ihr hat sogar einen Helm auf, sie dagegen ist<br />
barbusig und trägt die Haare offen. Motto: Frauen dürfen gern stark<br />
sein, so lange sie sexy bleiben!<br />
Charles Wilp selbst war ein schillernder Held der Werbewelt.<br />
1932 im Ruhrgebiet geboren, k<strong>am</strong> er nach einem Studium in<br />
Paris und als Schüler des US-<strong>am</strong>erikanischen Fotografen Man Ray<br />
nach Deutschland zurück, schuf in den 60ern und 70ern neben den<br />
erwähnten K<strong>am</strong>pagnen auch eine für Puschkin-Wodka sowie<br />
die berühmte VW-Serie („Er läuft und läuft ...") und stellte<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 23
1972<br />
unter dem<br />
Titel „Konsumrealismus" mus"<br />
auf der Documenta in<br />
Kassel aus. Während sonst allenfalls die Agentur als solche bekannt<br />
wurde, stand bei seinen Werken zum Beispiel: „letzte meldung –<br />
stop – im bosco-bitter-ring fotografierte charles wilp lolly boxer"<br />
ausdrücklich dabei.<br />
Sinalco ließ sich da nicht lumpen und warb für seine Kola ab<br />
1969 mit einer aufblasbaren Plastikpuppe n<strong>am</strong>ens Rita in<br />
schreienden Farben, die als „lebensgroße Party-Puppe" auf Anzeigen<br />
und Plakaten angepriesen wurde. Die Slogans lauteten anzüglich<br />
„Call-Girl" oder „Rita ist lieb", und der Text erläuterte dazu: „Rita<br />
hat den größten Erfolg auf Partys, Festchen, im Café, im Hörsaal und<br />
<strong>am</strong> Arbeitsplatz. Und besonders bei Demonstrationen." Die kesse<br />
D<strong>am</strong>e konnte für 6,60 DM bestellt werden und war bis 1972 im<br />
Einsatz. Über ihre politischen Erfolge ist allerdings nichts bekannt ...<br />
Am Ende bek<strong>am</strong> sie Gesellschaft von einer ebenso poppigen männlichen<br />
Puppe, die schwarzhaarig<br />
eine lange Mähne und<br />
Schnurrbart zu knallroten<br />
Lippen trug.<br />
Neben<br />
Orangen-<br />
Limonade und Cola<br />
hatte der Markt aber auch<br />
noch Platz für das zitronige<br />
Süßgetränk, das beinahe<br />
in Vergessenheit geraten<br />
war: Von den Marktführern<br />
mit neuen N<strong>am</strong>en und einer<br />
K<strong>am</strong>pagne versehen, starteten<br />
mehrere Produkte in<br />
den 60ern neu durch. Sprite<br />
bedeutet im Englischen Elfe oder Kobold – jedenfalls<br />
steht es für einen Naturgeist, besonders gern in der<br />
Form des „water sprite" (Wassermann) benutzt. Seine<br />
Entwicklung ist deshalb interessant, weil es, ursprünglich<br />
in Deutschland als Fanta Klare Zitrone entwickelt,<br />
1959 auf den Markt k<strong>am</strong> und 1961 unter dem N<strong>am</strong>en<br />
Sprite in den USA eingeführt wurde, wo es 7 Up<br />
Konkurrenz machte. Ab 1964 produzierte Pepsi dann<br />
Teem, um wiederum Coca-Colas Sprite etwas entgegensetzen<br />
zu können. Diese Zitronenlimonade setzte sich<br />
aber in Deutschland nicht durch, während sie in den<br />
USA und Kanada bis in die 80er <strong>Jahre</strong> zu bekommen<br />
war. Sprite hatte da entschieden mehr Erfolg.<br />
Der deutsche Limo-Klassiker Sinalco musste der<br />
Konkurrenz nun beweisen, dass die Moderne auch<br />
hier zu Lande Einzug gehalten hatte, und brachte eine<br />
beispielhafte Pop-Art-K<strong>am</strong>pagne heraus: Ganz im Comic-<br />
Stil der Bilder von Andy Warhol oder Roy Lichtenstein<br />
zeigten die Werbegrafiken immer mit „Plop!" eine<br />
fröhliche Person beim Kronkorken-Abhebeln. Die bunten<br />
Punkte des Siebdruckverfahrens blieben dabei als<br />
Stilmittel sichtbar. Wichtiger aber für den Erfolg der<br />
Firma war sicher der bekannte Jingle „Die Sinalco<br />
schmeckt, die Sinalco schmeckt, die Sinalco-nalco-nalco<br />
schmeckt ...", der an den „Flohwalzer" angelehnt war,<br />
den jedes Kind als erstes auf dem Klavier klimpern kann.<br />
Kein anderes Erfrischungsgetränk hat einen solchen<br />
Schlager gelandet wie Sinalco 1979 ...<br />
Da eines der Erfolgsrezepte der Erfrischungsgetränke<br />
ihre Eignung zum Mixen mit Alkoholika war, ließ<br />
sich darüber hinaus die bittere Variante noch ergänzen.<br />
Ein Mixgetränke-Buch der 70er <strong>Jahre</strong> erläuterte<br />
die Qualität dieser meist chininhaltigen Limonaden:<br />
„Besonders zum Purtrinken, aber auch mit einem Schuss<br />
Gin, Wodka, Weinbrand, Cognac u.ä. sind die bitteren<br />
Limonaden ein echtes Labsal. Die üblichen trüben und<br />
wasserklaren Limonaden sind für die Hausbar nicht so gut geeignet,<br />
da sie oft ein wenig künstlich schmecken" (Martin, S. 13).<br />
Allen voran gingen dabei Schweppes und Kinley. Kinley setzte<br />
auf das Prinzip, das sich auch einige Mineralwasser-Hersteller<br />
zueigen machten: Exklusivität und den edlen Auftritt. Der Slogan<br />
„Geschmack hat einen N<strong>am</strong>en" geht mit der Präsentation der<br />
Getränke auf einem Silbertablett einher: Der Arm des Servierenden<br />
steckt in dunklem Stoff mit weißer Spitzenmanschette, ein weißer<br />
Handschuh macht den Auftritt als herrschaftliches Dienstpersonal<br />
(dessen Gesicht selbstverständlich nicht sichtbar ist) perfekt.<br />
Diejenigen, die die „anregend-schönen Stunden" mit Kinley genießen,<br />
sitzen und stehen in einem hohen, mit Gemälden dekorierten<br />
Raum. Diese K<strong>am</strong>pagne war eher traditionell gehalten und spielte<br />
grafisch mit den dekorativen Elementen des Jugendstils, die gerade<br />
bei Nostalgikern en vogue waren.
Die Schweppes-K<strong>am</strong>pagne dagegen war für die Werbung besonders<br />
spannend, da sie einen ganz anderen Mechanismus nutzte.<br />
Hier gab es Grund zum Schmunzeln! Das Prinzip war einfach:<br />
Schweppes wurde als spezifisch britisches Produkt von einer Person<br />
dargeboten, die ganz eindeutig einen echten<br />
Spleen hatte. Immer untertitelt mit der Zeile:<br />
„Er ist Schweppes-Trinker." Diese Spleens<br />
konnten ganz unterschiedliche Ausrichtungen<br />
haben, vor allem aber bek<strong>am</strong>en die Helden<br />
der Anzeige stets Orden für ihre Verdienste<br />
verliehen oder wurden zum Ritter geschlagen:<br />
Einer dressierte Pfauen und wurde dafür zum<br />
„Knight Of The Golden Bird", der Nächste<br />
erfand den „seitenwindunempfindlichen<br />
Poloball" und bek<strong>am</strong> dafür den Sattel-Orden.<br />
„Sir Reginald und Lady Anthea Ponsonby"<br />
bek<strong>am</strong>en den Pfotenorden („Order Of The<br />
Paw") für ihre Beagle-Liebe, eine „Denkschrift<br />
über die Wachstumsgeräusche englischen<br />
Rasens" machte ihren Entwickler zum stolzen<br />
Träger des „Order Of The Greens", für das<br />
„Verzeichnis englischer Schlossgeister" gab es<br />
das „Blue Band Of The Midnight", und 1971<br />
wurde gar „Gordon Thistelthwaite" für seine<br />
„33-stündige Rede über die kommerzielle<br />
Nutzung des Londoner Nebels" zum „Master<br />
Of The Lip" ernannt. Es war klar: Wer Schweppes pes trank, der verfügte<br />
über besondere Talente, die nicht jeder besaß, oder hatte zumindest<br />
Ideen, auf die keiner k<strong>am</strong>! Originalität war ein Wert an sich, und diese<br />
K<strong>am</strong>pagne brachte die Leser zum Kichern.<br />
Ganz anders dagegen die Zielgruppe, der sich Coca-Cola in den frühen<br />
70er <strong>Jahre</strong>n zuwandte: Bei Coke hieß der Slogan „frischwärts",<br />
und gezeigt wurden Gruppen junger Leute bei Spiel und Sport. Die<br />
einen sprangen von einem Felsen ins Meer, die anderen fuhren in einem<br />
völlig<br />
überladenen en Jeep durch die Landschaft, die Nächsten spielten<br />
Boule, in wildem Wasser wurde gepaddelt, im Schnee fuhren<br />
sie Schlitten und fielen lachend herunter. Sportliches<br />
Vergnügen in der Gruppe war das Thema, und auch in der<br />
Lift-Rekl<strong>am</strong>e stand der Sport im Vordergrund, allerdings<br />
war es immer eine im Mittelpunkt stehende Einzelperson,<br />
die ihren „atemlosen<br />
Durst" mit Lift „wegzischte".<br />
Beim Tennis<br />
wie beim Fechten,<br />
Sprinten,<br />
Motocross<br />
oder Radfahren hieß es<br />
jeweils über das Getränk<br />
mit der „Löschkraft der<br />
Zitrone": „Jetzt Lift,<br />
und weg ist der Durst."<br />
Bei dieser Hinwendung<br />
zur professionelleren<br />
Variante des Sports<br />
war es nur konsequent,<br />
dass Coca-Cola 1984 sogar<br />
Hauptsponsor der Olympischen<br />
Spiele in Atlanta wurde. Afri-Cola<br />
hatte sich bereits Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> als<br />
Sponsor eines es deutschen<br />
en<br />
Radrennens versucht, denn die Betonung all<br />
dieser Brausen lag immer auf der Erfrischung<br />
und vor allem der Alkoholfreiheit des Produkts.<br />
Parallel dazu trugen alle Getränke hersteller<br />
seit dem Ende der 70er dem wachsenden<br />
Gesund-<br />
h<br />
e i t s -<br />
bewuss tsein<br />
Rechnung<br />
und entwi-<br />
c k e l t e n<br />
kalorienarme,<br />
womöglich<br />
zuckerfreie<br />
Light-<br />
Produkte<br />
– hübsch<br />
präsentiert<br />
von besonders<br />
schlanken,<br />
sonnengebräunten<br />
Models, gerne mit<br />
Handtuch um die Schultern. Sie zeigten,<br />
dass es Erfrisch ungsge tränke<br />
passend zu ihren durchtrainierten<br />
Körpern gab. 1978 trank eine junge<br />
Frau <strong>am</strong> Pool bereits kalorienarmes<br />
Diät-Lift (zum Slogan „Schlank ist<br />
schön"), und 1987 gab es konsequenterweise<br />
Coca-Cola-Light-<br />
Designer-Badeanzüge zu gewinnen.<br />
An dieser Prioritätensetzung<br />
im Getränkesektor hat sich bis<br />
heute nicht viel geändert: Wer<br />
Limonade verkaufen will, darf nie,<br />
niemals und auf gar keinen Fall<br />
von Zucker reden!<br />
LITERATUR:<br />
– "<br />
Werbung in Deutschland 1945–1965",<br />
1965"<br />
Michael Kriegeskorte, DuMont Verlag, 1992<br />
– "<br />
Lurchi, Klementine & Co. – Unsere Rekl<strong>am</strong>ehelden<br />
und ihre Geschichten", Wolfgang Hars, Argon Verlag, 2000<br />
– "<br />
Das große Buch der Mixgetränke",<br />
Henry Martin, Vehling Verlag, 1977
Spiel ohne Grenzen<br />
Wie der<br />
Straßenfeger<br />
einst die ganze<br />
F<strong>am</strong>ilie vor<br />
dem Fernseher<br />
vereinte<br />
Von Oliver Schuh<br />
C<strong>am</strong>illo Felgen im Clinch mit den Juroren<br />
So holt man sich eine Gesäßprellung<br />
Nilpferde sahen früher irgendwie anders aus<br />
"<br />
Wer stürzt oder sich sonstwie<br />
verletzt, muss gegebenenfalls<br />
aus dem Bild kriechen. Es werden<br />
keine Leidenden auf dem Bildschirm<br />
gezeigt!", lautete die eindeutige<br />
Regieanweisung zur ARD-Show Spiel "<br />
ohne Grenzen" aus dem Jahr 1973. Bis<br />
dahin war in der Sendung bereits so mancher<br />
schmerzhafte Zwischenfall zu beobachten gewesen.<br />
Selten jedoch in Großaufnahme, sondern meist in der<br />
Totalen. Schmerzverzerrte Gesichter waren d<strong>am</strong>als,<br />
sofern sie nicht in einem Krimi gezeigt wurden, noch<br />
nicht telegen ...<br />
Sehnenteilanrisse,<br />
Kopfverletzungen,<br />
Schürfwunden, Gesäßprellungen – um<br />
die zahlreichen körperlich anspruchsvollen<br />
Aufgaben bei diesem legendären<br />
Städtewettbewerb zu bewältigen,<br />
waren echte Nehmerqualitäten erforderlich.<br />
Wasser und Schmierseife gehörten<br />
zu den Hauptkomponenten der Spiele,<br />
Schadenfreude, wenn sich jemand flachlegte,<br />
war progr<strong>am</strong>miert. Der spätere Moderator<br />
Heribert Faßbender erinnert sich: „Wir nannten<br />
das d<strong>am</strong>als intern die Schmierseifen-<br />
Olympiade." Auch der Begriff „Kasperspiele"<br />
ist überliefert, wird der Veranstaltung aber nicht<br />
gerecht, weil hinter dem Spaß ganz offensichtlich<br />
große Anstrengungen der Amateur-Gladiatoren steckten,<br />
die auf keinen Fall unter den Tisch fallen dürfen.<br />
Die Konkurrenten schossen sich gegenseitig mit überdimensionalen<br />
Wasserpistolen von rutschigen Brettern, mussten in albernen<br />
Straußenkostümen einen Hindernis-Parcours überwinden, flogen aus<br />
sich stetig beschleunigenden Karussells, hatten auf sich drehenden<br />
Mühlrädern das Gleichgewicht zu halten oder C<strong>am</strong>pingstühle durch den<br />
Swimmingpool zu tragen.<br />
Seite 26 ■ GoodTimes 1/2015
Und das alles <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stag um 15 Uhr<br />
– eine heute undenkbare Prime Time<br />
für eine Unterhaltungsshow – im Ersten,<br />
Privatfernsehen gab es noch nicht. Ein<br />
Pflichttermin für große und kleine Zuschauer:<br />
Die komplette F<strong>am</strong>ilie, von den Großeltern<br />
bis zum jüngsten Nachwuchs, vers<strong>am</strong>melte<br />
sich vor dem Fernsehgerät und fieberte mit.<br />
Der verhinderte Opernsänger und Frühzeit-DJ<br />
C<strong>am</strong>illo Felgen, der die Sendung von 1965<br />
bis 1973 satte 125 Mal moderierte (nachdem<br />
Erstmoderator „Klettermaxe" Armin Dahl die<br />
Debütsendung versemmelt hatte), begrüßte das<br />
Publikum stets auf seine jovial-charmante Art,<br />
um nachfolgend Städtete<strong>am</strong>s aus Duderstadt,<br />
Schliersee oder Radevormwald die Gelegenheit<br />
zu geben, sich immer wieder gepflegt auf die<br />
Schnauze zu legen. Aber um es noch einmal<br />
deutlich zu sagen: Die Show galt in erster<br />
Linie als sportlicher Wettk<strong>am</strong>pf und noch nicht<br />
so sehr als „Brot und Spiele"-Belustigung für<br />
sensationsgeile TV-Zuschauer, denen kein Kick<br />
zu derbe sein konnte. (In Zeiten von nur zwei<br />
öffentlich-rechtlichen Fernsehprogr<strong>am</strong>men gab<br />
es Letzteren übrigens auch in begrifflicher<br />
Hinsicht noch nicht.)<br />
Spiel ohne Grenzen" war zudem die einzige<br />
Unterhaltungssendung jener Zeit,<br />
„<br />
die neben dem „Grand Prix Eurovision de<br />
la Chanson" international ausgerichtet war.<br />
Europaweit lief sie in ganz verschiedenen<br />
Ländern etwa unter den N<strong>am</strong>en „It’s A<br />
Knockout" oder „Jeux Sans Frontières" wie<br />
auch unter „G<strong>am</strong>es Without Frontiers" (zu allen dreien höre auch Peter<br />
Gabriels gleichn<strong>am</strong>igen<br />
80er Song<br />
"G<strong>am</strong>es Without<br />
Frontiers"), „Giochi<br />
senza frontiere",<br />
„Spel zonder<br />
grenzen" u.a.<br />
Mittwochabends<br />
gab es dann alle<br />
paar Monate<br />
die internationale<br />
Finalrunde,<br />
an der regelmäßig „<br />
Deutschland, die Schweiz,<br />
Großbritannien, Frankreich<br />
(Charles de Gaulle war<br />
ein großer Fan der<br />
Sendung, weil er darin ein<br />
Aufeinander-Zugehen der<br />
Europäer sah), Italien, die<br />
Niederlande, Belgien und<br />
später auch Portugal und Jugoslawien teilnahmen. Diese internationale<br />
Veranstaltung wurde ebenfalls im Rahmen der Eurovision live übertragen.<br />
Übrigens: Deutschland hat das Gipfeltreffen (vor Portugal) <strong>am</strong><br />
häufigsten gewonnen.<br />
Das Besondere an der Idee von „Spiel ohne Grenzen" war sicher auch,<br />
dass der Zuschauer es hier nicht mit den üblichen Supersportlern<br />
zu tun bek<strong>am</strong>, sondern mit relativ normalen Menschen aus einer Stadt<br />
wie seiner eigenen, die relativ normale Menschen aus einer anderen Stadt<br />
im lustigen Wettstreit zu bezwingen versuchten. Wut und Enttäuschung<br />
waren selten auszumachen, denn die Teilnehmer blieben meist anonym<br />
und wurden nur als Städtete<strong>am</strong> wahrgenommen – es sei denn, einer<br />
der Mitwirkenden hatte gerade Außergewöhnliches geschafft, war zum<br />
Beispiel über die meisten liegenden K<strong>am</strong>ele gesprungen oder hatte mit<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 27<br />
dem Rhönrad einen Parcours bewältigt, der –<br />
genau! – mit Schmierseife präpariert war.<br />
Der Aufwand für die Spiele war<br />
enorm, trotz immer wiederkehrender<br />
Spielmuster: Manchmal benötigte man über<br />
20 Lastwagen, um die ganzen Requisiten<br />
und Bühnenteile an den Austragungsort zu<br />
schaffen. Ein Elefantenrennen wollte eben<br />
gut vorbereitet sein. Auch die K<strong>am</strong>erate<strong>am</strong>s<br />
hatten dementsprechend zu jener Zeit einen<br />
sicheren Job und k<strong>am</strong>en viel herum.<br />
Tricksereien, wie sie sich die Italiener und<br />
Holländer beim Finale in Verona 1970<br />
erlaubten, waren allerdings nicht unbedingt<br />
eine Seltenheit. Selbst die spätere Weitsprungund<br />
Staffel-Olympiasiegerin Heide Rosendahl,<br />
die sozusagen als Geheimwaffe für<br />
Radevormwald angetreten war, hatte mit<br />
Turnschuhen im Wettlauf bei strömendem<br />
Regen gegen die Spikes des im Pferdekostüm<br />
angetretenen niederländischen Kontrahenten<br />
keine Chance. Kommentar Faßbender:<br />
„Das Ganze lief immer unter Ausschluss<br />
des Rechtsweges, und das war gut so."<br />
Nicht zuletzt auch die Olympionikin bestätigt<br />
heute: „Wir hatten einfach unseren Spaß."<br />
1973 gab C<strong>am</strong>illo Felgen die Spielleitung<br />
ab. In einem späteren „Stern"-Interview<br />
gab er als Grund an, er habe das Gefühl<br />
gehabt, sich ständig zu wiederholen und<br />
bei steigender Gage immer weniger Leistung<br />
bringen zu müssen. Auch ein löblicher Ansatz, aber nur konsequent für<br />
jemanden, der Beatles-Texte eindeutschte – aus seiner Feder st<strong>am</strong>men<br />
"Sie liebt dich" und "Komm gib’ mir deine Hand". Nur ein Jahr später<br />
entschloss sich sein 1968 eingestiegener Co-Moderator Timm (später<br />
geändert in das bekannte Frank) Elstner, der übernommen hatte, zum<br />
gleichen Schritt, um seine Fernsehkarriere mit den „Montagsmalern"<br />
zu befeuern. Auch die Nachfolger Heribert Faßbender, Marie-Louise<br />
Steinbauer, Erhard Keller etc. hatten dann sicher keine Schuld <strong>am</strong> allmählichen<br />
Niedergang der TV-Show, vielmehr war es der finanzielle<br />
Zwang der unterschiedlichen Sender, denen die Kosten mit der Zeit über<br />
den Kopf wuchsen.<br />
Spiel ohne Grenzen" war eigentlich nie richtig tot, aber das anhaltende<br />
Siechtum der Städtewettbewerbe ist nicht zu leugnen. Es<br />
gab Wiederbelebungsversuche wie 1989 mit Michael Schanze (nach vier<br />
Folgen im Abendprogr<strong>am</strong>m wieder abgesetzt) oder als S<strong>am</strong>stagabend-<br />
Event unter dem neuen Titel „Deutschland Ch<strong>am</strong>pions" mit dem fragwürdigen<br />
Gerd Rubenbauer, die große Zeit der Sendung schien jedoch ab<br />
einem bestimmten Zeitpunkt endgültig vorbei. 2011 k<strong>am</strong> dann allerdings<br />
ProSieben auf die Idee, mit dem jungen, hippen Te<strong>am</strong> Joko Winterscheidt/<br />
Klaas Heufer-Umlauf und der Action-Show „17 Meter" einen Studio-<br />
Aufguss ins Rennen zu schicken, in dem zwar keine Städte mehr gegeneinander<br />
antreten,<br />
sondern kleine<br />
Te<strong>am</strong>s, deren<br />
Aufgaben aber<br />
im Wesentlichen<br />
einer weitaus<br />
abgründigeren Art<br />
von Humor entspringen<br />
als die,<br />
die „Spiel ohne<br />
Grenzen", das<br />
Original, einstmals<br />
so beliebt<br />
gemacht haben ...<br />
1989 in Bad Salzuflen mit Moderator<br />
Michael Schanze
DAS JAHR 1974<br />
Von Bernd Matheja<br />
Tor durch Gerd Müller – 2:1<br />
im WM-Finale gegen die Niederlande<br />
Willy Brandt<br />
Elisabeth Wiedemann, Heinz Schubert<br />
Brandt stürzt –<br />
Müller trifft –<br />
Tetzlaff pöbelt<br />
... und vier Schweden krempeln<br />
die Pop-Welt um<br />
1974<br />
ZEITGESCHEHEN<br />
Ab 1.1. gilt das neue Autokennzeichen DDR. *** In der BRD wird die<br />
Preisbindung für Markenartikel aufgehoben. *** Schweden verbietet<br />
<strong>am</strong> 2.1. sämtliche Rekl<strong>am</strong>ebeleuchtungen, um Strom zu sparen. *** Neuer<br />
Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend<br />
(FDJ) wird Egon Krenz (37; 10.1.). ***<br />
Am 14.1. untersagt China die Aufführung<br />
der „bourgeoisen" Musik von Ludwig van<br />
Beethoven. *** Der Bundestag verabschiedet<br />
das Immissionsschutzgesetz vom 18.1.<br />
(u.a. gegen Lärmbelästigung, Gestank aus<br />
Müllverbrennungsanlagen). *** Die Stadt<br />
Koblenz ordnet „angemessene" Frisuren für<br />
Polizeibe<strong>am</strong>te an (29.1.). *** Am 3.2. wird<br />
in Rio de Janeiro der Posträuber Ronald<br />
Biggs elf <strong>Jahre</strong> nach dem legendären<br />
Zugüberfall festgenommen. *** Ab dem<br />
12.2. werden in Spanien Bürger angezeigt,<br />
die das Magazin „Playboy" zeigen oder in Umlauf fbi bringen. *** Elf Prozent<br />
Abb<br />
ba<br />
Fußball-WM im eigenen Land,<br />
in dem ein DDR-Spion auffliegt,<br />
der den Kult-Kanzler kippt.<br />
Im englischen Brighton startet<br />
eine gigantische Musikkarriere.<br />
Und in einer miefigen<br />
Siedlungsbude in Wattenscheid<br />
stänkert sich ein laufender<br />
Meter n<strong>am</strong>ens Alfred in die<br />
Herzen des bundesdeutschen<br />
Fernsehpublikums.<br />
Lohnerhöhung für den Öffentlichen Dienst in der BRD ab 13.2. *** 4.3.:<br />
Entführung der US-Verlegertochter Patricia Hearst. *** Ab 9.3. setzt die<br />
Bundesbahn erstmals Computer für die Steuerung von Signalanlagen ein.<br />
*** 15.3.: Das US-Justizministerium verklagt den Bundesstaat Louisiana<br />
wegen der Rassentrennung an den dortigen Universitäten. *** Die britische<br />
Prinzessin Anne (24) entgeht in London einem Attentat. *** 22.3.:<br />
In Helsinki unterschreiben sieben Ostsee-Anrainerstaaten ein Abkommen<br />
zum Schutz des Meeres. *** Arbeitnehmer in H<strong>am</strong>burg erhalten ab 1.4.<br />
erstmals Bildungsurlaub (14 Tage, alle zwei <strong>Jahre</strong>). *** Am 10.4. tritt die<br />
israelische Ministerpräsidentin Golda Meir (76) zurück. *** 18.4.: Nach<br />
einem Banküberfall mit Geiselnahme wird in H<strong>am</strong>burg erstmals der „finale<br />
Rettungsschuss" gegen den Täter praktiziert. *** 23.000 Bundesbürger<br />
leben im April mit einem Herzschrittmacher<br />
(weltweit: 1<strong>50</strong>.000). *** In Bonn wird <strong>am</strong><br />
24.4. der DDR-Spion Günter Guillaume<br />
festgenommen. Die Folge: Rücktritt von<br />
Bundeskanzler Willy Brandt <strong>am</strong> 6.5. ***<br />
Ab 1.5. führt das Kraftfahrtbundes<strong>am</strong>t<br />
in Flensburg die Verkehrssünderkartei<br />
Helmut Schmidt<br />
ein. *** 2.5.: Einrichtung der Ständigen<br />
Vertretungen beider deutscher Staaten in den jeweiligen Hauptstädten. ***<br />
Am 15.5. wird Walter Scheel neuer Bundespräsident, <strong>am</strong> Tag darauf tritt<br />
Helmut Schmidt die Nachfolge von Willy Brandt als Bundeskanzler an.<br />
*** Am 18.5. wird Valérie Giscard d'Estaing französischer Staatspräsident.<br />
*** 23.5.: 25 <strong>Jahre</strong> Bundesrepublik. *** Ab Ende Mai kommt es zu<br />
Straßenschlachten in Frankfurt/Main wegen erhöhter Fahrpreise im<br />
Nahverkehr. *** In der BRD leben jetzt rund vier Millionen ausländische<br />
Mitbürger. *** 18.6.: Verbot von Werbespots für Tabakprodukte<br />
im Radio und TV. *** 21.6.: Erhöhung der Ausbildungsförderung für<br />
Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />
Seite 28 ■ GoodTimes 1/2015
Studenten und Schüler. *** Die beiden französischen Autohersteller Citroen<br />
und Peugeot fusionieren <strong>am</strong> 24.6. *** 26.6.: Schließung der renommierten<br />
Kölner Privatbank Iwan D. Herstatt wegen Überschuldung. Aus<br />
einem „Feuerwehrfonds" erhalten 35.000 Sparer Einlagen zurück. ***<br />
Ab 1.7. steigen in der BRD die Altersrenten um 11,2 Prozent. *** 15.7.:<br />
Militärputsch auf Zypern, Erzbischof Makarios geht außer Landes.<br />
*** Am 16.7. geht der bis dahin größte Atommeiler der Welt in Biblis<br />
(Hessen) ans Netz. *** US-Präsident Richard Nixon tritt <strong>am</strong> 9.8. wegen<br />
der Watergate-Affäre zurück. Sein Nachfolger wird Gerald Ford. ***<br />
4.9.: Die USA und die DDR nehmen diplomatische Beziehungen auf.<br />
*** Äthiopiens Kaiser Haile Selassie I. wird <strong>am</strong> 12.9. nach 44-jähriger<br />
Regentschaft vom Militär abgesetzt. *** 14.9.: Die DDR-Staatsbank<br />
bringt die neue „Mark der DDR" in Umlauf.<br />
*** Hans-Dietrich Genscher wird <strong>am</strong> 1.10.<br />
zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt.<br />
*** Der Nordire Séan MacBride, ehemals erster<br />
Präsident von Amnesty International und Außenminister seines Landes,<br />
erhält den Friedensnobelpreis. *** Am 14.10. eröffnet der schwedische<br />
Möbelhersteller Ikea seine erste Filiale in der BRD in Eching bei München.<br />
*** 23.10.: Einweihung des Flughafens Berlin-Tegel. *** RAF-Mitglied<br />
Holger Meins stirbt <strong>am</strong> 9.11. an den Folgen seines<br />
im<br />
September begonnenen Hungerstreiks. *** Die<br />
Autorin Ester Vilar fordert <strong>am</strong> 12.11. die Wehrpflicht<br />
für Frauen in der BRD. *** Am 25.11. implantiert der<br />
Chirurg Christiaan Barnard in Kapstadt einem<br />
Menschen erstmals ein zweites, zusätzliches Herz.<br />
*** Am 30.11. wird Manfred Rommel zum Stuttgarter Oberbürgermeister<br />
gewählt – er bleibt 22 <strong>Jahre</strong> im Amt. *** Gründung der Fernuniversität<br />
Hagen <strong>am</strong> 1.12. *** Am 13.12. wird Malta unabhängige Republik. *** Das<br />
Fernmeldetechnische Zentral<strong>am</strong>t in Darmstadt startet <strong>am</strong> 22.12. einen<br />
Feldversuch, bei dem Telefonwahlscheiben durch Tastaturen ersetzt<br />
werden. *** 26.12.: Einweihung des neuen Tunnels unter der Elbe in<br />
H<strong>am</strong>burg. Länge: 3,3 Kilometer. *** Das Weltwirtschaftswachstum geht<br />
1974 von 6,5 (Vorjahr) auf 1,5 Prozent zurück. ***<br />
1974<br />
SPORT<br />
Top-Thema aus deutscher Sicht: die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen<br />
Land, bei der sich der Gastgeber im Finale <strong>am</strong> 7.7. in München<br />
durch Tore von Paul Breitner und Gerd Müller mit 2:1 gegen die<br />
Niederlande durchsetzt. Im Verlauf des Turniers k<strong>am</strong> es zum einzigen<br />
Länderspiel gegen die DDR, das die BRD <strong>am</strong> 22.6. in H<strong>am</strong>burg mit<br />
0:1 verlor. Torschützenkönig mit sieben Treffern wurde Grzegorz Lato<br />
(Polen). *** Box-Höhepunkt des <strong>Jahre</strong>s wird<br />
der als „Rumble In The Jungle" bezeichnete<br />
WM-K<strong>am</strong>pf im Schwergewicht zwischen<br />
Muh<strong>am</strong>mad Ali und George Foreman (30.10.<br />
in Kinshasa, Zaire). Ali siegte und nahm seinem<br />
Gegner den Titel ab, den dieser <strong>am</strong> 26.3. in<br />
Caracas von Ken Norton gewonnen hatte. ***<br />
Ein Fabelspieler beendet seine Fußballkarriere:<br />
Edson Arantes do Nascimento, genannt Pelé,<br />
Pelé<br />
macht <strong>am</strong> 3.10. in Sao Paulo Schluss. Er wurde<br />
mit Brasilien 1958, 1962 und 1970 Weltmeister, bestritt 92 Länderspiele<br />
(77 Treffer). In insges<strong>am</strong>t 1363 Pflicht- und Freundschaftsspielen erzielte<br />
der „beste Fußballer der Geschichte" 1281 Tore ... *** Neuer Präsident<br />
des Deutschen Sportbundes wird <strong>am</strong> 24.5. Willi Weyer. *** Am 21.7.<br />
erringt Hartwig Steenken mit Simona im englischen Hickstead den<br />
Weltmeistertitel im Springreiten. *** BRD-Meister im Fußball wird zum<br />
dritten Mal in Folge der FC Bayern München. Den DFB-Pokal holt<br />
sich Eintracht Frankfurt in Düsseldorf gegen den HSV. *** Die DDR-<br />
Meisterschaft 1973/74 entscheidet der 1. FC Magdeburg für sich, den<br />
FDGB-Pokal gewinnt der FC Carl Zeiss Jena <strong>am</strong> 13.4. im Finale in Leipzig<br />
gegen Dyn<strong>am</strong>o Dresden (3:1 n.V.). *** Die Torjägerkanone teilen sich<br />
in der BRD Jupp Heynckes aus Mönchengladbach und Gerd Müller<br />
(Bayern München) mit je 30 Treffern. In der DDR ist es Hans-Bert Matoul<br />
von Lokomotive Leipzig (20 Tore). Fußballer des <strong>Jahre</strong>s werden Franz<br />
Beckenbauer (Bayern München) und Bernd Bransch aus Jena. Der Titel<br />
in Europa geht, wie schon 1971 und 1973, an den Niederländer Johan<br />
Cruyff. *** Der belgische Ausnahme-Radrennfahrer Eddy Merckx siegt zum<br />
jeweils fünften Mal bei der Tour de France und beim Giro d'Italia. *** Die<br />
Titelträger in den europäischen Fußball-<br />
Pokalwettbewerben sind: Bayern<br />
München bei den Landesmeistern<br />
(1:1 und 4:0 gegen Atletico Madrid<br />
<strong>am</strong> 15./17.5. in Brüssel), der 1. FC<br />
Magdeburg bei den Pokalsiegern (2:0<br />
gegen den AC Mailand <strong>am</strong> 8.5. in<br />
Emerson Fittipaldi<br />
Rotterd<strong>am</strong>); den Uefa-Pokal schnappt<br />
sich Feyenoord Rotterd<strong>am</strong> <strong>am</strong> 22./29.5. gegen Tottenh<strong>am</strong> Hotspur<br />
(2:2 und 2:0). *** Formel-1-Weltmeister wird der Brasilianer Emerson<br />
Fittipaldi vor Clay Regazzoni (Schweiz) und dem Südafrikaner Jody<br />
Scheckter. Regazzoni, nach einem Renn-Crash 1980 in Long Beach querschnittgelähmt,<br />
starb 2006 bei einem Verkehrsunfall in Italien. *** Die<br />
Finals beim prestigeträchtigen Tennis-Grand-Sl<strong>am</strong>-Turnier in Wimbledon<br />
vom 24.6. bis 6.7. in London entscheiden der Amerikaner Jimmy Connors<br />
(Sieg gegen Ken Rosewall aus Australien) und Chris Evert (USA) gegen<br />
Olga Morosowa aus der Sowjetunion für sich. *** Vom 5. bis 20.4. finden<br />
im finnischen Helsinki die <strong>Eis</strong>hockey-Weltmeisterschaften statt,<br />
die von mehreren Dopingfällen (und demzufolge Ergebniskorrekturen)<br />
überschattet werden. Nach zehn Gruppenspielen steht die Sowjetunion<br />
zum 13. Mal als Sieger vor der Tschechoslowakei und Schweden fest. Als<br />
Absteiger verlässt die DDR die A-Gruppe, den Aufstieg aus der B-Gruppe<br />
verpasst die BRD als Gruppendritter der Begegnungen in Ljubljana hinter<br />
den USA und Jugoslawien. *** Die Vierschanzentournee der Skispringer<br />
vom 30.12.1973 bis 6.1.1974 gewinnt Hans-Georg Aschenbach<br />
(DDR) vor dem Schweizer Walter Steiner und Bernd Eckstein (DDR). *** Das<br />
Berliner Verwaltungsgericht verbietet <strong>am</strong> 2.10. wegen Lärmbelästigung<br />
alle Rennen auf der Stadtautobahn Avus (Automobil-Verkehrs- und<br />
Übungsstraße). *** Als erster eingesetzter<br />
Spieler aus der Fußball-Weltmeister-<br />
Elf von 1954 stirbt Verteidiger<br />
Werner Kohlmeyer, sozial abgestürzt,<br />
im Alter von nur 49 <strong>Jahre</strong>n an<br />
Herzversagen. *** Geboren werden der<br />
Anke Huber<br />
legendäre norwegische Biathlet Ole<br />
Einar Björndalen (27.1.), die deutsche Schwimmerin i Sandra Völker (1.4.),<br />
Formel-1-Rennfahrer Jarno Trulli (13.7.), Handball-Weltklasse-Torhüter<br />
Henning Fritz (21.9.), der Skispringer Sven Hannawald (9.11.) und die<br />
Tennisspielerin Anke Huber (4.12). ***<br />
FUNK & FERNSEHEN<br />
1974<br />
Der Hörfunk in Bayern (BR) beginnt die beliebte Reihe „Zündfunk". ***<br />
Am 17.1. sind 13 Millionen Zuschauer im Zweiten Deutschen Fernsehen<br />
dabei, als in Wim Thoelkes TV-Abendshow „Drei mal Neun" (auch:<br />
„3x9") der Israeli Uri Geller Besteck verbiegen und defekte Uhren wieder<br />
zum Laufen bringen will. Die Kommentare reichen von Begeisterung<br />
bis „Volksverblödung". *** Als ZDF-Hit für den Nachwuchs entpuppt<br />
sich ab 31.1. bis 8.8. die Zeichentrickserie Wickie und die starken<br />
"<br />
Männer", die auf einer schwedischen Kinderbuchreihe basiert. *** Die<br />
Gebühren für die Fernsehnutzung steigen in diesem Jahr von 8,<strong>50</strong> auf<br />
10,<strong>50</strong> D-Mark im Monat. *** Das ZDF bezieht ein Haupthaus seines neuen<br />
Sendezentrums für 1700 Mitarbeiter in Mainz-Lerchenberg – elf <strong>Jahre</strong>,<br />
nachdem der Sendebetrieb <strong>am</strong> 1.4.1963 in einem wenig appetitlichen<br />
ehemaligen Bauernhof (Jargon: „Telesibirsk") in Eschborn aufgenommen<br />
worden war. *** Am 31.12.1973 wechselt die Kultserie „Ein Herz und eine<br />
Seele" („Ekel Alfred") nach elf Folgen vom Westdeutschen Fernsehen ins<br />
Erste Progr<strong>am</strong>m und wird ab 1974 in Farbe ausgestrahlt. Schauspieler<br />
Heinz Schubert brilliert auch bunt weiter als Pöbelspießer „Alfred<br />
Tetzlaff" („Pizza schmeckt wie vollgepisste Wolldecke!") – dabei ist er<br />
lediglich die Zweitbesetzung, der ursprünglich<br />
vorgesehene Gert Fröbe musste aus<br />
Termingründen absagen. *** Am 27.4. geht<br />
Entertainer Rudi Carrell aus Alkmaar mit<br />
„Am laufenden Band" auf Sendung, das<br />
es bis zum 31.12.1979 auf 51 Ausgaben<br />
Rudi Carrell<br />
im ARD-S<strong>am</strong>stagabendprogr<strong>am</strong>m bringt. Die<br />
Spielshow lh (Ursprung: das holländische „Eén van de Acht") sorgt für Spitzen-<br />
Einschaltquoten, rund 300 Top-prominente Gäste aus Unterhaltung,<br />
Sport und Politik kommen gern, das Spektrum reicht von Klaus Kinski,<br />
Muh<strong>am</strong>mad Ali und Curd Jürgens über Abba, Rainer Werner Fassbinder<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 29
und Sepp Maier bis zu Harry Belafonte, Heinz Rühmann, Isabelle Adjani<br />
und Bundesministern. *** Das ZDF kauft die <strong>am</strong>erikanische Krimiserie<br />
Die Straßen von San Francisco", mit der – neben dem bereits<br />
"<br />
etablierten Karl Malden – der junge Michael Douglas ins R<strong>am</strong>penlicht<br />
rückt. Beide sind ab 9.5. zu<br />
sehen. In den USA wurden zwischen<br />
1972 und 1977 in fünf<br />
Staffeln 120 Folgen gezeigt.<br />
*** Die Mainzer landen ab 8.7.<br />
einen weiteren (eher unerwarteten)<br />
Treffer mit der siebenteiligen<br />
Spielserie „Unser Walter",<br />
Karl Malden (l.), Michael Douglas<br />
in dem es um das alltägliche<br />
Leben mit einem mongoloiden Kind (heute: Down-Syndrom) geht. Die<br />
d<strong>am</strong>als thematisch noch mutige Produktion – u.a. mit Cordula Trantow,<br />
Thomas Braut und Pierre Franckh – wird mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet.<br />
*** Während ihrer laufenden Sendung „Suncoast Digest" begeht<br />
<strong>am</strong> 15.7. die US-TV-Moderatorin Chris(tine) Chubbock Selbstmord – sie<br />
schießt sich mit einem 38er-Revolver in den Kopf. Die 29-Jährige litt an<br />
Depressionen. *** Aus für eine Legende: Der Piratensender Radio "<br />
Veronica" stellt <strong>am</strong> 31.8. den Sendebetrieb ein. *** Berühmter Kahlkopf:<br />
Telly Savalas wird weltberühmt als Lieutenant Theo Kojak. Die Serie<br />
„Kojak – Einsatz in Manhattan" (118 US-Folgen zwischen 1973 und<br />
1978) beginnt <strong>am</strong> 3.10. im deutschen Fernsehen. *** Deutscher „Kollege":<br />
Horst Tappert (1923–2008) spielt ab 20.10. („Waldweg") die Hauptrolle<br />
in der Krimiserie „Derrick". Die insges<strong>am</strong>t 281 Episoden bis 16.10.1998<br />
werden in über 100 Länder verkauft, später permanent wiederholt. Das<br />
ZDF und viele ausländische Sender stoppen die Ausstrahlungen, als 2013<br />
verbindlich bekannt wird, dass Tappert im Zweiten Weltkrieg der Waffen-<br />
SS und der berüchtigten „Totenkopf-Division" angehörte, in der auch<br />
Herbert Reinecker (1914–2007) Dienst tat, der<br />
„Erfinder" und Drehbuchautor aller Folgen.<br />
*** Die TV-Talkshow „III nach 9" kommt ins<br />
Progr<strong>am</strong>m von NDR, SFB und Radio Bremen.<br />
Beginn <strong>am</strong> 19.11. *** Top-Reporter Lothar<br />
Loewe (zuvor u.a. in Washington und Moskau)<br />
erhält die Akkreditierung als ARD-Korrespondent<br />
Barbara Schöneberger<br />
in der DDR. Nach einem kritischen Kommentar<br />
in der „Tagesschau" wird er <strong>am</strong> 22.12.1976 ausgewiesen. *** Geboren<br />
werden die spätere TV-Moderatorin Barbara Schöneberger (5.3.)<br />
und der TV-Comedian und Parodist Matthias „Matze" Knop (11.11.). ***<br />
Am 13.10. stirbt in New York Ed Sullivan (72), durch dessen TV-Shows<br />
viele Musiker in den <strong>50</strong>s und 60s ihren Bekanntheitsgrad massiv steigern<br />
konnten – wenn sie ihm genehm und d<strong>am</strong>it nicht seiner bisweilen zynischen<br />
Widerwärtigkeit ausgesetzt waren. ***<br />
1974<br />
FILM<br />
Schauspieler, die – national und international – längst zu den Etablierten<br />
zählen, werden geboren: Christiane Paul (8.3.), Penélope Cruz Sanchez<br />
(28.4.), Franka Potente (22.7.), Hilary Swank<br />
(30.7.), Valerie Niehaus (11.10.), Joaquin Phoenix<br />
(28.10.), Leonardo DiCaprio (11.11.). *** „Zardoz"<br />
avanciert zum Kultfilm des Science-Fiction-Genres;<br />
und Hauptdarsteller Sean Connery unterstreicht,<br />
dass er nicht nur J<strong>am</strong>es Bond kann. *** Im Beverly<br />
Hilton Hotel von Los Angeles werden <strong>am</strong> 28.1. die<br />
Golden Globes verliehen. In drei Kategorien gehen<br />
Valerie Niehaus<br />
die Preise an „Der Exorzist": an den Film selbst, an<br />
Willi<strong>am</strong> Friedkin für die Regie und an Linda Blair als Nebendarstellerin.<br />
Für die beste männliche Titelrolle wird Al Pacino („Serpico") geehrt,<br />
Neil Di<strong>am</strong>ond für die Musik („Die Möwe Jonathan"). Den Cecil-B.-<br />
DeMille-Award fürs Lebenswerk erhält Bette Davis. *** Am 2.4., ebenfalls<br />
in Los Angeles (Dorothy Chandler Pavilion), werden die Oscars von<br />
den Moderatoren Burt Reynolds, David Niven, John Huston und Soul-<br />
Sängerin Diana Ross überreicht. Für „Der Clou" (bester Film) erhalten<br />
auch Regisseur George Roy Hill und die Kostümbildnerin Edith Head die<br />
Statue. Zu den weiteren Siegern gehören Jack Lemmon („Save The Tiger"),<br />
Glenda Jackson („Mann, bist Du Klasse!"), Tatum O'Neal („Paper Moon").<br />
Ehren-Oscar für Groucho Marx. *** Im März kommt der wohl populärste<br />
DDR-Spielfilm in die Kinos, Die Legende von Paul und Paula"<br />
"<br />
mit Wilfried Glatzeder und<br />
Angelica Domröse. *** In der<br />
BRD starten neue, nachhaltige<br />
Arbeiten von Regisseuren<br />
des „Neuen Deutschen Films",<br />
darunter Angst essen<br />
"<br />
Seele auf" (Rainer Werner<br />
Wilfried Glatzeder &<br />
Fassbinder), „Jeder für sich<br />
Angelica Domröse<br />
und Gott gegen alle" (Werner<br />
Herzog), „Alice in den Städten" (Wim Wenders) und „Chapeau Claque"<br />
(Ulrich Sch<strong>am</strong>oni). *** Das neue Sensurround-Tonverfahren erlebt seine<br />
Premiere. Im Thriller „Erdbeben" ist es dermaßen prägnant, dass<br />
Kinobesitzer ihre Besucher vor dem Betreten der Lichtspielhäuser warnen.<br />
Ein weiterer Katastrophen-Hit des <strong>Jahre</strong>s ist Fl<strong>am</strong>mendes Inferno"<br />
"<br />
mit Steve McQueen, Paul Newman und Faye Dunaway. *** Am 4.11.<br />
unterzeichnen die Filmförderungsanstalt sowie die Intendanten von<br />
ARD und ZDF das für fünf <strong>Jahre</strong> gültige Film-Fernsehabkommen: Es<br />
soll das Nebeneinander der Medien mit Vorteilen für beide Seiten (u.a.<br />
Laufzeitschutz, Finanzierungen) regulieren. *** Den Deutschen Filmpreis<br />
erhält „Der Fußgänger" von Maximilian Schell. Beste Darsteller: Brigitte<br />
Mira („Angst essen Seele auf") und Walter Kohut in „Supermarkt", für<br />
den außerdem Regisseur Roland Klick ausgezeichnet wird. Die Musik<br />
schrieb Peter Hesslein (German Bonds), das Lied "Celebration" singt<br />
ein noch weitgehend Unbekannter mit dem Künstlern<strong>am</strong>en Marius<br />
West. *** Die Otto-Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze der<br />
Zeitschrift „Bravo" gehen an Uschi Glas, Jane Seymour und Ali MacGraw<br />
sowie an Jan-Michael Vincent, Roger Moore und Terence Hill. ***<br />
Eine Flut guter und erfolreicher Streifen kommt<br />
in diesem Jahr in die Kinos: „Chinatown" (Roman<br />
Polanski; Jack Nicholson), „Der weiße Hai" (Steven<br />
Spielberg; Roy Scheider, Richard Dreyfuss), „Alice lebt<br />
hier nicht mehr" (Martin Scorsese; Ellen Burstyn,<br />
Kris Kristofferson, Jodie Foster), „Trio Infernal"<br />
(Michel Piccoli, Romy Schneider, Mascha Gonska),<br />
Die Akte O.D.E.S.S.A." (Jon Voight, Maria<br />
"<br />
Schell), „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia"<br />
(S<strong>am</strong> Peckinpah, Warren Oates). Bis heute, u.a.<br />
mit unzähligen Wiederholungen im Fernsehen, ein<br />
Hochspannungsklassiker: „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3"<br />
mit Walter Matthau und Robert Shaw. Umstritten wegen des Themas<br />
Selbstjustiz, aber beim Publikum beliebt: „Ein Mann sieht rot" mit Charles<br />
Bronson. Eine seiner besten von so vielen starken Komödien liefert Billy<br />
Wilder ab, „Extrablatt". In der Geschichte zweier Reporter brilliert einmal<br />
mehr das Traumpaar Walter Matthau und Jack Lemmon. Mit dabei:<br />
Susan Sarandon. *** Einen Klassiker liefert Sidney Lumet ab, „Mord im<br />
Orient-Express" nach dem Kriminalroman von Agatha Christie. Zum überragenden<br />
Allstar-Aufgebot gehören u.a. Albert Finney, Ingrid Bergman,<br />
Sean Connery, Vanessa Redgrave, Anthony Perkins, Lauren Bacall und<br />
Richard Widmark. *** Von der Bühne treten 1974 ab: Produzent S<strong>am</strong>uel<br />
Goldwyn (Metro-Goldwyn-Mayer/MGM;<br />
1974<br />
31.1.), Walter Brennan (21.9.),<br />
Schauspieler und Regisseur Vittorio De Sica (13.11.), Ursula Herking<br />
(17.11.). ***<br />
MUSIK<br />
„Tagesschau"-Sprecher Werner Veigel kommentiert in der ARD <strong>am</strong><br />
6.4. den Grand Prix aus Brighton/England. Das schwedische Quartett<br />
Abba landet mit "Waterloo" den Sieg, eine Weltkarriere ungeahnten<br />
Ausmaßes beginnt. Auf den Plätzen 2 und 3 landen Gigliola Cinquetti<br />
(Italien; "Si") und Mouth & MacNeal aus den Niederlanden ("I See A<br />
Star"). Für die BRD belegen Cindy & Bert mit<br />
"Die Sommermelodie" Rang 14 bei lediglich 17<br />
Teilnehmern. Frankreich hatte seine Teilnahme<br />
wegen des Todes von Staatspräsident George<br />
Pompidou <strong>am</strong> 2.4. kurzfristig abgesagt.***<br />
Kommerziell, musikalisch eher schlicht, dafür<br />
aber bunt bleibt es auch in der etwas kräftigeren<br />
Abteilung: Gl<strong>am</strong>-Rocker, Disco-Sound und<br />
Euro-Pop dominieren: die super-erfolgreichen<br />
Rubettes und Gary Glitter, Carl Douglas ("Kung Fu Fighting") und<br />
George McCrae ("Rock Your Baby"), David Essex, Terry Jacks ("Seasons<br />
Seite 30 ■ GoodTimes 1/2015
© Pressefotos<br />
In The Sun") und ein Heer von Gleichgesinnten und Gleichgeschalteten<br />
belagern Charts und einschlägige TV-Shows: Es ist die ultimative<br />
Hoch-Zeit für Single-Hits. *** Folge: In den LP-Hitlisten tummelt<br />
sich monatelang die ges<strong>am</strong>melte, fast seuchenartige<br />
Dumpfbackigkeit à la 20 TOP-HITS<br />
ORIGINAL und (!) 20 ORIGINAL TOP-HITS,<br />
MUSIC POWER, 20 POWER HITS, 20 TOP-<br />
HITS, 40 GOLDEN HITS, 20 ROCK'N'ROLL<br />
GREATS und vergleichbare Einfallslosigkeit. ***<br />
Selbst renommierte Rockacts von Deep Purple<br />
(BURN) über Genesis, Elton John und Golden<br />
Earring bis Roxy Music (COUNTRY LIFE) und<br />
viele Prog-Rocker müssen sich strecken. Starke Longplayer gelingen<br />
Neil Young (ON THE BEACH), Eric Clapton (461 OCEAN BOULEVARD),<br />
Van Morrison (VEEDON FLEECE),<br />
Robin Trower (BRIDGE OF SIGHS) und<br />
Tom Waits (THE HEART OF SATURDAY<br />
NIGHT). *** In den USA – in Europa<br />
noch eher unbemerkt – kommt<br />
Bewegung aus dem Untergrund:<br />
Unbequemere, zupackende Interpreten<br />
Van Morrison<br />
wie die R<strong>am</strong>ones, Modern Lovers und<br />
Patti Smith machen langs<strong>am</strong> gegen den grassierenden Einheitsbrei<br />
mobil. In und um London retten sich viele „Unerwünschte" zwecks<br />
künstlerischen Überlebens in den Pub-Rock, einen (aggressionslosen)<br />
Vorläufer des Punk. *** In den deutschen Hitlisten hält sich der Schlager<br />
weiterhin gegen alle Moden wacker: Ausdauernde Stars wie Vicky<br />
Leandros ("Theo, wir fahr'n nach Lodz"), Michael Holm ("Tränen<br />
lügen nicht"), Chris Roberts ("Du kannst nicht immer siebzehn sein")<br />
behalten ihr Publikum. *** Liedermacher Gunter Gabriel trifft mit "Hey,<br />
Boss, ich brauch mehr Geld" ebenso einen<br />
Nerv vieler Hörer wie Außenminister Walter<br />
Scheel mit "Hoch auf dem gelben Wagen".<br />
*** Das AUTOBAHN-Album von Kraftwerk<br />
schafft es sogar in viele internationale Charts<br />
– es zeigt einen anderen Aspekt von Musik aus<br />
Deutschland. *** Geboren werden in diesem Jahr<br />
Rapperin Sabrina Setlur (10.1.), Robbie Willi<strong>am</strong>s<br />
(13.2.), Alanis Morisette (1.6.) und Ryan Ad<strong>am</strong>s<br />
(5.11.). (511) Die Bühne verlassen Country-Koryphäe Tex Ritter (2.1.), Organist<br />
Grah<strong>am</strong> Bond stürzt sich <strong>am</strong> 7.3. vor eine einfahrende U-Bahn in<br />
London, auch der melancholisch-depressive Singer/Songwriter Nick<br />
Drake nimmt sich <strong>am</strong> 25.11. das Leben; der letzte Vorhang fällt außerdem<br />
für die Blues-Altmeister Arthur<br />
Crudup (28.3.) und Lightnin' Slim<br />
(27.7.) sowie die gefeierte Jazzlegende<br />
Duke Ellington (24.5.) und die deutsche<br />
Schlagersängerin Gitta Lind (alias<br />
Rita Gracher; 9.11.). Cass Elliott (The Cass<br />
Elliott<br />
M<strong>am</strong>as & The Papas) stirbt <strong>am</strong> 29.7.<br />
in einem Londoner Hotelzimmer an einem Herzinfarkt als Folge einer<br />
medizinisch unkontrollierten Powerdiät (ein angeblich gierig verschlucktes<br />
Schinken-Sandwich als Todesursache ist ein lanciertes Boulevard-<br />
Märchen). ***<br />
1974<br />
VERMISCHTES<br />
Nahe der Stadt Xi'an (Provinz Shaanxi) in China entdeckt im März<br />
ein Bauer bei Wassergrabungen die erste Terrakotta-Armee. Die<br />
Tonsoldaten entstanden ungefähr<br />
200 v. Chr. *** Ritter,<br />
Indianer, Bauarbeiter: Die ersten<br />
Terrakotta-Armee<br />
Playmobil-Figuren, erdacht<br />
vom Chefentwickler Hans Beck,<br />
kommen auf den Markt. *** Der<br />
Schriftsteller und Systemkritiker<br />
Alexander Solschenizyn wird<br />
<strong>am</strong> 13.2. aus der Sowjetunion ausgewiesen. Ende Mai folgt ihm der<br />
weltberühmte Cellist Mstislaw Rostropowitsch. *** Beim Mineralölkonzern<br />
Esso wird der seit 1959 verwendete Werbeslogan „Pack den Tiger in den<br />
Tank" eingemottet. Neu: "<br />
Es gibt viel zu tun. Packen wir's an!" ***<br />
Im April verwüstet der „Super Outbreak" mit 148 gezählten Wirbelstürmen<br />
13 US-Bundesstaaten: 315 Tote und mehr als <strong>50</strong>00 Verletzte sind<br />
Playmobil-Figuren<br />
zu beklagen. *** Noch viel schlimmer<br />
erwischt es die chinesischen<br />
Provinzen Sichuan und Yunnan. Ein<br />
verheerendes Erdbeben kostet rund<br />
20.000 Menschen das Leben. *** Zu<br />
den wichtigsten Büchern des <strong>Jahre</strong>s<br />
gehören „All The President's Men"<br />
(Carl Bernstein/Bob Woodward),<br />
Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (Heinrich Böll), „Der<br />
"<br />
Archipel Gulag" von Alexander Solschenizyn und „Carrie", der Roman-<br />
Erstling von Stephen King. *** Das <strong>am</strong>erikanische Pop-Erfolgsduo Sonny<br />
& Cher lässt sich scheiden. *** Auf dem Oktoberfest in München sind für<br />
eine Maß Bier maximal 3,<strong>50</strong> D-Mark zu bezahlen (2013: 9,85 Euro =<br />
ca. 19,70 D-Mark). *** Das Modell Golf I geht bei VW in Serienfertigung.<br />
*** In Japan wird ein Kleinstaubsauger für Krümel, Fusseln und Asche<br />
entwickelt. Das 280 Gr<strong>am</strong>m leichte und handkleine Gerät ist für nur 19<br />
D-Mark auch in Deutschland zu erwerben. *** Wie in jedem Jahr werden<br />
in der BRD die beliebtesten Vorn<strong>am</strong>en für Mädchen und Jungen<br />
ermittelt: Es sind Nicole, Stefanie und Tanja sowie Christian, Stefan und<br />
Andreas. *** Luftfahrt-Katastrophe auf dem Pariser Flughafen Orly: Eine<br />
McDonnell Douglas DC-10 der Turkish Airlines stürzt ab – 346 Todesopfer.<br />
*** In West-Berlin findet das erste Lesben-<br />
Pfingsttreffen statt. *** In der DDR erhalten<br />
Arbeiter jetzt 18 statt 15 Tage gesetzlichen<br />
<strong>Jahre</strong>surlaub; für Schichtarbeiter sind es<br />
21 Tage. *** Justiz auf dem Bildschirm: Das<br />
ZDF startet die dokumentarischen Reihen<br />
„Ehen vor Gericht" und „Wie würden<br />
Sie entscheiden?" *** Minikleider, Overalls,<br />
Zottelmäntel und Strickmode sind angesagt. Auch bei den Herren tut<br />
sich einiges: Schlaghosen übernehmen Besenfunktion, schrill-bunte<br />
Krawatten erinnern bisweilen an mittelgroße Tischdecken. Und zur Fön-<br />
Dauerwelle trägt „er" jetzt gern Busch-Koteletten bis zur Kiefergrenze.<br />
*** Einschränkung für viele Urlauber, speziell aus der BRD: Anfang<br />
August wird für eines ihrer Lieblingsziele, den Gardasee, ein generelles<br />
Badeverbot wegen verschmutzten Wassers verhängt. *** Ein Erdbeben<br />
in Peru macht <strong>am</strong> 3.10. über 70.000 Menschen obdachlos, <strong>am</strong> 18.9.<br />
sterben in Honduras 10.000 Einwohner während des Wirbelsturms<br />
„Fifi". *** Der Berliner Journalist Bernt Engelmann sorgt für heftige<br />
Diskussionen – er veröffentlicht „Wir Untertanen", ein kritisches „Anti-<br />
Geschichtsbuch". *** Die Weinernte fällt in vielen Anbaugebieten miserabel<br />
aus, die Qualität weiter Teile der Endprodukte ist nicht für lange<br />
Lagerung geeignet. *** Am 15.3. wird in der BRD das wegen der Ölkrise<br />
angeordnete Tempolimit von 100 km/h (auch auf Autobahnen) aufgehoben.<br />
Es gilt jetzt eine (empfohlene) Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.<br />
*** Am 7.2. erlangt Grenada die Unabhängigkeit von Großbritannien. ***<br />
„Guernica", eines der berühmtesten Gemälde<br />
von Pablo Picasso, wird im New Yorker<br />
Museum Of Modern Art mit Texten besprüht.<br />
*** In einer großen Werbek<strong>am</strong>pagne wird für<br />
das Anlegen der Dreipunkt-Sicherheitsgurte<br />
im Auto geworben. Motto: „Erst gurten, dann<br />
starten." *** Geburten: die späteren Models<br />
Kate Moss (16.1.) und Eva Mendes (5.3.);<br />
der schlagzeilenträchtige IT-Unternehmer Kim<br />
Erich<br />
Dotcom, geb. Schmitz (21.1.); Schauspielerin<br />
Kästner<br />
Sandra Borgmann (25.4.); US-TV-Moderator<br />
und Musikerparodist Jimmy Fallon (19.9.)<br />
*** Todesfälle 1974: der argentinische<br />
Staatspräsident Juan Perón (1.7.); Schriftsteller<br />
Erich Kästner (29.7.); der <strong>am</strong>erikanische<br />
Pilot Charles Lindbergh (26.8.); der sudetendeutsche<br />
Industrielle Oskar Schindler, der<br />
während des Zweiten Weltkriegs über 1200<br />
seiner jüdischen Arbeiter vor dem Zugriff des<br />
Nazi-Gesindels und d<strong>am</strong>it vor dem sicheren<br />
Tod rettete (9.10.); UN-Generalsekretär Sithu<br />
U Thant (25.11.) ***<br />
Oskar<br />
Schindler<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 31
Die <strong>kult</strong>igsten Facebook- & Internetseiten<br />
Sind wir nicht alle ein<br />
bisschen ...<br />
Anfang 2014 hatten wir uns dazu entschlossen, eine<br />
eigene Facebook-Seite von <strong>kult</strong>! ins Leben zu rufen.<br />
Wie so oft im Leben gibt es auch hierzu geteilte e<br />
Ansichten, ob ein Magazin wie <strong>kult</strong>! zu einem Medium<br />
wie Facebook passt oder nicht. Auf jeden Fall bietet t<br />
es aber eine weitere interessante Möglichkeit, sich mit<br />
uns in Verbindung zu setzen oder sich mit anderen n<br />
Lesern auszutauschen.<br />
<strong>kult</strong>!?<br />
Von Sven Rachner<br />
Kurz vor dieser Ausgabe hatte unsere e<br />
<strong>kult</strong>!-Seite bei Facebook knapp 3<strong>50</strong> Fans,<br />
die Fragen stellen, Postings kommentieren n<br />
und sich mit anderen Lesern austauschen. Und<br />
natürlich bek<strong>am</strong>en wir auch Hinweise auf andere <strong>kult</strong>ige<br />
Facebook- oder Internetseiten. Grund genug, um uns mal<br />
etwas genauer umzuschauen. Und in der Tat gibt es unzählige<br />
Seiten, die sich mit den verschiedensten Kult-Themen<br />
beschäftigen. Wir möchten daher einen Überblick über verschiedene<br />
Facebook- und Internetseiten geben, welche wir<br />
<strong>kult</strong>! finden.<br />
Die verschiedenen <strong>kult</strong>!-Themen stellen ein nahezu<br />
unerschöpfliches Themengebiet dar. Das zeigt sich<br />
auch beim Betrachten der Seiten. So sind die Inhalte teilweise ganz<br />
allgemein gehalten oder eben auch auf bestimmte Schwerpunkte<br />
konzentriert. Wir sehen die hier vorgestellten Seiten nicht als<br />
Konkurrenz zu <strong>kult</strong>! an, sondern vielmehr als Teil der großen „Kult-<br />
F<strong>am</strong>ilie". Denn schließlich liegt uns allen mehr oder weniger das<br />
Gleiche <strong>am</strong> Herzen: die Erinnerungen an teilweise längst vergangene<br />
Zeiten.<br />
Neben den N<strong>am</strong>en der entsprechenden Seiten erhalten Sie in<br />
den nebenstehenden Infoboxen auch die entsprechenden URL-<br />
Adressen der Facebook- und/oder Internetseiten. Und dazu<br />
die jeweiligen QR-Codes für ein schnelleres Aufrufen<br />
der Seiten über Smartphone oder Tablet.<br />
Die jeweiligen Seitenbetreiber freuen sich – ebenso<br />
wie wir – über Rückmeldungen, Anregungen,<br />
Postings oder <strong>kult</strong>!-ige Fotos. Und bei Fragen – oder<br />
Themenvorschlägen für eine der nächsten Ausgaben –<br />
kann man sich selbstverständlich gerne direkt an uns<br />
wenden, natürlich auch über unsere Facebook-Seite.<br />
In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern viel Spaß<br />
beim „Fremdgehen" ...<br />
<strong>kult</strong>!<br />
www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />
Seite 32 ■ GoodTimes 1/2015
Erinnerst Du Dich?<br />
Kategorien:<br />
▪ Spielzeug<br />
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▪ Fernsehen der 70er und 80er <strong>Jahre</strong><br />
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RetroFieber60er70er<br />
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Facebook & Internet<br />
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▪ rund um den Lebensstil<br />
der 80er <strong>Jahre</strong><br />
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Die Siebziger - Erinnerungen an die Kindheit<br />
Kategorien:<br />
▪ die 70er <strong>Jahre</strong> in allen Bereichen<br />
Besondere Kategorie:<br />
▪ Kinder der 70er<br />
www.diesiebziger.net<br />
www<br />
www<br />
Internet<br />
Internet<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 33
Von Philipp Roser<br />
Heiße Open Airs<br />
auf der Loreley<br />
Der WDR-<br />
<strong>Rockpalast</strong>"? Klar, die 17 live<br />
via Eurovision "<br />
übertragenen Rocknächte<br />
haben längst Kult-Charakter. Von 1977 bis<br />
1986 gingen sie in der Essener Grugahalle<br />
über die Bühne, begründeten die Karrieren<br />
von US-Bands wie Little Feat, ZZ Top,<br />
Mother's Finest oder auch von Bryan<br />
Ad<strong>am</strong>s in Europa, verhalfen Mitch Ryder<br />
oder Roger McGuinn zu Comebacks und<br />
riefen Acts wie Rory Gallagher, Grateful<br />
Dead oder The Who (wieder) verstärkt<br />
ins öffentliche Bewusstsein.<br />
Darüber hinaus gab<br />
es zwischen 1982<br />
und 1985 aber auch<br />
eine ebenfalls über den<br />
Äther geschickte Sommer-<br />
Festivalreihe unter dem<br />
„<strong>Rockpalast</strong>"-Logo, die<br />
vor der malerischen Rhein-<br />
Kulisse auf der Freiluftbühne<br />
Loreley veranstaltet wurde<br />
und mehrfach für Furore<br />
sorgte: Sei es durch einen<br />
Tiger, der während Steve<br />
Millers Gastspiel 1983 in<br />
einem Käfig auf die Bühne<br />
herabgelassen wurde, sei es durch die „Socken-Nummer",<br />
als die Red Hot Chili Peppers 1985 bei ihrem ersten Europa-<br />
Besuch nur mit eben diesen bekleidet abrockten, sei es durch<br />
jene denkwürdige J<strong>am</strong>session 1982, als Rory Gallagher, David<br />
Lindley, Eric Burdon und Bap <strong>am</strong> Ende improvisierten.<br />
Als „Test Open Air" firmiert die Veranstaltung vom 29.<br />
August 1981 inzwischen im „<strong>Rockpalast</strong>"-Archiv, die zwar<br />
nicht live gesendet wurde, aber aus heutiger Sicht ein durchaus<br />
respektables Line-Up bot: Die d<strong>am</strong>als schwer angesagten<br />
britischen Pub-Rocker Nine Below Zero heizten dem Publikum<br />
kräftig ein, ehe es dann Southern Rock von 38 Special sowie den<br />
Outlaws gab und Thin Lizzy die Veranstaltung mit ihrem Set beschlossen.<br />
Tags darauf zauberten – ebenfalls ohne TV-Übertragung – die<br />
Gitarrenvirtuosen John McLaughlin, Al Di Meola und der jüngst verstorbene<br />
Paco de Lucía. 6000 Zuschauer<br />
waren an jenem Wochenende zu dem<br />
weltberühmten Rheinfelsen gepilgert.<br />
„Wir hatten ausprobiert, ob wir diesen<br />
Veranstaltungsort technisch, organisatorisch<br />
und finanziell bewältigen konnten<br />
– das Ergebnis war ermutigend", ist heute<br />
auf der „<strong>Rockpalast</strong>"-Homepage als Fazit<br />
zu lesen.<br />
Das erste offizielle<br />
„Loreley<br />
Festival" <strong>am</strong> 28.<br />
August 1982 legte<br />
dann die Messlatte<br />
schon einmal recht<br />
hoch: Frankie<br />
Miller hatte zum<br />
Auftakt eingeheizt,<br />
nach seinem<br />
Auftritt auf<br />
die Schnelle zwei<br />
Flaschen Rotwein<br />
in sich hineingeschüttet,<br />
weshalb<br />
der Pressebegleiter seiner d<strong>am</strong>aligen Plattenfirma EMI die eng getakteten<br />
Interviews auf dem Gelände abbrach, um weiteren Lall- oder medialen<br />
Kollateralschaden zu verhindern – der Autor hatte übrigens Glück,<br />
Seite 34 ■ GoodTimes 1/2015
er war der Letzte, der noch an die Reihe k<strong>am</strong>, auch<br />
wenn er den Auftritt des eigens aus Los Angeles<br />
eingeflogenen Eric Burdon so verpasste.<br />
Ganz eigene Erinnerungen an jenen Tag<br />
hoch über dem Rhein hat wiederum Klaus<br />
„Major" Heuser. „Wir hatten vorher schon für<br />
den ‚<strong>Rockpalast</strong>’ in der Musikhalle in H<strong>am</strong>burg<br />
gespielt. Für uns war der Auftritt auf der Loreley<br />
insofern sehr aufregend, weil wir vorher die Platte<br />
'Vun drinne noh drusse' aufgenommen hatten.<br />
Wolfgang Niedecken war d<strong>am</strong>als mit<br />
seiner Frau in den Urlaub gefahren,<br />
als der Gesang fertig war. Er<br />
hatte die fertige Platte eigentlich gar<br />
nicht gehört. Wir spielten die neuen<br />
Stücke auf der Loreley das erste Mal<br />
live. Dafür, dass wir nicht besonders<br />
gut vorbereitet waren, kaum<br />
geprobt hatten, klappte es jedoch<br />
supergut. Aber die Anspannung war<br />
natürlich schon sehr, sehr groß",<br />
verrät Heuser rückblickend im <strong>kult</strong>!-<br />
Interview. Besonders intensiv ist<br />
seine Erinnerung an die J<strong>am</strong>session<br />
<strong>am</strong> Ende des Abends: „Wenn man<br />
aus dem beschaulichen Leverkusen<br />
Frankie Miller &<br />
kommt, als kleiner Junge immer<br />
Alan Bangs<br />
Rory-Gallagher-Platten gehört hat<br />
und dann plötzlich neben ihm auf der Bühne steht, ist das unvergesslich,<br />
dann ist das wie ein Traum, den du im ersten Moment gar<br />
nicht realisierst. Das war für mich schon ein relativ großer Schritt<br />
in meinem Leben. Ich will ja keinem zu nahe treten, aber ein paar<br />
Leute hatten schon ganz gut ins Glas geschaut. Eric Burdon hatte<br />
schon den einen oder anderen Schluck genommen ..."<br />
Das ZDF hatte angesichts des Erfolgs von „<strong>Rockpalast</strong>"<br />
1978 seine eigene Sendereihe „Rockpop In Concert"<br />
gestartet (live aufgezeichnet, aber zeitversetzt und „bereinigt"<br />
gesendet). Die Loreley-Open-Airs wiederum waren<br />
laut „<strong>Rockpalast</strong>"-Macher Peter Rüchel als Antwort auf<br />
das ZDF kreiert worden. „Ich hatte schon Ende der 70er<br />
<strong>Jahre</strong> gedacht: Da setzen wir jetzt etwas dagegen! Was<br />
wir dagegensetzen wollten, war ein Open-Air-Festival.<br />
Und da lag dann die Loreley als sehr schöner Platz nahe,<br />
dieses Amphitheater auf dem Felsen, darum herum<br />
Weinberge, Schlösser, Burgen und dergleichen. Der Platz<br />
hatte seine eigene Magie. Ich schlug dann dem<br />
Killing<br />
Joke<br />
WDR-Sendeleiter vor, das im Dritten Progr<strong>am</strong>m<br />
zu machen, einen ganzen Sendetag lang. Der<br />
Sendetag ging d<strong>am</strong>als von 16 bis 24 Uhr. Da<br />
wurde zuerst gesagt: ‚Das geht doch nicht',<br />
aber irgendwo ging im WDR alles, was eine<br />
gute Idee war."<br />
Auf der Loreley – jeweils an einem<br />
August-S<strong>am</strong>stag ab 16 Uhr in allen Dritten<br />
bis Mitternacht übertragen – waren vielerlei<br />
Überraschungen möglich, wie etwa die schon<br />
erwähnte „Socken-Nummer" der Red Hot Chili<br />
Peppers. Natürlich gab es daraufhin reichlich<br />
Zuschauer- und Politikerproteste, doch innerhalb<br />
des WDR wie meist keine Konsequenzen. Dies wohl auch<br />
deshalb, weil Rüchel d<strong>am</strong>als nicht verriet, was er heute mit über<br />
30 <strong>Jahre</strong>n Abstand einräumt: Er wusste bereits von US-Shows<br />
der d<strong>am</strong>aligen Newcomer, dass sie diese schlagzeilenträchtige<br />
Aktion im regulären Set hatten!<br />
„Das Hauptauswahlkriterium ist wie immer die musikalische<br />
Qualität, ohne Schielen auf die Hitparaden – und der Blick aufs<br />
Publikum mit 11.000, 12.000 Besuchern zeigt, dass das Festival<br />
hinreichendes Interesse findet", bekannte Peter Rüchel dem Autor<br />
1984 auf der Loreley. Überhaupt waren Interviews d<strong>am</strong>als schon<br />
wichtig – gerade auch für den „Musikjournalisten-Anfänger"<br />
Bap<br />
wie ich einer war. Dafür nahm ich es<br />
auch in Kauf, 1982 frühmorgens von<br />
Nürnberg aufzubrechen, um <strong>am</strong> frühen<br />
Nachmittag in Lahnstein in der Nähe<br />
der Loreley mit Rory Gallagher reden<br />
zu können – und es bleibt für immer<br />
präsent wie freundlich, zuvorkommend<br />
und geduldig der Kult-Gitarrist das<br />
Rory Gallagher und „Schreiber-Greenhorn" behandelte. Und<br />
der Autor 1982 beim das trotz der nicht gerade optimalen<br />
Umstände, die der verantwortli-<br />
Interview vor dem Gig<br />
che WDR-Redakteur Rüchel im <strong>kult</strong>!-<br />
Interview so beschreibt: „Rory k<strong>am</strong> erst <strong>am</strong> Tag der Sendung, hatte<br />
<strong>am</strong> Abend vorher in Montreux noch gej<strong>am</strong>mt und spielte wie ein<br />
Berserker." Gallagher selbst schilderte dem Autor diesen Tag so: „Wir<br />
k<strong>am</strong>en erst kurz vor dem Gig an, absolvierten einen schnellen und<br />
kurzen Soundcheck, und bang, ging es los. Es war für uns zu der<br />
Zeit ein guter Boost, es war einfach prickelnd, live vor vielen Leuten<br />
zu spielen – es war eine elektrisch geladene Atmosphäre, zermürbend,<br />
nervenaufreibend, aber ich habe es genossen!"<br />
George Clinton<br />
Ebenso einmalig war die Begegnung mit<br />
dem seinerzeit sehr angesagten Parli<strong>am</strong>ent/<br />
Funkadelic-Mastermind George Clinton<br />
1985: Da war kaum ein Wort des nuschelnden,<br />
Slang redenden Sängers zu verstehen<br />
– und die Hoffnung, die Cassetten-<br />
Recorder-Aufzeichnung möge hinterher<br />
Aufklärung liefern, blieb unerfüllt. Selbst<br />
englische und <strong>am</strong>erikanische Freunde konnten<br />
das Gebrabbel Clintons kaum identifizieren.<br />
Die daraus resultierenden Artikel für<br />
diverse Musikmagazine basierten eher auf<br />
Vermutungen, was der aus North Carolina<br />
st<strong>am</strong>mende Musiker gesagt haben könnte,<br />
denn auf wirklich Verstandenem.<br />
Unvergesslich bleibt ebenfalls<br />
das erste Treffen mit den<br />
d<strong>am</strong>als noch völlig unbekannten<br />
Clinton-Protegés Red Hot Chili<br />
Peppers, für die die Loreley ein<br />
wichtiges Karrieresprungbrett war.<br />
D<strong>am</strong>als waren gerade die kleinen<br />
Milchdöschen in Mode gekommen,<br />
die in Cafés und Restaurants<br />
zum Kaffee gereicht wurden. Die<br />
Chili Peppers entwickelten eine<br />
geradezu kindliche Freude daran,<br />
diese Döschen aufzuschnippen und ihren<br />
Inhalt über den Tisch zu verspritzen – mein als<br />
Aufzeichnungsgerät dienender Cassetten-Recorder<br />
bek<strong>am</strong> einige Milchspritzer ab und gab daraufhin<br />
seinen Geist auf ...<br />
Für immer im Gedächtnis aber auch die<br />
nicht immer problemlose eigene Anreise: Am<br />
20. August 1983 gab bei Tempo 140 auf der<br />
Autobahnüberholspur plötzlich der Motor seinen<br />
Geist auf, doch mit durchgetretener Kupplung<br />
gelang es mir noch, die Spur<br />
zu wechseln und genau auf<br />
einem Parkplatz auszurollen.<br />
Der zu Hilfe gerufene ADAC-<br />
Engel (dem Verein musste man<br />
Bono<br />
von<br />
U2<br />
vor Ort noch beitreten) hatte<br />
zum Glück das nötige Ersatzteil<br />
für den Audi 80 zufällig und<br />
ausnahmsweise dabei, so dass<br />
ich den U2-Auftritt nicht verpasste.<br />
„Ich kann mich an nur<br />
wenige meiner Shows konkret<br />
erinnern, aber der auf<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 35
der Loreley hat sich<br />
in meinem Gedächtnis<br />
eingebrannt",<br />
gestand der Musiker<br />
Dave Edmunds dem<br />
Autor erst vor wenigen<br />
Wochen. „Zum<br />
einen, weil U2 d<strong>am</strong>als<br />
noch <strong>am</strong> Anfang ihrer<br />
Paul<br />
Brady<br />
Weltkarriere standen<br />
und früh als Opener auf die Bühne gingen – und dann waren ja<br />
auch noch meine Freunde von den Stray Cats mit dabei, ebenso<br />
Steve Miller, der zu der Zeit auf dem Höhepunkt seiner Karriere war."<br />
Und da ist natürlich die Erinnerung an die Rückfahrt von der<br />
Loreley 1984, als Progr<strong>am</strong>mmacher Rüchel einige aufstrebende,<br />
vielversprechende Acts präsentierte wie Greg Kihn, der kurz zuvor<br />
mit "Jeopardy" einen Welthit gelandet hatte, oder den irischen<br />
Singer/Songwriter Paul Brady; Stevie Ray Vaughan zündete sein<br />
texanisch getränktes Blues-Rock-Feuerwerk auf der Stratocaster, ehe<br />
The Alarm ihren keltisch-folkig angehauchten Rock-Charme entfalteten.<br />
Danach sagte Rüchel Little Steven & The<br />
Disciples Of Soul an. Den jahrelang angebaggerten<br />
Bruce Springsteen konnte er zwar nie in den<br />
„<strong>Rockpalast</strong>" locken, aber 1984 hatte er immerhin<br />
den auf Solopfaden wandelnden Gitarristen der E<br />
Street Band an Land und auf die Bühne gezogen<br />
– zum zweiten Mal, nachdem Steven van Zandt<br />
& Co. knapp zwei <strong>Jahre</strong> zuvor in der Essener<br />
Grugahalle ihr erstes offizielles Konzert im Rahmen<br />
des „<strong>Rockpalast</strong>" gegeben hatten. Die auf der<br />
Loreley entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos erfuhren<br />
ihre Umwandlung vom Film zum Negativ<br />
übrigens bereits während der Heimfahrt:<br />
Während der Autor die Ente gen Süden lenkte,<br />
saß sein jüngere Bruder im leergeräumten<br />
Fond an einer Blechwanne und entwickelte<br />
die Negative – die Chemikalien der Fotodose<br />
wurden während der Fahrt aus dem Fenster<br />
entsorgt, so dass die blaue Ente tags darauf<br />
<strong>am</strong> rechten Heckflügel weiß eingefärbt war<br />
... Aber die Fotos mussten eben s<strong>am</strong>t<br />
Festivalbericht bereits tags darauf bis Mittag<br />
bei der d<strong>am</strong>als noch schwarz-weiß druckenden<br />
Heimatzeitung sein. Schließlich hatte<br />
der WDR in jenen <strong>Jahre</strong>n darauf bestanden, dass man<br />
als Berichterstatter sowohl für eine Vorab-Story als auch<br />
eine resümierende Geschichte sorgte. Andernfalls hätte es<br />
kein Presseticket mit Backstage-Pass gegeben. Übrigens:<br />
Da es d<strong>am</strong>als noch kein Fax gab, mussten Anfrage wie<br />
Belege noch per Brief auf den Postweg gebracht werden.<br />
Und zu berichten gab es 1984 einiges über das<br />
„Loreley Festival" – nicht nur über die Musik. Schließlich<br />
hatte es im Vorfeld kräftig gekracht. Die bis dahin auch<br />
auf der Loreley als Moderatoren tätigen Alan Bangs und<br />
Albrecht Metzger waren nicht mehr dabei, stattdessen<br />
moderierten Peter Rüchel (höchstpersönlich) sowie<br />
Stagemanager Ken Janz. Metzger hatte nach acht <strong>Jahre</strong>n<br />
„<strong>Rockpalast</strong>" bereits im Laufe des <strong>Jahre</strong>s 1983 seinen<br />
Peter<br />
Rüchel<br />
Steve<br />
Miller<br />
Abschied eingereicht. Bangs' Fehlen begründete Rüchel <strong>am</strong> Tag des<br />
Geschehens im Interview so: „Alan Bangs ist vorgestern ausgestiegen.<br />
Wir hatten eine gravierende Meinungsverschiedenheit darüber, wie<br />
ein Interview geführt werden sollte. Es ging dabei um Little Steven.<br />
Meine Meinung war, dass wir ja nun schon 2573 Mal gehört hätten,<br />
dass er der Gitarrist der E Street Band ist, und ich meinte, dass er<br />
eigene Credits hat, eine eigene Vergangenheit und Gegenwart, auf<br />
die man sich konzentrieren kann. Darüber haben wir uns maßlos in<br />
die Haare gekriegt, und dann werden eben die Kl<strong>am</strong>otten hingeschmissen.<br />
Wir haben uns gestern den ganzen Tag bemüht – mich<br />
eingeschlossen –, ihn dazu zu bewegen, seiner Pflicht zu genügen und<br />
nicht ein Riesente<strong>am</strong> sitzenzulassen – offenbar erfolglos. So muss das<br />
Little<br />
Steven<br />
Stevie<br />
Ray<br />
Vaughan<br />
Publikum mich ertragen. Einer musste es in die Hand nehmen,<br />
und dann macht's der Boss", sagte Rüchel an jenem<br />
S<strong>am</strong>stagnachmittag.<br />
Doch d<strong>am</strong>it nicht genug: Die als Bangs' Co-Moderatorin<br />
angekündigte Ruth Rockenschaub fehlte ebenfalls. Rüchel<br />
schilderte die Hintergründe dieser Personalie d<strong>am</strong>als so: „Man<br />
kann sich ja vorstellen, wenn solche Auseinandersetzungen<br />
im Te<strong>am</strong> in solchem Ausmaß stattfinden,<br />
entstehen eine ganze Menge Irritationen.<br />
Die müssen für sie (Ruth Rockenschaub), die<br />
ja vor ihrer ersten Eurovisions-Livesendung<br />
stand, doppelt irritierend gewirkt haben. Das<br />
ganze Theater hat auch dazu geführt, dass<br />
wir die Moderation nicht richtig proben und<br />
die Positionen mit ihr nicht genau einstudieren<br />
konnten. So hat sie etwas hilflos gesagt:<br />
‚Tut mir leid!'", bekannte der „<strong>Rockpalast</strong>"-<br />
Boss d<strong>am</strong>als. Und weiter: „Wir sind heute<br />
Morgen so voneinander geschieden, dass<br />
wir uns gegenseitig nichts vorzuwerfen<br />
haben. Ken Janz arbeitet seit Beginn der<br />
Loreley-Veranstaltungen als Stagemanager<br />
für uns, ist dafür zuständig, dass alles<br />
reibungslos läuft. Er macht selbst regelmäßig<br />
Hörfunksendungen rockmusikalischer Art, spricht<br />
perfekt englisch, was wir wegen der Interviews<br />
brauchen. Wir verstehen uns blendend, und so<br />
haben wir gesagt, dass wir die beste Kombination<br />
sind." Und es klappte so gut, dass Janz 1985<br />
wieder vor der K<strong>am</strong>era stand und gemeins<strong>am</strong> mit<br />
Evelyn Seibert moderierte.<br />
Da spielten dann Killing Joke, The<br />
Untouchables und The Blasters, deren<br />
Auftritte allerdings nicht live über die<br />
Bildschirme flimmerten. Je ein Song dieser<br />
Acts wurde während des Tages in den<br />
Umbaupausen eingespielt. Erst ab Chris<br />
Rea wurde live übertragen, so dass auch<br />
die Red Hot Chili Peppers und George<br />
Clinton mit seinem Gast Thomas Dolby im<br />
heimischen Wohnzimmer zu erleben waren,<br />
inklusive einer J<strong>am</strong>session: Mitglieder von<br />
Killing Joke, der Untouchables und der<br />
Peppers stimmten zus<strong>am</strong>men mit Clinton<br />
"Cosmic Slop II" an. Im Anschluss sendete<br />
der WDR einen Auftritt der neuformierten Deep<br />
Purple, den er <strong>am</strong> 9. Juli 1985 im Palais Omnisports<br />
Bercy in Paris aufgezeichnet hatte. D<strong>am</strong>it war das<br />
Kapitel Loreley für Rüchel und seine Mitstreiter erst<br />
einmal vorbei. Besucherzahlen und Einschaltquoten<br />
waren kontinuierlich gesunken, die ganz großen<br />
N<strong>am</strong>en fehlten auf den Besetzungslisten.<br />
Erst 1995 kehrte der „<strong>Rockpalast</strong>" wieder<br />
auf die Loreley zurück: George Thorogood &<br />
The Destroyers, Dave Matthews, A.J. Croce, Alt,<br />
Keziah Jones und Zucchero konnten<br />
den alten Flair ebenso wenig wieder<br />
heraufbeschwören wie im Jahr darauf<br />
die vergleichsweise jungen Acts Crown<br />
Of Thorns, Frank Black, Placebo, Pulp,<br />
Bad Religion, Heather Nova und die<br />
Headliner Iggy Pop sowie David Bowie<br />
oder tags darauf Molly Hatchet, Lynyrd<br />
Skynyrd, The Band, Nine Below Zero<br />
und die Muddy Waters Tribute Band.<br />
Was bleibt, sind unvergessliche<br />
Erinnerungen, tolle Shows und denkwürdige<br />
Begegnungen mit hochinteressanten<br />
Zeitgenossen aus der populären<br />
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GoodTimes 1/2015 ■ Seite 37
HOMMAGE<br />
AN DEN<br />
WALKMAN<br />
Wie die<br />
Idee vom<br />
Musikhören<br />
unterwegs<br />
die Welt<br />
eroberte<br />
Doch für solche Fälle besitze ich seit über drei<br />
Jahrzehnten ein Allheilmittel, sozusagen mein<br />
ureigenes elektronisches Dop<strong>am</strong>in: Musik aus<br />
dem Walkman! Seit ich dieses Zaubergerät<br />
1979 als Teenager – wie Millionen andere –<br />
für mich entdeckte, hat es mich fasziniert.<br />
Und das tut es bis heute.<br />
Vor allem überzeugte mich die Idee<br />
dahinter: dass man vermittels dieser<br />
Erfindung jederzeit und überall auf diesem<br />
Planeten, zumindest sofern man sie<br />
mit funktionierenden Batterien gefüttert hat,<br />
exakt die Musik hören kann, die man hören<br />
möchte. Man stülpt sich, egal wo man ist, die<br />
Kopfhörer über, reguliert die Lautstärke, betätigt<br />
die Start-Taste – und katapultiert sich dank der Macht<br />
D e r<br />
allwöchentliche<br />
Einkauf im<br />
Supermarkt ist mir ein<br />
Graus. Längere Bus- und<br />
Bahnfahrten inmitten von hektisch<br />
telefonierenden oder laut kauenden<br />
Menschen halte ich ebenfalls<br />
für ein Übel der Moderne, dem ich<br />
jedoch nicht immer entkommen kann.<br />
Und auch Hotelzimmer, in denen<br />
weder TV noch Radio existieren<br />
– von denen ich nicht wenige<br />
bewohnt habe –, gestalten<br />
mein Dasein nicht<br />
angenehmer.<br />
herrlicher Klänge aus dem tristen Alltag. Genial,<br />
nicht wahr?! Dass der Walkman seinen Siegeszug<br />
speziell bei der jungen Generation antrat und<br />
zu einer Ikone der Pop<strong>kult</strong>ur wurde, liegt<br />
Soziologen und Medienwissenschaftlern<br />
zufolge vor allem daran, dass man mit<br />
dem kleinen Gerät die Welt um sich herum<br />
zur Kulisse eines Theaterstücks oder Films<br />
machen und sich der Realität mit all ihren<br />
Anforderungen für eine bestimmte Zeit<br />
entziehen kann. „Der Walkman machte es<br />
mit einem Mal möglich, in Gesellschaft zu<br />
sein, ohne mit der Gesellschaft etwas zu tun<br />
haben zu müssen”, erläutert Günter Burkart,<br />
Professor für Soziologie an der Universität<br />
Lüneburg. „Individualisierte, geradezu gewollte<br />
Abschottung” nennt er das, was der Walkman auf<br />
Seite 38 ■ GoodTimes 1/2015
eine Art ermöglicht, die es zuvor so nicht gegeben hatte. Der allererste<br />
Walkman hieß technisch-nüchtern übrigens TPS-L2 und erblickte<br />
<strong>am</strong> 1. Juli 1979 das Licht der Öffentlichkeit. Weil Masaru Ibuka, der<br />
Mitgründer des japanischen Elektronikkonzerns Sony, auch bei langen<br />
Flugreisen auf die Musik seiner beiden Lieblingskomponisten Bach<br />
und Beethoven nicht verzichten wollte, hatte er seine Mitarbeiter<br />
angewiesen, einen neuen Apparat zu entwickeln: ein handliches<br />
Kassettenabspielgerät, das man überallhin mitnehmen kann. Nach<br />
nur vier Tagen, so die Legende, präsentierten die Techniker den<br />
ersten Prototypen: Das für Journalisten gedachte Sony-Diktiergerät<br />
„Pressman” hatten sie kurzerhand umfunktioniert. Es war nur ein<br />
kleiner Sprung für die Ingenieure, jedoch ein großer Schritt für<br />
die Musik: Fertig war der erste<br />
Walkman. Und eine neue Epoche<br />
begann. In den 1980ern war der<br />
Walkman vor allem für Jugendliche<br />
ein absolutes Statussymbol. Nicht<br />
umsonst gingen Geräte, die unter<br />
dem Begriff Walkman firmierten,<br />
rund 335 Millionen Mal über den<br />
Ladentisch, mehr als 200 Millionen<br />
davon allein von Sony. Und was<br />
mit dem Walkman begann, setzte<br />
sich mit Mobiltelefon, G<strong>am</strong>eboy<br />
und Laptop später auf andere Art<br />
und Weise fort: Das Individuum verwandelte den öffentlichen Raum<br />
peu à peu in seine ganz private Welt.<br />
Kulturpessimisten mochten ihn allerdings gar nicht,<br />
weil sie in ihm eine Ursache für die fortschreitende<br />
Vereinzelung des Individuums sahen. Tatsächlich<br />
aber beförderte der Walkman andererseits auch eine<br />
neue Romantik. In dieser Hinsicht spielte er etwa<br />
gerade mal ein Jahr nach seiner Markteinführung in<br />
dem 1980 gedrehten Teeny-Kultfilm „La Boum” eine e<br />
Schlüsselrolle: Inmitten heftigsten Partytreibens setzt<br />
ein smarter Jüngling der pubertierenden Sophie Marceau au<br />
einen Walkman-Kopfhörer auf den Scheitel. "Dre<strong>am</strong>s Are<br />
My Reality” hat der Charmeur für sie ausgesucht. Während<br />
ihre Freundinnen dann zu wilder Musik vor dem Plattenspieler<br />
herumhüpfen, kann die<br />
arme Sophie Marceau<br />
gar nicht anders, als dem<br />
Romantiker<br />
im Stehblues-<br />
Würgegriff<br />
um<br />
den<br />
Hals<br />
zu<br />
fallen!<br />
Ohne die technische Neuerung des Walkmans<br />
wäre eine derart traute Zweis<strong>am</strong>keit inmitten<br />
der Party-Öffentlichkeit nicht möglich gewesen. Und<br />
auch die Mixtape-Kultur hätte sich ohne den kleinen<br />
Kontaktanbahnungs-Gehilfen etwa auf Klassenfahrten<br />
nicht dermaßen prächtig entwickeln können ... Als<br />
Sony 1979 den ersten Walkman präsentierte, war wohl<br />
niemandem klar, was für eine Zäsur dies für Musikfans<br />
bedeuten würde. Erstmals konnte man seine Musik mitnehmen<br />
und in einer – für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse – guten<br />
Qualität überall hören. Durch gutes Design und dank<br />
etlicher Funktionen konnte der Marktführer während<br />
seiner Erfolgsgeschichte seine Konkurrenten stets auf<br />
Abstand halten. Erste Einbrüche gab es dann allerdings<br />
Mitte der 1990er <strong>Jahre</strong>. Inzwischen waren tragbare<br />
CD-Player und die ebenfalls von Sony entwickelte<br />
MiniDisc verfügbar, die dem Käufer<br />
noch mehr Funktionen und auch<br />
eine bessere Audioqualität boten.<br />
Das Ende des Walkmans wurde letztlich<br />
2001 eingeläutet, als Apple den<br />
ersten iPod vorstellte. Sony konnte<br />
erst zwei <strong>Jahre</strong> später einen eigenen<br />
MP3-Player auf den Markt bringen,<br />
die „digitale Revolution” hatte der<br />
japanische Konzern verschlafen.<br />
Das offizielle Ende dieser wundervollen<br />
Erfindung Walkman<br />
wurde <strong>am</strong> 23. Oktober 2010 prokl<strong>am</strong>iert:<br />
Sony verkündete das offizielle Aus des<br />
Abspielgeräts. Inzwischen verwendet<br />
das Unternehmen den Markenn<strong>am</strong>en<br />
„Walkman” aber für zahlreiche Produkte:<br />
Nicht nur MP3- und tragbare CD-Player<br />
werden unter dem legendären N<strong>am</strong>en<br />
angeboten, auch einige Handy-Modelle<br />
des japanisch-schwedischen Joint Ventures<br />
Sony Ericsson zeigen das stilisierte „W”<br />
auf ihren Gehäusen. Und wie sieht es in<br />
meinem ganz privaten „W”-Kosmos aus?<br />
Aktuell verschleiße ich bereits mein viertes<br />
Gerät <strong>am</strong> Stück, die „Walk-Männer” besitzen bei mir die für unsere<br />
kurzlebige technische Moderne ganz erstaunliche Haltbarkeitsdauer<br />
von knapp zehn <strong>Jahre</strong>n.<br />
Das letzte Teil habe ich 2010 <strong>am</strong><br />
Münchner Hauptbahnhof in einem<br />
der zahlreichen dort ansässigen kleinen<br />
Elektronikläden erstanden. Der Verkäufer<br />
blickte mich inmitten seines immensen<br />
Kontingents an iPods, MP3-Playern und<br />
anderen Errungenschaften der neuesten<br />
Technologie mit großen Augen verständnis-<br />
los an, als er fragte: „Was wollen Sie denn<br />
mit einem solchen Dinosaurier?” „Bewusst<br />
Musik hören”, gab ich strahlend zur Antwort, nach-<br />
dem er mir aus der hintersten Ecke seines Geschäfts<br />
seinen letzten Walkman herausgebuddelt hatte, den<br />
er mir dann für schlappe 25 Euro verscherbelte.<br />
„Ja, bewusst Musik hören”, wiederholte ich selig,<br />
„in mäßiger Qualität und ohne dass ich irgendwel-<br />
che Lieder vor- oder zurückspule.” „Sie<br />
haben Respekt vor der Musik und den<br />
Musikern”, stellte er nachdenklich fest.<br />
„Genau”, grinste ich, „ein Walkman ist<br />
der Inbegriff für Respekt vor dieser göttlichen<br />
Erfindung n<strong>am</strong>ens Musik!”<br />
Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 39
GLAM-ROCK<br />
Charts-Stürmer<br />
auf Plateausohlen<br />
Von Andreas Kötter<br />
Okay, zugegeben! Meine erste Schallplatte (ja, so nannte man das<br />
d<strong>am</strong>als), die keine Märchen "<br />
erzählt", ist eine Single von Roberto<br />
Blanco. 1972 ist das, und die folgenden <strong>Jahre</strong> werden mich lehren,<br />
dass "<br />
Der Puppenspieler von Mexiko" für meine Sozialisation<br />
verschwindend wenig leistet. Schon mit meiner nächsten Platte aber<br />
ändert sich das gewaltig. Denn Music Power", 1974 eine weitere<br />
"<br />
Zus<strong>am</strong>menstellung aktueller Hits aus der d<strong>am</strong>als sehr populären<br />
"<br />
K-Tel"-Compilation-Reihe, enthält Songs wie "The Bangin’ Man" von<br />
Slade, "Angel Face" von The Glitter Band oder "Always Yours" von<br />
Gary Glitter. Und d<strong>am</strong>it ist mein jugendliches Interesse an st<strong>am</strong>pfendpolternden<br />
Pop-Rockhymnen geweckt. Ich bin infi ziert, und schon sehr<br />
bald werde ich auch das weitere Oeuvre von Slade, The Sweet, T. Rex, Suzi<br />
Quatro, Gary Glitter und vielen anderen Gl<strong>am</strong>-Rockern für mich entdecken ecken ...<br />
Es sind Songtitel wie "Teenage R<strong>am</strong>page",<br />
"Children Of The Revolution" oder "Cum<br />
On Feel The Noize", die mir d<strong>am</strong>als, trotz<br />
nur sehr rudimentärer Englischkenntnisse, ein<br />
frühes Gefühl von Aufbegehren, von Sturm<br />
und Drang und d<strong>am</strong>it von Freiheit vermitteln.<br />
Ein starkes, brennendes Gefühl, das einige<br />
<strong>Jahre</strong> später weit heftiger noch von Punk<br />
befeuert werden soll. Was – aus heutiger und<br />
d<strong>am</strong>it musikhistorischer Sicht – kein ganz so<br />
großes Wunder ist. Denn Gl<strong>am</strong>- oder<br />
Glitter-Rock, wie man den Sound von<br />
Slade und The Sweet, von Gary Glitter<br />
und T. Rex, aber auch von Roxy Music<br />
und David Bowie alsbald nennen wird, ist<br />
weder vom ideologischen Überbau noch<br />
musikalisch allzu weit entfernt von dem,<br />
was Punk bzw. New Wave schon bald<br />
leisten werden (dazu später mehr).<br />
Doch versuchen wir uns zunächst lieber<br />
an einer Definition von Gl<strong>am</strong> bzw. lassen<br />
wir Wikipedia diesen Job erledigen. Während<br />
wikipedia.de doch recht vage bleibt, hilft naturgemäß<br />
– ist Gl<strong>am</strong> doch zuallererst ein britisches<br />
Phänomen – die englischsprachige Version der<br />
Internetenzyklopädie weiter.<br />
Sinngemäß heißt es dort:<br />
„Gl<strong>am</strong>-Rock entwickelte<br />
sich aus Rock und Pop zu<br />
Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> in<br />
Großbritannien. Musikalisch<br />
umfasste Gl<strong>am</strong> sowohl den<br />
simplen Revival-Rock eines<br />
Alvin Stardust wie auch den eher komplexen<br />
Art-Rock von Roxy Music." „Komplex"<br />
und „Art" sind hier die<br />
Schlüsselwörter. Denn tatsächlich<br />
ist Gl<strong>am</strong> viel mehr<br />
als<br />
„nur" Musik. Fashion<br />
(David Bowie wird einen<br />
Song später "Fashion"<br />
betiteln), Mode also und<br />
ihre soziale Bedeutung<br />
machen einen nicht unwesentlichen<br />
Teil der Kraft<br />
von Gl<strong>am</strong> aus. Denn Gl<strong>am</strong> ist vor allem auch<br />
eine Möglichkeit, dem tristen Grau englischer<br />
Industriestädte etwas entgegenzusetzen.<br />
Dazu noch einmal Wikipedia: „Gl<strong>am</strong> war ein<br />
buntes Durcheinander von Stilen, das vom<br />
Hollywood-Gl<strong>am</strong>our der 30er <strong>Jahre</strong> über den<br />
David<br />
Bowie<br />
alias<br />
Ziggy<br />
Stardust<br />
© Pressefoto<br />
Seite 40 ■ GoodTimes 1/2015
Pin-Up-Sex der <strong>50</strong>er bis hin zu Science Fiction<br />
und Mystizismus reichte." Dieser Stilmix findet<br />
sich überdeutlich etwa in den Fantasiekostümen<br />
solcher Bands wie Slade oder The Sweet. Zudem<br />
spielt man mit einem androgynen Look und<br />
bricht die Geschlechterrollen auf, so dass man<br />
Gl<strong>am</strong> durchaus auch als Einfluss für den viel<br />
späteren Transgender-Sound von z.B. Antony &<br />
The Johnsons oder Against Me! verstehen kann.<br />
Bolan und Bowie<br />
geben den Startschuss<br />
Weniger enzyklopädisch denn handfest<br />
schildert – wie es der Zufall will – eine<br />
aktuelle Ausgabe des sehr lesenswerten britischen<br />
Rockmagazins „Vive Le Rock!" in einem<br />
Special, wie Gl<strong>am</strong> erst Großbritannien und dann<br />
den Rest der (Pop-)Welt eroberte. Man könne die<br />
Ursprünge von Gl<strong>am</strong> zwar bis zu Little Richard<br />
zurückverfolgen, heißt es da. Erst David Bowie<br />
und Marc Bolan mit T. Rex aber hätten in den späten 60er <strong>Jahre</strong>n erkannt,<br />
dass die Zeit reif gewesen sei für eine Erneuerung der Musik<strong>kult</strong>ur.<br />
Beide späteren Superstars hätten<br />
zuvor mit Rock, Mod und Folk<br />
„herumgespielt", ohne auch nur<br />
annähernd den Erfolg zu haben,<br />
den ihnen Gl<strong>am</strong> schon bald bescheren<br />
sollte. „Alles, was wir wussten,<br />
war falsch", so Bowie d<strong>am</strong>als.<br />
„Endlich frei und mitten auf dem<br />
Wasser ohne Paddel, nahmen wir<br />
uns die Erlaubnis, die Kultur neu<br />
zu erfinden, nach unserer ureigenen<br />
Vorstellung." Irgendwo im<br />
Zeitraum „zwischen Marc Bolans<br />
Glitter-Performance von 'Hot Love'<br />
im Frühling 1971 und der ,Geburt' von Bowies Alter Ego Ziggy Stardust<br />
zu Beginn 1972" sieht „Vive Le Rock!" „die Par<strong>am</strong>eter einer neuen<br />
visuellen und musikalischen Sprache definiert".<br />
Bowie ist es auch, der Gl<strong>am</strong> den<br />
wohl progr<strong>am</strong>matischsten Titel, ja<br />
eine wahre Hymne beschert. "All The<br />
Young Dudes" ist ein Geschenk an Mott The<br />
Hoople, die ebenso wie Roxy Music eine – nennen<br />
wir es mal – „erwachsenere" Gl<strong>am</strong>-Variante<br />
definieren als die Acts, die bald folgen werden.<br />
Gl<strong>am</strong>-Rock, so wie wir ihn heute verstehen, ist<br />
jetzt jedenfalls „erfunden". Und Marc Bolan, zu<br />
dieser Zeit mehr noch als Bowie der Prototyp<br />
des Popstars, verfügt über den Starappeal und<br />
die Sexyness, die es braucht, um seine süchtig<br />
machenden Melodien eindrucksvoll in Szene zu<br />
setzen. Die schon genannten "Hot Love" und<br />
"Children Of The Revolution", aber etwa auch<br />
"20th Century Boy" oder "Get It On" mischen zwischen<br />
1971 und Anfang 1973 die britischen Charts<br />
auf, und nur "20th Century Boy" schafft es als Nr. 3 nicht auf einen<br />
der beiden ersten Plätze. Bolans Songs sind kurz und prägnant, überschreiten<br />
oft nicht die magische Drei-Minuten-Grenze und sind schon<br />
dadurch ungemein radiotauglich. Ein rhythmusorientiertes Fund<strong>am</strong>ent<br />
und schier unwiderstehliche Hooklines machen Tracks wie "Metal Guru"<br />
oder "Telegr<strong>am</strong> S<strong>am</strong>", aber auch Bowies "Starman" oder "Changes", zu<br />
wahren Gassenhauern, deren Refrains sich – wie<br />
bei vielen späteren Gl<strong>am</strong>-Hits auch – wunderbar<br />
mitsingen lassen (in manchen Fällen, etwa bei<br />
Slade, müsste es wohl eher heißen „mitgröhlen").<br />
Und dieser Erfolg bereitet nun auch den<br />
Weg für Slade und The Sweet.<br />
© Pressefoto<br />
Alvin<br />
Stardust<br />
Marc<br />
Bolan<br />
Slade vs. The Sweet<br />
Die einen, Slade, wechseln jetzt vom früheren<br />
Skin- und Arbeiteroutfit zu absurd<br />
hohen Plateauschuhen, die anderen, The Sweet,<br />
geben ihr Bubblegum-Pop-Outfit auf für schrilles<br />
Glitzer-Make-up und einen androgynen<br />
Look. Vor allem Gitarrist Dave Hill hier und<br />
Bassist Steve Priest dort schöpfen aus dem<br />
Vollen und experimentieren mit allem, was<br />
Fantasie, Schminkkasten und Maskenbildner<br />
hergeben. Mag dieses Erscheinungsbild den braven<br />
Bildungsbürger der frühen 70er <strong>Jahre</strong> auch<br />
verschrecken, die durch Beatles und Rolling<br />
Stones längst Rock-sozialisierten Kids im UK<br />
freut’s. Sie übernehmen mit diesem Look auch<br />
das Lebensgefühl, das Slade im progr<strong>am</strong>matischen<br />
"Cum On Feel The Noize" so beschreiben:<br />
„... girls grab the boys, we get wild, wild,<br />
wild, we get wild, wild, wild, so cum on feel<br />
the noize ...", freigeistig-anarchistische Diktion<br />
gleich noch inklusive. Ein Lebensgefühl, das sich für die Wolverh<strong>am</strong>pton<br />
Boys, aber auch für ihre größten Rivalen im K<strong>am</strong>pf um die Spitzenplätze<br />
der Charts, The Sweet, in barer<br />
Münze auszahlt. So platzieren Slade<br />
zwischen 1971 und 1975 sage und<br />
schreibe 16 Singles in den britischen<br />
Top 20, von denen sechs sogar die<br />
Chartsspitze stürmen. Darunter ist<br />
mit dem grandiosen "Merry Xmas<br />
Everybody" zudem ein unzerstörbarer<br />
Weihnachtsklassiker, der zur<br />
Weihnachtszeit immer wieder mal,<br />
zwischen 2007 und 2013 sogar<br />
ununterbrochen, in den UK-Charts<br />
auftaucht. Ganz so erfolgreich sind<br />
The Sweet zwar nicht. Aber auch die<br />
Band um den blonden Leadsänger und Frauenschwarm Brian Connolly<br />
bringt es immerhin auf zehn Top-20-Platzierungen, mit "Blockbuster"<br />
allerdings nur auf eine Nummer 1 im UK.<br />
© Pressefoto<br />
Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
David Bowie (m.)<br />
Bemerkenswert ist, dass es zwischen den Fans<br />
beider Lager zu einer Art Glaubenskrieg<br />
um die „wahre Lehre" kommt, wie ihn zwei<br />
Jahrzehnte später ähnlich auch die Anhänger von<br />
Blur und Pulp austragen werden. De facto lässt<br />
sich aus heutiger Sicht wohl sagen, dass Slade<br />
nicht nur wegen der höheren Anzahl der Charts-<br />
Platzierungen die Nase ein Stück weit vorne<br />
haben. Zum einen liegt das daran, dass The Sweet<br />
ihre Hits wie "Hell Raiser" oder "The Six Teens"<br />
zunächst nicht selbst schreiben, sondern lieber<br />
vom legendären Autoren/-Produzentenduo Nicky<br />
Chinn und Mike Chapman schreiben lassen (beide<br />
sind u. a. auch für die Gl<strong>am</strong>-Konkurrenz von<br />
Suzi Quatro oder Mud im Einsatz). Dabei beweist<br />
man im Laufe der <strong>Jahre</strong><br />
nicht nur mit "Fox On The<br />
Run" oder "Action", dass man durchaus in der<br />
Lage ist, Material mit Hitpotenzial abzuliefern.<br />
Und mit Alben wie LEVEL HEADED oder CUT<br />
ABOVE THE REST gibt man sich später zudem<br />
offen gegenüber Einflüssen wie Prog- oder<br />
Symphonic Rock, ja sogar Disco. Slade aber<br />
verfügen von Beginn an mit Sänger Noddy<br />
Holder, dem Mann mit dem unglaublichsten Backenbart bzw. den zau-<br />
seligsten Koteletten der Musikgeschichte, und mit dem Bassisten/Multi-<br />
Instrumentalisten Jimmy Lea über ein kongeniales Autorenduo und<br />
werden später mit ihrem legendären Auftritt auf dem Reading-Festival,<br />
einem alljährlichen Stelldichein des Hard Rock bzw. Heavy Metal, ein<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 41
neues Publikum dazugewinnen.<br />
Kein Wunder also, dass die Band<br />
in der Folge den unterschiedlichsten<br />
Rockrabauken wie Mötley Crüe, Quiet<br />
Riot, Def Leppard, aber auch den Sex<br />
Pistols, The Clash oder gar Nirvana<br />
als Einfluss gilt. Zudem gelingt dem<br />
Quartett mit SLADE IN FLAME nicht<br />
nur ein Album mit All-Time-Faves-<br />
Charakter, sondern vor allem einer der<br />
besten Musikfilme überhaupt.<br />
Suzi Quatro &<br />
Gary Glitter<br />
Neben Slade und The Sweet sind es<br />
vor allem Suzi Quatro und Gary<br />
Glitter, die Gl<strong>am</strong> dann via Charts frische<br />
Gesichter schenken. Die gebürtige<br />
US-Amerikanerin Susan Kay Quatro<br />
darf durchaus als eine der ersten<br />
Rockladies der Musikgeschichte gelten,<br />
die, stets gekleidet in einen hautengen<br />
schwarzen Lederoverall, vielleicht<br />
mehr für die Emanzipation getan hat,<br />
als das auf den ersten Blick scheint.<br />
Tatsächlich aber darf Quatro wohl<br />
für sich in Anspruch nehmen, für<br />
Bands wie The Runaways oder extrovertierte<br />
Künstlerinnen wie Madonna<br />
oder Lady Gaga Schrittmacherdienste<br />
geleistet zu haben. Mit Titeln wie<br />
"48 Crash", "Daytona Demon", "Devil<br />
Gate Drive" oder "Can The Can" etabliert<br />
sich die Rockerin in England<br />
und in Deutschland schnell als Queen<br />
des Gl<strong>am</strong>. Einen Haken aber hat die<br />
Sache. Quatro selbst hat sich nie als<br />
Vertreter des Gl<strong>am</strong>-Rock gesehen,<br />
wie sie gegenüber „Vive Le Rock!"<br />
erklärt: „Ich war nie Gl<strong>am</strong> – eher das<br />
Gegenteil; ich habe kaum Make-up<br />
benutzt und einen schlichten schwarzen Lederoverall<br />
getragen. Wir waren immer eine Rock’n’Roll-Band und<br />
wollten Detroit nach England bringen." Sei’s drum.<br />
Ganz bewusst Gl<strong>am</strong> ist auf jeden Fall Gary Glitter.<br />
Geboren als Paul Francis Gadd, kann der Mann, der<br />
viele <strong>Jahre</strong> später noch einmal – diesmal aber traurige –<br />
Berühmtheit wegen Kindesmissbrauchs erlangen wird,<br />
schon Mitte der 60er <strong>Jahre</strong> unter dem Pseudonym Paul<br />
Raven auf eine, wenn auch kaum erfolgreiche Karriere<br />
zurückblicken. Weil der Erfolg ausbleibt, entscheidet<br />
sich Gadd/Raven für einen Imagewechsel und wird – nicht zuletzt dank<br />
der musikalischen Expertise von Produzent Mike Leander – zu einem der<br />
„Marken-Gesichter" des Gl<strong>am</strong>. Mit der Glitter Band, die später auch mit<br />
eigenen Hits wie "Angel Face", "The Tears I Cried" oder "People Like You,<br />
People Like Me" erfolgreich sein wird, kann der Mann im mit Pailletten<br />
besetzten Silberanzug auf eine hochroutinierte Band vertrauen. Und mit<br />
Tracks wie "Rock’n’Roll Part 1&2", "Do You Wanna Touch Me" und vor<br />
allem "I'm The Leader Of The Gang (I Am)" wird Glitter schnell gleich<br />
auch noch zum Paten des Gl<strong>am</strong>-Rock. Und viele folgen diesem „Leader".<br />
Ob Kenny, Mud oder Hello, um nur einige zu nennen – sie alle wollen<br />
jetzt auch ein Stück vom Kuchen haben, verwässern das Genre dabei<br />
aber immer mehr in Richtung Plastik-Pop.<br />
Und Amerika?<br />
Was aber ist eigentlich in den USA los, dem anderen großen<br />
englischsprachigen Popmusikmarkt? Auch jenseits<br />
© Pressefoto/ RCA/BMG Records<br />
The Sweet<br />
Suzi Quatro<br />
Gary<br />
Glitter<br />
© Pressefoto<br />
Slade<br />
Foto: © GoodTimes-photo.de © Pressefoto<br />
des Atlantiks zeigt Gl<strong>am</strong> durchaus<br />
Wirkung. Lou Reed oder Iggy Pop<br />
flirten zumindest mit der neuen<br />
„Mode". Und Wayne/Jayne County,<br />
vor allem aber die New York Dolls<br />
sind Gl<strong>am</strong> pur. Als „Bindeglied zwischen<br />
den Shangri-Las und den Sex<br />
Pistols" definiert „Vive Le Rock!"<br />
die Dolls. Und trifft d<strong>am</strong>it den<br />
Nagel auf den Kopf. Denn die<br />
Dolls und d<strong>am</strong>it die <strong>am</strong>erikanische<br />
Variante von Gl<strong>am</strong> geben sich<br />
rauer, ja dreckiger als die britische<br />
Verwandtschaft. Hier lässt sich<br />
schließlich das, was bald kommen<br />
wird, der siedend-heiße Furor des<br />
Punk, schon mehr als deutlich erahnen<br />
...<br />
Was aus Gl<strong>am</strong><br />
wurde<br />
Ob Punk oder New Wave, ob<br />
Sleaze oder Grunge, Gl<strong>am</strong><br />
hat alle Spielarten des Rock überlebt.<br />
Zum Glück, möchte man<br />
meinen. Denn diese wilde Mixtur<br />
aus hymnischen Melodien, wilden<br />
Fantasielooks und dem Willen zur<br />
– wenn auch in erster Linie – stilgerechten,<br />
mit anderen Worten zur<br />
Salonrevolte kann der Popmusik<br />
bis heute viel geben. Wie folgende<br />
Beispiele eindrucksvoll zeigen: Denn<br />
ob im New Wave, etwa mit den frühen<br />
Ultravox-Alben der John-Foxx-<br />
Phase oder später mit Bauhaus,<br />
die T. Rex’ "Telegr<strong>am</strong> S<strong>am</strong>" covern,<br />
oder mit Love & Rockets, ob im<br />
Gl<strong>am</strong>-Metal mit L.A.-Bands wie<br />
Faster Pussycat oder Bang Tango<br />
(die sich wiederum erfolgreich an T.<br />
Rex’ "Children Of The Revolution" versuchen) oder<br />
im Brit-Pop mit Bands wie Suede oder den völlig<br />
unterschätzten, aber leider längst verblichenen<br />
Mansun – Gl<strong>am</strong> war und ist immer mittendrin,<br />
statt nur dabei. Und heute sind es Acts wie die<br />
schon erwähnte Lieblings-Irre der Feuilletons,<br />
Lady Gaga, aber auch Marilyn Manson, Placebo<br />
oder Goldfrapp, die zumindest mit einigen ihrer<br />
Werke dem Gl<strong>am</strong> frönen. Irgendwie ist das auch<br />
nur logisch. Pop ohne Gl<strong>am</strong>(-our) wäre wohl eine<br />
Absurdität.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
- GoodTimes: T. Rex 4/2014, Sweet 1/2013, Gl<strong>am</strong>-Rock 3/2008<br />
- Mark Dery: "<br />
All The Young Dudes:<br />
Why Gl<strong>am</strong> Rock Matters"<br />
- "<br />
Vive Le Rock!", Ausgabe 16, mit "<br />
70s Gl<strong>am</strong> Special"<br />
- "<br />
Uncut"-Magazine, Ausgabe 18,<br />
mit "<br />
Gl<strong>am</strong> Special", und Ausgabe 70,<br />
mit "<br />
Bowies Gl<strong>am</strong>-Phase-Special"<br />
- "<br />
Mojo Magazine", Ausgabe 138, mit T. Rex-Special<br />
Zum Weitersehen:<br />
- "<br />
Slade In Fl<strong>am</strong>e"<br />
- "<br />
Velvet Goldmine"<br />
Zum Weiterhören:<br />
- Box-Set OH YES WE CAN LOVE: A HISTORY OF GLAM ROCK<br />
Seite 42 ■ GoodTimes 1/2015
1968<br />
WURDEN COPS<br />
PLÖTZLICH<br />
COOL<br />
Von Roland Schäfli<br />
Der Summer Of Love ging gerade zu Ende. In San Francisco wurde<br />
Flower Power zur Massenbewegung. Doch der Mann, der auf seinem<br />
Motorrad durch die Nacht fuhr, um nervöse Energie loszuwerden,<br />
dachte nicht an Blumenkinder, nicht an Hippies. Er hatte eben entdeckt,<br />
dass er mit den Rädern abheben konnte, wenn er die hügeligen<br />
Straßen von Frisco wie Schanzen nutzte. "<br />
Wäre es nicht großartig",<br />
fl üsterte der Mann seinem Begleiter zu, "<br />
wenn wir das im Film mit<br />
einem Auto machen könnten?" Der Mann war Steve McQueen, und<br />
seine Idee war die Geburtsstunde für die legendäre Verfolgungsjagd<br />
aus dem Klassiker "<br />
Bullitt".<br />
McQueens<br />
Vorliebe<br />
für Speed trieb<br />
nicht nur den Öldruck<br />
seiner Motoren hoch.<br />
Auch der Blutdruck der<br />
Versicherungsagenten<br />
stieg regelmäßig.<br />
Wie immer war dem<br />
Star untersagt, während<br />
der Dreharbeiten<br />
Rennen zu fahren –<br />
jede Art von Rennen, egal ob auf vier oder zwei Rädern. Warner<br />
Brothers wollte sich das sogar schriftlich von ihm geben lassen.<br />
Steve allerdings retournierte das Dokument, ohne zu unterschreiben,<br />
stattdessen kritzelte er eine Obszönität an den Rand, wohin man<br />
sich das Papier stecken könne ...<br />
Seine Maschine für diese nächtlichen Ausflüge versteckte er in einer<br />
gemieteten Garage. McQueen tat, was immer McQueen tun wollte. Er<br />
hatte – da er sich gern in Slang ausdrückte – den Juice (den Saft), um den<br />
Suits – so nannte er die Anzugträger aus der Teppichetage – zu zeigen,<br />
wer bestimmte, wo es langging. Erst 37-jährig hatte er da bereits seine<br />
Abdrücke im legendären Zement vor dem Grauman's Chinese Theatre<br />
hinterlassen (wo er in einem burgunderfarbenen Ferrari zur Zeremonie<br />
vorgefahren war). Steve McQueen war der<br />
Hipster seiner Generation, lange bevor<br />
dieses Wort geprägt wurde. Er rauchte<br />
Gras, hatte mehr Hasch-Cookies verdrückt<br />
als jeder Woodstock-Teilnehmer,<br />
und er machte sich mit seiner Let-The-<br />
Devil-Care-Attitüde einen Spaß daraus,<br />
Behörden und Be<strong>am</strong>te zu ärgern. Und die<br />
Generation der wilden Sixties identifizierte<br />
sich mit diesem Rebellen, erkor ihn zu<br />
ihrem Superstar.<br />
Warum sollte McQueen, 1968 auf der<br />
Höhe seines Ruhms, nun also ausgerechnet<br />
einen Bullen im Anzug spielen? Er wollte den Film, mit dem<br />
er bis heute <strong>am</strong> stärksten identifiziert wird, anfangs gar nicht machen.<br />
Zu dieser Zeit nannte man Polizisten Pigs (Schweine). Er selbst war<br />
sein halbes Leben vor ihnen davongelaufen: „Ich habe Polizisten nie<br />
gemocht. Sie waren auf der einen Seite des Zauns, ich auf der anderen."<br />
Seine Frau Neile riet ihm schließlich zu „Bullitt". Die „Los Angeles<br />
Times" titelte denn auch entsprechend akkurat: „Bad Boy does switch<br />
to play cop role." Die Millionengage – ein Fünftel des Ges<strong>am</strong>tbudgets –<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 43
An der Ecke Taylor/Clay klaut sich Bullitt seine Morgenzeitung.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Das Police Office der Stadt<br />
stellte ihm übrigens einen<br />
Sergeant und zwei Polizisten<br />
permanent zur Seite. Die kontrollierten<br />
den Verkehr, den<br />
der Star durch seine bloße<br />
Präsenz zum Erliegen bringen<br />
konnte. Außerdem durfte der<br />
Schauspieler nachts mit auf Patrouille, um sich selbst ein Bild von<br />
realistischer Polizeiarbeit zu machen. Am Ende war es aber die wilde<br />
Autohatz, die Mutter aller Verfolgungsjagden, die das Publikum<br />
für den Polizisten begeisterte: Wer seinen Wagen so um die Kurve<br />
schleuderte, konnte nicht uncool sein. Das zehnminütige Duell des<br />
390er GT Mustang gegen den 440er Magnum Dodge, untermalt von<br />
Lalo Schifrins jazzigem Soundtrack, sollte Standards setzen. Statt des<br />
befürchteten Imageschadens k<strong>am</strong> es also nur zu diversen Blechschäden<br />
(auch wenn sich der Regisseur einen dummen Schnittfehler leistete:<br />
Bullitt muss denselben grünen Volkswagen insges<strong>am</strong>t dreimal überholen).<br />
Der Cop mit der schnellen<br />
Karre wurde Kult –<br />
trotz allem. Und Steves<br />
Co-Star Jacqueline Bisset<br />
wird noch heute vor allem<br />
auf diesen Film angesprochen<br />
(siehe Interview).<br />
Bald kurvten nachts dunkelgrüne<br />
Mustangs um<br />
dieselben Ecken. Hippies,<br />
die bei Demos gegen den<br />
Vietn<strong>am</strong>-Krieg aufgegriffen<br />
wurden, verlangten lautstark<br />
von den Polizisten:<br />
„Wir wollen Bullitt!" Und<br />
im San Francisco Police<br />
Departement trugen die Kommissare plötzlich mit Vorliebe die gleichen<br />
Rollkragenpullis wie er. Kein Zweifel – ausgerechnet McQueen, von Natur<br />
aus der natürliche Feind der Polizei, hatte die Cops cool gemacht!<br />
Zum Abschluss der Dreharbeiten stiftete der Star d<strong>am</strong>als der Stadt im<br />
Übrigen einen Swimming Pool – und ließ ihn auf die Rechnung von<br />
Warner Brothers setzen. Der böse Junge hatte den Suits einmal mehr<br />
eins ausgewischt ...<br />
DREHORT-FÜHRER<br />
Für Fans des Kultfilms ist eine Visite in San Francisco nicht komplett<br />
ohne den Besuch der „Bullitt"-Drehorte. An der Taylor Street<br />
findet sich Bullitts Apartment, und gleich gegenüber, an der Ecke<br />
Clay Street, steht bis heute der Lebensmittel-Laden VJ Groceries, wo<br />
der Kommissar seine Tiefkühltruhe auffüllt und die Morgenzeitung<br />
stibitzt. Im Enrico’s, an der Ecke Broadway und Kearney Street, trifft<br />
Bullitt einen Informanten (auf dieser steilen Straße wurde später auch<br />
der Auto-Stunt von „Basic Instinct" aufgenommen). Die legendäre<br />
Verfolgungsjagd wurde hauptsächlich auf der Filmore Street, zwischen<br />
Broadway und Vallejo Street, gedreht.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © Roland Schäfli<br />
Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ein Hippie-Quartier, ist diese Gegend heute etwas heruntergekommen.<br />
An dieser Ecke trifft Bullitt seinen Informanten.<br />
dürfte letztlich aber ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Tatsache,<br />
dass McQueen sein eigener Herr sein durfte. Seine Firma Solar sollte<br />
den Streifen produzieren. Seinen Boss-Status testete er dann auch gerne<br />
aus: So ließ er sich einen Billardtisch in sein Apartment im zwölften<br />
Stock installieren, wozu ein Kran aufgebaut und ein Fenster herausgerissen<br />
werden mussten. Aber noch während der Dreharbeiten zweifelte<br />
Steve McQueen bereits daran, dass sein St<strong>am</strong>mpublikum ihn als<br />
Kriminalkommissar akzeptieren würde.<br />
1968, das war eben lange vor „Beverly<br />
Hills Cop", lange bevor Polizisten<br />
salonfähig wurden, <strong>Jahre</strong> vor Dirty<br />
Harry und all den Polizisten-Klonen,<br />
die dieser nach sich ziehen würde.<br />
Im Kino fand man die Helden d<strong>am</strong>als<br />
nicht in den Polizeirevieren. Und dieser<br />
Detective Bullitt war<br />
zudem, trotz McQueens<br />
Rebellenimage, ein Be<strong>am</strong>ter,<br />
der innerhalb der Vorgaben<br />
des Systems arbeitete. Auch<br />
wenn er die Regeln manchmal<br />
leicht beugte, so war<br />
doch seine einzige klar gesetzwidrige Tat im Film, eine Zeitung aus<br />
dem Automaten zu klauen. Und sogar das tat er mit leicht schlechtem<br />
Gewissen. Man hat McQueen dementsprechend auch die Frage noch<br />
vor dem Start der Filmarbeiten gestellt, weshalb ausgerechnet er, King<br />
Of Cool, in die als äußerst uncool empfundene Rolle eines Cops schlüpfen<br />
wolle. „Es gibt keine Kommunikation zwischen den jungen Leuten<br />
und der Polizei", erklärte er. „Wenn alle Jugendliche aufwachsen und<br />
die Cops hassen, wird das bald eine ziemlich angsteinflößende Welt."<br />
Steve McQueens<br />
Tweed-Jackett:<br />
2013 in<br />
einer Auktion für<br />
600.000 $<br />
angeboten.
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Interview mit<br />
" Bullitts<br />
Freundin"<br />
Jacqueline<br />
Bisset<br />
Diese grünen Augen. So unschuldig blinzelte sie als naive Freundin Bullitt" Steve McQueen an. Steht man<br />
dann selbst Auge in Auge Jacqueline Bisset gegenüber, dann blickt " man in 45 <strong>Jahre</strong> große Kinomomente.<br />
Bullitt" hat diese lange internationale Filmkarriere lanciert.<br />
"<br />
Kürzlich gab es Steve McQueens Jackett aus Bullitt" für 600.000 Dollar zu ersteigern. Wie können Sie sich den<br />
Kult um diesen Film erklären?<br />
"<br />
Wie viel? Das ist doch absurd. Welches Jackett?<br />
Das er bei der Verfolgungsjagd trägt, das mit den Ellbogenflicken.<br />
Das braune Tweed-Jackett! Ich bin überrascht.<br />
Haben Sie selbst noch Ihr Kostüm aus dem Film? Es dürfte im Wert steigen.<br />
Leider nicht. Wissen Sie, noch heute werde ich immer wieder zu Auto-<br />
Events im Zus<strong>am</strong>menhang mit „Bullitt" eingeladen. Ich gehe nicht hin,<br />
aber offenbar hat diese Autoverfolgungsjagd noch immer viele Fans.<br />
Das ist der Bullitt-Craze ... Steve McQueens Image scheint heute noch<br />
viel stärker zu sein als direkt nach seinem Tod.<br />
Konnten Sie d<strong>am</strong>als spüren, dass hier ein künftiger Kultfilm entsteht?<br />
Steve war ja d<strong>am</strong>als schon ein großer Star. Und die Sequenz der Autojagd<br />
galt bereits bei der Premiere als Phänomen. In den <strong>Jahre</strong>n seither hat<br />
man das immer wieder spektakulärer gemacht. Aber dass man in einen<br />
künftigen Kultfilm involviert ist, kann man nie im Voraus wissen.<br />
Sie sind gerade 70 geworden. Besonders schwierig für eine Schauspielerin, die als eine der schönsten Frauen<br />
der Welt galt?<br />
Das kann schwierig sein, kommt aber auf den Morgen an. Älterwerden<br />
hat mit der Akzeptanz seiner selbst zu tun. Man muss Appetit aufs<br />
Leben haben. Natürlich, es braucht Mut, sich beim Älterwerden filmen<br />
zu lassen. Hollywood ist tatsächlich kein einfacher Ort, wenn man sich<br />
nicht fit hält. Doch wer Schauspielerin wird, begibt sich auf eine Reise<br />
nach der Wahrheit. Man spielt von innen. Beauty zeigt sich – Gott sei<br />
Dank – in vielen Formen. Man muss nicht schön sein, um schön zu<br />
sein. Glücklicherweise haben wir die Hilfe des K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>anns ...<br />
Ihr bester Freund <strong>am</strong> Drehort?<br />
Eigentlich nicht, denn leider hege ich oft eine Antipathie mit Blick auf<br />
den K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>ann. Er kann geradezu ein Gegner werden, der einen mit<br />
der K<strong>am</strong>era umbringen will!<br />
Andere Regisseure haben vor allem Ihre Schönheit ausgebeutet, etwa in der berühmten Szene von The Deep",<br />
Sie im nassen T-Shirt.<br />
"<br />
Als Schauspielerin will man ja auch ausgebeutet werden. Man will sein<br />
Inneres nach außen kehren. Allerdings wird jungen Schauspielerinnen<br />
heute schon viel mehr abverlangt – Nacktheit gehört dazu. Allerdings ist<br />
die Welt ja auch freizügiger geworden. Schauen Sie auf der Straße, die<br />
Mädchen sind ja halbnackt – ohne dass sie dazu gezwungen werden.<br />
VERLOSUNG<br />
<strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />
<strong>kult</strong>!<br />
5x DVD-Box<br />
Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />
(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendeschluss ist der 15. Januar 2015<br />
NikMa Verlag Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
Fax: 0 70 42/37660-188 · E-Mail: goodtimes@nikma.de<br />
3x DVD<br />
3x Fan-<br />
Paket<br />
DVD- &<br />
CD-Box<br />
3x 80er-<br />
<strong>Jahre</strong>-Quiz<br />
3x DVD<br />
5x Blu-ray<br />
3x<br />
Fan-Paket<br />
DVD- &<br />
CD-Box<br />
Unsere Gewinner der Verlosung<br />
aus <strong>kult</strong>! Heft 10 – 2/2014:<br />
Stichwort "<br />
<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />
– Ulrike Lerch, Graz (Österreich)<br />
– Markus Wachter, Besigheim<br />
– Simon Claus, Berlin<br />
– Torsten Könicke, Erding<br />
– Günter Gerlach, Hockenheim<br />
– Martha Walter, Heilbronn<br />
– J. Hofmann, Löbnitz<br />
– Sandra Schuster, Mühlacker<br />
– Gunther Frey, Bocholt<br />
– Hubärt Elsen, Trier<br />
– Thomas Rath, Amberg<br />
– Hans Schultheiss, H<strong>am</strong>burg<br />
10x Starterset<br />
WM-S<strong>am</strong>melalbum:<br />
– Ina Korn, Schöningen<br />
– Wolfgang Köhler, Dortmund<br />
– Jürgen Erdmann, Husum<br />
– Simon Maier, Gifhorn<br />
– Robert Abels, Herzberg<br />
– Walther Gerhardt, Staufen<br />
– Claus Heintz, Bocholt<br />
– Regina Klein, Aachen<br />
– Max Walzer, Troisdorf<br />
– Reinhold Platter, Berlin
Liebe,<br />
1978 lief auf der Berlinale ein Beitrag, welcher der bis dato erfolgreichste israelische<br />
Film werden sollte. Er bildete den Auftakt zu einer mehrteiligen Kinoreihe<br />
in deutsch-israelischer Gemeinschaftsproduktion. Heiße Musik und nackte Haut,<br />
kongenial auf Partys und <strong>am</strong> Strand in Szene gesetzt, waren auch in den 80er<br />
<strong>Jahre</strong>n angesagte, aber weitgehend unter der Decke gehaltene Themen. Noch <strong>Jahre</strong><br />
später lockten sie Jugendliche kl<strong>am</strong>mheimlich vor die Fernseher. "<br />
Das ,erste Mal’<br />
war nie witziger als mit ,<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>’", stellt dann auch der Begleittext in den<br />
Inlays der DVD-Edition fest.<br />
Zu den ungewöhnlich melancholischen Klängen von Bobby Vintons<br />
"Mr. Lonely" verlässt ein enttäuschter Teenager eine Party, auf<br />
der ihm das Schwofen nicht vergönnt gewesen ist, und geht die<br />
Straße hinunter. Der „eins<strong>am</strong>e Soldat" hat seiner Traumfrau auf ihrer<br />
Geburtsparty ein Geschenk s<strong>am</strong>t Gravur ihres N<strong>am</strong>ens machen wollen,<br />
sie aber in der Küche in inniger Umkl<strong>am</strong>merung mit seinem besten<br />
Freund erwischt, der sie erst geschwängert und danach fallengelassen<br />
hat, wohingegen er sich um sie kümmerte und ihr geliehenes Geld zur<br />
Abwicklung einer Abtreibung zur Verfügung stellte. Diese Schlussszene<br />
muss bekannt sein, um aus heutiger Sicht verstehen zu können, warum<br />
der Trailer zu „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" den Film als „Lustspiel" beschreibt, bei dem<br />
sowohl gelacht als auch geweint werden könne. Die meisten Zuschauer<br />
haben die Reihe vermutlich als eher lustig denn traurig in Erinnerung.<br />
Des Rätsels Lösung führt letztlich zum Regisseur.<br />
Der Erfinder von „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" ist Boaz Davidson, geboren in Tel-Aviv<br />
im November 1943. Laut seiner Aussage basieren die Filme auf seinen<br />
persönlichen Erfahrungen, die er als Teenager im Israel der späten <strong>50</strong>er<br />
<strong>Jahre</strong> gemacht hat. Bis Teil vier führte er Regie und betätigte sich<br />
zudem als Co-Autor, für Teil fünf steuerte er lediglich das Drehbuch bei.<br />
Der traurige Schluss von Teil eins sei „im Film, weil er sich so ereignet<br />
hat", gab er 1978 in einem Interview an.<br />
Die Handlungen der Filme drehen sich auch in den weiteren Teilen<br />
von „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" meistens um komplizierte Liebschaften des empfinds<strong>am</strong>en<br />
und notorisch kl<strong>am</strong>men Benny (Jesse Katzur). Ihm zur Seite<br />
steht seine resolute Mutter Sonya (Dvora Kedar), die ihrem Sohn schon<br />
mal ohne Wissen ihres Mannes Romek Geld zusteckt – aber auch das<br />
Nachbarkind mit Eiern bewerfen kann, wenn ihr dessen Geigengefiedel<br />
auf die Nerven geht. Mehrere Szenen spielen in Bennys Elternhaus in<br />
oftmals geselliger Verwandtenrunde.<br />
Das Aushängeschild hild und Gesicht der Reihe ist aber eindeutig i „der kleine,<br />
clevere Dicke". Das dürfte daran liegen, dass Johnny (Zachi Noy)<br />
in den Filmen eine ähnlich sympathische Rolle des Pechvogels wie<br />
Donald Duck in Entenhausen zufällt: Alles, was er in Sachen Amore<br />
anpackt, geht schief, und irgendwann erwartet dies das Publikum auch:<br />
So landet er in zahlreichen Verwechslungsszenen in Erwartung seiner<br />
Freundin im Bett von Bennys Mutter oder gerät beim Klavierunterricht<br />
unter den strengen Augen einer Beethoven-Büste nicht etwa an die<br />
nymphomanische Lehrerin, sondern an ihre Schwester. Klar, dass er bei<br />
Versuchen dieser Art viel einstecken muss.<br />
Dabei ist der korpulente Johnny aber eigentlich immer perfekt vorbereitet,<br />
wenn er das andere Geschlecht in Angriff nimmt: Er hat stets<br />
Seite 46 ■ GoodTimes 1/2015
Sophia<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Loren<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber
<strong>kult</strong>!<br />
Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />
THE SWEET
Pariser bei sich, kämmt sich die Haare, bevor er ein Mädchen anspricht,<br />
und verfügt über ein ansehnliches Repertoire an flotten Sprüchen (à<br />
la „Ich hab mit meinem schon Preise gewonnen, da hast du noch<br />
beidhändig gepullert"). Darüber hinaus entwickelt er als einziger der<br />
Jungs frühzeitig Geschäftssinn, indem er minutiös die Schulden seiner<br />
Freunde bei ihm protokolliert, eine<br />
„Datenbank" an D<strong>am</strong>en für gewisse<br />
Stunden führt, Motorradrennen<br />
inklusive eigenen Wettbüros veranstaltet<br />
und den Kofferraum<br />
seines Autos als Liebeslaube vermietet.<br />
In „Summertime Blues"<br />
schwingt er sich im K<strong>am</strong>pf<br />
gegen eine Motorrad-Gang zum<br />
Geschäftsführer einer Bar auf, um<br />
das schöne Geschlecht gewissermaßen<br />
in die eigenen vier Wände<br />
zu locken. Dass sich dabei „Bayerns<br />
hügeligster Exportartikel" Sybille<br />
Rauch als Eva erfolgreich um<br />
einen Personalposten ausgerechnet<br />
bei Bennys und Johnnys<br />
Freund bewirbt, dem Schönling Bobby, überrascht nicht. Am Ende findet<br />
Johnny möglicherweise sein persönliches Happy End mit dem einstigen<br />
„hässlichen Vogel<br />
mit Brille" und Opern-<br />
Fan Polly Braun, die<br />
eigentlich die zentrale<br />
Person des achten und<br />
letzten Films darstellt.<br />
Gespielt wird sie von<br />
Elfi Eschke, die mit<br />
Regisseur Reinhard<br />
Schwabenitzky, ihrem<br />
heutigen Ehemann,<br />
auch in zwei Didi-<br />
Hallervorden-Filmen<br />
zus<strong>am</strong>menarbeitete.<br />
Dass „Summertime<br />
Blues" der „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong><br />
<strong>Stiel</strong>"-Reihe zugeschlagen wurde, erfuhr Schwabenitzky nebenbei<br />
erst <strong>am</strong> Abend der Deutschland-Premiere, als er durchs Fenster seiner<br />
Limousine erstmalig die Werbeplakate zu sehen bek<strong>am</strong> ...<br />
Der Dritte im Bunde des Freundestrios ist bereits erwähnter<br />
Frauenschwarm Bobby, der nicht völlig zu Unrecht während seines<br />
Wehrdiensts (Teil vier, „Hasenjagd") von Unteroffizier R<strong>am</strong>irez (Josef<br />
Shiolach) den Spitzn<strong>am</strong>en „Elvis Presley" verpasst bekommt. Mit der<br />
Treue nimmt er es nicht so genau. Außerdem knackt er Autos, um seine<br />
gerade aktuelle Freundin ausfahren zu können, und hat Sex, während<br />
seine beiden Gefährten unter dem Bett und im Schrank feststecken.<br />
In Teil fünf simuliert er außerdem das Ertrinken im Meer, um sich von<br />
der Aushilfsbademeisterin beatmen lassen zu können („Ich wette, die<br />
hat meine Zunge im Hals, bevor es dunkel wird"), und besteht eine<br />
Mutprobe an einem Abgrund während eines Motorradrennens in den<br />
Dünen. Als er mitbekommt, dass seine jüngere Schwester sich mit<br />
Benny trifft, verprügelt er ihn. In Teil sechs, „Ferienliebe", der auf einem<br />
Kreuzfahrtschiff spielt, taucht er einmalig in einem „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>"-Film<br />
nicht auf, da er Urlaub in Amerika macht. Der wahre Hintergrund<br />
seiner Abwesenheit war ein Streit von Darsteller Jonathan Segal, im<br />
Privatleben bekennender Homosexueller, mit Regisseur Dan Wolman.<br />
Auf ihrer Jagd nach der holden Weiblichkeit sind die drei Jungs auch<br />
über das sich konstant durch die Reihe ziehende Schauen durch<br />
Gucklöcher in Umkleide- und Duschkabinen hinaus wahrlich keine<br />
Kinder von Traurigkeit: Sie befestigen Spiegel an ihren Schuhen,<br />
um dadurch den Slip von Mitschülerinnen und Lehrerinnen sehen<br />
zu können, schleichen ohne zu zahlen in ein Kino, fangen sich bei<br />
einer Prostituierten Filzläuse ein und klauen Leergut vom Hinterhof<br />
eines Lebensmittelgeschäfts, um es dort wieder abzugeben. Von den<br />
Schauspielern der alten Besetzung spielte 2001 in einer Neuverfilmung<br />
nur noch Zachi Noy mit, der sich frühzeitig dazu bekannt hatte, es<br />
als angenehm zu empfinden, über seine Rolle berühmt geworden zu<br />
sein – auch wenn er das Schicksal vieler Kollegen teilte, auf diese eine<br />
festgelegt zu werden.<br />
Kein Artikel über „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>"<br />
wäre indes vollständig, wenn er<br />
die wichtige Rolle des Soundtracks<br />
ausblenden würde. Little Richards<br />
"Long Tall Sally" steht <strong>am</strong><br />
Anfang der flotten Auftaktszene<br />
des ersten Werks, das nicht von<br />
ungefähr als Film über „Liebe,<br />
Freundschaft und peppige Musik"<br />
beworben wurde. In diesem<br />
Zus<strong>am</strong>menhang muss auch der<br />
N<strong>am</strong>e Jack Fishman erwähnt werden.<br />
Der Filmkomponist zeichnete<br />
als „music supervisor" verantwortlich<br />
und bewies durch seine<br />
Auswahl nachdrücklich, dass es<br />
bei Musikempfehlungen um mehr als Computer-Arithmetik geht.<br />
Zahlreiche Rock’n’Roll-Klassiker von "Lollipop" über "Be Bop A Lula"<br />
bis "Let’s Twist Again" verleihen den zugegebenermaßen<br />
intellektuell nicht gerade stimulierenden Plots<br />
Tempo und prägen diese vielleicht noch stärker als<br />
die Akteure. Dass es in den Filmen womöglich nicht<br />
um einzelne Charaktere, sondern um ein Lebensgefühl<br />
geht, könnten einstweilige Änderungen an den N<strong>am</strong>en<br />
der Hauptfiguren (außer Benny) beweisen. Musikalisch<br />
dürfen Stehblues-Begleitungen, oftmals einleuchtend<br />
mit weiblichen Vorn<strong>am</strong>en versehen ("Hey Paula",<br />
"Tell Laura I Love Her"), natürlich auch nicht fehlen.<br />
Besonders charmant ist es, wenn ein Song genau<br />
so wie die aktuell Angebetene heißt ("T<strong>am</strong>my",<br />
"Ginny Come Lately").<br />
Trotzdem bleibt der Titel<br />
von Teil zwei eine Illusion.<br />
Eine „Feste Freundin" hätte<br />
die Fortführung der Reihe erschwert, zumal<br />
das Thema Beziehungen im Vergleich zu<br />
den Slapstickeinlagen immer weiter in den<br />
Hintergrund rückte. Außerdem wirken die<br />
Filme zunehmend so, als ob sie in den 80ern<br />
nicht nur gedreht worden wären, sondern<br />
auch dann spielen würden. Irgendwann wiederholt<br />
sich auch der dennoch stets gelungene<br />
Soundtrack, und so manche Strandszene<br />
wirkt eher wie ein überdrehter <strong>Eis</strong>-Werbespot.<br />
Einmal fällt sogar der im Lichte der <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong><br />
sinnfreie N<strong>am</strong>e „E.T."<br />
Die acht Teile sind digital remastert und in<br />
voller Länge auf einer DVD-Box erhältlich, die<br />
ersten beiden obendrein als Super8-Versionen.<br />
In älteren Versionen geschnittene Szenen,<br />
die nachträglich eingefügt worden sind, liegen<br />
allerdings nicht mit deutschem Ton vor.<br />
Kompletts<strong>am</strong>mler müssten sich darüber hinaus<br />
eine VHS-Kassette besorgen: Von „Hasenjagd"<br />
existiert über Johnnys Militärdienst ein zweiter<br />
Teil (!), gewissermaßen „4b". Zachi Noy<br />
und Sybille Rauch, die 1981 übrigens auch<br />
in „Lass laufen, Kumpel!" der Ruhrpott-Sex-<br />
Kl<strong>am</strong>auk-Reihe gemeins<strong>am</strong> auftraten, stehen<br />
im Mittelpunkt des unter der Regie von Siggi<br />
Schissel gedrehten Films. Er ist in der besagten<br />
Box allerdings nicht enthalten.<br />
Thorsten Pöttger<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 55
Die Shaw Brothers<br />
..<br />
Asiens grOSSte<br />
FilmmogulE in<br />
Action<br />
Zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s<br />
2014 starben mit Run<br />
Run Shaw und Wu<br />
Ma zwei der letzten<br />
Größen der Shaw<br />
Brother Studios.<br />
Beide hatten wesentlichen<br />
Anteil an der<br />
Entstehung eines völlig<br />
neuen Kinogenres: des<br />
" Eastern".<br />
Von Alexander Querengässer<br />
Run<br />
Run<br />
Shaw<br />
wurde<br />
1907 in der chinesischen<br />
Küstenstadt<br />
Ningbo geboren. Mit<br />
19 <strong>Jahre</strong>n folgte er seinem<br />
sechs <strong>Jahre</strong> älteren<br />
Bruder Runme nach<br />
Singapur, wo sie ihre ersten<br />
Produktionsfirmen für Filme<br />
aufbauten. Zwei weitere<br />
Brüder, Runje und Runde,<br />
hatten bereits seit Anfang<br />
der 20er <strong>Jahre</strong> Erfahrungen<br />
im Filmgeschäft ges<strong>am</strong>melt,<br />
zogen sich aber nach der japanischen Invasion<br />
Chinas 1937 aus der Branche zurück. Weil<br />
einheimische Filmproduzenten in Singapur<br />
die ersten Projekte von Runme und Run Run<br />
Shaw boykottierten, pachteten sie kurzerhand<br />
ihr eigenes Kino, das Empire, für das<br />
sie ihre Filme nun fast exklusiv produzierten.<br />
Dabei entstanden zumeist Leinwandversionen<br />
chinesischer Opern. 1934 siedelten beide<br />
dann nach Hongkong über, wo sie 1958<br />
die Shaw Brother Productions gründeten.<br />
In der Clear Water Bay ließ Run<br />
Run ein gewaltiges Studio mit einer<br />
Kulissenstadt anlegen, die 1961 unter<br />
dem N<strong>am</strong>en Movietown eingeweiht<br />
wurde und seinerzeit die bestausgerüstete<br />
Die 36 K<strong>am</strong>mern der Shaolin"<br />
"<br />
Run Run Shaw (1907–2014), der Begründer des<br />
Film-Imperiums<br />
Seite 56<br />
■ GoodTimes 1/2015<br />
Gordon<br />
Liu, Die<br />
Erben der<br />
36 K<strong>am</strong>mern<br />
der<br />
Shaolin<br />
Produktionsstätte<br />
dieser Art in China<br />
war. Die Shaw<br />
Brothers Ltd. beschäftigte<br />
zu Beginn 1300<br />
Mitarbeiter.<br />
Von<br />
Anfang<br />
an verlegten<br />
sich die Brüder auf<br />
Actionfilme, für die sie auch die Drehbücher schrieben.<br />
Durch ihre enge Verbundenheit mit der Oper<br />
entstanden in dieser frühen Periode sehr<br />
mystisch angehauchte Streifen, die sich stark<br />
an der chinesischen Geschichte orientierten.<br />
Ende der Sechziger war der Schwertk<strong>am</strong>pffilm<br />
eines der dominierenden Genres <strong>am</strong> einheimischen<br />
Markt, und in diesem Bereich<br />
sollten sie denn auch ihren ersten großen Hit<br />
landen. 1967 drehte ein junges Regietalent<br />
des Studios, Chang Cheh, „The One Armed<br />
Swordsman". Cheh war massiv durch den<br />
Erfolg der Italo-Western Sergio Leones und<br />
Sergio Corbuccis beeinflusst. So wurden aus<br />
seinen Schwertkämpfern eins<strong>am</strong>e, verbitterte<br />
Fremde, die in eine von Banditen<br />
bevölkerte Gegend k<strong>am</strong>en und dort für<br />
Ordnung sorgten. Der Anteil gewalttätiger<br />
Szenen in den Filmen nahm enorm zu.<br />
Gerade hier entwickelte Cheh eine ganz
eigene Sprache: Er vergoss in einer Szene mehr Filmblut<br />
als Hollywood in einem ganzen Jahr, und während in<br />
den USA jeder über die Wirkung von S<strong>am</strong> Peckinpahs<br />
Zeitlupentechnik debattierte, hatte Cheh sich<br />
diese Technik bereits längst zueigen gemacht.<br />
Ein weiterer integraler Bestandteil seiner<br />
Erzählkunst sind Männerfreundschaften.<br />
Chehs Filme arbeiten immer mit mehreren<br />
Protagonisten, die durch ihre<br />
Lebensphilosophie Brüder im Geiste sind.<br />
Fast immer muss einer der „Brüder" sein<br />
Leben lassen, d<strong>am</strong>it der andere Rache dafür nehmen<br />
kann. Und bei Cheh konnte dieser Rachefeldzug<br />
auch sehr oft mit dem Tod des zweiten Bruders enden.<br />
Die Filme der Shaw Brothers setzten nicht immer auf ein<br />
kitschiges Hollywood-Finale, sondern sehr oft auf Tragik.<br />
The One Armed Swordsman" war der erste<br />
„ Film, der in Honkong mehr als eine Million<br />
Hongkong-Dollar einspielte, und er wurde zu einem<br />
Überraschungshit auch in den USA. Cheh drehte<br />
mehrere Fortsetzungen und Spin Offs, von denen<br />
„The New One Armed Swordsman" 1971 unter<br />
dem Titel „Das Schwert des gelben Tigers" als erster<br />
Shaw-Brother-Film in Deutschland anlief. Der Erfolg<br />
des chinesischen Studios war nicht nur der Qualität<br />
der Filme, sondern auch dem Marketingkonzept der<br />
Shaw Brothers zu verdanken. Sie kauften Dutzende<br />
von Kinos in den großen Städten, wo sie ausschließlich<br />
ihre eigenen Produktionen zeigten. Eine andere<br />
ihrer Hochburgen war Singapur. Und in Malaysia<br />
besaßen die Shaw Brothers Ende der Sechziger sogar<br />
etwa 1<strong>50</strong> eigene Kinos! Zu dieser Zeit beherrschte<br />
das Studio den ges<strong>am</strong>ten asiatischen Filmmarkt.<br />
Run Run Shaw spendete viel Geld für karitative<br />
Zwecke, Schulen und Krankenhäuser, weswegen er<br />
1974 von Elisabeth II. sogar zum Ritter geschlagen<br />
wurde.<br />
Die 36 K<strong>am</strong>mern der Shaolin"<br />
"<br />
Cheh und die Shaw Brothers wechselten Mitte der Siebziger dann<br />
zunehmend in das Kung-Fu-Genre über, in dem auch Wu Ma, ein<br />
Schützling der Etablierten, erfolgreich Filme drehte und etliche neue<br />
Stars hervorbrachte. Der kleine und bewegliche David Chiang sowie<br />
Frauenschwarm Ti Lung gehörten zu Chehs bevorzugten Darstellern.<br />
Beide galten nicht nur als gute Martial-Arts-Kämpfer, sondern auch<br />
als talentierte Schauspieler, wobei Lung bevorzugt melodr<strong>am</strong>atischtraurige<br />
Rollen spielte. Chiang war ein vielseitiges Talent, das später vor<br />
allem parodistische Akzente in die Filme einbrachte. Mitte der Siebziger<br />
überstrahlte sie jedoch ein neues Jugendidol: Alexander Fu Cheng<br />
legte seine Figuren prinzipiell viel humorvoller an und wurde der neue<br />
Kassenmagnet des Studios, bis er 1982 bei einem Autounfall starb.<br />
Der Ausstoß des Studios war über die <strong>Jahre</strong> enorm. Allein Chang Cheh,<br />
dessen Ziel es war, bei hundert Filmen Regie zu führen, drehte drei<br />
oder vier im Jahr. Ende der Siebziger verblasste indes seine Kreativität.<br />
Die poetischen Momente traten zugunsten endloser K<strong>am</strong>pfszenen zurück.<br />
Cheh choreografierte und inszenierte diese Actionszenen nach wie vor<br />
überragend, doch seinen Filmen fehlte es zunehmend an spannenden<br />
David Chiang in "<br />
Das Schwert<br />
des gelben Tigers"<br />
Geschichten und<br />
fesselnden<br />
Charakteren. Die<br />
eins<strong>am</strong>en Schwerträcher,<br />
die dem Italo-Western entlehnt<br />
waren, die tragischen „Brüdergespanne" wichen geradlinigen<br />
kitschig-ehrbaren Kung-Fu-Kämpfern. Trotzdem feierte er in der<br />
Spätphase seiner Karriere mit Filmen wie „Die unbesiegbaren Fünf" (1978)<br />
oder „Five Element Ninjas" (1982) internationale Erfolge.<br />
Doch ein neues Regietalent stand bereits in den<br />
Startlöchern. Lau Ka-Leung feierte 1978 mit „Die 36<br />
K<strong>am</strong>mern der Shaolin" seinen Durchbruch <strong>am</strong> heimischen wie<br />
<strong>am</strong> internationalen Markt und brachte mit Liu Chia-Hui auch<br />
einen weiteren Star hervor. „Die 36 K<strong>am</strong>mern" gilt heute als<br />
der einflussreichste Kung-Fu-Film überhaupt. Trotzdem fehlt<br />
Ka-Leungs Werk die poetische Kraft von Chang Chehs frühen<br />
Filmen. Seine Geschichte erzählt von dem jungen<br />
Shaolinmönch San Te, der auch einfachen Bauern<br />
die Kunst des Kung Fu beibringen möchte, d<strong>am</strong>it<br />
sie sich gegen die Unterdrücker der Mandschu-<br />
Dynastie durchsetzen können. Die Mandschu-Zeit<br />
bildete übrigens den historischen Hintergrund für<br />
viele Shaw-Brother-Filme.<br />
Durch den Erfolg ihrer eigenen Produktionen<br />
häuften Runme und Run Run Shaw ein großes<br />
Vermögen an, das es ihnen ermöglichte, auch in<br />
westliche Großprojekte zu investieren. Ohne ihren<br />
Beitrag wäre ein Klassiker wie Ridley Scotts in<br />
Singapur gedrehter „Blade Runner" wohl nie zustande<br />
gekommen. Doch nicht alle Projekte erwiesen sich<br />
als finanziell erfolgreich. Und auch im eigenen Land<br />
wuchs die Konkurrenz. Bereits Ende der Siebziger<br />
überflügelte das Golden Harvest Studio die Shaw<br />
Brothers. Es war von Ex-Shaw-Mitarbeiter Raymond<br />
Chow gegründet worden und beschäftigte einen Star,<br />
der sich den Abwerbeversuchen von Run Run und<br />
Runme beharrlich widersetzt hatte: Bruce Lee hatte<br />
kein Interesse an Filmen, in denen Faustkämpfer die<br />
Gesetze der Physik überwanden, indem<br />
sie von meterhohen Türmen sprangen<br />
oder durch die Luft flogen.<br />
Außerdem erlitt das Studio erhebliche<br />
finanzielle Einbußen durch die aufkommende<br />
Video-Piraterie. Daher stellten<br />
die Shaw Brothers 1985 überraschend die<br />
Produktion von Kinofilmen ein. Zu dieser<br />
Zeit fanden viele ihrer Streifen auch nur<br />
noch selten westliche Verleiher.<br />
Run Run Shaw konzentrierte sich fortan auf Fernsehproduktionen<br />
für seine eigene Firma Televisions Broadcast Limited (TVB), die er<br />
1967 gegründet hatte. Aus Movietown wurde TV-City. Zwar begann<br />
das Shaw-Brother-Studio in den 90er <strong>Jahre</strong>n auch wieder Filme für<br />
das Kino herzustellen, aber nie wieder in einem solchen Ausmaß wie<br />
zuvor. Im Jahr 2000 wurde ein Großteil der Rechte an den über 1000<br />
Shaw-Brother-Filmen an die neugegründete Celestial Pictures Limited<br />
verkauft. Da sich Eastern, ähnlich anderen Nischengenres wie dem<br />
Italo-Western, seit dem Millennium indes wieder einer wachsenden<br />
Popularität erfreuen, wurden viele der Filme seitdem restauriert und<br />
auf DVD veröffentlicht.<br />
Spätestens mit dem Tod von Run Run Shaw in diesem Januar geht<br />
das Kapitel der Shaw Brothers in der Geschichte des Kinos allerdings<br />
zu Ende. Ihre Filme waren actionbetonte Genreproduktionen, die viele<br />
kommende Regisseure, von John Woo (einem Schüler Chang Chehs) über<br />
Jackie Chan bis hin zu Quentin Tarantino,<br />
beeinflusst haben ...<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 57
40 <strong>Jahre</strong><br />
VW Golf<br />
Erfolgsgeschichte<br />
auf vier Rädern<br />
Am Anfang stand die Katastrophe. Für Volkswagen war der<br />
Käfer über Jahrzehnte Cash-Cow und Maß aller Dinge<br />
zugleich. Bis zu 6000 Stück rollten pro Tag vom Band.<br />
Kein deutsches Auto war billiger und warf trotzdem noch<br />
Gewinn ab. Der Käfer läuft und läuft und läuft und läuft und läuft,<br />
suggerierte die Werbung. Nie, so hatte der einstige VW-Patriarch<br />
Heinrich Nordhoff verkündet, könne der rundliche Kult-VW ersetzt<br />
werden. So kann man sich irren.<br />
Anfang der 1970er <strong>Jahre</strong> brach der deutsche Automarkt desaströs<br />
zus<strong>am</strong>men. 1972 sank die Zahl der Zulassungen in der Republik unter die<br />
des vorangegangenen Rekordjahres, 1973 lagen sie niedriger als 1970,<br />
und 1974 gar sackten sie unter die des <strong>Jahre</strong>s 1969. Endzeitstimmung<br />
machte sich breit in den<br />
Chefetagen der deutschen<br />
Autobauer. Denn<br />
auch das Image des<br />
Automobils, zuvor zwei<br />
Jahrzehnte lang ein<br />
Sinnbild für sozialen<br />
Aufstieg, wirtschaftlichen<br />
Aufschwung und<br />
neue Freiheit, kippte ins<br />
Negative. 1973 etwa<br />
Rudolf Leiding<br />
ging<br />
der d<strong>am</strong>alige Bundesstädtebauminister<br />
Hans Jochen Vogel (SPD) auch mit dem<br />
Slogan „Das Auto mordet unsere Städte"<br />
auf Wahlk<strong>am</strong>pftour. Ölkrise, autofreie<br />
Sonntage, explodierende Benzinpreise e<br />
und das neue Tempolimit taten ihr<br />
Übriges, um Autokäufer abzuhalten.<br />
Die Chefs der Autohersteller reagierten<br />
verstört. BMWs d<strong>am</strong>aliger<br />
Verkaufsleiter Lutz sprach von einer<br />
„Katastrophe", Porsche-Boss Ernst<br />
Fuhrmann vom „Tod" der Branche.<br />
Und VW-Chef Rudolf Leiding sah schon<br />
den „Untergang" nahen. Nicht ohne<br />
Grund: 1971 noch hatte Volkswagen mehr als<br />
1,7 Millionen Fahrzeuge produziert, 914.030 davon waren Käfer.<br />
1974 baute VW gerade mal<br />
noch 1,2 Millionen Autos,<br />
die Zahl der Käfer darunter<br />
hatte sich gar halbiert.<br />
Die Modellpalette<br />
der Wolfsburger bestand<br />
zum größten Teil aus<br />
Fahrzeugen mit veralteter<br />
Technik, mit Luftkühlung<br />
und Heckmotoren.<br />
Kurt Lotz, Nachfolger<br />
von Nordhoff und<br />
VW-Vorstandsvorsitzender<br />
von 1968 bis 1971, verstand<br />
wenig vom Automobilbau<br />
und -geschäft. Jeder<br />
wusste, dass ein neues<br />
Modellprogr<strong>am</strong>m her musste,<br />
aber wie es aussehen<br />
sollte, mochte niemand so<br />
richtig entscheiden.<br />
Erst Lotz' Nachfolger Rudolf Leiding<br />
machte Nägel mit Köpfen:<br />
Das Projekt des bei Porsche unter Leitung<br />
von Ferdinand nd<br />
Piech entwickelten<br />
Mittelmotorautos EA 266 wurde kur-<br />
zerhand beerdigt, obwohl es schon<br />
100 0 Millionen D-Mark verschlun-<br />
gen hatte.<br />
„EA" steht für<br />
„Entwicklungsauftrag".<br />
In kürzester<br />
Zeit erfolgte<br />
der Startschuss<br />
für drei<br />
Modellreihen, die<br />
auch heute noch die<br />
Basis<br />
des Geschäfts<br />
von VW ausmachen:<br />
Polo, Golf und Passat.<br />
Seite 58 ■ GoodTimes 1/2015
WWW.DASMAGAZIN.DE<br />
Seit 1924 | Oktober 2014 | Euro 3,30<br />
90 6090<br />
Den Golf hatte Lotz bereits als halbfertige Modellstudie mit dem schönen<br />
Kürzel EA 337 vorgefunden.<br />
Die Früchte dieser Entscheidung allerdings erntete erst sein<br />
Nachfolger Toni Schmücker: Schnell waren die Zahlen wieder tiefschwarz,<br />
vor allem dank des Golf. „Der Erfolg des Golf", so räumte<br />
Schmücker ein, „hat uns total überrascht."<br />
Der Golf mischte den darniederliegenden Automarkt gründlich auf.<br />
Schon im Oktober 1974 wurden von ihm mehr Exemplare verkauft als<br />
von sämtlichen Opel-Pkw zus<strong>am</strong>men. Der Marktanteil von Ford, einstmals<br />
stolze 18 Prozent, schrumpfte schnell auf nur noch acht Prozent.<br />
Besonders hart traf es die Importeure. Noch im Frühjahr 1975 hielten<br />
Franzosen und Italiener 27 Prozent des deutschen Automarktes – im<br />
JETZT<br />
neu<br />
Fanfare! Tusch! Konfetti!<br />
DAS MAGAZIN hat Geburtstag<br />
Jubiläumsausgabe<br />
Giorgio Giugaro<br />
Spätsommer bereits waren es gerade noch 20 Prozent. Der heimische<br />
Massenmarkt war wieder fest in der Hand der deutschen Hersteller.<br />
Anders als es die Verschwörungstheorien im Netz glauben machen<br />
(siehe Kasten), hat der VW Golf viele und durchweg bekannte<br />
Väter. Die technische Konzeption st<strong>am</strong>mt vom ehemaligen NSU-<br />
Entwicklungsleiter Hans-Georg Wenderoth und orientierte sich <strong>am</strong><br />
d<strong>am</strong>aligen Audi 80. Die zeitlose Form der Karosserie kommt aus der<br />
Feder des Italieners Giorgio Giugaro. Zu dessen Schöpfungen zählen<br />
auch Lotus Esprit, Fiat Uno, Fiat Punto und Lancia Delta – oder die<br />
Profi-K<strong>am</strong>era Nikon F4.<br />
Auf den Markt k<strong>am</strong> der Golf, intern VW Typ 17 getauft, im Mai<br />
1974. Zum Start arbeitete in dem Fünftürer ein quer eingebauter,<br />
wassergekühlter 70-PS-Motor mit 1,5 Liter Hubraum. Angetrieben<br />
wurden die Vorderräder. Der Preis: 9785 D-Mark. Günstigstes Modell<br />
war der Golf als Dreitürer und mit <strong>50</strong> PS zum Preis von 8000 D-Mark.<br />
Der erste Golf war 3,705 Meter lang, 1,610 Meter breit und 1,410<br />
300 <strong>Jahre</strong> D<strong>am</strong>pfkochtopf, 100 <strong>Jahre</strong> Erster<br />
Weltkrieg, 100 <strong>Jahre</strong> Acht-Stunden-Tag,<br />
natürlich 25 <strong>Jahre</strong> Mauer fall – es gibt in<br />
diesem Jahr wieder viel zu feiern und<br />
zu bedenken. Und nun auch noch DAS<br />
MAGAZIN! 1924 zum ersten Mal erschienen<br />
und 1954 erneut. Eine spannende Geschichte.<br />
Bisher weitgehend Unbekann tes<br />
aus der zweiten Gründerzeit lesen Sie im<br />
neuen Heft. Von einem, der dabei war. Und<br />
sonst? Kichernde Steine aus Japan, reich<br />
werden im Halbschlaf, warum es keine<br />
Schönheit ohne Intelligenz gibt (Aktfotografen<br />
erklären das), Satiren, Literatur,<br />
Cartoons und jede Menge Spaß. Wie jeden<br />
Monat. Seit 90 <strong>Jahre</strong>n. Lesen Sie es selbst!<br />
Sie kennen DAS MAGAZIN noch nicht?<br />
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zu. Stichwort »Kult«:<br />
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AUCH ALS<br />
e-paper<br />
Golf in Pink beim GTI-Treffen <strong>am</strong> Wörthersee<br />
HINTERHER IST MAN IMMER SCHLAUER
Meter hoch – heute ist selbst<br />
der aktuelle VW Polo mehr als<br />
25 Zentimeter länger.<br />
Der Golf machte schnell<br />
Karriere und begründete ein<br />
neues Fahrzeugsegment: die<br />
Kompaktklasse. Oder eben:<br />
die „Golfklasse". Schon 1976<br />
wurden mehr als eine halbe<br />
Million Stück gebaut. Keine<br />
andere Modellreihe von VW<br />
k<strong>am</strong> da auch nur annähernd<br />
heran. Die Wolfsburger brachten<br />
immer mehr Derivate und<br />
Motorisierungen auf den Markt.<br />
Im September 1976 nagelte der<br />
kleinste und spars<strong>am</strong>ste Pkw-<br />
Diesel in einem Golf. Mit diesem<br />
Motor wurde VW zum größten<br />
Produzenten von Dieselmotoren<br />
auf der ganzen Welt. Auf dem<br />
Genfer Autosalon wurde 1979<br />
das erste Golf Cabrio vorgestellt.<br />
Der wegen seines gewöhnungsbedürftigen<br />
Überrollbügels im Volksmund „Erdbeerkörbchen"<br />
getaufte offene Golf ging ab 1980 bei Karmann in Osnabrück<br />
vom Band. Und seit 1979 rollt auch ein Golf über<br />
die Straßen dieser Welt, von dem die meisten gar<br />
nicht wissen, dass es einer ist: Die Stufenheck-eck-<br />
Limousine VW Jetta ist mit identischer Technik<br />
vom Golf abgeleitet und zählt zum Beispiel<br />
in der offiziellen Zulassungsstatistik des<br />
Kraftfahrtbundes<strong>am</strong>tes ganz offiziell als Golf.<br />
Eine erste Krönung der Baureihe gab es<br />
1976 mit dem 110 PS starken Golf GTI – der<br />
erste Ausflug von VW auf die dunkle Seite e<br />
der Macht: unvernünftig, ungestüm und völlig<br />
untypisch für die bieder-drögen Wolfsburger.<br />
Frech prangte das GTI-Logo an der linken Seite des<br />
einen 911er fahren durfte, war<br />
das ein Erlebnis. Und auf einmal<br />
war das mit dem GTI auch<br />
möglich – auf einem anderen<br />
Level zwar, aber doch für<br />
jedermann erschwinglich."<br />
So wie VW mit dem Golf<br />
die Golfklasse kreierte, so<br />
entstand mit dem GTI eine<br />
eigene Klasse in der Klasse:<br />
die des halbwegs erschwinglichen<br />
Volkssportwagens. Der<br />
Wolfsburger Breitensportler<br />
wurde auch bei anderen<br />
Marken zum Urvater für sportliche<br />
Modellreihen. Den Opel<br />
Manta GT/E gab es zwar auch<br />
schon, aber die Rüsselsheimer<br />
rüsteten ihn flugs zum GSi<br />
auf und schickten einen<br />
hochgemotzten Kadett gleich<br />
hinterher. Peugeot stellte die<br />
Asphaltfräse 205 GTI auf die<br />
Räder. Und auch VW reichten<br />
die 110 PS bald nicht<br />
mehr. Nach und nach klet-<br />
terte die Leistung auf die aktuellen 230<br />
PS beim<br />
GTI Performance der nun<br />
siebten Golf-Generation. Heute<br />
gibt<br />
es vom Ford Focus ST<br />
über den Mazda 3 MPS<br />
bis zum Opel Astra<br />
OPC etliche Kompakte<br />
mit<br />
Nordschleifen-<br />
Ambitionen. Und mit<br />
dem Golf R32 machte<br />
sich der Golf auch selbst<br />
noch Konkurrenz – mit 2<strong>50</strong><br />
PS<br />
und Sechszylindermotor.<br />
Im<br />
Laufe von vier Jahrzehnten<br />
hat sich der Golf prächtig entwickelt:<br />
Seit dem Start wurden bis heute deutlich<br />
über 30 Millionen Stück in sieben Modellgenerationen gebaut. Aus den<br />
anfangs 3,70 Metern Länge sind 4,26 Meter geworden, aus den schlanken<br />
1,61 Metern Breite 1,79 Meter. Und das Leichtgewicht von einst mit rund<br />
900 Kilo Leergewicht erreicht mit dem Hüftgold von heute mindestens<br />
1,2 Tonnen. Dazu kommen ein Kombi und ein Sportsvan mit noch üppigeren<br />
Dimensionen. Wo beim Parken früher Übersichtlichkeit und Gehör<br />
reichen mussten, gibt's jetzt gegen Aufpreis einen Parkassistenten, der ihn<br />
selbstständig in die Lücke lenkt. Tempomat, Spurhalteassistent, Bi-Xenon-<br />
Lichtwerfer, 2-Zonen-Klimaautomatik, Sitzheizung, Fahrprofilauswahl,<br />
Kühlergrills, d<strong>am</strong>it die anderen es im Rückspiegel bloß nicht übersahen.<br />
Die linke Spur gehörte auf einmal nicht mehr nur dem Porsche, BMW<br />
und Mercedes.<br />
Unter der Haube des GTI krakeelte rauflustig ein 1,6 Liter großer<br />
Vierzylinder-Einspritzer, innen gab es ein Dreispeichen-Volant, das<br />
wegen seiner becherförmigen Nabe respektlos „Spucknapf-Lenkrad"<br />
genannt wurde, den Golfball auf dem Schaltknauf, die straffen Sitze<br />
mit schwarz-roten Karos bezogen – und ab ging die Post. Gerade mal<br />
900 Kilogr<strong>am</strong>m schwer, reichten auch 110 PS, um den GTI in d<strong>am</strong>als<br />
sagenhaften 9,2 Sekunden von 0 auf 100 zu katapultieren.<br />
Eigentlich war nur eine kleine Serie von <strong>50</strong>00 Exemplaren des mit<br />
13.8<strong>50</strong> D-Mark doch ganz schön teuren GTI geplant – wir wiederholen<br />
uns: So kann man sich irren.<br />
„Sonst gab es d<strong>am</strong>als ja nichts", erinnert sich Rennsportlegende<br />
Hans-Joachim Stuck an die Zeiten des ersten GTI. „Wenn man mal<br />
Panor<strong>am</strong>adach – das Büchlein mit den bestellbaren Zusatzausstattungen<br />
ist inzwischen ähnlich dick wie das Taschenbuch zum Auto: „Generation<br />
Golf" von Florian Illies.<br />
Jürgen Wolff<br />
Abb. © Jürgen Wolff<br />
Seite 60 ■ GoodTimes 1/2015
Alles nur geklaut?<br />
W ir wissen es ja alle: Marilyn wurde vom CIA ermordet, die<br />
Amerikaner sind nie auf<br />
dem Mond gelandet,<br />
Michael Jackson war ein Alien,<br />
und Elvis betreibt ein Diner in<br />
Wisconsin. Vor allem aber: Der<br />
VW Golf ist ursprünglich in der<br />
DDR erfunden worden. Wie für<br />
jede gute Verschwörungstheorie,<br />
so gibt es auch für diese natürlich<br />
unwiderlegbare Beweise. Und ein<br />
Körnchen Wahrheit ist – vielleicht<br />
– tatsächlich dran.<br />
Denn das Problem der Autobauer<br />
in der DDR war nicht, dass sie<br />
ihr Handwerk nicht verstanden<br />
oder keine Ideen gehabt hätten.<br />
Ihr Problem war, dass sie nicht<br />
durften.<br />
Der Trabant etwa war anfangs ein<br />
durchaus auch im Westen konkurrenzfähiges<br />
Auto. Zu einer Zeit,<br />
als Autos wie der Fiat <strong>50</strong>0, der<br />
NSU Prinz, der BMW 600 oder das<br />
Goggomobil noch mit Heckmotor<br />
und -antrieb unterwegs waren,<br />
bauten die Zwickauer den Trabant P <strong>50</strong> bereits mit Frontmotor t und<br />
Frontantrieb. Nur: Auf diesem Konstruktionsstand wurde der Trabant<br />
über die Jahrzehnte von den Oberen der DDR eingefroren. Die Ingenieure<br />
bei Sachsenring mochten die Köpfe noch so rauchen lassen: Ihre Ideen<br />
k<strong>am</strong>en nie über das Stadium von Studien und Entwürfen hinaus. „Da<br />
sind Menschen dran zerbrochen", sagt Klaus-Dieter Fiesinger, Leiter der<br />
Automobilen Welt <strong>Eis</strong>enach.<br />
Einer dieser Entwürfe, von dem es nur noch eine vertrauliche Vorlage<br />
an die Werksleitung und ein Schwarz-Weiß-Foto auf deren Umschlag<br />
gibt, ist der Trabant P 603. Und der sieht dem VW Golf I verblüffend<br />
ähnlich: Fließheck, kantige Motorhaube, breiter Kühlergrill.<br />
Überraschung: Dieser DDR-Entwurf st<strong>am</strong>mt aus dem <strong>Jahre</strong> 1966. Der<br />
Golf aus Wolfsburg k<strong>am</strong> erst acht <strong>Jahre</strong> später auf den Markt.<br />
Als nach der Wende die einstmals geheimen Pläne der Trabi-<br />
Konstrukteure nach und nach auftauchten, begann die Legendenbildung.<br />
Eine davon: Der Golf sei eigentlich von der Grundidee her eine DDR-<br />
Erfindung. Wahlweise waren demnach die Pläne des P 603 heimlich<br />
von der DDR an Volkswagen verkauft worden, um an West-Devisen<br />
zu kommen. Oder die<br />
prickelndere Version: Der<br />
Bundes nachrichtendienst<br />
habe die Pläne schlicht<br />
und einfach geklaut und<br />
nach Wolfsburg durchgereicht,<br />
um den teilstaatlichen<br />
VW-Konzern vor<br />
einer drohenden Pleite<br />
zu retten.<br />
Klingt<br />
schön und wie<br />
ein Krimi – ist aber<br />
kaum plausibel. Rein<br />
optisch sieht der P 603<br />
zwar wirklich aus wie<br />
der Urmeter des VW<br />
Golf. Aber um die Form<br />
zu klauen, hätte man<br />
sich nicht unbedingt<br />
beim<br />
sozialistischen<br />
Klassenfeind bedienen<br />
müssen. Die Zeit war<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 61<br />
Von<br />
Jürgen Wolff<br />
offensichtlich einfach reif für dieses Design. Mit<br />
dem 1964 vorgestellten Renault 16 war längst<br />
ein Auto mit großer Heckklappe auf den Straßen<br />
unterwegs. Und auch der Renault 5 ähnelte 1972<br />
dem Golf deutlich mehr als der P 603. Der seit<br />
1964 gebaute Autobianchi Primula hatte ebenfalls<br />
eine Vollheckkarosserie wie später der Golf. In<br />
Deutschland selbst war lange vor dem ersten VW Golf<br />
der Glas 1004 CL auf dem Markt, den der Italiener<br />
Pietro Frua gezeichnet hatte.<br />
Selbst in der DDR war die Schrägheck-Studie aus<br />
Zwickau nicht das einzige Auto, das lange vor dem<br />
Golf ähnlich aussah wie der Golf. Erhalten ist zum<br />
Beispiel noch ein knallgrünes Wartburg 355 Coupé aus<br />
dem <strong>Jahre</strong> 1968. Die Polyester-Karosse des nur 840<br />
Kilogr<strong>am</strong>m schweren Wartburg ist glasfaserverstärkt. Ein Zweitaktmotor<br />
mit 55 PS brachte das<br />
Auto auf 145 km/h.<br />
Unter dem Kleid unterschieden<br />
sich Trabant P<br />
603 und VW Golf ohnehin<br />
beträchtlich. Der<br />
P 603 hätte eine mit<br />
Kunststoff<br />
beplankte<br />
Gitterrohrkarosse gehabt,<br />
der Golf bek<strong>am</strong> eine selbst<br />
tragende Stahlkarosserie.<br />
In der Wirklichkeit wird<br />
nun mal doch langweiliger<br />
gekocht als in der<br />
Gerüchteküche: Die Amis<br />
sind wirklich auf dem<br />
Mond gelandet, Elvis<br />
betreibt kein Diner in<br />
Wisconsin, sondern in<br />
Minneapolis – und der<br />
Golf ist kein verkappter<br />
Trabant.
<strong>kult</strong>! Bücher<br />
Von Alan Tepper<br />
Die Nachricht, dass ein großer US-<strong>am</strong>erikanischer Online-<br />
Händler eine Flatrate für Bücher für Lesegeräte anbietet,<br />
hat die deutschen Verlage aufgeschreckt. Mal wieder – wie<br />
schon zuvor bei Tonträgern – werden dadurch die Preise<br />
und d<strong>am</strong>it einhergehend das Niveau gesenkt. Hier gilt die<br />
Devise "<br />
Mehr ist besser", wobei übersehen wird, dass gerade<br />
die Konzentration auf und die Auseinandersetzung mit<br />
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
Literatur die höchsten Werte darstellen, nämlich im besten<br />
Fall eine persönliche Entwicklung und die Erweiterung des<br />
Wissens, nicht zu vergessen den unterhaltenden Aspekt.<br />
Glücklicherweise gilt in Deutschland noch die Buchpreisbindung,<br />
die den Kulturträger Buch von einem R<strong>am</strong>sch-<br />
Supermarktartikel abhebt und den Kulturschaffenden mit<br />
geringen Auflagen zumindest noch einen Minilohn sichert.<br />
J<strong>am</strong>es Joyce –<br />
J<strong>am</strong>es Fenimore Cooper –<br />
" Bleeding Edge" "<br />
Die linke Hand der Dunkelheit"<br />
Der letzte Mohikaner"<br />
" Ulysses"<br />
Thomas Pynchon –<br />
Ursula K. Le Guin –<br />
J" <strong>am</strong>es Fenimore Coopers (15. September 1789–14. September 1851)<br />
wohl wichtigster Band aus der Lederstrumpf-Reihe wurde von vielen<br />
Lesern meist parallel zu den Karl-May-Romanen<br />
„verschlungen". Obwohl sich die Autoren deutlich<br />
unterscheiden, prägten die von ihnen transportierten<br />
Bilder die Sichtweise des deutschen<br />
Publikums – besonders in den <strong>50</strong>er<br />
und 60er <strong>Jahre</strong>n – hinsichtlich<br />
der Geschichte der USA fund<strong>am</strong>ental.<br />
Coopers fiktives Werk<br />
(1826) zeichnet sich durch<br />
einen höheren Realitätsbezug<br />
aus, da es teilweise i auf historischen Ereignissen<br />
basiert. Während des Krieges der Franzosen gegen<br />
die Engländer zur Zeit der Kolonialisierung schildert<br />
er das Schicksal von Major Duncan Heyward,<br />
der mit seinen indianischen Verbündeten Chingachgook und Uncas<br />
von St<strong>am</strong>me der Mohikaner seine Geliebte Alice und deren Schwester<br />
Cora aus der Gefangenschaft der Huronen befreien will. Neben den<br />
Naturdarstellungen fasziniert die Beschreibung des gerade von den<br />
Europäern entdeckten Kontinents. Mehr als ein Jugendbuch!<br />
Thomas Pynchon (geb. 8. Mai 1937) bedient sich hinsichtlich seiner<br />
Selbstvermarktung eines der strategisch klügsten Schachzüge – er<br />
ließ sich nämlich überhaupt nicht in der<br />
Öffentlichkeit blicken und wurde darum<br />
im Laufe der <strong>Jahre</strong> zu einem Mysterium.<br />
Sein M<strong>am</strong>mutwerk „Das Ende der Parabel"<br />
(englisch „Gravity’s Rainbow") zählt eindeutig<br />
zu den Kultbüchern, obwohl die<br />
Lektüre überaus anstrengend und ohne<br />
einen erklärenden Text<br />
kaum möglich ist. Mit<br />
dem aktuellen Roman<br />
begibt sich Pynchon<br />
auf anspruchsvolles,<br />
aber leichter zugängliches<br />
Terrain. In seinem hochindividuellen Still<br />
verknüpft er die Geschichte der Betrugsermittlerin<br />
Maxine Tarrow (eine harte Detektivin), die sich<br />
mit der New Yorker Unterwelt einlässt, mit einem<br />
Handlungsstrang, der eine dem „Second Life" ähnliche Internet-<br />
Plattform n<strong>am</strong>ens „DeepArcher" porträtiert. Die im Jahr 2001 zur Zeit<br />
von 9/11 spielenden Handlungsstränge werden vom Autor kunstvoll,<br />
wenn auch gelegentlich ein wenig verwirrend ineinander verwoben.<br />
Für wagemutige Leser.<br />
Der irische Schriftsteller J<strong>am</strong>es Joyce (2. Februar 1882–13. Januar<br />
1941) benötigte beinahe zehn <strong>Jahre</strong>, um sein allgemein der<br />
Hochliteratur zugerechnetes Hauptwerk „Ulysses"<br />
zu verfassen. Das 1922 publizierte Werk gilt als<br />
der erste Roman, in dem die sogenannte Stre<strong>am</strong>-<br />
Of-Consciousness-Technik konsequent angewandt<br />
wurde, durch die der Autor<br />
die Gedankengänge seiner<br />
Protagonisten unzensiert darstellt,<br />
was nach Veröffentlichung<br />
zu Debatten hinsichtlich der<br />
angeblichen Obszönität führte. Joyce beschreibt in<br />
„Ulysses" (deutsch: Odysseus) einen Tag (es ist der<br />
16. Juni 1904) im Leben des Anzeigenverkäufers<br />
Leopold Bloom, und zwar meist, aber nicht nur<br />
aus seiner Perspektive. All die von ihm – oder den anderen Figuren –<br />
wahrgenommenen Eindrücke vereinen sich zum einem Bild von Dublin,<br />
bei dem die Gegensätzlichkeit der Stadt zur Geltung kommt. Mediziner,<br />
Gelehrte, Geschäftsbesitzer und sogar ein Bordellbesuch werden von<br />
Joyce mit sprachlicher Raffinesse, aber auch verwirrenden Einschüben<br />
dargestellt. Weltliteratur!<br />
Ursula K. Le Guin (geb. 21. Oktober 1929) hat mit ihren Büchern,<br />
die sich im Spannungsfeld Fantasy, fantastische Literatur und<br />
Science Fiction bewegen, nicht nur ein<br />
imposantes Ges<strong>am</strong>twerk erschaffen, sondern<br />
zugleich – im letztgenannten Genre – eine<br />
Männerdomäne erobert und ganz nebenbei<br />
die begehrtesten Preise gewonnen. Ihr Roman<br />
aus dem Jahr 1969 wurde nun zur <strong>50</strong>-jährigen<br />
Feier „Science Fiction bei Heyne" neben<br />
anderen wichtigen<br />
Titeln neu aufgelegt.<br />
Er gilt als die<br />
erste Geschlechter-<br />
Utopie und wird allgemein<br />
der feministischen i SF zugerechnet.<br />
Le Guin beschreibt den Planeten, dessen<br />
Bewohner fast ihr ganzes Leben (bis auf<br />
die Zeit der Fortpflanzung) geschlechtslos<br />
sind. Die sich aus dieser Konstellation ergebenden<br />
Beziehungen, wie zum Beispiel veränderte Machtverhältnisse<br />
oder ein anti-dualistisches Denken, werden aus der Perspektive der<br />
Terraner anschaulich und plastisch dargestellt. Eins der größten Werke<br />
der Science Fiction, das auch heute noch zu Gedankenspielen und<br />
Fabulieren anregt.<br />
Seite 62 ■ GoodTimes 1/2015
Siri Hustvedt – "<br />
Leben, Denken, Schauen"<br />
Die <strong>am</strong>erikanische Autorin Siri Hustvedt (geb. 19. Februar 1955) hat<br />
sich besonders in den letzten <strong>Jahre</strong>n den Ruf einer Kultautorin verdient,<br />
da ihr Ges<strong>am</strong>twerk eine verblüffende Melange<br />
aus Fiktion, kritischen Essays und wissenschaftlichen<br />
Betrachtungen darstellt. Es ist nicht nur die bemerkenswerte<br />
Sensibilität, mit der sie mit Sprache umgeht,<br />
sondern auch ihre vorzügliche Beobachtungsgabe,<br />
durch die sie dem Leser neue Perspektiven vermittelt.<br />
Und ja, man kann Hustvedt auch als intellektuelle<br />
Feministin bezeichnen, obwohl sie weit vom<br />
Kreisch-und-Zeter-Feminismus einer Alice Schwarzer<br />
entfernt ist und sich eher als Analytikerin der<br />
Wechselbeziehungen h zwischen Mann und Frau versteht. Die Frau des<br />
ebenso populären Paul Auster hat mit Romanen wie „Die Verzauberung<br />
der Lily Dahl", „Was ich liebte", „Der Sommer<br />
ohne Männer" und dem wissenschaftlich orientierten<br />
„Die zitternde Frau: Eine Geschichte<br />
meiner Nerven" beeindruckende Werke vorgelegt,<br />
die mit dem in diesem Jahr erschienenen „Leben,<br />
Denken, Schauen" ergänzt werden. Das fast <strong>50</strong>0<br />
Seiten umfassende Buch vers<strong>am</strong>melt diverse Essays<br />
zu dem im Titel angegebenen Themengebieten. Biografische Berichte<br />
(„Gedanken über das Wort Skandinavien"), eine Auseinandersetzung mit<br />
ihren neurologischen Störungen („Mein selts<strong>am</strong>er Kopf: Anmerkungen zur<br />
Migräne") oder ein Kurztext über die Bedeutung der kleinen Dinge, die<br />
ein Leben so schön machen („Blumen") zeigen Hustvedts leichte, doch<br />
ungemein treffende Sprache. Zum Themenzyklus Denken sind Texte über<br />
die Funktion des Lesens zu finden, die Bedeutung der Psychoanalyse<br />
oder das sprachliche Klima. Auch hier verzaubert die Autorin, da ihr Stil<br />
wie ein Gespräch zwischen intimen Freunden anmutet. Doch die wohl<br />
aufschlussreichsten Essays finden sich zum Thema „Schauen", da hier<br />
Kunsttheorie, Kunstwerke, Fotografie und sogar Körperlichkeit mit so<br />
viel Eindringlichkeit und Gefühl behandelt werden, dass das Lesen einer<br />
Lustreise gleichkommt. Lohnenswert, lehrreich und intensiv.<br />
Jack London – "<br />
Wolfsblut"<br />
Die Bücher von Jack London (12. Januar 1876–22. November 1916)<br />
werden in Deutschland oft als „Abenteuerromane für Jugendliche"<br />
deklariert, obwohl das Werk des Autors aus internationaler<br />
Perspektive eine offenere und multiple<br />
Würdigung erfahren hat. Ein Grund für die verkürzende<br />
Reduktion ist – speziell bei dem Roman<br />
„Wolfsblut" – sicherlich bei der Erstpublikation des<br />
Karl-May-Verlegers Friedrich Ernst Fehsenfeld in<br />
der „Welt der Fahrten und Abenteuer" zu finden,<br />
die eine zwangsläufige Kategorisierung nach sich<br />
zog. Doch vergleichbar mit Romanen wie „Der<br />
Seewolf" (1904; 1972 als Weihnachtsvierteiler mit<br />
Raimund dHarmstorf verfilmt), „Der Ruf der Wildnis" (1903) oder „Lockruf<br />
des Goldes" (1910) bietet der Text mehr Tiefe, als augenscheinlich zu<br />
vermuten wäre. Es finden sich die leicht aus Londons Biografie abzuleitenden<br />
Themenschwerpunkte wie der K<strong>am</strong>pf um<br />
die eigene Existenz, das Hinterfragen von verschiedenen<br />
Gesellschaftsformen, die immanente Gefahr des<br />
Scheiterns und natürlich die Möglichkeiten der diversen<br />
Entwicklungsverläufe. „Wolfsblut" erschien 1906 zuerst<br />
als Vorabdruck im „Outing Magazine" und kurz danach<br />
im Buchformat. Die aktuelle Neuübersetzung von Lutz-W. Wolff bei dtv<br />
zählt mit zu den besten Übertragungen. Das Werk spielt in Alaska und<br />
Kanada und erzählt die Geschichte des Mischlingshundes Wolfsblut und<br />
dessen Reise von der Wildnis in die Zivilisation. Nachdem Wolfsblut die<br />
brutale Realität der Tierwelt erfahren hat, erlebt er die Welt der Menschen<br />
und s<strong>am</strong>melt unterschiedlichste Erfahrungen. London beschreibt einen<br />
Teil der Erzählung aus der Perspektive von Wolfsblut, wodurch er das<br />
emotionale Leben des Tieres darstellt. Das mag zwar naturwissenschaftlich<br />
nicht korrekt sein, untermauert aber Londons These, dass die Umwelt das<br />
Individuum prägt und dessen positive und negative Eigenschaften anregt.<br />
„Wolfsblut" schließt mit einem Happy End, was vielleicht ein wenig rührselig<br />
wirken mag, aber zugleich auch für Londons Sehnsucht nach einer<br />
neuen Humanität steht.<br />
Foto: ZDF / Dominik Beckmann – Mitten im Leben die Sendung <strong>am</strong> 18.10.2014 im ZDF<br />
UDO<br />
JÜRGENS<br />
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Von Roland Schäfli<br />
Darryl F. Zanucks D-Day-Epos<br />
als Mutter aller Kriegsfilme<br />
An den <strong>Jahre</strong>stagen der alliierten Invasion treffen sich<br />
noch immer Zeitzeugen, Touristen und sogenannte<br />
Reenactors in der Normandie. Die fulminante<br />
Verfilmung der Entscheidungsschlacht,<br />
" The Longest<br />
Day", hat das Ihre dazu beigetragen,<br />
dass der D-Day<br />
in Erinnerung bleibt. An<br />
den Originalschauplatzen verschmelzen<br />
Historie und Filmgeschichte.<br />
Die ersten 24 Stunden der Invasion werden entscheidend sein.<br />
Das wird für die Alliierten, aber auch für die Deutschen der<br />
„ längste Tag." Feldmarschall Erwin Rommel konnte nicht<br />
ahnen, dass seine prophetischen Worte 1961 den <strong>am</strong>bitioniertesten aller<br />
Kriegsfilme inspirieren würden. Aus der<br />
spektakulärsten Operation des Krieges,<br />
dem D-Day <strong>am</strong> 6. Juni 1944, will Darryl<br />
F. Zanuck, einst Hollywoods Wunderkind,<br />
Begründer der 20th Century Fox, 15 <strong>Jahre</strong><br />
später den größten Kriegsfilm aller Zeiten<br />
machen. Er hegt sogar die Absicht, mit<br />
seinem Monumentalwerk die Menschheit<br />
dahin zu bewegen, ganz aufs Kriegsführen<br />
zu verzichten. „Der alten Generation zur<br />
Erinnerung – der jungen zur Mahnung"<br />
wird sein Anspruch auf deutschen Kinoplakaten übersetzt.<br />
Seite 64 ■ GoodTimes 1/2015
Der „General", wie Zanuck von seinen Untergebenen genannt wird, ist<br />
ein Hollywood-Tycoon mit dem unvermeidlichen Nimbus der Autorität<br />
– und der omnipräsenten Zigarre –, und tatsächlich führt er eine ganze<br />
Armee an. Fünf Regisseure (für die deutschen Szene verpflichtet er<br />
Bernhard Wicki, der mit „Die Brücke" ein<br />
starkes Antikriegs-Statement abgeliefert<br />
hat) belichten während zehn Monaten<br />
simultan an 31 Drehorten insges<strong>am</strong>t 66<br />
Stunden Material. „<strong>Eis</strong>enhower hatte seine<br />
Armee und seine Ausrüstung", resümiert<br />
Zanuck, „ich musste meine finden!" Der<br />
Streifen ist ein logistisches Meisterwerk:<br />
600.000 Schuss Platzpatronen werden<br />
in fünf Ländern von Hand hergestellt,<br />
800.000 Dollar kostet es, die friedlichen<br />
Strände der Normandie nochmals in<br />
den Atlantik-Wall zu verwandeln. 63.000<br />
warme Mahlzeiten werden ausgegeben,<br />
Getränke für 9<strong>50</strong>.000 Dollar konsumiert.<br />
Und es wird genug Holz herangeschafft,<br />
um ein ganzes Dorf zu errichten, nur um<br />
es mit Hilfe von 15 Tonnen Sprengstoff<br />
dann wieder zu zerlegen. 25.000 brennende<br />
Reifen produzieren die malerischen Rauchwolken, die durch<br />
die Szenerie wehen. 30.000 Meter Stacheldraht werden gezogen. An<br />
den Originalschauplätzen werden Einschlagstellen neu aufgesprengt,<br />
Fl<strong>am</strong>menwerfer versetzen<br />
die Botanik in den Zustand<br />
des Kriegschauplatzes.<br />
Gedenkstellen für die<br />
Gefallenen werden „getarnt"<br />
(nicht ausnahmslos erfolgreich:<br />
Auf der höchsten Stelle<br />
des Pointe du Hoc, der Klippe,<br />
die von Rangern erklommen<br />
wird, ragt in einer Aufnahme<br />
das Monument für die Toten<br />
ins Bild). Von Modellen will<br />
Zanuck nichts wissen. Für eine<br />
Szene jagt er einen Zug mit<br />
14 Waggons in die Luft. In<br />
den Studios de Boulogne in<br />
Paris wird in 52 Dekorationen<br />
agiert.<br />
So läppern sich schließlich zehn<br />
Millionen Dollar Ges<strong>am</strong>tkosten<br />
zus<strong>am</strong>men. Und der teuerste<br />
Schwarzweißfilm aller Zeiten soll dann auch der erfolgreichste werden<br />
(bis er an der Spitze von „Schindlers Liste" abgelöst wird). Dabei hätte<br />
„Der längste Tag" leicht noch mehr kosten können. Doch sein Rang<br />
als Colonel öffnet Zanuck die Türen zu den Ministerien der Nato-<br />
Staaten. So bekommt er eine Flotte von 22 Schlachtschiffen<br />
zum Schnäppchenpreis. Und die 6. US-Flotte spielt für ihn den<br />
Angriff auf Omaha-Beach nach. Das hat ein Nachspiel. Denn<br />
just im Moment, da Nato-Soldaten für Hollywood schauspielern,<br />
wird die Berliner Mauer aus dem Boden gest<strong>am</strong>pft. Die<br />
US-Regierung ordnet daraufhin eine Untersuchung an. In der<br />
Folge muss das Pentagon die Kooperation mit Filmemachern<br />
auf ein Minimum beschränken ...<br />
Mit Preisabschlag kriegt Zanuck auch sein Rekordaufgebot von<br />
42 internationalen Stars zus<strong>am</strong>men. Wenn im „längsten Tag"<br />
eine Tür aufgeht, kommt üblicherweise ein alter Bekannter<br />
herein. Zanuck arrangiert, dass die Schauspieler ihre historischen<br />
Vorbilder leibhaftig treffen. General J<strong>am</strong>es Gavin, im<br />
Film von Robert Ryan portraitiert, ist seinerzeit US-Botschafter<br />
in Frankreich und gibt den Dreharbeiten in den Pariser Studios<br />
seinen Segen. Für Richard Todd, den populären britischen<br />
Akteur, ist die Filmarbeit gar ein Déjà-vu. Als Fallschirmjäger<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 65<br />
war er an der waghalsigen Einnahme der Brücke über die Orne (später in<br />
Pegasus Bridge umbenannt) beteiligt und spielt nun seinen d<strong>am</strong>aligen<br />
Kommandeur, Major John Howard. Peter Lawford, John F. Kennedys<br />
Schwager, gibt den legendären Briten Lord Lovat (der wenig erfreut ist,<br />
von einem „Salonlöwen”<br />
verkörpert zu werden).<br />
Resistance-Kämpferin<br />
Janine Boitard wiederum<br />
kann sich nur wundern, als<br />
sie das französische Model<br />
Irina Demick erblickt: „So<br />
hübsch war ich doch gar<br />
nicht!" Insges<strong>am</strong>t wachen<br />
48 technische Berater<br />
über jedes Detail. Und<br />
General Charles de Gaulle<br />
höchstpersönlich droht<br />
Ortsansässigen mit einer<br />
Klage, wenn sie sich weiter<br />
über die Filmarbeiten<br />
beschweren ...<br />
Szene auf der Pegasus-Brücke, die heute in einem Stück im Museum steht.<br />
Wird von der Dorfbevölkerung jedes Jahr eingerichtet:<br />
der Fallschirmspringer <strong>am</strong> Kirchturm.<br />
Auch die deutschen<br />
Militärs geben ihren Darstellern Schützenhilfe. General Günter<br />
Blumentritt instruiert Curd Jürgens, Major Werner Pluskat, der in<br />
seinem Bunker als Erster die alliierte Flotte erblickt, gibt dafür Hans<br />
Christian Blech Tipps, und selbst Erwin Rommels Witwe<br />
zählt zu den „technical advisors". Sie sorgt dafür, dass eine<br />
originalgetreue Nachbildung von Rommels Feldmarschalls-<br />
Stab hergestellt werden kann.<br />
Als Vater dieses Kriegsfilms darf Zanuck es wohl als<br />
Kompliment verbuchen, dass ein Sergeant, der d<strong>am</strong>als <strong>am</strong><br />
Omaha-Beach an Land watete, angesichts der historisch<br />
so getreu rekonstruierten Verheerung <strong>am</strong> Strand verwundert<br />
äußerte: „Es ist, als erlebte ich den schrecklichsten<br />
Augenblick meines Lebens noch einmal."<br />
Die „guten Deutschen „<br />
Dass die einstigen Feinde, die Deutschen, so objektiv<br />
dargestellt wurden, hat nicht zuletzt d<strong>am</strong>it zu tun, dass<br />
Deutschland seinerzeit zum wichtigen Bündnispartner in<br />
der Nato wurde. So dürfen sich die einstigen Gegenspieler<br />
mit viel Mitgefühl bekämpfen. Bezeichnend ist Curd<br />
Jürgens’ Formulierung: „Jetzt frage ich mich, auf welcher<br />
Seite der liebe Gott steht", da John Wayne auf der anderen<br />
Seite denselben Gedanken ebenfalls formuliert: „Sometimes<br />
I wonder which side God’s on." Zanuck beweist zudem<br />
Fingerspitzengefühl bei der Auswertung des Films im deutschsprachigen<br />
Raum. Fotos belegen, dass eine Szene, in der die französischen<br />
Partisanen von SS-Männern massakriert werden, zwar abgedreht<br />
– aber nicht verwendet worden ist. Und letztlich sorgt die deutsche<br />
Who's who der Filmgeschichte: Hier geht "<br />
Jesus"-<br />
Darsteller Jeffrey Hunter an den Strand.<br />
Synchronisation einmal mehr<br />
dafür, einem unangenehmen<br />
Moment eine andere Bedeutung<br />
zu verleihen: In einer kontrovers<br />
diskutierten, ja berüchtigten<br />
Szene mäht Tommy Sands<br />
(ein Rock’n’Roll-Idol, d<strong>am</strong>als<br />
mit Nancy Sinatra verheiratet)<br />
ins Freie irrende, „bitte, bitte!"<br />
flehende Deutsche kurzerhand<br />
nieder. Worauf er mit kaum<br />
zu überbietendem Sarkasmus<br />
kommentiert: „I wonder what<br />
‚bitte, bitte' means." Die deutsche<br />
„Übersetzung" legt ihm<br />
hingegen die Worte: „Tut mir<br />
leid, ich hab' zu spät geschaltet"<br />
in den Mund ...
Pointe du Hoc<br />
Das Monument für die US-Ranger auf<br />
Pointe du Hoc. 1984 ehrte Ronald<br />
Reagan hier die Gefallenen.<br />
Der Bunker auf Pointe du Hoc.<br />
An der schroffen<br />
Felsenküste,<br />
der Pointe du<br />
Hoc, wurde<br />
der unmöglich<br />
scheinende<br />
Einsatz der<br />
US-Rangers<br />
inszeniert. Der<br />
Bunker, der<br />
im Film von<br />
den Teenager-<br />
Idolen Paul<br />
Anka, Tommy<br />
Sands, Fabian<br />
und Robert<br />
Wagner erstürmt<br />
wird, ist noch<br />
immer zu finden, ebenso wie die Stelle, an der die berüchtigte „Bitte,<br />
bitte"-Szene entstand.<br />
Longue-sur-mer<br />
Die Küstenbatterie bei<br />
Longue-sur-mer ist in mehreren<br />
Nachtszenen zu sehen.<br />
Die Befehlsstelle in diesem<br />
Abschnitt, ein gut erhaltener<br />
Bunker direkt an den Klippen,<br />
war Drehort der Szenen mit<br />
Hans Christian Blech. Die<br />
Rückseite ist in einer dr<strong>am</strong>atischen<br />
Aufnahme zu erkennen,<br />
in der Deutsche aus dieser<br />
Stellung stürmen.<br />
Utah Beach<br />
Während alle anderen<br />
Strandszenen in der Nähe<br />
von La Rochelle aufgenommen<br />
wurden, stand<br />
<strong>am</strong> historisch korrekten<br />
Utah Beach Henry Fonda<br />
vor der K<strong>am</strong>era – der Schauplatz dieser<br />
Einstellung wird heute von einer<br />
Statue eingenommen.<br />
Sainte-Mère-Eglise<br />
Die Bevölkerung von Ste-Mère-<br />
Eglise stellt sicher, dass in den Juni-<br />
Wochen ein Fallschirmspringer <strong>am</strong><br />
Kirchturm hängt, eine historische<br />
Begebenheit, die im Film ebenfalls<br />
für eine dr<strong>am</strong>atische Sequenz sorgte.<br />
Im Innern der Kirche wurde die eindringliche<br />
Predigt des französischen<br />
Die Schauplätze in der Normandie<br />
Ein bahnbrechender Moment in der<br />
Kriegsfilmgeschichte: Tommy Sands<br />
erschießt sich ergebende Deutsche.<br />
Invasion!": Die Küstenstellung, in der Hans<br />
Christian<br />
"<br />
Blech die Armada der Alliierten erblickt,<br />
wurde für die Aufnahmen mit neuer Tarnfarbe<br />
bemalt, die Einschusstellen wurden aufgefüllt.<br />
Das Wahrzeichen<br />
des D-Day: Jeden<br />
Juni hängt ein<br />
Fallschirmjäger<br />
hilflos <strong>am</strong><br />
Kirchturm von<br />
Ste-Mère-<br />
Eglise.<br />
Charakterschauspielers Jean-Louis Barrault aufgenommen.<br />
Entlang dieser Straße führten deutsche<br />
Soldaten französische Gefangene ab. Der Krieg<br />
war d<strong>am</strong>als noch nicht lange vorbei, und die<br />
Menge musste beruhigt werden: „Es handelt sich<br />
nur um Statisten!"<br />
Studios de Boulogne, Paris<br />
Die Pariser Studios<br />
in der Nähe des Bois<br />
de Boulogne, in den 60er <strong>Jahre</strong>n Produktionsstätte<br />
so manches internationalen Films, haben heute nur<br />
noch Bedeutung als TV-Studio. Hier ließ Zanuck<br />
52 verschiedene Kulissen für Innenaufnahmen<br />
bauen.<br />
Port-en-Bessin<br />
Dieses malerische<br />
Küstenstädtchen<br />
stellt im Film<br />
Ouistreh<strong>am</strong> dar<br />
und wurde für<br />
die Straße, auf<br />
der die Nonnen<br />
unter Leitung<br />
der französischen<br />
Actrice Madeleine<br />
Renaud den<br />
die <strong>am</strong>bitionierte<br />
Helikopteraufnahme<br />
während zweier<br />
Wochen evakuiert.<br />
Unverändert auch<br />
verwundeten<br />
Franzosen zu Hilfe eilen, sowie der mittelalterliche<br />
Turm. Ein <strong>am</strong>üsanter, wenn auch ungewollter<br />
Hinweis auf die Dreharbeiten ist dieses<br />
Haus: Die Beschriftung „Bazar de Ouistreh<strong>am</strong>”<br />
taucht nach all diesen <strong>Jahre</strong>n unter der Farbe wieder auf.<br />
Pegasus Bridge, Bénouville<br />
1992 wurde die Brücke über den<br />
Orne-Kanal in ein nahegelegenes<br />
Museum verfrachtet, das vielleicht<br />
größte Filmrequisit aller Zeiten.<br />
Richard Todd, der <strong>am</strong> D-Day tatsächlich<br />
an dieser Operation teilnahm,<br />
vermachte seine Ausrüstung<br />
dem Café Gondrée (das erste befreite<br />
französische Haus des Krieges),<br />
wo sie bis heute ausgestellt ist.<br />
Halten, bis Entsatz<br />
kommt": " die Pegasus<br />
Bridge, das vielleicht größte<br />
Filmrequisit aller Zeiten.<br />
Seite 66 ■ GoodTimes 1/2015
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GoodTimes 1/2015 ■ Seite 67
Reise um die Welt in <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
E<br />
s gab so vieles, was die Kinder in den<br />
70er <strong>Jahre</strong>n im Westen Deutschlands s<br />
von denen im Ostteil unterschied: Die<br />
einen kauten Hitschler, die anderen J<strong>am</strong>boree,<br />
die einen tranken Kaba, die anderen Trinkfix,<br />
und selbst das Sandmännchen sah irgendwie<br />
anders aus. Eines aber einte uns alle, und das<br />
waren die polnischen Trickfilmbrüder Lolek<br />
und Bolek. Wir konnten sie in verschiedenen<br />
Kindersendungen wie „Mischmasch", „Spaß<br />
muss sein", „Alles Trick" oder „Tri-Tra-Trick" in<br />
der ARD genauso finden wie im Fernsehen der<br />
DDR – und dazu auch noch im Kino.<br />
Lolek und Bolek st<strong>am</strong>men aus Polen und heißen<br />
eigentlich „Bolka i Lolka". In einem süd-<br />
polnischen Experimentalfilm-Studio hatte der<br />
Animationszeichner Alfred Ledwig die Figur des<br />
langen, schlaksigen Bolek als Beitrag für eine<br />
Ausschreibung erfunden und sein Kollege Leszek<br />
Lorek den kleinen pummeligen Lolek. Lorek kaufte seine Rechte an Ledwig, der die Figuren<br />
weiterentwickelte und 1963 gemeins<strong>am</strong> mit dem Regisseur Wladyslaw<br />
ver-<br />
Nehrebecki eine 13-teilige Serie mit kurzen Episoden entwarf. D<strong>am</strong>it<br />
war das berühmte Trickfilm-Duo geboren. Lolek und Bolek sind also<br />
genauso alt wie George Michael, Brad Pitt und Johnny Depp.<br />
Zu einer Zeit, in<br />
der den Bewohnern<br />
der<br />
sozialistischen<br />
Staaten<br />
die große, weite<br />
Welt verschlossen<br />
blieb, schien es<br />
für die polnischen<br />
Trickfilmbrüder<br />
Lolek und Bolek<br />
keine Grenzen zu<br />
geben. Sie reisten in<br />
den Wilden Westen,<br />
nach Polynesien oder Afrika und in 80 Tagen um die<br />
Welt. Sie lernten dabei höchst interessante Menschen<br />
und exotische Kulturen kennen und blieben trotzdem<br />
ganz normale Geschwister, die Streiche spielten, sich vorm Zahnarzt<br />
drücken wollten, sich zankten und <strong>am</strong><br />
Ende dann doch wieder lieb hatten. Lolek<br />
und Bolek durften genau das, was die<br />
meisten ihrer Fans eben nicht durften:<br />
jede Menge Unsinn anstellen, schadenfroh h<br />
sein – und reisen. Und weil die Filmchen<br />
so witzig, so originell, gewaltfrei und kein<br />
bisschen ideologisch gefärbt waren, stand<br />
Lolek und Bolek die Welt bald nicht nur in<br />
ihren Abenteuern offen: Sie traten einen<br />
Siegeszug um den ges<strong>am</strong>ten Globus an,<br />
es gab Spielzeug, Puzzles und Postkarten<br />
von ihnen, und ihre Popularität ist bis<br />
heute ungebrochen. Mittlerweile haben sie über eine Milliarde Menschen<br />
in mehr als 80 Ländern glücklich gemacht, ihre Landsleute errichteten<br />
ihnen ein eigenes Denkmal in ihrem polnischen Geburtsort, und in<br />
Seite 68 ■ GoodTimes 1/2015
Deutschland und<br />
Indien wurden<br />
sogar Schulen<br />
nach ihnen<br />
benannt.<br />
In den kurzen<br />
fünf- bis<br />
zehnminütigen<br />
Episoden der<br />
Trickfilmserie<br />
waren Lolek und<br />
Bolek stumm,<br />
was natürlich die<br />
internationale Vermarktung erleichterte. Die preisgekrönte Pilotfolge<br />
„Kusza – Die Armbrust" erschien 1964. Darin lassen sich die Brüder<br />
von einem Wilhelm-Tell-Gemälde zu reichlich viel Unsinn mit einer<br />
Armbrust inspirieren. Bis 1986 brachte es die Serie auf über 1<strong>50</strong><br />
Kurzfilme. Ledwig war meistens für die Storyboards verantwortlich,<br />
Nehrebecki führte Regie, und Leszek Mech<br />
schrieb einen Großteil der Drehbücher. 1973 k<strong>am</strong><br />
eine weitere Figur dazu, das rotbezopfte Mädchen<br />
Tola, für das sich Lolek und Bolek mächtig in<br />
Schale werfen und bessere Manieren zulegen<br />
sollten, was natürlich immer schiefging. Tola<br />
trat in insges<strong>am</strong>t 29 Folgen auf und soll ein<br />
Wunsch der Zuschauerinnen gewesen sein.<br />
In der DDR erschienen ab Mitte der 70er <strong>Jahre</strong><br />
im sorbischen Domowina-Verlag in Bautzen<br />
großformatige dünne Comic-Hefte mit Lolek<br />
und Bolek. Die Zeichnungen dafür st<strong>am</strong>mten<br />
alle von Alfred Ledwig. Die Bücher basierten auf<br />
den Episoden von „Lolek und Bolek reisen um die<br />
Welt". Auch zwischen zwei Buchdeckeln gab es also<br />
für die reiselustigen Brüder keine<br />
Grenzen, und so durften sie hier<br />
„In die Steppen Australiens"<br />
und in „Die goldene Stadt der<br />
Inkas" reisen, sahen „Die Tiere<br />
der Serengeti" und streunten „In<br />
den Wäldern Kanadas". Diese<br />
Heftchen waren heißbegehrt,<br />
ständig vergriffen und wurden<br />
in den Folgejahren immer wieder<br />
neu aufgelegt.<br />
So leicht und witzig die<br />
Geschichten von Lolek und Bolek<br />
nicht wieder. Trotz dieser angespannten Atmosphäre zeichnete er in<br />
den folgenden <strong>Jahre</strong>n jedoch wieder Storyboards für Lolek und Bolek,<br />
so zum Beispiel für die 1975 entstandene Staffel „Spaß und Spiele mit<br />
Lolek und Bolek", wobei er immer mehr an den Rand gedrängt wurde<br />
und sein N<strong>am</strong>e im Vorspann immer weiter nach hinten rutschte.<br />
In der Folgezeit erschienen außerdem die zwei großen Lolek-und-<br />
Bolek-Spielfilme.<br />
1977 startete – frei<br />
nach Jules Vernes<br />
„In 80 Tagen um<br />
die Welt" – „Die<br />
große Reise von<br />
Lolek und Bolek".<br />
Darin bek<strong>am</strong>en die<br />
Trickfilmbrüder<br />
zum ersten Mal eine<br />
Stimme, weshalb<br />
es verschiedene<br />
Synchronfassungen<br />
gibt. 1986 erschien<br />
mit „Lolek und Bolek im Wilden Westen" ein<br />
waschechter Western mit Pferden, Sheriff,<br />
Gaunern und natürlich den beiden polnischen<br />
Brüdern. Zwei weitere Filme aus den<br />
Achtzigern, „Märchen mit Bolek und Lolek"<br />
und „Bolek und Loleks Ferien", k<strong>am</strong>en bei uns<br />
nicht in die Kinos. Es handelt sich dabei allerdings<br />
auch nur um eine Zus<strong>am</strong>menstellung<br />
von Serienepisoden. Die beiden erstgenannten<br />
Filme aber liefen im Ausland äußerst erfolgreich<br />
und spielten Devisen ein.<br />
Ledwig, der inzwischen in ärmlichen Verhältnissen<br />
lebte, weil er wie auch seine Frau mit Berufsverbot<br />
belegt worden war, sah schließlich einen letzten Ausweg<br />
in seiner Ausreise nach Deutschland. Doch er musste<br />
einen hohen Preis dafür zahlen: Das Visum für sich und<br />
seine F<strong>am</strong>ilie bek<strong>am</strong> er nur gegen die Einräumung der<br />
Rechte an Lolek und Bolek für weitere fünf <strong>Jahre</strong>. 1981<br />
siedelte Ledwig nach Leverkusen über. 1986 endete die<br />
erzwungene Vereinbarung, und ein langandauernder<br />
erbitterter Rechtsstreit um das Trickfilmduo begann, der<br />
bis vor den Europäischen Gerichtshof gelangte und dafür<br />
sorgte, dass die Trickfilme viele <strong>Jahre</strong> nicht im polnischen<br />
Fernsehen gezeigt werden konnten. Den Ausgang des<br />
Verfahrens erlebte der inzwischen von Sozialhilfe lebende<br />
Ledwig nicht mehr. Er starb 2006.<br />
Was bleibt, sind die beiden Trickfilm-Brüder Lolek und Bolek, die um<br />
keinen Tag gealtert sind und in denen sich Kinder auf der ganzen<br />
Welt wiederfinden. Die Fans der ersten Stunde sind inzwischen längst<br />
Eltern oder sogar Großeltern, und so erfreuen sich mittlerweile drei<br />
Generationen an den zeitlosen Abenteuern von<br />
Lolek und Bolek.<br />
Kati Naumann<br />
© DEFA-Stiftung / Stanislaw Golab, Dorota Poraniewska, Marek Waczek, Ryszard Biesok, Stanislaw Golab, Henryk Pollak, Andrzej Malarski<br />
sind, so traurig ist das Schicksal ihres Schöpfers Alfred Ledwig. Weil<br />
er für die systemfeindliche Bewegung Konfederacja Narodowa<br />
(Nationale Konföderation) Grafiken gezeichnet hatte, wurde<br />
er 1971 inhaftiert und zu zweieinhalb <strong>Jahre</strong>n Haft verur-rteilt.<br />
Während dieser Zeit wurden weitere umfangreiche e<br />
Folgen von Lolek und Bolek produziert und Ledwig von<br />
der Umsatzbeteiligung ausgeschlossen. Aus diesem Grund<br />
erneuerte er den ausgelaufenen Lizenzvertrag im Jahr 1973<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 69
Wenn ich Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> mit meinen „Jungs” eine Diskothek<br />
heimsuchte – und wir suchten in jener Ära ziemlich oft Diskotheken<br />
heim, denn wir waren alle um die 20, der Balzmotor lief auf Hochtouren<br />
–, gab es immer Songs, bei denen es logisch war, dass man sie als<br />
„männlich, ledig, jung” unter musikalischen und unter Coolness-Aspekten<br />
nicht mögen durfte. Ebenso logisch war es jedoch, dass genau bei diesen<br />
Liedern die Chance bestand, das einzulösen, weshalb man als junger<br />
Mann überhaupt eine Disco von innen sah – um die Nähe zum anderen<br />
Geschlecht herzustellen und im besten Fall spätnachts den Schuppen<br />
mit der frisch Angebeteten Hand in Hand zu verlassen.<br />
Ganz oben auf der Liste dieser „Anbandel"-<br />
Garanten standen zwischen 1985 und<br />
1987 die Titel eines Duos, das sich aus dem<br />
Rheinland-Pfälzer Sänger Thomas Anders, der<br />
eigentlich Bernd Weidung heißt, und dem niedersächsischen<br />
Sänger, Musiker, Komponisten<br />
und Produzenten Dieter Bohlen zus<strong>am</strong>mensetzte.<br />
Der N<strong>am</strong>e des Duos: Modern Talking.<br />
Von beiden Herren – Anders Jahrgang 1963,<br />
Bohlen 1954 – hatte man bis zur Gründung<br />
des Projekts in der Musikszene nichts gehört,<br />
wenngleich zumindest der Ältere bereits einige<br />
Achtungserfolge als Produzent vorzuweisen hatte.<br />
Bohlen und Anders lernten sich zu Beginn der 80er<br />
<strong>Jahre</strong> kennen, 1982 produzierte der Niedersachse sechs<br />
Singles des Pfälzers in deutscher Sprache, allerdings ohne kommerziellen<br />
Erfolg. Zwei <strong>Jahre</strong> später hatte Bohlen die Idee für ein Popmusik-Duo,<br />
dessen Sound für einen hohen und sofortigen Wiedererkennungswert der<br />
Lieder, gepaart mit eher rustikaler Tanzkompatibilität stehen sollte. Die<br />
Berliner Plattenfirma Hansa war zunächst von diesem etwas hemdsärmeligen<br />
Konzept nicht recht überzeugt und investierte erst mal wenig. Es<br />
dauerte dann schließlich auch drei Monate von der Veröffentlichung der<br />
ersten Single "You’re My Heart, You’re My Soul” im Oktober 1984 an, bis<br />
diese <strong>am</strong> 28. Januar 1985 die nationalen Top Ten enterte. Doch nachdem<br />
im Frühjahr 1985 THE 1ST ALBUM in den Handel gekommen war, gab<br />
es kein Halten mehr für Modern Talking, die aus einem unerschöpflich<br />
scheinenden Fundus aus sich ähnelnden, dabei stets extrem eingängigen<br />
Kompositionen zu schöpfen schienen.<br />
In kurzer Abfolge entstanden mehrere Dutzend Singles und fünf weitere<br />
Alben, ehe 1987 abrupt der Schlussstrich gezogen wurde – Anders und<br />
Bohlen gingen im Streit auseinander, hatten bis dato allerdings mehr<br />
als 60 Millionen Tonträger verkauft. Und sie waren 1986 die<br />
erste westliche Band überhaupt gewesen, die ihre Platten<br />
offiziell hinter dem <strong>Eis</strong>ernen Vorhang in der d<strong>am</strong>aligen<br />
Sowjetunion verkaufen durfte.<br />
Über zehn <strong>Jahre</strong> nach dem Split k<strong>am</strong>en die<br />
beiden Streithähne dann durch Vermittlung<br />
der Plattenfirma Sony BMG für fünf <strong>Jahre</strong> erneut<br />
zus<strong>am</strong>men. Auch in jener Phase ihrer Existenz<br />
veröffentlichten Modern Talking sechs Alben,<br />
wieder wurden gut 60 Millionen Tonträger losgeschlagen<br />
– und wieder trennten sich Anders<br />
und Bohlen letztlich im Streit. Und nun ist das<br />
Doppelalbum 30 auf den Markt gekommen, da<br />
Modern Talking 30-jähriges Jubiläum feiern, es ist<br />
eine Art „Best Of”-Kompilation, erhältlich in diversen<br />
Formaten, gepaart mit brandneuen Mixes von angesagten<br />
DJs etc. „Modern Talking genießen 2014 eine hohe Priorität<br />
bei uns, da wird in den nächsten Monaten rund ums Thema etliches<br />
passieren”, freut sich Christian Stronczek, Senior Product Manager von<br />
Sony Music. Zu einer erneuten Reunion von Anders und Bohlen wird es<br />
zunächst zwar nicht kommen – doch wer weiß schon, was die Zukunft<br />
bringt? Irgendwie ist dieses Duo jedenfalls einzigartig; ich persönlich verbinde<br />
jedenfalls (siehe oben) eine Menge angenehmer Erinnerungen mit<br />
ihren Liedern. Einzigartig ist das Duo übrigens auch für Thomas Anders,<br />
wie dieser im Interview gesteht ...<br />
Seite 70 ■ GoodTimes 1/2015
Interview<br />
Thomas Anders<br />
Vor 30 <strong>Jahre</strong>n wurden Modern Talking ins Leben gerufen, die Plattenfirma<br />
nimmt dieses Jubiläum nun zum Anlass, um nochmals groß die Werbetrommel<br />
dafür zu rühren – welches Gefühl beschleicht Sie bei diesem <strong>Jahre</strong>stag?<br />
Es zeigt mir, dass Modern Talking immer noch eine starke Marke sind.<br />
Und dass die Musik von Modern Talking die Menschen berührt.<br />
Wie stolz sind Sie rückblickend auf den kreativen wie kommerziellen Erfolg<br />
von Modern Talking?<br />
Ich bin stolz darauf, dass gerade in unserer – mittlerweile<br />
so kurzlebigen – Unterhaltungsbranche die<br />
Musik von Modern Talking Jahrzehnte überlebt<br />
hat. Unsere Musik wurde meistens von<br />
den Kritikern belächelt und nicht ernst<br />
genommen. Der weltweite Erfolg von<br />
Modern Talking zeigt aber, dass<br />
Kritiker auch nur Menschen sind,<br />
die irren können.<br />
War dieses Duo stets eine kreative<br />
Zweckgemeinschaft, oder gab es<br />
durchaus Phasen, in denen Sie<br />
und Ihr Partner Dieter Bohlen<br />
Freunde waren?<br />
Zweckgemeinschaft klingt in<br />
diesem Zus<strong>am</strong>menhang für<br />
mich zu nüchtern und gefühllos.<br />
Unsere Musik wäre ohne<br />
Emotion niemals so erfolgreich<br />
geworden. Ich würde unsere<br />
Zus<strong>am</strong>menarbeit gerne als<br />
Partnerschaft sehen.<br />
Wie wichtig war bei Modern Talking neben<br />
der Musik der Image- und Outfit-Aspekt?<br />
Die Musik von Modern Talking steht<br />
für Lebensfreude und Leichtigkeit. Der<br />
Widererkennungswert k<strong>am</strong> durch Stimme, Produktion<br />
und den Sound.<br />
Wie wichtig war dem Duo der Tanz- und sofortige Wiedererkennungswert der<br />
Kompositionen?<br />
Zu Beginn unserer Karriere hat alles gepasst! Musik, Outfit und d<strong>am</strong>it<br />
auch das Image. Ich glaube, hätte bei uns „Friede, Freude, Eiertanz"<br />
geherrscht, würde es „30 <strong>Jahre</strong> Modern Talking nicht geben.<br />
Hatten Sie mit einem solch gewaltigen Erfolg gleich mit der ersten Single<br />
gerechnet, oder k<strong>am</strong> dieser<br />
völlig überraschend für Bohlen<br />
und Sie?<br />
Die d<strong>am</strong>alige Diskothekenszene<br />
machte diesen<br />
Song zum Hit. Ende<br />
November 1984 lagen<br />
wir bei 6000 verkauften<br />
Singles, Anfang Januar<br />
1985 bei 60.000. Ohne<br />
TV und ohne Radio!<br />
Was danach k<strong>am</strong>, ist<br />
Musikgeschichte.<br />
Erinnern Sie sich noch, unter<br />
welchen Umständen Modern-Talking-Kompositionen<br />
in der Regel entstanden, gab<br />
es dabei gewisse Rituale?<br />
Gemeins<strong>am</strong> fröhlich, obwohl die<br />
Situation nicht immer zum Lachen war:<br />
Dieter Bohlen (l.) und Thomas Anders<br />
beim zweiten Versuch, ein<br />
harmonisches Duo<br />
abzugeben.<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 71<br />
Dieter schrieb die Songs und schickte sie mir auf MC. Es waren meis tens<br />
40 bis <strong>50</strong> Titel. Ich traf meine Vorauswahl, und es blieb etwa die Hälfte<br />
der Songs übrig. Danach selektierte Dieter wieder, und wir nahmen dann<br />
die Songs für das kommende Album auf. Bei „Modern Talking 2.0”<br />
komponierte ich auch Songs für die Alben.<br />
Welchen Stellenwert hatten die Texte bei den Songs – entstanden die zuerst,<br />
oder wurden bereits fertige Kompositionen mit Texten ergänzt?<br />
Die Texte waren ganz wichtig! Okay, kein Modern-<br />
Talking-Text ist Pulitzerpreis-verdächtig … Aber<br />
das Talent von Dieter lag darin, die richtige<br />
Balance zwischen Melodie und Silben<br />
zu finden. Hätte ich bei "Cheri Cheri<br />
Lady" beispielsweise „I just wanna<br />
love you" gesungen, wäre es nie<br />
der Hit geworden, den man heute<br />
noch trällert.<br />
Wie stolz waren Sie – und sind Sie<br />
bis heute –, dass Modern Talking<br />
1986 die erste westliche Band<br />
waren, die in der d<strong>am</strong>aligen Sowjetunion<br />
ihre Alben offiziell verkaufen<br />
durfte?<br />
Es war uns d<strong>am</strong>als nicht recht<br />
bewusst, was wir und unsere<br />
Musik für die Menschen in der<br />
d<strong>am</strong>aligen UdSSR bedeuteten.<br />
Heute, nachdem ich viele Konzerte<br />
in Russland gegeben habe und<br />
noch gebe, ist mir bewusster denn je,<br />
wie erfolgreich die Musik von Modern<br />
Talking dort ist.<br />
Als zehn <strong>Jahre</strong> nach der Trennung von Modern<br />
Talking Dieter Bohlen den Vorschlag unterbreitete,<br />
1997 das Duo wiederzubeleben, willigten Sie ein – mit<br />
welchen Gefühlen?<br />
Es war nicht Dieter Bohlen, der den Vorschlag unterbreitet hat. Es<br />
war die Idee unserer d<strong>am</strong>aligen Plattenfirma Hansa sowie des d<strong>am</strong>aligen<br />
Unterhaltungschefs vom ZDF, Axel Beyer. Beide Parteien hatten<br />
die Idee, Modern Talking bei der TV-Sendung „Wetten, dass …?"<br />
mit einem Comeback zu starten. Ich war zu dem Zeitpunkt in Los<br />
Angeles, und unser Anwalt Götz Kiso vereinbarte ein Treffen mit mir<br />
und erzählte dabei von der Idee. Ich bat um die Bedenkzeit von einer<br />
Woche. Danach willigte ich ein. Wie sieht die künstlerische Zukunft von<br />
Modern Talking, wie die von Thomas Anders aus? Eine künstlerische<br />
Zukunft von Modern Talking ist mehr als unwahrscheinlich. Ich, als<br />
Thomas Anders, gebe jedes Jahr viele Konzerte, die eine Mischung aus<br />
Modern-Talking-Songs und Solotiteln beinhalten. Kürzlich hatte ich<br />
in einer Show <strong>50</strong>.000 Zuschauer in Odessa. Im November trete ich in<br />
Santiago de Chile auf. Im Dezember bin ich im Baltikum auf Tournee.<br />
Und im Januar geht's nach Ungarn, im Februar nach<br />
Polen. Daneben arbeite ich an<br />
einem neuen Album für das Jahr<br />
2015. Das Schöne für mich liegt<br />
darin, dass ich nach all meinen n<br />
Erfolgen nicht den Druck verspüre,<br />
mich unbedingt jemandem<br />
groß aushändigen zu müssen.<br />
Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />
Drei Jahrzehnte dabei – immer noch<br />
zeitgemäß: Modern Talking
Sophia Loren:<br />
Alles<br />
„zu groß“ –<br />
und trotzdem<br />
ein Star<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1979 Firepower<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Stadt der Verlorenen<br />
I<br />
talien hat Pizza und Pasta – und Sophia<br />
Loren. Der Filmstar könnte nicht besser<br />
das verkörpern, was Land und Menschen n<br />
in Südeuropa ausmacht: Temper<strong>am</strong>ent, überbordende<br />
Präsenz, Leidenschaft – und wunderbare<br />
Küche. Die Loren vereint alles in sich. Das zeigt<br />
sie nicht nur in ihren mehr als 100 Filmen, die<br />
sie in über 64 <strong>Jahre</strong>n Karriere gedreht hat. Auch<br />
mit Kochlöffel und Spaghetti-Sauce kann sie<br />
eben sehr gut umgehen: Erst jüngst wurde ihr<br />
Kochbuch „In Cucina con Amore" („Mit Liebe in<br />
der Küche") von 1971 neu aufgelegt ... Ein ideales<br />
Geschenk für die große Leinwand-Diva, die <strong>am</strong> 20.<br />
September ihren 80. Geburtstag gefeiert hat.<br />
Das Kochen ist für sie ein schönes Hobby geblieben, eben,<br />
die Schauspielerei indes ihre wahre Berufung gewesen. esen.<br />
Von der ehrgeizigen Mutter fürs Filmbusiness geschult,<br />
ist der erste bekannte Film, in dem sie mitwirkt, t, das Epos<br />
„Quo Vadis?" mit<br />
Anthony Quinn in<br />
der Hauptrolle. Das<br />
ist 1951. Eine kleine Nebenrolle.<br />
Einige unbedeutende Auftritte<br />
folgen, bevor Sophia<br />
Loren mit „Weiße<br />
Frau in Afrika" und<br />
„Aida" größere Rollen<br />
bekommt.<br />
Beinahe hätte Sophia<br />
Lorens üppige<br />
Erscheinung ihr jedoch<br />
den Durchbruch vermasselt.<br />
Ihr späterer<br />
Ehemann, der mehr als<br />
20 <strong>Jahre</strong> ältere erfolgreiche<br />
Filmproduzent<br />
Carlo Ponti, entdeckt<br />
die große<br />
Neapolitanerin mit den<br />
rot-braunen<br />
Locken<br />
und den honigfarbe-<br />
nen Augen Anfang der <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> bei einem Schönheitswettbewerb.<br />
Wieder ist sie nur Zweite geworden. Sie habe von allem zu viel, heißt<br />
es d<strong>am</strong>als von der Jury. Und genau das<br />
beklagen auch die K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>änner, denen<br />
Ponti sie schmackhaft machen möchte.<br />
Die Lippen? Zu groß. Der Ausschnitt? Zu<br />
ausladend. Die Nase? Zu lang.<br />
Aber sie hat Glück. 1954 ist der italienische<br />
Regisseur Vittorio De Sica ebenso<br />
von ihr begeistert wie Ponti. Sein „Gold<br />
von Neapel" bedeutet ihren Durchbruch in<br />
Italien. Die einheimische Presse überschlägt<br />
sich. Sophia Loren ist in aller Munde, füllt<br />
auch mit ihrem privaten Lebenswandel<br />
(ihr Berufs- und Lebenspartner Ponti ist<br />
verheiratet – nur nicht mit ihr; im katholischen<br />
Italien eine nicht hinnehmbare<br />
Angelegenheit) die Zeitungsseiten. 1955<br />
– mit 21 <strong>Jahre</strong>n – kann sie bereits mit 36<br />
Filmen aufwarten. Einfach alle sind von<br />
Die Frau vom Fluss<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 72 ■ GoodTimes 1/2015
ihr angetan. Alle? Nun<br />
ja, nicht ganz. Stars wie<br />
Anna Magnani und Gina<br />
Lollobrigida sehen sie<br />
nicht gerade als willkommene<br />
Kollegin an.<br />
Sophia allerdings genießt<br />
den Ruhm und die<br />
kleinen<br />
Kämpfe<br />
mit den Diven.<br />
Vor allem mit<br />
Gina Lollobrigida<br />
trägt sie eine<br />
legendäre Fehde<br />
aus: Lollobrigida<br />
kümmert sich um<br />
tuberkulosekranke<br />
Kinder, Loren<br />
fortan um Blinde.<br />
Sophia will sich von Jean Cocteau malen lassen. „La Gina<br />
Nazionale" holt daraufhin 25 Mailänder Künstler zu einer<br />
Gemeinschaftssitzung zu sich. Für den vorläufigen Höhepunkt des<br />
Zickenkriegs ist dann ausgerechnet Queen Elizabeth II. verantwortlich.<br />
Auf deren Geheiß reisen „Lollo" und Sophia nach England. „Lollo" hält<br />
sich an das Protokoll und posiert mit dezenter Robe auf dem roten<br />
Teppich. Die Loren jedoch<br />
pfeift auf Vorschriften.<br />
Sie taucht im tief ausgeschnittenen<br />
Abendkleid<br />
auf und hat sich – absoluter<br />
Fauxpas in Queen-<br />
Nähe – ein Krönchen ins<br />
Haar gesteckt. Wie der<br />
„Spiegel" d<strong>am</strong>als schreibt,<br />
habe Queen-Gemahl<br />
Prinz Philip versucht,<br />
konsequent geradeaus<br />
zu schauen, während<br />
die Sexbombe vor ihm<br />
knickste. Stinksauer sei<br />
die Lollobrigida gewesen.<br />
Und die Loren? Die ist<br />
endgültig berühmt.<br />
Ponti und ihr reichen die<br />
italienischen Produktionen nun nicht mehr. Um auch in Amerika<br />
Beachtung zu finden, gibt es nur eine Lösung: auf nach Hollywood!<br />
Sie dreht mit John Wayne „Stadt der Verlorenen" (1957), mit Anthony<br />
Perkins „Begierde unter Ulmen" (1958) – und mit Cary Grant, dem Star<br />
schlechthin. Der Gentleman, der jede haben kann und plötzlich nur die<br />
eine will: Sophia. 1957 drehen sie „Stolz und Leidenschaft"<br />
miteinander, ein Jahr später „Hausboot". Er verliebt sich<br />
angeblich unsterblich in die Italienerin, gibt ihr privat<br />
Nachhilfe in Englisch – und womöglich nicht nur darin.<br />
Grant ist das Gegenteil von Ponti. Groß, sehr gutaussehend,<br />
und vor allem frei. Er macht ihr einen Antrag. Eine Ehe – es<br />
ist das, was für die Italienerin zählt. Und Grant will ihr den<br />
Wunsch erfüllen. Doch sie liebt den kleinen, etwas untersetzten<br />
Carlo Ponti zu sehr und weist Grant zurück. Für Ponti<br />
ein Warnsignal. In Mexiko lässt der sich daraufhin von seiner<br />
ersten Frau scheiden, heiratet <strong>am</strong> 17. September 1957 Sophia<br />
und bringt d<strong>am</strong>it ganz Italien gegen die beiden auf. Da<br />
die mexikanische Scheidung in der Heimat nicht anerkannt<br />
wird, gilt er fortan als Big<strong>am</strong>ist. Eine schlimme Situation<br />
für Sophia, die ihr Land so liebt und schon längst Heimweh<br />
empfindet im fernen Kalifornien.<br />
Und: Ihr fehlen die italienischen Produktionen. In Amerika ist sie zwar<br />
erfolgreich, aber ihr liegt mehr die Darstellung der typisch italienischen<br />
Frau: voller Leben, lachend, tanzend, schreiend. Am liebsten an der<br />
Seite des großen Marcello Mastroianni. Die beiden werden eines der<br />
erfolgreichsten Gespanne der Filmgeschichte. Mit einem meist schlitz-<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1961 El Cid<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Hausboot mit Cary Grant<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1971 Die Sünde<br />
ohrigen Marcello und einer verführerischen Sophia. Herrlich anzusehen<br />
im Episodenfilm „Gestern, heute, morgen". 1963 von De Sica gedreht,<br />
bekommt er 30 <strong>Jahre</strong> später eine Hommage: „Prêt-à-Porter" – ein<br />
ironisches Werk über die gleichn<strong>am</strong>ige Modenschau in Paris mit einem<br />
Stelldichein der Stars – bringt Loren und Mastroianni vor dessen Tod<br />
ein letztes Mal vor der K<strong>am</strong>era zus<strong>am</strong>men. Und wie schon 1963 strippt<br />
sie wieder für ihn.<br />
Ganz offiziell i geheiratet t zu werden, das gelingt ihr im Pi Privatleben letzt-<br />
t<br />
lich dann doch noch. 1966 kann sie – nach der Annullierung der ersten<br />
Hochzeit – endlich für alle Señora Ponti werden. Und wie Filumena in<br />
„Hochzeit auf Italienisch" (1964), die sie verkörperte, schenkt sie Ponti<br />
Söhne: Carlo jr. (*1968), heute Dirigent, und Edoardo (*1973), heute<br />
Regisseur. Sie tritt kürzer, dreht Filme mit tragischen Figuren, wie etwa<br />
die todkranke Adriana an der Seite von Richard Burton in De Sicas<br />
„Die Reise nach Palermo" (1974). Als Jennifer Ch<strong>am</strong>berlain erlebt sie in<br />
„Cassandra Crossing" (1977) an Richard Harris' Seite eine Zugfahrt der<br />
besonderen Art. Und im K<strong>am</strong>pf<br />
um die Freiheit ihres Sohnes ist<br />
ihr in „Das Urteil" (1974) jedes<br />
Mittel recht gegen den Richter<br />
(wunderbar gespielt von Jean<br />
Gabin). 1977 dreht sie abermals<br />
mit Marcello Mastroianni: „Ein<br />
besonderer Tag" – ein dr<strong>am</strong>atischer<br />
Film. Auch die leisen Töne<br />
passen zu dem eingespielten<br />
Duo. Er als ihr Nachbar, den<br />
sie – die einfache Hausfrau<br />
mit sechs Kindern und einem<br />
faschistischen Mann im Italien<br />
des <strong>Jahre</strong>s 1938 – anflirtet.<br />
Es ist ihr letzter bedeutender<br />
Film, bevor sie sich mit der Nebenrolle in „Prêt-à-Porter" P t 1994 und ein<br />
Jahr später mit der Hauptrolle neben Walter Matthau in der Komödie<br />
„Der dritte Frühling" wieder ins Gespräch bringt. Zu tun hat sie dennoch<br />
viel: mit einem Steuerskandal, wegen dem sie<br />
gut zwei Wochen in Italien im Gefängnis sitzt, und der<br />
erst jüngst – nach 40 <strong>Jahre</strong>n Gerichtsstreit – zu ihren<br />
Gunsten ausging. Und mit dem Aufziehen ihrer Söhne,<br />
nebenbei ein paar TV-Rollen sowie ihrem humanitären<br />
Engagement. Nach ihrem ersten Oscar für die Rolle<br />
einer vom Krieg gebeutelten Mutter in „… und dennoch<br />
leben sie" (1961) erhält sie 1991 einen weiteren für ihr<br />
Lebenswerk. Im selben Jahr verliert sie dann ihre geliebte<br />
Mutter. 2007 muss sie ihren Mann Carlo Ponti zu Grabe<br />
tragen. 57 <strong>Jahre</strong> ist sie mit ihm zus<strong>am</strong>men gewesen.<br />
Für Gesprächsstoff sorgen in den letzten zehn <strong>Jahre</strong>n<br />
weniger die Filme (darunter 2009 die Rolle der „M<strong>am</strong>ma"<br />
im starbesetzten Musical „Nine") als ihr Erscheinungsbild.<br />
Was ist an der Loren noch echt und was nicht? Glatte<br />
Wangen, straffes Dekolleté, wilde Haarpracht sind freilich<br />
mit 80 <strong>Jahre</strong>n nicht mehr allein den Spaghetti zu verdanken.<br />
Faszinieren tut sie also weiterhin. Auch mit 80. „Mit mir ist die Zeit<br />
immer gut umgegangen", konstatiert sie denn auch kurz vor ihrem<br />
Jubiläum im „Mona-Lisa"-Interview im ZDF ...<br />
Claudia Tupeit<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Begierde unter Ulmen<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 73
Ziemlich beste<br />
Wohlfühl-Freunde<br />
Von Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />
Die Barbapapas geben sich stets ebenso<br />
großherzig wie gemütlich – sie sehen im<br />
Normalzustand wie überdimensionale Birnen<br />
aus. Allerdings können sämtliche Mitglieder<br />
der Sippe dank der Zauberformel „Ra-Ru-<br />
Rick Barbatrick” ihre Körperform verändern,<br />
gerne mal auch in eine Brücke, eine<br />
<strong>Eis</strong>enbahn, eine Suppenkelle oder sonstige<br />
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.<br />
Diese Transformationen dienen einzig und allein<br />
dem Zweck, sämtlichen in Not geratenen Umstehenden<br />
zu helfen und dadurch die Welt ein wenig angenehmer<br />
zu gestalten und d<strong>am</strong>it besser zu machen. Die Barbapapas<br />
sind andauernd und manchmal geradezu aufdringlich hilfsbereit,<br />
kommen prächtig mit sämtlichen Kreaturen – Menschen,<br />
Tieren oder Pflanzen – aus und versuchen einfach nur, ein<br />
Miniatur-Paradies auf Erden zu erschaffen.<br />
Ihr N<strong>am</strong>e leitet sich übrigens, wie<br />
passend, vom französischen Wort<br />
für Zuckerwatte (barbe à papa, wörtlich<br />
„Papas Bart”) ab, kreiert wurden<br />
die charmanten Figuren von der<br />
französischen Architekturstudentin<br />
Annette Tison und dem <strong>am</strong>erikanischen<br />
Biologielehrer Talus Taylor, beides<br />
"<br />
Ra- Ru-<br />
Rick Barbatrick" – kaum<br />
ist diese Formel ausgesprochen, schon<br />
ist in der Welt von Barbapapa, Barb<strong>am</strong><strong>am</strong>a und<br />
deren sieben Kindern (drei Mädchen und vier Jungs)<br />
alles anders! Wie diese neunköpfige Zeichentrick-animierte<br />
F<strong>am</strong>ilie überhaupt von Beginn an ganz anders war (und immer<br />
noch ist) als ihre Konkurrenz von Disney und Comic-Konsorten.<br />
Nicht umsonst wurde dieser sympathische Clan just im<br />
Jahr 1969 erfunden, denn er war den Zeitumständen<br />
entsprechend letztlich die freundlich-friedliche<br />
Hippie-Ausgabe der Ducks oder<br />
Flintstones.<br />
äußerst schüchterne Zeitgenossen, wie berichtet<br />
wird.<br />
Ursprünglich war die F<strong>am</strong>ilie<br />
lediglich als Comic in<br />
Buchform geplant. Doch<br />
die bezaubernde Öko-<br />
Sippe war ein dermaßen<br />
durchschlagender Erfolg<br />
bei Jung wie Alt, dass sich<br />
eine französisch-japanische<br />
Abb.: © Annette Tison renewed © Alice Taylor and Thomas Taylor<br />
Seite 74 ■ GoodTimes 1/2015
Firma der gezeichneten<br />
Riesen-Birnen annahm<br />
und 1974 zunächst 45<br />
Folgen à fünf Minuten<br />
mit ihnen und über sie<br />
produzierte. Die deutsche<br />
Erstausstrahlung erfolgte<br />
auf Grund immenser<br />
Nachfrage bereits <strong>am</strong><br />
5. November desselben<br />
<strong>Jahre</strong>s, sämtliche Synchronstimmen wurden dabei<br />
von Regisseur Peter Kirchberger gesprochen.<br />
Lediglich drei <strong>Jahre</strong> später wurden weitere 55 Folgen produziert,<br />
und auch diesmal war Kirchberger bei den deutschen Versionen<br />
„Mann für alles”. Nur bei den 1999 anlässlich des 25-jährigen<br />
Jubiläums der „Barbapapa”-Serie abgedrehten <strong>50</strong> Folgen blieb der<br />
Schleswig-Holsteiner außen vor. Kein Wunder, denn dieses Mal<br />
wurde die Reihe in Japan produziert (wo der Clan ebenfalls durchschlagend<br />
erfolgreich gewesen ist), wenn auch einmal mehr nach<br />
Originalentwürfen und Drehbüchern von Tison und Taylor. Bei diesen<br />
bislang letzten Folgen wurden die Figuren in der deutschen Version<br />
von verschiedenen Sprechern synchronisiert. Welch ein Frevel für die<br />
Hardcore-Anhänger! Noch schlimmer für treue Fans war freilich, dass<br />
die Formel „Ra-Ru-Rick Barbatrick” vor den Verwandlungen fehlte!<br />
Was sich zum Glück nicht geändert hatte, war der<br />
Umstand, dass von der skurrilen F<strong>am</strong>ilie absolut<br />
jedes Problem gelöst werden konnte. Dank der unerschöpflichen<br />
Möglichkeiten, die Körperformen zu verändern,<br />
und dank eines ungeheuren Erfindungsreichtums<br />
konnten selbst kniffligste Aufgaben gelöst und alles<br />
stets zu einem guten Ende gebracht werden. Denn die<br />
Barbapapas sind nun mal eben unermüdliche Streiter<br />
für die Freundschaft, sie haben bisher noch nie irgendjemanden<br />
im Stich gelassen.<br />
Es ist garantiert dieser unumstößliche Idealismus,<br />
gepaart mit selbstloser Freundlichkeit plus kauzigem Humor,<br />
der die Barbapapas und ihren legendären Ruf ins aktuelle Jahrtausend<br />
herübergerettet hat. Dazu gesellt sich das seit jeher vorhandene<br />
Gespür für gesellschaftskritische Themen wie Umweltverschmutzung,<br />
Flächenverbrauch, Verkehr oder Walfang, um nur einige wenige zu<br />
nennen.<br />
1971 erschien die Geschichte von<br />
Barbapapa in Buchform erstmals<br />
in Deutsch. Bald folgten Geschichten<br />
von Barb<strong>am</strong><strong>am</strong>a und allen weiteren<br />
drolligen Figuren des Clans. Danach<br />
herrschte erst mal überraschend Stille<br />
– zumindest auf Verlagsseite. Doch<br />
seit kurzem sind Barbapapa und seine<br />
Lieblinge im Buchhandel, der längst<br />
auf die Barbapapa-Kultklassiker gewartet et hat – auf die<br />
„echten”<br />
Bilderbücher wohlgemerkt, also die Originale –, wieder erhältlich.<br />
Für die Kinder der einstigen Barbapapa-Fans und für alle, die seither<br />
nur die Zeichentrickfilme gesehen haben.<br />
Im ersten Band kommt Barbapapa<br />
zur Welt, oder genauer<br />
gesagt: aus dem Boden<br />
und unter die Menschen.<br />
Ein nie gesehenes, rundum<br />
sympathisches<br />
Wesen, das seine<br />
Form verändern n<br />
kann, das sich<br />
als Freund und<br />
Helfer bewährt<br />
und schlicht alle um ihn herum<br />
glücklich macht. Der zweite Band<br />
setzt indes mit einem traurigen<br />
Barbapapa ein: Der sehnt sich<br />
nach einer Freundin. Die findet<br />
er zwar nicht auf seiner eher<br />
hektischen Reise rund um die<br />
Welt, stattdessen<br />
findet er sie jedoch<br />
exakt dort, wo er<br />
immer schon war. Und<br />
im Anschluss gibt es dann bald schon<br />
auch Barbababys, die berühmten sieben an der Zahl. Die Geschichte<br />
der wunderbaren Käuze nimmt in der Folge die überraschendsten<br />
Wendungen, Band für Band ...<br />
Dafür zu danken, dass<br />
die „Barbapapa”-<br />
Comics wieder in deutscher<br />
Sprache erhältlich sind, ist<br />
dem renommierten Schweizer<br />
Atlantis/Orell-Füssli-Verlag.<br />
Verantwortlich für die Reihe<br />
zeichnet dort der Holländer<br />
Hans ten Doornkaat. Der<br />
freundliche Verlagsmitarbeiter<br />
erklärt rt bereitwillig, was ihn an dieser Serie<br />
fasziniert: „Grund für mich, die Barbapapas<br />
neu aufzulegen, war der, dass ich sie aus<br />
meiner Zeit als Teilzeitbuchhändler und<br />
Student kannte." Die frühe Prägung hält<br />
eben oft ein Leben lang.<br />
So weit, so gut”, fährt der „Lektor aus<br />
„ Leidenschaft” dann schwärmerisch<br />
fort, „ich war stets fasziniert von den<br />
Klassikern, die Talus Taylor ‚flagship-serie'<br />
nennt, weil sie nicht einfach einen popu-<br />
lären Stil zeigen, sondern –<br />
etwa in ‚Barbapapas Reise' – auch wirklich<br />
Zeitkolorit und ästhetische Anspielungen auf die Pop-Kultur einbringen.<br />
Den Ausschlag, dass ich d<strong>am</strong>it anfing, die deutschsprachigen<br />
Buchrechte zu verhandeln, gab aber, dass ich als Progr<strong>am</strong>mmacher<br />
mit vielen Illustratoren diskutiere. Dabei k<strong>am</strong> irgendwann, wenn auch<br />
nicht gleich <strong>am</strong> Anfang der Unterhaltung, das Bekenntnis,<br />
dass er oder sie als Kind die Barbapapas liebte. Man<br />
tauschte sich aus, schwärmte von Szenen und war dann<br />
bei der Frage: ‚Warum gibt es diese Bücher nicht mehr<br />
auf Deutsch?' Die bloße Erkenntnis reichte mir aber nicht,<br />
und ich ging der Sache nach. In der Schweiz, wo die<br />
Nähe zur französischen Buch<strong>kult</strong>ur größer ist, waren die<br />
Figuren nie ganz verschwunden. Und in Österreich, wo<br />
Taylor einer Bank eine Sonderausgabe der Barbapapas für<br />
Werbezwecke lizenziert hatte, war die Erinnerung an sie<br />
sogar noch wacher. Aber der Siegeszug des Comebacks die-<br />
ser bezaubernden F<strong>am</strong>ilie zeichnete sich dann auch in Deutschland<br />
ganz rasch ab.”<br />
Und so kommt es, dass die<br />
Barba papas 45 <strong>Jahre</strong> nach<br />
ihrer Erfindung<br />
weiterhin<br />
ihr<br />
schönes<br />
Unwesen in<br />
der<br />
Welt treiben.<br />
„Ra-Ru-Rick<br />
Barbatrick” – und<br />
schon ist alles<br />
anders. Schon ist<br />
alles besser. Schon<br />
ist alles gut.<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 75
Nougatrausch fürs Brot<br />
Natürlich lässt sich über <strong>Nutella</strong>, den <strong>kult</strong>igen Haselnuss-<br />
Brotaufstrich und Frühstücksliebling nicht nur der Deutschen,<br />
Schlechtes sagen. Schon ein Besuch im Berliner Zucker-<br />
Museum kann einem gehörig die Laune verderben: Hier steht<br />
nämlich ein typisches 400-Gr<strong>am</strong>m-<strong>Nutella</strong>-Glas direkt neben<br />
einem Behälter mit 72 Würfelzuckern, die sich – freilich versteckt<br />
– in solch einem Glas befinden sollen. In den Weiten des Netzes<br />
lässt sich Ähnliches finden: Übergewicht, Karies – und <strong>Nutella</strong><br />
wird immer wieder gern als Schuldiger ausgemacht. Da ist die<br />
Anekdote, dass bis 2011 Fett und Zucker für eine Grundportion<br />
von 15 Gr<strong>am</strong>m, die Vit<strong>am</strong>in- und Mineralstoffwerte hingegen<br />
für 100 Gr<strong>am</strong>m auf dem Etikett angegeben wurden, wenig<br />
hilfreich. Und vor noch gar nicht so langer Zeit mussten die<br />
<strong>Nutella</strong>-Hersteller in den USA rund drei Millionen Dollar<br />
Entschädigung zahlen, weil das süße Zeug wohl doch<br />
nicht so gesund sei, wie die Werbung vermuten lasse ...<br />
Doch Hand aufs Herz: Ist <strong>Nutella</strong> nicht extrem lecker?<br />
Man muss ja nicht immer gleich das ganze Glas<br />
auslöffeln (aber auch das sollte man einmal gemacht<br />
haben). Und ist es nicht eine großartige Erfindung, sich<br />
einen schokoladig-nussigen Mix aufs Brot streichen zu<br />
können? Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Im<br />
Falle von <strong>Nutella</strong>, der Mutter aller Haselnuss-Brotaufstriche, half d<strong>am</strong>als<br />
der Zufall ein wenig nach. Zunächst war da der Konditor Pietro Ferrero,<br />
der in den 1940er <strong>Jahre</strong>n einen kleinen Laden in Turin betrieb und den<br />
vorbeieilenden<br />
Arbeitern einen<br />
süßen Pausensnack<br />
feilbieten wollte. Er<br />
musste erfinderisch sein, denn<br />
Schokolade war für kaum<br />
jemanden erschwinglich.<br />
Haselnüsse gab<br />
es dagegen in der<br />
Region Piemont<br />
im Überfluss. Die Pietro Ferrero<br />
wurden schließlich mit Zucker sowie<br />
Fett – und wenn doch Kakao, dann<br />
nur ganz wenig – gemischt. So entstand<br />
eine Art Nougatmasse, das Gianduja.<br />
Küchentalent Pietro war beileibe nicht der einzige, der<br />
diesen Mix fabrizierte. Er experimentierte jedoch weiter<br />
an der Rezeptur und ersetzte den Kakao schließlich durch<br />
Kokosbutter. Die daraus entwickelte „Pasta Gianduja"<br />
avancierte zu einem kleinen Highlight auf dem kargen<br />
Süßigkeitenmarkt. So konnte Ferrero senior 1946 in<br />
seiner Heimatstadt Alba, 65 Kilometer von Turin entfernt,<br />
die nach dem F<strong>am</strong>ilienn<strong>am</strong>en benannte Firma<br />
Ferrero gründen, ein Unternehmen, das sich übrigens<br />
bis heute in F<strong>am</strong>ilienhand befindet. Das Nougat wurde<br />
in großen Blöcken an die Wiederverkäufer ausgeliefert,<br />
und diese schnitten ihrer Kundschaft davon kleine Scheiben<br />
ab. Der Sommer 1949 allerdings soll ein extrem heißer gewesen sein, so<br />
dass immer mehr Händler die süße, nun flüssig gewordene Masse nicht<br />
mehr in Folie, sondern in Behältern verkauften. Pietro selbst erlebte das<br />
Seite 76 ■ GoodTimes 1/2015
jedoch nicht mehr, er starb im März des <strong>Jahre</strong>s. Seine Frau und sein<br />
Sohn Michele führten das expandierende Unternehmen dann weiter<br />
und behielten dabei auch die Experimentierfreude des<br />
Gründers bei. So wich die Kokosbutter mit der Zeit<br />
einer Pflanzenfettmischung. Das Rezept ist jedoch<br />
streng geheim: Zucker, Palmöl, Haselnüsse, fettarmer<br />
Kakao, Magermilchpulver, Soja und Vanillin sind<br />
auf dem Etikett angegeben.<br />
1951 wurde für das inzwischen in Konserven<br />
angebotene Nougat ein neuer N<strong>am</strong>e gefunden:<br />
„Supercrema". Ein N<strong>am</strong>e, der Progr<strong>am</strong>m war. Elf<br />
<strong>Jahre</strong> später musste der florierende Brotaufstrich-<br />
Hersteller jedoch eine gehörige Schlappe hinnehmen.<br />
Das italienische Parl<strong>am</strong>ent hatte beschlossen,<br />
dass Markenn<strong>am</strong>en nicht mehr Wörter wie „Super",<br />
„Ultra" usw. enthalten dürfen. Deshalb wurde 1964<br />
aus Supercrema – jawohl – <strong>Nutella</strong>. Ein Kunstwort, bestehend aus Nuss<br />
(Nut) und -ella, der italienischen Verkleinerungsform. Dabei sei es ganz<br />
egal, ob man die, der oder das <strong>Nutella</strong> sage, betonten die<br />
Macher stets.<br />
Ein Jahr später stand das erste <strong>Nutella</strong>-Glas auch<br />
in einem deutschen Laden. Längst hatte Ferrero<br />
schon eine hiesige Produktionsstätte. Begann die deutsche<br />
Niederlassung in Stadtallendorf im September 1956 noch<br />
mit fünf Mitarbeitern, waren es ein halbes Jahr später<br />
bereits 60 und noch mal sechs Monate danach schon über<br />
1<strong>50</strong> Angestellte. Stadtallendorf war d<strong>am</strong>als noch ein ziemlich kleines<br />
Kaff, heute sind hier etwa 20.000 Menschen zu Hause, und jeder vierte<br />
Erwerbstätige arbeitet bei Ferrero. Zunächst wurden dort die besagte<br />
Supercrema und die Cremalba, ein weiterer <strong>Nutella</strong>-Vorläufer, hergestellt,<br />
doch ihre Erfolgsgeschichten sind mit der von der heute gefeierten<br />
Nougatcreme überhaupt nicht zu vergleichen. Den Durchbruch<br />
schaffte Ferrero Deutschland indes sowieso mit einem ganz anderen<br />
Produkt, der zuerst einzeln nen Praline Mon Cheri. Genau, die<br />
angebote-<br />
mit der Piemont-Kirsche,<br />
die es zwar gar nicht gibt<br />
– aber das ist eine andere<br />
Geschichte.<br />
Ferrero hatte und hat<br />
wiederholt die Nase vorn:<br />
von Yogurette bis Hanuta, von<br />
Kinder Schokolade bis Raffaello, von<br />
Ferrero Küsschen bis zur Milchschnitte – alles Ferrero. Die<br />
Erfolgsstory in Zahlen: 2013 lag der <strong>Jahre</strong>sumsatz bei über acht<br />
Milliarden Euro mit einem Gewinn von fast zehn Prozent. Über<br />
30.000 Mitarbeiter weltweit zählt der Ferrero-Konzern, davon sind<br />
zwölf Prozent in Deutschland beschäftigt. Der 89-jährige Michele<br />
Ferrero, Sohn des Pasta-Gianduja-Erfinders und Vater des heutigen<br />
Firmenchefs Giovanni Ferrero, soll der reichste Mann Italiens sein – noch<br />
vor Del Vecchio und Berlusconi. Neben <strong>Nutella</strong> gibt es übrigens drei weitere<br />
firmeninterne Jubilare: Duplo (ebenfalls <strong>50</strong>), Kinder Überraschung<br />
(40 <strong>Jahre</strong>) und Ferrero Rocher (30 <strong>Jahre</strong>). Das Hauptaugenmerk gilt<br />
aber dem Jubiläum von <strong>Nutella</strong>. Der süchtig machende Brotaufstrich<br />
ist heute in 160 Ländern zu haben. Den Italienern ist das Jubiläum<br />
sogar eine eigene Briefmarke wert. Und auch in Deutschland wird<br />
gefeiert: mit einer großen Party mit Gästen wie Til Schweiger und<br />
Verona Pooth, einer Community-Seite, auf der man seine <strong>Nutella</strong>-<br />
Geschichten und -Bilder posten kann und – als besonderes Highlight<br />
– dem Ein-Kilo-Jubiläumsglas. Spätestens hier kommen allerdings<br />
auch wieder die Miesmacher ins Spiel, denn in der Sonderedition tummeln<br />
sich etwa 5<strong>50</strong>0 Kilokalorien, ein halbes Kilo Zucker in 180 Würfeln und<br />
über 300 Gr<strong>am</strong>m Fett …<br />
Trotzdem (oder gerade deswegen): Herzlichen Glückwunsch, <strong>Nutella</strong>!<br />
Christian Hentschel<br />
DIE ARDENNENSCHLACHT<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
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<br />
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-<br />
<br />
<br />
von <br />
<br />
€ 16,90
DDR-Zeitschriften aus dem Verlag<br />
Teil 1<br />
„K<strong>am</strong> ein kleiner Teddybär ... „<br />
Die allererste Zeitschrift, die ich besaß – und die mich in den intellektuellen<br />
Kreis der Zeitungsleser erhob –, war der „Bummi".<br />
Meine Mutter kaufte mir<br />
das quadratische, bunte<br />
Heftchen Ende der 60er <strong>Jahre</strong> an<br />
einem der typischen dunkelgrünen<br />
Zeitungskioske, irgendwo in<br />
der Leipziger Vorstadt, d<strong>am</strong>it ich<br />
mir die anschließende stundenlange<br />
Wartezeit in der Poliklinik Süd<br />
vertreiben konnte. Dieser „Bummi"<br />
war meine Einstiegsdroge in die<br />
Welt der Presse.<br />
In der DDR gab es ein ineinander<br />
übergreifendes komplexes<br />
System von Zeitschriften für Kinder und Jugendliche, ohne<br />
Ausnahme gesteuert vom Zentralrat der FDJ als Herausgeber<br />
und veröffentlicht im Verlag Junge Welt. Im Jahr 1957 sollten<br />
in deren Auftrag Pädagogen, Ärzte und Illustratoren<br />
eine lehrreiche und gesellschaftspolitisch<br />
nützliche Zeitung für Kindergartenkinder<br />
entwickeln. Herausk<strong>am</strong> „Bummi". Sein<br />
Maskottchen war ein gelber Teddybär,<br />
gezeichnet von Ingeborg Meyer-Rey, einer<br />
der beliebtesten und charakteristischsten<br />
Kinderbuchillustratorinnen der DDR. Der<br />
„Bummi" erschien zunächst monatlich,<br />
später 14-täglich, kostete bescheidene<br />
25 Pfennige, und es gab ihn auch als<br />
S<strong>am</strong>melband, der dann einen Jahrgang<br />
zus<strong>am</strong>menfasste.<br />
Auf den zwölf durchgängig farbigen Seiten fanden sich Bastelbögen<br />
und Comics, kleine Geschichten, Lieder, Hausaufgaben für die<br />
Vorschulkinder, Rätsel, Malvorlagen und Beiträge zur Verkehrserziehung.<br />
Die Geschichtenabenteuer des Teddys Bummi und seiner bärigen<br />
Freunde Mischka und Maxl dachte sich Chefredakteurin Ursula Böhnke<br />
aus, die die Zeitschrift mitentwickelt hatte. D<strong>am</strong>it zielte „Bummi" spezi-<br />
ell auf die Erziehung der kleinen Leser zu fleißigen,<br />
höflichen Kindern ab, die ihre berufstätigen<br />
Mütter unterstützten. Außerdem<br />
gab es feststehende Comic-Reihen, z.B.<br />
mit den Spatzen Pieps, Piep und Tschiep,<br />
gezeichnet von der ebenfalls sehr belieb-<br />
b<br />
ten Kinderbuch-Illustratorin Inge Gürtzig.<br />
In den 80ern enthielt „Bummi" zudem<br />
die „klitzekleinen Geschichtenbücher" zum<br />
Ausschneiden, Falten und Zus<strong>am</strong>mennähen,<br />
die fleißig ges<strong>am</strong>melt wurden. Allzu viel<br />
Seite 78 ■ GoodTimes 1/2015
Propaganda wollte man den kleinen<br />
„Bummi"-Lesern noch nicht<br />
zumuten. Trotzdem fanden sich in<br />
dem Heft auch Lobgedichte auf die<br />
Soldaten, deren einzige Aufgabe<br />
es zu sein<br />
schien,<br />
über uns<br />
Kinder zu<br />
wachen.<br />
Ein anderes<br />
Mal<br />
gab es einen eifrig-<br />
i<br />
fröhlichen Artikel<br />
zu Walter Ulbrichts<br />
Geburtstag, der<br />
wie ein netter<br />
Märchenonkel dargestellt<br />
wurde. Ein<br />
immer wiederkehrendes, d wichtiges Thema waren auch die Erhaltung des<br />
Friedens, die Völkerfreundschaft und die Gleichheit aller Menschen, egal<br />
welcher Hautfarbe. Die Welt wurde nicht als heil hingestellt: In einem<br />
Heft von 1968 findet sich neben einem vietn<strong>am</strong>esischen Kinderlied eine<br />
rührende Geschichte über den Vietn<strong>am</strong>krieg, in der jedoch unerwähnt<br />
bleibt, wer gegen wen kämpft, und nur das menschliche Leid der vietn<strong>am</strong>esischen<br />
Kinder beschrieben wird. Auch regelmäßige Spendenaufrufe<br />
für notleidende Kinder fehlten nicht, denen die kleinen Leser, die noch<br />
gar kein Taschengeld bek<strong>am</strong>en, indes gar nicht hätten nachkommen<br />
können.<br />
Taschengeld gab es für die meisten von uns<br />
erst mit dem Eintritt in die Schule – und<br />
dann war es auch schon Zeit für die „ABC-<br />
Zeitung", die für Kinder der Unterstufen n<br />
gedacht war. Sie wurde 1946 gegründet,<br />
machte<br />
mehrere e<br />
Formatwechsel<br />
durch<br />
und<br />
kostete 30<br />
Pfennige. Laut<br />
Impressum<br />
war sie die Zeitung der Jungpioniere. i An<br />
meiner überfüllten Schule in der Leipziger<br />
Südvorstadt gab es zu meiner Einschulung<br />
sechs erste Klassen<br />
und nur einen einzigen<br />
Nichtpionier.<br />
Die blauen Halstücher bek<strong>am</strong>en wir zu Beginn<br />
des Schuljahres in der dunklen, nach Bohnerwachs<br />
riechenden<br />
Schulaula mit großem<br />
Brimborium<br />
überreicht. Dieser<br />
eine<br />
bedauernswerte<br />
Junge, der<br />
auf Entscheidung<br />
seiner christlichen<br />
Eltern kein Halstuch bekommen sollte,<br />
wurde zur Feierstunde dann nicht einfach<br />
ausgeladen oder ignoriert, er musste wie<br />
alle anderen erscheinen, wurde nach vorn<br />
zitiert und vor vers<strong>am</strong>melter Mannschaft<br />
als Konterrevolutionär ti gebrandmarkt. Noch ganz deutlich erinnere<br />
ich mich an das Gefühl, das ich dabei hatte, eine Mischung aus<br />
Erleichterung, nicht selbst in<br />
dieser misslichen Lage zu sein,<br />
grenzenlosem Mitleid und der<br />
Angst, dem Nichtpionier irgendwann<br />
im Gedränge auf dem<br />
Schulhof zu<br />
nahe<br />
zu<br />
kommen.<br />
So<br />
ähnlich<br />
musste es sich anfühlen, wenn man zus<strong>am</strong>men<br />
mit einem Leprakranken die Schule besuchte. Und<br />
obwohl dieser Junge ausdrücklich vom Konsum der<br />
„ABC-Zeitung" ausgeschlossen war, las er sie trotzdem.<br />
Weil sie groß, bunt und lustig war und weil<br />
auch ein Nichtpionier einfach nur das tun wollte,<br />
was alle taten.<br />
Zu meiner Unterstufenzeit Ende der 60er, Anfang der<br />
70er <strong>Jahre</strong> war die „ABC-Zeitung" etwas mehr als A4 groß und hatte 16<br />
farbige Seiten. Chefredakteur<br />
war der Schriftsteller<br />
Gerhard<br />
Holtz-Baumert,<br />
und berühmte<br />
Grafiker wie<br />
Manfred Bofinger<br />
oder Werner r<br />
Klemke besorgten<br />
die Illustrationen. n.<br />
Sie enthielt Bastelbögen,<br />
Quartett-<br />
Spiele und<br />
Dior<strong>am</strong>en zum Ausschneiden auf dickerem Karton. Maskottchen der<br />
Zeitschrift waren Rolli und Flitzi, zwei selts<strong>am</strong>e Männchen, eins davon<br />
mit Propeller auf dem Kopf, und ihr Hund Schnapp. Alle drei bestanden<br />
aus verschieden großen bunten Perlen, so dass wir sie an den<br />
Pioniernachmittagen nachbasteln konnten. Die „ABC-Zeitung" wurde<br />
über die Schulen verteilt und fand deshalb auch oft im Unterricht<br />
Verwendung. Im Unterschied zu „Bummi" enthielt sie wesentlich häufiger<br />
Propaganda-Beiträge, die wir genauso gelangweilt überblätterten<br />
wie die heutigen Kinder störende Werbung.<br />
Ebenfalls über die Schule bezogen wir die „Trommel", die Zeitung<br />
für die älteren Thälmannpioniere – mit rotem Halstuch<br />
– und<br />
Schüler. Hier wurden also ausdrücklich auch<br />
Nichtpioniere zum Lesen eingeladen, vermutlich<br />
weil die „Trommel" es ziemlich nötig<br />
hatte. Ihre Titelaufmachung erinnerte kein<br />
bisschen an ein Rock-Schlagzeug, sondern<br />
vielmehr an militärische Marschtrommeln. Die<br />
Zeitschrift erschien seit 1958 jeden Donnerstag<br />
zum Preis von zehn Pfennigen und stieß<br />
in meiner Klasse auf ein sehr mäßiges<br />
Interesse. Vielleicht lag es daran, dass wir<br />
von unseren Lehrern immer verpflichtet<br />
wurden, sie zu kaufen, was ärgerlich<br />
war, denn für das Geld hätten wir eine<br />
Kugel Vanilleeis bekommen. Vielleicht<br />
störte uns aber auch die sehr schlechte<br />
Papierqualität und dass die 16 Seiten<br />
der Zeitschrift nicht durchgängig farbig<br />
waren. Vielleicht aber betrachteten<br />
wir in diesem Alter die Inhalte auch<br />
schon kritischer und fühlten uns von<br />
der übermäßigen Agitation und Propaganda a<br />
überrollt. Selbst die abgedruckten Comics<br />
wie „Das Mädchen vom Ehrenmal" oder „Die<br />
roten Kletterer" waren oft politisch über<strong>am</strong>bitioniert.<br />
Es gab allerdings auch ungarische<br />
Import-Comics nach Romanen von Jules Verne. Die Gestaltung wurde<br />
immer wieder geändert, in den Siebzigern gab es ein großformatiges<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 79
Titelfoto, in der rechten Randspalte oben eine Piefke und Schniefke-<br />
Karikatur, gezeichnet von Wolfgang Schubert, und unten die „Fröhliche<br />
Minute" mit Witzen. Das waren für mich die beiden einzigen interes-<br />
santen Aspekte dieser Zeitung.<br />
Die „Trommel"<br />
wurde in meiner<br />
Klasse selten mit<br />
nach Hause genommen.<br />
Manche<br />
Schüler rissen noch<br />
die Rätselseite<br />
für ihre Oma heraus,<br />
und dann<br />
wurde die Zeitung<br />
einem wichtigeren<br />
Verwendungszweck<br />
zugeführt, sie verwandelte sich in „Altpapier für<br />
den Frieden". Jede<br />
Schule hatte im Keller eine S<strong>am</strong>melstelle für Sekundärrohstoffe, und<br />
je nach Gewicht der abgegebenen Papierbündel bek<strong>am</strong>en wir zwar<br />
kein Geld, aber Solidaritätspunkte in einer Liste gutgeschrieben. Die<br />
Einnahmen wurden an notleidende Kinder in Vietn<strong>am</strong>, Chile oder<br />
Nicaragua geschickt. Hatten wir unsere 100 Solipunkte für das Schuljahr<br />
zus<strong>am</strong>men, konnten wir die Altstoffe in den Sero-S<strong>am</strong>melstellen abgeben<br />
und das Geld selbst behalten.<br />
Eine Zeitung, die für kein Geld der Welt von mir zum<br />
Altpapier gepackt worden wäre und die ich immer<br />
wieder las, bis sie auseinanderfiel, e war die „Frösi". Als<br />
„Pioniermagazin<br />
für<br />
Jungen und Mädchen"<br />
wurde sie ab 1953<br />
zunächst unter dem<br />
N<strong>am</strong>en „Fröhlichsein<br />
und Singen" herausgegeben,<br />
benannt nach<br />
einem d<strong>am</strong>als bekannten<br />
Pionierlied von Hans Naumilkat.<br />
Sie war für Kinder zwischen 10 und<br />
14 <strong>Jahre</strong>n gedacht und wurde ab 1965<br />
zur griffigeren „Frösi" abgekürzt. Sie<br />
erschien<br />
mit 32 bis 40 Seiten einmal<br />
monatlich zum Preis von 70<br />
Pfennigen. Die „Frösi" enthielt<br />
einen Mix aus Beiträgen und<br />
spannenden Experimenten<br />
aus den Bereichen Natur,<br />
Wissenschaft und Technik,<br />
das „Bild des Monats" – ein<br />
Kunstdruckblatt –, Bastelbögen<br />
auf festerem Karton, außerdem<br />
Beilagen wie 3D-Brillen<br />
aus Pappe, Rasterfolien zum<br />
Lösen von Rätselbildern<br />
oder Blumens<strong>am</strong>en. In der<br />
Novemberausgabe fan-<br />
den wir außerdem oft einen<br />
Weihnachtskalender ht mit Bildertürchen<br />
en<br />
oder als Dior<strong>am</strong>a zum Aufstellen.<br />
Es gab wiederkehrende gezeichnete e<br />
Charaktere, so zum Beispiel Korbine<br />
Früchtchen, eine überdimensionale<br />
Erdbeere, die zum S<strong>am</strong>meln von<br />
Waldfrüchten und recyclebaren<br />
Rohstoffen aufrief, oder Kundi, das<br />
Maskottchen des Deutschen Hygiene-<br />
Museums in Dresden, das sich sehr<br />
um unsere Körperpflege bemühte.<br />
Besonders beliebt waren die Comics<br />
mit Ali und Archibald, einem Mann<br />
und seinem Dackel, von Horst<br />
Alisch – und natürlich Mäxchen<br />
und Tüte von Richard H<strong>am</strong>bach, der<br />
auch Kundi erfunden hatte, oft die<br />
Titelkarikatur lieferte und d<strong>am</strong>it das<br />
Erscheinungsbild der „Frösi" wesentlich<br />
geprägt hat. Außerdem wurden<br />
Bildergeschichten von italienischen<br />
und ungarischen Illustratoren eingekauft,<br />
um mit den Lizenzgebühren<br />
die dortigen kommunistischen<br />
Herausgeber zu unterstützen. Das<br />
heimliche Maskottchen der „Frösi"<br />
war dann auch Atomino, ein kleines Comic-Wesen mit Kopfantenne<br />
und Atom-Symbol auf dem<br />
Bauch, ein Import des italienischen<br />
Illustrators Vinicio<br />
Berti.<br />
An die unvermeid-<br />
lichen<br />
politischen Comics<br />
und agitatorischen Beiträge<br />
kann ich<br />
mich einfach nicht<br />
mehr erinnern,<br />
weil ich sie kurzerhand<br />
ausgeblendet<br />
hatte.<br />
Das war wie mit dem Pizzarand. Es geht<br />
scheinbar nicht ohne, aber keiner kann<br />
einen zwingen, das trockene Zeug auch<br />
noch zu konsumieren.<br />
„Frösi" war eines der beliebtesten<br />
Kindermagazine. Auf dem Pressefest<br />
der „Leipziger Volkszeitung" hatte sie<br />
immer einen eigenen, von Kindern dicht<br />
umlagerten Stand mit den neuesten<br />
Ausgaben, und zu Schulfesten trat die<br />
rollende „Frösi"-Disco an.<br />
Eine noch stärker naturwissenschaftlich<br />
orientierte Zeitschrift für<br />
Heranwachsende war der „Technikus",<br />
ein Monatsmagazin für Wissenschaft<br />
und Technik mit populärwissenschaftlichen<br />
Beiträgen und utopischen<br />
Kurzgeschichten. Mit ähnlichem Inhalt,<br />
jedoch für ältere Jugendliche gedacht,<br />
erschien ebenfalls monatlich das<br />
Magazin „Jugend + Technik". Es berichtete<br />
über Naturphänomene, Bauprojekte<br />
und Industrietechnologien, vor allem<br />
aus den RGW-Staaten, und enthielt<br />
Witze, Rätsel und Bastelanleitungen.<br />
Ab 1987 wurden außerdem regelmäßig<br />
Schaltpläne für den Selbstbaucomputer<br />
Ju-Te-Computer abgedruckt, wobei die<br />
Umsetzung oft an den Bauteilen scheiterte,<br />
die sich einfach nicht auftreiben<br />
ließen.<br />
Während die bisher genannten Magazine<br />
in meiner Erinnerung relativ problemlos<br />
erhältlich waren, musste man sich bei<br />
anderen Zeitschriften schon einiges einfallen<br />
lassen, wenn man sie unbedingt<br />
lesen wollte. Aufgrund des Papiermangels<br />
in der DDR wurden die Auflagenhöhen n<br />
nämlich nicht der Nachfrage, sondern<br />
dem Rohstoffangebot angepasst. Meine Eltern besaßen eines der<br />
kostbaren Abos für „Mosaik", das großartige Comic-Heft von Hannes<br />
Hegen. Ein ebenfalls sehr begehrtes Comic-Magazin war „Atze" mit<br />
den beliebten Figuren Fix und Fax, aber das ist wieder ein anderes<br />
Thema.<br />
Seite 80 ■ GoodTimes 1/2015
Als wir Mitte der Achtziger, längst erwachsen und nach langer<br />
Wartezeit auf eine eigene Wohnung, endlich bei unseren<br />
Eltern ausziehen konnten, bemühten wir uns um verschiedene eigene<br />
Zeitungsabonnements und ernteten auf der Post nur ein mitleidiges<br />
Lächeln. Es gab lediglich eine bestimmte Anzahl an Abonnements, die<br />
bereits in den 60er <strong>Jahre</strong>n alle vergeben worden waren und danach nur<br />
noch vererbt werden konnten ...<br />
Ohne Abo musste man versuchen, die Zeitschriften an einem der Kioske<br />
zu ergattern. Jeden Donnerstagmorgen, wenn die neuen Ausgaben<br />
verteilt wurden, setzte der Ansturm auf die Zeitungskioske ein. Meistens<br />
standen Rentner für die ganze Hausgemeinschaft oder die F<strong>am</strong>ilie an,<br />
denn niemand sonst hatte um diese Zeit die Gelegenheit, stundenlang auf<br />
die druckfrische Lieferung zu warten. Ein Teil der Zeitschriften erreichte<br />
die Ladentheke indes gar nicht erst, weil die wenigen Exemplare bereits<br />
unter den Verkäuferinnen verteilt worden waren. Zum Glück waren diese<br />
wenigstens bestechlich, was ihnen eine ganz besondere Macht verlieh.<br />
Nach der Wende wurden sie zu ihrer eigenen Verwunderung dann übrigens<br />
ebenso kurz und schmerzlos „entthront" wie die Baustoffhändler.<br />
Eine der begehrten Zeitschriften, für die man gern ein paar Stunden<br />
anstand, war das „Neue Leben". Ich erinnere mich, wie ich in den<br />
Ferien für 80 Pfennige eine frische Ausgabe ergatterte. Sonst las ich<br />
meistens die abgegriffenen Exemplare<br />
meiner Freundinnen. Das „Neue<br />
Leben" war die einzige unterhalts<strong>am</strong>e<br />
Monatsillustrierte für Jugendliche in<br />
der DDR. Sie erschien ab 1954 mit<br />
einer Auflage von durchschnittlich<br />
einer halben Million Exemplaren, die<br />
zum Großteil an Abonnenten gingen,<br />
die Kioske erreichten nur wenige freie<br />
Exemplare. Schon die Kleinschreibung<br />
des Titels versprach Anarchismus<br />
und Avantgarde, k<strong>am</strong> d<strong>am</strong>als doch<br />
in der Lyrik die Kleinschreibung<br />
auf. Die Titelseite zeigte meistens<br />
eine Karikatur, gezeichnet von<br />
dem bekannten Illustrator Thomas<br />
Schleusing. Sie gab dem „Neuen Leben" den unverkennbaren typischen<br />
Stil, war jugendgemäß, oft frivol, wobei die Frauen natürlich immer den<br />
überlegenen Part bek<strong>am</strong>en, und manchmal auch sozialistisch angehaucht,<br />
wenn die Waffenbrüderschaft mit der UdSSR als fröhliche Kumpanei<br />
dargestellt wurde. Als ich für diesen Artikel alte Ausgaben des „Neuen<br />
Lebens" zus<strong>am</strong>mengesucht habe, entdeckte ich beim Durchblättern<br />
seitenweise Auszüge aus russischen Kriegstagebüchern, lange Lobreden<br />
auf die Vereidigung der neuen<br />
NVA-Soldaten, markige Aufsätze<br />
zum K<strong>am</strong>pf an der Tagebaufront<br />
und war völlig überrascht, wie<br />
viele politische und militaristische<br />
Artikel<br />
sich darin fanden.<br />
In meiner<br />
Erinnerung war<br />
diese Zeitung, die<br />
wir Jugendlichen als<br />
die unsere betrachteten,<br />
ganz anders<br />
gewesen. Als ich<br />
anfing, das „Neue Leben" zu<br />
lesen, hatte ich offensichtlich die<br />
Kunst, im Kopf zu filtern, die ich<br />
bei den Kinderzeitungen schon<br />
ganz passabel beherrschte, ht bis zur Perfektion weiterentwickelt. Und so<br />
will ich auch jetzt vor allem auf die Beiträge eingehen, die für mich und<br />
meine Generation wichtig gewesen sind (und weniger auf den überflüssigen<br />
Ballast).<br />
Es gab feste Rubriken, wie „Schreib eine Geschichte", in der die jugendlichen<br />
Leser eigene Beiträge zu Schulproblemen, Schwangerschaften<br />
im Teenageralter und Sportwettkämpfen einsenden konnten. Vier<br />
ganze Seiten waren für Leserpost reserviert,<br />
auf denen es ziemlich rabiat zuging und<br />
auch gegen die Redaktion gewettert werden<br />
konnte, wenn wieder mal die N<strong>am</strong>en<br />
der Mitglieder einer Band wie Tangerine<br />
Dre<strong>am</strong> verwechselt worden waren. Zwei<br />
weitere Seiten waren mit Informationen<br />
zu Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt,<br />
im Plattenladen und Neustarts im Kino<br />
gefüllt, außerdem gab es Kassettencover<br />
zum Ausschneiden und vier volle Seiten<br />
mit Kontaktanzeigen: „Schreibst du mir –<br />
schreib ich dir."<br />
In der Mitte fanden wir immer ein doppelseitiges, kleines Poster vor,<br />
dazu teils lobende, teils kritische Berichte über Hollywoodstars wie Jane<br />
Fonda, Sänger und Bands, ostdeutsche wie Karat oder Berluc, aber auch<br />
über Udo Lindenberg, Elvis Presley oder die Beatles. Es gab auch frostige<br />
Berichte über Punkbands, in denen <strong>am</strong> Ende voller Schadenfreude<br />
resümiert wurde, dass so etwas Degeneriertes nur das kapitalistische<br />
System hervorbringen könne. Aber ganz egal, was auch immer in diesen<br />
Artikeln stand, wir<br />
freuten uns darüber,<br />
enthielten sie doch<br />
neben den Texten<br />
auch immer Bilder,<br />
die wir dann ausschnitten.<br />
Wer kein<br />
eigenes Exemplar<br />
ergattern konnte,<br />
fotografierte diese<br />
Bilder ab, wer keinen<br />
Fotoapparat<br />
besaß, kopierte die Bilder mit Hilfe von „Nuth"-Fleckenwasser, mit dem<br />
die Druckerfarbe auf dem Originalbild angelöst und durch Auflegen und<br />
Andrücken auf ein anderes Papier übertragen wurde. Mit diesem System<br />
stellte ich mit meinen Freundinnen drei spiegelverkehrte Kopien eines<br />
Bildes von Smokie her, das anschließend jede von uns über ihr Bett<br />
kleben konnte. Dort stank es dann herrlich nach Lösungsmitteln vor sich<br />
hin und bescherte uns tiefe Träume.<br />
Sehr beliebt und heiß diskutiert waren die gelegentlichen Aktbilder und<br />
auch die schwarzen Aufklärungsseiten, auf denen wirkliche oder fingierte<br />
Leserbriefe abgedruckt und Lösungen zu Sexualproblemen angeboten<br />
wurden. „Prof. Dr. Borrmann antwortet" hat letztlich eine ganze<br />
Generation von Jugendlichen im Osten aufgeklärt.<br />
Nach der Wende und der Abwicklung durch die Treuhand kaufte<br />
der Verlag Pabel-Moewig den Zeitschriftenverlag Junge Welt und<br />
d<strong>am</strong>it auch die Rechte an den erwähnten Zeitschriften. Sie wurden<br />
bis auf eine Ausnahme wegen mangelnden Interesses zwischen 1990<br />
und 1996 eingestellt, zum Teil nach erfolglosen<br />
Reanimationsversuchen.<br />
Die einzige dieser Zeitschriften, die überlebt hat,<br />
ist „Bummi", die d<strong>am</strong>it die älteste Vorschulzeitschrift<br />
auf dem deutschen Markt ist. Die Redaktion<br />
leitet inzwischen Sabine Drachsel, die Tochter der<br />
„Bummi"-Gründerin Ursula Böhnke-Kuckhoff, und<br />
das ist sicher der Grund dafür, dass sich das Heft thematisch<br />
<strong>am</strong> ursprünglichen „Bummi" orientiert. Noch<br />
immer gibt es das „Klitzekleine Märchenbuch" zum<br />
Heraustrennen, und nach wie vor wird fast durchgängig von Hand<br />
illustriert. Nur die ideologische Färbung ist verschwunden. Wer von<br />
uns als Kind „Bummi" liebte, kann auch heute noch zus<strong>am</strong>men mit<br />
Kindern und Enkeln lesen – und zwar Seite für Seite, ohne eine einzige<br />
auslassen zu wollen.<br />
Für Erwachsene gab es in der DDR fast 300 Zeitschriften, unter ihnen<br />
das innovative und gl<strong>am</strong>ouröse Modeblatt „Sibylle", das traditionsreiche<br />
„Magazin" und den „Eulenspiegel", der seinem N<strong>am</strong>en alle Ehre machte.<br />
Um diese und andere geht es in der nächsten Ausgabe.<br />
Kati Naumann<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 81
Foto<br />
: © Ka<br />
rim<br />
Khaw<br />
atmi<br />
Die 60er <strong>Jahre</strong> waren eine wilde, revolutionäre<br />
Zeit. Die Beatles, die Rolling Stones, die Lords,<br />
Karl May und Edgar-Wallace-Filme waren „meine<br />
Welt" – und eben auch Udo Jürgens. Eigentlich<br />
passte er gar nicht in das Bild der bunten Carnaby-<br />
Street-Kl<strong>am</strong>otten, der lauten E-Gitarren und der<br />
kreischenden Mädchen. Aber da war etwas, das mich<br />
und viele andere Menschen faszinierte. War es das<br />
Klavier, die deutschen Texte, die typischen Udo-<br />
Melodien, der dunkelblaue Smoking mit dem roten<br />
Einstecktuch, die Ausstrahlung dieses Ausnahme-<br />
Entertainers? Ich weiß es bis heute nicht genau, es<br />
war wohl diese Mischung aus allem. Dieser extrem<br />
konträre Gegensatz zu "I Can’t Get No Satisfaction"<br />
und "Revolution"! Vielleicht war es genau das, was<br />
Udo Jürgens bis heute ausmacht: der Sänger, der<br />
mit leisen Tönen seine Meinung laut sagt – mal<br />
ironisch, mal sarkastisch, mal lustig und mal ernst.<br />
Wie dem auch sei, er gehörte dazu und hatte seinen<br />
festen Platz neben den Beat- und Rockbands jener Tage. Und<br />
das<br />
Erstaunliche: Er hat ihn bis heute behalten, und niemand hat ihn ihm<br />
je streitig gemacht – und immer noch im dunkelblauen Smoking mit<br />
dem roten Einstecktuch!<br />
Ich sah Udo Jürgens zum ersten Mal 1967 in der Duisburger<br />
Mercatorhalle, ein Jahr nach seinem Sieg mit "Merci Cherie" beim<br />
„Grand Prix Eurovision de la Chanson" in Luxemburg. Es war seine<br />
erste Tournee mit eigener Band: Willy Übelherr (musikalischer<br />
Leiter und Keyboards), Sigi Übelherr (Bass),<br />
Heinz Allhoff (Klavier), Walter Grägel (Gitarre) und Bob<br />
Blumenhofen (Schlagzeug). Udo gab d<strong>am</strong>als <strong>50</strong> Konzerte,<br />
die von 60.000 Fans besucht wurden. Schon auf seiner<br />
dritten Tournee „Udo '70" waren es dann 266 Konzerte<br />
mit 510.000 Besuchern. Doch der Weg dorthin war oft<br />
steinig und schwer.<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 82 ■ GoodTimes 1/2015<br />
UDO JÜRGENS<br />
Zum 80.<br />
Geburtstag<br />
Es kann sein, dass diese<br />
Hommage an Udo Jürgens<br />
mitunter etwas melancholisch<br />
wirkt, aber es ist die<br />
Geschichte einer jahrzehntelangen<br />
Freundschaft, die in Luxemburg<br />
begann, als ich Sprecher bei Radio<br />
Luxemburg war – und seitdem andauert,<br />
also seit 40 <strong>Jahre</strong>n, einem halben Leben!<br />
Von Christian Simon<br />
Udo Jürgen Bockelmann, so sein bürgerlicher<br />
N<strong>am</strong>e, wurde <strong>am</strong> 30. September 1934<br />
in<br />
Klagenfurt geboren. Er war ein kränkliches,<br />
schwaches Kind, hatte Ängste, konnte sich in<br />
der Schule gegenüber den Klassenk<strong>am</strong>eraden<br />
nicht sonderlich behaupten, wurde wegen seiner<br />
Segelohren gehänselt und bek<strong>am</strong> Komplexe. Die<br />
Ohren ließ er sich mit 19 <strong>Jahre</strong>n richten, d<strong>am</strong>als<br />
ein sehr schmerzhaftes Unterfangen. Aber das<br />
musste sein, denn Udo wusste bereits: „Ich will<br />
mal Sänger werden und auf die Bühne!" Und<br />
gutes Aussehen gehört eben dazu. Komplexe und<br />
Ängste besiegen, Anerkennung bekommen – das<br />
schafft man mit Musik. Das merkte Udo schon<br />
als kleines Kind, als er sich innerhalb weniger<br />
Tage ganz allein Harmonien zu Opernmelodien<br />
auf dem Klavier erarbeitete. „Dieses Talent habe<br />
nur ich, und das kann mir keiner nehmen!" Mit<br />
dieser Erkenntnis wollte er ins Leben hinaus.<br />
„Ich werde<br />
mit Musik auf- oder untergehen",<br />
sagte er seinem Vater, „und es ist besser, in einer<br />
Hotelbar Klavier zu spielen, als in einem Büro<br />
zu verkümmern." D<strong>am</strong>als ahnte niemand, dass<br />
dieser Udo einmal einer der erfolgreichs ten<br />
Komponisten unserer Tage mit über 100<br />
Millionen verkauften Tonträgern werden<br />
würde.<br />
Aber der Reihe nach:<br />
1951 fand Udos<br />
erster Aufritt für<br />
fünf Schilling pro<br />
Stunde (das waren<br />
d<strong>am</strong>als etwa<br />
90 Pfennig)<br />
Foto: © Unfried / GoodTimes-photo.de
im Gasthof Valzachi in<br />
Klagenfurt statt, den es<br />
übrigens heute noch gibt.<br />
Er hatte mit Freunden eine<br />
kleine Combo gegründet,<br />
die sich Udo Bolan<br />
Band nannte. An jenem<br />
Abend geschah etwas<br />
Entscheidendes: Spät<br />
in<br />
der Nacht jubelte das<br />
Publikum Udo zu, und<br />
er entschied: „Jetzt hab'<br />
ich begriffen, um was es<br />
geht. Das muss ich weitermachen!"<br />
Und er tat<br />
es, arbeitete als Komponist<br />
und Arrangeur und wurde<br />
1952 vom britischen<br />
Militärsender r BFN (British Forces Network) als Moderator und Musiker<br />
für eine wöchentliche Radioshow engagiert. Die wurde gehört, und<br />
so bek<strong>am</strong> Udo ein Jahr später eine Einladung nach Berlin, um<br />
dort mit dem Rias-Tanzorchester unter Leitung von Werner Müller<br />
zu spielen. Udo tingelte durch Österreich und Deutschland und<br />
machte sich einen N<strong>am</strong>en als Jazzpianist. Und dann die erste große<br />
Chance: Heliodor/Polydor gab ihm 1956 einen Schallplattenvertrag<br />
und einen neuen Künstlern<strong>am</strong>en – Udo Jürgens! Die erste Single<br />
erschien: "Es waren weiße Chrysanthemen."<br />
Ein kapitaler Flop. Doch Udo wurde bekannter,<br />
und Max Greger nahm ihn 1957 mit auf<br />
eine große Russland-Tournee. Es erschienen<br />
weitere Singles, und Udo zog berufsbedingt<br />
ins Künstlerviertel München-Schwabing. 1960<br />
wurde er in Knokke „Bester Einzelsänger des<br />
Festivals", und sein Lied "Jenny" wurde ein<br />
Nummer-1-Hit in Belgien. Im selben Jahr<br />
komponierte er für Shirley Bassey den Welthit<br />
"Reach For The Stars". Das brachte auch das<br />
erste „große Geld", ungefähr 20.000 DM. Für<br />
Udo eine unvorstellbare Summe. Er kaufte<br />
einem Freund ein Auto und sich selbst einen<br />
brandneuen Ford. Die Autos standen dann in<br />
einem Hinterhof, denn für Benzin war kein<br />
Geld mehr da …<br />
Udo nahm in der Folge alles an, was<br />
ging. Er absolvierte Gala-Auftritte und<br />
wirkte Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> in so manchem<br />
deutschen Schlagerfilm als Schauspieler mit<br />
(u.a. auch in „Unsere tollen Tanten"). Als<br />
die Polydor 1963 seinen Schallplattenvertrag<br />
nicht verlängerte, wollte er das Singen schon<br />
aufgeben en<br />
und nur noch komponieren. Doch da k<strong>am</strong> es zu einer der<br />
entscheidenden Begegnungen in seinem Leben – die Firma Montana<br />
verpflichtete den Sänger, und hinter diesem Unternehmen stand<br />
ein N<strong>am</strong>e: Hans R. Beierlein. Er wurde für die nächsten <strong>Jahre</strong> Udos<br />
Manager, Berater und „Macher". „Als ich Udo kennen lernte", so<br />
Beierlein, „hatte er nichts außer seinem Talent. Er sang Schlager,<br />
schlechte Schlager, aber er sang sie gut." Beierlein überzeugte Udo<br />
Jürgens davon, nur noch eigene Kompositionen zu interpretieren.<br />
„Das ist dein Weg! Der und kein anderer!" Die erste Platte, "Tausend<br />
Träume", wurde ein Riesenerfolg in Österreich. 1964 vertrat Udo<br />
dann sein Heimatland beim Grand Prix in<br />
Kopenhagen mit "Warum<br />
nur, warum?" und landete<br />
auf Platz 5. Von<br />
der englischen Version<br />
"Walk Away" von Matt<br />
Monroe verkauften sich<br />
weltweit 1,5 Millionen<br />
Schallplatten, sie<br />
Foto: © Sony Music<br />
erreichte Platz 1 in der englischen Hitparade<br />
und Platz 2 in den USA. Udos deutschsprachige<br />
Version wurde ein Nummer-1-Hit in<br />
Frankreich (!), was auch zu einem Auftritt im<br />
Pariser Olympia führte. Beim Grand Prix 1965<br />
in Neapel landete Udo mit "Sag ihr, ich lass sie<br />
grüßen" auf dem 4. Platz, und ein Jahr später<br />
in Luxemburg feierte er dann den Sieg mit<br />
"Merci Cherie". Der Rest ist Geschichte. Udos<br />
musikalische Visitenkarte wird ein Welthit mit<br />
Charts-Spitzenpositionen in über 20 Ländern.<br />
Der Durchbruch ist geschafft!<br />
Anschließend wurde die erste LP PORTRÄT<br />
IN MUSIK veröffentlicht, Udo bek<strong>am</strong> den<br />
„Goldenen Löwen von Radio Luxemburg" für "17<br />
Jahr,<br />
blondes<br />
Haar", Gold für eine Million verkaufter Platten von "Merci Cherie"<br />
und ging 1967 auf seine erste triumphale Deutschland-Tournee.<br />
Da sah ich ihn dann, wie bereits erwähnt, zum ersten Mal und<br />
bek<strong>am</strong> backstage von ihm mein<br />
erstes Autogr<strong>am</strong>m. Udo wurde nun<br />
mehr und mehr zu einem ernstzunehmenden<br />
„Chansonnier".<br />
Bekannte Persönlichkeiten schrieben<br />
anspruchsvolle Texte für ihn: Hans<br />
Hellmut Kirst ("Unabänderlich"),<br />
Joachim Fuchsberger ("Was ich<br />
Dir sagen will") oder Eckhard<br />
Hachfeld ("Lieb Vaterland"). Aber<br />
er bediente auch das Genre des<br />
einfacheren Schlagers – Lieder<br />
wie "Anuschka", "Es wird Nacht,<br />
Señorita", "Mathilda" oder das Lied<br />
der Deutschen Fernsehlotterie "Zeig<br />
mir den Platz an der Sonne" wurden<br />
alles<strong>am</strong>t Hits. Udo tourte durch<br />
Europa, absolvierte eine Japan-<br />
Konzertreise und komponierte das Musical „Helden, Helden", das<br />
1972 in Wien uraufgeführt wurde. 1974 trat er zus<strong>am</strong>men mit Shirley<br />
Bassey vor 40.000 Zuschauern in Rio de Janeiro<br />
auf … und ich k<strong>am</strong> zu RTL nach Luxemburg.<br />
Eine meiner ersten Ideen: eine Radio-Tournee-<br />
Dokumentation mit Udo Jürgens. Nachdem<br />
mir Frank Elstner, der d<strong>am</strong>als Progr<strong>am</strong>mchef<br />
war, sein Okay dafür gegeben hatte, rief ich das<br />
Büro von Hans R. Beierlein an und unterbreitete<br />
dort mein Anliegen. Radio Luxemburg war „der<br />
Starsender" und öffnete Türen … Die Tournee „Udo '75" stand bevor,<br />
man war einverstanden und organisierte mein erstes Interview für die<br />
Doku, das ich nie vergessen werde. Ich sollte Udo <strong>am</strong> Düsseldorfer<br />
Flughafen abholen, fuhr also mit meinem kleinen Simca Rallye 1 zum<br />
Airport und erwartete ihn bei der Ankunft. Ich war aufgeregt, denn nie<br />
zuvor hatte ich solch einen Star vor dem Mikrofon. Da k<strong>am</strong> er in Jeans<br />
und Lederjacke tänzelnd durch die Glastüren, eine große Reisetasche<br />
über der Schulter. Wir gingen zum Auto,<br />
und Udo war über die „Limousine"<br />
nicht gerade begeistert. Er nörgelte<br />
etwas herum, und wir fuhren<br />
ohne viele Worte zu einem<br />
Luxushotel. Das fing ja gut<br />
an … Udo stieg aus und<br />
ging sofort in seine Suite.<br />
Ich parkte den Wagen und<br />
folgte ihm einige Minuten<br />
später nach. Auf dem<br />
Zimmer packte ich mein<br />
Tonbandgerät aus und<br />
begann mit dem Interview.<br />
Udo taute auf – über eine<br />
Foto: © Unfried / GoodTimes-photo.de<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 83
Stunde beantwortete er alle meine Fragen locker und sehr freundlich.<br />
Am Ende des Gesprächs griff er zum Telefon, wählte eine Nummer und<br />
sagte: „Da hast du mir aber einen super Typen geschickt. Der macht<br />
seine Arbeit sehr gut, die Doku wird bestimmt toll!" Am anderen Ende<br />
der Leitung war Frank Elstner. Das war für mich wie ein Ritterschlag. Seit<br />
diesem Tag sind Udo und ich Freunde.<br />
Ich war dann einige Tage<br />
mit auf Tour, das Mikrofon<br />
immer dabei, sprach mit ihm<br />
direkt vor und nach den<br />
Auftritten, interviewte die<br />
Band, die Techniker und das<br />
Publikum. So entstand eine<br />
dreistündige Dokumentation,<br />
die beste Kritiken erntete.<br />
Im selben Jahr wurde<br />
"Griechischer Wein" veröffentlicht,<br />
und Udo besuchte mich<br />
zum Studiogespräch bei RTL.<br />
Er k<strong>am</strong> von da an sehr oft nach<br />
Luxemburg, manchmal auch ganz privat,<br />
sozusagen inkognito. 1976 schauten wir<br />
bei mir zu Hause während der Fußball-EM<br />
ein Spiel der deutschen Mannschaft. Und<br />
<strong>am</strong> selben Tag eröffnete er mir abends<br />
beim Essen: „Du, das weiß noch keiner,<br />
aber ich trenne mich von Beierlein! Ich<br />
weiß noch nicht genau, wie’s weitergeht,<br />
aber ich habe Kontakte zur Schweiz aufgebaut!"<br />
Ein Jahr später wurde es offi-<br />
ziell. Udo wechselte zum Freddy-Burger-<br />
Management und<br />
zog mit Ehefrau<br />
Panja und den<br />
Kindern<br />
Jenny<br />
und Jonny von Kitzbühel nach Zürich.<br />
Seine Erfolge hielten unvermindert an: 1978<br />
erschien "Buenos dias, Argentina" mit<br />
der deutschen Fußballnationalelf und wurde<br />
der größte Schallplattenhit in Udos Karriere:<br />
Gold nach fünf Wochen und Platin nach<br />
zwei Monaten. "Mit 66 <strong>Jahre</strong>n" k<strong>am</strong> auf den<br />
Markt, rechtzeitig zur Tournee „Ein Mann und<br />
seine Lieder" – dies auch der gleichn<strong>am</strong>ige<br />
Titel seiner ZDF-Show, die eine sensationelle<br />
Einschaltquote von 56 Prozent erreichte. Dafür<br />
bek<strong>am</strong> er die Goldene K<strong>am</strong>era von Hörzu.<br />
Ich hatte d<strong>am</strong>als eine Einladung von Udo zu einem Konzert in<br />
Frankfurt. Vor meiner Abreise aus Luxemburg gab mir mein<br />
RTL-Kollege Oliver Spiecker einen Umschlag und bat mich, diesen<br />
Udo zu übergeben. Darin befand sich ein von Oliver geschriebener<br />
Songtext – und was daraus wurde, kennt heute jeder Udo-Fan: die<br />
Acht-Minuten-Komposition "Wort", die 1979 zus<strong>am</strong>men mit den<br />
Berliner Philharmonikern aufgenommen wurde, ein Meilenstein<br />
in Udos Schaffen. Im selben Jahr wechselte ich von RTL zum<br />
ZDF und zog nach München. Nun wurde die Beziehung zu<br />
Udo noch enger, zumal er sehr oft nach München k<strong>am</strong> und wir<br />
dadurch ständigen Kontakt hatten. Die Tournee „Udo '80" war<br />
in Planung, und seine Plattenfirma Ariola beauftragte mich mit<br />
einem Audio-Interview, das dann auf zwei Musikcassetten<br />
erschien und an Medienleute verteilt wurde – diese<br />
Produktion mit Musik ist heute eine gesuchte<br />
Rarität. Auch die TV-Zeitschrift „Bild<br />
und Funk" plante eine Udo-Serie unter<br />
dem Titel „Meine Lebensbeichte", die ich<br />
zus<strong>am</strong>men mit Udo erarbeiten sollte. Dafür<br />
fuhr ich drei Tage nach Zürich und wohn-<br />
te bei Udo und<br />
Panja.<br />
Näher<br />
konnte<br />
ich<br />
der<br />
„Jürgens-<br />
F<strong>am</strong>ily"<br />
nicht<br />
mehr<br />
kommen<br />
– wir<br />
fuhren zus<strong>am</strong>men<br />
mit seinem<br />
Boot über<br />
den Zürichsee,<br />
machten einen<br />
Stadtbummel, mel saßen<br />
bis tief in die<br />
Nacht zus<strong>am</strong>men,<br />
Udo spielte Klavier, noch ein Absacker in der Küche<br />
… eine unvergessliche Zeit! Die Tournee wurde die<br />
bis dahin erfolgreichste Konzertreise seiner Karriere –<br />
330.000 Besucher in 110 Konzerten.<br />
Ich besuchte das Münchner Konzert <strong>am</strong> 26. September<br />
1980 und werde diesen sommerlichen Freitagabend<br />
nie vergessen. Nach seinem Auftritt<br />
wollten wir zus<strong>am</strong>men mit ein paar<br />
Freunden noch aufs Oktoberfest.<br />
Udo hatte ins Käferzelt eingeladen.<br />
Durch irgendwelche Umstände verzögerte<br />
sich aber die Abfahrt von<br />
der Halle zur Wiesn. Auf der verspäteten<br />
Anfahrt hörten wir dann im<br />
Autoradio vom Bombenattentat <strong>am</strong><br />
Haupteingang mit 13 Toten und über<br />
200 Verletzten. Was wäre gewesen,<br />
wären wir planmäßig eingetroffen …?<br />
1981 ging Udo für einige Wochen<br />
in die USA, um in Hollywood<br />
mit Harold Faltermeyer die englisch<br />
gesungene LP LEAVE A LITTLE LOVE zu produzieren, die dann in<br />
über 20 Ländern erschien. Sogar Russland orderte <strong>50</strong>.000 Stück. Für<br />
den Titelsong gewann Udo beim „World Popular Song Festival" in<br />
Tokio gleich zwei Preise – als Komponist und Interpret. Auch erhielt<br />
er für das Album einmal mehr den „Deutschen Schallplattenpreis".<br />
Ein Jahr später k<strong>am</strong> es zu einer „musikalischen Ehe", die bis heute<br />
hält. Sowohl für die LP als auch für die ZDF-Show und die Tournee<br />
„Lust <strong>am</strong> Leben" ging Udo gemeins<strong>am</strong> mit dem Pepe Lienhard<br />
Orchester erstmals ins Studio und auf die Bühne. Eine der wohl<br />
wichtigsten Entscheidungen des Bühnenkünstlers Udo Jürgens! Die<br />
Tournee umfasste 123 Konzerte mit über 400.000 Besuchern.<br />
Udo Jürgens und Christian Simon bei „Pit“ in Baden-Baden<br />
Foto: © Christian Simon Productions<br />
Und ein Ereignis im Jahr 1983 darf nicht unerwähnt bleiben,<br />
zumal die Bilder um die Welt gingen: Für eine TV-Produktion<br />
wurde Udo s<strong>am</strong>t Glasflügel auf das 3454 Meter hohe Jungfraujoch in<br />
die Schweizer Alpen geflogen. Unterm weißen Smoking trug er einen<br />
Neopren-Taucheranzug, da die Aufnahmen ansonsten aufgrund der<br />
klirrenden Kälte gar nicht möglich gewesen wären.<br />
1984 feierte Udo seinen <strong>50</strong>. Geburtstag und gab<br />
aus diesem Anlass für seine Freunde eine Party in<br />
Zürich. Ich war eingeladen und erinnere mich gerne<br />
an diesen Tag. Wir feierten zuerst im Szeneclub<br />
Mascotte, wo Udo auch live <strong>am</strong> Klavier Songs<br />
seines Albums HAUTNAH spielte, für das er Gold<br />
bek<strong>am</strong>. Später ging’s dann ein paar Stockwerke<br />
höher in Udos neue Penthouse-Wohnung, die noch<br />
im Rohbau war. An langen Biertischen wurde<br />
bis tief in die Nacht gespeist und getrunken<br />
– meinen Flieger <strong>am</strong> nächsten Morgen habe<br />
ich verpasst … Im selben Jahr wurde seine<br />
Tournee „Hautnah" mit 130 Konzerten<br />
und 430.000 Besuchern zum Mega-<br />
Erfolg – und Udo ging unter die<br />
Foto: © SONY / Dominik Beckmann<br />
Seite<br />
84<br />
■<br />
GoodTimes odT<br />
1/2015
Fotos: © SONY / Dominik Beckmann<br />
Buchautoren. Sein Erstlingswerk erschien: „Smoking und Blue Jeans".<br />
Zehn <strong>Jahre</strong> später sollten sich manche Dinge in ähnlicher Form wiederholen<br />
…<br />
Anschließend absolvierte Udo die Tourneen „Deinetwegen" (1987)<br />
und „Geradeaus" (1992), eröffnete die „Wiener Festwochen"<br />
(1986), schrieb für zwei Folgen der ZDF-Serie „Traumschiff" den<br />
Soundtrack und war selbst Gaststar in einer Folge (1990),<br />
gab 1992 auf der Donau-Insel in Wien das größte Open-Air-<br />
Konzert des europäischen Kontinents aller Zeiten vor über<br />
200.000 Zuschauern, bek<strong>am</strong> unzählige Ehrungen und 1993 einen<br />
lebenslangen Schallplattenvertrag mit BMG Ariola, was in der<br />
Geschichte der deutschen Phono-Industrie einmalig ist.<br />
Doch nun zum Jahr 1994: Auch zu seinem 60.<br />
war ich wieder eingeladen. Diesmal allerdings<br />
ging’s nach Frankfurt. Der Grund: Udo bek<strong>am</strong><br />
an seinem Geburtstag im Frankfurter Römer<br />
das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Somit hatten wir zwei Gründe<br />
zum Feiern! Auch verlieh ihm die Deutsche<br />
Phonoakademie den Echo für sein Lebenswerk,<br />
und das ZDF ehrte ihn mit einer TV-Gala. Im selben<br />
Jahr erschien sein zweites Buch „… unterm Smoking<br />
Gänsehaut", und Udo startete seine 13. Tournee<br />
„Die Größenwahntour", die ihn sieben Monate<br />
durch die Lande reisen ließ. Mit <strong>50</strong>0.000 Besuchern<br />
in 140 Konzerten wurde sie zur erfolgreichsten<br />
Tournee der Konzertsaison in Europa. Dafür<br />
bek<strong>am</strong> Udo Jürgens 1995 die Goldene K<strong>am</strong>era<br />
der Zeitschrift „Hörzu". Ein Jahr später erntete er<br />
die Lorbeeren vergangener Tage: Sein Album ABER<br />
BITTE MIT SAHNE erreichte in Österreich Platinstatus,<br />
54 Prozent der Deutschen bezeichneten seinen Song<br />
"Griechischer Wein" als ihren Lieblingsschlager, und<br />
sein Oldie "17 Jahr, blondes Haar" landete auf Platz 2<br />
der „ewigen Schlager-Hitparade". Im Januar ’97 startete<br />
„UJ" seine 14. Tournee „Gestern, Heute, Morgen"<br />
und stand dafür 111 Mal auf der Bühne. Es folgten<br />
wieder viele Preise, darunter auch der Ehren-B<strong>am</strong>bi für<br />
sein bisheriges Lebenswerk.<br />
Die Jahrtausend wende fiel zus<strong>am</strong>men mit Udos 66.<br />
Geburtstag. Da bot es sich wie selbstverständlich<br />
an, dass man dies zum Anlass nahm, an einen seiner<br />
größten Hits zu erinnern. So hieß dann seine Tournee<br />
2000/2001 „Udo 2000 – Mit 66 <strong>Jahre</strong>n, da fängt<br />
das Leben an". Danach arbeitete er parallel an zwei<br />
großen Projekten. Zum einem an seinem Album ES<br />
LEBE DAS LASTER mit darauffolgender Tournee (2003/2004) und zum<br />
anderen an seinem 700-Seiten-Roman „Der Mann mit dem Fagott",<br />
der 2004 erschien, rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag. Udo schrieb<br />
das Buch zus<strong>am</strong>men mit Michaela Moritz chronologisch in Zürich,<br />
Wien, Kärnten / <strong>am</strong> Bodensee, an der Algarve / in München und<br />
Kitzbühel / Moskau, St. Petersburg / Lissabon, Budapest, New York /<br />
Udo Jürgens – seit 47 <strong>Jahre</strong>n auf Tournee<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 85<br />
Meran, Interlaken, Bad Ragaz, Luzern / Berlin, Frankfurt, H<strong>am</strong>burg /<br />
Nassau, Bah<strong>am</strong>as, und Barendorf bei Lüneburg. Dieser Roman ist wie<br />
ein Jahrhundertkonzert – F<strong>am</strong>iliensaga und Zeitgeschichte in einem.<br />
Udo: „Die Geschichte meiner F<strong>am</strong>ilie hat mich seit meiner Kindheit<br />
geprägt und mein Weltbild entscheidend mitbestimmt, die Suche nach<br />
ihren Spuren hat mich viele <strong>Jahre</strong> begleitet, die Idee zu diesem Buch<br />
trage ich schon beinahe mein ganzes Leben mit mir herum." Mein<br />
persönliches Exemplar schenkte mir Udo zum Geburtstag im Juni<br />
2005, als ich mit ihm im Rahmen der Sommer-Open-Air-Tournee<br />
ein Solokonzert auf der Freilichtbühne in Ötigheim veranstaltete.<br />
Danach wurde noch im Baden-Badener Gagarin gefeiert. Es hat<br />
wohl seit den 60er <strong>Jahre</strong>n keinen Besuch von Udo in dieser Stadt<br />
gegeben, ohne einmal in diesem Lokal bei „Pit" reinzuschauen.<br />
Mit 80<br />
<strong>Jahre</strong>n<br />
mitten im<br />
Leben<br />
2006 folgte die nächste Tour „Jetzt oder nie", bevor<br />
ein Jahr später ein weiteres Highlight in Udos<br />
Karriere folgen sollte: Am 2. Dezember 2007 gab es<br />
im H<strong>am</strong>burger TUI Operettenhaus die Weltpremiere<br />
des Musicals „Ich war noch niemals in New York" mit<br />
23 Liedern von Udo Jürgens. Vor der Premiere wurden<br />
bereits 1<strong>50</strong>.000 Karten verkauft, und zwei <strong>Jahre</strong> später<br />
konnte H<strong>am</strong>burg den millionsten Besucher vermelden<br />
– bis heute sind es in H<strong>am</strong>burg, Zürich und Oberhausen<br />
über drei Millionen Besucher! Neben der Musik spielte in<br />
den kommenden <strong>Jahre</strong>n aber auch der Film eine wichtige<br />
Rolle, denn Udos Erfolgsroman „Der Mann mit dem<br />
Fagott" wurde verfilmt. Zu seinem 77. Geburtstag gaben<br />
ARD und ORF die Ausstrahlungstermine des Zweiteilers<br />
bekannt, der zum Fernsehereignis des <strong>Jahre</strong>s 2012 wurde.<br />
Der Film erhielt den wichtigsten österreichischen Film- und<br />
Fernsehpreis, den Romy, wurde im Museum Of Modern<br />
Art in New York gezeigt und bek<strong>am</strong> den Deutschen<br />
Fernsehpreis. Gleichzeitig feierte Udo wieder unglaubliche<br />
Erfolge auf seiner Tournee „Der ganz normale Wahnsinn"<br />
… ja, das ist Wahnsinn – Udo Jürgens, dieses Jahr „80"<br />
und immer noch MITTEN IM LEBEN, ein gut gewählter<br />
Titel für sein überaus gelungenes 53. Album. Auch<br />
für Udo, wie er sagt, ein Grund zum Feiern!<br />
Foto: © SONY / Dominik Beckmann<br />
Eine Karriere ohne Beispiel! Und wie geht’s<br />
weiter? „Wir alle haben einen letzten Tag.<br />
Man muss bereit sein, d<strong>am</strong>it umzugehen, und<br />
das fällt mir nicht leicht. Ich wünsche mir, dass<br />
ich das tolle Leben mit Musik noch weiterleben<br />
kann. Neue Lieder schreiben, ins Studio<br />
gehen, Gedanken zum Klingen bringen … und<br />
dann kommt der Moment, wo man sich sagt,<br />
das wünschen sich<br />
Millionen Menschen noch für viele <strong>Jahre</strong>.<br />
Darauf freuen wir uns!<br />
Lieber Udo, herzlichen Glückwunsch<br />
– und lass uns noch viele schöne<br />
Momente erleben!<br />
diese Lieder müssen auf die Bühne!" Und
Die Leute von der Shiloh Ranch (The Virginian)<br />
TV-Westerndr<strong>am</strong>en<br />
für Erwachsene<br />
Von Andreas Kötter<br />
Zum Glück aber zeigte sich im gleichen Maße, wie das Kind<br />
zum – immer noch sehr jungen Mann – heranreifte, auch<br />
der TV-Western immer erwachsener.<br />
Schon 1962 war in den USA mit<br />
„The Virginian" die erste Westernserie<br />
im 90-Minuten-Format (75 Minuten<br />
plus Werbung) angelaufen. Und ab<br />
1970 ritten „Die Leute von der Shiloh<br />
Ranch" schließlich auch durch deutsche<br />
Wohnzimmer. Lose basierend<br />
auf Owen Wisters mehrfach verfilmtem<br />
Roman „The Virginian" bedeutete<br />
„Die Leute von der Shiloh Ranch"<br />
gleichzeitig den Höhe- und – was den<br />
großen Erfolg anbetrifft – vorläufigen<br />
Endpunkt eines Genres zugleich. Weil<br />
hier eine TV-Westernserie zum ersten<br />
Mal im Über-Format produziert wurde<br />
– bei uns blieben davon allerdings häufig nur 60 Minuten übrig, so dass<br />
man sich bisweilen über arge Brüche in der Handlung ärgern musste –,<br />
konnten Drehbuchautoren und Regisseure (wie Hollywood-Veteranen<br />
bzw. Western-Routiniers wie S<strong>am</strong> Fuller, Burt Kennedy oder Andrew<br />
McLaglen) aus dem Vollen schöpfen und beinahe ähnlich epische<br />
Geschichten inszenieren, wie man das von der großen Leinwand, vom<br />
Kino gewohnt war.<br />
Kein Wunder also, dass die Erfolgsserie mit 275.000 Dollar pro<br />
Folge teurer war als jede andere TV-Show ihrer Zeit. Über den<br />
im Original titelgebenden „Virginian" (hier zu Lande wurde der<br />
„Virginian" gerne auch als „Vormann", also als eine Art Anführer der<br />
Cowboys bezeichnet) erfuhr man in den 171 (von den tatsächlich 249)<br />
in Deutschland ausgestrahlten Folgen recht wenig. Genaugenommen<br />
ist „recht wenig" sogar noch sehr optimistisch ausgedrückt. Denn<br />
nicht einmal der tatsächliche N<strong>am</strong>e wurde dem Zuschauer verraten,<br />
so dass der Virginian, der außer einem weinroten Cordhemd meist<br />
komplett in Schwarz auftrat, immer ein wenig mysteriös blieb. Auch<br />
weil er alles andere als ein Schwätzer war.<br />
Nicht dass der Mann ein eindimensionaler<br />
Charakter gewesen wäre. Im Gegenteil: Der<br />
Vormann konnte durchaus sensibel und<br />
mitfühlend sein. Aber statt große Reden<br />
zu schwingen, ließ er lieber Taten oder –<br />
wenn es gar nicht anders ging – seinen<br />
Colt sprechen. Für den Schauspieler J<strong>am</strong>es<br />
Drury war der Virginian die Rolle seines<br />
Lebens. Bis heute tingelt er im Zeichen<br />
der Shiloh Ranch durch die USA, von<br />
Western-Festival zu Western-Festival. Zu<br />
Recht. Denn der Virginian war fraglos die<br />
attraktivste Figur und d<strong>am</strong>it der Fixpunkt<br />
der Serie. e.<br />
Der Roman<br />
The Virginian"<br />
wurde<br />
"<br />
fürs Kino<br />
mehrfach verfilmt:<br />
Hier mit<br />
Joel McCrea (2. v. r.)<br />
Soap-Opera im Wilden Westen:<br />
Die F<strong>am</strong>ilie war hier die Gemeinschaft der Cowboys<br />
Aus Kindern werden Leute. Und weil<br />
das so ist, wurde ich der kleinen,<br />
feinen, aber wegen ihres 25-Minuten-<br />
Formates auch immer ein wenig eindimensionalen<br />
Western-Abenteuer,<br />
die sich Westlich von Santa Fé"<br />
"<br />
ereigneten, irgendwann Anfang der<br />
70er <strong>Jahre</strong> allmählich müde.<br />
Seite 86 ■ GoodTimes 1/2015
er<br />
v Ha<br />
rchi<br />
ilda<br />
ds/B<br />
Davi<br />
Foto<br />
Dennoch gab es noch eine ganze Reihe<br />
weiterer Hauptfiguren: Tr<strong>am</strong>pas (Doug<br />
McClure) war neben dem Virginian die wohl die<br />
wichtigste. Mit jungenhaftem Charme gesegnet,<br />
war er der ideale Gegenpart zum meist ernsten<br />
Virginian. Und dann waren da auch noch Steve<br />
Hill (Gary Clarke), Randy Benton (Randy Boone),<br />
Belden (L.Q. Jones) und Tate (der spätere „Colt<br />
für alle Fälle", Lee Majors). Sie alle gemeins<strong>am</strong><br />
machten die Soap-Opera (nach „Bonanza" und<br />
„Big Valley") endgültig im Wilden Westen heimisch.<br />
Denn die Erzählungen über das Leben<br />
auf der und um die Shiloh Ranch herum waren<br />
nichts anderes als eine große Clan-Saga, bei<br />
der die F<strong>am</strong>ilie nicht verwandtschaftlich konnotiert,<br />
sondern schlicht und ergreifend die<br />
verschworene Gemeinschaft der Cowboys war.<br />
Ein weiterer Grund für den großen Erfolg war<br />
zudem, dass neben den schon Genannten weitere<br />
wichtige Rollen (die Besitzer von Shiloh, die sich<br />
über die <strong>Jahre</strong> das Brandeisen in die Hand gaben)<br />
mit Charakterdarstellern des <strong>am</strong>erikanischen Kinos<br />
und Theaters besetzt waren. Ob der große Lee J.<br />
Cobb („On The Waterfront", „12 Angry Men") oder<br />
John McIntire, der in Montana unter Cowboys<br />
aufgewachsen und in vielen großen Hollywood-<br />
Western der Regielegende Anthony Mann zu sehen<br />
gewesen war, ob Charles Bickford, der von Lewis<br />
Milestone über Henry Hathaway und Willi<strong>am</strong><br />
Wyler bis zu John Huston mit fast allen<br />
großen Regisseuren der Hollywood-Studio-<br />
Ära gearbeitet hatte, oder schließlich in<br />
der letzten Staffel „Old Surehand" Stewart<br />
Granger – sie alle punkteten mit ihrer großen<br />
Professionalität.<br />
Inhaltlich setzte man darauf, dass es<br />
mal der Virginian oder Tr<strong>am</strong>pas, mal<br />
einer der Besitzer der Shiloh Ranch oder<br />
auch einer ihrer Sprösslinge (Kinder und<br />
Enkelkinder) waren, die mit ihren eigenen<br />
Sorgen oder konfrontiert oder etwaigen<br />
Nöten anderer jeweils im Mittelpunkt<br />
einer Episode standen. Die Rollen dieser<br />
„Anderen" waren ebenfalls besetzt mit<br />
Der beste Freund des<br />
Virginian war <strong>am</strong> Ende doch<br />
immer sein Gaul.<br />
... mal seinen<br />
jungenhaften Charme<br />
spielen<br />
hochkarätigen Gaststars. So tauchten im Laufe der<br />
<strong>Jahre</strong> Hollywood-Routiniers wie Joseph Cotten, Lee<br />
Marvin, Joan Crawford, Charles Bronson oder George<br />
C.<br />
Scott auf. Weitere Gastauftritte aufstrebender Stars<br />
wie Robert Redford, der d<strong>am</strong>als noch <strong>am</strong> Beginn<br />
seiner großartigen Karriere stand, rundeten das Bild<br />
einer besonders feinen Produktion ab. Nicht nur<br />
einmal waren es diese prominenten Gäste, die den<br />
Arrivierten von Shiloh die Show stahlen.<br />
Als „Die Leute von der Shiloh Ranch" nach<br />
neun Staffeln (die letzte lief nicht mehr unter<br />
dem Originaltitel „The Virginian", sondern unter<br />
„The Men From Shiloh") in den USA mit einem<br />
„lonesome goodbye" schließlich in den finalen<br />
Sonnenuntergang ritten, bedeutete das für mich<br />
eine besonders schmerzhafte Trennung.<br />
Und das nicht nur, weil ich den Virginian,<br />
Tr<strong>am</strong>pas und all die anderen wirklich<br />
liebgewonnen hatte. Schlimmer noch traf<br />
mich und einen jeden Großstadt-Cowboy,<br />
dass mit dem Abschied von Shiloh eine<br />
Epoche zu Ende ging – die der klassischen<br />
TV-Western. Eins<strong>am</strong>e Nachzügler, etwa<br />
„Kung Fu", „Centennial" („Colorado Saga")<br />
oder die zugegebenermaßen fantastische<br />
Miniserie „Lonesome Dove" („Der Ruf des<br />
Adlers") waren nur noch die berühmte(n)<br />
Mal ließ Tr<strong>am</strong>pas den Colt ...<br />
Ausnahme(n) von der Regel. Mit „Die Leute<br />
von der Shiloh Ranch", ohnehin angesiedelt<br />
im späten Wilden Westen der 80er bzw. 90er <strong>Jahre</strong><br />
(vgl. letzte Staffel) des 19. Jahrhunderts, war die berühmte<br />
„Frontier", die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis,<br />
endgültig geschlossen.<br />
Fo : © Davids/B<br />
ild da rchi<br />
v Hallhu llhuber<br />
Zum Weitersehen:<br />
• Die Leute von der Shiloh Ranch", DVD-Boxen Staffel 1–3<br />
(EuroVideo)<br />
Zum Weiterlesen:<br />
• Ronald Jackson, Doug Abbott: <strong>50</strong> Years Of The Television Western"<br />
"<br />
• Jon E. Lewis, Penny Stempel: Cult TV" "<br />
• Richard West: Television Westerns – Major and Minor Series, 1946 –1978"<br />
"<br />
• Andreas Kötter: Kult in Serie – <strong>50</strong> Serienklassiker ausgewählt und kommentiert"<br />
"<br />
© Pressefotos<br />
ist ohnehin<br />
KULT !<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 87<br />
Alle Bilderbücher in Deutsch lieferbar<br />
bei Atlantis: www.atlantis-verlag.ch<br />
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Die Spielzeugwelt lt der 70er <strong>Jahre</strong><br />
Abenteuer. Es gab deshalb vermutlich<br />
hielt für Jungs etwas bereit, das es nur wenige Jungs zwischen sechs und<br />
in den Jahrzehnten davor so nicht zwölf <strong>Jahre</strong>n, die d<strong>am</strong>als nicht von den<br />
gegeben hatte: die Action-Figur (oder<br />
verheißungsvollen ACTION TEAMvielmehr<br />
Aktions- oder Funktions-ns<br />
Schaufenster-Dior<strong>am</strong>en der Spielzeugläden<br />
Figur, wie man sie d<strong>am</strong>als noch<br />
geradezu magisch<br />
nannte). Und aus diesen wiederum<br />
ragte eine Figuren-Serie e<br />
angezogen wurden. Daran vermochten<br />
auch die Gegner dieser<br />
ganz besonders hervor: das<br />
Figuren, denen es angeblich an<br />
ACTION TEAM! N<strong>am</strong>en wie John<br />
pädagogischem Wert fehlte und<br />
Steel, Tom Stone oder Hard Rock,<br />
die schon gerne mal als Barbie "<br />
wie die Figuren in Deutschland<br />
für Jungs" bezeichnet wurden,<br />
genannt wurden, verhießen gleich<br />
auf den ersten Blick Spannung ng und<br />
nichts zu ändern. Das ACTION TEAM<br />
war<br />
heißbegehrt.<br />
Seite 88 ■ GoodTimes 1/2015
Die Anfänge<br />
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1974<br />
hatte das ACTION TEAM seine Premiere<br />
in bundesdeutschen Spielzeugläden<br />
und Kaufhäusern. Die Mannheimer<br />
Spielzeugfirma Schildkröt hatte vom<br />
US-<strong>am</strong>erikanischen Spielzeugriesen Hasbro<br />
die Lizenz erworben, die 30 Zentimeter großen<br />
Abenteurer in Deutschland zu vertreiben,<br />
wobei sie die bereits existierende breite<br />
Angebotspalette von Figuren, Themen,<br />
Ausrüstungen und Zubehör sowohl aus<br />
den USA als auch aus England nutzte und<br />
daraus maßgeschneiderte Helden kreierte,<br />
die für den deutschen Markt <strong>am</strong> besten<br />
Sandy oder<br />
Super Peggy, gy, die<br />
ACTION GIRLS eben! Wer<br />
nun aber<br />
glaubte, dass<br />
diese e Mädels nur<br />
schönes<br />
Beiwerk erk<br />
waren, lag<br />
falsch. Die D<strong>am</strong>en<br />
waren mindestens<br />
so abenteuerlus euer<br />
erlustig<br />
wie ihre<br />
männlichen<br />
Pendants und<br />
auch<br />
genauso<br />
wehrhaft:<br />
Bewaffnet<br />
mit einem<br />
goldenen<br />
Colt<br />
geeignet erschienen. Auch die Benennung der Figuren gab es<br />
(!) und versehen<br />
so nur in Deutschland.<br />
mit<br />
Abenteuerausrüstungen<br />
wie<br />
Figuren, Ausstattungen,<br />
Fallschirmen und Safari-<br />
ari<br />
Equipment, ging es gera-<br />
Zubehör<br />
dewegs von einem hals-<br />
Den Grundstock des<br />
neuen Angebots bildeten<br />
zunächst die<br />
brecherischen Abenteuer<br />
zum nächsten. Vielleicht icht<br />
(oder gerade deswegen?) en?<br />
drei Hauptakteure e<br />
aber konnten Mädchen<br />
des ACTION TEAMS:<br />
nie so recht etwas d<strong>am</strong>it<br />
Hard Rock (orange-<br />
anfangen, war doch die<br />
farbener Overall und<br />
heißgeliebte Barbie natür-<br />
Bart), John Steel (blaue<br />
lich ein ganz anderer Typ<br />
Schlaghose, hellblaues<br />
von<br />
Frau. Und Jungs hielten sich<br />
Hemd) sowie der schwarze<br />
Tom Stone (khakifar-kibene<br />
Hose und Hemd).<br />
Alle drei trugen schwarze<br />
Halbstiefel, und als<br />
i-Tüpfelchen hatte jeder<br />
von ihnen ein schwarzes<br />
ar-<br />
sowieso meilenweit von Super<br />
Peggy und Super Sandy entfernt;<br />
ernt;<br />
schließlich spielte man ja<br />
nicht<br />
mit<br />
Puppen, sondern mit Action-<br />
Figuren!<br />
Die<br />
Schulterhalfter, bestückt mit einer<br />
Muskelmänner<br />
.38er Smith&Wesson oder einer<br />
.45 ACP. Und das war nur die<br />
Minimalbewaffnung, die als Zubehör erworben werden konnte. Neben kommen<br />
einem Remington-Gewehr mit Zielfernrohr gab es zudem <strong>am</strong>erikanische<br />
M-16-Sturmgewehre oder englische SLR. Die Auswahl war groß<br />
In den Folgejahren entwickelte sich<br />
die Schildkröt-Serie kontinuierlich weiter.<br />
er.<br />
und vielfältig.<br />
Genauso war es bei den angebotenen Abenteuerausrüstungen.<br />
Was es da nicht alles gab: Equipment,<br />
angefangen ngen<br />
beim Fallschirmkommando (mit ech-<br />
tem Fallschirm) über den Katastrophenschutz,<br />
die Dschungel-Forschung, den Geheimdienst, eimd<br />
iens<br />
die Spionage-Abwehr bis hin<br />
zum<br />
Froschmannzubehör (mit echtem<br />
Gummitaucheranzug). Eines der<br />
bekanntesten Sets: die legendäre<br />
Tiefsee-Ausrüstung,<br />
komplett mit Taucherhelm<br />
inklusive<br />
aufklappbarem<br />
Visier, Schatzkiste<br />
und Gummi-Oktopus. Es<br />
war genauso, wie der d<strong>am</strong>a-<br />
lige<br />
Werbeslogan der Firma<br />
Schildkröt vollmundig verkündete: ete<br />
„Das<br />
lebendige e Abenteuerspiel mit 1000<br />
Möglichkeiten."<br />
Um (vermutlich) auch <strong>am</strong> Barbie-Markt<br />
arkt<br />
teilhaben zu können (oder einfach,<br />
weil<br />
Puppen bei Schildkröt eine lange<br />
Tradition ion hatten), stellte man den har-<br />
ten Männern dann bald schon eine<br />
weibliche Begleitung zur Seite: Super<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 89<br />
Der anfänglich noch verwendete „Ur-Körper" der ACTION TEAM-<br />
Figur, der einer Art Gliederpuppe entsprach und hauptsächlich auf<br />
Funktionalität abhob, wich ab 1976 mehr und mehr einer neuen
muskulösen ulös<br />
Körperform, auf die Hasbro in den USA<br />
umgestel<br />
stellt l hatte. t Angeblich war dies das Ergebnis<br />
einer dortigen Umfrage unter Jungs zwischen<br />
sechs und zwölf <strong>Jahre</strong>n nach dem bevorzugten<br />
Körperbau: sportlich schlank oder<br />
doch lieber dicke Muckis?<br />
Da<br />
die überwiegende Mehrheit der<br />
Befragten so etwas wie „Da kauf ich<br />
lieber den muskelbepackten Big Jim"<br />
angab, sah sich Hasbro dann zur anatomischen<br />
Kurskorrektur gezwungen.<br />
Schließlich war es die Zeit, in<br />
der das Bodybuilding ganz groß<br />
im Kommen war. So wurden<br />
die Helden schließlich auch<br />
bei uns mit stahlharten<br />
Muskeln<br />
versehen<br />
und<br />
die Palette<br />
der Abenteuerausstattungen<br />
tt<br />
erweitert.<br />
e t.<br />
Ab 1977 k<strong>am</strong> es<br />
dann<br />
zum<br />
Auftritt<br />
der „harten Männer,<br />
die alles können und<br />
alles sehen". Das „Alles<br />
sehen" war auf eine Neuerung<br />
aus England zu beziehen, wo die<br />
Firma Palitoy zu dieser Zeit<br />
für<br />
ihre<br />
Action-Man-Serie die sogenannten<br />
nten<br />
Eagle-Eyes eingeführt hatte:<br />
Augen, die mittels eines kleinen<br />
Schiebers im Nacken der<br />
Figur von links nach rechts<br />
und umgekehrt bewegt egt<br />
werden konnten.<br />
Schildkröt<br />
übernahm<br />
diese Technik<br />
und brachte zwei neue e<br />
Helden: Bob Power und den<br />
Indianer Adlerauge. Ersterer war<br />
eine Art Agent, ganz in Schwarz<br />
gekleidet, mit schwarzem Rolli<br />
li<br />
und schwarzer Hose, waffentechnisch<br />
top ausgestattet.<br />
ttet<br />
et.<br />
Adlerauge hingegen n<br />
war<br />
ein Indianer mit … genau,<br />
Lendenschurz.<br />
Weiteres<br />
Zubehör Fehlanzeige. Ob die<br />
Marketingabteilung g von<br />
Schildkröt hier gerade<br />
im Urlaub war oder<br />
man schlicht dachte,<br />
der Lendenschurz<br />
reiche im Wilden<br />
Westen zum Überleben ebenen aus, ist leider<br />
er<br />
nicht überliefert.<br />
leider nicht bekannt. nt. Vermutlich<br />
besteht t aber<br />
ein<br />
Zus<strong>am</strong>menhang<br />
menh<br />
ang<br />
mit dem ab<br />
Mitte te der<br />
70er <strong>Jahre</strong><br />
stark gestiegenen gene<br />
n<br />
Ölpreis. Da<br />
Öl ein wichtiger iger<br />
Rohstoff<br />
o f<br />
für die Herstellung von<br />
Plastik ist, darf vermutet<br />
werden, dass<br />
die<br />
schon d<strong>am</strong>als<br />
beachtlichen<br />
Verkaufspreise<br />
reis<br />
e<br />
der Figuren und<br />
Ausstattungen unge<br />
auf Dauer<br />
nicht mehr zu halten waren.<br />
Zumindest war dies<br />
einer<br />
er der<br />
Gründe,<br />
weshalb Hasbro 1977 die Produktion on von<br />
G.I.<br />
Joe, der epochemachenden ende<br />
n ersten en<br />
Action-<br />
Figur,<br />
einstellte.<br />
Jäger und<br />
S<strong>am</strong>mler<br />
Wie dem auch<br />
sei, eineinhalb<br />
Jahrzehnte später,<br />
im Verlauf der 90er <strong>Jahre</strong>, entdeckten ten die Kinder der<br />
70er<br />
als Erwachsene ihre alten Spielk<strong>am</strong>eraden neu. Zunächst<br />
auf Flohmärkten, über Zeitungsannoncen oder im Rahmen<br />
von (heute fast unmöglichen) Ladenfunden, später dann über ein<br />
wohlbekanntes Internet-Auktionshaus. So entwickelte sich eine<br />
kleine, aber feine S<strong>am</strong>mlerszene, die die Helden von einst wiederhaben<br />
wollte. Diesmal aber nicht, um sie in der Badewanne tauchen<br />
zu lassen sen<br />
oder im Garten auf Großwildjagd zu schicken, sondern um<br />
die taffen Jungs in vollem Glanz und<br />
Gloria<br />
in die<br />
Vitrine<br />
stellen en zu können ...<br />
Lars Schumacher<br />
her<br />
Das Ende des<br />
Abenteuers<br />
Als sich die 70er <strong>Jahre</strong> dem Ende zuneigten<br />
und ein neues Jahrzehnt vor der Tür stand,<br />
waren allerdings auch die Tage des ACTION<br />
TEAMS langs<strong>am</strong> gezählt. Wann genau und<br />
aus welchen Gründen Schildkröt den Vertrieb<br />
der ACTION TEAM-Serie einstellte, ist jedoch<br />
Seite<br />
90 ■ GoodTimes 1/2015
D E N<br />
7 0 E R N<br />
G EW I<br />
D M ET<br />
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Im Oktober vor genau <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n stach der ZDF-<br />
Abenteuervierteiler in See und begründete eine lange<br />
Tradition. Zwar begann alles mit einem Schiffbruch, doch<br />
fuhr das Sendekonzept danach zwei Jahrzehnte erfolgreich<br />
unter stolz geblähten Segeln. Die künstlerisch treibende<br />
Kraft war dabei der Produzent Walter Ulbrich. Ein<br />
Rückblick auf den Beginn einer Ära.<br />
Wütender Sturm und Finsternis, von Blitzen kurz erhellt,<br />
wohin man blickt. Ein Schiff, die Segel zerfetzt, die<br />
Masten geborsten, tanzt als Spielball auf hochpeitschenden<br />
Wellen. Zwölf Tage hält dieses Tosen bereits an, und<br />
das Schiff, die „Esmeralda", ist dem Untergang geweiht, ebenso<br />
die Mannschaft. Mit einer Ausnahme, die über Bord gespült wird<br />
wie die anderen, aber später aus halber Bewusstlosigkeit an einem<br />
Ort erwacht, der ihr wie das Paradies erscheinen muss, wegen<br />
seiner Schönheit und weil es ihn, den Seekarten nach, unmöglich<br />
geben kann: ein Sandstrand unter tiefblauem Himmel, von Palmen<br />
gesäumt. Die Rede ist von Robinson Crusoe. Und wir haben<br />
das alles mit eigenen Augen gesehen!<br />
Die lange Tradition der sogenannten ZDF-Adventsvierteiler begann<br />
mit Schreckensbildern eines Desasters, und man ahnte seinerzeit<br />
weder etwas davon, zu welcher Langlebigkeit sie es bringen<br />
würde, noch hatte sie bereits den Sendeplatz gefunden, der ihr einst<br />
den umgangssprachlichen N<strong>am</strong>en geben würde. In vollständiger<br />
Feierlichkeit lautete der Titel dieses ersten Vierteilers „Die selts<strong>am</strong>en<br />
und einzigartigen Abenteuer des Robinson Crusoe aus York", und er<br />
startete <strong>am</strong> 3. Oktober 1964.<br />
Ohne einen Mann n<strong>am</strong>ens Henri Deutschmeister hätte es die Tradition<br />
der ZDF-Abenteuervierteiler nie gegeben. Als deutscher Jude in<br />
Rumänien geboren, musste er im Zweiten Weltkrieg aus seiner Heimat<br />
Seite 92 ■ GoodTimes 1/2015
Der<br />
Juris<br />
t<br />
W<br />
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ütz<br />
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mmer<br />
entdec<br />
deckt.<br />
und Presse waren begeistert –,<br />
und die aufwändigen vierteiligen<br />
Fernsehverfilmungen nach klassischen<br />
Romanen der Abenteuerliteratur wurden<br />
fortgesetzt und in den 60er<br />
und 70er <strong>Jahre</strong>n die Schlager des<br />
ZDF-Progr<strong>am</strong>ms. 1965 folgte "<br />
Don<br />
Quijote von der Mancha" nach<br />
Cervantes. Der verspätete Ritterauszug<br />
„jenes Junkers, der die Mängel alles<br />
Irdischen erkannte und mit seinem<br />
Diener Sancho auszog, um sie zu verbessern",<br />
ließ die Hauptfigur augenemigrieren<br />
und wurde später erfolgreicher<br />
Filmproduzent in Paris. In den frühen 60er<br />
<strong>Jahre</strong>n suchte er nach internationalen<br />
Coproduktionspartnern für ein aufwändiges,<br />
großangelegtes Fernsehvorhaben,<br />
eine mehrstündige Adaption von Daniel<br />
Defoes Roman „Robinson Crusoe" in für<br />
d<strong>am</strong>alige Fernsehverhältnisse verblüffend<br />
opulentem, visuell <strong>am</strong> Kinofilm orientiertem<br />
Stil.<br />
Z<br />
Robinson (Robert Hoffmann)<br />
und Freitag (Fabian Cevallos)<br />
u diesem Zeitpunkt war gerade<br />
frisch ein neuer deutscher<br />
Fernsehsender n<strong>am</strong>ens „Zweites Deutsches Fernsehen" – was die<br />
Übersichtlichkeit der einstigen Sendervielfalt illustriert – gegründet<br />
worden, und er steckte noch vollends in den Kinderschuhen, ablesbar<br />
schon an den Räumlichkeiten, einem Barackenprovisorium. Dieses<br />
junge, noch alles andere als finanzkräftige ZDF sollte sich an einem<br />
derart kühnen und teuren Projekt beteiligen? Undenkbar!<br />
Und es wäre in der Tat undenkbar gewesen, hätte es nicht<br />
eine überaus glückliche Konstellation gegeben und hätte sich<br />
Deutschmeister nicht als ein so ungemein großzügiger Partner erwiesen.<br />
Deutschmeister war mit dem deutschen Produzenten Walter Ulbrich<br />
befreundet, der in Frankreich als Autor des Filmklassikers „Unter den<br />
Brücken" einen exzellenten Ruf genoss<br />
und der wiederum beim d<strong>am</strong>als zuständigen<br />
ZDF-Redakteur Stefan Barcava<br />
offene Ohren fand. Alle drei einte die<br />
Begeisterung für die Literatur und die<br />
Grundüberzeugung vom Fernsehen als<br />
einem durchaus <strong>kult</strong>urellen Ort. Die Idee<br />
einer Reihe entwickelte sich, mit klarem<br />
Konzept: Adäquate, das heißt werkgetreue<br />
und ausführliche Verfilmungen<br />
von Klassikern der Weltliteratur sollten<br />
ein Stück literarische Bildung vermitteln,<br />
zugleich angesichts ihres Reiseund<br />
Abenteuercharakters Unterhaltung<br />
und Staunen versprechen. Die Welten, in<br />
denen diese Vierteiler spielen, sind in den<br />
60er <strong>Jahre</strong>n bedeutend entfernter und<br />
exotischer gewesen, als sie es angesichts<br />
der heutigen Selbstverständlichkeit des<br />
Ferntourismus sind. Und insbesondere<br />
Ulbrich und Barcava waren sich einig:<br />
Das Literarische, der Erzählsound der<br />
Vorlagen, sollte erhalten bleiben.<br />
Robinson Crusoe" wurde im Sommer 1963 gedreht, nach einem<br />
„ Drehbuch von Jean Paul Carrière (der später an internationalen<br />
Filmerfolgen wie „Belle de Jour", „Die unerträgliche Leichtigkeit des<br />
Seins" oder „Cyrano de Bergerac" mitarbeiten würde), Pierre Reynal<br />
und Jacques Sommet. Allerdings: Es gibt zwei „Robinson Crusoe"-<br />
Fassungen, eine internationale, die unter anderem in Frankreich, Italien,<br />
Großbritannien und den USA lief, und eine deutsche, die sich in verblüffender<br />
Weise unterscheidet.<br />
Walter Ulbrich war ein künstlerisch anspruchsvoller Produzent, der<br />
in seinen Projekten förmlich lebte, mit starker innerer Anteilnahme<br />
an Stoff, Figuren und Konflikten. Und er war ein Perfektionist, der<br />
keine Kompromisse eingehen wollte, wenn er Substanz und Atmosphäre<br />
seiner Filme gefährdet sah. Die internationale Fassung vernachlässigte<br />
Defoes Vorlage an entscheidenden Stellen, war routiniert, aber nicht<br />
übertrieben intelligent geschnitten, und vereinfachte den Stoff. Ulbrich<br />
als erfahrener Drehbuchautor und Cutter hatte Besseres im Sinn, nahm<br />
das Ausgangsmaterial und montierte es neu und anders. Er veränderte<br />
die Reihenfolge der Szenen und variierte sie in sich. D<strong>am</strong>it verlieh<br />
er dem Film einen neuen<br />
Rhythmus. Die Tatsache,<br />
dass „Robinson Crusoe"<br />
synchronisiert werden musste,<br />
gab ihm Gelegenheit,<br />
ganze Dialogpartien inhaltlich<br />
umzuschreiben. Beide<br />
Fassungen haben einen Ich-<br />
Erzähler, aber Ulbrich lehnte<br />
sich wesentlich stärker<br />
an Defoe an und brachte so<br />
die literarische Sprache der<br />
Mit einem selbst gebauten Floß<br />
birgt Robinson Vorräte<br />
aus dem Wrack der "<br />
Esmeralda"<br />
Vorlage zur Geltung. Und<br />
Ulbrich ging noch einen<br />
Schritt weiter:<br />
Ein wichtiges Grundmotiv in Defoes Roman sind die Gespräche<br />
zwischen dem abenteuerhungrigen Robinson und seinem gütigen<br />
Vater, der nach dem Verlust zweier draufgängerischer Söhne Robinson<br />
zur Mäßigung und zu einem geordneten Leben rät. Die internationale<br />
Fassung verkehrt Defoe geradezu ins Gegenteil: Der Vater wirkt streng,<br />
nüchtern, abweisend. Ulbrichs Anspruchsdenken schauderte vor derlei<br />
Fehlinterpretationen jäh zurück – er zückte seinen Defoe, schrieb die<br />
entsprechenden Szenen völlig neu und ließ sie tatsächlich ausschließlich<br />
für die deutsche Fassung ein zweites Mal drehen. Stimmiger,<br />
ausführlicher, der literarischen Vorlage gemäß. Wer die internationale<br />
Fassung und die Ulbrichs vergleicht, wird feststellen, dass die deutsche<br />
um Längen besser ist: griffiger, dr<strong>am</strong>atischer, plausibler und komplexer.<br />
Die Summe dieser Eingriffe erklärt,<br />
warum in der deutschen Fassung ein<br />
gewisser Eugen von Metz die Riege der<br />
Drehbuchautoren anführt. „Von Metz"<br />
ist eigentlich „aus Metz" – denn es<br />
handelt sich um ein Pseudonym des<br />
1910 in Metz geborenen Ulbrich.<br />
Robinson Crusoe" bildete den<br />
„ gefeierten Auftakt – Publikum<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 93
Knappe Sancho, kurzfristig zum Gouverneur<br />
ernannt, kniet zum Abschied vor Don Quijote<br />
Sancho (Roger Carrel) erzählt von Don Quijotes Heldentaten<br />
Um Don Quijote von seinem Wahn zu befreien,<br />
tritt ein selts<strong>am</strong>er zweiter Ritter auf den Plan<br />
zwinkernd schillern zwischen wahnhafter Narretei und bewusster<br />
Entscheidung, einer enttäuschenden und banalen Realität zu entfliehen.<br />
Als enttäuschende Realität erwies sich indes – nicht ganz<br />
unverständlich – die Resonanz des Publikums. Obwohl Regisseur und<br />
Drehbuchautor Carlo Rim und Walter Ulbrich in der Bearbeitung des<br />
Erzählerkommentars mitunter zu großer Form aufliefen, fehlte es an<br />
übergeordneten Spannungsbögen. Die Geschichte zerfiel, der Vorlage<br />
gemäß, in schwankhafte Episoden, deren Grundmotive sich oft ähnlich<br />
wiederholten. Zudem wirkte das ländlich-religiös<br />
geprägte Milieu gerade Mitte<br />
der 60er <strong>Jahre</strong>, also in einer vorwärtsgerichteten<br />
Umbruchzeit, etwas angestaubt.<br />
Nicht zu reden natürlich auch<br />
von der Tatsache, dass ein Herumtreiber<br />
im Teenageralter wie Robinson den<br />
Geschmack der Jugendlichen viel mehr<br />
ansprach als ein in die <strong>Jahre</strong> kommender<br />
Fantast.<br />
Robinson Crusoe" und „Don Quijote"<br />
„ hatte Walter Ulbrich bereits nach<br />
seinen Vorstellungen überarbeiten<br />
und veredeln können, aber der<br />
erste Abenteuervierteiler, der vollends<br />
seine künstlerische Handschrift trug,<br />
wurde 1966 "<br />
Die Schatzinsel".<br />
Ulbrich schrieb das Drehbuch, leitete<br />
die Produktion und schnitt diesen<br />
unvergänglichen Fernsehklassiker, der<br />
fast ein halbes Jahrhundert nach seiner<br />
Erstausstrahlung immer noch nichts an<br />
Frische und Überzeugungskraft eingebüßt<br />
hat. „Die Schatzinsel" war übrigens<br />
gewissermaßen der letzte Vierteiler in<br />
SW und zugleich der erste in Farbe. Auf<br />
sattem 35mm-Farbfilm gedreht, hatte<br />
er seine Premiere in einer noch rein<br />
schwarz-weißen deutschen Fernsehwelt<br />
und konnte gleich ein Jahr später in herrlich leuchtender<br />
Farbenpracht wiederholt werden. 1966 war aber auch<br />
die Premiere eines neuen Termins: Die ersten beiden<br />
ZDF-Vierteiler waren jeweils im Oktober des <strong>Jahre</strong>s<br />
gezeigt worden, nun erst zog „Robinson Crusoe" in der<br />
Wiederholung auf jenen Sendeplatz um, welcher der<br />
Tradition schon bald ihren N<strong>am</strong>en geben sollte, auf die<br />
Adventssonntage.<br />
Die Leidgeprüften aus den unvordenklichen<br />
Zeiten, in denen Begriffe und Gerätschaften wie<br />
Videorekorder, DVD, Festplatte, YouTube oder USB-<br />
Recording noch völlig unbekannt waren, werden<br />
sich düster erinnern, dass gerade diese ersten beiden<br />
Abenteuervierteiler jahrzehntelang ungezeigt im Archiv<br />
verstaubten. Als Schwarzweiß-Produktionen galten sie<br />
in der immer bunter werdenden Fernsehwelt bald als Relikte. Von „Don<br />
Quijote" hieß es nach der letzten Ausstrahlung 1976 seitens des ZDF<br />
gar, es gebe keinerlei sendefähiges Material davon mehr. Er ist dann<br />
irgendwie aber doch noch von den Toten auferstanden, denn seit 2006<br />
sind beide Vierteiler ohne Schwierigkeiten auf DVD zu erwerben, und<br />
zwar in feinster Bildqualität.<br />
Walter Ulbrich wollte – nach seinen weiteren großen<br />
Vierteilerklassikern wie "<br />
Tom Sawyers und Huckleberry<br />
Finns Abenteuer" (1968), „Die Lederstrumpf-Erzählungen" (1969),<br />
„Der Seewolf" (1971), „Lockruf<br />
des Goldes" (1975) oder „Michael<br />
Strogoff" (1976) – „seine" Vierteiler,<br />
die er mit „Robinson Crusoe" begonnen<br />
hatte, auch mit „Robinson<br />
Crusoe" beenden, mit einem Farb-<br />
Remake, dessen Ausstrahlung eigentlich<br />
für 1979 oder 1980 geplant<br />
war. Ulbrichs inhaltliche Vorarbeiten<br />
waren weit gediehen. Und er wusste,<br />
dass eine reine – überraschungslose<br />
– 1:1-Neuauflage, die ohne jede<br />
inhaltliche Änderung den Vierteiler<br />
von 1964 lediglich noch einmal<br />
in Farbe nachstellte, die Zuschauer<br />
würde enttäuschen müssen.<br />
Jim Hawkins erklimmt das<br />
Achterdeck der "<br />
Hispaniola"<br />
Ulbrich fügte deshalb<br />
geschickt neue Details<br />
und Handlungsvarianten, auch<br />
neue Nebenfiguren ein, die die<br />
Grundsubstanz von Defoes Stoff<br />
nicht berühren, ihm aber Frische und<br />
zusätzliche Spannungsmomente verleihen<br />
würden. Da gibt es beispielsweise<br />
einen Schneidersohn, der die<br />
Sehnsucht des 18-jährigen Robinson<br />
nach Seefahrerruhm teilt. Weil der<br />
Jim Hawkins (Michael Ande)<br />
und John Silver (Ivor Dean) auf der "<br />
Schatzinsel"<br />
Vater dieses Schneidersohns jedoch darauf besteht, dass sein Sprössling<br />
sein eigenes Handwerk übernimmt, hackt sich dieser kurzerhand den<br />
© Pressefotos<br />
Seite 94 ■ GoodTimes 1/2015
Auch wie Robinson in die Gefangenschaft maurischer Piraten aus<br />
Salé gerät, ist neu und furios geschildert. Bei dickstem Nebel<br />
nähern sie sich lautlos in mehreren Booten mit umwickelten Rudern<br />
dem vor der afrikanischen Küste liegenden Schiff, das Robinson an<br />
Bord führt, und starten einen Überfall, den der englische Kapitän mit<br />
knapper Not zurückschlägt. Die Piraten werden in ihre Boote zurückgetrieben,<br />
und ein davon vollends entzückter Robinson springt ihnen,<br />
Die Mississippi-Helden Jim, Tom und Huck in der meisterhaften Klassikerverfilmung von 1968<br />
Fingerhutfinger ab, so dass der Vater bestürzt klein beigeben muss.<br />
Robinson bewundert seinen Freund maßlos und würde es ihm gerne<br />
nachtun. Wenn nur nicht der Verlust von Gliedmaßen wäre! „Kurz,<br />
Robinsons heldische Fantasie ist stärker als seine Entschlossenheit."<br />
den Säbel schwingend und mit wildem Geschrei, hinterher, selbstverständlich<br />
in der sicheren Gewissheit, dass die anderen seinem Beispiel<br />
folgen. „Nichts Derartiges geschieht." Selten ist ein angehender Held so<br />
sang- und klanglos in Gefangenschaft geraten, und eleganter lässt sich<br />
Robinsons Mischung aus Abenteuerbegeisterung, Heldenflausen und<br />
lebensunerfahrener Naivität nicht auf den Punkt bringen.<br />
Ulbrichs Skript für das Remake ist voller gelungener neuer Ideen,<br />
und es ist bedauerlich, dass es nicht zur Ausführung k<strong>am</strong>. Altersund<br />
Gesundheitsgründe zwangen Ulbrich in den Ruhestand; statt sich<br />
mit Robinson noch einmal auf eine eins<strong>am</strong>e Insel verschlagen zu lassen,<br />
musste er seine Produktionsfirma Tele München verkaufen. „Die<br />
Abenteuer des David Balfour" (1978) blieb so die letzte Produktion, die<br />
Ulbrich selbst noch auf den Weg bringen konnte.<br />
Michael Klein<br />
DALIAH LAVI<br />
Ich bin dein Freund (1972)<br />
Meine Art, Liebe zu zeigen (1972)<br />
Café Decadence (1975)<br />
Neuer Wind (1976)<br />
Bei dir bin ich immer noch Zuhaus (1978)<br />
CHRISTIAN ANDERS<br />
Geh' nicht vorbei (1970)<br />
Ich lass' dich nicht geh'n (1971)<br />
Es fährt ein Zug nach Nirgendwo (1972)<br />
Eins<strong>am</strong>keit hat viele N<strong>am</strong>en (1974)<br />
Der letzte Tanz (1975)<br />
NINO DE ANGELO<br />
Junges Blut (1983)<br />
Jenseits von Eden (1984)<br />
Zeit für Rebellen (1984)<br />
Ich suche nach Liebe (1986)<br />
Durch 1000 Feuer (1987)<br />
WWW.FACEBOOK.COM/SCHLAGERORIGINALE<br />
WWW.ORIGINALE.CD<br />
ROY BLACK<br />
Im Land der Lieder (1970)<br />
Wo bist du (1970)<br />
Eine Liebesgeschichte (1971)<br />
Träume in S<strong>am</strong>t und Seide (1971)<br />
Wunderbar ist die Welt (1972)<br />
FREDDY QUINN<br />
Die Stimme der Heimat (1965)<br />
Das große Wunschkonzert (1967)<br />
Viva Mexico (1968)<br />
Wo meine Sonne scheint (1970)<br />
Singt die schönsten deutschen Volkslieder (1977)
Wundertüten:<br />
Bunte Abwechslung im tristen<br />
Nachkriegs-Alltag<br />
Die Nachkriegszeit war für viele Menschen geprägt durch<br />
zahlreiche Entbehrungen und harte Arbeit. Auch das Leben<br />
der Kinder und Jugendlichen – s<strong>am</strong>t ihrer Wünsche, Träume,<br />
Erwartungen und Sehnsüchte – gestaltete sich der Zeit entsprechend<br />
eher bescheiden. Wundertüten bildeten da eine<br />
oft heiß ersehnte Abwechslung und waren in den <strong>50</strong>er und<br />
60er <strong>Jahre</strong>n die wichtigste Quelle, e, aus<br />
der<br />
viele Heranwachsende aller Altersklassen l ssen<br />
ihr<br />
Spielzeug eug bezogen.<br />
Die beliebten Wundertüten wurden an allen Kiosken<br />
und in vielen so genannten Tante-Emma-Läden -Läden<br />
zum Taschengeldpreis anfangs von zehn<br />
Pfennigen angeboten. Neben dem Spielzeug enthielten<br />
die bunten Tüten immer auch Süßigkeiten, meistens ens<br />
Puffreis, und so bildeten sie einen doppelten Reiz, vergleichbar<br />
mit den Überraschungseiern in jüngerer Zeit.<br />
Die<br />
geniale Idee, mit<br />
bunten und billigen<br />
Wundertüten (viel) Geld zu<br />
verdienen, st<strong>am</strong>mte von zwei<br />
Kaufleuten aus B<strong>am</strong>berg.<br />
1952 begannen Hugo Hein<br />
und sein Bürokaufmann<br />
Manfred Urban,<br />
Wundertüten unter dem Firmenn<strong>am</strong>en<br />
Heinerle zu verkaufen. Hugo Hein<br />
bereiste die Umgebung und kaufte<br />
Spielzeug-Restbestände, Remittenden<br />
und Konkursware auf. Der Verkauf der<br />
Heinerle-Wundertüten startete gleich<br />
sehr erfolgreich, und schon bald konnte das angekaufte<br />
Spielzeug den Bedarf nicht mehr decken. Die beiden Geschäftsleute<br />
beschlossen deshalb kurzerhand, die Spielfiguren in Eigenregie zu produzieren.<br />
Schon wenig später wurde die<br />
Firma Manurba-Plastik gegründet.<br />
Um das Jahr 1961 herum gab es dann<br />
die Afrika-Heinerle-Tüten überall <strong>am</strong><br />
Kiosk zu kaufen. Die Afrika-Figuren<br />
stießen bei vielen Kindern auf besonders<br />
große Gegenliebe, denn sie waren mit<br />
sehr viel Aufwand modelliert und anatomisch<br />
korrekt umgesetzt worden. Die<br />
menschlichen Figuren entsprachen etwa<br />
dem Maßstab 1:32 und hatten alle eine Größe von 54 mm. Die<br />
Eingeborenenfiguren waren mit Ringhänden ausgestattet und<br />
dadurch in der Lage, Werkzeuge oder Waffen zu tragen und<br />
diese auch zu wechseln. Eine faszinierend geniale Idee!<br />
In die Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
fiel auch die Blütezeit der<br />
Western. Im Kino brachte uns<br />
Fuzzy zum Lachen, und auf<br />
der Mattscheibe versäumten wir<br />
Kinder keine Folge von „Am Fuß<br />
der blauen Berge" und „Bonanza".<br />
Dann<br />
k<strong>am</strong> „Winnetou" in berauschenden<br />
Bildern auf die große<br />
Leinwand, und die Firma Heinerle reagierte<br />
sofort: Gleich nach dem erfolgreichen<br />
Kinostart von „Der Schatz im Silbersee"<br />
wurde die Karl-May/Wild-West-Serie entwickelt.<br />
Modelleur der neuen Serie war<br />
Wilhelm Limpert, der auch schon die<br />
Afrika-Serie entworfen hatte. Wie die Tiere der afrikanischen i Wildnis<br />
i<br />
waren auch die Karl-May-Figuren von bestechender Qualität.<br />
In den <strong>50</strong>er und 60er <strong>Jahre</strong>n erfreuten<br />
sich neben den Spielfiguren besonders<br />
Comic-Hefte, d<strong>am</strong>als Bilderhefte genannt,<br />
bei den Kindern und Jugendlichen großer<br />
Beliebtheit. Viele dieser Serienhefte waren,<br />
mit wenigen Ausnahmen, schnell und<br />
billig produzierte Massenware, und das<br />
knallbunte Titelbild versprach oft mehr,<br />
als der Inhalt dann hergab. Besonders<br />
in den <strong>50</strong>ern waren es die streifenförmigen<br />
Piccolo-Heftchen, die hohe Auflagen<br />
Seite 96 ■ GoodTimes 1/2015
erreichten und<br />
auch in der<br />
Schule<br />
im<br />
Unterricht<br />
unterm<br />
Tisch<br />
von<br />
vielen<br />
Kindern gerne<br />
gelesen wurden.<br />
Allerdings<br />
durfte man<br />
sich nicht erwischen<br />
lassen,<br />
denn diese<br />
Heftchen galten<br />
als ganz schlimmer Schund.<br />
Wurde man beim Schmökern in dieser Art von Literatur erwischt, wurde<br />
das Heft eingezogen, oftmals vom Lehrer sofort zerrissen, und es gab als<br />
Zugabe obendrauf noch ein heißes Ohr.<br />
Es musste also zwangsläufig irgendwann zu einer Verschmelzung von<br />
Wundertüte und Comic-Heft kommen. Wer nun zuerst auf diese glorreiche<br />
Idee verfiel, der Heftchen-Verleger Gerstmeyer oder der Wundertüten-<br />
Hersteller Heinerle, ist nicht eindeutig belegt. 1957 entwickelte sich<br />
jedenfalls eine Kooperation zwischen den beiden Firmen. Besonders<br />
das beliebte Piccolo-<br />
Format schien für<br />
das Bestücken<br />
von Wundertüten<br />
geeignet zu sein,<br />
und so wurde<br />
bereits vorhandenes<br />
Bildmaterial mit<br />
der Schere für das<br />
Streifenformat bearbeitet<br />
und mit einem neuen Titelbild<br />
versehen. Insges<strong>am</strong>t erschienen so<br />
vier Serien mit jeweils 20 Heften. Die<br />
Serientitel lauteten: „Testpilot Speedy",<br />
„Wildtöter", „Robinson" und „Ahoi".<br />
Alle diese speziell für Wundertüten<br />
produzierten Hefte sind heute sehr<br />
selten und entsprechend teuer, aber<br />
es gibt zum Glück auch preisgünstige<br />
Faksimile-Nachdrucke.<br />
Zu den größten<br />
Bilderheft-<br />
Produzenten der<br />
<strong>50</strong>er und 60er<br />
<strong>Jahre</strong> gehörte<br />
auch Walter<br />
Lehning, der von<br />
Hannover aus<br />
Woche für Woche<br />
ganz Deutschland, Österreich und<br />
die Schweiz mit bunten Heftchen<br />
versorgte. Die Produkte des Lehning-<br />
Verlages, besonders die Streifenhefte,<br />
wurden in sehr hohen Auflagen<br />
produziert, aber es gab auch viele<br />
Remittenden. Der Verleger Walter<br />
Lehning jedoch war von einer baldigen<br />
Wiedervereinigung Deutschlands<br />
überzeugt und hatte <strong>am</strong> Rande von<br />
Hannover eine große Scheune angemietet,<br />
die schon bald randvoll mit bunten Bilderheftchen h gefüllt war.<br />
Mit diesen Heften wollte Lehning nach der Wiedervereinigung den<br />
ostdeutschen Markt überfluten – doch dann wurde im August 1961 die<br />
Mauer gebaut. Der Traum vom großen Geschäft im Osten zerplatzte wie<br />
eine Seifenblase im Wind.<br />
verkauften sich hervorragend.<br />
Walter Lehning bot nun sein<br />
„totes Kapital" der Firma<br />
Heinerle an, und die vielen<br />
bunten Heftchen landeten in<br />
den Wundertüten. Zwischen<br />
1962 und 1969 wurden die<br />
überschüssigen<br />
Lehning-<br />
Comics aber auch an andere<br />
Wundertüten-Vertreiber<br />
verkauft. Für unzählige<br />
Kinder war das ein Segen.<br />
Die Wundertüten wurden<br />
von Süßwarenhändlern auf<br />
Jahrmärkten angeboten und<br />
Voll erwartungsvoller Spannung wurden die Wundertüten sofort an Ort<br />
und Stelle aufgerissen, und das heißersehnte<br />
Heftchen wurde in Augenschein<br />
genommen. Die jetzt nutzlose<br />
Wundertüte ließ man einfach achtlos<br />
auf den Boden fallen. Entsprechend<br />
selten ist so eine leere Tüte heutzutage<br />
und kann im Comic-Fachhandel schon<br />
mal locker 70 Euro<br />
oder mehr kosten.<br />
Nun gut, die<br />
Wundertüten-<br />
Figuren der Firma<br />
Heinerle und die<br />
bunten Bilderhefte e<br />
sind heute natürlich<br />
weniger geeignet für Leute unter <strong>50</strong>. Sie sind<br />
eigentlich nichts Besonderes, und<br />
doch geht von ihnen ein Zauber<br />
aus, der aber nur jene Menschen<br />
erreicht, die als Kind mit diesen<br />
billig gemachten Produkten aufgewachsen,<br />
inzwischen alt und<br />
oft schon grauhaarig, aber tief in<br />
ihrem Herzen Kind geblieben sind.<br />
Ja, ein regelrechtes ungeahntes<br />
Glücksgefühl können diese alten<br />
Spielfiguren und Bilderhefte aus den Wundertüten bei<br />
manchen Menschen hervorrufen. Längst vergessene<br />
Erinnerungen und Kindheitserlebnisse werden plötzlich<br />
wieder lebendig.<br />
Das kann der Interessierte problemlos einmal ausprobieren.<br />
Viele der Heinerle-Wundertüten-Figuren<br />
kann man heute bei einem Spezialisten noch relativ<br />
preiswert bestellen, und es gibt auch schön bebilderte<br />
Kataloge. Wer Lust hat, schaue einfach mal unter www.<br />
kuschel-muschel.de nach – und vielen<br />
Nachkriegskindern wird es warm<br />
ums Herz werden ...<br />
Die Freunde von „Akim", „Sigurd",<br />
„Tibor", „Nick" und „Falk" müssen<br />
da schon etwas tiefer in die Tasche<br />
greifen, wenn sie den Duft des über<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> alten Papiers genießerisch<br />
auf sich einwirken lassen wollen.<br />
Aber den Zeitsprung zurück in die<br />
unbeschwerte Kindheit it ermöglicht auch hier schnell und zuverlässig<br />
Dieter Kirchschlager aus Bischberg (www.nostalgiecomics.de), der<br />
Spezialist für Faksimile-Nachdrucke von Comics der <strong>50</strong>er und 60er <strong>Jahre</strong><br />
(eine Angebotsliste wird kostenlos zugeschickt).<br />
Hans-Joachim Neupert<br />
GoodTimes 1/2015 ■ Seite 97
Von Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />
Fotos: © Sony Music<br />
Oliver Bertr<strong>am</strong> war gerade mal<br />
17, als er Anfang 1987 begann, in<br />
der Redaktion von „Formel Eins” zu<br />
werkeln, der zu jener Zeit angesagtesten Musik-<br />
Fernsehsendung im deutschsprachigen Raum.<br />
Zunächst arbeitete der Münchner als Assistent, im<br />
Rahmen seiner knapp zwei <strong>Jahre</strong> vor Ort schaffte es<br />
der frühere Kabelträger beim Bayerischen Rundfunk<br />
schließlich aber bis zum Redakteur.<br />
Es war eine spannende Zeit d<strong>am</strong>als, geprägt von<br />
Aufbruchstimmung”, schwärmt der charmante<br />
Sonnyboy bis heute. „Ich war der Jüngste im<br />
Te<strong>am</strong>, offen für ziemlich jede Art von Musik, besaß<br />
eine Nase für neue Trends. Diesen Umstand haben<br />
die Plattenfirmen und ihre Promoter bald bemerkt,<br />
schnell wurde ich nur so zugeballert mit unglaublichen<br />
Mengen an Promomaterial. Alle Labels wollten,<br />
dass ihre Newcomer wie ihre etablierten Künstler bei<br />
uns in der Sendung auftreten – vor allem natürlich<br />
die unbekannten Jungen, die bis dato nicht in<br />
den Charts vertreten waren. Immerhin: Rund<br />
30 Prozent meiner persönlichen Kandidaten<br />
habe ich bei meinen Kollegen, oft nach hitzigen<br />
Diskussionen in der Konferenz, für die<br />
Sendungen durchgekriegt.”<br />
„Formel Eins” ging im April 1983 bei<br />
der ARD an den Start, im Dezember 1990<br />
lief die (vorerst) letzte von 307 Folgen über die<br />
Mattscheiben in Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz. Vier Moderatoren waren in den knapp acht <strong>Jahre</strong>n<br />
Laufzeit hintereinander <strong>am</strong> Start: Peter Illmann, Ingolf<br />
Lück, Stefanie Tücking und Kai Böcking. „Als ich zum Te<strong>am</strong><br />
stieß”, erinnert sich Oliver Bertr<strong>am</strong>, „steckte Stefanie bereits<br />
in ihrer Schlussphase. Doch obwohl es dieses Format schon<br />
einige Zeit gab, waren wir alles<strong>am</strong>t hochmotiviert. ‚Formel<br />
Eins' war in den späten 1980er <strong>Jahre</strong>n garantiert stil- und<br />
meinungsbildend vor allem bei den jungen Zuschauern. Es<br />
gab noch nicht die Konkurrenz von MTV und Viva. Und wir hatten<br />
einen<br />
super Etat, Geld spielte in jener Ära so gut wie keine Rolle<br />
bei den<br />
Fernsehsendern. Dadurch waren unserer Kreativität natürlich<br />
Tür und<br />
Tor geöffnet!” Und nicht nur der Kreativität: „Hinter den<br />
Kulissen”, erinnert sich Oliver Bertr<strong>am</strong> lachend, „k<strong>am</strong> es immer wieder<br />
zu Exzessen! Sex & Drugs & Rock'n’Roll, diese Klischees erfüllten wir<br />
durchaus auch in der Realität. N<strong>am</strong>en nenne ich da lieber nicht, aber<br />
es k<strong>am</strong> dennoch zu Techtelmechteln unter Stars, und auch die Liste<br />
der Wünsche, die so manche Künstler unserem Sekretariat meist per<br />
Fax zukommen ließen, waren nicht von schlechten Eltern: exklusiver<br />
Schnaps, willige Groupies, unterschiedlichste Arten von Drogen. Wir<br />
versuchten, möglichst viele dieser Wünsche zu erfüllen, d<strong>am</strong>it die<br />
Musiker bei Laune blieben.”<br />
Wie auch immer, der heute 45-jährige Bertr<strong>am</strong> hat beinahe<br />
ausschließlich gute Erinnerungen an seine „Formel<br />
Eins”-Zeit, wie er feststellt: „Da der finanzielle Aspekt<br />
praktisch keine Rolle spielte, konnten wir qualitativ auf<br />
hohem Niveau arbeiten, was heutzutage gar nicht mehr<br />
vorkommt. Außerdem war unsere Sendung auch vielen<br />
ausländischen Stars ein Begriff, die meisten von<br />
ihnen wollten bei uns auftreten. ‚Formel<br />
Eins' war anerkannt und einzigartig! Es<br />
war eine Werbeshow für Musik, keine<br />
Frage. Aber die haben wir sehr clever<br />
verpackt.” Ende 1990 war es mit<br />
der „clever verpackten Fernsehshow”<br />
dann vorbei, Oliver Bertr<strong>am</strong>s eigene<br />
Karrierekarawane war längst weitergezogen,<br />
heute ist der Mittvierziger<br />
K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>ann und Produzent in seiner<br />
eigenen Firma. Doch der „Mythos Formel<br />
Eins” lebt: Im letzten Jahr wurde groß – und<br />
erfolgreich – mit einigen Veröffentlichungen das 30-jährige<br />
Jubiläum der Sendung begangen. Diesen Oktober gibt es<br />
auf RTL Nitro zunächst zehn neue Sendungen der Reihe mit<br />
Urgestein Peter Illmann in vorderster Reihe.<br />
Außerdem hat Sony Music gerade weitere<br />
CD-Boxen sowie eine DVD-Box s<strong>am</strong>t frischer<br />
TV-Dokumentation veröffentlicht.<br />
Wahrer Kult lebt eben ewig weiter …<br />
Aktuell im Handel: 3er-DVD- und 3er-CD-Box<br />
Seite 98<br />
■ GoodTimes 1/2015
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