18.10.2014 Aufrufe

kult! Eis am Stiel, 50 Jahre Nutella, Rockpalast u.v.m. (Vorschau)

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David Bowie<br />

Nothing has changed.<br />

Die definitive David Bowie S<strong>am</strong>mlung - mit seinen größten Songs aus den<br />

<strong>Jahre</strong>n 1964 - 2014 inkl. der neuen Single „Sue (Or In Season Of Crime)“<br />

plus weiterem, bisher unveröffentlichtem Material<br />

3CD und Download<br />

mit 59 Songs<br />

2CD und Download<br />

mit 39 Songs<br />

2LP und Download<br />

mit 20 Songs<br />

Ab 14. November<br />

Sue (Or In A Season Of Crime)<br />

10“ Vinyl und Download<br />

David Bowie Is – der Kinofilm zur Sensationsaustellung.<br />

Ab 18.11. in den deutschen Kinos.<br />

www.davidbowie.com/davidbowieisfilm<br />

www.davidbowie.com - www.warnermusic.de


IMPRESSUM<br />

Anschrift:<br />

NikMa Verlag<br />

Fabian Leibfried<br />

Eberdinger Straße 37<br />

71665 Vaihingen/Enz<br />

Tel.: 0 70 42/37660-160<br />

Fax: 0 70 42/37660-188<br />

E-Mail: goodtimes@nikma.de<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />

Herausgeber und Chefredakteur:<br />

Fabian Leibfried<br />

Mitarbeiter:<br />

Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Kathrin<br />

Bonacker, Kirsten Borchardt, Lothar Brandt,<br />

Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck, Hans-Jürgen<br />

Günther, Peter Henning, Christian Hentschel,<br />

Teddy Hoersch, Hugo Kastner, Andreas<br />

Kötter, Bernd Matheja, Kati Naumann, Helmut<br />

Ölschlegel, Thorsten Pöttger, Alexander Querengässer,<br />

Sven Rachner, Philipp Roser, Roland<br />

Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz, Eckhard<br />

Schwettmann, Christian Simon, Alan Tepper,<br />

Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit, Uli Twelker,<br />

Peter Verhoff, Thomas Wachter, Jürgen Wolff<br />

Abonnements, Shop:<br />

Andrea Leibfried<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />

Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />

Vertrieb:<br />

IPS Pressevertrieb GmbH<br />

Postfach 1211<br />

53334 Meckenheim, Tel: 0 22 25/88 01-0<br />

Druckerei:<br />

Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Str. 168<br />

34121 Kassel<br />

Erscheinungsweise:<br />

2x jährlich<br />

Copypreis:<br />

Einzelheft: 6,<strong>50</strong> € (Preis inkl. 7% MwSt.)<br />

Abonnement:<br />

siehe Seite 67<br />

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Titelfoto:<br />

Sophia Loren: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Story &<br />

Poster<br />

Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />

Fällt der Begriff Retro", rümpfen Feuilletonisten gerne die Nase;<br />

"<br />

viele verwenden ihn mit einem negativen Beigeschmack. Bei der<br />

breiten Masse hingegen ist Retro" in aller Regel positiv besetzt.<br />

"<br />

Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass etwa im Bereich der<br />

Fabian Leibfried<br />

-Herausgeber/Chefredakteur-<br />

Musik regelmäßig Retro-Wellen aus den Lautsprechern tönen. Junge Musiker greifen<br />

gerne die Vorlagen der musikalisch Altvorderen auf, setzen diese in ihrem Sinne<br />

neu um, vielleicht auch mit modernen Ansätzen. Retro-Rock der späten 60er und<br />

frühen 70er <strong>Jahre</strong> ist derzeit wieder schwer angesagt, die Disco-Welle schwappte vor<br />

nicht allzu langer Zeit erneut durch die Lande, der Gl<strong>am</strong>-Rock wird immer wieder<br />

aufgefrischt – ganz zu schweigen vom Blues, der seit Jahrzehnten nicht totzukriegen<br />

ist. Oder auch der Schlager, den es ja immer auch in niveauvoller und eben<br />

nicht platter, zum Oberschenkelklopfen animierender Form gab. Ähnliches gilt für<br />

die Modewelt, den Automarkt, Architektur und Wohn-Innendekor – die Liste ließe<br />

sich beliebig fortsetzen. Das Alte inspiriert und befruchtet das Neue. Daher ist es das<br />

längst Vergangene immer wert, in Erinnerung gerufen zu werden – so wie wir es auch<br />

mit dieser <strong>kult</strong>!-Ausgabe einmal mehr versuchen.<br />

Manche Erinnerungen an längst vergangene Zeiten dürften dabei wieder wach werden<br />

– an Filme, die man einst gesehen hat; an die Musik, die man mit Hilfe des<br />

Walkmans genießen konnte; an Spielzeug, mit dem man sich als Kind beschäftigt<br />

hat; an Autos, von denen man ebenso träumte wie von Musikwiedergabegeräten von<br />

höchster Qualität, die man sich d<strong>am</strong>als nicht leisten konnte. Und auch die Idole längst<br />

vergangener Zeiten rücken erneut in den (Erinnerungs-)Mittelpunkt. Apropos: Viele<br />

dieser in der eigenen Kindheit und Jugend angesagten Dinge sind heute wieder erhältlich<br />

– dank DVD/Blu-ray, Retro-Neuauflagen und dergleichen ...<br />

Viel Spaß beim Schwelgen in Erinnerungen wünscht Ihnen<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem,<br />

chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt!<br />

Weiterverwendung aller in GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

erschienenen Artikel, Interviews, Fotos,<br />

Rezensionen etc. nur mit der Zustimmung des<br />

Herausgebers gestattet.<br />

Gerichtsstand: Stuttgart<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 3<br />

www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />

<strong>kult</strong>!<br />

Nr. 12 erscheint <strong>am</strong> 17.4.2015


Ausgabe Oktober 2014<br />

1/2015 (Nr. 11)<br />

INHALT<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial/Impressum<br />

4 Inhaltsverzeichnis<br />

5 Top 5: Kinder- und Jugendbücher<br />

Mitarbeiter & Prominenz<br />

6 News from the past<br />

Altes neu ausgepackt<br />

37 <strong>kult</strong>! Shop<br />

45 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />

67 <strong>kult</strong>! Weihnachts-Geschenkabo<br />

47 The Sweet/Sophia Loren<br />

Riesenposter<br />

Seite 14<br />

<strong>kult</strong>!<br />

60er · 70er · 80er<br />

Seite 40<br />

Seite 70<br />

14 Die Geburt der Superbikes<br />

Frankensteins wilde Töchter<br />

16 Mode-Serie – 70er <strong>Jahre</strong> (Teil 3)<br />

Alles geht! Auch heute noch<br />

20 Erich Kästner<br />

Der veritable Doppelschriftsteller"<br />

"<br />

22 Rekl<strong>am</strong>e für Erfrischungsgetränke<br />

Süße Brause für Spaßvögel & Sportskanonen<br />

26 Spiel ohne Grenzen<br />

Wie der Straßenfeger einst die ganze F<strong>am</strong>ilie<br />

vor dem Fernseher vereinte<br />

28 Das Jahr 1974<br />

Brandt stürzt – Müller trifft – Tetzlaff pöbelt ...<br />

und vier Schweden krempeln die Pop-Welt um<br />

32 Die <strong>kult</strong>igsten Facebook- & Internetseiten<br />

Sind wir nicht alle ein bisschen ... <strong>kult</strong>!?<br />

34 <strong>Rockpalast</strong><br />

Heiße Open Airs auf der Loreley<br />

38 Hommage an den Walkman<br />

Wie die Idee vom Musikhören unterwegs<br />

die Welt eroberte<br />

40 Gl<strong>am</strong>-Rock<br />

Charts-Stürmer auf Plateausohlen<br />

43 Steve McQueen – Bullitt<br />

1968 wurden die Cops plötzlich coolol<br />

46 <strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong><br />

Liebe, Leiden, Lollipop<br />

56 Die Shaw Brothers<br />

Asiens größte Filmmogule in Action<br />

58 40 <strong>Jahre</strong> VW Golf<br />

Erfolgsgeschichte auf vier Rädern<br />

62 Kultbücher<br />

Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

Seite 76<br />

Seite 38<br />

Seite 46<br />

Seite 34<br />

Seite 68<br />

Seite 58<br />

Seite 88<br />

Seite 74<br />

64 The Longest Day (Der längste Tag)<br />

Darryl F. Zanucks D-Day-Epos als Mutter<br />

aller Kriegsfilme<br />

68 Lolek & Bolek<br />

Reise um die Welt in <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

70 30 <strong>Jahre</strong> Modern Talking<br />

Die Einzigartigen<br />

72 Sophia Loren<br />

Alles zu groß" – und trotzdem ein Star<br />

" 74 Barbapapa<br />

Ziemlich beste Wohlfühl-Freunde<br />

76 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Nutella</strong><br />

Nougatrausch fürs Brot<br />

78 DDR-Zeitschriften aus dem Verlag<br />

Junge Welt<br />

K<strong>am</strong> ein kleiner Teddybär ..."<br />

" 82 Udo Jürgens<br />

Zum 80. Geburtstag<br />

86 Die Leute von der Shiloh Ranch<br />

TV-Westerndr<strong>am</strong>en für Erwachsene<br />

88 Action Te<strong>am</strong><br />

Taffe Glücksritter lassen Kinderherzen<br />

höher schlagen<br />

92 Die ZDF-Abenteuervierteiler<br />

Schiffbruch mit freudigen Folgen<br />

96 Wundertüten<br />

Bunte Abwechslung im tristen<br />

Nachkriegs-Alltag<br />

98 Formel Eins<br />

Oliver Bertr<strong>am</strong>s Insiderblick hinter<br />

die Kulissen<br />

Seite 4 ■ GoodTimes 1/2015


TOP 5<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Kinder- und Jugendbücher<br />

1. Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer – Michael Ende<br />

2. Der Räuber Hotzenplotz – Otfried Preußler<br />

3. Wir Kinder aus Bullerbü – Astrid Lindgren<br />

4. Die drei ??? – Alfred Hitchcock<br />

5. Oliver Twist – Charles Dickens<br />

Fabian Leibfried<br />

1. Das fliegende Klassenzimmer – Erich Kästner<br />

2. Wir Kinder aus Bullerbü – Astrid Lindgren<br />

3. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />

4. Die rote Zora und ihre Bande – Kurt Held<br />

5. Der Räuber Hotzenplotz – Otfried Preußler<br />

Sven Rachner<br />

1. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />

2. Der Geist des Llano Estacado – Karl May<br />

3. Ivanhoe – Walter Scott<br />

4. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />

5. Abenteuer unter Wasser mit Mike Nelson – Cole Fannin<br />

Horst Berner<br />

1. Alles von Karl May<br />

2. Max & Moritz – Wilhelm Busch<br />

3. Rittersagen – Gustav Schwab<br />

4. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />

5. Prinz <strong>Eis</strong>enherz – Hal Foster<br />

Philipp Roser<br />

1. Ferien auf Saltkrokan – Astrid Lindgren<br />

2. Wintersonnenwende – Susan Cooper<br />

3. Liebe Inge – Berte Bratt<br />

4. Schreckenstein – Oliver Hassenc<strong>am</strong>p<br />

5. Hanni & Nanni – Enid Blyton<br />

Kathrin Bonacker<br />

1. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />

2. Michel aus Lönneberga – Astrid Lindgren<br />

3. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />

4. Die schwarzen Brüder – Lisa Tetzner<br />

5. Winnetou – Karl May<br />

Roland Schäfli<br />

1. Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt – Boy Lornsen<br />

2. Die kleine Hexe – Otfried Preußler<br />

3. Der Schut – Karl May<br />

4. Der Fluss der Abenteuer – Enid Blyton<br />

5. Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer – Michael Ende<br />

Lothar Brandt<br />

1. Geheime Tips von Donald Duck – Walt Disney<br />

2. Pu der Bär – A. A. Milne<br />

3. Momo – Michael Ende<br />

4. Alice im Wunderland – Lewis Carroll<br />

5. Der kleine Hobbit – J. R. R. Tolkien<br />

Oliver Schuh<br />

1. Momo – Michael Ende<br />

2. Der kleine Hobbit – J. R. R. Tolkien<br />

3. Das kleine weiße Pferd – Elizabeth Goudge<br />

4. Krabat – Otfried Preußler<br />

5. Der Mausevater und sein Sohn – Russell Hoban<br />

Michael F.-G<strong>am</strong>böck<br />

1. Der Hobbit oder hin und zurück – J. R. R. Tolkien<br />

2. Urmel aus dem <strong>Eis</strong> – Max Kruse<br />

3. Bill Bo und seine sechs Kumpane – Josef Göhlen<br />

4. Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry<br />

5. Sophies Welt – Jostein Gaarder<br />

Ulrich Schwartz<br />

1. Timm Thaler oder das verkaufte Lachen – J<strong>am</strong>es Krüss<br />

2. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />

3. Alfons Zitterbacke – Gerhard Holtz-Baumert<br />

4. Die Reise nach Sundevit – Benno Pludra<br />

5. Der Zauberer der Smaragdenstadt – Alexander Wolkow<br />

Christian Hentschel<br />

1. Der Schatz im Silbersee – Karl May<br />

2. Winnetou (1–3) – Karl May<br />

3. Funkstreife Isar 12 – Kurt Vethake<br />

4. Das Rätsel der Baubude – Herbert Erdmann<br />

5. Helmut findet die richtige Spur – Hans-Jürgen Laturner<br />

Christian Simon<br />

1. Winnetou – Karl May<br />

2. Lederstrumpf – J<strong>am</strong>es Fenimore Cooper<br />

3. Geronimo – K<strong>am</strong>pf bis zur letzten Patrone – Peter Dubina<br />

4. Die Schatzinsel – Robert Louis Stevenson<br />

5. Tom Sawyer & Huckleberry Finn – Mark Twain<br />

Andreas Kötter<br />

1. Die Alice-Romane – Lewis Carroll<br />

2. Der Schatz im Silbersee – Karl May<br />

3. Peter Pan – J. M. Barrie<br />

4. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />

5. Der Wind in den Weiden – Kenneth Grah<strong>am</strong>e<br />

Alan Tepper<br />

1. Bille & Zottel – Tina Caspari<br />

2. Hanni & Nanni – Enid Blyton<br />

3. Fünf Freunde – Enid Blyton<br />

4. Die drei ??? – Alfred Hitchcock<br />

5. Winnetou – Karl May<br />

Andrea Leibfried<br />

1. Pony Pedro – Erwin Strittmatter<br />

2. Das Mädchen hieß Gesine – Karl Neumann<br />

3. Bettina bummelt – Elizabeth Shaw<br />

4. Die kleinen Bären – A. C. Lagger<br />

5. Der Fänger im Roggen – J. D. Salinger<br />

Claudia Tupeit<br />

1. Timm Thaler oder das verkaufte Lachen – J<strong>am</strong>es Krüss<br />

2. Emil und die Detektive – Erich Kästner<br />

3. Shakespeare-Märchen – Franz Fühmann<br />

4. Die großen Abenteuer des kleinen Ferdinand – Ondrej Sekora<br />

5. Die Gärten von Dorr – Paul Biegel<br />

Kati Naumann<br />

1. Kalle Blomquist – Astrid Lindgren<br />

2. Jan als Detektiv – Knud Meister/Carlo Andersen<br />

3. Abenteuer in der P<strong>am</strong>pa – Georg Grillmayer<br />

4. Wir helfen – Sabine Hagen<br />

5. Dr. Dolittle und seine Tiere – Hugh Lofting<br />

Jürgen Wolff<br />

1. Die unendliche Geschichte – Michael Ende<br />

1. Grimms Märchen (natürlich)<br />

2. Ronja Räubertochter – Astrid Lindgren<br />

2. Hertha die Funkerin<br />

3. Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee – Erich Kästner<br />

3. Tom Sawyer & Huckleberry Finn<br />

4. Orientzyklus – Karl May<br />

4. Das fliegende Klassenzimmer<br />

5. Servus Opa, sagte ich leise – Elfie Donnelly<br />

5. Die Schatzinsel<br />

Thorsten Pöttger<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 5<br />

Inga Rumpf<br />

© Pressefoto


DVDs + BLU-RAYs<br />

I AM ALI<br />

Muh<strong>am</strong>mad Ali wurde 1942 als Cassius Marcellus<br />

Clay in Louisville, Kentucky, geboren.<br />

Er ist dreifacher Box-Weltmeister im Schwergewicht<br />

und wurde 1999 vom Internationalen<br />

Olympischen Komitee zum<br />

Sportler des Jahrhunderts"<br />

"<br />

gewählt. Auch abseits des<br />

Boxrings sorgte Ali immer<br />

wieder für Schlagzeilen.<br />

So unterstützte er Mitte der<br />

60er <strong>Jahre</strong> die Emanzipationsbewegung<br />

der Afro<strong>am</strong>erikaner,<br />

trat zum Isl<strong>am</strong><br />

über und verweigerte den Militärdienst. 1967<br />

wurde er deshalb zu fünf <strong>Jahre</strong>n Haft verurteilt<br />

und verlor vorübergehend sogar seine Boxlizenz.<br />

Seit dem Ende seiner Karriere 1981 widmet<br />

sich der an Parkinson erkrankte Sportler<br />

zahlreichen sozialen Projekten, seit 2001 ist er<br />

UN-Friedensbotschafter. Doch neben dem öffentlichen<br />

Leben als Kämpfer in- und außerhalb<br />

des Boxrings zeigt Ali auch im privaten Leben<br />

zahlreiche Facetten, ist Held und Verräter,<br />

Liebhaber und Vater, Fanatiker und Philosoph.<br />

Die Sportdokumentation I Am Ali" beleuchtet<br />

"<br />

die ungewöhnliche Lebensgeschichte der Ikone<br />

aus einer nie zuvor gezeigten Perspektive.<br />

Über viele <strong>Jahre</strong> hinweg führte Ali Audio-Tagebücher,<br />

die auf sehr persönliche Weise intime<br />

Einblicke in das Leben des Mannes hinter<br />

der Legende geben. Gleichzeitig kommen in<br />

dieser ergreifenden Dokumentation neben engen<br />

Freunden auch seine Tochter, sein Bruder<br />

und seine Ex-Frau zu Wort, außerdem wurden<br />

Boxstars wie Mike Tyson und George Foreman<br />

interviewt. I Am Ali" gibt es ab 10. Oktober<br />

"<br />

für kurze Zeit in ausgewählten Kinos sowie bei<br />

iTunes, und <strong>am</strong> 6. November erscheint der Film<br />

in unterschiedlichen Editionen auch auf DVD<br />

und Blu-ray.<br />

(Universal, 106 Min.)<br />

INGMAR BERGMAN<br />

SZENEN EINER EHE + SARABANDE<br />

+ AUS DEM LEBEN DER MARIONET-<br />

TEN + EINEN SOMMER LANG<br />

Ingmar Bergman gehört ohne Frage zu den renommiertesten<br />

und produktivsten Künstlern des<br />

20. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer Regisseur<br />

prägte der Schwede<br />

die Entwicklung des europäischen<br />

Erzählkinos.<br />

Ende September veröffentlicht<br />

Arthaus vier seiner<br />

Klassiker erstmals als<br />

Einzel-Blu-rays, dazu gibt<br />

es die Kino- und TV-Fassung<br />

von Szenen einer<br />

"<br />

Ehe" und "<br />

Sarabande"" erstmals in einer Blu-ray<br />

Edition. Die Filme "<br />

Aus dem Leben der Marionetten"<br />

sowie "<br />

Einen Sommer lang" erscheinen<br />

parallel dazu erstmals als Einzel-DVD.<br />

(Arthaus/Studiocanal)<br />

DICK & DOOF<br />

ABENTEUER IM SPIELZEUGLAND<br />

In diesem märchenhaften Musical – als Bluray<br />

in kolorierter & restaurierter s/w-Version<br />

– leben Stannie Dum und Ollie Dee im Spielzeugland<br />

und wohnen bei der Witwe Peep<br />

und deren schöner Tochter Bo-Peep zur Untermiete<br />

in einem Schuh. Der bösartige alte<br />

Barnaby besitzt eine Hypothek auf Witwe<br />

Peeps Haus, die er ihr nur erlassen will, wenn<br />

ihre Tochter ihn heiratet. Um Peep zu helfen,<br />

bitten Stannie und Ollie, die in einer Spielzeugfabrik<br />

arbeiten, ihren Chef um einen Vorschuss.<br />

Da sie aber einen Auftrag von Santa<br />

Claus falsch ausgeführt und versehentlich<br />

statt kleiner Holzsoldaten mannshohe hergestellt<br />

haben, verlieren sie stattdessen ihren<br />

Job. Bei dem Versuch,<br />

den Hypothekenbrief zu<br />

stehlen, werden Stannie<br />

und Ollie gefasst. Unter<br />

der Bedingung, dass<br />

Barnaby auf eine Anklage<br />

verzichtet, willigt Bo-<br />

Peep in die Heirat ein.<br />

Am Hochzeitstag verkleidet<br />

sich Stannie als Braut, doch als der<br />

Schwindel auffliegt, marschiert der erboste<br />

Barnaby mit einer Armee der bösen Mächte<br />

ins Spielzeugland ein. Das ist die Story des<br />

eher ungewöhnlichen Films von Stan Laurel<br />

und Oliver Hardy, dessen Charme weniger<br />

durch die sonst üblichen Slapstickeinlagen<br />

als durch die außergewöhnlichen Kulisse und<br />

die kindlichen Figuren entsteht.<br />

(Starmovie/edel, 80 Min.)<br />

LOLEK + BOLEK<br />

SAMMELBOX<br />

Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> erschuf<br />

das polnische Trickfilmstudio<br />

Studio Filmów<br />

Rysunkowych das Brüderpaar<br />

Lolek und Bolek, das<br />

es vor allem in der DDR zu<br />

enormer Beliebtheit brachte.<br />

Ende letzten <strong>Jahre</strong>s gab es dann zum ersten<br />

Mal die Langfilme aus den 70er <strong>Jahre</strong>n als<br />

DVD, jetzt erscheint mit der Lolek + Bolek<br />

"<br />

S<strong>am</strong>melbox" eine vier Discs enthaltende Zus<strong>am</strong>menstellung.<br />

Neben den beiden Filmen<br />

Lolek und Bolek im Wilden Westen" und<br />

"<br />

from the past<br />

Loleks und Boleks große Reise" gibt es dabei<br />

"<br />

noch 15 weitere, kürzere Filme mit den lustigen<br />

Abenteuern des <strong>kult</strong>igen Brüderpaares<br />

zu sehen, von Tola hat Geburtstag" über Lo-<br />

" "<br />

lek und Bolek in Spanien" und "<br />

Abenteuer auf<br />

zwei Rädern" bis zu "<br />

Die Seefahrt".<br />

(Icestorm Distribution, 4 DVDs, 315 Min.)<br />

ARMEE IM SCHATTEN<br />

Starker Film aus der Zeit des französischen<br />

Widerstands gegen die deutsche Besatzung im<br />

Zweiten Weltkrieg, 1969<br />

von Jean-Pierre Melville<br />

mit Schauspielern wie Lino<br />

Ventura, Simone Signoret,<br />

Jean-Pierre Cassel und Paul<br />

Crauchet in Szene gesetzt.<br />

Ein Film, der mit seiner<br />

Atmosphäre und der realistischen<br />

Darstellung der<br />

Härten des Krieges überzeugt und bei dem es<br />

Regisseur Melville hervorragend gelingt, den<br />

teuflischen Kreis aus Loyalität, Verrat, Hass<br />

und Liebe zum Thema zu machen.<br />

(Studiocanal, 145 Min.)<br />

ASTERIX IN AMERIKA<br />

Keine Frage, ohne ihren Zaubertrank wären<br />

die Gallier um Asterix und Obelix ganz normale<br />

Dörfler im Weltreich<br />

des großen Cäsar. Als der<br />

große Imperator diese<br />

Tatsache erkennt, lässt er<br />

den Erschaffer des Zaubertranks,<br />

den Druiden Miraculix,<br />

übers Meer ans Ende<br />

der Welt entführen, wo er<br />

über den Rand der Erdscheibe<br />

geworfen werden soll. Doch Asterix<br />

und Obelix folgen den Entführern und erleben<br />

fortan zahlreiche Abenteuer mit finsteren Medizinmännern,<br />

wilden Indianerstämmen und<br />

den üblichen Schlägereien. Natürlich bekommt<br />

Cäsar <strong>am</strong> Ende des Ausfluges in die neue Welt<br />

eine weitere Lektion erteilt, ohne Zweifel gehört<br />

dieser 1994 entstandene Zeichentrickfilm<br />

zum Pflichtprogr<strong>am</strong>m für Asterix-Fans.<br />

(Studiocanal, 85 Min.)<br />

ROBERT L. STEVENSON<br />

Obwohl der schottische Schriftsteller Robert<br />

Louis Stevenson schon mit 44 <strong>Jahre</strong>n an Tuberkulose<br />

starb, hinterließ er eine umfangreiche<br />

S<strong>am</strong>mlung an Abenteuerliteratur, Reiseerzählungen<br />

und historischen Romanen. Am<br />

bekanntesten wohl immer<br />

noch der Jugendbuchklassiker<br />

Die Schatzinsel",<br />

"<br />

deren Fortsetzungsgeschichte<br />

mit dem Titel Die "<br />

Schatzinsel 2" mit Robert<br />

Newton und Rod Raylor<br />

verfilmt wurde und nun<br />

als einer von drei Filmen<br />

in der Robert L. Stevenson"-Box dabei ist.<br />

"<br />

Die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde"<br />

"<br />

Seite 6 ■ GoodTimes 1/2015


gibt es hier in der ursprünglich von John Robertson<br />

als Stummfilm produzierten Version<br />

mit John Barrymore, Marthy Mansfield und<br />

Brandon Hurst; erst nachträglich wurden die<br />

Tonspuren hinzugefügt, was dieser Version<br />

zu einem ganz eigenen Charme verhilft. Mit<br />

St. Ives – Eine Liebesgeschichte" ist auch ein<br />

"<br />

relativ neuer Film mit dabei, 2005 verfilmte<br />

Regisseur Harry Hook mit Schauspielern wie<br />

Jean-Marc Barr, Miranda Richardson und Tim<br />

Dutton diese historische Liebes- und Abenteuergeschichte<br />

von Robert Louis Stevenson.<br />

(Starmovie/edel, 254 Min.)<br />

BILLY THE KID<br />

Auf zwei DVDs mit einer Laufzeit von rund<br />

zehn Stunden liefert diese Box neun Filme<br />

über die Pionierzeit des<br />

Wilden Westens. Nicht nur<br />

der titelgebende Billy The "<br />

Kid" wird dabei zum Thema,<br />

auch Banditenkollege<br />

Jesse J<strong>am</strong>es steht im Mittelpunkt<br />

eines dieser Filme.<br />

In den Hauptrollen gibt es<br />

einmal Jane Russell ( Geächtet"),<br />

zweimal Roy Rogers ( The Days Of<br />

"<br />

"<br />

Jesse J<strong>am</strong>es", Billy The Kid kehrt zurück") und<br />

"<br />

sechsmal Westernlegende John Wayne ( Stagecoach",<br />

Rodeo", Der schwarze Reiter", Das<br />

" " "<br />

"<br />

Gesetz des Stärkeren", Reiter der Gerechtigkeit",<br />

Im Schatten des Adlers") zu sehen. Eine<br />

"<br />

"<br />

ideale Box, um S<strong>am</strong>mlungslücken aufzufüllen.<br />

(Great Movies/edel, 2 DVDs, 600 Min.)<br />

ALFRED HITCHCOCK XXL<br />

Ohne Frage gehört Alfred Hitchcock zu den stilistisch<br />

einflussreichsten Spielfilmregisseuren<br />

aller Zeiten und etablierte dabei die Begriffe<br />

Spannung und Grusel auf seine ganz eigene<br />

Art und Weise. Sein angest<strong>am</strong>mtes Genre war<br />

der Thriller, charakteristisch<br />

seine Verbindung von<br />

Spannung und Humor. Die<br />

immer wiederkehrenden<br />

Motive seiner Filme waren<br />

Angst, Schuld und Identitätsverlust,<br />

oft variierte er<br />

auch das Thema des unschuldig<br />

Verfolgten. Die<br />

Alfred Hitchcock XXL"-Box liefert auf zwei<br />

"<br />

DVDs die Filme Die Taverne von J<strong>am</strong>aika"<br />

"<br />

(1939) mit Charles Laughton und Maureen<br />

O'Hara, Ich kämpfe um dich" (1945) mit Ingrid<br />

"<br />

Bergman und Gregory Peck, Der Mann der<br />

"<br />

zu viel wusste" (1934) mit Leslie Banks, Edna<br />

Best und Doris Day sowie die beiden Kurzfilme<br />

" Landung auf Madagaskar" und Gute Reise".<br />

"<br />

(Starmovie/edel, 2 DVDs, 335 Min.)<br />

BRAM STOKERS DRACULA<br />

1973 drehte Dan Curtis mit Jack Palance in der<br />

Titelrolle Br<strong>am</strong> Stokers Dracula". Dabei gelang<br />

"<br />

dem britischen Regisseur eine Verfilmung, die in<br />

ihrer Realitätsnähe bis heute Maßstäbe setzt, vor<br />

allem Jack Palace verleiht<br />

dem sagenumwobenen Graf<br />

Dracula eine physische Präsenz,<br />

die in der restaurierten<br />

Blu-ray-Fassung noch<br />

einmal an Tiefe gewinnt.<br />

Dass die Verfilmung schon<br />

Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> als<br />

altmodisch" bezeichnet<br />

"<br />

wurde, erhöht heute ohne Frage den Kultfaktor<br />

dieses Streifens. Dazu gibt es über drei Stunden<br />

Bonus-Material wie eine 4:3-Fernsehfassung mit<br />

alternativen Szenen, Originaltrailern und Interviews<br />

mit Jack Palace und Dan Curtis.<br />

(Starmovie/edel, 100 Min.)<br />

WESTERN KLASSIKER<br />

Mit vier Filmen von Western-Star Roy Rogers<br />

verdient sich diese DVD ihren N<strong>am</strong>en zu<br />

Recht. Denn die Themen, um die es in diesen<br />

vier Filmen geht, sind genau die, die dem Genre<br />

seine zeitlose Klasse verliehen<br />

haben: In Billy The Kid<br />

"<br />

kehrt zurück" gibt sich Roy<br />

Rogers als Billy The Kid aus,<br />

um Billys Freund Pat Garrett<br />

dabei zu unterstützen, die<br />

Ranch der Homesteaders zu<br />

verteidigen. In Arizona Kid"<br />

"<br />

werden Roy und sein Freund<br />

Gabby bei der Armee aufgenommen und in<br />

Kämpfen mit Rebellen schwer verletzt. Auch<br />

in Colorado" steht die Unionsarmee im Mittelpunkt<br />

des Geschehens, hier muss Roy Rogers<br />

"<br />

die Umstände aufklären, die die Truppe zum<br />

Rückzug zwangen. Auch bei Sheriff Of Tombstone"<br />

geht es um ein immer wiederkehrendes<br />

"<br />

Thema: Der Bürgermeister der Stadt hat einen<br />

zwielichtigen Banditen d<strong>am</strong>it beauftragt, in seiner<br />

Stadt aufzuräumen. Der will aber die Stadt<br />

übernehmen. Als Roy und sein Freund Gabby<br />

auftauchen, wird Roy mit dem Revolverhelden<br />

verwechselt, und als sich dann doch alles zum<br />

Guten zu wenden scheint und Rogers alles aufklären<br />

kann, taucht der echte Bösewicht auf ...<br />

(Starmovie/edel, 230 Min.)<br />

YPS<br />

DIE SENDUNG<br />

Ende der 70er <strong>Jahre</strong> war das<br />

Wissensmagazin "<br />

Yps" in<br />

fast jedem Jugendhaushalt<br />

zu finden, das Wort "<br />

Gimmick"<br />

fand gar Einlass in den<br />

deutschen Sprachgebrauch.<br />

Im Herbst 2012 feierte das<br />

bunt schräge Magazin ein<br />

vielbeachtetes Comeback, da lag es nahe,<br />

spannende und ungewöhnliche Alltagsphänomene<br />

im "<br />

Yps"-Style auch als bewegte Bilder<br />

umzusetzen. RTL Nitro hat dies getan, alle<br />

Folgen der ersten Staffel sind Mitte August<br />

in zwei Editionen auf DVD erschienen. Moderiert<br />

von Jan Köppen klärt "<br />

Yps – Die Sendung"<br />

ungewöhnliche Fragen, testet die neuesten<br />

Gadgets, spürt neuen Trends hinterher<br />

und überrascht mit witzigen Einspielern. Die<br />

Lifestyle-Edition hat eine Spieldauer von 120<br />

Minuten, die Sciene-Fiction-Edition läuft 140<br />

Minuten – Ehrensache, dass es zu jeder DVD<br />

auch ein Gimmick gibt!<br />

(Karussell/Universal, 2 DVDs 120 /140 Min.)<br />

DIE 3 TAGE DES CONDOR<br />

Ein unauffälliges Büro der Amerikanischen Gesellschaft<br />

für Literaturgeschichte in Manhattan<br />

ist die perfekte Tarnung für eine hochtechnisierte<br />

Organisation der CIA. Hier werden weltweit<br />

Nachrichten ges<strong>am</strong>melt, die über Krieg oder<br />

Frieden entscheiden. Agent Joe Turner kommt<br />

von der Mittagspause zurück und findet ein<br />

Massaker vor: Alle Kollegen<br />

liegen erschossen <strong>am</strong><br />

Boden. Sofort gibt er unter<br />

seinem Deckn<strong>am</strong>en "<br />

Condor"<br />

Meldung an die Zentrale<br />

– und entgeht kurz darauf<br />

nur knapp einem Anschlag.<br />

Voller Panik taucht<br />

er unter, er will und muss<br />

herausfinden, wer hinter diesem mörderischen<br />

Komplott steckt. Doch die Killer sind ihm auf<br />

den Fersen, und es bleibt ihm nur wenig Zeit.<br />

Paraderolle für Robert Redford, der in diesem<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 7


from the past<br />

1975er Agentenklassiker von Sydney Pollack die<br />

ganze Bandbreite seines Könnens zeigt.<br />

(Studiocanal, 117 Min.)<br />

CAPTAIN AMERICA<br />

RETURN OF THE SUPERAVENGER<br />

Wie frei die US-Serien-Schreiber teilweise mit<br />

Comicvorlagen umgingen, zeigt diese DVD, die<br />

mit dem etwas irreführenden<br />

Titel "<br />

Captain America – Return<br />

Of The Superavenger"<br />

angeboten wird. Denn in der<br />

1944 produzierten <strong>am</strong>erikanischen<br />

Miniserie mit 15 Episoden<br />

hat "<br />

Captain America"<br />

– der Originaltitel – so gut wie<br />

nichts mit der Marvel-Vorlage<br />

gemein, hier geht es um den Staatsanwalt Grant<br />

Gardner (Dick Purcell), der sich in seiner Freizeit<br />

als Captain America auf die Jagd nach den verbrecherischen<br />

Museumsdirektor Cyrus Maldor<br />

(Lionel Atwill) begibt. Als "<br />

Scarab" tötet dieser<br />

seine Widersacher nicht nur regelmäßig durch<br />

Vergiftung, sondern kommt auch in den Besitz<br />

einer geheimen Maschine, die mittels Ultraschall<br />

Gebäude zum Einsturz bringen kann – also genau<br />

der richtige Gegner für diesen "<br />

Captain America"!<br />

(Paragon Movies/edel, 233 Min.)<br />

ES WAR EINMAL ... DER<br />

MENSCH + ES WAR<br />

EINMAL ... UNSERE ERDE<br />

Auf drei Blu-rays bzw. sechs DVDs erscheinen<br />

Mitte November die beiden jeweils 26-teiligen,<br />

französischen Zeichentrickserien Es war einmal..."<br />

von Albert Barille. Hauptfigur ist dabei<br />

"<br />

der weise Maestro", ein bärtiger, alter Mann, der<br />

"<br />

stets im Hintergrund die einzelnen<br />

Geschichten erzählt, oft<br />

aber auch Teil des Geschehens<br />

ist. In thematisch voneinander<br />

getrennten Episoden wird hier<br />

spielerisch und auf humorvolle<br />

Art Wissen vermittelt.<br />

Aus dem Jahr 1978 st<strong>am</strong>mt<br />

... der Mensch", liefert Kapitel<br />

wie Der Neandertaler",<br />

" "<br />

Das Römische Reich", " Amerika"<br />

und Aufbruch ins 20.<br />

" Jahrhundert", ... unsere Erde"<br />

" entstand 2008 und widmet sich<br />

Themen wie Klimawandel: Der<br />

"<br />

"<br />

Treibhauseffekt", Wasser, das blaue Gold", Das<br />

" "<br />

Haus und die Stadt", Woher kommt unsere Energie"<br />

oder Neue Technologien".<br />

"<br />

"<br />

(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises, 3 Blu-rays,<br />

6<strong>50</strong> Min. + 6 DVDs, 6<strong>50</strong> Min.)<br />

INDIANER BOX XXL<br />

Diese Box eignet sich bestens, um S<strong>am</strong>mlungslücken<br />

im DVD-Regal zu schließen. Acht klassische<br />

Western, bei denen es aber nicht nur alleine um das<br />

Thema Indianer geht, gibt es auf drei DVDs zu sehen,<br />

dazu noch die Dokumentation Die Welt der<br />

"<br />

Indianer". In Filmen wie Daniel<br />

Boone", Der letzte Mo-<br />

"<br />

"<br />

hikaner", Höllenfahrt nach<br />

"<br />

Santa Fé", My West", Wyoming"<br />

oder Desert Trail"<br />

"<br />

" "<br />

begegnet man historischen Figuren<br />

wie dem Trapper Daniel<br />

Boone oder dem Mohikaner<br />

Chingachgook, dargestellt<br />

von legendären Künstlern wie John Wayne, Roy<br />

Rogers, Faron Young sowie der nächsten Schauspielergeneration<br />

wie John Cusack, John Goodman,<br />

Harvey Keitel und David Bowie.<br />

(Starmovie/edel, 3 DVDs, 699 Min.)<br />

LOUIS DE FUNÈS<br />

COLLECTION<br />

Über die Qualitäten des französischen Komikers<br />

Louis de Funès muss an dieser Stelle nicht<br />

mehr gesprochen werden, mit zahlreichen Klassikern<br />

hat er sich bei Filmfans unsterblich gemacht.<br />

In der Anfang September<br />

veröffentlich ten<br />

Louis de Funès Collection"<br />

gibt es nun erstmals<br />

"<br />

drei seiner besten Filme<br />

als Blu-rays. Als Restaurantkritiker<br />

hat er sich in<br />

Brust oder Keule" vorgenommen,<br />

den r<strong>am</strong>po-<br />

"<br />

nierten Ruf der französischen Küche wieder<br />

aufzupolieren; ein Unterfangen, das, noch dazu<br />

mit seinem alles andere als motivierten Sohn<br />

im Schlepptau, nur scheitern kann. In Die "<br />

große Sause" ist Paris während des Zweiten<br />

Weltkriegs von deutschen Truppen besetzt.<br />

Als eine Royal-Air-Force-Maschine bei einem<br />

Aufklärungsflug über der Stadt von der Wehrmacht<br />

abgeschossen wird, kann sich die Besatzung<br />

noch rechtzeitig mit einem Fallschirm<br />

retten. Doch im besetzten Paris ist es für die<br />

britischen Piloten schwer unterzutauchen. Sie<br />

bekommen aber Unterstützung von zwei Pa-<br />

JOHN WAYNE<br />

STERNSTUNDEN<br />

Auf zwei DVDs liefert diese Box vier Filme von<br />

John Wayne. In Shadow Of The Eagle" spielt<br />

"<br />

er einen Piloten einer Flugshow, dessen Besitzer<br />

beschuldigt wird, Drohungen gegen verschiedene<br />

Firmen in den Himmel zu schreiben". Doch Wayne<br />

glaubt an die Unschuld seines Chefs und ver-<br />

"<br />

sucht mit allen Mitteln (und rasanten Flugmanövern),<br />

den wirklichen Eagle" zu finden. In San<br />

" "<br />

Francisco Lilly" spielt er einen Cowboy, der auf<br />

dem Weg nach San Francisco<br />

ist, um dort von einem Barbesitzer<br />

Schulden einzutreiben.<br />

Doch im Kartenspiel gegen<br />

ihn verliert er seinen ges<strong>am</strong>ten<br />

Besitz, und schnell wird klar,<br />

dass hier gezinkte Karten im<br />

Spiel waren. Um seinen Hab<br />

und Gut zurückzugewinnen,<br />

lässt er sich im Kartenspielen ausbilden und fordert<br />

Revanche. In California Goldrausch" spielt<br />

"<br />

John Wayne einen Arzt in den Tagen des kalifornischen<br />

Goldrausches. Nachdem er die skrupellosen<br />

Machenschaften eines Politikers aufgedeckt<br />

hat, der sich auf Kosten der Rancher bereichert<br />

hat, setzt er sich an die Spitze der Revolte gegen<br />

diese Ungerechtigkeit. In Desert Trail" wird<br />

"<br />

der Rodeoreiter John Scott fälschlicherweise für<br />

einen Mord verantwortlich gemacht und vom<br />

Sheriff verfolgt und inhaftiert. Doch nachdem ihn<br />

ein Unbekannter aus dem Gefängnis befreit hat,<br />

machen sie sich gemeins<strong>am</strong> auf die Suche nach<br />

dem wahren Mörder.<br />

(Starmovie/edel, 2 DVDs, 407 Min.)<br />

INSPECTOR<br />

MORSE<br />

STAFFEL 1<br />

Als Vorgänger der höchst<br />

erfolgreichen "<br />

Lewis"-Serie<br />

ging John Thaw Ende der<br />

80er <strong>Jahre</strong> als "<br />

Inspector<br />

Morse" auf Verbrecherjagd.<br />

Auf vier DVDs gibt es nun<br />

vier dieser Filme in der englischen Sprachfassung<br />

mit deutschen Untertiteln in einer Box. Morse<br />

ist ein richtiger Eigenbrötler, mag Bier ( "<br />

There's<br />

always time for one more pint"), guten Scotch und<br />

klassische Musik. Penibel und antiquiert löst er<br />

seine Fälle, und mit seinen Ermittlungsmethoden<br />

ist Inspector Morse genau der Richtige für hochklassige,<br />

britische Krimi-Unterhaltung.<br />

(ITV Studios/edel, 410 Min.,<br />

Engl. mit dt. Untertiteln)<br />

MISSION: IMPOSSIBLE<br />

IN GEHEIMER MISSION SEASON 1.1<br />

In neuem Gewand kehrt hier ein Klassiker unter<br />

den Fernsehserien zurück: Mission: Impossible",<br />

früher unter dem N<strong>am</strong>en<br />

" Kobra, übernehmen Sie"<br />

"<br />

bekannt. Nach dem Mord an<br />

seinem Nachfolger kehrt Jim<br />

Phelps in den aktiven Dienst<br />

zurück. Er verpflichtet neue<br />

Agenten, um weitere Fälle zu<br />

lösen, baut sich ein Te<strong>am</strong> aus<br />

dem Verwandlungskünstler<br />

Nicholas, dem Muskelmann Max, der hübschen<br />

Casey und dem Elektronikspezialisten Grant auf.<br />

15 <strong>Jahre</strong> nach der Originalserie Kobra, übernehmen<br />

Sie" kehrte Peter Graves in seiner Pa-<br />

"<br />

raderolle als Jim Phelps zurück, auf drei DVDs<br />

gibt es hier als deutsche Erstveröffentlichung<br />

zehn Missionen der <strong>kult</strong>igen Geheimagenten zu<br />

sehen.<br />

(Explosive Media/Alive, 482 Min.)<br />

Seite 8 ■ GoodTimes 1/2015


iser Bürgern, die ihnen zur Flucht verhelfen<br />

wollen. Bei "<br />

Louis und seine außerirdischen<br />

Kohlköpfe" sind die beiden Nachbarn Claude<br />

und Chérasse gute Freunde, die viel ihrer Zeit<br />

miteinander verbringen. Vor allem ihre Leidenschaft<br />

für Kohl und die daraus zubereitete<br />

Suppe schweißt die beiden zus<strong>am</strong>men, so dass<br />

sie durch diese Leidenschaft schon zahlreiche<br />

geschmackliche Genüsse erlebt haben. Als sie<br />

sich eines Abends wieder einmal einem dieser<br />

Kohlsuppenexzesse hingeben und danach<br />

den dadurch entstandenen Gasen freies Geleit<br />

lassen, locken sie d<strong>am</strong>it einen außerirdischen<br />

Besucher an, der schon bald Gefallen an ihrer<br />

selbst gekochten Kohlsuppe findet.<br />

(Studiocanal/edel, 3 Blu-rays, 331 Min.)<br />

NOSFERATU + DAS CABINET<br />

DES DR. CALIGARI<br />

Immer noch gehört F.W. Murnaus erste Adaption<br />

von Br<strong>am</strong> Stokers Dracula" zu den beeindrucktesten<br />

Horrorfilmen aller Zeiten, vor allem<br />

"<br />

da er seine Wirkung nicht aus der blutrünstigen<br />

Inszenierung physischer Gewalt oder durch<br />

eine künstliche Studio-Atmosphäre erzielt. Das<br />

Grauen entsteht aus dem Kontrast zwischen<br />

der Starrheit des V<strong>am</strong>pirs<br />

Nosferatu und dem Ungestüm<br />

des jugendlichen<br />

Helden Hutter, dazu noch<br />

aus der Gegensätzlichkeit<br />

des kargen, trostlosen<br />

Karpatenschlosses und der<br />

Biedermeieratmos phäre<br />

der Stadt Wisborg. Neben<br />

einem 20-seitigem Booklet liefert die Blu-ray<br />

als Bonus-Material eine gut <strong>50</strong>-minütige Doku<br />

über Murnau sowie eine 25-minütige 8mm-Fassung<br />

des Filmes. Auch die<br />

restaurierte Blu-ray-Version<br />

des Stummfilmklassikers<br />

Das Cabinet des<br />

"<br />

Dr. Caligari" bietet neben<br />

dem knapp 80-minütigen<br />

Hauptfilm eine knappe<br />

Stunde Bonus-Material,<br />

Doku über die Entstehung des Filmes sowie ein<br />

interessantes Making-Of" der digitalen Restaurierung<br />

mit Beispielen. "<br />

(Universum Film, 173 Min. + 135 Min.)<br />

SHAKESPEARE BOX<br />

Dass sich Shakespeare-Dr<strong>am</strong>en bestens zur<br />

Verfilmung eignen, ist kein Geheimnis. In<br />

dieser Box werden die Filme The Tempest<br />

"<br />

(der Sturm)" und Wie es euch gefällt" zus<strong>am</strong>mengefasst.<br />

In der 2010er "<br />

Fassung von The Tempest"<br />

der "<br />

<strong>am</strong>erikanischen<br />

Theaterregisseurin Julie<br />

Taymor ist die Hauptfigur<br />

weiblich und heißt Prospera.<br />

Die Geschichte spielt<br />

in der Zeit des 16. und 17.<br />

Jahrhundert, als Frauen,<br />

die sich mit Magie und Alchemie beschäftigten,<br />

oft der Hexerei angeklagt wurden. Von<br />

ihrem Bruder wird Prospera zus<strong>am</strong>men mit<br />

ihrer vierjährigen Tochter mit einem Schiff<br />

fortgeschickt. Sie landet auf einer Insel ohne<br />

Gesellschaftsform und wird dort schnell zu<br />

einer Führungsfigur. Das führt zum Machtk<strong>am</strong>pf<br />

zwischen Prospera und dem bisherigen<br />

Herrscher Caliban, ein K<strong>am</strong>pf, der nicht mit<br />

Muskelkraft, sondern mit dem Intellekt ausgetragen<br />

wird. In den Hauptrollen sind Helen<br />

Mirren, Djmon Hounson, Alfred Molina, Ben<br />

Wishaw und Russell Brand zu sehen. 1936<br />

war "<br />

Wie es euch gefällt" einer der ersten<br />

Shakespeare-Tonfilme, auch für Laurence<br />

Olivier (hier zus<strong>am</strong>men mit Elisabeth Bergner)<br />

war diese stark theaterhafte Adaption<br />

eine seiner ersten Hauptrollen, auf die später<br />

(teilweise auch als Regisseur und Produzent)<br />

zahlreiche weiter Shakespeare-Verfilmungen<br />

folgten.<br />

(Starmovie/edel, 201 Min.)<br />

SEIN ODER NICHTSEIN<br />

1942 inszenierte der deutschstämmige Regisseur<br />

Ernst Lubitsch im <strong>am</strong>erikanischen Exil diese<br />

immer noch faszinierende<br />

Komödie, die mit<br />

den Waffen der Satire die<br />

deutsche Wehrmacht und<br />

die Gestapo der Lächerlichkeit<br />

preisgibt. Denn<br />

ebenso scharfsinnig, wie<br />

die Theaterschauspieler<br />

in Lubitschs Meisterwerk<br />

die Mittel der Kunst in den Dienst des Widerstandes<br />

gegen die Besatzungsmacht stellen, so<br />

nutzt Lubitsch die Möglichkeiten dieses Films,<br />

um mit dem Nationalsozialismus abzurechnen.<br />

So gelang ihm die perfekte Verschmelzung von<br />

Ehekomödie und Politsatire, widmet er sich mit<br />

gleicher Leidenschaft dem Menschlichen wie<br />

dem Politischen. Ein Film, der dazu nichts von<br />

seiner politischen Aussagekraft verloren hat,<br />

vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass<br />

er erst 1960 – nach heftigen Kontroversen –<br />

seine Premiere in den deutschen Kinos erleben<br />

durfte.<br />

(Studiocanal, 100 Min.)<br />

Das Beste der 70er,<br />

80er und 90er <strong>Jahre</strong><br />

R und © 2014 Ses<strong>am</strong>e Workshop. Alle Rechte vorbehalten.<br />

2<br />

DVDs<br />

2<br />

2<br />

GoodTimes DVDs 1/2015 ■ Seite 9DVDs<br />

Jetzt<br />

auf DVD!


TIMM THALER<br />

Regisseur Sigi Rothemund drehte Ende der 70er<br />

<strong>Jahre</strong> mit Thomas Ohrner in der Titelrolle und<br />

Horst Frank als fiesem Gegenspieler die 13-teilige<br />

Serie Timm Thaler", die 1979 als erste<br />

"<br />

Weihnachtsserie vom ZDF ausgestrahlt wurde.<br />

Dem herzlichen und ansteckenden Lachen von<br />

Timm Thaler kann sich keiner entziehen, diese<br />

Eigenschaft will sich der düstere<br />

Geschäftsmann Baron<br />

de Lefouet zunutze machen<br />

und bietet einen Handel an:<br />

Für sein Lachen wird Timm<br />

jede Wette gewinnen. Doch<br />

erst nachdem Timm sich auf<br />

diesen Handel eingelassen<br />

hat erkennt er, dass dies ein<br />

Fehler war. Er reißt von zu Hause aus und versucht<br />

auf eigene Faust, sein Lachen wieder zurückzugewinnen.<br />

Auf zwei DVDs gibt es jetzt diesen<br />

Straßenfeger aus den 70er <strong>Jahre</strong>n in digital restaurierter<br />

Fassung, ein herrliches Vergnügen, das<br />

dazu noch wunderbar nostalgische Erinnerungen<br />

an lange vergangene (Weihnachts-)Zeiten bietet.<br />

(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises, 2 DVDs, 325 Min.)<br />

THUNDERBIRDS ARE GO /<br />

THUNDERBIRDS 6<br />

Mitte der 60er <strong>Jahre</strong> wurde diese Marionetten-<br />

Science-Fiction-Serie in England produziert,<br />

insges<strong>am</strong>t wurden, verteilt auf zwei Staffeln,<br />

32 Folgen mit den Abenteuern der international<br />

operierenden Rettungstruppe<br />

ausgestrahlt. Das Hauptquartier<br />

der Thunderbirds<br />

liegt auf einer versteckten<br />

Insel im Pazifik, von dort aus<br />

koordiniert der ehemalige<br />

Astronaut Jeff Tracy deren<br />

Einsätze. Ihm zur Seite stehen<br />

seine fünf Söhne, von<br />

denen jeder ein spezielles Flugzeug/Raumschiff<br />

für unterschiedliche Arten von Rettungseinsätzen<br />

zur Verfügung hat. Zusätzlich werden die Tracys<br />

vom Genie Brains unterstützt, der für die vielen<br />

Erfindungen zuständig ist, sowie vom Diener der<br />

F<strong>am</strong>ilie, Kyrano, und dessen Tochter TinTin. Bei<br />

ihren Einsätzen, bei denen die örtlichen Hilfstruppen<br />

so gut wie immer überfordert sind, können<br />

die Tracys Dank ihrer technisch fortschrittlichen<br />

Einsatzfahrzeuge erfolgreich helfen. Oft sind die<br />

Unglücksfälle, bei denen "<br />

International Rescue"<br />

eingreifen muss, vom Dauerbösewicht The Hood<br />

verursacht worden, dessen tatsächlicher N<strong>am</strong>e<br />

niemals bekannt wird. Bei dessen Bekämpfung<br />

erhalten die Tracys auch Unterstützung von der<br />

britischen Agentin Lady Penelope Creighton-<br />

Ward, die an ihre Einsatzorte mit einem stark um<br />

technische Spielereien erweiterten Rolls-Royce<br />

mit der Bezeichnung Fab1 gelangt. Der wohl<br />

größte Pluspunkt dieser Serie ist die unglaublich<br />

ideenreiche Gestaltung der Szenerie, bei jedem<br />

neuen Durchlauf entdeckt man neue Details; und<br />

dadurch, dass die Geschichten in der ganzen Welt<br />

spielen, sind auch in dieser Hinsicht der Fantasie<br />

keine Grenzen gesetzt. Dicke Empfehlung, auch<br />

für alle TV-Fans, die die 1968er Erstausstrahlung<br />

dieser Serie in der ARD – warum auch immer –<br />

nicht gesehen haben!<br />

(Concorde Home Entertainment,<br />

2 DVDs/Blu-ray)<br />

BILITIS<br />

Rund 1,5 Millionen deutsche<br />

Kinobesucher machten<br />

Bilitis" 1977 zu einem<br />

"<br />

der erfolgreichsten Erotikfilme<br />

aller Zeiten. Regisseur<br />

David H<strong>am</strong>ilton, der<br />

zu diesem Zeitpunkt bereits<br />

als Meister der erotischen Fotografie zu Weltruhm<br />

gelangt war, setzte mit diesem Film neue<br />

Maßstäbe bei der Inszenierung von Sinnlichkeit<br />

auf der Kinoleinwand. Auch der Soundtrack von<br />

Francis Lai eroberte die Charts und ist bis heute<br />

unverkennbar geblieben. Mit weichgezeichneten,<br />

mehr verbergenden als zeigenden Bildern erzählt<br />

H<strong>am</strong>ilton die Geschichte der 17-jährigen Internatsschülerin<br />

Bilitis, die ihre Sommerferien an<br />

der Cote d'Azur bei ihrer erwachsenen Freundin<br />

Melissa verbringt. Dabei verliebt sich Bilitis in<br />

den jungen Fotografen Lucas, während sie sich<br />

gleichzeitig zu Melissa hingezogen fühlt. Es beginnt<br />

eine Zeit voller erotischer Versuchungen und<br />

zärtlicher Leidenschaft. Zum ersten Mal erscheint<br />

Bilitis" in Deutschland auf Blu-ray, in aufwändig<br />

"<br />

digital restaurierter Fassung und Full HD.<br />

(Busch Media Group/Alive, 94 Min.)<br />

SESAMSTRASSE CLASSICS<br />

DIE 90er JAHRE<br />

Als zu Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> die deutsche Version<br />

der <strong>am</strong>erikanischen "<br />

Ses<strong>am</strong>e Street" auf Sendung<br />

ging, konnte wohl kaum einer ahnen, dass<br />

sich diese Vorschulsendung zu einer der erfolgreichsten<br />

Serien der deutschen TV-Geschichte<br />

entwickeln würde. Auch im neuen Jahrtausend<br />

gehört die "<br />

Ses<strong>am</strong>straße" immer noch zu den beliebtesten<br />

Kinderprogr<strong>am</strong>men, begeistern Ernie<br />

und Bert, Grobi, das Krümelmonster<br />

und die anderen<br />

Charaktere Jung und Alt.<br />

Auf zwei Discs zeigt diese<br />

Ausgabe der "<br />

Ses<strong>am</strong>straße<br />

Classics" über drei Stunden<br />

lang digital remasterte Höhepunkte<br />

und Klassiker aus<br />

den <strong>Jahre</strong>n 1990 bis 1999,<br />

dazu gibt es als Special Features fünf Originalfolgen<br />

in ganzer Länge, ein Highlight-Progr<strong>am</strong>m<br />

aus den 90ern sowie ein ausführliches Booklet mit<br />

Hintergrundinformationen.<br />

(Studio H<strong>am</strong>burg Enterprises,<br />

2 DVDs, 200 Min.)<br />

from the past<br />

Bücher + Comics<br />

AUF FREIHEIT<br />

ZUGESCHNITTEN:<br />

EMILIE FLÖGE – MODESCHÖPFERIN<br />

UND GEFÄHRTIN GUSTAV KLIMTS<br />

Von Margret Greiner<br />

2014, K & S Verlag<br />

ISBN 978-3-21800-933-1<br />

304 Seiten; 24 Ð<br />

<strong>Jahre</strong> vor Coco Chanel befreite Emilie Flöge die<br />

Frauen von Mieder und Korsett. Gemeins<strong>am</strong><br />

mit ihren zwei Schwestern betrieb sie in Wien<br />

den Salon Flöge: Wer in der d<strong>am</strong>aligen Gesellschaft<br />

etwas auf sich hielt, der ließ sich ein<br />

Haus von Josef Hoffmann bauen und einrichten,<br />

seine Frau von Gustav<br />

Klimt malen und von Emilie<br />

Flöge einkleiden. Adele<br />

Bloch-Bauer, Margarete<br />

Wittgenstein-Stonborough,<br />

Berta Zuckerkandl und Clarisse<br />

Rothschild liebten ihren<br />

bahnbrechenden neuen<br />

Stil. In Form eines Romans<br />

erzählt Margret Greiner das<br />

Leben der Emilie Flöge, die Gustav Klimt bereits<br />

als junges Mädchen kennen lernte und die<br />

dem schwierigen und extravaganten Künstler<br />

bis zu seinem Tod eine verlässliche Gefährtin<br />

jenseits aller konventionellen Liebesbeziehungen<br />

war. Die Biografie zeichnet dabei das<br />

Bild einer Frau, die unbeirrt ihren Weg ging und<br />

– beruflich äußerst erfolgreich – einen völlig<br />

neuen Mode-Stil kreierte. Ihre für die d<strong>am</strong>alige<br />

Zeit ungewöhnliche finanzielle Unabhängigkeit<br />

ermöglichte es ihr auch, ihr Privatleben selbst<br />

zu gestalten. Sie heiratete nie, blieb in freier<br />

Entscheidung kinderlos, verweigerte sich allen<br />

gängigen Rollenklischees. Basierend auf den<br />

Erkenntnissen der gegenwärtigen Forschung,<br />

geht das Buch über das rein Faktische hinaus<br />

und zeichnet in einer Mischform aus Roman<br />

und Dokumentarbericht das Lebensbild einer<br />

wahrhaft außergewöhnlichen Frau.<br />

DAS KLEINE BUCH DER<br />

MODE<br />

Von Christian Dior<br />

2014, Eden Books<br />

ISBN 978-3-94429-657-9<br />

128 Seiten; 14,95 Ð<br />

Vor 60 <strong>Jahre</strong>n, 1954, veröffentlichte<br />

Christian Dior<br />

erstmals sein persönliches<br />

Mode-Handbuch. Von A bis<br />

Z werden darin alle wichtigen Stichworte aus<br />

dem Bereich der Mode abgehandelt, über die<br />

jede stilbewusste Frau Bescheid wissen sollte –<br />

seien es Schnitte, Farben oder Materialien. Bis<br />

heute hat Diors <strong>kult</strong>ige Modebibel nichts von<br />

Seite 10 ■ GoodTimes 1/2015


ihrer Gültigkeit verloren; der klassische Look,<br />

der Dior berühmt machte, überzeugt durch seine<br />

zeitlose Eleganz und liegt nach wie vor voll<br />

im Trend. Das liebevoll gestaltete Büchlein mit<br />

herrlichem Vintage-Charme ist daher immer<br />

noch ein wichtiger Ratgeber für alle Frauen, die<br />

sich für Mode interessieren.<br />

MEINE TAGE IN GELBEN<br />

SOCKEN<br />

Morten Grunwald<br />

Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag<br />

ISBN: 978-3-86265-374-4<br />

232 Seiten; 24,95 Ð<br />

Der 79-jährige dänische Schauspieler Morten<br />

Grunwald hatte im Laufe seiner Karriere etliche<br />

Rollen gespielt, eine davon machte ihn aber<br />

besonders populär. Nämlich die des immer in<br />

zu kurzen Hosen, braunkarierten Sakkos und<br />

gelben Socken gekleideten, leicht tänzelnden<br />

Benny Frandsen, den er seit 1968 30 <strong>Jahre</strong> lang<br />

in 14 Krimikomödien darstellte. Benny bildete<br />

mit seinen Freunden Egon Olsen und Kjeld Jensen<br />

die Olsenbande, die <strong>am</strong> Anfang eines jeden<br />

Films den mit einem neuen Plan ausgestatteten<br />

Bandenchef Egon nach der Entlassung vom<br />

Knast abholen, um dann bei der Umsetzung des<br />

neuen Coups jedesmal sympathisch zu scheitern.<br />

Nun legt Grunwald seine Biografie vor, und es<br />

ist vor allem ein großes Erinnerungsalmanach<br />

der Olsenbande. Absolut<br />

kurzweilig berichtet<br />

der Schauspieler<br />

von den Anfängen der<br />

Olsenbande und der<br />

Zus<strong>am</strong>menarbeit mit<br />

den Kollegen wie Ove<br />

Sprogøe (Egon Olsen), Poul Bundgaard (Kjeld)<br />

sowie den Filmemachern Henning Bahs und<br />

Erik Balling. Das Buch lebt von unzähligen, bisher<br />

unbekannten Anekdoten. Grunwald ist als<br />

Buchautor ein ähnlicher Spaßvogel wie als Benny.<br />

Der Standardslogan des Benny in den Filmen<br />

war immer Mächtig gewaltig". Das lässt sich<br />

"<br />

auch zum vorliegenden Buch sagen, das ein schickes<br />

Querformat hat, reichlich bebildert und mit<br />

einem Vorwort des Der Turm"-Schriftstellers<br />

"<br />

Uwe Tellk<strong>am</strong>p versehen ist.<br />

DAS KLEINE 80er<br />

JAHRE QUIZ<br />

2014, Huch! & friends<br />

ISBN 978-3-98145-736-0<br />

100 Fragen; 4,99 Ð<br />

Wie hieß Alf aus der gleichn<strong>am</strong>igen<br />

Serie mit richtigem men? Wer verhalf Aerobic zum<br />

weltweiten Durchbruch? Welcher afrikanische<br />

Na-<br />

Staat wurde 1980 unabhängig? Welche Uhr k<strong>am</strong><br />

1983 auf den Markt? Wer wurde im Dezember<br />

1980 zu Europas Fußballer des <strong>Jahre</strong>s gewählt?<br />

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Vokuhila?<br />

Bei welchem Tanz bewegte man in den 80ern die<br />

Ellenbogen auf und ab, machte Kniebeugen und<br />

klatschte in die Hände? Ja, ja, die 80er waren in<br />

so manchen Dingen schon eine höchst selts<strong>am</strong>e<br />

Zeit, in 100 Fragen führt "<br />

Das kleine 80er <strong>Jahre</strong><br />

Quiz" zurück in diese Zeit. D<strong>am</strong>it es nicht ganz<br />

so schwer wird, gibt es für jede Frage vier Antworten<br />

zur Auswahl, von denen eine die richtige<br />

ist, Lösungen jeweils auf der Rückseite der Fragekarten.<br />

Ach ja, Alf hieß übrigens mit richtigem<br />

N<strong>am</strong>en Gordon Shumway und st<strong>am</strong>mte vom<br />

Planeten Melmac, hätten Sie's (noch) gewusst?<br />

DAS SCIENCE FICTION<br />

JAHR 2014<br />

Von Sascha M<strong>am</strong>czak, Sebastian<br />

Pirling, Wolfgang Jeschke<br />

2014, Heyne<br />

ISBN 978-3-45331-580-8<br />

976 Seiten; 36,99 Ð<br />

Im jährlich publizierten Science-Fiction-Jahrbuch<br />

findet<br />

sich auch diesmal ein ausgewogener<br />

Mix aus kritischen<br />

und erhellenden Beiträgen,<br />

Besprechungen diverser<br />

Medien (Film, Buch, Spiele,<br />

Comic und Hörbuch) und Marktbeobachtungen.<br />

Aufsätze zur Möglichkeit der positiven Utopie<br />

innerhalb des Genres, eine Analyse der Autoren<br />

Orson Scott Card und Arno Schmidt, ein wissenschaftlicher<br />

Bericht über Weltraumteleskope und<br />

ein gelungener Abriss zum Phänomen Planet "<br />

der Affen" informieren nicht nur, sondern geben<br />

auch wichtige Denkanstöße. Während die<br />

Buchbesprechungen von Autoren wie S<strong>am</strong>uel R.<br />

Delany, Dimitry Glukhovsky, David Lodge und<br />

J<strong>am</strong>es Tiptree Jr. seriös ausfallen, transportieren<br />

einige Filmbesprechungen unterhalts<strong>am</strong>en Spott<br />

und Häme, was aber bei dem Kl<strong>am</strong>auk aus dem<br />

Jahr 2013 wie Jack And The Giants" oder Under<br />

The Dome" nachvollziehbar ist. Erstklassig!<br />

" "<br />

Ab nächstem Jahr wird das Jahrbuch nicht mehr<br />

bei Heyne erscheinen, sondern beim Golkonda-<br />

Verlag.<br />

THE BEATLES ILLUSTRATED<br />

LYRICS<br />

Von Alan Aldridge<br />

2014, Omnibus Press<br />

ISBN 978-1-78038-825-0<br />

224 Seiten; 32,25 Ð<br />

1969 illustrierte Alan Aldrige zum ersten Mal dieses<br />

Buch voller Songtexte der Beatles, nach zahlreichen<br />

Neuauflagen (und einem zweiten Teil, der<br />

1971 veröffentlicht wurde) ist The Beatles Illustrated<br />

Lyrics" nun gerade wieder frisch aufgelegt<br />

"<br />

worden. Dass die Aktualität dieses dicken Wälzers<br />

immer noch ungebrochen ist, liegt natürlich<br />

einerseits daran, dass die Musik von John, Paul,<br />

George und Ringo immer noch so gut klingt wie<br />

vor <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n. Andererseits ist es Aldridge aber<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 11<br />

auch gelungen, mit seinen<br />

Illustrationen den Geist der<br />

Texte in Bilder umzusetzen;<br />

von Collagen-haften<br />

Bildern über Fotografien<br />

bis zu surrealistischen<br />

Zeichnungen reicht das<br />

Spektrum seiner Arbeiten,<br />

immer wieder bleibt man beim Durchblättern<br />

staunend irgendwo hängen, kann man sich der<br />

Faszination dieser einmaligen Kombination aus<br />

Beatles-Texten und ungewöhnlicher Bildsprache<br />

kaum entziehen.<br />

1001 IDEEN, DIE UNSER<br />

DENKEN BEEINFLUSSEN<br />

Von Robert Arp (Hrsg.)<br />

2014, Edition Olms<br />

ISBN 978-3-28301-173-4<br />

960 Seiten; 29,95 Ð<br />

Die überaus erfolgreiche 1001"-Serie, in<br />

"<br />

der bislang unter anderem Titel über Comics,<br />

Filme, Alben und Autos erschienen sind, kann<br />

mit einem neuen Titel aufwarten,<br />

der es in sich hat.<br />

Von renommierten Geisteswissenschaftlern<br />

zus<strong>am</strong>mengestellt<br />

und erstklassig<br />

übersetzt, werden hier<br />

revolutionäre Denkansätze<br />

vorgestellt. Von der Psychoanalyse<br />

über den Anarchismus<br />

und die Fibonacci-Folge bis hin zu<br />

Fairtrade, Karma oder Black Power kann der<br />

Leser innerhalb kürzester Zeit seinen Wissensschatz<br />

bereichern. Der hervorragend illustrierte<br />

Band eignet sich sowohl als Lexikon als auch<br />

als Reiseführer durch die Jahrhunderte des Denkens,<br />

denn er beginnt chronologisch um circa<br />

1.6000.000 v. Chr. mit der Kontrolle über das<br />

"<br />

Feuer" und endet 2012 mit den neuesten Erkenntnissen<br />

zur Genetik. Wertvoll und ein ideales<br />

Weihnachtsgeschenk.<br />

VESPA: DIE GESCHICHTE<br />

DES KULTKLASSIKERS IM<br />

BILD<br />

Von Günther Uhlig<br />

2014, Motorbuch Verlag<br />

ISBN 978-3-61303-672-7<br />

272 Seiten; 29,90 Ð<br />

Die Bücher aus dem Motorbuch Verlag sind für<br />

ihre hohe Qualität bekannt Auch der aktuelle Band<br />

spiegelt das Niveau wider, denn Günther Uhlig<br />

würdigt hier die Vespa –<br />

der Kultroller überhaupt<br />

– nicht nur durch zahlreiche<br />

Bilder, sondern<br />

auch durch kurze, aber äußerst<br />

fundierte Texte. Vom<br />

Beginn ihres Siegeszuges<br />

im sonnigen Italien über


from the past<br />

die düsteren Winkel Sohos, wo die Mods in den<br />

Sechzigern die Straßen unsicher machten, bis hin<br />

zu aktuellen Modellen wie der fetzig wirkenden<br />

XV 946 reicht die Darstellung. Fotos von Treffen<br />

der Vespa-Fans, aus Museen, sogar von Vespas<br />

mit Beiwagen oder exotischen Einsatzorten<br />

(Thailand) werden von Uhligs Texten erläutert,<br />

wobei der Leser deutlich merkt, dass er es hier<br />

mit einem waschechten Fan zu tun hat, denn die<br />

Leidenschaft für das Thema und der Spaß an den<br />

Details werden offensichtlich. Pflichtlektüre!<br />

SCHLAFENDE HUNDE<br />

Von Ian Rankin<br />

2014, Manhattan<br />

ISBN 978-3-44254-723-4<br />

462 Seiten; 19,90 Ð<br />

Ian Rankin zählt mittlerweile<br />

zu den beliebtesten Krimiautoren<br />

Großbritanniens und<br />

wurde mit dem Order Of The<br />

British Empire ausgezeichnet.<br />

Von Pete Townshend von The<br />

Who hochgelobt – obwohl die<br />

Hauptfigur John Rebus ständig Rolling-Stones-<br />

Platten hört –, begeistert Rankin nicht nur das<br />

anspruchsvolle Publikum, sondern auch den ganz<br />

normalen Leser. In "<br />

Schlafende Hunde" kehrt der<br />

pensionierte Detective Sergeant Rebus wieder in<br />

den Polizeidienst zurück. Vor dem Hintergrund<br />

des schottischen Referendums zur Unabhängigkeit<br />

muss er mit seiner ehemals untergebenen<br />

Kollegin Siobhan Clarke einen komplizierten<br />

Fall erneut aufrollen, dessen Wurzeln mehr als<br />

30 <strong>Jahre</strong> zurückliegen. Die Ergebnisse verblüffen<br />

nicht nur ihn. Eine spannende Handlung, die ausgearbeiteten<br />

Charaktere, die der Leser förmlich<br />

vor den eigenen Augen visualisieren kann und<br />

speziell die "<br />

schottische Perspektive" vereinen<br />

sich zu einem empfehlenswerten Roman.<br />

DER INOFFIZIELLE GAME &<br />

WATCH SAMMLERKATALOG<br />

Von David Gschmeidler und<br />

Gerhard Meyer<br />

2013, Selbstverlag, www.g<strong>am</strong>eandwatch.at<br />

ISBN 978-3-20003-384-9<br />

208 Seiten; Standard: 39,95 Ð<br />

(Hardcover 59,59 Ð)<br />

Über zwei <strong>Jahre</strong> haben die beiden Autoren David<br />

Gschmeidler und Gerhard Meyer an diesem einzigartigen<br />

S<strong>am</strong>mlerkatalog gearbeitet, haben in<br />

aufwändiger Arbeit die wichtigsten Daten über<br />

die <strong>kult</strong>igen 80er-<strong>Jahre</strong>-LCD-Spiele der japanischen<br />

Firma Nintendo zus<strong>am</strong>mengetragen.<br />

Dabei richtet sich<br />

dieser Katalog ebenso an bein-<br />

harte S<strong>am</strong>mler wie an interessier-<br />

te Quereinsteiger, die sich über<br />

den großen Themenkomplex<br />

der G<strong>am</strong>e & Watch-Geräte<br />

informieren wollen. Jedes<br />

der 59 Spiele wird ausführlich in Text und Bild<br />

vorgestellt, Screenshots, Kurzbeschreibung, Seltenheitsbarometer<br />

und Preisentwicklungs-Charts<br />

sorgen für faktenreiche Hintergrundinfos, dazu<br />

werden noch weitere G<strong>am</strong>e-Versionen vorgestellt,<br />

auf die Geschichte der Handheld-Spiele<br />

eingegangen, zeigen die Kapitel Kuriosa" und<br />

"<br />

Merchandise", zu welchen Auswüchsen die<br />

"<br />

Nintendo-Manie führte, welche Bücher und Magazine<br />

sich heute und d<strong>am</strong>als mit dem Thema<br />

beschäftigten. Neben der Standard (Softcover-)<br />

Ausgabe gibt es Den inoffiziellen G<strong>am</strong>e &<br />

"<br />

Watch S<strong>am</strong>mlerkatalog" auch als streng limitierte<br />

Hardcover-Version inklusive Zertifikat und Lesezeichen.<br />

Großartig!<br />

CDs<br />

CHRISTIAN ANDERS<br />

ORIGINALE ALBUM-BOX<br />

Mit einer tollen Ausstattung<br />

liefert<br />

Universal gleich mehrere Gründe,<br />

sich bei den jetzt<br />

neu erschienenen<br />

Album-<br />

Boxen<br />

zu bedienen.<br />

Jeweils<br />

fünf CDs,<br />

die größtenteils noch nie als<br />

CD zu haben waren und auch als originale Vinyl-<br />

LP nur noch auf Ebay & Co. zu finden sind, gibt<br />

es pro Box, jede einzelne von ihnen remastert<br />

und herrlich in einem aufklappbaren Cover im<br />

Original-LP-Artwork verpackt, dazu noch die<br />

eine oder andere Bonus-Zugabe, meistens Non-<br />

Albumtracks wie Single-B-Seiten oder Livemitschnitte.<br />

Bei Christian Anders beginnt die Reise<br />

1970 mit GEH' NICHT VORBEI, führt über das<br />

ein Jahr später veröffentlichte ICH LASS' DICH<br />

NICHT GEH'N bis zum 1972er ES FÄHRT<br />

EIN ZUG NACH NIRGENDWO, das mit dem<br />

gleichn<strong>am</strong>igen Titelsong auch einen der größten<br />

Hits des österreichischen Schlagersängers<br />

bietet. Beflügelt von diesem Erfolg, bestärkte<br />

es ihn, seinen getragenen, melancholischen Stil<br />

weiterzuentwickeln, und er legte 1974 mit EIN-<br />

SAMKEIT HAT VIELE NAMEN sowie 1975<br />

mit DER LETZTE TANZ zwei traumhafte Alben<br />

nach.<br />

(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />

RALF BENDIX<br />

GROSSE ERFOLGE & EVERGREENS<br />

Natürlich kennt jeder den inzwischen zum<br />

Kult-Song avancierten "Babysitter-Boogie",<br />

mit dem Ralf Bendix 1961 wochenlang die<br />

Spitzenposition der deutschen Single-Charts<br />

innehatte. Am 16. August feierte Bendix seinen<br />

90. Geburtstag, welchen besseren Grund<br />

könnte es geben, sich ins Gedächtnis zu rufen,<br />

dass der <strong>am</strong> 1. September verstorbene Sänger<br />

daneben noch zahlreiche andere erfolgreiche<br />

Titel im Progr<strong>am</strong>m hatte.<br />

GROSSE ERFOLGE<br />

& EVERGREENS vers<strong>am</strong>melt<br />

all diese nun<br />

auf zwei CDs, auf denen<br />

es von "B<strong>am</strong>bina" über<br />

die "Striptease Susi",<br />

den "Venus-Walzer"<br />

und den "Armen Gigolo" bis zu Klassikern wie<br />

"Buona Sera" und den "Kriminal-Tango" geht.<br />

(Electrola/Universal, 2014,<br />

22/60:53, 20/56:43)<br />

UDO JÜRGENS UND SEINE<br />

GÄSTE<br />

MITTEN IM LEBEN – DAS TRIBUTE<br />

ALBUM<br />

Udo Jürgens: eine lebende Legende und einer<br />

der größten Entertainer und Musiker. Die Musik-<br />

und TV-Welt lässt es sich daher nicht nehmen,<br />

mit ihm seinen 80. Geburtstag im Rahmen<br />

einer großen Geburtstagsgala zu feiern. Viele<br />

musikalische Gäste werden in der Show auftreten<br />

und dabei die bekanntesten Lieder von<br />

Udo Jürgens in ihrer persönlichen<br />

Version performen.<br />

Mit dabei sind Chris<br />

de Burgh, Annett Louisan,<br />

Helene Fischer, David<br />

Garrett, Christina Stürmer,<br />

Tim Bendzko, Santiano,<br />

Otto Waalkes, LaBrass-<br />

Banda, Schiller, Yvonne Catterfeld und J<strong>am</strong>ie<br />

Cullum. Natürlich darf bei einem solchen Event<br />

seine langjährige musikalische Begleitung, die<br />

Pepe Lienhard Band, nicht fehlen. Pünktlich<br />

zur <strong>am</strong> 18. Oktober ausgestrahlten Sendung<br />

wird eine Doppel-CD veröffentlicht, auf der die<br />

Songs der in Freiburg aufgezeichneten Sendung<br />

zu hören sind. Dazu gibt es auf einer zweiten<br />

CD noch die Originale von Udo Jürgens, von<br />

"Merci Cherie" über "Griechischer Wein" bis<br />

zu "Ich war noch niemals in New York" einen<br />

hochklassigen Streifzug durch seine lange und<br />

erfolgreiche Karriere. Ohne Zweifel eine Geburtstagsparty<br />

der Extraklasse, Genre übergreifend<br />

und voller musikalischer Überraschungen,<br />

die einen der größten Musiker unserer Zeit auf<br />

ganz besondere Weise ehrt.<br />

(Ariola/Sony Music, 2014, 2 CDs)<br />

FREDDY QUINN<br />

ORIGINALE ALBUM-BOX<br />

Die Auswahl der Alben von Freddy Quinn<br />

für die "<br />

Originale Album-Box" reicht von<br />

1965 bis 1977. Zwei Alben, STIMME DER<br />

HEIMAT und SINGT DIE SCHÖNSTEN<br />

DEUTSCHEN VOLKSLIEDER, widmen<br />

sich, getreu den Titeln der LPs, dem deut-<br />

Seite 12 ■ GoodTimes 1/2015


schen Volkslied. Von "In einem kühlen Grunde"<br />

und "Kein schöner Land" über "Am<br />

Brunnen vor dem Tore"<br />

und "Im schönsten Wiesengrunde"<br />

bis zu "Jetzt<br />

kommen die lustigen<br />

Tage" und "Der Mond<br />

ist aufgegangen" reicht<br />

Quinns Auswahl, als<br />

Bonus-Tracks gibt es u.a. Live-Aufnahmen<br />

zus<strong>am</strong>men mit den Fischer Chören und dem<br />

Medium-Terzett. DAS GROSSE WUNSCH-<br />

KONZERT, VIVA MEXICO und WO MEINE<br />

SONNE SCHEINT zeigen den Sänger dann<br />

mit dem internationalen Titelmix, der ihn in<br />

den 60er <strong>Jahre</strong>n zu einem der beliebtesten<br />

Interpreten gemacht hat: "Good-Bye Jonny",<br />

"O, mein Papa", "Bes<strong>am</strong>e Mucho", die "Schiwago-Melodie",<br />

"R<strong>am</strong>ona", "Ol' Man River",<br />

"Heimat deine Sterne" oder "Das alte Lied".<br />

(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />

NANA MOUSKOURI<br />

MEINE REISE VON 1962 BIS HEUTE<br />

Am 13. Oktober feierte Nana Mouskouri ihren<br />

80. Geburtstag, mit über 2<strong>50</strong> Millionen verkauften<br />

Tonträgern gehört sie zu den kommerziell<br />

erfolgreichsten Sängerinnen aller<br />

Zeiten. Eine Laufbahn als Opernsängerin<br />

verwarf sie früh, widmete sich<br />

Knüppel<br />

Joachim<br />

Werner<br />

stattdessen dem Chanson, dem Jazz,<br />

Knüppel<br />

Helmut<br />

Rohde<br />

den Balladen – in Deutschland wurde<br />

sie vor allem als Schlagersängerin<br />

wahrgenommen. Wie keine Zweite<br />

nahm sie sich<br />

den Rat von<br />

Maria Callas<br />

zu Herzen:<br />

Es tut nichts<br />

"<br />

zur Sache, was<br />

Sie singen; es<br />

ist nur wichtig,<br />

warum Sie es singen und wie Sie<br />

es singen!" Auf zwei CDs nimmt<br />

Nana Mouskouri ihre Hörer mit auf<br />

die Reise durch ihre lange Karriere,<br />

von "Einmal weht der Südwind wieder"<br />

über "Die Rose" bis zu "Weiße<br />

Rosen aus Athen". Die komplette<br />

zweite CD liefert dazu Songs, die sie<br />

in Englisch, Französisch oder Griechisch<br />

singt.<br />

(Mercury/Universal, 2014,<br />

22/81:18, 22/79:49)<br />

DALIAH LAVI<br />

ORIGINALE ALBUM-BOX<br />

Nachdem Daliah Lavi in den <strong>50</strong>er<br />

<strong>Jahre</strong>n den Wehrdienst in ihrer israelischen<br />

Heimat abgeleistet hatte,<br />

k<strong>am</strong> sie über Jobs als Mannequin<br />

und nach ersten Rollen in Kinofil-<br />

IN DIESER AUSGABE NEU:<br />

Karl-May-Bücher 1876-1980<br />

Alle 1000 Abbildungen in Farbe !<br />

men zur Musik. 1969 war sie zu Gast in einer<br />

BBC-Sendung, wo sie mit ihrer rauchigen Stimme<br />

einige hebräische Lieder sang und sofort einen<br />

Plattenvertrag von einem britischen Label<br />

angeboten bek<strong>am</strong>. Doch erst als der H<strong>am</strong>burger<br />

Produzent Jimmy Bowien sie bei der deutschen<br />

Polydor unter Vertrag nahm, begann ihre außerordentlich<br />

erfolgreiche Karriere als Sängerin. Bereits<br />

ihre erste Single "Liebeslied jener Sommernacht"<br />

wurde 1970 ein Hit. Mit der französischen<br />

Version "Prends l’<strong>am</strong>our"<br />

begeisterte sie noch im<br />

selben Jahr beim International<br />

Song Festival" in "<br />

Tokio das Publikum, das<br />

Lied wurde als "Love’s<br />

Song" auch ins Englische<br />

übertragen und als Single veröffentlicht. Daliah<br />

Lavi sang in ihrer langen Karriere auf Deutsch,<br />

Französisch, Englisch, Hebräisch, Italienisch und<br />

Spanisch. In der Fünferbox gibt es nun die Alben<br />

ICH BIN DEIN FREUND (1972), MEINE<br />

ART LIEBE ZU ZEIGEN (1972), CAFÈ DECA-<br />

DENCE (1975), NEUER WIND (1976) sowie<br />

BEI DIR BIN ICH IMMER NOCH ZUHAUS<br />

(1978).<br />

(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />

Allgemeiner<br />

ISBN 978-3-00-034171-7<br />

für deutschsprachige Romanhefte,<br />

Bücher von Karl May und Leihbücher<br />

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39,95€<br />

Rund 1000 Abbildungen!<br />

Komplett in Farbe!<br />

Erstmals mit Karl May!<br />

COMICLADEN KOLLEKTIV<br />

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Telefon: 040/40 77 81<br />

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www.romanhefte.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo-Fr 10.30 – 19.00 Uhr<br />

Sa 10.00 – 14.00 Uhr<br />

Ständiger An-und Verkauf!<br />

„In unserem Laden findet Ihr neue Comics aller Verlage<br />

und alte Comics von 1945 bis heute, wie Micky Maus ab<br />

1951, Sigurd, Felix, Bessy usw.“<br />

AUSSERDEM FOLGENDE SAMMELGEBIETE:<br />

alte Romanhefte von 1900-heute<br />

alte Musikzeitschriften wie Bravo, POP,<br />

Musikparade, Popfoto usw.<br />

Erotikmagazine von 19<strong>50</strong>-1980<br />

S<strong>am</strong>melbilderalben wie Panini, Voss usw.<br />

Filmprogr<strong>am</strong>me<br />

Kinderbilderbücher<br />

Figuren der Firma ELASTOLIN, Timpo-Toys<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 13<br />

ROY BLACK<br />

ORIGINALE ALBUM-BOX<br />

Über Roy Blacks Erfolge in den 70er <strong>Jahre</strong>n<br />

muss an dieser Stelle wohl kaum berichtet<br />

werden. Jeder, der in<br />

dieser Zeit die Unterhaltungssendungen<br />

im<br />

Radio oder im Fernsehen<br />

verfolgt hat, k<strong>am</strong> an<br />

diesem smarten Sänger<br />

nicht vorbei. Vor allem<br />

zu Beginn der 70er veröffentlichte er zahlreiche<br />

LPs, die es noch nie als CD gab und<br />

als LP schon lange vergriffen sind, so dass<br />

auch hier die Alben IM LAND DER LIEDER<br />

(1970), WO BIST DU (1971), EINE LIEBES-<br />

GESCHICHTE (1971), TRÄUME IN SAMT<br />

UND SEIDE (1972) und WUNDERBAR IST<br />

DIE WELT (1972) für Schlagerfans hochwillkommen<br />

sein dürften. Einer der Bonus-Tracks<br />

liefert mit "Verliebt und froh und heiter" die<br />

Fortsetzung des Riesenhits "Schön ist es auf<br />

der Welt zu sein", die Roy Black beide zus<strong>am</strong>men<br />

mit Anita (Hegerland) – später als<br />

Lebensgefährtin von Mike Oldfield auf dessen<br />

Alben zu hören – aufgenommen hat.<br />

(Electrola/Universal, 5 CDs)<br />

NINO DE ANGELO<br />

ORIGINALE ALBUM-BOX<br />

Es war nicht nur sein Blick, auch<br />

mit seiner Stimme konnte Nino de<br />

Angelo Gletscher zum Schmelzen<br />

bringen. Anfang der 80er <strong>Jahre</strong> startete<br />

die Karriere des Sängers mit<br />

italienischen Wurzeln in Deutschland<br />

so richtig durch, mit dem von<br />

Drafi Deutscher geschriebenen<br />

Song "Jenseits von Eden" ging es<br />

bis an die Spitze der Single-Charts<br />

in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz, die LP JENSEITS VON<br />

EDEN kletterte 1984 bis auf den<br />

zweiten Platz. Auch sein ein Jahr<br />

zuvor veröffentlichtes Debüt JUN-<br />

GES BLUT gelangte schon bis auf<br />

den zehnten Platz, für ZEIT FÜR<br />

REBELLEN reichte es immerhin<br />

noch zu Nummer 46. Nicht mehr<br />

platzieren konnten sich ICH SU-<br />

CHE NACH LIEBE (1986) und<br />

D U R C H<br />

1000 FEUER<br />

(1987), dennoch<br />

sind beide<br />

Alben heute<br />

umso mehr<br />

Kult-verdächtig,<br />

dazu noch bieten sie mit Singleund<br />

Extended-Versionen zahlreiche<br />

Bonus-Tracks.<br />

(Electrola/Universal, 5 CDs)


DIE GEBURT DER SUPERBIKES<br />

Frankensteins<br />

wilde Töchter<br />

Mit der CB 7<strong>50</strong> Four revolutionierte Honda Ende<br />

der 60er <strong>Jahre</strong> den Motorradbau, das Bike war endgültig<br />

in der Moderne angekommen. Kawasaki<br />

mit der nicht weniger legendären Z 900, Suzuki<br />

mit den GS-Baureihen und Y<strong>am</strong>aha mit der mächtigen<br />

XS 1100 sollten schon bald folgen.<br />

großen Entwicklungssprung hatte es bisher in der Motorradindustrie<br />

noch nicht gegeben: Ein Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit<br />

obenliegender Nockenwelle und 67 PS, dazu ein Elektrostarter, fünf<br />

Gänge und, um die enorme Beschleunigung auch wieder in den<br />

Griff zu bekommen, vorne eine (später zwei) Scheibe(n)- statt einer<br />

Trommelbremse. Keine Frage, die Four gilt zu Recht als das erste<br />

Superbike, und Honda hat mit ihr Motorradgeschichte geschrieben.<br />

S<br />

Aber die Geschichte ist – vereinfacht ausgedrückt – nun mal weniger<br />

chönheit ist Geschmackssache, so der Volksmund. Tatsächlich eine Konstante als vielmehr eine Variable. Die Dinge entwickeln sich,<br />

aber ist längst erwiesen, dass die Kriterien für das, was wir als<br />

und ein „Höher, Schneller, Weiter" gibt es längst nicht nur im Sport.<br />

schön empfinden, fest in unserem Bewusstsein<br />

So war es vor allem die japanische Konkurrenz, allen voran Kawasaki,<br />

verankert sind. Geht es zum Beispiel el um die<br />

die blitzschnell auf die CB 7<strong>50</strong> reagierte.<br />

schönsten Autos aller Zeiten, würde wohl kaum<br />

Kawasaki Z1<br />

einer den Jaguar E-Type oder den Mercedes 300 SL<br />

Die Z1 – Schneller, als<br />

außen vor lassen. Und was für Autos gilt, trifft auf<br />

das Fahrwerk erlaubt<br />

Motorräder ebenso zu. So halten viele die CB 7<strong>50</strong><br />

M<br />

Four von Honda für das schönste Motorrad aller<br />

it der Z1 / Z 900 toppte das Unternehmen<br />

Zeiten. Und genaugenommen gibt es wohl nur<br />

aus Kobe 1972 zumindest die Leistungsdaten<br />

ein anderes Bike, das der Honda diesen Rang<br />

der Honda deutlich. Wie bei Honda setzte man<br />

streitig machen könnte – die Kawasaki Z1<br />

auch bei Kawasaki auf einen luftgekühlten Vierzylinderbeziehungsweise<br />

Z 900. In einem Punkt<br />

Viertakt-Reihenmotor, allerdings mit zwei obenliegenden<br />

aber liegt die Honda ganz klar vorn:<br />

Nockenwellen. Der aber wies nicht 7<strong>50</strong> ccm, sondern<br />

Mit der Vorstellung der CB 7<strong>50</strong> Four<br />

gar 900 ccm auf – was die Maschine gleichzei-<br />

auf der „Tokyo Motor Show" von 1968<br />

tig zum ersten Big Bike der Motorradhistorie<br />

begann das Zeitalter der Superbikes, der<br />

machte – und lieferte zudem 79, später 82<br />

schweren, um die 200 km/h schnellen en<br />

PS, so dass es für jeden Fahrer grundsätzlich<br />

Maschinen, die technisch zu jeder Zeit den<br />

kein Problem gewesen wäre, die 200 km/hjeweiligen<br />

Status quo repräsentieren.<br />

Marke mehr als deutlich zu knacken. Der<br />

S<br />

Konjunktiv aber ist sehr bewusst gewählt. Denn<br />

elbstverständlich gab es auch vorher Motorräder, die enorme<br />

die schiere Power der „Kawa" traf zumindest<br />

Leistung boten. So etwa die Zwei-Zylinder-Modelle der britischen<br />

bei der ersten Baureihe nicht auf ein adäquates<br />

Marken BSA, Matchless oder Triumph, um nur einige Beispiele zu nen. Die Honda CB 7<strong>50</strong> Four aber war buchstäblich aus einer anderen<br />

Hochgeschwindigkeitsfahrten konnten so, besonders<br />

nen-<br />

Fahrwerk, das diese Kraft hatte bändigen können.<br />

Zeit. Oder besser, sie läutete eine andere, eine neue Zeit ein. Einen so für eher Ungeübte, schnell mal zum Höllenritt werden. Kein Wunder<br />

Seite 14 ■ GoodTimes 1/2015


also, dass sich die Z1 / Z 900 alsbald<br />

den Spitzn<strong>am</strong>en „Frankensteins Tochter"<br />

erwarb. Aus heutiger Sicht betrachtet,<br />

scheint das allerdings ein wenig ungerecht.<br />

Denn Kawasaki reagierte schnell und besserte<br />

nach, indem man der Vorderradgabel<br />

di ckere Standrohre spendierte und vorne<br />

von einer auf zwei Scheibenbremsen aufstockte.<br />

Mit diesen Maßnahmen verbesserten<br />

sich Fahrverhalten und Fahrbarkeit deutlich.<br />

Mit der Z 900 begann aber auch das<br />

Wettrüsten. Suzuki<br />

etwa hatte zwar bereits<br />

seit 1971 mit der GT<br />

7<strong>50</strong> ebenfalls ein<br />

Suzuki<br />

GS 1000 S<br />

Superbike im<br />

Progr<strong>am</strong>m. Der<br />

wegen seiner<br />

Wasserkühlung<br />

auch „Wasserbüffel"<br />

genannte<br />

Drei-Zylinder-<br />

Zweitakt-Motor hatte<br />

aber schon d<strong>am</strong>als<br />

wegen zunehmend verschärfter<br />

Abgasbestim mungen kaum eine<br />

Chance auf eine längere Lebensdauer. Auch<br />

Italienern, den Deutschen? Auch die<br />

Suzuki benötigte also unbedingt ein<br />

Viertakt-Aggregat. gregat. Und das k<strong>am</strong> auch,<br />

1976 mit der GS 7<strong>50</strong>, der schon bald<br />

die noch größere GS 1000 folgen sollte.<br />

bauten in den 70er <strong>Jahre</strong>n tolle Motorräder.<br />

Erwähnt sei hier<br />

die Benelli<br />

7<strong>50</strong> Sei, die schon fünf <strong>Jahre</strong><br />

vor Honda und<br />

Kawasaki auf<br />

Der wiederum wurde auf der IFMA<br />

einen<br />

Sechszylinder-Motor<br />

in Köln, der „Internationalen Fahrrad-<br />

und Motorradausstellung",<br />

die sportlichere<br />

Variante ante<br />

setzte. Oder die nicht weni-<br />

ger legendäre<br />

Moto Guzzi<br />

8<strong>50</strong> Le Mans, ein ech-<br />

ter Meilenstein für<br />

GS 1000 S<br />

den<br />

italienischen<br />

zur Seite e<br />

Hersteller und<br />

gestellt. Die<br />

ohne<br />

Frage<br />

im traditionellen<br />

Suzuki-Blauweiß uweiß<br />

gehaltene S war<br />

ebenfalls mit<br />

Klassikerpotenzial.<br />

ein bildhübsches<br />

Y<strong>am</strong>aha<br />

Nichts anderes<br />

Bike und setzte unter<br />

XS 1100<br />

gilt auch für die<br />

anderem auf eine Cockpitverkleidung und<br />

eine luftunterstützte Telegabel. Mit 90 PS<br />

war die Suzi zudem<br />

bestens motorisiert.<br />

Das stärkste Motorrad<br />

seiner Zeit aber<br />

war sie nicht. Honda setzte ab 1978 bei<br />

der CBX 1000 gar auf einen Sechszylinder-<br />

Reihenmotor enmotor mit 105 PS. Ähnlich wie die Z<br />

900 war aber auch die CBX fahrwerksmäßig<br />

von ihrer eigenen Kraft<br />

ein wenig überfor-<br />

dert. Und als<br />

BMW<br />

R 90 S, die<br />

bis dahin sportlichste BMW aller Zeiten, die<br />

schon 1973 auf den Markt k<strong>am</strong> und bis<br />

heute eine der ganz großen Ikonen<br />

der Bayerischen Motorenwerke<br />

ist. Und dennoch, trotz all<br />

dieser und weiterer klassischer<br />

Big Bikes aus den<br />

70ern, wie der Laverda<br />

7<strong>50</strong> S, der Ducati 7<strong>50</strong><br />

GT oder der Norton<br />

kurz darauf<br />

Commando 8<strong>50</strong><br />

die Kawasaki<br />

–, den entscheidenden<br />

Z 1300 auf<br />

Schritt<br />

den Markt<br />

machte Honda<br />

k<strong>am</strong>, einigten<br />

mit der CB 7<strong>50</strong><br />

sich die Hersteller<br />

Four.<br />

Dieses<br />

auf eine freiwil-<br />

lige Leistungsbeschränkung<br />

BMW R 90 S<br />

Motorrad, besser<br />

noch diese<br />

auf<br />

Skulptur<br />

einer<br />

100 PS, die man erst 1999 wieder aufhob.<br />

Was nichts daran änderte, dass die Z 1300 –<br />

wie die CBX ein Sechszylinder – noch einmal<br />

rund 300 ccm und <strong>50</strong> kg mehr zu bieten<br />

hatte. Fürs sportliche Fahren war das jeden-<br />

Maschine und eines<br />

Motors, wird für immer für den Übergang<br />

von der Neuzeit in die Moderne des<br />

Motorradbaus stehen!<br />

Andreas Kötter<br />

falls viel zu viel, so dass Kawasaki die Z 1300<br />

fortan als Tourer bewarb.<br />

Y<strong>am</strong>ahas XS 1100 S:<br />

Schön, aber keine Ikone<br />

Was aber machte eigentlich Y<strong>am</strong>aha, der<br />

Vierte aus dem Quartett der großen<br />

japanischen Motorradhersteller? Dort reagierte<br />

man spät, aber nicht zu spät auf den<br />

Trend vom „Höher, Schneller,<br />

Weiter" und konnte 1977<br />

mit der mächtigen XS 1100<br />

einen gelungenen Konter<br />

fahren. Eine Legende wie<br />

die CB 7<strong>50</strong> Four oder<br />

die Z 900 aber wurde der<br />

Reihenvierzylinder<br />

nicht, obwohl die<br />

XS gerade in der<br />

„S"-Ausführung<br />

von 1981 im<br />

schwarz-goldenen<br />

Look durchaus eine<br />

Augen weide war.<br />

Und was war mit den anderen, den


MODE-SERIE<br />

DRITTER TEIL<br />

instyles<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Von Claudia Tupeit<br />

Foto<br />

:©<br />

Bild<br />

arch<br />

iv H<br />

allh<br />

uber<br />

a war das Hippie-Flair, das bereits Ende der 60er <strong>Jahre</strong><br />

die Welt mit Flower-Power-Optik, Haarbändern und großen<br />

Sonnenbrillen überflutete. Die Schlaghosen glitzerten immer<br />

mehr, offene Plateauschuhe klatschten sich mit den geschlossenen<br />

Stiefeln ab. Glänzende und robuste Stoffe bedeckten <strong>am</strong> Körper, was<br />

unbedingt bedeckt werden musste. Und bevor das Jahrzehnt zu Ende<br />

ging, erschreckten Karos, zerrissene Strumpfhosen, spitze Nietengürtel,<br />

Haarkämme und klobige Schnürstiefel das Establishment. Die 70er <strong>Jahre</strong><br />

waren ein extrem buntes, vielfältiges Jahrzehnt. Eine<br />

Dekade, aus der modische Extreme in großer Zahl<br />

bis heute überdauerten. Oft nicht mehr ganz so<br />

bunt – zumindest im normalen Straßenbild. Und<br />

ob der Fülle an Einkaufsmöglichkeiten sicherlich<br />

auch nicht mehr ganz so kreativ und individuell umgesetzt.<br />

Aber Punk-Look, <strong>am</strong> Gl<strong>am</strong> angelehnte Outfits mit viel<br />

Glitzer, Pailletten und Metallic sowie Schlagjeans, hohe<br />

Schuhe mit dicken Sohlen, blumige Hippie-Kleider und<br />

" Vintage"<br />

und "<br />

Retro" sind die Modewörter<br />

der Stunde. Die Kl<strong>am</strong>ottentrends von<br />

heute verleiben sich alles ein: Bubikragen der<br />

<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>, Miniröcke im 60er Stil, Schlaghosen und<br />

Plateauschuhe kommen aus dem Jahrzehnt von Abba, breite<br />

Schultern, Neonfarben und Chino-Hosen sind ein Relikt der<br />

verrückten 80er. Wer heute IN sein will, hat die vergangenen<br />

Dekaden aber nicht nur im Kleiderschrank, sondern auch auf<br />

dem Plattenteller und im DVD-Player. <strong>kult</strong>! widmet sich<br />

den Trends von d<strong>am</strong>als, die heute schon wieder für<br />

viele zum Lebensgefühl gehören. Nach den <strong>50</strong>s<br />

und 60s sind nun die bunten 70er<br />

<strong>Jahre</strong> an der Reihe.<br />

Schlapphüte sind an trendbewussten Menschen auch<br />

heute noch ständig zu sehen.<br />

ieles davon ist auf jeden Fall alltagstauglich<br />

geworden. Laufsteg-Götter wie die Designer<br />

aus den Häusern Yves Saint Laurent oder Chanel –<br />

um nur zwei zu nennen – zeigten mit ihren letzten<br />

Kollektionen den 70s-Chic schlechthin:<br />

Punk – oder zumindest das, was man<br />

heute dafür hält. Gepaart wird er in der<br />

modernen Variante mit Elementen aus den 80ern und den<br />

frühen 90ern, etwa Flanell-Holzfällerhemden, weiten Shirts<br />

und Hosen, Spitzenstrümpfen sowie Freizeittretern, die wegen ihrer<br />

Sportschuh-Optik beim Betrachten dazu animieren, ins nächstgelegene<br />

Fitnessstudio zu gehen. Fertig ist der Anputz für 2014: ein Mix aus<br />

dem Punk der 70er <strong>Jahre</strong> mit Grunge. Models und It-Girls „all over the<br />

world" machen das, was einst verpönt und als „Arbeiterklasse-Mode"<br />

Seite 16 ■ GoodTimes 1/2015


propos Masche: Der Trend seit<br />

Herbst/Winter 2012/2013 sind<br />

Lochmusterpullis. Tops, Langarmshirts,<br />

Blusen – die recht durchlässigen Oberteile<br />

werden praktisch über alles gestreift, was vorzeigbar<br />

ist. Viele Designer haben sie auf den Laufstegen<br />

gehabt, bis sie dann schließlich Einzug bei trendbewussten<br />

und bezahlbaren Modehäusern wie H&M, Zara, Mango und<br />

Topshop hielten. Sie werden lässig zur Jeans kombiniert, gern auch zu<br />

den heißen Höschen, also den Hot-Pants – ebenfalls ein (knappes) Relikt<br />

aus den 70s.<br />

Foto: © INTERFOTO<br />

abgestempelt wurde, absolut salonfähig. Mädchen gehen mit Löchern<br />

in den schwarzen Feinstrumpfhosen in die Schule, kombinieren dazu<br />

jede Menge Ketten- und Nietengürtel, Kariertes, tragen Ledermini oder<br />

Jeans-Shorts mit ausgefransten Säumen – und dazu natürlich das ultimative<br />

Schuhwerk: Doc Martens. Heute erhältlich in allen<br />

erdenklichen Farben und Mustern wie C<strong>am</strong>ouflage,<br />

Karos, mit dem Union-Jack drauf oder geblümt wie<br />

Kindergummistiefel.<br />

n den 70ern – quasi bei den Originalen – ist<br />

das dezenter abgelaufen. Zumindest farblich. Am<br />

Ende des Jahrzehnts waren zu heftig leuchtende<br />

Farbflashs und Glitter bei den coolen Typen verpönt.<br />

Ganz im Gegensatz zum Beginn der modischkunterbunten<br />

Dekade.<br />

as Feeling des legendären<br />

Woodstock-Festivals in den<br />

USA und die Hippie-Kultur in San<br />

Francisco (vor allem im noch heute<br />

authentisch daherkommenden Viertel<br />

Haight & Ashbury) sind Anfang der 70er<br />

in modischer Hinsicht immer noch auf ihrem<br />

Höhepunkt. Die Mädchen hatten Blumenkränze und<br />

bunte Stoffbänder im (möglichst) langen Haar. Sie<br />

trugen Wallekleider mit Orn<strong>am</strong>entdrucken und Blumenprints.<br />

Dazu Zehensandalen mit Lederband, Fußkettchen, lange<br />

Halsketten, und davon viele. Am besten mit Anhänger<br />

im „Make love not war"-Style – und stets ein völlig<br />

entspanntes Lächeln auf den Lippen. Schnitte, Muster,<br />

Farben, Details haben ihre Wurzeln in der Folklore.<br />

lore<br />

So war es nicht verwunderlich,<br />

dass – im Übrigen auch<br />

bei den heutigen Trendteilen des<br />

70s-Look durchaus üblich – so einiges anmutete,<br />

als sei es von Indianern gefertigt worden. Aber<br />

auch Elemente aus anderen Kulturkreisen flossen<br />

mit ein: Spanisches, Arabisches, Asiatisches oder<br />

Accessoires, die von der afrikanischen Folklore<br />

inspiriert waren.<br />

© Claudia Tupeit<br />

uch gehäkelte Oberteile und Kleidchen,<br />

unter denen farbenfroh ein Bikini durchblitzte,<br />

waren der Renner. 2011 widmete das<br />

Maschenmuseum in Albstadt der Mode der<br />

70er (und 80er) sogar eine Retrospektive. Bei<br />

Führungen konnten Besucher die bunte, verrückte,<br />

punkige, aber auch elegante Mode-Dekade bewundern. (Die<br />

Sonderausstellung füllten ausgewählte Originalkleidungsstücke aus der<br />

S<strong>am</strong>mlung von Renate Steim-Ölkrug).<br />

© Pressefoto<br />

it Ende der kalten <strong>Jahre</strong>szeit folgte auf den Winterstrick im<br />

Sommer 2013 das ultimative Outfit für den wahrhaft heißen<br />

Sommer: Häkel- und Strickmusterteile. Und wieder sind sie da, die<br />

Kleidchen mit großen und kleinen Löchern, in Cremeweiß, aber auch farbiger,<br />

mit allerhand netten Details wie unterschiedlichen Maschengrößen<br />

an Ober- und Rockteil, Muschel- und Perlenverzierungen <strong>am</strong> Saum und/<br />

oder Ausschnitt. Mal mit Neckholder, mal mit normalen Trägern. Auch<br />

Tops und sogar Shorts im Häkelstil gehen über die Ladentheke wie warme<br />

Semmeln. Nicht fehlen dürfen auch die groben Maschen an den Füßen<br />

und als Accessoires für den Strand. Nein, d<strong>am</strong>it ist nicht der Hut gemeint,<br />

sondern vielmehr der – wie die anderen Sachen auch – von den modebewussten<br />

M<strong>am</strong>as in den 70ern stolz vorgeführte Häkel-Bikini. Der ist<br />

tatsächlich nur zum Vorführen geeignet. Nass sollte der Badezweiteiler<br />

freilich nicht werden (schon mal nasse Wollfäden <strong>am</strong> Körper<br />

gehabt?), und auch auf der von Sonnencreme geschützten Haut<br />

schmiegt sich der Stoff nicht gerade bequem über Brüste und Po.<br />

Aber es sieht chic aus.<br />

er heute Lust auf das Flair von d<strong>am</strong>als<br />

hat, der sollte sich aufmachen und im<br />

Juli das seit 1968 – mit Unterbrechungen –<br />

jährlich stattfindende „Burg Herzberg Festival"<br />

in Hessen besuchen. Überall laufen auf dem<br />

Gelände Leute in typischer Hippiekluft<br />

herum, der Geruch von Marihuana weht<br />

aus so manchem Kaffeezelt heraus, es<br />

gibt Workshops in Sachen Batik – das<br />

bunte, verlaufene Muster, das Anfang<br />

der 70er unheimlich beliebt gewesen<br />

ist. Die musikalischen Klänge versetzen<br />

den geneigten Besucher sowieso irgendwie nach<br />

Monterey, Woodstock und in die Konzerte der<br />

Künstler aus den frühen 70ern zurück. Es gibt<br />

viel Psychedelisches, progressiven Rock von Bands wie Gong, Van der<br />

Graaf Generator oder Ex-Genesis-Gitarrist Steve Hackett. Und außerdem<br />

Weltmusik, die nicht zuletzt in Deutschland in der ersten Hälfte der 70er<br />

<strong>Jahre</strong> mit vielen Krautrockbands zur vollen Blüte k<strong>am</strong>. Zum Originalfeeling<br />

gehören natürlich auch ökologisch wertvolles Essen und Trinken wie Bio-<br />

Wein, Mate-Tee, ee, viel<br />

Gemüse, wenig Fleisch, Gewürze aus aller Herren<br />

Länder und entspannte Wirte.<br />

uch nach Idolen, die für die 70er stehen<br />

und sie selbst miterlebt haben, braucht<br />

nicht lange zu suchen, wer auf die Mode<br />

jenes Jahrzehnts steht. Stevie Nicks ist da<br />

ein wunderbares Beispiel. Die kleine, süße<br />

blonde Fleetwood-Mac-Sängerin trägt noch<br />

heute mit knapp über 60 ihren bekannten und<br />

vielkopierten Gypsy-Look. Man nehme einen<br />

Flatterrock, dessen Saum auch unterschiedliche<br />

Längen haben darf, oder einen Rock mit<br />

diverser Musterung, die von Spitzenbordüren<br />

unterbrochen wird. Ziehe dazu Spitze an,<br />

zum Beispiel in Form eines Shirts mit langen<br />

Spitzenärmeln, addiere<br />

einen (locker geschnallten) Gürtel, geschnürte<br />

Booties mit kleinem Absatz, eine Prise<br />

offene Haare, etwas von allem aus dem<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 17


Schmuckkästchen und als Sahnehäubchen ein paar Tücher,<br />

die entweder ums Handgelenk, als Haarband oder um die<br />

Hüfte getragen werden: Fertig ist das Zigeuner-Outfit der<br />

etwas gehobeneren Art! Eigentlich für jeden machbar, denn<br />

etwas von alledem hat so ziemlich jeder im Schrank.<br />

as Röcke angeht – ob Mini, Midi oder Maxi, ob<br />

mit Stiefeln oder hohen Sandalen kombiniert, mit<br />

reingesteckter Schluppen-Bluse und großem Schlapphut<br />

oder zu Batikshirts –, waren die 70er <strong>Jahre</strong> äußerst vielfältig<br />

und im Gegensatz zu den Mini-versessenen 60s<br />

für jeden Figur-Typ geeignet. Bei einem weiteren Trend<br />

für Untenrum sah das schon ganz anders aus: der<br />

Schlaghose. Am Oberschenkel schön eng, spätestens<br />

auf Höhe des Knöchels dann aber mit ausladendem<br />

Schlag – oft sogar schon ab Kniehöhe. Mal war<br />

der Schlag außen bestickt, mit Spitze besetzt oder<br />

andersfarbig, mal war die<br />

Hose aus Jeansstoff, mal<br />

aus dem – heute wieder<br />

beliebten – Cord. Was dazu<br />

passte? Eigentlich alles. Am coolsten waren<br />

aber auf Bundhöhe endende oder reingesteckte<br />

(!) Blusen, Plateauschuhe (der Schlag<br />

musste im Stehen aber die Schuhe komplett<br />

bedecken), Westen mit Fellbesatz oder auch<br />

aus Wildleder mit langen Fransen.<br />

tliche Männer, die zuvor noch die in den<br />

60ern so begehrten Röhren getragen hatten,<br />

griffen im kunterbunten Modejahrzehnt<br />

wie selbstverständlich zu Schlaghosen. Sogar<br />

Schuhe oder Stiefel mit Plateausohlen trugen<br />

die Herren der Schöpfung dazu. Wie sexy<br />

das aussehen konnte, zeigen heute nicht nur<br />

Fotos, sondern auch DVDs mit Kultserien à la<br />

„Die Straßen von San Francisco" oder „Kojak".<br />

Michael Douglas als Inspektor neben seinem<br />

Kollegen Karl Malden? Ein Traum! Die Haare<br />

waren eh nicht mehr raspelkurz oder wie ein<br />

Pilzkopf geschnitten, sondern etwas länger, vielleicht auf Nackenhöhe<br />

h<br />

fallend. Genau richtig für frau, die gern durch die männliche Haarpracht<br />

streicht. Und jedesmal, wenn Michael Douglas aus dem coolen 70er-<br />

<strong>Jahre</strong>-Auto steigt, freut sich das Auge über die schlanken Beine in den<br />

wohlformenden Schlaghosen. Neben diesem hat auch ein – zugegeben<br />

– nicht mehr so junger und auch ohne Haarpracht agierender anderer<br />

US-Fernsehermittler die Schlaghose <strong>am</strong> Mann salonfähig gemacht:<br />

Lieutenant Kojak. Auch er trug sie mal zu gelackten schwarzen Schuhen,<br />

mal zu leichten Plateaus. Und beide – Douglas wie auch Telly Savallas<br />

in seiner Paraderolle – kombinierten einen weiteren Trend für den Mann<br />

beim 70s-Look: die breite und etwas kürzere Krawatte (im Gegensatz zu<br />

den sehr schmalen und längeren Modellen aus den 60s). Lange hielt der<br />

Schlaghosen-Wahn beim Mann allerdings nicht vor, wenngleich auch<br />

die Gl<strong>am</strong>-Rocker zum Schlag griffen, da allerdings auch<br />

schriller, bunter, ausgeflippter.<br />

nd heute – nachdem die Schlaghose immer wieder<br />

mal mehr, mal weniger ausladend als Trend<br />

aufploppt – ist das Hosenmodell wieder en vogue.<br />

An Frauen! Die Designergrößen der Mode-<br />

Metropolen machen es vor: Die D<strong>am</strong>en tragen<br />

wieder viel Schlag. Nicht mehr so verspielt,<br />

nicht mehr mit komischem Spitzenbesatz oder<br />

bunten Figuren <strong>am</strong> Schlag, sondern wieder<br />

lässig-cool als pure Jeans- oder Cordhose<br />

in dezenten Farben. In jedem Fall<br />

mit Plateaus kombiniert. Aber die<br />

Männer? Für die ist der in den<br />

70er <strong>Jahre</strong>n große Hosentrend<br />

definitiv passé.<br />

© Claudia Tupeit © Pressefoto<br />

emein? Keineswegs! Dafür sind die Parkas<br />

wieder da. Getragen werden darf, was die<br />

Military-Asservatenk<strong>am</strong>mer hergibt. Grüntöne<br />

aller Art – von Khaki über Olivgrün bis hin zum<br />

wieder sehr angesagten C<strong>am</strong>ouflage-Look<br />

– können bei Wind und Wetter in jeglicher<br />

Form übergezogen werden. Wer Glück hat,<br />

ergattert auf Londons Portobello Road Market<br />

oder an den Ständen des Old Spitalfields Market im<br />

East-End eine Originalvariante. Zum Beispiel mit <strong>am</strong> oberen Ärmelteil<br />

aufgestickter Nationalflagge. Die modernen Versionen, die in New York,<br />

Berlin oder London an It-Girls, Bloggerinnen, Mode-Redakteurinnen<br />

oder Schauspielerinnen zu sehen sind, haben Fellkragen oder sind innen<br />

warm mit L<strong>am</strong>mfell gefüttert. Sie haben Goldknöpfe, sind unterschiedlich<br />

lang. Aber auf keinen Fall fehlen dürfen der obligatorische Tunnelzug,<br />

der Reißverschluss und natürlich die nötige Attitude. D<strong>am</strong>als wie heute<br />

tragen Mädels ihren Parka als Stilbruch mit Doc Martens zum leichten<br />

Blümchenkleid oder sportlich zur Jeans. Und<br />

– ebenfalls d<strong>am</strong>als wie heute – tragen selbst<br />

Männer Militärisches, die eigentlich politisch<br />

links stehen und stolze Kriegsdienstverweigerer<br />

oder erklärte Kriegsgegner sind. Wen stört’s?<br />

Der coole Look ist die Hauptsache.<br />

ährend die einen noch in den<br />

Ausläufern der Hippiezeit mit Flower-<br />

Power und überdimensionierten Sonnenbrillen<br />

zu Weltmucke mit dem Peace-Zeichen durch<br />

die Gegend liefen, sind die Trendsetter längst<br />

in einem anderen Zug unterwegs – mit mehreren<br />

Waggons: Gl<strong>am</strong>, Punk und Disco. Und<br />

die Kl<strong>am</strong>ottentrends konnten unterschiedlicher<br />

nicht sein: Die Gl<strong>am</strong>-Rocker und Disco-<br />

Fanatiker glitzerten und leuchteten eindeutig<br />

aus der Masse hervor. Je mehr, desto besser,<br />

lautete die Devise. Extreme Farben im Gesicht,<br />

jede Menge Haarspray und Schaumfestiger für<br />

den Schopf, Strass auf Tops, Blazern, Hosen,<br />

Röcken und natürlich an den Schuhen. Auf<br />

Hosen und Jacken Sterne oder – wie bei<br />

Dave Hill von Slade – kleine Schminkspiegel. Dazu bunte Shirts, die oft<br />

andersfarbige Blitze zierten, an den Frauen Minikleider, Miniröcke und<br />

Hot-Pants, aber nix mehr Wallekleid oder A-Linie wie in den 60s. Hauteng<br />

sollte es sein, wie ein Schlauch den Körper einhüllen. Nun allerdings weniger<br />

Flower-Power und fester Stoff, sondern mehr Polyesterschwitz, Seide<br />

und Sonstiges, was irgendwie glänzte und glitzerte. Die Gl<strong>am</strong>-Rocker<br />

trugen weiter Schlaghosen und manchmal höhere Plateaus als Mädchen.<br />

Sie schminkten sich mit blauem oder grünem Lidschatten, statt Rouge<br />

malten sie silberfarbene oder weiße Striche über die Wangen.<br />

Der Lidstrich saß natürlich perfekter als bei manchem Girl.<br />

nhänger dieses Trends mussten improvisieren.<br />

Jungs, die wenigstens zu Konzerten oder<br />

Partys den Aufputz ihrer Idole imitieren wollten,<br />

mopsten die entsprechende Pflege für das<br />

Haarstyling und dezente Schminkaktionen Mutti oder Schwester aus<br />

dem Kosmetikschrank. Ach, und übrigens: Gerade die schwedische<br />

Gruppe Abba haben wohl die meisten sofort vor Augen,<br />

wenn es um den typischen Look der 70er <strong>Jahre</strong> geht, der<br />

von Disco- und Gl<strong>am</strong>-Kleidung beherrscht wird. Aber Benny,<br />

Agnetha, Frieda und Björn sind – um beim Anfangsbild zu<br />

bleiben – in erster Linie auf den bereits fahrenden Zug aufgesprungen.<br />

Dafür sind ihre Kl<strong>am</strong>otten extrem cool, die Schuhe<br />

und Accessoires stilvoll, teils exzentrisch und für so manch<br />

weibliches Auge nachahmenswert. Und die Designer bewiesen<br />

vor allem einen enormen Einfallsreichtum, weshalb einzelne<br />

Kreationen durchaus für Aufsehen und entsprechenden<br />

Nachhall sorgten.<br />

Seite 18 ■ GoodTimes 1/2015


as Besondere an der Gl<strong>am</strong>- und Disco-<br />

Mode d<strong>am</strong>als: Für Anhänger ist der Look<br />

nicht nur schwer nachzumachen, sondern auch<br />

im Alltag auf der Straße so gut wie nicht tragbar.<br />

Zu extrem, zu überladen, bedenkt man<br />

die Phase, in der die Viva-Las-Vegas-Elvis-<br />

Anzüge unheimlich groß sind: Overalls, vor<br />

allem an Kragen und Ausschnitt über und<br />

über bestickt mit Goldorn<strong>am</strong>enten, Strass-<br />

Steinchen und sonstigem Schnickschnack<br />

und – ganz wichtig – mit sehr tiefem<br />

V-Ausschnitt, der möglichst dichtes<br />

Brusthaar enthüllt. Diese äußerst maskuline Art<br />

der Männermode aus der Gl<strong>am</strong>- und Disco-<br />

Epoche ist nicht so richtig wiedergekommen<br />

– bisher zumindest. Heute drücken Männer<br />

vermehrt ihre feminine Seite durch auffallend<br />

stilvolle Kl<strong>am</strong>otten, blasse Farben, Frisuren aus<br />

dem aktuellen D<strong>am</strong>entrendkatalog aus.<br />

u einer wahren Sensation, die bis heute<br />

die Modeszene mehr als nur prägt, k<strong>am</strong> es<br />

schließlich Mitte der 70er <strong>Jahre</strong>. Es ging weg<br />

von Gl<strong>am</strong>, Disco und Co., Hippies waren längst<br />

passé, und mit der Generation Punk sollten spätestens<br />

bei Anhängern und Mitläufern die in den<br />

70s berühmt-beliebten Zimmereinrichtungsteile<br />

wie Laval<strong>am</strong>pen, Flokatiteppiche, Gummibäume,<br />

Telefone mit Wählscheibe und psychedelisch angehauchte<br />

Tapeten in Orange-, Braun-, Gelb-, Weißtönen verschwinden.<br />

Ebenso die an Fäden aufgespannten Glasperlen, Muscheln oder Kugeln,<br />

die herunterhängend als eine Art Vorhang dienten und immer so schön<br />

rasselten, wenn man sie zum Durchgehen beiseite schob.<br />

ür die D<strong>am</strong>enwelt hat sich aus diesem Part der 70er wesentlich<br />

mehr erhalten. Vor allem mit Strass und Pailletten besetzte Kleidung<br />

ist seit Ende 2012 wieder enorm angesagt. Hosen in Zigarettenform,<br />

Blazer, Miniröcke, Clutches, High Heels und Tops – party- und selbst<br />

bürotaugliche Teile mussten eine gewisse Zeit glitzern. Mit Schwarz und<br />

Silber trumpft man auf, pastellige Töne sieht man ebenfalls. Allerdings<br />

ebbt der Trend schon wieder etwas ab. Glitzernde Anzüge und Flower-<br />

Power-Mode sind zudem äußerst beliebt bei Faschingspartys. Dieser bloße<br />

Gebrauch als Kostüm für die fünfte <strong>Jahre</strong>szeit wird Schnitten, Mustern,<br />

Accessoires, Farben und Co. der 70er allerdings nicht gerecht. Was der<br />

Modepart der Hippies, Gl<strong>am</strong>-Rocker und Co. für die Nachwelt hinterlassen<br />

hat, bietet weit mehr als nur ein lustiges Outfit und reicht viel weiter.<br />

ie viel, das zeigt seit Februar dieses <strong>Jahre</strong>s in den deutschen<br />

Kinos der mehrfach Oscar-nominierte US-Film „American Hustle"<br />

mit Bradley Cooper („Hangover"), Amy Ad<strong>am</strong>s und Oscar-Preisträgerin<br />

Jennifer Lawrence in den Hauptrollen. Eine Art Gaunerkomödie ganz<br />

und gar in den Kontext der 70er eingebettet, natürlich auch kl<strong>am</strong>ottentechnisch.<br />

Wer Kleider, Mäntel, Schuhe, Schmuck des Jahrzehnts upper<br />

class betrachten möchte – die heute mehr denn je hip sind –, muss den<br />

Film schauen. Und dann einfach zurücklehnen, schwelgen und in den<br />

nächsten Modeladen gehen: Man wird staunen, was gerade jetzt wieder<br />

an typischen 70s-Looks an den Puppen hängt.<br />

nbedingt erwähnenswert, da für die Frauenwelt revolutionär: das<br />

Wickelkleid. Erfunden hat’s die belgische und nach Amerika ausgewanderte<br />

Designerin Diane von Fürstenberg. Die stets schmale, braungebrannte<br />

Frau mit dem tollen Lockenschopf und den orientalischen Augen<br />

hat in den 70ern etwas geschaffen, das jeder Frau steht: Ob Eieruhrfigur,<br />

ob gerade Taille, ob großer Busen oder kleines Bäuchlein – dem gewikkelten<br />

Kleid mit kurzen Ärmeln, Bindegürtel zur Seite und dem obligatorischen<br />

Oberschenkelblitzer beim Gehen hat so manche D<strong>am</strong>e viel zu verdanken.<br />

Schöne Beine zaubert es zwar nicht, dafür<br />

umspielt es die Figur bzw. betont jeweils genau<br />

die richtigen Stellen. Das berühmte Wickelkleid<br />

erfreut sich vielfältiger Nachahmung – vor allem<br />

auch durch die Schneider der Kettengeschäfte. Das<br />

Schönste ist und bleibt aber die Originalversion by<br />

DvF, denn sie weiß eben um den richtigen Einsatz<br />

von Stoff, Farbe und Muster.<br />

Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />

enn jetzt wurde es mit Bands wie The D<strong>am</strong>ned, den R<strong>am</strong>ones, The<br />

Clash rau, verwegen, teilweise räudig und auf alle Fälle derb-cool.<br />

Die Künstler machten den Stil vor, die Fans atmeten alles ein und setzten<br />

ihn <strong>am</strong> eigenen Leib um. Oft so kreativ, dass die Marke Eigenbau heutzutage<br />

sehnsüchtig gesucht und hochdotiert<br />

auf Märkten oder im Internet<br />

feilgeboten wird. „In" war, was im<br />

Schrank hing. Und das war bei den<br />

Kindern in der britischen Arbeiterklasse<br />

meist nicht viel. Deshalb passte es selten<br />

zus<strong>am</strong>men, sah verwegen aus, war nicht selten<br />

kaputt und zerrissen, symbolisierte inmitten<br />

des hochgeschraubten Stylings der „Angepassten" n"<br />

die Kraft der Zerstörung<br />

und des sich Auflehnens<br />

gegen das Establishment.<br />

Punk war anfangs vollkommen<br />

unprätentiös.<br />

Hochwasserhosen mit<br />

Löchern an den Knien und<br />

zerfetzten Gesäßtaschen, poröse Hemden, die<br />

beim nächsten Sl<strong>am</strong>-Dance in Fetzen flogen<br />

und für die nächste Party mit Sicherheitsnadeln<br />

zus<strong>am</strong>mengehalten wurden. Viele Elemente aus<br />

der Skinhead-„Uniform" flossen in den Punkstil mit<br />

ein. Als das Ganze zu einer Welle wurde, entwickelten<br />

sich Wiedererkennungs-Effekte, die schon in den ausklingenden 70ern<br />

verächtlich den „Mode-Punks" zugeschrieben wurden: die rot-schwarz<br />

karierte Hose (bzw. der Rock), dazu Netzstrumpfhosen (möglichst nicht<br />

heil), Nietengürtel, Shirts mit ausgefransten Säumen, überall Buttons,<br />

Kippe im Mundwinkel, böser Blick, noch bösere Worte und zum so<br />

genannten Irokesenk<strong>am</strong>m geschnittene und gegelte Haare.<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 19<br />

eben Künstlern ist übrigens die noch heute<br />

schrille und wahnsinnig kreative britische<br />

Designerin Vivienne Westwood eine Vertreterin<br />

dieser Mode. Was sie trägt und kreiert, war nicht<br />

nur in den 70s heißbegehrt. Und das Schöne<br />

ist: Niemand muss lange suchen, um – inspiriert<br />

von Plattencovern, Konzertmitschnitten und<br />

Cliquenfotos von d<strong>am</strong>als – authentisch punkig aussehen<br />

zu können. Punk ist Trend, Punk beherrscht<br />

die Läden. Und Punk – wie eingangs erwähnt – ist<br />

gerade wieder so gefragt, dass<br />

die großen Modeschöpfer<br />

die geilsten Elemente herausgepickt<br />

haben, um<br />

sie zum Grunge-Look<br />

zu stylen. Fertig ist die<br />

Modegeneration Punk 2.0.<br />

© Pressefoto<br />

© Claudia Tupeit


ERICH KÄSTNER<br />

Von Thorsten Pöttger<br />

Der<br />

veritable<br />

" Doppelschriftsteller"<br />

919 schrieb Kästner sich in Leipzig als Student der Germanistik und<br />

1Geschichte ein. D<strong>am</strong>it begann seine erste und auch produktivste Phase,<br />

die später durch ein Schreibverbot im Dritten Reich jedoch abrupt<br />

beendet wurde. 1923 wurde er als Redakteur des „Leipziger Tageblatt"<br />

engagiert, jedoch vier <strong>Jahre</strong> später fristlos entlassen. Ausgerechnet an<br />

Beethovens 100. Geburtstag war ein – für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse – frivoles<br />

Gedicht Kästners erschienen, das in konservativen Kreisen als Parodie<br />

auf den Komponisten missverstanden wurde. Seinen N<strong>am</strong>ensvetter und<br />

Mitarbeiter Erich Ohser (e.o.plauen, Schöpfer der „Vater und Sohn"-<br />

Comics), der eine freche Zeichnung beigesteuert hatte, ereilte das gleiche e<br />

Schicksal. Dass sie aufgrund dieses Vorfalls nach Berlin umzogen, darf<br />

allerdings als Fortschritt für die Karrieren der beiden Freunde gewertet<br />

et<br />

werden.<br />

Lexi<br />

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Als ein Kind des 20. Jahrhunderts k<strong>am</strong> Erich Kästner <strong>am</strong> 23. Februar<br />

1899 als Sohn von Emil und Ida Kästner in Dresden zur Welt.<br />

Seine frühen <strong>Jahre</strong> lassen sich vorzüglich anhand der 1957 erschienenen<br />

Autobiografie „Als ich ein kleiner Junge war" rekonstruieren,<br />

deren letzter Satz in typisch lakonischer Art lautet: „Der Weltkrieg hatte<br />

begonnen, und meine Kindheit war zu Ende." Über seinen Vater ist<br />

darin allerdings genauso wenig zu erfahren wie sonst auch. Dass sich<br />

bis heute das Gerücht hält, nicht der Handwerker Emil, sondern der<br />

Hausarzt der F<strong>am</strong>ilie sei sein Erzeuger, unterstreicht die lebenslange enge<br />

Bindung zwischen Erich und seiner Mutter, der auch in den Büchern mit<br />

entsprechenden Figuren Ausdruck verliehen wurde. Offensichtlich sah<br />

Ida Kästner nach sieben <strong>Jahre</strong>n Ehe in der Geburt ihres Sprösslings eine<br />

neue sinnstiftende Aufgabe, wie dieser in seinen Schriften bestätigte. Die<br />

zahlreichen Briefe an sie wurden von Kästner bevorzugt mit der Anrede<br />

„Mein liebes Muttchen" versehen. Und „Muttchen" ließ sich selbst dann<br />

noch Erichs Wäsche zuschicken, als dieser bereits sein erstes eigenes Geld<br />

verdiente. Um ihm eine bilderbuchartige Schullaufbahn zu ermöglichen,<br />

richtete sie in der Wohnung eine Frisierstube ein und trat ein Zimmer zur<br />

Untermiete ab – und zwar ausschließlich<br />

an Lehrer. Der Filius dankte ihr die<br />

Zuneigung und das Vertrauen, indem<br />

er sich als Musterknabe gab, der den Lehrerberuf ergreifen wollte. Als<br />

Kästner mit 17 <strong>Jahre</strong>n einer Volksschulklasse Unterricht erteilen sollte,<br />

weil sich die Studenten älterer Jahrgänge bereits an der Front befanden,<br />

erkannte er jedoch, dass er „kein Lehrer", sondern ein „Lerner" war. Sein<br />

Interesse <strong>am</strong> Schulalltag sollte er später im berühmten Kinderroman „Das<br />

fliegende Klassenzimmer" ausleben. 1917 wurde dann auch er einberufen<br />

und kehrte erst gegen Kriegsende mit einer Herzschwäche als Folge<br />

der Schikanen durch einen menschenverachtenden Ausbilder aus einem<br />

Lazarett zurück.<br />

"<br />

Man kann auf seinem Standpunkt stehen,<br />

aber man sollte nicht darauf sitzen."<br />

Erich Kästner<br />

© Pressefotos<br />

Seite 20 ■ GoodTimes 1/2015


Kästner und Ohser durchstreiften fortan die deutsche<br />

Hauptstadt, die Ersterer rückblickend als „interessanteste<br />

Großstadt der Welt" beschrieb. Sie verfassten Reportagen<br />

und feilten an politischen Witzen, während sie stundenlang<br />

in Cafés saßen. Eines Tages trat Edith Jacobsen, die Besitzerin<br />

des Verlags der Zeitschrift „Weltbühne", an Kästner mit der<br />

Anregung heran, doch einmal ein Kinderbuch zu verfassen.<br />

Dies war die Geburtsstunde von „Emil und die Detektive",<br />

das 1929 veröffentlicht wurde und den Weltruhm seines<br />

Autors auch dank des gleichn<strong>am</strong>igen Films begründete. Es<br />

ist schon sehr viel Anstrengung erforderlich, in dieser ersten<br />

Detektivgeschichte der deutschen Jugendliteratur keine autobiografischen<br />

Elemente Kästners zu entdecken. Nicht nur die Idee, eine Gruppe<br />

von Kindern einen Dieb überführen zu lassen, hat bis heute zahlreiche<br />

Nachahmer gefunden. Allein schon der Handlungsort der Großstadt<br />

und die Konfrontation von Kindern mit „realistischen" Begebenheiten<br />

unterstreichen, dass Erich Kästner kein klassischer „Märchenonkel"<br />

war, sondern für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse sehr modern. Illustriert wurde<br />

„Emil und die Detektive" von Walther Trier, der bis zu seinem Tod 1951<br />

auch die nachfolgenden Kinderbücher Kästners mit unverwechselbaren<br />

Zeichnungen versah.<br />

Die Aktualität des<br />

Autors zeigte sich<br />

auch in seinen anderen<br />

Werken. 1928<br />

erschien Kästners<br />

erster Gedichtband<br />

„Herz auf Taille",<br />

zu dem Ohser Bilder<br />

beisteuerte. Mit dem<br />

nicht von ungefähr an<br />

den Anfang gestell-<br />

Berlin<br />

1929 929: 9: Eri<br />

rich<br />

Kästner<br />

an<br />

seinem<br />

ersten eigenen Schreibtisch<br />

ten „Jahrgang<br />

1899" bekannte<br />

sich Kästner als<br />

Vertreter einer desillusionierten<br />

„verlorenen" Generation infolge des Ersten Weltkriegs. Für<br />

seine Dichtkunst insges<strong>am</strong>t schuf er den Begriff „Gebrauchslyrik". Ruhm<br />

in der Nachwelt war Kästner nicht wichtig, er verstand sich als Reporter<br />

seines Zeitalters. Dennoch dürften sich auch heute Leser beispielsweise in<br />

dem Gedicht „Sachliche Romanze" wiederfinden, in dem die erloschene<br />

Liebe zwischen einem Paar mit einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand<br />

wie einem verlegten Spazierstock verglichen wird.<br />

Auch in seinem Roman „Fabian – Die Geschichte eines<br />

Moralisten", der sich an Erwachsene wendet, kritisierte<br />

Kästner seine Zeit, indem er die Sorgen und Nöte<br />

der Angestellten in der Weimarer Republik während der<br />

Weltwirtschaftskrise in den Blickpunkt rückte. Die Titelfigur<br />

trifft in mehreren Episoden auf Personen, die den politischen<br />

und moralischen Verfall der Gesellschaft widerspiegeln.<br />

Im Vorwort schrieb Kästner, mit dem Roman vor dem<br />

„Abgrund", dem sich Deutschland und Europa näherten,<br />

warnen zu wollen. Erst im vergangenen Jahr ist das Werk<br />

unter dem vom ersten Verleger abgelehnten Titel „Der Gang<br />

vor die Hunde" und in ungekürzter Form erschienen, so, wie<br />

sein Verfasser es sich ursprünglich vorgestellt hatte.<br />

Ohne dass Kästner sich je zu einer politischen Ideologie oder<br />

Partei bekannt hätte, wurden auch seine Bücher mit den<br />

Worten „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht<br />

und Sitte in F<strong>am</strong>ilie und Staat" von Reichspropagand<strong>am</strong>inister<br />

Goebbels <strong>am</strong> Abend des 10. Mai 1933 im Rahmen der<br />

Bücherverbrennung in die Fl<strong>am</strong>men geworfen. Bis dahin<br />

hatte Kästner vier Gedichtbände, einen Roman, ein Hör- und<br />

Bühnenstück, fünf Kinderbücher, darunter seine erste rein<br />

fantastische Geschichte mit dem bezeichnenden Titel „Der<br />

35. Mai", sowie Verfilmungen und Bühnenadaptionen von „Emil und<br />

die Detektive" und „Pünktchen und Anton" veröffentlicht. Als einziger<br />

der betroffenen prominenten Schriftsteller weilte er dem<br />

Akt selbst als stiller Beobachter bei. Obwohl Kästner wähirend<br />

der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Ausland weilte, emigrierte er in der Zeit des Dritten Reichs<br />

nicht, sondern schlug sich während seiner zweiten wichtigen<br />

Schaffensperiode zwischen 1933 und 1945 mit leichter, unter<br />

Pseudonym veröffentlichter beziehungsweise in der Schweiz<br />

verlegter Unterhaltungsliteratur durch, darunter „Drei Männer<br />

ne<br />

im Schnee" mit seinen komischen Verwechslungsszenen.<br />

ne<br />

n.<br />

Kenner vermuten als eigentlichen Grund für sein Verbleiben ben<br />

in Deutschland trotz ständiger Observierung und zweimaliger<br />

Verhaftung allerdings weniger Zivilcourage, sondern den Umstand, dass s er<br />

seine Mutter nicht alleine lassen wollte. Seine Eltern überlebten den Krieg<br />

und starben in den <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n. 1943 lockerte Goebbels übrigens persön-<br />

"<br />

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."<br />

Erich Kästner<br />

lich Kästners Berufsverbot ein einziges Mal unmittelbar vor einer absoluten<br />

Publikationsuntersagung und ließ ihn – offiziell anlässlich des 25-jährigen<br />

Bestehens der Ufa-Studios – ohne n<strong>am</strong>entliche Erwähnung im Film<br />

das Drehbuch für „Münchhausen"<br />

mit Superstar Hans Albers in der<br />

Titelrolle verfassen.<br />

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

fand Kästner in München eine<br />

neue Heimat, wo er das Kabarett<br />

„Schaubude" mit Texten belieferte,<br />

die den Schwerpunkt seiner dritten<br />

Schaffensperiode bildeten. Aber<br />

auch Kinderbücher standen wieder<br />

auf der Tagesordnung. „Das doppelte<br />

Lottchen" hatte gegen Kriegsende<br />

bereits als Filmmanuskript in der<br />

Schublade gelegen und wurde<br />

zunächst als Buch veröffentlicht,<br />

Kästner mit seiner<br />

kretärin<br />

Liselottete Rasenow<br />

bevor der Autor selbst es erneut<br />

zu einem Drehbuch mit anschließender<br />

Verfilmung umschrieb, bei der er selbst mitspielte. 1948 entwarf<br />

Kästner mit „Die Konferenz der Tiere" seine antimilitaristische Utopie<br />

von einer friedlichen Welt und sprach sich gegen die Wiederbewaffnung<br />

und atomare Aufrüstung der Bundesrepublik aus. Seinem 1957 geborenen<br />

Sohn widmete er die letzten<br />

Kinderbücher „Der kleine Mann"<br />

sowie „Der kleine<br />

Mann und die kleine<br />

Miss" über Mäxchen<br />

Pichelsteiner, der in einer<br />

Streichholzschachtel<br />

schläft. Während Kästner<br />

Satire und Galgenhumor<br />

Sekr<br />

ansons ten seinen<br />

Werken für Erwachsene<br />

vorbehielt, weswegen<br />

manche Kritiker ihm eine<br />

„Doppelbegabung" als<br />

Schriftsteller sowohl<br />

für Erwachsene e<br />

als auch für deren<br />

Nachkommen bescheinigen, ist in diesen Alterswerken<br />

auch Ironie zu finden, die für Jüngere nicht einfach zu<br />

verstehen ist. Dennoch galt Kästners Sympathie zeitlebens<br />

den Kindern, deren Welt er stets als „gutartig" schilderte.<br />

Dass er sie beispielsweise in „Pünktchen und Anton" als<br />

quasi bessere, moralisch überlegene „junge Erwachsene"<br />

beschrieb, spricht dafür, dass er sich im Endeffekt doch<br />

als eine Art Pädagoge verstand. Letztlich tl ist es aber insbesondere<br />

Kästners klarer, natürlich-lebendiger lebe<br />

ndig<br />

iger<br />

Erzählstil,<br />

l,<br />

der ihm auch nach seinem Tod im Juli 1974 Generationen neuer er<br />

Leser<br />

er<br />

zugeführt hat.<br />

Zu Hau<br />

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Arbeit.<br />

Der Kopf<br />

raucht.<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 21


Rekl<strong>am</strong>e für Erfrischungsgetränke<br />

Von Kathrin Bonacker<br />

Süße Brause für<br />

Spaßvögel &<br />

Sportskanonen<br />

Im Freien sitzen und eine Cola mit einem bunten<br />

Plastikhalm trinken – was für ein Fest! "<br />

Cola": Das<br />

war zu Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> beim Essengehen<br />

oder als große Ausnahme zum Kindergeburtstag<br />

in der guten Stube noch ein echtes Zauberwort<br />

in Kinderohren. Dabei spielte es keine Rolle, ob<br />

es sich um Sinalco-Kola, Afri-, Pepsi- oder Coca-<br />

Cola handelte – und Club-Cola kannten wir im<br />

Westen noch gar nicht ... Der Prickel und das<br />

Überschäumen waren in jedem Fall reizvoll,<br />

auch später die ersten klebrigen Versuche<br />

beim Trinken aus der Dose! Wer aber das<br />

Rennen um die kleineren oder größeren<br />

Kunden machen wollte, der musste sich in<br />

Sachen Werbung ganz schön was einfallen<br />

lassen: Die Konkurrenz schlief nicht!


Was gab<br />

es hier zu Lande eigentlich Mitte des 20.<br />

Jahrhunderts zu trinken? Vielleicht Wasser, Milch oder<br />

Pfefferminztee, je nach F<strong>am</strong>iliengewohnheit, Geschmack<br />

oder Geldbeutel. Und nichts Süßes? Doch! Früchtesirup wurde mit<br />

Wasser verdünnt, und für alle Süßschnuten gab es auch schon sehr<br />

lange Limonade (aus Wasser, Zitronensaft und Zucker), seit dem 19.<br />

Jahrhundert bereits mit Kohlensäure angereichert.<br />

Ab 1929 trat dann die <strong>am</strong>erikanische<br />

Firma Coca-Cola auch in Deutschland<br />

ihren Siegeszug an. Das koffeinhaltige<br />

Cola-Getränk war in den USA bereits seit<br />

langem etabliert und enthielt zwar noch<br />

Kolanuss als Koffeinlieferant, aber dann<br />

doch kein Kokain mehr. Der vormals in die<br />

Kritik geratene Inhaltsstoff des Erythroxylums<br />

(Coca-Blätterextrakt) lieferte jetzt nur noch<br />

Koffein. Die Essener Vertriebsgesellschaft für<br />

Naturgetränke, die von da an Coca-Cola in<br />

unseren Breiten vertrat, produzierte ab 1940<br />

in derselben Fabrik zusätzlich übrigens auch<br />

die neu entwickelte Orangenlimonade Fanta,<br />

so dass beides in der Nachkriegszeit bereits<br />

eingeführt war. Ein Werbefachmann schrieb<br />

über diese frühen <strong>Jahre</strong> von Coca-Cola in<br />

Deutschland: „Coca-Cola war eines der ersten<br />

Produkte, für das konsequent mit dem <strong>am</strong>erikanischen<br />

Way of life geworben wurde"<br />

(Kriegeskorte, S. 164). Die lachenden Cola-<br />

Trinker waren in Freizeitsituationen abgebildet,<br />

und der langjährige Slogan hieß Mitte der<br />

<strong>50</strong>er bis Anfang der 60er <strong>Jahre</strong>: „Mach mal Pause ..." Wer frei hatte<br />

und sich mit Freunden und F<strong>am</strong>ilie traf, der sollte Cola trinken: Die<br />

Rechnung ging g auf!<br />

Um ebenfalls in diesem<br />

Sektor zu punkten,<br />

ergänzte die westfälische<br />

Traditionsfirma<br />

Sinalco das althergebrachte<br />

Limonadengetränk ihrerseits<br />

um Sinalco-Kola,<br />

denn wer auf sich hielt,<br />

bot das Duo zur Auswahl:<br />

Pepsi hatte Mirinda dabei,<br />

und Afri-Cola bot Bluna<br />

als Orangenbrause. Aber<br />

auch wenn vielleicht der<br />

orangene Sprudel oder eine<br />

schlichte Apfelschorle viel<br />

besser schmeckten, so war<br />

doch der Reiz des Seltenen<br />

enorm viel größer, und das Cola-Image bestimmte über das<br />

Firmenschicksal.<br />

Der K<strong>am</strong>pf zwischen Coca-Cola und Pepsi war inzwischen<br />

schon etabliert: Neben Preiskämpfen k<strong>am</strong> es<br />

immer wieder zu aggressiver vergleichender Werbung – das<br />

Ganze hieß in der Branche schlicht der „Cola-Krieg". Für<br />

die Verbraucher zeigten Lokale direkt mit dem Logo auf<br />

der Speisekarte, wessen Schanklizenz sie hatten: Sinalcos<br />

schräger Schriftzug im roten Punkt, Pepsis blau-weiß-roter<br />

„Globus", Coca-Colas rot-weißer Schriftzug oder Afris<br />

Palmenbild auf schwarzem Grund versprachen die Brause,<br />

auf die die Kinder hofften. In der DDR dagegen gab es<br />

zunächst noch die seit 1958 produzierte Vita-Cola (die laut<br />

Fünfjahresplan die Versorgung der Bevölkerung mit alkoholfreien<br />

Getränken verbessern sollte), ab 1967 wurde diese<br />

von der legendären Club-Cola ergänzt. Rekl<strong>am</strong>e hierfür war<br />

nicht nötig. Die Marktführer im Westen hingegen überboten<br />

sich<br />

bei ihren Werbek<strong>am</strong>pagnen in der Kategorie „Gute Laune" und<br />

beteuerten, der Geschmack sei jeweils einzigartig.<br />

Einzigartig war jedenfalls der Fotograf Charles Wilp, der ab<br />

1968 für Afri-Cola und Bluna so provozierende Bilder machte,<br />

wie sie in dieser Frechheit erst wieder Oliviero Toscani (ab 1982 für<br />

Benetton) bot. Wilp arbeitete mit Effekten wie vereisten Scheiben<br />

und künstlichem Nebel. Die aufreizend bekleideten Models wurden<br />

in Zus<strong>am</strong>menhänge gebracht, die sofort für<br />

Aufmerks<strong>am</strong>keit sorgten – so inszenierte er<br />

Afri-Cola beispielsweise als Rausch erzeugende<br />

Droge. Dazu gab es 1969 sogar<br />

eine Schallplatte mit „Afri-Rauschmusik" als<br />

„Super-Single" für 4,95 DM bei Afri-Cola in<br />

Köln zu erwerben – die Bilder verknüpften<br />

ungeniert Erotisches und Revolutionäres mit<br />

dem simplen Süßgetränk.<br />

Die K<strong>am</strong>pagne spielte mit Worten,<br />

und anstelle der üblichen ernsten<br />

Werbetexte entstanden beinahe sinnfreie<br />

Comic-Sprachkollagen wie „sexy –<br />

mini – super – flower – pop-op-cola". Im<br />

Werbefernsehen lief ein Wilp-Spot, der den<br />

„Afri-Cola-Rausch" an attraktiven „Nonnen"<br />

in weißen Hauben demonstrierte: „Untermalt<br />

mit psychedelischer Musik drücken junge<br />

D<strong>am</strong>en in keuschen Ordenstrachten lechzende<br />

Zungen und brauselüsterne Körper<br />

an vereisten Glasscheiben platt", beschrieb<br />

es der Werbeforscher Hars und betonte den<br />

Effekt fe<br />

der<br />

K<strong>am</strong>pagne: „Die Umsätze stiegen wunschgemäß um 40<br />

Prozent" (Hars, S. 24/25).<br />

Für Bluna erdichteten die Werbetreibenden gar einen verrückten<br />

Mythos: Dazu gruppierte Wilp jeweils „7 Jungfrauen" in<br />

einem dunklen Raum – meist in ganz und gar nicht jungfräulicher<br />

Gewandung –, die sich „bei Vollmond" trafen, um Bluna herzustellen.<br />

D<strong>am</strong>it war auch das zweite Standbein der Afri-Produktion mit<br />

auffälliger Rekl<strong>am</strong>e versorgt. Für eine Bosco-Bitter-Anzeige dagegen<br />

(das Tonic des Konzerns) posierte dann eine boxende Frau, die<br />

frech in Wilps K<strong>am</strong>era schaute. Typisch für diese Zeit: Der unauffällige<br />

Mann neben ihr hat sogar einen Helm auf, sie dagegen ist<br />

barbusig und trägt die Haare offen. Motto: Frauen dürfen gern stark<br />

sein, so lange sie sexy bleiben!<br />

Charles Wilp selbst war ein schillernder Held der Werbewelt.<br />

1932 im Ruhrgebiet geboren, k<strong>am</strong> er nach einem Studium in<br />

Paris und als Schüler des US-<strong>am</strong>erikanischen Fotografen Man Ray<br />

nach Deutschland zurück, schuf in den 60ern und 70ern neben den<br />

erwähnten K<strong>am</strong>pagnen auch eine für Puschkin-Wodka sowie<br />

die berühmte VW-Serie („Er läuft und läuft ...") und stellte<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 23


1972<br />

unter dem<br />

Titel „Konsumrealismus" mus"<br />

auf der Documenta in<br />

Kassel aus. Während sonst allenfalls die Agentur als solche bekannt<br />

wurde, stand bei seinen Werken zum Beispiel: „letzte meldung –<br />

stop – im bosco-bitter-ring fotografierte charles wilp lolly boxer"<br />

ausdrücklich dabei.<br />

Sinalco ließ sich da nicht lumpen und warb für seine Kola ab<br />

1969 mit einer aufblasbaren Plastikpuppe n<strong>am</strong>ens Rita in<br />

schreienden Farben, die als „lebensgroße Party-Puppe" auf Anzeigen<br />

und Plakaten angepriesen wurde. Die Slogans lauteten anzüglich<br />

„Call-Girl" oder „Rita ist lieb", und der Text erläuterte dazu: „Rita<br />

hat den größten Erfolg auf Partys, Festchen, im Café, im Hörsaal und<br />

<strong>am</strong> Arbeitsplatz. Und besonders bei Demonstrationen." Die kesse<br />

D<strong>am</strong>e konnte für 6,60 DM bestellt werden und war bis 1972 im<br />

Einsatz. Über ihre politischen Erfolge ist allerdings nichts bekannt ...<br />

Am Ende bek<strong>am</strong> sie Gesellschaft von einer ebenso poppigen männlichen<br />

Puppe, die schwarzhaarig<br />

eine lange Mähne und<br />

Schnurrbart zu knallroten<br />

Lippen trug.<br />

Neben<br />

Orangen-<br />

Limonade und Cola<br />

hatte der Markt aber auch<br />

noch Platz für das zitronige<br />

Süßgetränk, das beinahe<br />

in Vergessenheit geraten<br />

war: Von den Marktführern<br />

mit neuen N<strong>am</strong>en und einer<br />

K<strong>am</strong>pagne versehen, starteten<br />

mehrere Produkte in<br />

den 60ern neu durch. Sprite<br />

bedeutet im Englischen Elfe oder Kobold – jedenfalls<br />

steht es für einen Naturgeist, besonders gern in der<br />

Form des „water sprite" (Wassermann) benutzt. Seine<br />

Entwicklung ist deshalb interessant, weil es, ursprünglich<br />

in Deutschland als Fanta Klare Zitrone entwickelt,<br />

1959 auf den Markt k<strong>am</strong> und 1961 unter dem N<strong>am</strong>en<br />

Sprite in den USA eingeführt wurde, wo es 7 Up<br />

Konkurrenz machte. Ab 1964 produzierte Pepsi dann<br />

Teem, um wiederum Coca-Colas Sprite etwas entgegensetzen<br />

zu können. Diese Zitronenlimonade setzte sich<br />

aber in Deutschland nicht durch, während sie in den<br />

USA und Kanada bis in die 80er <strong>Jahre</strong> zu bekommen<br />

war. Sprite hatte da entschieden mehr Erfolg.<br />

Der deutsche Limo-Klassiker Sinalco musste der<br />

Konkurrenz nun beweisen, dass die Moderne auch<br />

hier zu Lande Einzug gehalten hatte, und brachte eine<br />

beispielhafte Pop-Art-K<strong>am</strong>pagne heraus: Ganz im Comic-<br />

Stil der Bilder von Andy Warhol oder Roy Lichtenstein<br />

zeigten die Werbegrafiken immer mit „Plop!" eine<br />

fröhliche Person beim Kronkorken-Abhebeln. Die bunten<br />

Punkte des Siebdruckverfahrens blieben dabei als<br />

Stilmittel sichtbar. Wichtiger aber für den Erfolg der<br />

Firma war sicher der bekannte Jingle „Die Sinalco<br />

schmeckt, die Sinalco schmeckt, die Sinalco-nalco-nalco<br />

schmeckt ...", der an den „Flohwalzer" angelehnt war,<br />

den jedes Kind als erstes auf dem Klavier klimpern kann.<br />

Kein anderes Erfrischungsgetränk hat einen solchen<br />

Schlager gelandet wie Sinalco 1979 ...<br />

Da eines der Erfolgsrezepte der Erfrischungsgetränke<br />

ihre Eignung zum Mixen mit Alkoholika war, ließ<br />

sich darüber hinaus die bittere Variante noch ergänzen.<br />

Ein Mixgetränke-Buch der 70er <strong>Jahre</strong> erläuterte<br />

die Qualität dieser meist chininhaltigen Limonaden:<br />

„Besonders zum Purtrinken, aber auch mit einem Schuss<br />

Gin, Wodka, Weinbrand, Cognac u.ä. sind die bitteren<br />

Limonaden ein echtes Labsal. Die üblichen trüben und<br />

wasserklaren Limonaden sind für die Hausbar nicht so gut geeignet,<br />

da sie oft ein wenig künstlich schmecken" (Martin, S. 13).<br />

Allen voran gingen dabei Schweppes und Kinley. Kinley setzte<br />

auf das Prinzip, das sich auch einige Mineralwasser-Hersteller<br />

zueigen machten: Exklusivität und den edlen Auftritt. Der Slogan<br />

„Geschmack hat einen N<strong>am</strong>en" geht mit der Präsentation der<br />

Getränke auf einem Silbertablett einher: Der Arm des Servierenden<br />

steckt in dunklem Stoff mit weißer Spitzenmanschette, ein weißer<br />

Handschuh macht den Auftritt als herrschaftliches Dienstpersonal<br />

(dessen Gesicht selbstverständlich nicht sichtbar ist) perfekt.<br />

Diejenigen, die die „anregend-schönen Stunden" mit Kinley genießen,<br />

sitzen und stehen in einem hohen, mit Gemälden dekorierten<br />

Raum. Diese K<strong>am</strong>pagne war eher traditionell gehalten und spielte<br />

grafisch mit den dekorativen Elementen des Jugendstils, die gerade<br />

bei Nostalgikern en vogue waren.


Die Schweppes-K<strong>am</strong>pagne dagegen war für die Werbung besonders<br />

spannend, da sie einen ganz anderen Mechanismus nutzte.<br />

Hier gab es Grund zum Schmunzeln! Das Prinzip war einfach:<br />

Schweppes wurde als spezifisch britisches Produkt von einer Person<br />

dargeboten, die ganz eindeutig einen echten<br />

Spleen hatte. Immer untertitelt mit der Zeile:<br />

„Er ist Schweppes-Trinker." Diese Spleens<br />

konnten ganz unterschiedliche Ausrichtungen<br />

haben, vor allem aber bek<strong>am</strong>en die Helden<br />

der Anzeige stets Orden für ihre Verdienste<br />

verliehen oder wurden zum Ritter geschlagen:<br />

Einer dressierte Pfauen und wurde dafür zum<br />

„Knight Of The Golden Bird", der Nächste<br />

erfand den „seitenwindunempfindlichen<br />

Poloball" und bek<strong>am</strong> dafür den Sattel-Orden.<br />

„Sir Reginald und Lady Anthea Ponsonby"<br />

bek<strong>am</strong>en den Pfotenorden („Order Of The<br />

Paw") für ihre Beagle-Liebe, eine „Denkschrift<br />

über die Wachstumsgeräusche englischen<br />

Rasens" machte ihren Entwickler zum stolzen<br />

Träger des „Order Of The Greens", für das<br />

„Verzeichnis englischer Schlossgeister" gab es<br />

das „Blue Band Of The Midnight", und 1971<br />

wurde gar „Gordon Thistelthwaite" für seine<br />

„33-stündige Rede über die kommerzielle<br />

Nutzung des Londoner Nebels" zum „Master<br />

Of The Lip" ernannt. Es war klar: Wer Schweppes pes trank, der verfügte<br />

über besondere Talente, die nicht jeder besaß, oder hatte zumindest<br />

Ideen, auf die keiner k<strong>am</strong>! Originalität war ein Wert an sich, und diese<br />

K<strong>am</strong>pagne brachte die Leser zum Kichern.<br />

Ganz anders dagegen die Zielgruppe, der sich Coca-Cola in den frühen<br />

70er <strong>Jahre</strong>n zuwandte: Bei Coke hieß der Slogan „frischwärts",<br />

und gezeigt wurden Gruppen junger Leute bei Spiel und Sport. Die<br />

einen sprangen von einem Felsen ins Meer, die anderen fuhren in einem<br />

völlig<br />

überladenen en Jeep durch die Landschaft, die Nächsten spielten<br />

Boule, in wildem Wasser wurde gepaddelt, im Schnee fuhren<br />

sie Schlitten und fielen lachend herunter. Sportliches<br />

Vergnügen in der Gruppe war das Thema, und auch in der<br />

Lift-Rekl<strong>am</strong>e stand der Sport im Vordergrund, allerdings<br />

war es immer eine im Mittelpunkt stehende Einzelperson,<br />

die ihren „atemlosen<br />

Durst" mit Lift „wegzischte".<br />

Beim Tennis<br />

wie beim Fechten,<br />

Sprinten,<br />

Motocross<br />

oder Radfahren hieß es<br />

jeweils über das Getränk<br />

mit der „Löschkraft der<br />

Zitrone": „Jetzt Lift,<br />

und weg ist der Durst."<br />

Bei dieser Hinwendung<br />

zur professionelleren<br />

Variante des Sports<br />

war es nur konsequent,<br />

dass Coca-Cola 1984 sogar<br />

Hauptsponsor der Olympischen<br />

Spiele in Atlanta wurde. Afri-Cola<br />

hatte sich bereits Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> als<br />

Sponsor eines es deutschen<br />

en<br />

Radrennens versucht, denn die Betonung all<br />

dieser Brausen lag immer auf der Erfrischung<br />

und vor allem der Alkoholfreiheit des Produkts.<br />

Parallel dazu trugen alle Getränke hersteller<br />

seit dem Ende der 70er dem wachsenden<br />

Gesund-<br />

h<br />

e i t s -<br />

bewuss tsein<br />

Rechnung<br />

und entwi-<br />

c k e l t e n<br />

kalorienarme,<br />

womöglich<br />

zuckerfreie<br />

Light-<br />

Produkte<br />

– hübsch<br />

präsentiert<br />

von besonders<br />

schlanken,<br />

sonnengebräunten<br />

Models, gerne mit<br />

Handtuch um die Schultern. Sie zeigten,<br />

dass es Erfrisch ungsge tränke<br />

passend zu ihren durchtrainierten<br />

Körpern gab. 1978 trank eine junge<br />

Frau <strong>am</strong> Pool bereits kalorienarmes<br />

Diät-Lift (zum Slogan „Schlank ist<br />

schön"), und 1987 gab es konsequenterweise<br />

Coca-Cola-Light-<br />

Designer-Badeanzüge zu gewinnen.<br />

An dieser Prioritätensetzung<br />

im Getränkesektor hat sich bis<br />

heute nicht viel geändert: Wer<br />

Limonade verkaufen will, darf nie,<br />

niemals und auf gar keinen Fall<br />

von Zucker reden!<br />

LITERATUR:<br />

– "<br />

Werbung in Deutschland 1945–1965",<br />

1965"<br />

Michael Kriegeskorte, DuMont Verlag, 1992<br />

– "<br />

Lurchi, Klementine & Co. – Unsere Rekl<strong>am</strong>ehelden<br />

und ihre Geschichten", Wolfgang Hars, Argon Verlag, 2000<br />

– "<br />

Das große Buch der Mixgetränke",<br />

Henry Martin, Vehling Verlag, 1977


Spiel ohne Grenzen<br />

Wie der<br />

Straßenfeger<br />

einst die ganze<br />

F<strong>am</strong>ilie vor<br />

dem Fernseher<br />

vereinte<br />

Von Oliver Schuh<br />

C<strong>am</strong>illo Felgen im Clinch mit den Juroren<br />

So holt man sich eine Gesäßprellung<br />

Nilpferde sahen früher irgendwie anders aus<br />

"<br />

Wer stürzt oder sich sonstwie<br />

verletzt, muss gegebenenfalls<br />

aus dem Bild kriechen. Es werden<br />

keine Leidenden auf dem Bildschirm<br />

gezeigt!", lautete die eindeutige<br />

Regieanweisung zur ARD-Show Spiel "<br />

ohne Grenzen" aus dem Jahr 1973. Bis<br />

dahin war in der Sendung bereits so mancher<br />

schmerzhafte Zwischenfall zu beobachten gewesen.<br />

Selten jedoch in Großaufnahme, sondern meist in der<br />

Totalen. Schmerzverzerrte Gesichter waren d<strong>am</strong>als,<br />

sofern sie nicht in einem Krimi gezeigt wurden, noch<br />

nicht telegen ...<br />

Sehnenteilanrisse,<br />

Kopfverletzungen,<br />

Schürfwunden, Gesäßprellungen – um<br />

die zahlreichen körperlich anspruchsvollen<br />

Aufgaben bei diesem legendären<br />

Städtewettbewerb zu bewältigen,<br />

waren echte Nehmerqualitäten erforderlich.<br />

Wasser und Schmierseife gehörten<br />

zu den Hauptkomponenten der Spiele,<br />

Schadenfreude, wenn sich jemand flachlegte,<br />

war progr<strong>am</strong>miert. Der spätere Moderator<br />

Heribert Faßbender erinnert sich: „Wir nannten<br />

das d<strong>am</strong>als intern die Schmierseifen-<br />

Olympiade." Auch der Begriff „Kasperspiele"<br />

ist überliefert, wird der Veranstaltung aber nicht<br />

gerecht, weil hinter dem Spaß ganz offensichtlich<br />

große Anstrengungen der Amateur-Gladiatoren steckten,<br />

die auf keinen Fall unter den Tisch fallen dürfen.<br />

Die Konkurrenten schossen sich gegenseitig mit überdimensionalen<br />

Wasserpistolen von rutschigen Brettern, mussten in albernen<br />

Straußenkostümen einen Hindernis-Parcours überwinden, flogen aus<br />

sich stetig beschleunigenden Karussells, hatten auf sich drehenden<br />

Mühlrädern das Gleichgewicht zu halten oder C<strong>am</strong>pingstühle durch den<br />

Swimmingpool zu tragen.<br />

Seite 26 ■ GoodTimes 1/2015


Und das alles <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stag um 15 Uhr<br />

– eine heute undenkbare Prime Time<br />

für eine Unterhaltungsshow – im Ersten,<br />

Privatfernsehen gab es noch nicht. Ein<br />

Pflichttermin für große und kleine Zuschauer:<br />

Die komplette F<strong>am</strong>ilie, von den Großeltern<br />

bis zum jüngsten Nachwuchs, vers<strong>am</strong>melte<br />

sich vor dem Fernsehgerät und fieberte mit.<br />

Der verhinderte Opernsänger und Frühzeit-DJ<br />

C<strong>am</strong>illo Felgen, der die Sendung von 1965<br />

bis 1973 satte 125 Mal moderierte (nachdem<br />

Erstmoderator „Klettermaxe" Armin Dahl die<br />

Debütsendung versemmelt hatte), begrüßte das<br />

Publikum stets auf seine jovial-charmante Art,<br />

um nachfolgend Städtete<strong>am</strong>s aus Duderstadt,<br />

Schliersee oder Radevormwald die Gelegenheit<br />

zu geben, sich immer wieder gepflegt auf die<br />

Schnauze zu legen. Aber um es noch einmal<br />

deutlich zu sagen: Die Show galt in erster<br />

Linie als sportlicher Wettk<strong>am</strong>pf und noch nicht<br />

so sehr als „Brot und Spiele"-Belustigung für<br />

sensationsgeile TV-Zuschauer, denen kein Kick<br />

zu derbe sein konnte. (In Zeiten von nur zwei<br />

öffentlich-rechtlichen Fernsehprogr<strong>am</strong>men gab<br />

es Letzteren übrigens auch in begrifflicher<br />

Hinsicht noch nicht.)<br />

Spiel ohne Grenzen" war zudem die einzige<br />

Unterhaltungssendung jener Zeit,<br />

„<br />

die neben dem „Grand Prix Eurovision de<br />

la Chanson" international ausgerichtet war.<br />

Europaweit lief sie in ganz verschiedenen<br />

Ländern etwa unter den N<strong>am</strong>en „It’s A<br />

Knockout" oder „Jeux Sans Frontières" wie<br />

auch unter „G<strong>am</strong>es Without Frontiers" (zu allen dreien höre auch Peter<br />

Gabriels gleichn<strong>am</strong>igen<br />

80er Song<br />

"G<strong>am</strong>es Without<br />

Frontiers"), „Giochi<br />

senza frontiere",<br />

„Spel zonder<br />

grenzen" u.a.<br />

Mittwochabends<br />

gab es dann alle<br />

paar Monate<br />

die internationale<br />

Finalrunde,<br />

an der regelmäßig „<br />

Deutschland, die Schweiz,<br />

Großbritannien, Frankreich<br />

(Charles de Gaulle war<br />

ein großer Fan der<br />

Sendung, weil er darin ein<br />

Aufeinander-Zugehen der<br />

Europäer sah), Italien, die<br />

Niederlande, Belgien und<br />

später auch Portugal und Jugoslawien teilnahmen. Diese internationale<br />

Veranstaltung wurde ebenfalls im Rahmen der Eurovision live übertragen.<br />

Übrigens: Deutschland hat das Gipfeltreffen (vor Portugal) <strong>am</strong><br />

häufigsten gewonnen.<br />

Das Besondere an der Idee von „Spiel ohne Grenzen" war sicher auch,<br />

dass der Zuschauer es hier nicht mit den üblichen Supersportlern<br />

zu tun bek<strong>am</strong>, sondern mit relativ normalen Menschen aus einer Stadt<br />

wie seiner eigenen, die relativ normale Menschen aus einer anderen Stadt<br />

im lustigen Wettstreit zu bezwingen versuchten. Wut und Enttäuschung<br />

waren selten auszumachen, denn die Teilnehmer blieben meist anonym<br />

und wurden nur als Städtete<strong>am</strong> wahrgenommen – es sei denn, einer<br />

der Mitwirkenden hatte gerade Außergewöhnliches geschafft, war zum<br />

Beispiel über die meisten liegenden K<strong>am</strong>ele gesprungen oder hatte mit<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 27<br />

dem Rhönrad einen Parcours bewältigt, der –<br />

genau! – mit Schmierseife präpariert war.<br />

Der Aufwand für die Spiele war<br />

enorm, trotz immer wiederkehrender<br />

Spielmuster: Manchmal benötigte man über<br />

20 Lastwagen, um die ganzen Requisiten<br />

und Bühnenteile an den Austragungsort zu<br />

schaffen. Ein Elefantenrennen wollte eben<br />

gut vorbereitet sein. Auch die K<strong>am</strong>erate<strong>am</strong>s<br />

hatten dementsprechend zu jener Zeit einen<br />

sicheren Job und k<strong>am</strong>en viel herum.<br />

Tricksereien, wie sie sich die Italiener und<br />

Holländer beim Finale in Verona 1970<br />

erlaubten, waren allerdings nicht unbedingt<br />

eine Seltenheit. Selbst die spätere Weitsprungund<br />

Staffel-Olympiasiegerin Heide Rosendahl,<br />

die sozusagen als Geheimwaffe für<br />

Radevormwald angetreten war, hatte mit<br />

Turnschuhen im Wettlauf bei strömendem<br />

Regen gegen die Spikes des im Pferdekostüm<br />

angetretenen niederländischen Kontrahenten<br />

keine Chance. Kommentar Faßbender:<br />

„Das Ganze lief immer unter Ausschluss<br />

des Rechtsweges, und das war gut so."<br />

Nicht zuletzt auch die Olympionikin bestätigt<br />

heute: „Wir hatten einfach unseren Spaß."<br />

1973 gab C<strong>am</strong>illo Felgen die Spielleitung<br />

ab. In einem späteren „Stern"-Interview<br />

gab er als Grund an, er habe das Gefühl<br />

gehabt, sich ständig zu wiederholen und<br />

bei steigender Gage immer weniger Leistung<br />

bringen zu müssen. Auch ein löblicher Ansatz, aber nur konsequent für<br />

jemanden, der Beatles-Texte eindeutschte – aus seiner Feder st<strong>am</strong>men<br />

"Sie liebt dich" und "Komm gib’ mir deine Hand". Nur ein Jahr später<br />

entschloss sich sein 1968 eingestiegener Co-Moderator Timm (später<br />

geändert in das bekannte Frank) Elstner, der übernommen hatte, zum<br />

gleichen Schritt, um seine Fernsehkarriere mit den „Montagsmalern"<br />

zu befeuern. Auch die Nachfolger Heribert Faßbender, Marie-Louise<br />

Steinbauer, Erhard Keller etc. hatten dann sicher keine Schuld <strong>am</strong> allmählichen<br />

Niedergang der TV-Show, vielmehr war es der finanzielle<br />

Zwang der unterschiedlichen Sender, denen die Kosten mit der Zeit über<br />

den Kopf wuchsen.<br />

Spiel ohne Grenzen" war eigentlich nie richtig tot, aber das anhaltende<br />

Siechtum der Städtewettbewerbe ist nicht zu leugnen. Es<br />

gab Wiederbelebungsversuche wie 1989 mit Michael Schanze (nach vier<br />

Folgen im Abendprogr<strong>am</strong>m wieder abgesetzt) oder als S<strong>am</strong>stagabend-<br />

Event unter dem neuen Titel „Deutschland Ch<strong>am</strong>pions" mit dem fragwürdigen<br />

Gerd Rubenbauer, die große Zeit der Sendung schien jedoch ab<br />

einem bestimmten Zeitpunkt endgültig vorbei. 2011 k<strong>am</strong> dann allerdings<br />

ProSieben auf die Idee, mit dem jungen, hippen Te<strong>am</strong> Joko Winterscheidt/<br />

Klaas Heufer-Umlauf und der Action-Show „17 Meter" einen Studio-<br />

Aufguss ins Rennen zu schicken, in dem zwar keine Städte mehr gegeneinander<br />

antreten,<br />

sondern kleine<br />

Te<strong>am</strong>s, deren<br />

Aufgaben aber<br />

im Wesentlichen<br />

einer weitaus<br />

abgründigeren Art<br />

von Humor entspringen<br />

als die,<br />

die „Spiel ohne<br />

Grenzen", das<br />

Original, einstmals<br />

so beliebt<br />

gemacht haben ...<br />

1989 in Bad Salzuflen mit Moderator<br />

Michael Schanze


DAS JAHR 1974<br />

Von Bernd Matheja<br />

Tor durch Gerd Müller – 2:1<br />

im WM-Finale gegen die Niederlande<br />

Willy Brandt<br />

Elisabeth Wiedemann, Heinz Schubert<br />

Brandt stürzt –<br />

Müller trifft –<br />

Tetzlaff pöbelt<br />

... und vier Schweden krempeln<br />

die Pop-Welt um<br />

1974<br />

ZEITGESCHEHEN<br />

Ab 1.1. gilt das neue Autokennzeichen DDR. *** In der BRD wird die<br />

Preisbindung für Markenartikel aufgehoben. *** Schweden verbietet<br />

<strong>am</strong> 2.1. sämtliche Rekl<strong>am</strong>ebeleuchtungen, um Strom zu sparen. *** Neuer<br />

Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend<br />

(FDJ) wird Egon Krenz (37; 10.1.). ***<br />

Am 14.1. untersagt China die Aufführung<br />

der „bourgeoisen" Musik von Ludwig van<br />

Beethoven. *** Der Bundestag verabschiedet<br />

das Immissionsschutzgesetz vom 18.1.<br />

(u.a. gegen Lärmbelästigung, Gestank aus<br />

Müllverbrennungsanlagen). *** Die Stadt<br />

Koblenz ordnet „angemessene" Frisuren für<br />

Polizeibe<strong>am</strong>te an (29.1.). *** Am 3.2. wird<br />

in Rio de Janeiro der Posträuber Ronald<br />

Biggs elf <strong>Jahre</strong> nach dem legendären<br />

Zugüberfall festgenommen. *** Ab dem<br />

12.2. werden in Spanien Bürger angezeigt,<br />

die das Magazin „Playboy" zeigen oder in Umlauf fbi bringen. *** Elf Prozent<br />

Abb<br />

ba<br />

Fußball-WM im eigenen Land,<br />

in dem ein DDR-Spion auffliegt,<br />

der den Kult-Kanzler kippt.<br />

Im englischen Brighton startet<br />

eine gigantische Musikkarriere.<br />

Und in einer miefigen<br />

Siedlungsbude in Wattenscheid<br />

stänkert sich ein laufender<br />

Meter n<strong>am</strong>ens Alfred in die<br />

Herzen des bundesdeutschen<br />

Fernsehpublikums.<br />

Lohnerhöhung für den Öffentlichen Dienst in der BRD ab 13.2. *** 4.3.:<br />

Entführung der US-Verlegertochter Patricia Hearst. *** Ab 9.3. setzt die<br />

Bundesbahn erstmals Computer für die Steuerung von Signalanlagen ein.<br />

*** 15.3.: Das US-Justizministerium verklagt den Bundesstaat Louisiana<br />

wegen der Rassentrennung an den dortigen Universitäten. *** Die britische<br />

Prinzessin Anne (24) entgeht in London einem Attentat. *** 22.3.:<br />

In Helsinki unterschreiben sieben Ostsee-Anrainerstaaten ein Abkommen<br />

zum Schutz des Meeres. *** Arbeitnehmer in H<strong>am</strong>burg erhalten ab 1.4.<br />

erstmals Bildungsurlaub (14 Tage, alle zwei <strong>Jahre</strong>). *** Am 10.4. tritt die<br />

israelische Ministerpräsidentin Golda Meir (76) zurück. *** 18.4.: Nach<br />

einem Banküberfall mit Geiselnahme wird in H<strong>am</strong>burg erstmals der „finale<br />

Rettungsschuss" gegen den Täter praktiziert. *** 23.000 Bundesbürger<br />

leben im April mit einem Herzschrittmacher<br />

(weltweit: 1<strong>50</strong>.000). *** In Bonn wird <strong>am</strong><br />

24.4. der DDR-Spion Günter Guillaume<br />

festgenommen. Die Folge: Rücktritt von<br />

Bundeskanzler Willy Brandt <strong>am</strong> 6.5. ***<br />

Ab 1.5. führt das Kraftfahrtbundes<strong>am</strong>t<br />

in Flensburg die Verkehrssünderkartei<br />

Helmut Schmidt<br />

ein. *** 2.5.: Einrichtung der Ständigen<br />

Vertretungen beider deutscher Staaten in den jeweiligen Hauptstädten. ***<br />

Am 15.5. wird Walter Scheel neuer Bundespräsident, <strong>am</strong> Tag darauf tritt<br />

Helmut Schmidt die Nachfolge von Willy Brandt als Bundeskanzler an.<br />

*** Am 18.5. wird Valérie Giscard d'Estaing französischer Staatspräsident.<br />

*** 23.5.: 25 <strong>Jahre</strong> Bundesrepublik. *** Ab Ende Mai kommt es zu<br />

Straßenschlachten in Frankfurt/Main wegen erhöhter Fahrpreise im<br />

Nahverkehr. *** In der BRD leben jetzt rund vier Millionen ausländische<br />

Mitbürger. *** 18.6.: Verbot von Werbespots für Tabakprodukte<br />

im Radio und TV. *** 21.6.: Erhöhung der Ausbildungsförderung für<br />

Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />

Seite 28 ■ GoodTimes 1/2015


Studenten und Schüler. *** Die beiden französischen Autohersteller Citroen<br />

und Peugeot fusionieren <strong>am</strong> 24.6. *** 26.6.: Schließung der renommierten<br />

Kölner Privatbank Iwan D. Herstatt wegen Überschuldung. Aus<br />

einem „Feuerwehrfonds" erhalten 35.000 Sparer Einlagen zurück. ***<br />

Ab 1.7. steigen in der BRD die Altersrenten um 11,2 Prozent. *** 15.7.:<br />

Militärputsch auf Zypern, Erzbischof Makarios geht außer Landes.<br />

*** Am 16.7. geht der bis dahin größte Atommeiler der Welt in Biblis<br />

(Hessen) ans Netz. *** US-Präsident Richard Nixon tritt <strong>am</strong> 9.8. wegen<br />

der Watergate-Affäre zurück. Sein Nachfolger wird Gerald Ford. ***<br />

4.9.: Die USA und die DDR nehmen diplomatische Beziehungen auf.<br />

*** Äthiopiens Kaiser Haile Selassie I. wird <strong>am</strong> 12.9. nach 44-jähriger<br />

Regentschaft vom Militär abgesetzt. *** 14.9.: Die DDR-Staatsbank<br />

bringt die neue „Mark der DDR" in Umlauf.<br />

*** Hans-Dietrich Genscher wird <strong>am</strong> 1.10.<br />

zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt.<br />

*** Der Nordire Séan MacBride, ehemals erster<br />

Präsident von Amnesty International und Außenminister seines Landes,<br />

erhält den Friedensnobelpreis. *** Am 14.10. eröffnet der schwedische<br />

Möbelhersteller Ikea seine erste Filiale in der BRD in Eching bei München.<br />

*** 23.10.: Einweihung des Flughafens Berlin-Tegel. *** RAF-Mitglied<br />

Holger Meins stirbt <strong>am</strong> 9.11. an den Folgen seines<br />

im<br />

September begonnenen Hungerstreiks. *** Die<br />

Autorin Ester Vilar fordert <strong>am</strong> 12.11. die Wehrpflicht<br />

für Frauen in der BRD. *** Am 25.11. implantiert der<br />

Chirurg Christiaan Barnard in Kapstadt einem<br />

Menschen erstmals ein zweites, zusätzliches Herz.<br />

*** Am 30.11. wird Manfred Rommel zum Stuttgarter Oberbürgermeister<br />

gewählt – er bleibt 22 <strong>Jahre</strong> im Amt. *** Gründung der Fernuniversität<br />

Hagen <strong>am</strong> 1.12. *** Am 13.12. wird Malta unabhängige Republik. *** Das<br />

Fernmeldetechnische Zentral<strong>am</strong>t in Darmstadt startet <strong>am</strong> 22.12. einen<br />

Feldversuch, bei dem Telefonwahlscheiben durch Tastaturen ersetzt<br />

werden. *** 26.12.: Einweihung des neuen Tunnels unter der Elbe in<br />

H<strong>am</strong>burg. Länge: 3,3 Kilometer. *** Das Weltwirtschaftswachstum geht<br />

1974 von 6,5 (Vorjahr) auf 1,5 Prozent zurück. ***<br />

1974<br />

SPORT<br />

Top-Thema aus deutscher Sicht: die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen<br />

Land, bei der sich der Gastgeber im Finale <strong>am</strong> 7.7. in München<br />

durch Tore von Paul Breitner und Gerd Müller mit 2:1 gegen die<br />

Niederlande durchsetzt. Im Verlauf des Turniers k<strong>am</strong> es zum einzigen<br />

Länderspiel gegen die DDR, das die BRD <strong>am</strong> 22.6. in H<strong>am</strong>burg mit<br />

0:1 verlor. Torschützenkönig mit sieben Treffern wurde Grzegorz Lato<br />

(Polen). *** Box-Höhepunkt des <strong>Jahre</strong>s wird<br />

der als „Rumble In The Jungle" bezeichnete<br />

WM-K<strong>am</strong>pf im Schwergewicht zwischen<br />

Muh<strong>am</strong>mad Ali und George Foreman (30.10.<br />

in Kinshasa, Zaire). Ali siegte und nahm seinem<br />

Gegner den Titel ab, den dieser <strong>am</strong> 26.3. in<br />

Caracas von Ken Norton gewonnen hatte. ***<br />

Ein Fabelspieler beendet seine Fußballkarriere:<br />

Edson Arantes do Nascimento, genannt Pelé,<br />

Pelé<br />

macht <strong>am</strong> 3.10. in Sao Paulo Schluss. Er wurde<br />

mit Brasilien 1958, 1962 und 1970 Weltmeister, bestritt 92 Länderspiele<br />

(77 Treffer). In insges<strong>am</strong>t 1363 Pflicht- und Freundschaftsspielen erzielte<br />

der „beste Fußballer der Geschichte" 1281 Tore ... *** Neuer Präsident<br />

des Deutschen Sportbundes wird <strong>am</strong> 24.5. Willi Weyer. *** Am 21.7.<br />

erringt Hartwig Steenken mit Simona im englischen Hickstead den<br />

Weltmeistertitel im Springreiten. *** BRD-Meister im Fußball wird zum<br />

dritten Mal in Folge der FC Bayern München. Den DFB-Pokal holt<br />

sich Eintracht Frankfurt in Düsseldorf gegen den HSV. *** Die DDR-<br />

Meisterschaft 1973/74 entscheidet der 1. FC Magdeburg für sich, den<br />

FDGB-Pokal gewinnt der FC Carl Zeiss Jena <strong>am</strong> 13.4. im Finale in Leipzig<br />

gegen Dyn<strong>am</strong>o Dresden (3:1 n.V.). *** Die Torjägerkanone teilen sich<br />

in der BRD Jupp Heynckes aus Mönchengladbach und Gerd Müller<br />

(Bayern München) mit je 30 Treffern. In der DDR ist es Hans-Bert Matoul<br />

von Lokomotive Leipzig (20 Tore). Fußballer des <strong>Jahre</strong>s werden Franz<br />

Beckenbauer (Bayern München) und Bernd Bransch aus Jena. Der Titel<br />

in Europa geht, wie schon 1971 und 1973, an den Niederländer Johan<br />

Cruyff. *** Der belgische Ausnahme-Radrennfahrer Eddy Merckx siegt zum<br />

jeweils fünften Mal bei der Tour de France und beim Giro d'Italia. *** Die<br />

Titelträger in den europäischen Fußball-<br />

Pokalwettbewerben sind: Bayern<br />

München bei den Landesmeistern<br />

(1:1 und 4:0 gegen Atletico Madrid<br />

<strong>am</strong> 15./17.5. in Brüssel), der 1. FC<br />

Magdeburg bei den Pokalsiegern (2:0<br />

gegen den AC Mailand <strong>am</strong> 8.5. in<br />

Emerson Fittipaldi<br />

Rotterd<strong>am</strong>); den Uefa-Pokal schnappt<br />

sich Feyenoord Rotterd<strong>am</strong> <strong>am</strong> 22./29.5. gegen Tottenh<strong>am</strong> Hotspur<br />

(2:2 und 2:0). *** Formel-1-Weltmeister wird der Brasilianer Emerson<br />

Fittipaldi vor Clay Regazzoni (Schweiz) und dem Südafrikaner Jody<br />

Scheckter. Regazzoni, nach einem Renn-Crash 1980 in Long Beach querschnittgelähmt,<br />

starb 2006 bei einem Verkehrsunfall in Italien. *** Die<br />

Finals beim prestigeträchtigen Tennis-Grand-Sl<strong>am</strong>-Turnier in Wimbledon<br />

vom 24.6. bis 6.7. in London entscheiden der Amerikaner Jimmy Connors<br />

(Sieg gegen Ken Rosewall aus Australien) und Chris Evert (USA) gegen<br />

Olga Morosowa aus der Sowjetunion für sich. *** Vom 5. bis 20.4. finden<br />

im finnischen Helsinki die <strong>Eis</strong>hockey-Weltmeisterschaften statt,<br />

die von mehreren Dopingfällen (und demzufolge Ergebniskorrekturen)<br />

überschattet werden. Nach zehn Gruppenspielen steht die Sowjetunion<br />

zum 13. Mal als Sieger vor der Tschechoslowakei und Schweden fest. Als<br />

Absteiger verlässt die DDR die A-Gruppe, den Aufstieg aus der B-Gruppe<br />

verpasst die BRD als Gruppendritter der Begegnungen in Ljubljana hinter<br />

den USA und Jugoslawien. *** Die Vierschanzentournee der Skispringer<br />

vom 30.12.1973 bis 6.1.1974 gewinnt Hans-Georg Aschenbach<br />

(DDR) vor dem Schweizer Walter Steiner und Bernd Eckstein (DDR). *** Das<br />

Berliner Verwaltungsgericht verbietet <strong>am</strong> 2.10. wegen Lärmbelästigung<br />

alle Rennen auf der Stadtautobahn Avus (Automobil-Verkehrs- und<br />

Übungsstraße). *** Als erster eingesetzter<br />

Spieler aus der Fußball-Weltmeister-<br />

Elf von 1954 stirbt Verteidiger<br />

Werner Kohlmeyer, sozial abgestürzt,<br />

im Alter von nur 49 <strong>Jahre</strong>n an<br />

Herzversagen. *** Geboren werden der<br />

Anke Huber<br />

legendäre norwegische Biathlet Ole<br />

Einar Björndalen (27.1.), die deutsche Schwimmerin i Sandra Völker (1.4.),<br />

Formel-1-Rennfahrer Jarno Trulli (13.7.), Handball-Weltklasse-Torhüter<br />

Henning Fritz (21.9.), der Skispringer Sven Hannawald (9.11.) und die<br />

Tennisspielerin Anke Huber (4.12). ***<br />

FUNK & FERNSEHEN<br />

1974<br />

Der Hörfunk in Bayern (BR) beginnt die beliebte Reihe „Zündfunk". ***<br />

Am 17.1. sind 13 Millionen Zuschauer im Zweiten Deutschen Fernsehen<br />

dabei, als in Wim Thoelkes TV-Abendshow „Drei mal Neun" (auch:<br />

„3x9") der Israeli Uri Geller Besteck verbiegen und defekte Uhren wieder<br />

zum Laufen bringen will. Die Kommentare reichen von Begeisterung<br />

bis „Volksverblödung". *** Als ZDF-Hit für den Nachwuchs entpuppt<br />

sich ab 31.1. bis 8.8. die Zeichentrickserie Wickie und die starken<br />

"<br />

Männer", die auf einer schwedischen Kinderbuchreihe basiert. *** Die<br />

Gebühren für die Fernsehnutzung steigen in diesem Jahr von 8,<strong>50</strong> auf<br />

10,<strong>50</strong> D-Mark im Monat. *** Das ZDF bezieht ein Haupthaus seines neuen<br />

Sendezentrums für 1700 Mitarbeiter in Mainz-Lerchenberg – elf <strong>Jahre</strong>,<br />

nachdem der Sendebetrieb <strong>am</strong> 1.4.1963 in einem wenig appetitlichen<br />

ehemaligen Bauernhof (Jargon: „Telesibirsk") in Eschborn aufgenommen<br />

worden war. *** Am 31.12.1973 wechselt die Kultserie „Ein Herz und eine<br />

Seele" („Ekel Alfred") nach elf Folgen vom Westdeutschen Fernsehen ins<br />

Erste Progr<strong>am</strong>m und wird ab 1974 in Farbe ausgestrahlt. Schauspieler<br />

Heinz Schubert brilliert auch bunt weiter als Pöbelspießer „Alfred<br />

Tetzlaff" („Pizza schmeckt wie vollgepisste Wolldecke!") – dabei ist er<br />

lediglich die Zweitbesetzung, der ursprünglich<br />

vorgesehene Gert Fröbe musste aus<br />

Termingründen absagen. *** Am 27.4. geht<br />

Entertainer Rudi Carrell aus Alkmaar mit<br />

„Am laufenden Band" auf Sendung, das<br />

es bis zum 31.12.1979 auf 51 Ausgaben<br />

Rudi Carrell<br />

im ARD-S<strong>am</strong>stagabendprogr<strong>am</strong>m bringt. Die<br />

Spielshow lh (Ursprung: das holländische „Eén van de Acht") sorgt für Spitzen-<br />

Einschaltquoten, rund 300 Top-prominente Gäste aus Unterhaltung,<br />

Sport und Politik kommen gern, das Spektrum reicht von Klaus Kinski,<br />

Muh<strong>am</strong>mad Ali und Curd Jürgens über Abba, Rainer Werner Fassbinder<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 29


und Sepp Maier bis zu Harry Belafonte, Heinz Rühmann, Isabelle Adjani<br />

und Bundesministern. *** Das ZDF kauft die <strong>am</strong>erikanische Krimiserie<br />

Die Straßen von San Francisco", mit der – neben dem bereits<br />

"<br />

etablierten Karl Malden – der junge Michael Douglas ins R<strong>am</strong>penlicht<br />

rückt. Beide sind ab 9.5. zu<br />

sehen. In den USA wurden zwischen<br />

1972 und 1977 in fünf<br />

Staffeln 120 Folgen gezeigt.<br />

*** Die Mainzer landen ab 8.7.<br />

einen weiteren (eher unerwarteten)<br />

Treffer mit der siebenteiligen<br />

Spielserie „Unser Walter",<br />

Karl Malden (l.), Michael Douglas<br />

in dem es um das alltägliche<br />

Leben mit einem mongoloiden Kind (heute: Down-Syndrom) geht. Die<br />

d<strong>am</strong>als thematisch noch mutige Produktion – u.a. mit Cordula Trantow,<br />

Thomas Braut und Pierre Franckh – wird mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet.<br />

*** Während ihrer laufenden Sendung „Suncoast Digest" begeht<br />

<strong>am</strong> 15.7. die US-TV-Moderatorin Chris(tine) Chubbock Selbstmord – sie<br />

schießt sich mit einem 38er-Revolver in den Kopf. Die 29-Jährige litt an<br />

Depressionen. *** Aus für eine Legende: Der Piratensender Radio "<br />

Veronica" stellt <strong>am</strong> 31.8. den Sendebetrieb ein. *** Berühmter Kahlkopf:<br />

Telly Savalas wird weltberühmt als Lieutenant Theo Kojak. Die Serie<br />

„Kojak – Einsatz in Manhattan" (118 US-Folgen zwischen 1973 und<br />

1978) beginnt <strong>am</strong> 3.10. im deutschen Fernsehen. *** Deutscher „Kollege":<br />

Horst Tappert (1923–2008) spielt ab 20.10. („Waldweg") die Hauptrolle<br />

in der Krimiserie „Derrick". Die insges<strong>am</strong>t 281 Episoden bis 16.10.1998<br />

werden in über 100 Länder verkauft, später permanent wiederholt. Das<br />

ZDF und viele ausländische Sender stoppen die Ausstrahlungen, als 2013<br />

verbindlich bekannt wird, dass Tappert im Zweiten Weltkrieg der Waffen-<br />

SS und der berüchtigten „Totenkopf-Division" angehörte, in der auch<br />

Herbert Reinecker (1914–2007) Dienst tat, der<br />

„Erfinder" und Drehbuchautor aller Folgen.<br />

*** Die TV-Talkshow „III nach 9" kommt ins<br />

Progr<strong>am</strong>m von NDR, SFB und Radio Bremen.<br />

Beginn <strong>am</strong> 19.11. *** Top-Reporter Lothar<br />

Loewe (zuvor u.a. in Washington und Moskau)<br />

erhält die Akkreditierung als ARD-Korrespondent<br />

Barbara Schöneberger<br />

in der DDR. Nach einem kritischen Kommentar<br />

in der „Tagesschau" wird er <strong>am</strong> 22.12.1976 ausgewiesen. *** Geboren<br />

werden die spätere TV-Moderatorin Barbara Schöneberger (5.3.)<br />

und der TV-Comedian und Parodist Matthias „Matze" Knop (11.11.). ***<br />

Am 13.10. stirbt in New York Ed Sullivan (72), durch dessen TV-Shows<br />

viele Musiker in den <strong>50</strong>s und 60s ihren Bekanntheitsgrad massiv steigern<br />

konnten – wenn sie ihm genehm und d<strong>am</strong>it nicht seiner bisweilen zynischen<br />

Widerwärtigkeit ausgesetzt waren. ***<br />

1974<br />

FILM<br />

Schauspieler, die – national und international – längst zu den Etablierten<br />

zählen, werden geboren: Christiane Paul (8.3.), Penélope Cruz Sanchez<br />

(28.4.), Franka Potente (22.7.), Hilary Swank<br />

(30.7.), Valerie Niehaus (11.10.), Joaquin Phoenix<br />

(28.10.), Leonardo DiCaprio (11.11.). *** „Zardoz"<br />

avanciert zum Kultfilm des Science-Fiction-Genres;<br />

und Hauptdarsteller Sean Connery unterstreicht,<br />

dass er nicht nur J<strong>am</strong>es Bond kann. *** Im Beverly<br />

Hilton Hotel von Los Angeles werden <strong>am</strong> 28.1. die<br />

Golden Globes verliehen. In drei Kategorien gehen<br />

Valerie Niehaus<br />

die Preise an „Der Exorzist": an den Film selbst, an<br />

Willi<strong>am</strong> Friedkin für die Regie und an Linda Blair als Nebendarstellerin.<br />

Für die beste männliche Titelrolle wird Al Pacino („Serpico") geehrt,<br />

Neil Di<strong>am</strong>ond für die Musik („Die Möwe Jonathan"). Den Cecil-B.-<br />

DeMille-Award fürs Lebenswerk erhält Bette Davis. *** Am 2.4., ebenfalls<br />

in Los Angeles (Dorothy Chandler Pavilion), werden die Oscars von<br />

den Moderatoren Burt Reynolds, David Niven, John Huston und Soul-<br />

Sängerin Diana Ross überreicht. Für „Der Clou" (bester Film) erhalten<br />

auch Regisseur George Roy Hill und die Kostümbildnerin Edith Head die<br />

Statue. Zu den weiteren Siegern gehören Jack Lemmon („Save The Tiger"),<br />

Glenda Jackson („Mann, bist Du Klasse!"), Tatum O'Neal („Paper Moon").<br />

Ehren-Oscar für Groucho Marx. *** Im März kommt der wohl populärste<br />

DDR-Spielfilm in die Kinos, Die Legende von Paul und Paula"<br />

"<br />

mit Wilfried Glatzeder und<br />

Angelica Domröse. *** In der<br />

BRD starten neue, nachhaltige<br />

Arbeiten von Regisseuren<br />

des „Neuen Deutschen Films",<br />

darunter Angst essen<br />

"<br />

Seele auf" (Rainer Werner<br />

Wilfried Glatzeder &<br />

Fassbinder), „Jeder für sich<br />

Angelica Domröse<br />

und Gott gegen alle" (Werner<br />

Herzog), „Alice in den Städten" (Wim Wenders) und „Chapeau Claque"<br />

(Ulrich Sch<strong>am</strong>oni). *** Das neue Sensurround-Tonverfahren erlebt seine<br />

Premiere. Im Thriller „Erdbeben" ist es dermaßen prägnant, dass<br />

Kinobesitzer ihre Besucher vor dem Betreten der Lichtspielhäuser warnen.<br />

Ein weiterer Katastrophen-Hit des <strong>Jahre</strong>s ist Fl<strong>am</strong>mendes Inferno"<br />

"<br />

mit Steve McQueen, Paul Newman und Faye Dunaway. *** Am 4.11.<br />

unterzeichnen die Filmförderungsanstalt sowie die Intendanten von<br />

ARD und ZDF das für fünf <strong>Jahre</strong> gültige Film-Fernsehabkommen: Es<br />

soll das Nebeneinander der Medien mit Vorteilen für beide Seiten (u.a.<br />

Laufzeitschutz, Finanzierungen) regulieren. *** Den Deutschen Filmpreis<br />

erhält „Der Fußgänger" von Maximilian Schell. Beste Darsteller: Brigitte<br />

Mira („Angst essen Seele auf") und Walter Kohut in „Supermarkt", für<br />

den außerdem Regisseur Roland Klick ausgezeichnet wird. Die Musik<br />

schrieb Peter Hesslein (German Bonds), das Lied "Celebration" singt<br />

ein noch weitgehend Unbekannter mit dem Künstlern<strong>am</strong>en Marius<br />

West. *** Die Otto-Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze der<br />

Zeitschrift „Bravo" gehen an Uschi Glas, Jane Seymour und Ali MacGraw<br />

sowie an Jan-Michael Vincent, Roger Moore und Terence Hill. ***<br />

Eine Flut guter und erfolreicher Streifen kommt<br />

in diesem Jahr in die Kinos: „Chinatown" (Roman<br />

Polanski; Jack Nicholson), „Der weiße Hai" (Steven<br />

Spielberg; Roy Scheider, Richard Dreyfuss), „Alice lebt<br />

hier nicht mehr" (Martin Scorsese; Ellen Burstyn,<br />

Kris Kristofferson, Jodie Foster), „Trio Infernal"<br />

(Michel Piccoli, Romy Schneider, Mascha Gonska),<br />

Die Akte O.D.E.S.S.A." (Jon Voight, Maria<br />

"<br />

Schell), „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia"<br />

(S<strong>am</strong> Peckinpah, Warren Oates). Bis heute, u.a.<br />

mit unzähligen Wiederholungen im Fernsehen, ein<br />

Hochspannungsklassiker: „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3"<br />

mit Walter Matthau und Robert Shaw. Umstritten wegen des Themas<br />

Selbstjustiz, aber beim Publikum beliebt: „Ein Mann sieht rot" mit Charles<br />

Bronson. Eine seiner besten von so vielen starken Komödien liefert Billy<br />

Wilder ab, „Extrablatt". In der Geschichte zweier Reporter brilliert einmal<br />

mehr das Traumpaar Walter Matthau und Jack Lemmon. Mit dabei:<br />

Susan Sarandon. *** Einen Klassiker liefert Sidney Lumet ab, „Mord im<br />

Orient-Express" nach dem Kriminalroman von Agatha Christie. Zum überragenden<br />

Allstar-Aufgebot gehören u.a. Albert Finney, Ingrid Bergman,<br />

Sean Connery, Vanessa Redgrave, Anthony Perkins, Lauren Bacall und<br />

Richard Widmark. *** Von der Bühne treten 1974 ab: Produzent S<strong>am</strong>uel<br />

Goldwyn (Metro-Goldwyn-Mayer/MGM;<br />

1974<br />

31.1.), Walter Brennan (21.9.),<br />

Schauspieler und Regisseur Vittorio De Sica (13.11.), Ursula Herking<br />

(17.11.). ***<br />

MUSIK<br />

„Tagesschau"-Sprecher Werner Veigel kommentiert in der ARD <strong>am</strong><br />

6.4. den Grand Prix aus Brighton/England. Das schwedische Quartett<br />

Abba landet mit "Waterloo" den Sieg, eine Weltkarriere ungeahnten<br />

Ausmaßes beginnt. Auf den Plätzen 2 und 3 landen Gigliola Cinquetti<br />

(Italien; "Si") und Mouth & MacNeal aus den Niederlanden ("I See A<br />

Star"). Für die BRD belegen Cindy & Bert mit<br />

"Die Sommermelodie" Rang 14 bei lediglich 17<br />

Teilnehmern. Frankreich hatte seine Teilnahme<br />

wegen des Todes von Staatspräsident George<br />

Pompidou <strong>am</strong> 2.4. kurzfristig abgesagt.***<br />

Kommerziell, musikalisch eher schlicht, dafür<br />

aber bunt bleibt es auch in der etwas kräftigeren<br />

Abteilung: Gl<strong>am</strong>-Rocker, Disco-Sound und<br />

Euro-Pop dominieren: die super-erfolgreichen<br />

Rubettes und Gary Glitter, Carl Douglas ("Kung Fu Fighting") und<br />

George McCrae ("Rock Your Baby"), David Essex, Terry Jacks ("Seasons<br />

Seite 30 ■ GoodTimes 1/2015


© Pressefotos<br />

In The Sun") und ein Heer von Gleichgesinnten und Gleichgeschalteten<br />

belagern Charts und einschlägige TV-Shows: Es ist die ultimative<br />

Hoch-Zeit für Single-Hits. *** Folge: In den LP-Hitlisten tummelt<br />

sich monatelang die ges<strong>am</strong>melte, fast seuchenartige<br />

Dumpfbackigkeit à la 20 TOP-HITS<br />

ORIGINAL und (!) 20 ORIGINAL TOP-HITS,<br />

MUSIC POWER, 20 POWER HITS, 20 TOP-<br />

HITS, 40 GOLDEN HITS, 20 ROCK'N'ROLL<br />

GREATS und vergleichbare Einfallslosigkeit. ***<br />

Selbst renommierte Rockacts von Deep Purple<br />

(BURN) über Genesis, Elton John und Golden<br />

Earring bis Roxy Music (COUNTRY LIFE) und<br />

viele Prog-Rocker müssen sich strecken. Starke Longplayer gelingen<br />

Neil Young (ON THE BEACH), Eric Clapton (461 OCEAN BOULEVARD),<br />

Van Morrison (VEEDON FLEECE),<br />

Robin Trower (BRIDGE OF SIGHS) und<br />

Tom Waits (THE HEART OF SATURDAY<br />

NIGHT). *** In den USA – in Europa<br />

noch eher unbemerkt – kommt<br />

Bewegung aus dem Untergrund:<br />

Unbequemere, zupackende Interpreten<br />

Van Morrison<br />

wie die R<strong>am</strong>ones, Modern Lovers und<br />

Patti Smith machen langs<strong>am</strong> gegen den grassierenden Einheitsbrei<br />

mobil. In und um London retten sich viele „Unerwünschte" zwecks<br />

künstlerischen Überlebens in den Pub-Rock, einen (aggressionslosen)<br />

Vorläufer des Punk. *** In den deutschen Hitlisten hält sich der Schlager<br />

weiterhin gegen alle Moden wacker: Ausdauernde Stars wie Vicky<br />

Leandros ("Theo, wir fahr'n nach Lodz"), Michael Holm ("Tränen<br />

lügen nicht"), Chris Roberts ("Du kannst nicht immer siebzehn sein")<br />

behalten ihr Publikum. *** Liedermacher Gunter Gabriel trifft mit "Hey,<br />

Boss, ich brauch mehr Geld" ebenso einen<br />

Nerv vieler Hörer wie Außenminister Walter<br />

Scheel mit "Hoch auf dem gelben Wagen".<br />

*** Das AUTOBAHN-Album von Kraftwerk<br />

schafft es sogar in viele internationale Charts<br />

– es zeigt einen anderen Aspekt von Musik aus<br />

Deutschland. *** Geboren werden in diesem Jahr<br />

Rapperin Sabrina Setlur (10.1.), Robbie Willi<strong>am</strong>s<br />

(13.2.), Alanis Morisette (1.6.) und Ryan Ad<strong>am</strong>s<br />

(5.11.). (511) Die Bühne verlassen Country-Koryphäe Tex Ritter (2.1.), Organist<br />

Grah<strong>am</strong> Bond stürzt sich <strong>am</strong> 7.3. vor eine einfahrende U-Bahn in<br />

London, auch der melancholisch-depressive Singer/Songwriter Nick<br />

Drake nimmt sich <strong>am</strong> 25.11. das Leben; der letzte Vorhang fällt außerdem<br />

für die Blues-Altmeister Arthur<br />

Crudup (28.3.) und Lightnin' Slim<br />

(27.7.) sowie die gefeierte Jazzlegende<br />

Duke Ellington (24.5.) und die deutsche<br />

Schlagersängerin Gitta Lind (alias<br />

Rita Gracher; 9.11.). Cass Elliott (The Cass<br />

Elliott<br />

M<strong>am</strong>as & The Papas) stirbt <strong>am</strong> 29.7.<br />

in einem Londoner Hotelzimmer an einem Herzinfarkt als Folge einer<br />

medizinisch unkontrollierten Powerdiät (ein angeblich gierig verschlucktes<br />

Schinken-Sandwich als Todesursache ist ein lanciertes Boulevard-<br />

Märchen). ***<br />

1974<br />

VERMISCHTES<br />

Nahe der Stadt Xi'an (Provinz Shaanxi) in China entdeckt im März<br />

ein Bauer bei Wassergrabungen die erste Terrakotta-Armee. Die<br />

Tonsoldaten entstanden ungefähr<br />

200 v. Chr. *** Ritter,<br />

Indianer, Bauarbeiter: Die ersten<br />

Terrakotta-Armee<br />

Playmobil-Figuren, erdacht<br />

vom Chefentwickler Hans Beck,<br />

kommen auf den Markt. *** Der<br />

Schriftsteller und Systemkritiker<br />

Alexander Solschenizyn wird<br />

<strong>am</strong> 13.2. aus der Sowjetunion ausgewiesen. Ende Mai folgt ihm der<br />

weltberühmte Cellist Mstislaw Rostropowitsch. *** Beim Mineralölkonzern<br />

Esso wird der seit 1959 verwendete Werbeslogan „Pack den Tiger in den<br />

Tank" eingemottet. Neu: "<br />

Es gibt viel zu tun. Packen wir's an!" ***<br />

Im April verwüstet der „Super Outbreak" mit 148 gezählten Wirbelstürmen<br />

13 US-Bundesstaaten: 315 Tote und mehr als <strong>50</strong>00 Verletzte sind<br />

Playmobil-Figuren<br />

zu beklagen. *** Noch viel schlimmer<br />

erwischt es die chinesischen<br />

Provinzen Sichuan und Yunnan. Ein<br />

verheerendes Erdbeben kostet rund<br />

20.000 Menschen das Leben. *** Zu<br />

den wichtigsten Büchern des <strong>Jahre</strong>s<br />

gehören „All The President's Men"<br />

(Carl Bernstein/Bob Woodward),<br />

Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (Heinrich Böll), „Der<br />

"<br />

Archipel Gulag" von Alexander Solschenizyn und „Carrie", der Roman-<br />

Erstling von Stephen King. *** Das <strong>am</strong>erikanische Pop-Erfolgsduo Sonny<br />

& Cher lässt sich scheiden. *** Auf dem Oktoberfest in München sind für<br />

eine Maß Bier maximal 3,<strong>50</strong> D-Mark zu bezahlen (2013: 9,85 Euro =<br />

ca. 19,70 D-Mark). *** Das Modell Golf I geht bei VW in Serienfertigung.<br />

*** In Japan wird ein Kleinstaubsauger für Krümel, Fusseln und Asche<br />

entwickelt. Das 280 Gr<strong>am</strong>m leichte und handkleine Gerät ist für nur 19<br />

D-Mark auch in Deutschland zu erwerben. *** Wie in jedem Jahr werden<br />

in der BRD die beliebtesten Vorn<strong>am</strong>en für Mädchen und Jungen<br />

ermittelt: Es sind Nicole, Stefanie und Tanja sowie Christian, Stefan und<br />

Andreas. *** Luftfahrt-Katastrophe auf dem Pariser Flughafen Orly: Eine<br />

McDonnell Douglas DC-10 der Turkish Airlines stürzt ab – 346 Todesopfer.<br />

*** In West-Berlin findet das erste Lesben-<br />

Pfingsttreffen statt. *** In der DDR erhalten<br />

Arbeiter jetzt 18 statt 15 Tage gesetzlichen<br />

<strong>Jahre</strong>surlaub; für Schichtarbeiter sind es<br />

21 Tage. *** Justiz auf dem Bildschirm: Das<br />

ZDF startet die dokumentarischen Reihen<br />

„Ehen vor Gericht" und „Wie würden<br />

Sie entscheiden?" *** Minikleider, Overalls,<br />

Zottelmäntel und Strickmode sind angesagt. Auch bei den Herren tut<br />

sich einiges: Schlaghosen übernehmen Besenfunktion, schrill-bunte<br />

Krawatten erinnern bisweilen an mittelgroße Tischdecken. Und zur Fön-<br />

Dauerwelle trägt „er" jetzt gern Busch-Koteletten bis zur Kiefergrenze.<br />

*** Einschränkung für viele Urlauber, speziell aus der BRD: Anfang<br />

August wird für eines ihrer Lieblingsziele, den Gardasee, ein generelles<br />

Badeverbot wegen verschmutzten Wassers verhängt. *** Ein Erdbeben<br />

in Peru macht <strong>am</strong> 3.10. über 70.000 Menschen obdachlos, <strong>am</strong> 18.9.<br />

sterben in Honduras 10.000 Einwohner während des Wirbelsturms<br />

„Fifi". *** Der Berliner Journalist Bernt Engelmann sorgt für heftige<br />

Diskussionen – er veröffentlicht „Wir Untertanen", ein kritisches „Anti-<br />

Geschichtsbuch". *** Die Weinernte fällt in vielen Anbaugebieten miserabel<br />

aus, die Qualität weiter Teile der Endprodukte ist nicht für lange<br />

Lagerung geeignet. *** Am 15.3. wird in der BRD das wegen der Ölkrise<br />

angeordnete Tempolimit von 100 km/h (auch auf Autobahnen) aufgehoben.<br />

Es gilt jetzt eine (empfohlene) Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.<br />

*** Am 7.2. erlangt Grenada die Unabhängigkeit von Großbritannien. ***<br />

„Guernica", eines der berühmtesten Gemälde<br />

von Pablo Picasso, wird im New Yorker<br />

Museum Of Modern Art mit Texten besprüht.<br />

*** In einer großen Werbek<strong>am</strong>pagne wird für<br />

das Anlegen der Dreipunkt-Sicherheitsgurte<br />

im Auto geworben. Motto: „Erst gurten, dann<br />

starten." *** Geburten: die späteren Models<br />

Kate Moss (16.1.) und Eva Mendes (5.3.);<br />

der schlagzeilenträchtige IT-Unternehmer Kim<br />

Erich<br />

Dotcom, geb. Schmitz (21.1.); Schauspielerin<br />

Kästner<br />

Sandra Borgmann (25.4.); US-TV-Moderator<br />

und Musikerparodist Jimmy Fallon (19.9.)<br />

*** Todesfälle 1974: der argentinische<br />

Staatspräsident Juan Perón (1.7.); Schriftsteller<br />

Erich Kästner (29.7.); der <strong>am</strong>erikanische<br />

Pilot Charles Lindbergh (26.8.); der sudetendeutsche<br />

Industrielle Oskar Schindler, der<br />

während des Zweiten Weltkriegs über 1200<br />

seiner jüdischen Arbeiter vor dem Zugriff des<br />

Nazi-Gesindels und d<strong>am</strong>it vor dem sicheren<br />

Tod rettete (9.10.); UN-Generalsekretär Sithu<br />

U Thant (25.11.) ***<br />

Oskar<br />

Schindler<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 31


Die <strong>kult</strong>igsten Facebook- & Internetseiten<br />

Sind wir nicht alle ein<br />

bisschen ...<br />

Anfang 2014 hatten wir uns dazu entschlossen, eine<br />

eigene Facebook-Seite von <strong>kult</strong>! ins Leben zu rufen.<br />

Wie so oft im Leben gibt es auch hierzu geteilte e<br />

Ansichten, ob ein Magazin wie <strong>kult</strong>! zu einem Medium<br />

wie Facebook passt oder nicht. Auf jeden Fall bietet t<br />

es aber eine weitere interessante Möglichkeit, sich mit<br />

uns in Verbindung zu setzen oder sich mit anderen n<br />

Lesern auszutauschen.<br />

<strong>kult</strong>!?<br />

Von Sven Rachner<br />

Kurz vor dieser Ausgabe hatte unsere e<br />

<strong>kult</strong>!-Seite bei Facebook knapp 3<strong>50</strong> Fans,<br />

die Fragen stellen, Postings kommentieren n<br />

und sich mit anderen Lesern austauschen. Und<br />

natürlich bek<strong>am</strong>en wir auch Hinweise auf andere <strong>kult</strong>ige<br />

Facebook- oder Internetseiten. Grund genug, um uns mal<br />

etwas genauer umzuschauen. Und in der Tat gibt es unzählige<br />

Seiten, die sich mit den verschiedensten Kult-Themen<br />

beschäftigen. Wir möchten daher einen Überblick über verschiedene<br />

Facebook- und Internetseiten geben, welche wir<br />

<strong>kult</strong>! finden.<br />

Die verschiedenen <strong>kult</strong>!-Themen stellen ein nahezu<br />

unerschöpfliches Themengebiet dar. Das zeigt sich<br />

auch beim Betrachten der Seiten. So sind die Inhalte teilweise ganz<br />

allgemein gehalten oder eben auch auf bestimmte Schwerpunkte<br />

konzentriert. Wir sehen die hier vorgestellten Seiten nicht als<br />

Konkurrenz zu <strong>kult</strong>! an, sondern vielmehr als Teil der großen „Kult-<br />

F<strong>am</strong>ilie". Denn schließlich liegt uns allen mehr oder weniger das<br />

Gleiche <strong>am</strong> Herzen: die Erinnerungen an teilweise längst vergangene<br />

Zeiten.<br />

Neben den N<strong>am</strong>en der entsprechenden Seiten erhalten Sie in<br />

den nebenstehenden Infoboxen auch die entsprechenden URL-<br />

Adressen der Facebook- und/oder Internetseiten. Und dazu<br />

die jeweiligen QR-Codes für ein schnelleres Aufrufen<br />

der Seiten über Smartphone oder Tablet.<br />

Die jeweiligen Seitenbetreiber freuen sich – ebenso<br />

wie wir – über Rückmeldungen, Anregungen,<br />

Postings oder <strong>kult</strong>!-ige Fotos. Und bei Fragen – oder<br />

Themenvorschlägen für eine der nächsten Ausgaben –<br />

kann man sich selbstverständlich gerne direkt an uns<br />

wenden, natürlich auch über unsere Facebook-Seite.<br />

In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern viel Spaß<br />

beim „Fremdgehen" ...<br />

<strong>kult</strong>!<br />

www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />

Seite 32 ■ GoodTimes 1/2015


Erinnerst Du Dich?<br />

Kategorien:<br />

▪ Spielzeug<br />

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▪ Fernsehen der 70er und 80er <strong>Jahre</strong><br />

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Einen Groschen für die Musikbox<br />

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RetroFieber60er70er<br />

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Facebook & Internet<br />

www.retrofi eber.blogsport.de<br />

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Die 80er! Wisst ihr noch?<br />

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▪ alles rund um die 80er <strong>Jahre</strong><br />

www.facebook.com/wisst.ihr.noch.80er<br />

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Facebook<br />

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Kategorien:<br />

▪ rund um den Lebensstil<br />

der 80er <strong>Jahre</strong><br />

www.achtziger.de<br />

Die Siebziger - Erinnerungen an die Kindheit<br />

Kategorien:<br />

▪ die 70er <strong>Jahre</strong> in allen Bereichen<br />

Besondere Kategorie:<br />

▪ Kinder der 70er<br />

www.diesiebziger.net<br />

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Internet<br />

Internet<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 33


Von Philipp Roser<br />

Heiße Open Airs<br />

auf der Loreley<br />

Der WDR-<br />

<strong>Rockpalast</strong>"? Klar, die 17 live<br />

via Eurovision "<br />

übertragenen Rocknächte<br />

haben längst Kult-Charakter. Von 1977 bis<br />

1986 gingen sie in der Essener Grugahalle<br />

über die Bühne, begründeten die Karrieren<br />

von US-Bands wie Little Feat, ZZ Top,<br />

Mother's Finest oder auch von Bryan<br />

Ad<strong>am</strong>s in Europa, verhalfen Mitch Ryder<br />

oder Roger McGuinn zu Comebacks und<br />

riefen Acts wie Rory Gallagher, Grateful<br />

Dead oder The Who (wieder) verstärkt<br />

ins öffentliche Bewusstsein.<br />

Darüber hinaus gab<br />

es zwischen 1982<br />

und 1985 aber auch<br />

eine ebenfalls über den<br />

Äther geschickte Sommer-<br />

Festivalreihe unter dem<br />

„<strong>Rockpalast</strong>"-Logo, die<br />

vor der malerischen Rhein-<br />

Kulisse auf der Freiluftbühne<br />

Loreley veranstaltet wurde<br />

und mehrfach für Furore<br />

sorgte: Sei es durch einen<br />

Tiger, der während Steve<br />

Millers Gastspiel 1983 in<br />

einem Käfig auf die Bühne<br />

herabgelassen wurde, sei es durch die „Socken-Nummer",<br />

als die Red Hot Chili Peppers 1985 bei ihrem ersten Europa-<br />

Besuch nur mit eben diesen bekleidet abrockten, sei es durch<br />

jene denkwürdige J<strong>am</strong>session 1982, als Rory Gallagher, David<br />

Lindley, Eric Burdon und Bap <strong>am</strong> Ende improvisierten.<br />

Als „Test Open Air" firmiert die Veranstaltung vom 29.<br />

August 1981 inzwischen im „<strong>Rockpalast</strong>"-Archiv, die zwar<br />

nicht live gesendet wurde, aber aus heutiger Sicht ein durchaus<br />

respektables Line-Up bot: Die d<strong>am</strong>als schwer angesagten<br />

britischen Pub-Rocker Nine Below Zero heizten dem Publikum<br />

kräftig ein, ehe es dann Southern Rock von 38 Special sowie den<br />

Outlaws gab und Thin Lizzy die Veranstaltung mit ihrem Set beschlossen.<br />

Tags darauf zauberten – ebenfalls ohne TV-Übertragung – die<br />

Gitarrenvirtuosen John McLaughlin, Al Di Meola und der jüngst verstorbene<br />

Paco de Lucía. 6000 Zuschauer<br />

waren an jenem Wochenende zu dem<br />

weltberühmten Rheinfelsen gepilgert.<br />

„Wir hatten ausprobiert, ob wir diesen<br />

Veranstaltungsort technisch, organisatorisch<br />

und finanziell bewältigen konnten<br />

– das Ergebnis war ermutigend", ist heute<br />

auf der „<strong>Rockpalast</strong>"-Homepage als Fazit<br />

zu lesen.<br />

Das erste offizielle<br />

„Loreley<br />

Festival" <strong>am</strong> 28.<br />

August 1982 legte<br />

dann die Messlatte<br />

schon einmal recht<br />

hoch: Frankie<br />

Miller hatte zum<br />

Auftakt eingeheizt,<br />

nach seinem<br />

Auftritt auf<br />

die Schnelle zwei<br />

Flaschen Rotwein<br />

in sich hineingeschüttet,<br />

weshalb<br />

der Pressebegleiter seiner d<strong>am</strong>aligen Plattenfirma EMI die eng getakteten<br />

Interviews auf dem Gelände abbrach, um weiteren Lall- oder medialen<br />

Kollateralschaden zu verhindern – der Autor hatte übrigens Glück,<br />

Seite 34 ■ GoodTimes 1/2015


er war der Letzte, der noch an die Reihe k<strong>am</strong>, auch<br />

wenn er den Auftritt des eigens aus Los Angeles<br />

eingeflogenen Eric Burdon so verpasste.<br />

Ganz eigene Erinnerungen an jenen Tag<br />

hoch über dem Rhein hat wiederum Klaus<br />

„Major" Heuser. „Wir hatten vorher schon für<br />

den ‚<strong>Rockpalast</strong>’ in der Musikhalle in H<strong>am</strong>burg<br />

gespielt. Für uns war der Auftritt auf der Loreley<br />

insofern sehr aufregend, weil wir vorher die Platte<br />

'Vun drinne noh drusse' aufgenommen hatten.<br />

Wolfgang Niedecken war d<strong>am</strong>als mit<br />

seiner Frau in den Urlaub gefahren,<br />

als der Gesang fertig war. Er<br />

hatte die fertige Platte eigentlich gar<br />

nicht gehört. Wir spielten die neuen<br />

Stücke auf der Loreley das erste Mal<br />

live. Dafür, dass wir nicht besonders<br />

gut vorbereitet waren, kaum<br />

geprobt hatten, klappte es jedoch<br />

supergut. Aber die Anspannung war<br />

natürlich schon sehr, sehr groß",<br />

verrät Heuser rückblickend im <strong>kult</strong>!-<br />

Interview. Besonders intensiv ist<br />

seine Erinnerung an die J<strong>am</strong>session<br />

<strong>am</strong> Ende des Abends: „Wenn man<br />

aus dem beschaulichen Leverkusen<br />

Frankie Miller &<br />

kommt, als kleiner Junge immer<br />

Alan Bangs<br />

Rory-Gallagher-Platten gehört hat<br />

und dann plötzlich neben ihm auf der Bühne steht, ist das unvergesslich,<br />

dann ist das wie ein Traum, den du im ersten Moment gar<br />

nicht realisierst. Das war für mich schon ein relativ großer Schritt<br />

in meinem Leben. Ich will ja keinem zu nahe treten, aber ein paar<br />

Leute hatten schon ganz gut ins Glas geschaut. Eric Burdon hatte<br />

schon den einen oder anderen Schluck genommen ..."<br />

Das ZDF hatte angesichts des Erfolgs von „<strong>Rockpalast</strong>"<br />

1978 seine eigene Sendereihe „Rockpop In Concert"<br />

gestartet (live aufgezeichnet, aber zeitversetzt und „bereinigt"<br />

gesendet). Die Loreley-Open-Airs wiederum waren<br />

laut „<strong>Rockpalast</strong>"-Macher Peter Rüchel als Antwort auf<br />

das ZDF kreiert worden. „Ich hatte schon Ende der 70er<br />

<strong>Jahre</strong> gedacht: Da setzen wir jetzt etwas dagegen! Was<br />

wir dagegensetzen wollten, war ein Open-Air-Festival.<br />

Und da lag dann die Loreley als sehr schöner Platz nahe,<br />

dieses Amphitheater auf dem Felsen, darum herum<br />

Weinberge, Schlösser, Burgen und dergleichen. Der Platz<br />

hatte seine eigene Magie. Ich schlug dann dem<br />

Killing<br />

Joke<br />

WDR-Sendeleiter vor, das im Dritten Progr<strong>am</strong>m<br />

zu machen, einen ganzen Sendetag lang. Der<br />

Sendetag ging d<strong>am</strong>als von 16 bis 24 Uhr. Da<br />

wurde zuerst gesagt: ‚Das geht doch nicht',<br />

aber irgendwo ging im WDR alles, was eine<br />

gute Idee war."<br />

Auf der Loreley – jeweils an einem<br />

August-S<strong>am</strong>stag ab 16 Uhr in allen Dritten<br />

bis Mitternacht übertragen – waren vielerlei<br />

Überraschungen möglich, wie etwa die schon<br />

erwähnte „Socken-Nummer" der Red Hot Chili<br />

Peppers. Natürlich gab es daraufhin reichlich<br />

Zuschauer- und Politikerproteste, doch innerhalb<br />

des WDR wie meist keine Konsequenzen. Dies wohl auch<br />

deshalb, weil Rüchel d<strong>am</strong>als nicht verriet, was er heute mit über<br />

30 <strong>Jahre</strong>n Abstand einräumt: Er wusste bereits von US-Shows<br />

der d<strong>am</strong>aligen Newcomer, dass sie diese schlagzeilenträchtige<br />

Aktion im regulären Set hatten!<br />

„Das Hauptauswahlkriterium ist wie immer die musikalische<br />

Qualität, ohne Schielen auf die Hitparaden – und der Blick aufs<br />

Publikum mit 11.000, 12.000 Besuchern zeigt, dass das Festival<br />

hinreichendes Interesse findet", bekannte Peter Rüchel dem Autor<br />

1984 auf der Loreley. Überhaupt waren Interviews d<strong>am</strong>als schon<br />

wichtig – gerade auch für den „Musikjournalisten-Anfänger"<br />

Bap<br />

wie ich einer war. Dafür nahm ich es<br />

auch in Kauf, 1982 frühmorgens von<br />

Nürnberg aufzubrechen, um <strong>am</strong> frühen<br />

Nachmittag in Lahnstein in der Nähe<br />

der Loreley mit Rory Gallagher reden<br />

zu können – und es bleibt für immer<br />

präsent wie freundlich, zuvorkommend<br />

und geduldig der Kult-Gitarrist das<br />

Rory Gallagher und „Schreiber-Greenhorn" behandelte. Und<br />

der Autor 1982 beim das trotz der nicht gerade optimalen<br />

Umstände, die der verantwortli-<br />

Interview vor dem Gig<br />

che WDR-Redakteur Rüchel im <strong>kult</strong>!-<br />

Interview so beschreibt: „Rory k<strong>am</strong> erst <strong>am</strong> Tag der Sendung, hatte<br />

<strong>am</strong> Abend vorher in Montreux noch gej<strong>am</strong>mt und spielte wie ein<br />

Berserker." Gallagher selbst schilderte dem Autor diesen Tag so: „Wir<br />

k<strong>am</strong>en erst kurz vor dem Gig an, absolvierten einen schnellen und<br />

kurzen Soundcheck, und bang, ging es los. Es war für uns zu der<br />

Zeit ein guter Boost, es war einfach prickelnd, live vor vielen Leuten<br />

zu spielen – es war eine elektrisch geladene Atmosphäre, zermürbend,<br />

nervenaufreibend, aber ich habe es genossen!"<br />

George Clinton<br />

Ebenso einmalig war die Begegnung mit<br />

dem seinerzeit sehr angesagten Parli<strong>am</strong>ent/<br />

Funkadelic-Mastermind George Clinton<br />

1985: Da war kaum ein Wort des nuschelnden,<br />

Slang redenden Sängers zu verstehen<br />

– und die Hoffnung, die Cassetten-<br />

Recorder-Aufzeichnung möge hinterher<br />

Aufklärung liefern, blieb unerfüllt. Selbst<br />

englische und <strong>am</strong>erikanische Freunde konnten<br />

das Gebrabbel Clintons kaum identifizieren.<br />

Die daraus resultierenden Artikel für<br />

diverse Musikmagazine basierten eher auf<br />

Vermutungen, was der aus North Carolina<br />

st<strong>am</strong>mende Musiker gesagt haben könnte,<br />

denn auf wirklich Verstandenem.<br />

Unvergesslich bleibt ebenfalls<br />

das erste Treffen mit den<br />

d<strong>am</strong>als noch völlig unbekannten<br />

Clinton-Protegés Red Hot Chili<br />

Peppers, für die die Loreley ein<br />

wichtiges Karrieresprungbrett war.<br />

D<strong>am</strong>als waren gerade die kleinen<br />

Milchdöschen in Mode gekommen,<br />

die in Cafés und Restaurants<br />

zum Kaffee gereicht wurden. Die<br />

Chili Peppers entwickelten eine<br />

geradezu kindliche Freude daran,<br />

diese Döschen aufzuschnippen und ihren<br />

Inhalt über den Tisch zu verspritzen – mein als<br />

Aufzeichnungsgerät dienender Cassetten-Recorder<br />

bek<strong>am</strong> einige Milchspritzer ab und gab daraufhin<br />

seinen Geist auf ...<br />

Für immer im Gedächtnis aber auch die<br />

nicht immer problemlose eigene Anreise: Am<br />

20. August 1983 gab bei Tempo 140 auf der<br />

Autobahnüberholspur plötzlich der Motor seinen<br />

Geist auf, doch mit durchgetretener Kupplung<br />

gelang es mir noch, die Spur<br />

zu wechseln und genau auf<br />

einem Parkplatz auszurollen.<br />

Der zu Hilfe gerufene ADAC-<br />

Engel (dem Verein musste man<br />

Bono<br />

von<br />

U2<br />

vor Ort noch beitreten) hatte<br />

zum Glück das nötige Ersatzteil<br />

für den Audi 80 zufällig und<br />

ausnahmsweise dabei, so dass<br />

ich den U2-Auftritt nicht verpasste.<br />

„Ich kann mich an nur<br />

wenige meiner Shows konkret<br />

erinnern, aber der auf<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 35


der Loreley hat sich<br />

in meinem Gedächtnis<br />

eingebrannt",<br />

gestand der Musiker<br />

Dave Edmunds dem<br />

Autor erst vor wenigen<br />

Wochen. „Zum<br />

einen, weil U2 d<strong>am</strong>als<br />

noch <strong>am</strong> Anfang ihrer<br />

Paul<br />

Brady<br />

Weltkarriere standen<br />

und früh als Opener auf die Bühne gingen – und dann waren ja<br />

auch noch meine Freunde von den Stray Cats mit dabei, ebenso<br />

Steve Miller, der zu der Zeit auf dem Höhepunkt seiner Karriere war."<br />

Und da ist natürlich die Erinnerung an die Rückfahrt von der<br />

Loreley 1984, als Progr<strong>am</strong>mmacher Rüchel einige aufstrebende,<br />

vielversprechende Acts präsentierte wie Greg Kihn, der kurz zuvor<br />

mit "Jeopardy" einen Welthit gelandet hatte, oder den irischen<br />

Singer/Songwriter Paul Brady; Stevie Ray Vaughan zündete sein<br />

texanisch getränktes Blues-Rock-Feuerwerk auf der Stratocaster, ehe<br />

The Alarm ihren keltisch-folkig angehauchten Rock-Charme entfalteten.<br />

Danach sagte Rüchel Little Steven & The<br />

Disciples Of Soul an. Den jahrelang angebaggerten<br />

Bruce Springsteen konnte er zwar nie in den<br />

„<strong>Rockpalast</strong>" locken, aber 1984 hatte er immerhin<br />

den auf Solopfaden wandelnden Gitarristen der E<br />

Street Band an Land und auf die Bühne gezogen<br />

– zum zweiten Mal, nachdem Steven van Zandt<br />

& Co. knapp zwei <strong>Jahre</strong> zuvor in der Essener<br />

Grugahalle ihr erstes offizielles Konzert im Rahmen<br />

des „<strong>Rockpalast</strong>" gegeben hatten. Die auf der<br />

Loreley entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos erfuhren<br />

ihre Umwandlung vom Film zum Negativ<br />

übrigens bereits während der Heimfahrt:<br />

Während der Autor die Ente gen Süden lenkte,<br />

saß sein jüngere Bruder im leergeräumten<br />

Fond an einer Blechwanne und entwickelte<br />

die Negative – die Chemikalien der Fotodose<br />

wurden während der Fahrt aus dem Fenster<br />

entsorgt, so dass die blaue Ente tags darauf<br />

<strong>am</strong> rechten Heckflügel weiß eingefärbt war<br />

... Aber die Fotos mussten eben s<strong>am</strong>t<br />

Festivalbericht bereits tags darauf bis Mittag<br />

bei der d<strong>am</strong>als noch schwarz-weiß druckenden<br />

Heimatzeitung sein. Schließlich hatte<br />

der WDR in jenen <strong>Jahre</strong>n darauf bestanden, dass man<br />

als Berichterstatter sowohl für eine Vorab-Story als auch<br />

eine resümierende Geschichte sorgte. Andernfalls hätte es<br />

kein Presseticket mit Backstage-Pass gegeben. Übrigens:<br />

Da es d<strong>am</strong>als noch kein Fax gab, mussten Anfrage wie<br />

Belege noch per Brief auf den Postweg gebracht werden.<br />

Und zu berichten gab es 1984 einiges über das<br />

„Loreley Festival" – nicht nur über die Musik. Schließlich<br />

hatte es im Vorfeld kräftig gekracht. Die bis dahin auch<br />

auf der Loreley als Moderatoren tätigen Alan Bangs und<br />

Albrecht Metzger waren nicht mehr dabei, stattdessen<br />

moderierten Peter Rüchel (höchstpersönlich) sowie<br />

Stagemanager Ken Janz. Metzger hatte nach acht <strong>Jahre</strong>n<br />

„<strong>Rockpalast</strong>" bereits im Laufe des <strong>Jahre</strong>s 1983 seinen<br />

Peter<br />

Rüchel<br />

Steve<br />

Miller<br />

Abschied eingereicht. Bangs' Fehlen begründete Rüchel <strong>am</strong> Tag des<br />

Geschehens im Interview so: „Alan Bangs ist vorgestern ausgestiegen.<br />

Wir hatten eine gravierende Meinungsverschiedenheit darüber, wie<br />

ein Interview geführt werden sollte. Es ging dabei um Little Steven.<br />

Meine Meinung war, dass wir ja nun schon 2573 Mal gehört hätten,<br />

dass er der Gitarrist der E Street Band ist, und ich meinte, dass er<br />

eigene Credits hat, eine eigene Vergangenheit und Gegenwart, auf<br />

die man sich konzentrieren kann. Darüber haben wir uns maßlos in<br />

die Haare gekriegt, und dann werden eben die Kl<strong>am</strong>otten hingeschmissen.<br />

Wir haben uns gestern den ganzen Tag bemüht – mich<br />

eingeschlossen –, ihn dazu zu bewegen, seiner Pflicht zu genügen und<br />

nicht ein Riesente<strong>am</strong> sitzenzulassen – offenbar erfolglos. So muss das<br />

Little<br />

Steven<br />

Stevie<br />

Ray<br />

Vaughan<br />

Publikum mich ertragen. Einer musste es in die Hand nehmen,<br />

und dann macht's der Boss", sagte Rüchel an jenem<br />

S<strong>am</strong>stagnachmittag.<br />

Doch d<strong>am</strong>it nicht genug: Die als Bangs' Co-Moderatorin<br />

angekündigte Ruth Rockenschaub fehlte ebenfalls. Rüchel<br />

schilderte die Hintergründe dieser Personalie d<strong>am</strong>als so: „Man<br />

kann sich ja vorstellen, wenn solche Auseinandersetzungen<br />

im Te<strong>am</strong> in solchem Ausmaß stattfinden,<br />

entstehen eine ganze Menge Irritationen.<br />

Die müssen für sie (Ruth Rockenschaub), die<br />

ja vor ihrer ersten Eurovisions-Livesendung<br />

stand, doppelt irritierend gewirkt haben. Das<br />

ganze Theater hat auch dazu geführt, dass<br />

wir die Moderation nicht richtig proben und<br />

die Positionen mit ihr nicht genau einstudieren<br />

konnten. So hat sie etwas hilflos gesagt:<br />

‚Tut mir leid!'", bekannte der „<strong>Rockpalast</strong>"-<br />

Boss d<strong>am</strong>als. Und weiter: „Wir sind heute<br />

Morgen so voneinander geschieden, dass<br />

wir uns gegenseitig nichts vorzuwerfen<br />

haben. Ken Janz arbeitet seit Beginn der<br />

Loreley-Veranstaltungen als Stagemanager<br />

für uns, ist dafür zuständig, dass alles<br />

reibungslos läuft. Er macht selbst regelmäßig<br />

Hörfunksendungen rockmusikalischer Art, spricht<br />

perfekt englisch, was wir wegen der Interviews<br />

brauchen. Wir verstehen uns blendend, und so<br />

haben wir gesagt, dass wir die beste Kombination<br />

sind." Und es klappte so gut, dass Janz 1985<br />

wieder vor der K<strong>am</strong>era stand und gemeins<strong>am</strong> mit<br />

Evelyn Seibert moderierte.<br />

Da spielten dann Killing Joke, The<br />

Untouchables und The Blasters, deren<br />

Auftritte allerdings nicht live über die<br />

Bildschirme flimmerten. Je ein Song dieser<br />

Acts wurde während des Tages in den<br />

Umbaupausen eingespielt. Erst ab Chris<br />

Rea wurde live übertragen, so dass auch<br />

die Red Hot Chili Peppers und George<br />

Clinton mit seinem Gast Thomas Dolby im<br />

heimischen Wohnzimmer zu erleben waren,<br />

inklusive einer J<strong>am</strong>session: Mitglieder von<br />

Killing Joke, der Untouchables und der<br />

Peppers stimmten zus<strong>am</strong>men mit Clinton<br />

"Cosmic Slop II" an. Im Anschluss sendete<br />

der WDR einen Auftritt der neuformierten Deep<br />

Purple, den er <strong>am</strong> 9. Juli 1985 im Palais Omnisports<br />

Bercy in Paris aufgezeichnet hatte. D<strong>am</strong>it war das<br />

Kapitel Loreley für Rüchel und seine Mitstreiter erst<br />

einmal vorbei. Besucherzahlen und Einschaltquoten<br />

waren kontinuierlich gesunken, die ganz großen<br />

N<strong>am</strong>en fehlten auf den Besetzungslisten.<br />

Erst 1995 kehrte der „<strong>Rockpalast</strong>" wieder<br />

auf die Loreley zurück: George Thorogood &<br />

The Destroyers, Dave Matthews, A.J. Croce, Alt,<br />

Keziah Jones und Zucchero konnten<br />

den alten Flair ebenso wenig wieder<br />

heraufbeschwören wie im Jahr darauf<br />

die vergleichsweise jungen Acts Crown<br />

Of Thorns, Frank Black, Placebo, Pulp,<br />

Bad Religion, Heather Nova und die<br />

Headliner Iggy Pop sowie David Bowie<br />

oder tags darauf Molly Hatchet, Lynyrd<br />

Skynyrd, The Band, Nine Below Zero<br />

und die Muddy Waters Tribute Band.<br />

Was bleibt, sind unvergessliche<br />

Erinnerungen, tolle Shows und denkwürdige<br />

Begegnungen mit hochinteressanten<br />

Zeitgenossen aus der populären<br />

Musik ...<br />

Stray Cats<br />

Fotos: © Philipp Roser


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GoodTimes 1/2015 ■ Seite 37


HOMMAGE<br />

AN DEN<br />

WALKMAN<br />

Wie die<br />

Idee vom<br />

Musikhören<br />

unterwegs<br />

die Welt<br />

eroberte<br />

Doch für solche Fälle besitze ich seit über drei<br />

Jahrzehnten ein Allheilmittel, sozusagen mein<br />

ureigenes elektronisches Dop<strong>am</strong>in: Musik aus<br />

dem Walkman! Seit ich dieses Zaubergerät<br />

1979 als Teenager – wie Millionen andere –<br />

für mich entdeckte, hat es mich fasziniert.<br />

Und das tut es bis heute.<br />

Vor allem überzeugte mich die Idee<br />

dahinter: dass man vermittels dieser<br />

Erfindung jederzeit und überall auf diesem<br />

Planeten, zumindest sofern man sie<br />

mit funktionierenden Batterien gefüttert hat,<br />

exakt die Musik hören kann, die man hören<br />

möchte. Man stülpt sich, egal wo man ist, die<br />

Kopfhörer über, reguliert die Lautstärke, betätigt<br />

die Start-Taste – und katapultiert sich dank der Macht<br />

D e r<br />

allwöchentliche<br />

Einkauf im<br />

Supermarkt ist mir ein<br />

Graus. Längere Bus- und<br />

Bahnfahrten inmitten von hektisch<br />

telefonierenden oder laut kauenden<br />

Menschen halte ich ebenfalls<br />

für ein Übel der Moderne, dem ich<br />

jedoch nicht immer entkommen kann.<br />

Und auch Hotelzimmer, in denen<br />

weder TV noch Radio existieren<br />

– von denen ich nicht wenige<br />

bewohnt habe –, gestalten<br />

mein Dasein nicht<br />

angenehmer.<br />

herrlicher Klänge aus dem tristen Alltag. Genial,<br />

nicht wahr?! Dass der Walkman seinen Siegeszug<br />

speziell bei der jungen Generation antrat und<br />

zu einer Ikone der Pop<strong>kult</strong>ur wurde, liegt<br />

Soziologen und Medienwissenschaftlern<br />

zufolge vor allem daran, dass man mit<br />

dem kleinen Gerät die Welt um sich herum<br />

zur Kulisse eines Theaterstücks oder Films<br />

machen und sich der Realität mit all ihren<br />

Anforderungen für eine bestimmte Zeit<br />

entziehen kann. „Der Walkman machte es<br />

mit einem Mal möglich, in Gesellschaft zu<br />

sein, ohne mit der Gesellschaft etwas zu tun<br />

haben zu müssen”, erläutert Günter Burkart,<br />

Professor für Soziologie an der Universität<br />

Lüneburg. „Individualisierte, geradezu gewollte<br />

Abschottung” nennt er das, was der Walkman auf<br />

Seite 38 ■ GoodTimes 1/2015


eine Art ermöglicht, die es zuvor so nicht gegeben hatte. Der allererste<br />

Walkman hieß technisch-nüchtern übrigens TPS-L2 und erblickte<br />

<strong>am</strong> 1. Juli 1979 das Licht der Öffentlichkeit. Weil Masaru Ibuka, der<br />

Mitgründer des japanischen Elektronikkonzerns Sony, auch bei langen<br />

Flugreisen auf die Musik seiner beiden Lieblingskomponisten Bach<br />

und Beethoven nicht verzichten wollte, hatte er seine Mitarbeiter<br />

angewiesen, einen neuen Apparat zu entwickeln: ein handliches<br />

Kassettenabspielgerät, das man überallhin mitnehmen kann. Nach<br />

nur vier Tagen, so die Legende, präsentierten die Techniker den<br />

ersten Prototypen: Das für Journalisten gedachte Sony-Diktiergerät<br />

„Pressman” hatten sie kurzerhand umfunktioniert. Es war nur ein<br />

kleiner Sprung für die Ingenieure, jedoch ein großer Schritt für<br />

die Musik: Fertig war der erste<br />

Walkman. Und eine neue Epoche<br />

begann. In den 1980ern war der<br />

Walkman vor allem für Jugendliche<br />

ein absolutes Statussymbol. Nicht<br />

umsonst gingen Geräte, die unter<br />

dem Begriff Walkman firmierten,<br />

rund 335 Millionen Mal über den<br />

Ladentisch, mehr als 200 Millionen<br />

davon allein von Sony. Und was<br />

mit dem Walkman begann, setzte<br />

sich mit Mobiltelefon, G<strong>am</strong>eboy<br />

und Laptop später auf andere Art<br />

und Weise fort: Das Individuum verwandelte den öffentlichen Raum<br />

peu à peu in seine ganz private Welt.<br />

Kulturpessimisten mochten ihn allerdings gar nicht,<br />

weil sie in ihm eine Ursache für die fortschreitende<br />

Vereinzelung des Individuums sahen. Tatsächlich<br />

aber beförderte der Walkman andererseits auch eine<br />

neue Romantik. In dieser Hinsicht spielte er etwa<br />

gerade mal ein Jahr nach seiner Markteinführung in<br />

dem 1980 gedrehten Teeny-Kultfilm „La Boum” eine e<br />

Schlüsselrolle: Inmitten heftigsten Partytreibens setzt<br />

ein smarter Jüngling der pubertierenden Sophie Marceau au<br />

einen Walkman-Kopfhörer auf den Scheitel. "Dre<strong>am</strong>s Are<br />

My Reality” hat der Charmeur für sie ausgesucht. Während<br />

ihre Freundinnen dann zu wilder Musik vor dem Plattenspieler<br />

herumhüpfen, kann die<br />

arme Sophie Marceau<br />

gar nicht anders, als dem<br />

Romantiker<br />

im Stehblues-<br />

Würgegriff<br />

um<br />

den<br />

Hals<br />

zu<br />

fallen!<br />

Ohne die technische Neuerung des Walkmans<br />

wäre eine derart traute Zweis<strong>am</strong>keit inmitten<br />

der Party-Öffentlichkeit nicht möglich gewesen. Und<br />

auch die Mixtape-Kultur hätte sich ohne den kleinen<br />

Kontaktanbahnungs-Gehilfen etwa auf Klassenfahrten<br />

nicht dermaßen prächtig entwickeln können ... Als<br />

Sony 1979 den ersten Walkman präsentierte, war wohl<br />

niemandem klar, was für eine Zäsur dies für Musikfans<br />

bedeuten würde. Erstmals konnte man seine Musik mitnehmen<br />

und in einer – für d<strong>am</strong>alige Verhältnisse – guten<br />

Qualität überall hören. Durch gutes Design und dank<br />

etlicher Funktionen konnte der Marktführer während<br />

seiner Erfolgsgeschichte seine Konkurrenten stets auf<br />

Abstand halten. Erste Einbrüche gab es dann allerdings<br />

Mitte der 1990er <strong>Jahre</strong>. Inzwischen waren tragbare<br />

CD-Player und die ebenfalls von Sony entwickelte<br />

MiniDisc verfügbar, die dem Käufer<br />

noch mehr Funktionen und auch<br />

eine bessere Audioqualität boten.<br />

Das Ende des Walkmans wurde letztlich<br />

2001 eingeläutet, als Apple den<br />

ersten iPod vorstellte. Sony konnte<br />

erst zwei <strong>Jahre</strong> später einen eigenen<br />

MP3-Player auf den Markt bringen,<br />

die „digitale Revolution” hatte der<br />

japanische Konzern verschlafen.<br />

Das offizielle Ende dieser wundervollen<br />

Erfindung Walkman<br />

wurde <strong>am</strong> 23. Oktober 2010 prokl<strong>am</strong>iert:<br />

Sony verkündete das offizielle Aus des<br />

Abspielgeräts. Inzwischen verwendet<br />

das Unternehmen den Markenn<strong>am</strong>en<br />

„Walkman” aber für zahlreiche Produkte:<br />

Nicht nur MP3- und tragbare CD-Player<br />

werden unter dem legendären N<strong>am</strong>en<br />

angeboten, auch einige Handy-Modelle<br />

des japanisch-schwedischen Joint Ventures<br />

Sony Ericsson zeigen das stilisierte „W”<br />

auf ihren Gehäusen. Und wie sieht es in<br />

meinem ganz privaten „W”-Kosmos aus?<br />

Aktuell verschleiße ich bereits mein viertes<br />

Gerät <strong>am</strong> Stück, die „Walk-Männer” besitzen bei mir die für unsere<br />

kurzlebige technische Moderne ganz erstaunliche Haltbarkeitsdauer<br />

von knapp zehn <strong>Jahre</strong>n.<br />

Das letzte Teil habe ich 2010 <strong>am</strong><br />

Münchner Hauptbahnhof in einem<br />

der zahlreichen dort ansässigen kleinen<br />

Elektronikläden erstanden. Der Verkäufer<br />

blickte mich inmitten seines immensen<br />

Kontingents an iPods, MP3-Playern und<br />

anderen Errungenschaften der neuesten<br />

Technologie mit großen Augen verständnis-<br />

los an, als er fragte: „Was wollen Sie denn<br />

mit einem solchen Dinosaurier?” „Bewusst<br />

Musik hören”, gab ich strahlend zur Antwort, nach-<br />

dem er mir aus der hintersten Ecke seines Geschäfts<br />

seinen letzten Walkman herausgebuddelt hatte, den<br />

er mir dann für schlappe 25 Euro verscherbelte.<br />

„Ja, bewusst Musik hören”, wiederholte ich selig,<br />

„in mäßiger Qualität und ohne dass ich irgendwel-<br />

che Lieder vor- oder zurückspule.” „Sie<br />

haben Respekt vor der Musik und den<br />

Musikern”, stellte er nachdenklich fest.<br />

„Genau”, grinste ich, „ein Walkman ist<br />

der Inbegriff für Respekt vor dieser göttlichen<br />

Erfindung n<strong>am</strong>ens Musik!”<br />

Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 39


GLAM-ROCK<br />

Charts-Stürmer<br />

auf Plateausohlen<br />

Von Andreas Kötter<br />

Okay, zugegeben! Meine erste Schallplatte (ja, so nannte man das<br />

d<strong>am</strong>als), die keine Märchen "<br />

erzählt", ist eine Single von Roberto<br />

Blanco. 1972 ist das, und die folgenden <strong>Jahre</strong> werden mich lehren,<br />

dass "<br />

Der Puppenspieler von Mexiko" für meine Sozialisation<br />

verschwindend wenig leistet. Schon mit meiner nächsten Platte aber<br />

ändert sich das gewaltig. Denn Music Power", 1974 eine weitere<br />

"<br />

Zus<strong>am</strong>menstellung aktueller Hits aus der d<strong>am</strong>als sehr populären<br />

"<br />

K-Tel"-Compilation-Reihe, enthält Songs wie "The Bangin’ Man" von<br />

Slade, "Angel Face" von The Glitter Band oder "Always Yours" von<br />

Gary Glitter. Und d<strong>am</strong>it ist mein jugendliches Interesse an st<strong>am</strong>pfendpolternden<br />

Pop-Rockhymnen geweckt. Ich bin infi ziert, und schon sehr<br />

bald werde ich auch das weitere Oeuvre von Slade, The Sweet, T. Rex, Suzi<br />

Quatro, Gary Glitter und vielen anderen Gl<strong>am</strong>-Rockern für mich entdecken ecken ...<br />

Es sind Songtitel wie "Teenage R<strong>am</strong>page",<br />

"Children Of The Revolution" oder "Cum<br />

On Feel The Noize", die mir d<strong>am</strong>als, trotz<br />

nur sehr rudimentärer Englischkenntnisse, ein<br />

frühes Gefühl von Aufbegehren, von Sturm<br />

und Drang und d<strong>am</strong>it von Freiheit vermitteln.<br />

Ein starkes, brennendes Gefühl, das einige<br />

<strong>Jahre</strong> später weit heftiger noch von Punk<br />

befeuert werden soll. Was – aus heutiger und<br />

d<strong>am</strong>it musikhistorischer Sicht – kein ganz so<br />

großes Wunder ist. Denn Gl<strong>am</strong>- oder<br />

Glitter-Rock, wie man den Sound von<br />

Slade und The Sweet, von Gary Glitter<br />

und T. Rex, aber auch von Roxy Music<br />

und David Bowie alsbald nennen wird, ist<br />

weder vom ideologischen Überbau noch<br />

musikalisch allzu weit entfernt von dem,<br />

was Punk bzw. New Wave schon bald<br />

leisten werden (dazu später mehr).<br />

Doch versuchen wir uns zunächst lieber<br />

an einer Definition von Gl<strong>am</strong> bzw. lassen<br />

wir Wikipedia diesen Job erledigen. Während<br />

wikipedia.de doch recht vage bleibt, hilft naturgemäß<br />

– ist Gl<strong>am</strong> doch zuallererst ein britisches<br />

Phänomen – die englischsprachige Version der<br />

Internetenzyklopädie weiter.<br />

Sinngemäß heißt es dort:<br />

„Gl<strong>am</strong>-Rock entwickelte<br />

sich aus Rock und Pop zu<br />

Beginn der 70er <strong>Jahre</strong> in<br />

Großbritannien. Musikalisch<br />

umfasste Gl<strong>am</strong> sowohl den<br />

simplen Revival-Rock eines<br />

Alvin Stardust wie auch den eher komplexen<br />

Art-Rock von Roxy Music." „Komplex"<br />

und „Art" sind hier die<br />

Schlüsselwörter. Denn tatsächlich<br />

ist Gl<strong>am</strong> viel mehr<br />

als<br />

„nur" Musik. Fashion<br />

(David Bowie wird einen<br />

Song später "Fashion"<br />

betiteln), Mode also und<br />

ihre soziale Bedeutung<br />

machen einen nicht unwesentlichen<br />

Teil der Kraft<br />

von Gl<strong>am</strong> aus. Denn Gl<strong>am</strong> ist vor allem auch<br />

eine Möglichkeit, dem tristen Grau englischer<br />

Industriestädte etwas entgegenzusetzen.<br />

Dazu noch einmal Wikipedia: „Gl<strong>am</strong> war ein<br />

buntes Durcheinander von Stilen, das vom<br />

Hollywood-Gl<strong>am</strong>our der 30er <strong>Jahre</strong> über den<br />

David<br />

Bowie<br />

alias<br />

Ziggy<br />

Stardust<br />

© Pressefoto<br />

Seite 40 ■ GoodTimes 1/2015


Pin-Up-Sex der <strong>50</strong>er bis hin zu Science Fiction<br />

und Mystizismus reichte." Dieser Stilmix findet<br />

sich überdeutlich etwa in den Fantasiekostümen<br />

solcher Bands wie Slade oder The Sweet. Zudem<br />

spielt man mit einem androgynen Look und<br />

bricht die Geschlechterrollen auf, so dass man<br />

Gl<strong>am</strong> durchaus auch als Einfluss für den viel<br />

späteren Transgender-Sound von z.B. Antony &<br />

The Johnsons oder Against Me! verstehen kann.<br />

Bolan und Bowie<br />

geben den Startschuss<br />

Weniger enzyklopädisch denn handfest<br />

schildert – wie es der Zufall will – eine<br />

aktuelle Ausgabe des sehr lesenswerten britischen<br />

Rockmagazins „Vive Le Rock!" in einem<br />

Special, wie Gl<strong>am</strong> erst Großbritannien und dann<br />

den Rest der (Pop-)Welt eroberte. Man könne die<br />

Ursprünge von Gl<strong>am</strong> zwar bis zu Little Richard<br />

zurückverfolgen, heißt es da. Erst David Bowie<br />

und Marc Bolan mit T. Rex aber hätten in den späten 60er <strong>Jahre</strong>n erkannt,<br />

dass die Zeit reif gewesen sei für eine Erneuerung der Musik<strong>kult</strong>ur.<br />

Beide späteren Superstars hätten<br />

zuvor mit Rock, Mod und Folk<br />

„herumgespielt", ohne auch nur<br />

annähernd den Erfolg zu haben,<br />

den ihnen Gl<strong>am</strong> schon bald bescheren<br />

sollte. „Alles, was wir wussten,<br />

war falsch", so Bowie d<strong>am</strong>als.<br />

„Endlich frei und mitten auf dem<br />

Wasser ohne Paddel, nahmen wir<br />

uns die Erlaubnis, die Kultur neu<br />

zu erfinden, nach unserer ureigenen<br />

Vorstellung." Irgendwo im<br />

Zeitraum „zwischen Marc Bolans<br />

Glitter-Performance von 'Hot Love'<br />

im Frühling 1971 und der ,Geburt' von Bowies Alter Ego Ziggy Stardust<br />

zu Beginn 1972" sieht „Vive Le Rock!" „die Par<strong>am</strong>eter einer neuen<br />

visuellen und musikalischen Sprache definiert".<br />

Bowie ist es auch, der Gl<strong>am</strong> den<br />

wohl progr<strong>am</strong>matischsten Titel, ja<br />

eine wahre Hymne beschert. "All The<br />

Young Dudes" ist ein Geschenk an Mott The<br />

Hoople, die ebenso wie Roxy Music eine – nennen<br />

wir es mal – „erwachsenere" Gl<strong>am</strong>-Variante<br />

definieren als die Acts, die bald folgen werden.<br />

Gl<strong>am</strong>-Rock, so wie wir ihn heute verstehen, ist<br />

jetzt jedenfalls „erfunden". Und Marc Bolan, zu<br />

dieser Zeit mehr noch als Bowie der Prototyp<br />

des Popstars, verfügt über den Starappeal und<br />

die Sexyness, die es braucht, um seine süchtig<br />

machenden Melodien eindrucksvoll in Szene zu<br />

setzen. Die schon genannten "Hot Love" und<br />

"Children Of The Revolution", aber etwa auch<br />

"20th Century Boy" oder "Get It On" mischen zwischen<br />

1971 und Anfang 1973 die britischen Charts<br />

auf, und nur "20th Century Boy" schafft es als Nr. 3 nicht auf einen<br />

der beiden ersten Plätze. Bolans Songs sind kurz und prägnant, überschreiten<br />

oft nicht die magische Drei-Minuten-Grenze und sind schon<br />

dadurch ungemein radiotauglich. Ein rhythmusorientiertes Fund<strong>am</strong>ent<br />

und schier unwiderstehliche Hooklines machen Tracks wie "Metal Guru"<br />

oder "Telegr<strong>am</strong> S<strong>am</strong>", aber auch Bowies "Starman" oder "Changes", zu<br />

wahren Gassenhauern, deren Refrains sich – wie<br />

bei vielen späteren Gl<strong>am</strong>-Hits auch – wunderbar<br />

mitsingen lassen (in manchen Fällen, etwa bei<br />

Slade, müsste es wohl eher heißen „mitgröhlen").<br />

Und dieser Erfolg bereitet nun auch den<br />

Weg für Slade und The Sweet.<br />

© Pressefoto<br />

Alvin<br />

Stardust<br />

Marc<br />

Bolan<br />

Slade vs. The Sweet<br />

Die einen, Slade, wechseln jetzt vom früheren<br />

Skin- und Arbeiteroutfit zu absurd<br />

hohen Plateauschuhen, die anderen, The Sweet,<br />

geben ihr Bubblegum-Pop-Outfit auf für schrilles<br />

Glitzer-Make-up und einen androgynen<br />

Look. Vor allem Gitarrist Dave Hill hier und<br />

Bassist Steve Priest dort schöpfen aus dem<br />

Vollen und experimentieren mit allem, was<br />

Fantasie, Schminkkasten und Maskenbildner<br />

hergeben. Mag dieses Erscheinungsbild den braven<br />

Bildungsbürger der frühen 70er <strong>Jahre</strong> auch<br />

verschrecken, die durch Beatles und Rolling<br />

Stones längst Rock-sozialisierten Kids im UK<br />

freut’s. Sie übernehmen mit diesem Look auch<br />

das Lebensgefühl, das Slade im progr<strong>am</strong>matischen<br />

"Cum On Feel The Noize" so beschreiben:<br />

„... girls grab the boys, we get wild, wild,<br />

wild, we get wild, wild, wild, so cum on feel<br />

the noize ...", freigeistig-anarchistische Diktion<br />

gleich noch inklusive. Ein Lebensgefühl, das sich für die Wolverh<strong>am</strong>pton<br />

Boys, aber auch für ihre größten Rivalen im K<strong>am</strong>pf um die Spitzenplätze<br />

der Charts, The Sweet, in barer<br />

Münze auszahlt. So platzieren Slade<br />

zwischen 1971 und 1975 sage und<br />

schreibe 16 Singles in den britischen<br />

Top 20, von denen sechs sogar die<br />

Chartsspitze stürmen. Darunter ist<br />

mit dem grandiosen "Merry Xmas<br />

Everybody" zudem ein unzerstörbarer<br />

Weihnachtsklassiker, der zur<br />

Weihnachtszeit immer wieder mal,<br />

zwischen 2007 und 2013 sogar<br />

ununterbrochen, in den UK-Charts<br />

auftaucht. Ganz so erfolgreich sind<br />

The Sweet zwar nicht. Aber auch die<br />

Band um den blonden Leadsänger und Frauenschwarm Brian Connolly<br />

bringt es immerhin auf zehn Top-20-Platzierungen, mit "Blockbuster"<br />

allerdings nur auf eine Nummer 1 im UK.<br />

© Pressefoto<br />

Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />

David Bowie (m.)<br />

Bemerkenswert ist, dass es zwischen den Fans<br />

beider Lager zu einer Art Glaubenskrieg<br />

um die „wahre Lehre" kommt, wie ihn zwei<br />

Jahrzehnte später ähnlich auch die Anhänger von<br />

Blur und Pulp austragen werden. De facto lässt<br />

sich aus heutiger Sicht wohl sagen, dass Slade<br />

nicht nur wegen der höheren Anzahl der Charts-<br />

Platzierungen die Nase ein Stück weit vorne<br />

haben. Zum einen liegt das daran, dass The Sweet<br />

ihre Hits wie "Hell Raiser" oder "The Six Teens"<br />

zunächst nicht selbst schreiben, sondern lieber<br />

vom legendären Autoren/-Produzentenduo Nicky<br />

Chinn und Mike Chapman schreiben lassen (beide<br />

sind u. a. auch für die Gl<strong>am</strong>-Konkurrenz von<br />

Suzi Quatro oder Mud im Einsatz). Dabei beweist<br />

man im Laufe der <strong>Jahre</strong><br />

nicht nur mit "Fox On The<br />

Run" oder "Action", dass man durchaus in der<br />

Lage ist, Material mit Hitpotenzial abzuliefern.<br />

Und mit Alben wie LEVEL HEADED oder CUT<br />

ABOVE THE REST gibt man sich später zudem<br />

offen gegenüber Einflüssen wie Prog- oder<br />

Symphonic Rock, ja sogar Disco. Slade aber<br />

verfügen von Beginn an mit Sänger Noddy<br />

Holder, dem Mann mit dem unglaublichsten Backenbart bzw. den zau-<br />

seligsten Koteletten der Musikgeschichte, und mit dem Bassisten/Multi-<br />

Instrumentalisten Jimmy Lea über ein kongeniales Autorenduo und<br />

werden später mit ihrem legendären Auftritt auf dem Reading-Festival,<br />

einem alljährlichen Stelldichein des Hard Rock bzw. Heavy Metal, ein<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 41


neues Publikum dazugewinnen.<br />

Kein Wunder also, dass die Band<br />

in der Folge den unterschiedlichsten<br />

Rockrabauken wie Mötley Crüe, Quiet<br />

Riot, Def Leppard, aber auch den Sex<br />

Pistols, The Clash oder gar Nirvana<br />

als Einfluss gilt. Zudem gelingt dem<br />

Quartett mit SLADE IN FLAME nicht<br />

nur ein Album mit All-Time-Faves-<br />

Charakter, sondern vor allem einer der<br />

besten Musikfilme überhaupt.<br />

Suzi Quatro &<br />

Gary Glitter<br />

Neben Slade und The Sweet sind es<br />

vor allem Suzi Quatro und Gary<br />

Glitter, die Gl<strong>am</strong> dann via Charts frische<br />

Gesichter schenken. Die gebürtige<br />

US-Amerikanerin Susan Kay Quatro<br />

darf durchaus als eine der ersten<br />

Rockladies der Musikgeschichte gelten,<br />

die, stets gekleidet in einen hautengen<br />

schwarzen Lederoverall, vielleicht<br />

mehr für die Emanzipation getan hat,<br />

als das auf den ersten Blick scheint.<br />

Tatsächlich aber darf Quatro wohl<br />

für sich in Anspruch nehmen, für<br />

Bands wie The Runaways oder extrovertierte<br />

Künstlerinnen wie Madonna<br />

oder Lady Gaga Schrittmacherdienste<br />

geleistet zu haben. Mit Titeln wie<br />

"48 Crash", "Daytona Demon", "Devil<br />

Gate Drive" oder "Can The Can" etabliert<br />

sich die Rockerin in England<br />

und in Deutschland schnell als Queen<br />

des Gl<strong>am</strong>. Einen Haken aber hat die<br />

Sache. Quatro selbst hat sich nie als<br />

Vertreter des Gl<strong>am</strong>-Rock gesehen,<br />

wie sie gegenüber „Vive Le Rock!"<br />

erklärt: „Ich war nie Gl<strong>am</strong> – eher das<br />

Gegenteil; ich habe kaum Make-up<br />

benutzt und einen schlichten schwarzen Lederoverall<br />

getragen. Wir waren immer eine Rock’n’Roll-Band und<br />

wollten Detroit nach England bringen." Sei’s drum.<br />

Ganz bewusst Gl<strong>am</strong> ist auf jeden Fall Gary Glitter.<br />

Geboren als Paul Francis Gadd, kann der Mann, der<br />

viele <strong>Jahre</strong> später noch einmal – diesmal aber traurige –<br />

Berühmtheit wegen Kindesmissbrauchs erlangen wird,<br />

schon Mitte der 60er <strong>Jahre</strong> unter dem Pseudonym Paul<br />

Raven auf eine, wenn auch kaum erfolgreiche Karriere<br />

zurückblicken. Weil der Erfolg ausbleibt, entscheidet<br />

sich Gadd/Raven für einen Imagewechsel und wird – nicht zuletzt dank<br />

der musikalischen Expertise von Produzent Mike Leander – zu einem der<br />

„Marken-Gesichter" des Gl<strong>am</strong>. Mit der Glitter Band, die später auch mit<br />

eigenen Hits wie "Angel Face", "The Tears I Cried" oder "People Like You,<br />

People Like Me" erfolgreich sein wird, kann der Mann im mit Pailletten<br />

besetzten Silberanzug auf eine hochroutinierte Band vertrauen. Und mit<br />

Tracks wie "Rock’n’Roll Part 1&2", "Do You Wanna Touch Me" und vor<br />

allem "I'm The Leader Of The Gang (I Am)" wird Glitter schnell gleich<br />

auch noch zum Paten des Gl<strong>am</strong>-Rock. Und viele folgen diesem „Leader".<br />

Ob Kenny, Mud oder Hello, um nur einige zu nennen – sie alle wollen<br />

jetzt auch ein Stück vom Kuchen haben, verwässern das Genre dabei<br />

aber immer mehr in Richtung Plastik-Pop.<br />

Und Amerika?<br />

Was aber ist eigentlich in den USA los, dem anderen großen<br />

englischsprachigen Popmusikmarkt? Auch jenseits<br />

© Pressefoto/ RCA/BMG Records<br />

The Sweet<br />

Suzi Quatro<br />

Gary<br />

Glitter<br />

© Pressefoto<br />

Slade<br />

Foto: © GoodTimes-photo.de © Pressefoto<br />

des Atlantiks zeigt Gl<strong>am</strong> durchaus<br />

Wirkung. Lou Reed oder Iggy Pop<br />

flirten zumindest mit der neuen<br />

„Mode". Und Wayne/Jayne County,<br />

vor allem aber die New York Dolls<br />

sind Gl<strong>am</strong> pur. Als „Bindeglied zwischen<br />

den Shangri-Las und den Sex<br />

Pistols" definiert „Vive Le Rock!"<br />

die Dolls. Und trifft d<strong>am</strong>it den<br />

Nagel auf den Kopf. Denn die<br />

Dolls und d<strong>am</strong>it die <strong>am</strong>erikanische<br />

Variante von Gl<strong>am</strong> geben sich<br />

rauer, ja dreckiger als die britische<br />

Verwandtschaft. Hier lässt sich<br />

schließlich das, was bald kommen<br />

wird, der siedend-heiße Furor des<br />

Punk, schon mehr als deutlich erahnen<br />

...<br />

Was aus Gl<strong>am</strong><br />

wurde<br />

Ob Punk oder New Wave, ob<br />

Sleaze oder Grunge, Gl<strong>am</strong><br />

hat alle Spielarten des Rock überlebt.<br />

Zum Glück, möchte man<br />

meinen. Denn diese wilde Mixtur<br />

aus hymnischen Melodien, wilden<br />

Fantasielooks und dem Willen zur<br />

– wenn auch in erster Linie – stilgerechten,<br />

mit anderen Worten zur<br />

Salonrevolte kann der Popmusik<br />

bis heute viel geben. Wie folgende<br />

Beispiele eindrucksvoll zeigen: Denn<br />

ob im New Wave, etwa mit den frühen<br />

Ultravox-Alben der John-Foxx-<br />

Phase oder später mit Bauhaus,<br />

die T. Rex’ "Telegr<strong>am</strong> S<strong>am</strong>" covern,<br />

oder mit Love & Rockets, ob im<br />

Gl<strong>am</strong>-Metal mit L.A.-Bands wie<br />

Faster Pussycat oder Bang Tango<br />

(die sich wiederum erfolgreich an T.<br />

Rex’ "Children Of The Revolution" versuchen) oder<br />

im Brit-Pop mit Bands wie Suede oder den völlig<br />

unterschätzten, aber leider längst verblichenen<br />

Mansun – Gl<strong>am</strong> war und ist immer mittendrin,<br />

statt nur dabei. Und heute sind es Acts wie die<br />

schon erwähnte Lieblings-Irre der Feuilletons,<br />

Lady Gaga, aber auch Marilyn Manson, Placebo<br />

oder Goldfrapp, die zumindest mit einigen ihrer<br />

Werke dem Gl<strong>am</strong> frönen. Irgendwie ist das auch<br />

nur logisch. Pop ohne Gl<strong>am</strong>(-our) wäre wohl eine<br />

Absurdität.<br />

Zum Weiterlesen:<br />

- GoodTimes: T. Rex 4/2014, Sweet 1/2013, Gl<strong>am</strong>-Rock 3/2008<br />

- Mark Dery: "<br />

All The Young Dudes:<br />

Why Gl<strong>am</strong> Rock Matters"<br />

- "<br />

Vive Le Rock!", Ausgabe 16, mit "<br />

70s Gl<strong>am</strong> Special"<br />

- "<br />

Uncut"-Magazine, Ausgabe 18,<br />

mit "<br />

Gl<strong>am</strong> Special", und Ausgabe 70,<br />

mit "<br />

Bowies Gl<strong>am</strong>-Phase-Special"<br />

- "<br />

Mojo Magazine", Ausgabe 138, mit T. Rex-Special<br />

Zum Weitersehen:<br />

- "<br />

Slade In Fl<strong>am</strong>e"<br />

- "<br />

Velvet Goldmine"<br />

Zum Weiterhören:<br />

- Box-Set OH YES WE CAN LOVE: A HISTORY OF GLAM ROCK<br />

Seite 42 ■ GoodTimes 1/2015


1968<br />

WURDEN COPS<br />

PLÖTZLICH<br />

COOL<br />

Von Roland Schäfli<br />

Der Summer Of Love ging gerade zu Ende. In San Francisco wurde<br />

Flower Power zur Massenbewegung. Doch der Mann, der auf seinem<br />

Motorrad durch die Nacht fuhr, um nervöse Energie loszuwerden,<br />

dachte nicht an Blumenkinder, nicht an Hippies. Er hatte eben entdeckt,<br />

dass er mit den Rädern abheben konnte, wenn er die hügeligen<br />

Straßen von Frisco wie Schanzen nutzte. "<br />

Wäre es nicht großartig",<br />

fl üsterte der Mann seinem Begleiter zu, "<br />

wenn wir das im Film mit<br />

einem Auto machen könnten?" Der Mann war Steve McQueen, und<br />

seine Idee war die Geburtsstunde für die legendäre Verfolgungsjagd<br />

aus dem Klassiker "<br />

Bullitt".<br />

McQueens<br />

Vorliebe<br />

für Speed trieb<br />

nicht nur den Öldruck<br />

seiner Motoren hoch.<br />

Auch der Blutdruck der<br />

Versicherungsagenten<br />

stieg regelmäßig.<br />

Wie immer war dem<br />

Star untersagt, während<br />

der Dreharbeiten<br />

Rennen zu fahren –<br />

jede Art von Rennen, egal ob auf vier oder zwei Rädern. Warner<br />

Brothers wollte sich das sogar schriftlich von ihm geben lassen.<br />

Steve allerdings retournierte das Dokument, ohne zu unterschreiben,<br />

stattdessen kritzelte er eine Obszönität an den Rand, wohin man<br />

sich das Papier stecken könne ...<br />

Seine Maschine für diese nächtlichen Ausflüge versteckte er in einer<br />

gemieteten Garage. McQueen tat, was immer McQueen tun wollte. Er<br />

hatte – da er sich gern in Slang ausdrückte – den Juice (den Saft), um den<br />

Suits – so nannte er die Anzugträger aus der Teppichetage – zu zeigen,<br />

wer bestimmte, wo es langging. Erst 37-jährig hatte er da bereits seine<br />

Abdrücke im legendären Zement vor dem Grauman's Chinese Theatre<br />

hinterlassen (wo er in einem burgunderfarbenen Ferrari zur Zeremonie<br />

vorgefahren war). Steve McQueen war der<br />

Hipster seiner Generation, lange bevor<br />

dieses Wort geprägt wurde. Er rauchte<br />

Gras, hatte mehr Hasch-Cookies verdrückt<br />

als jeder Woodstock-Teilnehmer,<br />

und er machte sich mit seiner Let-The-<br />

Devil-Care-Attitüde einen Spaß daraus,<br />

Behörden und Be<strong>am</strong>te zu ärgern. Und die<br />

Generation der wilden Sixties identifizierte<br />

sich mit diesem Rebellen, erkor ihn zu<br />

ihrem Superstar.<br />

Warum sollte McQueen, 1968 auf der<br />

Höhe seines Ruhms, nun also ausgerechnet<br />

einen Bullen im Anzug spielen? Er wollte den Film, mit dem<br />

er bis heute <strong>am</strong> stärksten identifiziert wird, anfangs gar nicht machen.<br />

Zu dieser Zeit nannte man Polizisten Pigs (Schweine). Er selbst war<br />

sein halbes Leben vor ihnen davongelaufen: „Ich habe Polizisten nie<br />

gemocht. Sie waren auf der einen Seite des Zauns, ich auf der anderen."<br />

Seine Frau Neile riet ihm schließlich zu „Bullitt". Die „Los Angeles<br />

Times" titelte denn auch entsprechend akkurat: „Bad Boy does switch<br />

to play cop role." Die Millionengage – ein Fünftel des Ges<strong>am</strong>tbudgets –<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 43


An der Ecke Taylor/Clay klaut sich Bullitt seine Morgenzeitung.<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Das Police Office der Stadt<br />

stellte ihm übrigens einen<br />

Sergeant und zwei Polizisten<br />

permanent zur Seite. Die kontrollierten<br />

den Verkehr, den<br />

der Star durch seine bloße<br />

Präsenz zum Erliegen bringen<br />

konnte. Außerdem durfte der<br />

Schauspieler nachts mit auf Patrouille, um sich selbst ein Bild von<br />

realistischer Polizeiarbeit zu machen. Am Ende war es aber die wilde<br />

Autohatz, die Mutter aller Verfolgungsjagden, die das Publikum<br />

für den Polizisten begeisterte: Wer seinen Wagen so um die Kurve<br />

schleuderte, konnte nicht uncool sein. Das zehnminütige Duell des<br />

390er GT Mustang gegen den 440er Magnum Dodge, untermalt von<br />

Lalo Schifrins jazzigem Soundtrack, sollte Standards setzen. Statt des<br />

befürchteten Imageschadens k<strong>am</strong> es also nur zu diversen Blechschäden<br />

(auch wenn sich der Regisseur einen dummen Schnittfehler leistete:<br />

Bullitt muss denselben grünen Volkswagen insges<strong>am</strong>t dreimal überholen).<br />

Der Cop mit der schnellen<br />

Karre wurde Kult –<br />

trotz allem. Und Steves<br />

Co-Star Jacqueline Bisset<br />

wird noch heute vor allem<br />

auf diesen Film angesprochen<br />

(siehe Interview).<br />

Bald kurvten nachts dunkelgrüne<br />

Mustangs um<br />

dieselben Ecken. Hippies,<br />

die bei Demos gegen den<br />

Vietn<strong>am</strong>-Krieg aufgegriffen<br />

wurden, verlangten lautstark<br />

von den Polizisten:<br />

„Wir wollen Bullitt!" Und<br />

im San Francisco Police<br />

Departement trugen die Kommissare plötzlich mit Vorliebe die gleichen<br />

Rollkragenpullis wie er. Kein Zweifel – ausgerechnet McQueen, von Natur<br />

aus der natürliche Feind der Polizei, hatte die Cops cool gemacht!<br />

Zum Abschluss der Dreharbeiten stiftete der Star d<strong>am</strong>als der Stadt im<br />

Übrigen einen Swimming Pool – und ließ ihn auf die Rechnung von<br />

Warner Brothers setzen. Der böse Junge hatte den Suits einmal mehr<br />

eins ausgewischt ...<br />

DREHORT-FÜHRER<br />

Für Fans des Kultfilms ist eine Visite in San Francisco nicht komplett<br />

ohne den Besuch der „Bullitt"-Drehorte. An der Taylor Street<br />

findet sich Bullitts Apartment, und gleich gegenüber, an der Ecke<br />

Clay Street, steht bis heute der Lebensmittel-Laden VJ Groceries, wo<br />

der Kommissar seine Tiefkühltruhe auffüllt und die Morgenzeitung<br />

stibitzt. Im Enrico’s, an der Ecke Broadway und Kearney Street, trifft<br />

Bullitt einen Informanten (auf dieser steilen Straße wurde später auch<br />

der Auto-Stunt von „Basic Instinct" aufgenommen). Die legendäre<br />

Verfolgungsjagd wurde hauptsächlich auf der Filmore Street, zwischen<br />

Broadway und Vallejo Street, gedreht.<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © Roland Schäfli<br />

Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ein Hippie-Quartier, ist diese Gegend heute etwas heruntergekommen.<br />

An dieser Ecke trifft Bullitt seinen Informanten.<br />

dürfte letztlich aber ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Tatsache,<br />

dass McQueen sein eigener Herr sein durfte. Seine Firma Solar sollte<br />

den Streifen produzieren. Seinen Boss-Status testete er dann auch gerne<br />

aus: So ließ er sich einen Billardtisch in sein Apartment im zwölften<br />

Stock installieren, wozu ein Kran aufgebaut und ein Fenster herausgerissen<br />

werden mussten. Aber noch während der Dreharbeiten zweifelte<br />

Steve McQueen bereits daran, dass sein St<strong>am</strong>mpublikum ihn als<br />

Kriminalkommissar akzeptieren würde.<br />

1968, das war eben lange vor „Beverly<br />

Hills Cop", lange bevor Polizisten<br />

salonfähig wurden, <strong>Jahre</strong> vor Dirty<br />

Harry und all den Polizisten-Klonen,<br />

die dieser nach sich ziehen würde.<br />

Im Kino fand man die Helden d<strong>am</strong>als<br />

nicht in den Polizeirevieren. Und dieser<br />

Detective Bullitt war<br />

zudem, trotz McQueens<br />

Rebellenimage, ein Be<strong>am</strong>ter,<br />

der innerhalb der Vorgaben<br />

des Systems arbeitete. Auch<br />

wenn er die Regeln manchmal<br />

leicht beugte, so war<br />

doch seine einzige klar gesetzwidrige Tat im Film, eine Zeitung aus<br />

dem Automaten zu klauen. Und sogar das tat er mit leicht schlechtem<br />

Gewissen. Man hat McQueen dementsprechend auch die Frage noch<br />

vor dem Start der Filmarbeiten gestellt, weshalb ausgerechnet er, King<br />

Of Cool, in die als äußerst uncool empfundene Rolle eines Cops schlüpfen<br />

wolle. „Es gibt keine Kommunikation zwischen den jungen Leuten<br />

und der Polizei", erklärte er. „Wenn alle Jugendliche aufwachsen und<br />

die Cops hassen, wird das bald eine ziemlich angsteinflößende Welt."<br />

Steve McQueens<br />

Tweed-Jackett:<br />

2013 in<br />

einer Auktion für<br />

600.000 $<br />

angeboten.


Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Interview mit<br />

" Bullitts<br />

Freundin"<br />

Jacqueline<br />

Bisset<br />

Diese grünen Augen. So unschuldig blinzelte sie als naive Freundin Bullitt" Steve McQueen an. Steht man<br />

dann selbst Auge in Auge Jacqueline Bisset gegenüber, dann blickt " man in 45 <strong>Jahre</strong> große Kinomomente.<br />

Bullitt" hat diese lange internationale Filmkarriere lanciert.<br />

"<br />

Kürzlich gab es Steve McQueens Jackett aus Bullitt" für 600.000 Dollar zu ersteigern. Wie können Sie sich den<br />

Kult um diesen Film erklären?<br />

"<br />

Wie viel? Das ist doch absurd. Welches Jackett?<br />

Das er bei der Verfolgungsjagd trägt, das mit den Ellbogenflicken.<br />

Das braune Tweed-Jackett! Ich bin überrascht.<br />

Haben Sie selbst noch Ihr Kostüm aus dem Film? Es dürfte im Wert steigen.<br />

Leider nicht. Wissen Sie, noch heute werde ich immer wieder zu Auto-<br />

Events im Zus<strong>am</strong>menhang mit „Bullitt" eingeladen. Ich gehe nicht hin,<br />

aber offenbar hat diese Autoverfolgungsjagd noch immer viele Fans.<br />

Das ist der Bullitt-Craze ... Steve McQueens Image scheint heute noch<br />

viel stärker zu sein als direkt nach seinem Tod.<br />

Konnten Sie d<strong>am</strong>als spüren, dass hier ein künftiger Kultfilm entsteht?<br />

Steve war ja d<strong>am</strong>als schon ein großer Star. Und die Sequenz der Autojagd<br />

galt bereits bei der Premiere als Phänomen. In den <strong>Jahre</strong>n seither hat<br />

man das immer wieder spektakulärer gemacht. Aber dass man in einen<br />

künftigen Kultfilm involviert ist, kann man nie im Voraus wissen.<br />

Sie sind gerade 70 geworden. Besonders schwierig für eine Schauspielerin, die als eine der schönsten Frauen<br />

der Welt galt?<br />

Das kann schwierig sein, kommt aber auf den Morgen an. Älterwerden<br />

hat mit der Akzeptanz seiner selbst zu tun. Man muss Appetit aufs<br />

Leben haben. Natürlich, es braucht Mut, sich beim Älterwerden filmen<br />

zu lassen. Hollywood ist tatsächlich kein einfacher Ort, wenn man sich<br />

nicht fit hält. Doch wer Schauspielerin wird, begibt sich auf eine Reise<br />

nach der Wahrheit. Man spielt von innen. Beauty zeigt sich – Gott sei<br />

Dank – in vielen Formen. Man muss nicht schön sein, um schön zu<br />

sein. Glücklicherweise haben wir die Hilfe des K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>anns ...<br />

Ihr bester Freund <strong>am</strong> Drehort?<br />

Eigentlich nicht, denn leider hege ich oft eine Antipathie mit Blick auf<br />

den K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>ann. Er kann geradezu ein Gegner werden, der einen mit<br />

der K<strong>am</strong>era umbringen will!<br />

Andere Regisseure haben vor allem Ihre Schönheit ausgebeutet, etwa in der berühmten Szene von The Deep",<br />

Sie im nassen T-Shirt.<br />

"<br />

Als Schauspielerin will man ja auch ausgebeutet werden. Man will sein<br />

Inneres nach außen kehren. Allerdings wird jungen Schauspielerinnen<br />

heute schon viel mehr abverlangt – Nacktheit gehört dazu. Allerdings ist<br />

die Welt ja auch freizügiger geworden. Schauen Sie auf der Straße, die<br />

Mädchen sind ja halbnackt – ohne dass sie dazu gezwungen werden.<br />

VERLOSUNG<br />

<strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />

<strong>kult</strong>!<br />

5x DVD-Box<br />

Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />

(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Einsendeschluss ist der 15. Januar 2015<br />

NikMa Verlag Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

Fax: 0 70 42/37660-188 · E-Mail: goodtimes@nikma.de<br />

3x DVD<br />

3x Fan-<br />

Paket<br />

DVD- &<br />

CD-Box<br />

3x 80er-<br />

<strong>Jahre</strong>-Quiz<br />

3x DVD<br />

5x Blu-ray<br />

3x<br />

Fan-Paket<br />

DVD- &<br />

CD-Box<br />

Unsere Gewinner der Verlosung<br />

aus <strong>kult</strong>! Heft 10 – 2/2014:<br />

Stichwort "<br />

<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />

– Ulrike Lerch, Graz (Österreich)<br />

– Markus Wachter, Besigheim<br />

– Simon Claus, Berlin<br />

– Torsten Könicke, Erding<br />

– Günter Gerlach, Hockenheim<br />

– Martha Walter, Heilbronn<br />

– J. Hofmann, Löbnitz<br />

– Sandra Schuster, Mühlacker<br />

– Gunther Frey, Bocholt<br />

– Hubärt Elsen, Trier<br />

– Thomas Rath, Amberg<br />

– Hans Schultheiss, H<strong>am</strong>burg<br />

10x Starterset<br />

WM-S<strong>am</strong>melalbum:<br />

– Ina Korn, Schöningen<br />

– Wolfgang Köhler, Dortmund<br />

– Jürgen Erdmann, Husum<br />

– Simon Maier, Gifhorn<br />

– Robert Abels, Herzberg<br />

– Walther Gerhardt, Staufen<br />

– Claus Heintz, Bocholt<br />

– Regina Klein, Aachen<br />

– Max Walzer, Troisdorf<br />

– Reinhold Platter, Berlin


Liebe,<br />

1978 lief auf der Berlinale ein Beitrag, welcher der bis dato erfolgreichste israelische<br />

Film werden sollte. Er bildete den Auftakt zu einer mehrteiligen Kinoreihe<br />

in deutsch-israelischer Gemeinschaftsproduktion. Heiße Musik und nackte Haut,<br />

kongenial auf Partys und <strong>am</strong> Strand in Szene gesetzt, waren auch in den 80er<br />

<strong>Jahre</strong>n angesagte, aber weitgehend unter der Decke gehaltene Themen. Noch <strong>Jahre</strong><br />

später lockten sie Jugendliche kl<strong>am</strong>mheimlich vor die Fernseher. "<br />

Das ,erste Mal’<br />

war nie witziger als mit ,<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>’", stellt dann auch der Begleittext in den<br />

Inlays der DVD-Edition fest.<br />

Zu den ungewöhnlich melancholischen Klängen von Bobby Vintons<br />

"Mr. Lonely" verlässt ein enttäuschter Teenager eine Party, auf<br />

der ihm das Schwofen nicht vergönnt gewesen ist, und geht die<br />

Straße hinunter. Der „eins<strong>am</strong>e Soldat" hat seiner Traumfrau auf ihrer<br />

Geburtsparty ein Geschenk s<strong>am</strong>t Gravur ihres N<strong>am</strong>ens machen wollen,<br />

sie aber in der Küche in inniger Umkl<strong>am</strong>merung mit seinem besten<br />

Freund erwischt, der sie erst geschwängert und danach fallengelassen<br />

hat, wohingegen er sich um sie kümmerte und ihr geliehenes Geld zur<br />

Abwicklung einer Abtreibung zur Verfügung stellte. Diese Schlussszene<br />

muss bekannt sein, um aus heutiger Sicht verstehen zu können, warum<br />

der Trailer zu „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" den Film als „Lustspiel" beschreibt, bei dem<br />

sowohl gelacht als auch geweint werden könne. Die meisten Zuschauer<br />

haben die Reihe vermutlich als eher lustig denn traurig in Erinnerung.<br />

Des Rätsels Lösung führt letztlich zum Regisseur.<br />

Der Erfinder von „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" ist Boaz Davidson, geboren in Tel-Aviv<br />

im November 1943. Laut seiner Aussage basieren die Filme auf seinen<br />

persönlichen Erfahrungen, die er als Teenager im Israel der späten <strong>50</strong>er<br />

<strong>Jahre</strong> gemacht hat. Bis Teil vier führte er Regie und betätigte sich<br />

zudem als Co-Autor, für Teil fünf steuerte er lediglich das Drehbuch bei.<br />

Der traurige Schluss von Teil eins sei „im Film, weil er sich so ereignet<br />

hat", gab er 1978 in einem Interview an.<br />

Die Handlungen der Filme drehen sich auch in den weiteren Teilen<br />

von „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>" meistens um komplizierte Liebschaften des empfinds<strong>am</strong>en<br />

und notorisch kl<strong>am</strong>men Benny (Jesse Katzur). Ihm zur Seite<br />

steht seine resolute Mutter Sonya (Dvora Kedar), die ihrem Sohn schon<br />

mal ohne Wissen ihres Mannes Romek Geld zusteckt – aber auch das<br />

Nachbarkind mit Eiern bewerfen kann, wenn ihr dessen Geigengefiedel<br />

auf die Nerven geht. Mehrere Szenen spielen in Bennys Elternhaus in<br />

oftmals geselliger Verwandtenrunde.<br />

Das Aushängeschild hild und Gesicht der Reihe ist aber eindeutig i „der kleine,<br />

clevere Dicke". Das dürfte daran liegen, dass Johnny (Zachi Noy)<br />

in den Filmen eine ähnlich sympathische Rolle des Pechvogels wie<br />

Donald Duck in Entenhausen zufällt: Alles, was er in Sachen Amore<br />

anpackt, geht schief, und irgendwann erwartet dies das Publikum auch:<br />

So landet er in zahlreichen Verwechslungsszenen in Erwartung seiner<br />

Freundin im Bett von Bennys Mutter oder gerät beim Klavierunterricht<br />

unter den strengen Augen einer Beethoven-Büste nicht etwa an die<br />

nymphomanische Lehrerin, sondern an ihre Schwester. Klar, dass er bei<br />

Versuchen dieser Art viel einstecken muss.<br />

Dabei ist der korpulente Johnny aber eigentlich immer perfekt vorbereitet,<br />

wenn er das andere Geschlecht in Angriff nimmt: Er hat stets<br />

Seite 46 ■ GoodTimes 1/2015


Sophia<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Loren<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber


<strong>kult</strong>!<br />

Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />

THE SWEET


Pariser bei sich, kämmt sich die Haare, bevor er ein Mädchen anspricht,<br />

und verfügt über ein ansehnliches Repertoire an flotten Sprüchen (à<br />

la „Ich hab mit meinem schon Preise gewonnen, da hast du noch<br />

beidhändig gepullert"). Darüber hinaus entwickelt er als einziger der<br />

Jungs frühzeitig Geschäftssinn, indem er minutiös die Schulden seiner<br />

Freunde bei ihm protokolliert, eine<br />

„Datenbank" an D<strong>am</strong>en für gewisse<br />

Stunden führt, Motorradrennen<br />

inklusive eigenen Wettbüros veranstaltet<br />

und den Kofferraum<br />

seines Autos als Liebeslaube vermietet.<br />

In „Summertime Blues"<br />

schwingt er sich im K<strong>am</strong>pf<br />

gegen eine Motorrad-Gang zum<br />

Geschäftsführer einer Bar auf, um<br />

das schöne Geschlecht gewissermaßen<br />

in die eigenen vier Wände<br />

zu locken. Dass sich dabei „Bayerns<br />

hügeligster Exportartikel" Sybille<br />

Rauch als Eva erfolgreich um<br />

einen Personalposten ausgerechnet<br />

bei Bennys und Johnnys<br />

Freund bewirbt, dem Schönling Bobby, überrascht nicht. Am Ende findet<br />

Johnny möglicherweise sein persönliches Happy End mit dem einstigen<br />

„hässlichen Vogel<br />

mit Brille" und Opern-<br />

Fan Polly Braun, die<br />

eigentlich die zentrale<br />

Person des achten und<br />

letzten Films darstellt.<br />

Gespielt wird sie von<br />

Elfi Eschke, die mit<br />

Regisseur Reinhard<br />

Schwabenitzky, ihrem<br />

heutigen Ehemann,<br />

auch in zwei Didi-<br />

Hallervorden-Filmen<br />

zus<strong>am</strong>menarbeitete.<br />

Dass „Summertime<br />

Blues" der „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong><br />

<strong>Stiel</strong>"-Reihe zugeschlagen wurde, erfuhr Schwabenitzky nebenbei<br />

erst <strong>am</strong> Abend der Deutschland-Premiere, als er durchs Fenster seiner<br />

Limousine erstmalig die Werbeplakate zu sehen bek<strong>am</strong> ...<br />

Der Dritte im Bunde des Freundestrios ist bereits erwähnter<br />

Frauenschwarm Bobby, der nicht völlig zu Unrecht während seines<br />

Wehrdiensts (Teil vier, „Hasenjagd") von Unteroffizier R<strong>am</strong>irez (Josef<br />

Shiolach) den Spitzn<strong>am</strong>en „Elvis Presley" verpasst bekommt. Mit der<br />

Treue nimmt er es nicht so genau. Außerdem knackt er Autos, um seine<br />

gerade aktuelle Freundin ausfahren zu können, und hat Sex, während<br />

seine beiden Gefährten unter dem Bett und im Schrank feststecken.<br />

In Teil fünf simuliert er außerdem das Ertrinken im Meer, um sich von<br />

der Aushilfsbademeisterin beatmen lassen zu können („Ich wette, die<br />

hat meine Zunge im Hals, bevor es dunkel wird"), und besteht eine<br />

Mutprobe an einem Abgrund während eines Motorradrennens in den<br />

Dünen. Als er mitbekommt, dass seine jüngere Schwester sich mit<br />

Benny trifft, verprügelt er ihn. In Teil sechs, „Ferienliebe", der auf einem<br />

Kreuzfahrtschiff spielt, taucht er einmalig in einem „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>"-Film<br />

nicht auf, da er Urlaub in Amerika macht. Der wahre Hintergrund<br />

seiner Abwesenheit war ein Streit von Darsteller Jonathan Segal, im<br />

Privatleben bekennender Homosexueller, mit Regisseur Dan Wolman.<br />

Auf ihrer Jagd nach der holden Weiblichkeit sind die drei Jungs auch<br />

über das sich konstant durch die Reihe ziehende Schauen durch<br />

Gucklöcher in Umkleide- und Duschkabinen hinaus wahrlich keine<br />

Kinder von Traurigkeit: Sie befestigen Spiegel an ihren Schuhen,<br />

um dadurch den Slip von Mitschülerinnen und Lehrerinnen sehen<br />

zu können, schleichen ohne zu zahlen in ein Kino, fangen sich bei<br />

einer Prostituierten Filzläuse ein und klauen Leergut vom Hinterhof<br />

eines Lebensmittelgeschäfts, um es dort wieder abzugeben. Von den<br />

Schauspielern der alten Besetzung spielte 2001 in einer Neuverfilmung<br />

nur noch Zachi Noy mit, der sich frühzeitig dazu bekannt hatte, es<br />

als angenehm zu empfinden, über seine Rolle berühmt geworden zu<br />

sein – auch wenn er das Schicksal vieler Kollegen teilte, auf diese eine<br />

festgelegt zu werden.<br />

Kein Artikel über „<strong>Eis</strong> <strong>am</strong> <strong>Stiel</strong>"<br />

wäre indes vollständig, wenn er<br />

die wichtige Rolle des Soundtracks<br />

ausblenden würde. Little Richards<br />

"Long Tall Sally" steht <strong>am</strong><br />

Anfang der flotten Auftaktszene<br />

des ersten Werks, das nicht von<br />

ungefähr als Film über „Liebe,<br />

Freundschaft und peppige Musik"<br />

beworben wurde. In diesem<br />

Zus<strong>am</strong>menhang muss auch der<br />

N<strong>am</strong>e Jack Fishman erwähnt werden.<br />

Der Filmkomponist zeichnete<br />

als „music supervisor" verantwortlich<br />

und bewies durch seine<br />

Auswahl nachdrücklich, dass es<br />

bei Musikempfehlungen um mehr als Computer-Arithmetik geht.<br />

Zahlreiche Rock’n’Roll-Klassiker von "Lollipop" über "Be Bop A Lula"<br />

bis "Let’s Twist Again" verleihen den zugegebenermaßen<br />

intellektuell nicht gerade stimulierenden Plots<br />

Tempo und prägen diese vielleicht noch stärker als<br />

die Akteure. Dass es in den Filmen womöglich nicht<br />

um einzelne Charaktere, sondern um ein Lebensgefühl<br />

geht, könnten einstweilige Änderungen an den N<strong>am</strong>en<br />

der Hauptfiguren (außer Benny) beweisen. Musikalisch<br />

dürfen Stehblues-Begleitungen, oftmals einleuchtend<br />

mit weiblichen Vorn<strong>am</strong>en versehen ("Hey Paula",<br />

"Tell Laura I Love Her"), natürlich auch nicht fehlen.<br />

Besonders charmant ist es, wenn ein Song genau<br />

so wie die aktuell Angebetene heißt ("T<strong>am</strong>my",<br />

"Ginny Come Lately").<br />

Trotzdem bleibt der Titel<br />

von Teil zwei eine Illusion.<br />

Eine „Feste Freundin" hätte<br />

die Fortführung der Reihe erschwert, zumal<br />

das Thema Beziehungen im Vergleich zu<br />

den Slapstickeinlagen immer weiter in den<br />

Hintergrund rückte. Außerdem wirken die<br />

Filme zunehmend so, als ob sie in den 80ern<br />

nicht nur gedreht worden wären, sondern<br />

auch dann spielen würden. Irgendwann wiederholt<br />

sich auch der dennoch stets gelungene<br />

Soundtrack, und so manche Strandszene<br />

wirkt eher wie ein überdrehter <strong>Eis</strong>-Werbespot.<br />

Einmal fällt sogar der im Lichte der <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong><br />

sinnfreie N<strong>am</strong>e „E.T."<br />

Die acht Teile sind digital remastert und in<br />

voller Länge auf einer DVD-Box erhältlich, die<br />

ersten beiden obendrein als Super8-Versionen.<br />

In älteren Versionen geschnittene Szenen,<br />

die nachträglich eingefügt worden sind, liegen<br />

allerdings nicht mit deutschem Ton vor.<br />

Kompletts<strong>am</strong>mler müssten sich darüber hinaus<br />

eine VHS-Kassette besorgen: Von „Hasenjagd"<br />

existiert über Johnnys Militärdienst ein zweiter<br />

Teil (!), gewissermaßen „4b". Zachi Noy<br />

und Sybille Rauch, die 1981 übrigens auch<br />

in „Lass laufen, Kumpel!" der Ruhrpott-Sex-<br />

Kl<strong>am</strong>auk-Reihe gemeins<strong>am</strong> auftraten, stehen<br />

im Mittelpunkt des unter der Regie von Siggi<br />

Schissel gedrehten Films. Er ist in der besagten<br />

Box allerdings nicht enthalten.<br />

Thorsten Pöttger<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 55


Die Shaw Brothers<br />

..<br />

Asiens grOSSte<br />

FilmmogulE in<br />

Action<br />

Zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s<br />

2014 starben mit Run<br />

Run Shaw und Wu<br />

Ma zwei der letzten<br />

Größen der Shaw<br />

Brother Studios.<br />

Beide hatten wesentlichen<br />

Anteil an der<br />

Entstehung eines völlig<br />

neuen Kinogenres: des<br />

" Eastern".<br />

Von Alexander Querengässer<br />

Run<br />

Run<br />

Shaw<br />

wurde<br />

1907 in der chinesischen<br />

Küstenstadt<br />

Ningbo geboren. Mit<br />

19 <strong>Jahre</strong>n folgte er seinem<br />

sechs <strong>Jahre</strong> älteren<br />

Bruder Runme nach<br />

Singapur, wo sie ihre ersten<br />

Produktionsfirmen für Filme<br />

aufbauten. Zwei weitere<br />

Brüder, Runje und Runde,<br />

hatten bereits seit Anfang<br />

der 20er <strong>Jahre</strong> Erfahrungen<br />

im Filmgeschäft ges<strong>am</strong>melt,<br />

zogen sich aber nach der japanischen Invasion<br />

Chinas 1937 aus der Branche zurück. Weil<br />

einheimische Filmproduzenten in Singapur<br />

die ersten Projekte von Runme und Run Run<br />

Shaw boykottierten, pachteten sie kurzerhand<br />

ihr eigenes Kino, das Empire, für das<br />

sie ihre Filme nun fast exklusiv produzierten.<br />

Dabei entstanden zumeist Leinwandversionen<br />

chinesischer Opern. 1934 siedelten beide<br />

dann nach Hongkong über, wo sie 1958<br />

die Shaw Brother Productions gründeten.<br />

In der Clear Water Bay ließ Run<br />

Run ein gewaltiges Studio mit einer<br />

Kulissenstadt anlegen, die 1961 unter<br />

dem N<strong>am</strong>en Movietown eingeweiht<br />

wurde und seinerzeit die bestausgerüstete<br />

Die 36 K<strong>am</strong>mern der Shaolin"<br />

"<br />

Run Run Shaw (1907–2014), der Begründer des<br />

Film-Imperiums<br />

Seite 56<br />

■ GoodTimes 1/2015<br />

Gordon<br />

Liu, Die<br />

Erben der<br />

36 K<strong>am</strong>mern<br />

der<br />

Shaolin<br />

Produktionsstätte<br />

dieser Art in China<br />

war. Die Shaw<br />

Brothers Ltd. beschäftigte<br />

zu Beginn 1300<br />

Mitarbeiter.<br />

Von<br />

Anfang<br />

an verlegten<br />

sich die Brüder auf<br />

Actionfilme, für die sie auch die Drehbücher schrieben.<br />

Durch ihre enge Verbundenheit mit der Oper<br />

entstanden in dieser frühen Periode sehr<br />

mystisch angehauchte Streifen, die sich stark<br />

an der chinesischen Geschichte orientierten.<br />

Ende der Sechziger war der Schwertk<strong>am</strong>pffilm<br />

eines der dominierenden Genres <strong>am</strong> einheimischen<br />

Markt, und in diesem Bereich<br />

sollten sie denn auch ihren ersten großen Hit<br />

landen. 1967 drehte ein junges Regietalent<br />

des Studios, Chang Cheh, „The One Armed<br />

Swordsman". Cheh war massiv durch den<br />

Erfolg der Italo-Western Sergio Leones und<br />

Sergio Corbuccis beeinflusst. So wurden aus<br />

seinen Schwertkämpfern eins<strong>am</strong>e, verbitterte<br />

Fremde, die in eine von Banditen<br />

bevölkerte Gegend k<strong>am</strong>en und dort für<br />

Ordnung sorgten. Der Anteil gewalttätiger<br />

Szenen in den Filmen nahm enorm zu.<br />

Gerade hier entwickelte Cheh eine ganz


eigene Sprache: Er vergoss in einer Szene mehr Filmblut<br />

als Hollywood in einem ganzen Jahr, und während in<br />

den USA jeder über die Wirkung von S<strong>am</strong> Peckinpahs<br />

Zeitlupentechnik debattierte, hatte Cheh sich<br />

diese Technik bereits längst zueigen gemacht.<br />

Ein weiterer integraler Bestandteil seiner<br />

Erzählkunst sind Männerfreundschaften.<br />

Chehs Filme arbeiten immer mit mehreren<br />

Protagonisten, die durch ihre<br />

Lebensphilosophie Brüder im Geiste sind.<br />

Fast immer muss einer der „Brüder" sein<br />

Leben lassen, d<strong>am</strong>it der andere Rache dafür nehmen<br />

kann. Und bei Cheh konnte dieser Rachefeldzug<br />

auch sehr oft mit dem Tod des zweiten Bruders enden.<br />

Die Filme der Shaw Brothers setzten nicht immer auf ein<br />

kitschiges Hollywood-Finale, sondern sehr oft auf Tragik.<br />

The One Armed Swordsman" war der erste<br />

„ Film, der in Honkong mehr als eine Million<br />

Hongkong-Dollar einspielte, und er wurde zu einem<br />

Überraschungshit auch in den USA. Cheh drehte<br />

mehrere Fortsetzungen und Spin Offs, von denen<br />

„The New One Armed Swordsman" 1971 unter<br />

dem Titel „Das Schwert des gelben Tigers" als erster<br />

Shaw-Brother-Film in Deutschland anlief. Der Erfolg<br />

des chinesischen Studios war nicht nur der Qualität<br />

der Filme, sondern auch dem Marketingkonzept der<br />

Shaw Brothers zu verdanken. Sie kauften Dutzende<br />

von Kinos in den großen Städten, wo sie ausschließlich<br />

ihre eigenen Produktionen zeigten. Eine andere<br />

ihrer Hochburgen war Singapur. Und in Malaysia<br />

besaßen die Shaw Brothers Ende der Sechziger sogar<br />

etwa 1<strong>50</strong> eigene Kinos! Zu dieser Zeit beherrschte<br />

das Studio den ges<strong>am</strong>ten asiatischen Filmmarkt.<br />

Run Run Shaw spendete viel Geld für karitative<br />

Zwecke, Schulen und Krankenhäuser, weswegen er<br />

1974 von Elisabeth II. sogar zum Ritter geschlagen<br />

wurde.<br />

Die 36 K<strong>am</strong>mern der Shaolin"<br />

"<br />

Cheh und die Shaw Brothers wechselten Mitte der Siebziger dann<br />

zunehmend in das Kung-Fu-Genre über, in dem auch Wu Ma, ein<br />

Schützling der Etablierten, erfolgreich Filme drehte und etliche neue<br />

Stars hervorbrachte. Der kleine und bewegliche David Chiang sowie<br />

Frauenschwarm Ti Lung gehörten zu Chehs bevorzugten Darstellern.<br />

Beide galten nicht nur als gute Martial-Arts-Kämpfer, sondern auch<br />

als talentierte Schauspieler, wobei Lung bevorzugt melodr<strong>am</strong>atischtraurige<br />

Rollen spielte. Chiang war ein vielseitiges Talent, das später vor<br />

allem parodistische Akzente in die Filme einbrachte. Mitte der Siebziger<br />

überstrahlte sie jedoch ein neues Jugendidol: Alexander Fu Cheng<br />

legte seine Figuren prinzipiell viel humorvoller an und wurde der neue<br />

Kassenmagnet des Studios, bis er 1982 bei einem Autounfall starb.<br />

Der Ausstoß des Studios war über die <strong>Jahre</strong> enorm. Allein Chang Cheh,<br />

dessen Ziel es war, bei hundert Filmen Regie zu führen, drehte drei<br />

oder vier im Jahr. Ende der Siebziger verblasste indes seine Kreativität.<br />

Die poetischen Momente traten zugunsten endloser K<strong>am</strong>pfszenen zurück.<br />

Cheh choreografierte und inszenierte diese Actionszenen nach wie vor<br />

überragend, doch seinen Filmen fehlte es zunehmend an spannenden<br />

David Chiang in "<br />

Das Schwert<br />

des gelben Tigers"<br />

Geschichten und<br />

fesselnden<br />

Charakteren. Die<br />

eins<strong>am</strong>en Schwerträcher,<br />

die dem Italo-Western entlehnt<br />

waren, die tragischen „Brüdergespanne" wichen geradlinigen<br />

kitschig-ehrbaren Kung-Fu-Kämpfern. Trotzdem feierte er in der<br />

Spätphase seiner Karriere mit Filmen wie „Die unbesiegbaren Fünf" (1978)<br />

oder „Five Element Ninjas" (1982) internationale Erfolge.<br />

Doch ein neues Regietalent stand bereits in den<br />

Startlöchern. Lau Ka-Leung feierte 1978 mit „Die 36<br />

K<strong>am</strong>mern der Shaolin" seinen Durchbruch <strong>am</strong> heimischen wie<br />

<strong>am</strong> internationalen Markt und brachte mit Liu Chia-Hui auch<br />

einen weiteren Star hervor. „Die 36 K<strong>am</strong>mern" gilt heute als<br />

der einflussreichste Kung-Fu-Film überhaupt. Trotzdem fehlt<br />

Ka-Leungs Werk die poetische Kraft von Chang Chehs frühen<br />

Filmen. Seine Geschichte erzählt von dem jungen<br />

Shaolinmönch San Te, der auch einfachen Bauern<br />

die Kunst des Kung Fu beibringen möchte, d<strong>am</strong>it<br />

sie sich gegen die Unterdrücker der Mandschu-<br />

Dynastie durchsetzen können. Die Mandschu-Zeit<br />

bildete übrigens den historischen Hintergrund für<br />

viele Shaw-Brother-Filme.<br />

Durch den Erfolg ihrer eigenen Produktionen<br />

häuften Runme und Run Run Shaw ein großes<br />

Vermögen an, das es ihnen ermöglichte, auch in<br />

westliche Großprojekte zu investieren. Ohne ihren<br />

Beitrag wäre ein Klassiker wie Ridley Scotts in<br />

Singapur gedrehter „Blade Runner" wohl nie zustande<br />

gekommen. Doch nicht alle Projekte erwiesen sich<br />

als finanziell erfolgreich. Und auch im eigenen Land<br />

wuchs die Konkurrenz. Bereits Ende der Siebziger<br />

überflügelte das Golden Harvest Studio die Shaw<br />

Brothers. Es war von Ex-Shaw-Mitarbeiter Raymond<br />

Chow gegründet worden und beschäftigte einen Star,<br />

der sich den Abwerbeversuchen von Run Run und<br />

Runme beharrlich widersetzt hatte: Bruce Lee hatte<br />

kein Interesse an Filmen, in denen Faustkämpfer die<br />

Gesetze der Physik überwanden, indem<br />

sie von meterhohen Türmen sprangen<br />

oder durch die Luft flogen.<br />

Außerdem erlitt das Studio erhebliche<br />

finanzielle Einbußen durch die aufkommende<br />

Video-Piraterie. Daher stellten<br />

die Shaw Brothers 1985 überraschend die<br />

Produktion von Kinofilmen ein. Zu dieser<br />

Zeit fanden viele ihrer Streifen auch nur<br />

noch selten westliche Verleiher.<br />

Run Run Shaw konzentrierte sich fortan auf Fernsehproduktionen<br />

für seine eigene Firma Televisions Broadcast Limited (TVB), die er<br />

1967 gegründet hatte. Aus Movietown wurde TV-City. Zwar begann<br />

das Shaw-Brother-Studio in den 90er <strong>Jahre</strong>n auch wieder Filme für<br />

das Kino herzustellen, aber nie wieder in einem solchen Ausmaß wie<br />

zuvor. Im Jahr 2000 wurde ein Großteil der Rechte an den über 1000<br />

Shaw-Brother-Filmen an die neugegründete Celestial Pictures Limited<br />

verkauft. Da sich Eastern, ähnlich anderen Nischengenres wie dem<br />

Italo-Western, seit dem Millennium indes wieder einer wachsenden<br />

Popularität erfreuen, wurden viele der Filme seitdem restauriert und<br />

auf DVD veröffentlicht.<br />

Spätestens mit dem Tod von Run Run Shaw in diesem Januar geht<br />

das Kapitel der Shaw Brothers in der Geschichte des Kinos allerdings<br />

zu Ende. Ihre Filme waren actionbetonte Genreproduktionen, die viele<br />

kommende Regisseure, von John Woo (einem Schüler Chang Chehs) über<br />

Jackie Chan bis hin zu Quentin Tarantino,<br />

beeinflusst haben ...<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 57


40 <strong>Jahre</strong><br />

VW Golf<br />

Erfolgsgeschichte<br />

auf vier Rädern<br />

Am Anfang stand die Katastrophe. Für Volkswagen war der<br />

Käfer über Jahrzehnte Cash-Cow und Maß aller Dinge<br />

zugleich. Bis zu 6000 Stück rollten pro Tag vom Band.<br />

Kein deutsches Auto war billiger und warf trotzdem noch<br />

Gewinn ab. Der Käfer läuft und läuft und läuft und läuft und läuft,<br />

suggerierte die Werbung. Nie, so hatte der einstige VW-Patriarch<br />

Heinrich Nordhoff verkündet, könne der rundliche Kult-VW ersetzt<br />

werden. So kann man sich irren.<br />

Anfang der 1970er <strong>Jahre</strong> brach der deutsche Automarkt desaströs<br />

zus<strong>am</strong>men. 1972 sank die Zahl der Zulassungen in der Republik unter die<br />

des vorangegangenen Rekordjahres, 1973 lagen sie niedriger als 1970,<br />

und 1974 gar sackten sie unter die des <strong>Jahre</strong>s 1969. Endzeitstimmung<br />

machte sich breit in den<br />

Chefetagen der deutschen<br />

Autobauer. Denn<br />

auch das Image des<br />

Automobils, zuvor zwei<br />

Jahrzehnte lang ein<br />

Sinnbild für sozialen<br />

Aufstieg, wirtschaftlichen<br />

Aufschwung und<br />

neue Freiheit, kippte ins<br />

Negative. 1973 etwa<br />

Rudolf Leiding<br />

ging<br />

der d<strong>am</strong>alige Bundesstädtebauminister<br />

Hans Jochen Vogel (SPD) auch mit dem<br />

Slogan „Das Auto mordet unsere Städte"<br />

auf Wahlk<strong>am</strong>pftour. Ölkrise, autofreie<br />

Sonntage, explodierende Benzinpreise e<br />

und das neue Tempolimit taten ihr<br />

Übriges, um Autokäufer abzuhalten.<br />

Die Chefs der Autohersteller reagierten<br />

verstört. BMWs d<strong>am</strong>aliger<br />

Verkaufsleiter Lutz sprach von einer<br />

„Katastrophe", Porsche-Boss Ernst<br />

Fuhrmann vom „Tod" der Branche.<br />

Und VW-Chef Rudolf Leiding sah schon<br />

den „Untergang" nahen. Nicht ohne<br />

Grund: 1971 noch hatte Volkswagen mehr als<br />

1,7 Millionen Fahrzeuge produziert, 914.030 davon waren Käfer.<br />

1974 baute VW gerade mal<br />

noch 1,2 Millionen Autos,<br />

die Zahl der Käfer darunter<br />

hatte sich gar halbiert.<br />

Die Modellpalette<br />

der Wolfsburger bestand<br />

zum größten Teil aus<br />

Fahrzeugen mit veralteter<br />

Technik, mit Luftkühlung<br />

und Heckmotoren.<br />

Kurt Lotz, Nachfolger<br />

von Nordhoff und<br />

VW-Vorstandsvorsitzender<br />

von 1968 bis 1971, verstand<br />

wenig vom Automobilbau<br />

und -geschäft. Jeder<br />

wusste, dass ein neues<br />

Modellprogr<strong>am</strong>m her musste,<br />

aber wie es aussehen<br />

sollte, mochte niemand so<br />

richtig entscheiden.<br />

Erst Lotz' Nachfolger Rudolf Leiding<br />

machte Nägel mit Köpfen:<br />

Das Projekt des bei Porsche unter Leitung<br />

von Ferdinand nd<br />

Piech entwickelten<br />

Mittelmotorautos EA 266 wurde kur-<br />

zerhand beerdigt, obwohl es schon<br />

100 0 Millionen D-Mark verschlun-<br />

gen hatte.<br />

„EA" steht für<br />

„Entwicklungsauftrag".<br />

In kürzester<br />

Zeit erfolgte<br />

der Startschuss<br />

für drei<br />

Modellreihen, die<br />

auch heute noch die<br />

Basis<br />

des Geschäfts<br />

von VW ausmachen:<br />

Polo, Golf und Passat.<br />

Seite 58 ■ GoodTimes 1/2015


WWW.DASMAGAZIN.DE<br />

Seit 1924 | Oktober 2014 | Euro 3,30<br />

90 6090<br />

Den Golf hatte Lotz bereits als halbfertige Modellstudie mit dem schönen<br />

Kürzel EA 337 vorgefunden.<br />

Die Früchte dieser Entscheidung allerdings erntete erst sein<br />

Nachfolger Toni Schmücker: Schnell waren die Zahlen wieder tiefschwarz,<br />

vor allem dank des Golf. „Der Erfolg des Golf", so räumte<br />

Schmücker ein, „hat uns total überrascht."<br />

Der Golf mischte den darniederliegenden Automarkt gründlich auf.<br />

Schon im Oktober 1974 wurden von ihm mehr Exemplare verkauft als<br />

von sämtlichen Opel-Pkw zus<strong>am</strong>men. Der Marktanteil von Ford, einstmals<br />

stolze 18 Prozent, schrumpfte schnell auf nur noch acht Prozent.<br />

Besonders hart traf es die Importeure. Noch im Frühjahr 1975 hielten<br />

Franzosen und Italiener 27 Prozent des deutschen Automarktes – im<br />

JETZT<br />

neu<br />

Fanfare! Tusch! Konfetti!<br />

DAS MAGAZIN hat Geburtstag<br />

Jubiläumsausgabe<br />

Giorgio Giugaro<br />

Spätsommer bereits waren es gerade noch 20 Prozent. Der heimische<br />

Massenmarkt war wieder fest in der Hand der deutschen Hersteller.<br />

Anders als es die Verschwörungstheorien im Netz glauben machen<br />

(siehe Kasten), hat der VW Golf viele und durchweg bekannte<br />

Väter. Die technische Konzeption st<strong>am</strong>mt vom ehemaligen NSU-<br />

Entwicklungsleiter Hans-Georg Wenderoth und orientierte sich <strong>am</strong><br />

d<strong>am</strong>aligen Audi 80. Die zeitlose Form der Karosserie kommt aus der<br />

Feder des Italieners Giorgio Giugaro. Zu dessen Schöpfungen zählen<br />

auch Lotus Esprit, Fiat Uno, Fiat Punto und Lancia Delta – oder die<br />

Profi-K<strong>am</strong>era Nikon F4.<br />

Auf den Markt k<strong>am</strong> der Golf, intern VW Typ 17 getauft, im Mai<br />

1974. Zum Start arbeitete in dem Fünftürer ein quer eingebauter,<br />

wassergekühlter 70-PS-Motor mit 1,5 Liter Hubraum. Angetrieben<br />

wurden die Vorderräder. Der Preis: 9785 D-Mark. Günstigstes Modell<br />

war der Golf als Dreitürer und mit <strong>50</strong> PS zum Preis von 8000 D-Mark.<br />

Der erste Golf war 3,705 Meter lang, 1,610 Meter breit und 1,410<br />

300 <strong>Jahre</strong> D<strong>am</strong>pfkochtopf, 100 <strong>Jahre</strong> Erster<br />

Weltkrieg, 100 <strong>Jahre</strong> Acht-Stunden-Tag,<br />

natürlich 25 <strong>Jahre</strong> Mauer fall – es gibt in<br />

diesem Jahr wieder viel zu feiern und<br />

zu bedenken. Und nun auch noch DAS<br />

MAGAZIN! 1924 zum ersten Mal erschienen<br />

und 1954 erneut. Eine spannende Geschichte.<br />

Bisher weitgehend Unbekann tes<br />

aus der zweiten Gründerzeit lesen Sie im<br />

neuen Heft. Von einem, der dabei war. Und<br />

sonst? Kichernde Steine aus Japan, reich<br />

werden im Halbschlaf, warum es keine<br />

Schönheit ohne Intelligenz gibt (Aktfotografen<br />

erklären das), Satiren, Literatur,<br />

Cartoons und jede Menge Spaß. Wie jeden<br />

Monat. Seit 90 <strong>Jahre</strong>n. Lesen Sie es selbst!<br />

Sie kennen DAS MAGAZIN noch nicht?<br />

Schicken Sie uns eine Mail und<br />

wir senden Ihnen eine Probeausgabe<br />

zu. Stichwort »Kult«:<br />

ERHÄLTLICH<br />

sekretariat@dasmagazin.de<br />

AUCH ALS<br />

e-paper<br />

Golf in Pink beim GTI-Treffen <strong>am</strong> Wörthersee<br />

HINTERHER IST MAN IMMER SCHLAUER


Meter hoch – heute ist selbst<br />

der aktuelle VW Polo mehr als<br />

25 Zentimeter länger.<br />

Der Golf machte schnell<br />

Karriere und begründete ein<br />

neues Fahrzeugsegment: die<br />

Kompaktklasse. Oder eben:<br />

die „Golfklasse". Schon 1976<br />

wurden mehr als eine halbe<br />

Million Stück gebaut. Keine<br />

andere Modellreihe von VW<br />

k<strong>am</strong> da auch nur annähernd<br />

heran. Die Wolfsburger brachten<br />

immer mehr Derivate und<br />

Motorisierungen auf den Markt.<br />

Im September 1976 nagelte der<br />

kleinste und spars<strong>am</strong>ste Pkw-<br />

Diesel in einem Golf. Mit diesem<br />

Motor wurde VW zum größten<br />

Produzenten von Dieselmotoren<br />

auf der ganzen Welt. Auf dem<br />

Genfer Autosalon wurde 1979<br />

das erste Golf Cabrio vorgestellt.<br />

Der wegen seines gewöhnungsbedürftigen<br />

Überrollbügels im Volksmund „Erdbeerkörbchen"<br />

getaufte offene Golf ging ab 1980 bei Karmann in Osnabrück<br />

vom Band. Und seit 1979 rollt auch ein Golf über<br />

die Straßen dieser Welt, von dem die meisten gar<br />

nicht wissen, dass es einer ist: Die Stufenheck-eck-<br />

Limousine VW Jetta ist mit identischer Technik<br />

vom Golf abgeleitet und zählt zum Beispiel<br />

in der offiziellen Zulassungsstatistik des<br />

Kraftfahrtbundes<strong>am</strong>tes ganz offiziell als Golf.<br />

Eine erste Krönung der Baureihe gab es<br />

1976 mit dem 110 PS starken Golf GTI – der<br />

erste Ausflug von VW auf die dunkle Seite e<br />

der Macht: unvernünftig, ungestüm und völlig<br />

untypisch für die bieder-drögen Wolfsburger.<br />

Frech prangte das GTI-Logo an der linken Seite des<br />

einen 911er fahren durfte, war<br />

das ein Erlebnis. Und auf einmal<br />

war das mit dem GTI auch<br />

möglich – auf einem anderen<br />

Level zwar, aber doch für<br />

jedermann erschwinglich."<br />

So wie VW mit dem Golf<br />

die Golfklasse kreierte, so<br />

entstand mit dem GTI eine<br />

eigene Klasse in der Klasse:<br />

die des halbwegs erschwinglichen<br />

Volkssportwagens. Der<br />

Wolfsburger Breitensportler<br />

wurde auch bei anderen<br />

Marken zum Urvater für sportliche<br />

Modellreihen. Den Opel<br />

Manta GT/E gab es zwar auch<br />

schon, aber die Rüsselsheimer<br />

rüsteten ihn flugs zum GSi<br />

auf und schickten einen<br />

hochgemotzten Kadett gleich<br />

hinterher. Peugeot stellte die<br />

Asphaltfräse 205 GTI auf die<br />

Räder. Und auch VW reichten<br />

die 110 PS bald nicht<br />

mehr. Nach und nach klet-<br />

terte die Leistung auf die aktuellen 230<br />

PS beim<br />

GTI Performance der nun<br />

siebten Golf-Generation. Heute<br />

gibt<br />

es vom Ford Focus ST<br />

über den Mazda 3 MPS<br />

bis zum Opel Astra<br />

OPC etliche Kompakte<br />

mit<br />

Nordschleifen-<br />

Ambitionen. Und mit<br />

dem Golf R32 machte<br />

sich der Golf auch selbst<br />

noch Konkurrenz – mit 2<strong>50</strong><br />

PS<br />

und Sechszylindermotor.<br />

Im<br />

Laufe von vier Jahrzehnten<br />

hat sich der Golf prächtig entwickelt:<br />

Seit dem Start wurden bis heute deutlich<br />

über 30 Millionen Stück in sieben Modellgenerationen gebaut. Aus den<br />

anfangs 3,70 Metern Länge sind 4,26 Meter geworden, aus den schlanken<br />

1,61 Metern Breite 1,79 Meter. Und das Leichtgewicht von einst mit rund<br />

900 Kilo Leergewicht erreicht mit dem Hüftgold von heute mindestens<br />

1,2 Tonnen. Dazu kommen ein Kombi und ein Sportsvan mit noch üppigeren<br />

Dimensionen. Wo beim Parken früher Übersichtlichkeit und Gehör<br />

reichen mussten, gibt's jetzt gegen Aufpreis einen Parkassistenten, der ihn<br />

selbstständig in die Lücke lenkt. Tempomat, Spurhalteassistent, Bi-Xenon-<br />

Lichtwerfer, 2-Zonen-Klimaautomatik, Sitzheizung, Fahrprofilauswahl,<br />

Kühlergrills, d<strong>am</strong>it die anderen es im Rückspiegel bloß nicht übersahen.<br />

Die linke Spur gehörte auf einmal nicht mehr nur dem Porsche, BMW<br />

und Mercedes.<br />

Unter der Haube des GTI krakeelte rauflustig ein 1,6 Liter großer<br />

Vierzylinder-Einspritzer, innen gab es ein Dreispeichen-Volant, das<br />

wegen seiner becherförmigen Nabe respektlos „Spucknapf-Lenkrad"<br />

genannt wurde, den Golfball auf dem Schaltknauf, die straffen Sitze<br />

mit schwarz-roten Karos bezogen – und ab ging die Post. Gerade mal<br />

900 Kilogr<strong>am</strong>m schwer, reichten auch 110 PS, um den GTI in d<strong>am</strong>als<br />

sagenhaften 9,2 Sekunden von 0 auf 100 zu katapultieren.<br />

Eigentlich war nur eine kleine Serie von <strong>50</strong>00 Exemplaren des mit<br />

13.8<strong>50</strong> D-Mark doch ganz schön teuren GTI geplant – wir wiederholen<br />

uns: So kann man sich irren.<br />

„Sonst gab es d<strong>am</strong>als ja nichts", erinnert sich Rennsportlegende<br />

Hans-Joachim Stuck an die Zeiten des ersten GTI. „Wenn man mal<br />

Panor<strong>am</strong>adach – das Büchlein mit den bestellbaren Zusatzausstattungen<br />

ist inzwischen ähnlich dick wie das Taschenbuch zum Auto: „Generation<br />

Golf" von Florian Illies.<br />

Jürgen Wolff<br />

Abb. © Jürgen Wolff<br />

Seite 60 ■ GoodTimes 1/2015


Alles nur geklaut?<br />

W ir wissen es ja alle: Marilyn wurde vom CIA ermordet, die<br />

Amerikaner sind nie auf<br />

dem Mond gelandet,<br />

Michael Jackson war ein Alien,<br />

und Elvis betreibt ein Diner in<br />

Wisconsin. Vor allem aber: Der<br />

VW Golf ist ursprünglich in der<br />

DDR erfunden worden. Wie für<br />

jede gute Verschwörungstheorie,<br />

so gibt es auch für diese natürlich<br />

unwiderlegbare Beweise. Und ein<br />

Körnchen Wahrheit ist – vielleicht<br />

– tatsächlich dran.<br />

Denn das Problem der Autobauer<br />

in der DDR war nicht, dass sie<br />

ihr Handwerk nicht verstanden<br />

oder keine Ideen gehabt hätten.<br />

Ihr Problem war, dass sie nicht<br />

durften.<br />

Der Trabant etwa war anfangs ein<br />

durchaus auch im Westen konkurrenzfähiges<br />

Auto. Zu einer Zeit,<br />

als Autos wie der Fiat <strong>50</strong>0, der<br />

NSU Prinz, der BMW 600 oder das<br />

Goggomobil noch mit Heckmotor<br />

und -antrieb unterwegs waren,<br />

bauten die Zwickauer den Trabant P <strong>50</strong> bereits mit Frontmotor t und<br />

Frontantrieb. Nur: Auf diesem Konstruktionsstand wurde der Trabant<br />

über die Jahrzehnte von den Oberen der DDR eingefroren. Die Ingenieure<br />

bei Sachsenring mochten die Köpfe noch so rauchen lassen: Ihre Ideen<br />

k<strong>am</strong>en nie über das Stadium von Studien und Entwürfen hinaus. „Da<br />

sind Menschen dran zerbrochen", sagt Klaus-Dieter Fiesinger, Leiter der<br />

Automobilen Welt <strong>Eis</strong>enach.<br />

Einer dieser Entwürfe, von dem es nur noch eine vertrauliche Vorlage<br />

an die Werksleitung und ein Schwarz-Weiß-Foto auf deren Umschlag<br />

gibt, ist der Trabant P 603. Und der sieht dem VW Golf I verblüffend<br />

ähnlich: Fließheck, kantige Motorhaube, breiter Kühlergrill.<br />

Überraschung: Dieser DDR-Entwurf st<strong>am</strong>mt aus dem <strong>Jahre</strong> 1966. Der<br />

Golf aus Wolfsburg k<strong>am</strong> erst acht <strong>Jahre</strong> später auf den Markt.<br />

Als nach der Wende die einstmals geheimen Pläne der Trabi-<br />

Konstrukteure nach und nach auftauchten, begann die Legendenbildung.<br />

Eine davon: Der Golf sei eigentlich von der Grundidee her eine DDR-<br />

Erfindung. Wahlweise waren demnach die Pläne des P 603 heimlich<br />

von der DDR an Volkswagen verkauft worden, um an West-Devisen<br />

zu kommen. Oder die<br />

prickelndere Version: Der<br />

Bundes nachrichtendienst<br />

habe die Pläne schlicht<br />

und einfach geklaut und<br />

nach Wolfsburg durchgereicht,<br />

um den teilstaatlichen<br />

VW-Konzern vor<br />

einer drohenden Pleite<br />

zu retten.<br />

Klingt<br />

schön und wie<br />

ein Krimi – ist aber<br />

kaum plausibel. Rein<br />

optisch sieht der P 603<br />

zwar wirklich aus wie<br />

der Urmeter des VW<br />

Golf. Aber um die Form<br />

zu klauen, hätte man<br />

sich nicht unbedingt<br />

beim<br />

sozialistischen<br />

Klassenfeind bedienen<br />

müssen. Die Zeit war<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 61<br />

Von<br />

Jürgen Wolff<br />

offensichtlich einfach reif für dieses Design. Mit<br />

dem 1964 vorgestellten Renault 16 war längst<br />

ein Auto mit großer Heckklappe auf den Straßen<br />

unterwegs. Und auch der Renault 5 ähnelte 1972<br />

dem Golf deutlich mehr als der P 603. Der seit<br />

1964 gebaute Autobianchi Primula hatte ebenfalls<br />

eine Vollheckkarosserie wie später der Golf. In<br />

Deutschland selbst war lange vor dem ersten VW Golf<br />

der Glas 1004 CL auf dem Markt, den der Italiener<br />

Pietro Frua gezeichnet hatte.<br />

Selbst in der DDR war die Schrägheck-Studie aus<br />

Zwickau nicht das einzige Auto, das lange vor dem<br />

Golf ähnlich aussah wie der Golf. Erhalten ist zum<br />

Beispiel noch ein knallgrünes Wartburg 355 Coupé aus<br />

dem <strong>Jahre</strong> 1968. Die Polyester-Karosse des nur 840<br />

Kilogr<strong>am</strong>m schweren Wartburg ist glasfaserverstärkt. Ein Zweitaktmotor<br />

mit 55 PS brachte das<br />

Auto auf 145 km/h.<br />

Unter dem Kleid unterschieden<br />

sich Trabant P<br />

603 und VW Golf ohnehin<br />

beträchtlich. Der<br />

P 603 hätte eine mit<br />

Kunststoff<br />

beplankte<br />

Gitterrohrkarosse gehabt,<br />

der Golf bek<strong>am</strong> eine selbst<br />

tragende Stahlkarosserie.<br />

In der Wirklichkeit wird<br />

nun mal doch langweiliger<br />

gekocht als in der<br />

Gerüchteküche: Die Amis<br />

sind wirklich auf dem<br />

Mond gelandet, Elvis<br />

betreibt kein Diner in<br />

Wisconsin, sondern in<br />

Minneapolis – und der<br />

Golf ist kein verkappter<br />

Trabant.


<strong>kult</strong>! Bücher<br />

Von Alan Tepper<br />

Die Nachricht, dass ein großer US-<strong>am</strong>erikanischer Online-<br />

Händler eine Flatrate für Bücher für Lesegeräte anbietet,<br />

hat die deutschen Verlage aufgeschreckt. Mal wieder – wie<br />

schon zuvor bei Tonträgern – werden dadurch die Preise<br />

und d<strong>am</strong>it einhergehend das Niveau gesenkt. Hier gilt die<br />

Devise "<br />

Mehr ist besser", wobei übersehen wird, dass gerade<br />

die Konzentration auf und die Auseinandersetzung mit<br />

Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

Literatur die höchsten Werte darstellen, nämlich im besten<br />

Fall eine persönliche Entwicklung und die Erweiterung des<br />

Wissens, nicht zu vergessen den unterhaltenden Aspekt.<br />

Glücklicherweise gilt in Deutschland noch die Buchpreisbindung,<br />

die den Kulturträger Buch von einem R<strong>am</strong>sch-<br />

Supermarktartikel abhebt und den Kulturschaffenden mit<br />

geringen Auflagen zumindest noch einen Minilohn sichert.<br />

J<strong>am</strong>es Joyce –<br />

J<strong>am</strong>es Fenimore Cooper –<br />

" Bleeding Edge" "<br />

Die linke Hand der Dunkelheit"<br />

Der letzte Mohikaner"<br />

" Ulysses"<br />

Thomas Pynchon –<br />

Ursula K. Le Guin –<br />

J" <strong>am</strong>es Fenimore Coopers (15. September 1789–14. September 1851)<br />

wohl wichtigster Band aus der Lederstrumpf-Reihe wurde von vielen<br />

Lesern meist parallel zu den Karl-May-Romanen<br />

„verschlungen". Obwohl sich die Autoren deutlich<br />

unterscheiden, prägten die von ihnen transportierten<br />

Bilder die Sichtweise des deutschen<br />

Publikums – besonders in den <strong>50</strong>er<br />

und 60er <strong>Jahre</strong>n – hinsichtlich<br />

der Geschichte der USA fund<strong>am</strong>ental.<br />

Coopers fiktives Werk<br />

(1826) zeichnet sich durch<br />

einen höheren Realitätsbezug<br />

aus, da es teilweise i auf historischen Ereignissen<br />

basiert. Während des Krieges der Franzosen gegen<br />

die Engländer zur Zeit der Kolonialisierung schildert<br />

er das Schicksal von Major Duncan Heyward,<br />

der mit seinen indianischen Verbündeten Chingachgook und Uncas<br />

von St<strong>am</strong>me der Mohikaner seine Geliebte Alice und deren Schwester<br />

Cora aus der Gefangenschaft der Huronen befreien will. Neben den<br />

Naturdarstellungen fasziniert die Beschreibung des gerade von den<br />

Europäern entdeckten Kontinents. Mehr als ein Jugendbuch!<br />

Thomas Pynchon (geb. 8. Mai 1937) bedient sich hinsichtlich seiner<br />

Selbstvermarktung eines der strategisch klügsten Schachzüge – er<br />

ließ sich nämlich überhaupt nicht in der<br />

Öffentlichkeit blicken und wurde darum<br />

im Laufe der <strong>Jahre</strong> zu einem Mysterium.<br />

Sein M<strong>am</strong>mutwerk „Das Ende der Parabel"<br />

(englisch „Gravity’s Rainbow") zählt eindeutig<br />

zu den Kultbüchern, obwohl die<br />

Lektüre überaus anstrengend und ohne<br />

einen erklärenden Text<br />

kaum möglich ist. Mit<br />

dem aktuellen Roman<br />

begibt sich Pynchon<br />

auf anspruchsvolles,<br />

aber leichter zugängliches<br />

Terrain. In seinem hochindividuellen Still<br />

verknüpft er die Geschichte der Betrugsermittlerin<br />

Maxine Tarrow (eine harte Detektivin), die sich<br />

mit der New Yorker Unterwelt einlässt, mit einem<br />

Handlungsstrang, der eine dem „Second Life" ähnliche Internet-<br />

Plattform n<strong>am</strong>ens „DeepArcher" porträtiert. Die im Jahr 2001 zur Zeit<br />

von 9/11 spielenden Handlungsstränge werden vom Autor kunstvoll,<br />

wenn auch gelegentlich ein wenig verwirrend ineinander verwoben.<br />

Für wagemutige Leser.<br />

Der irische Schriftsteller J<strong>am</strong>es Joyce (2. Februar 1882–13. Januar<br />

1941) benötigte beinahe zehn <strong>Jahre</strong>, um sein allgemein der<br />

Hochliteratur zugerechnetes Hauptwerk „Ulysses"<br />

zu verfassen. Das 1922 publizierte Werk gilt als<br />

der erste Roman, in dem die sogenannte Stre<strong>am</strong>-<br />

Of-Consciousness-Technik konsequent angewandt<br />

wurde, durch die der Autor<br />

die Gedankengänge seiner<br />

Protagonisten unzensiert darstellt,<br />

was nach Veröffentlichung<br />

zu Debatten hinsichtlich der<br />

angeblichen Obszönität führte. Joyce beschreibt in<br />

„Ulysses" (deutsch: Odysseus) einen Tag (es ist der<br />

16. Juni 1904) im Leben des Anzeigenverkäufers<br />

Leopold Bloom, und zwar meist, aber nicht nur<br />

aus seiner Perspektive. All die von ihm – oder den anderen Figuren –<br />

wahrgenommenen Eindrücke vereinen sich zum einem Bild von Dublin,<br />

bei dem die Gegensätzlichkeit der Stadt zur Geltung kommt. Mediziner,<br />

Gelehrte, Geschäftsbesitzer und sogar ein Bordellbesuch werden von<br />

Joyce mit sprachlicher Raffinesse, aber auch verwirrenden Einschüben<br />

dargestellt. Weltliteratur!<br />

Ursula K. Le Guin (geb. 21. Oktober 1929) hat mit ihren Büchern,<br />

die sich im Spannungsfeld Fantasy, fantastische Literatur und<br />

Science Fiction bewegen, nicht nur ein<br />

imposantes Ges<strong>am</strong>twerk erschaffen, sondern<br />

zugleich – im letztgenannten Genre – eine<br />

Männerdomäne erobert und ganz nebenbei<br />

die begehrtesten Preise gewonnen. Ihr Roman<br />

aus dem Jahr 1969 wurde nun zur <strong>50</strong>-jährigen<br />

Feier „Science Fiction bei Heyne" neben<br />

anderen wichtigen<br />

Titeln neu aufgelegt.<br />

Er gilt als die<br />

erste Geschlechter-<br />

Utopie und wird allgemein<br />

der feministischen i SF zugerechnet.<br />

Le Guin beschreibt den Planeten, dessen<br />

Bewohner fast ihr ganzes Leben (bis auf<br />

die Zeit der Fortpflanzung) geschlechtslos<br />

sind. Die sich aus dieser Konstellation ergebenden<br />

Beziehungen, wie zum Beispiel veränderte Machtverhältnisse<br />

oder ein anti-dualistisches Denken, werden aus der Perspektive der<br />

Terraner anschaulich und plastisch dargestellt. Eins der größten Werke<br />

der Science Fiction, das auch heute noch zu Gedankenspielen und<br />

Fabulieren anregt.<br />

Seite 62 ■ GoodTimes 1/2015


Siri Hustvedt – "<br />

Leben, Denken, Schauen"<br />

Die <strong>am</strong>erikanische Autorin Siri Hustvedt (geb. 19. Februar 1955) hat<br />

sich besonders in den letzten <strong>Jahre</strong>n den Ruf einer Kultautorin verdient,<br />

da ihr Ges<strong>am</strong>twerk eine verblüffende Melange<br />

aus Fiktion, kritischen Essays und wissenschaftlichen<br />

Betrachtungen darstellt. Es ist nicht nur die bemerkenswerte<br />

Sensibilität, mit der sie mit Sprache umgeht,<br />

sondern auch ihre vorzügliche Beobachtungsgabe,<br />

durch die sie dem Leser neue Perspektiven vermittelt.<br />

Und ja, man kann Hustvedt auch als intellektuelle<br />

Feministin bezeichnen, obwohl sie weit vom<br />

Kreisch-und-Zeter-Feminismus einer Alice Schwarzer<br />

entfernt ist und sich eher als Analytikerin der<br />

Wechselbeziehungen h zwischen Mann und Frau versteht. Die Frau des<br />

ebenso populären Paul Auster hat mit Romanen wie „Die Verzauberung<br />

der Lily Dahl", „Was ich liebte", „Der Sommer<br />

ohne Männer" und dem wissenschaftlich orientierten<br />

„Die zitternde Frau: Eine Geschichte<br />

meiner Nerven" beeindruckende Werke vorgelegt,<br />

die mit dem in diesem Jahr erschienenen „Leben,<br />

Denken, Schauen" ergänzt werden. Das fast <strong>50</strong>0<br />

Seiten umfassende Buch vers<strong>am</strong>melt diverse Essays<br />

zu dem im Titel angegebenen Themengebieten. Biografische Berichte<br />

(„Gedanken über das Wort Skandinavien"), eine Auseinandersetzung mit<br />

ihren neurologischen Störungen („Mein selts<strong>am</strong>er Kopf: Anmerkungen zur<br />

Migräne") oder ein Kurztext über die Bedeutung der kleinen Dinge, die<br />

ein Leben so schön machen („Blumen") zeigen Hustvedts leichte, doch<br />

ungemein treffende Sprache. Zum Themenzyklus Denken sind Texte über<br />

die Funktion des Lesens zu finden, die Bedeutung der Psychoanalyse<br />

oder das sprachliche Klima. Auch hier verzaubert die Autorin, da ihr Stil<br />

wie ein Gespräch zwischen intimen Freunden anmutet. Doch die wohl<br />

aufschlussreichsten Essays finden sich zum Thema „Schauen", da hier<br />

Kunsttheorie, Kunstwerke, Fotografie und sogar Körperlichkeit mit so<br />

viel Eindringlichkeit und Gefühl behandelt werden, dass das Lesen einer<br />

Lustreise gleichkommt. Lohnenswert, lehrreich und intensiv.<br />

Jack London – "<br />

Wolfsblut"<br />

Die Bücher von Jack London (12. Januar 1876–22. November 1916)<br />

werden in Deutschland oft als „Abenteuerromane für Jugendliche"<br />

deklariert, obwohl das Werk des Autors aus internationaler<br />

Perspektive eine offenere und multiple<br />

Würdigung erfahren hat. Ein Grund für die verkürzende<br />

Reduktion ist – speziell bei dem Roman<br />

„Wolfsblut" – sicherlich bei der Erstpublikation des<br />

Karl-May-Verlegers Friedrich Ernst Fehsenfeld in<br />

der „Welt der Fahrten und Abenteuer" zu finden,<br />

die eine zwangsläufige Kategorisierung nach sich<br />

zog. Doch vergleichbar mit Romanen wie „Der<br />

Seewolf" (1904; 1972 als Weihnachtsvierteiler mit<br />

Raimund dHarmstorf verfilmt), „Der Ruf der Wildnis" (1903) oder „Lockruf<br />

des Goldes" (1910) bietet der Text mehr Tiefe, als augenscheinlich zu<br />

vermuten wäre. Es finden sich die leicht aus Londons Biografie abzuleitenden<br />

Themenschwerpunkte wie der K<strong>am</strong>pf um<br />

die eigene Existenz, das Hinterfragen von verschiedenen<br />

Gesellschaftsformen, die immanente Gefahr des<br />

Scheiterns und natürlich die Möglichkeiten der diversen<br />

Entwicklungsverläufe. „Wolfsblut" erschien 1906 zuerst<br />

als Vorabdruck im „Outing Magazine" und kurz danach<br />

im Buchformat. Die aktuelle Neuübersetzung von Lutz-W. Wolff bei dtv<br />

zählt mit zu den besten Übertragungen. Das Werk spielt in Alaska und<br />

Kanada und erzählt die Geschichte des Mischlingshundes Wolfsblut und<br />

dessen Reise von der Wildnis in die Zivilisation. Nachdem Wolfsblut die<br />

brutale Realität der Tierwelt erfahren hat, erlebt er die Welt der Menschen<br />

und s<strong>am</strong>melt unterschiedlichste Erfahrungen. London beschreibt einen<br />

Teil der Erzählung aus der Perspektive von Wolfsblut, wodurch er das<br />

emotionale Leben des Tieres darstellt. Das mag zwar naturwissenschaftlich<br />

nicht korrekt sein, untermauert aber Londons These, dass die Umwelt das<br />

Individuum prägt und dessen positive und negative Eigenschaften anregt.<br />

„Wolfsblut" schließt mit einem Happy End, was vielleicht ein wenig rührselig<br />

wirken mag, aber zugleich auch für Londons Sehnsucht nach einer<br />

neuen Humanität steht.<br />

Foto: ZDF / Dominik Beckmann – Mitten im Leben die Sendung <strong>am</strong> 18.10.2014 im ZDF<br />

UDO<br />

JÜRGENS<br />

UND SEINE GÄSTE<br />

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Das Album zur ZDF-Geburtstagsgala<br />

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CHRISTINA STÜRMER<br />

HELENE FISCHER<br />

JAMIE CULLUM<br />

JOSÉ CARRERAS<br />

LABRASSBANDA<br />

LANG LANG<br />

OTTO WAALKES<br />

ORCHESTER PEPE LIENHARD<br />

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Die schönsten Songs aus der TV-Sendung und die<br />

unvergleichlichen Originalaufnahmen von Udo Jürgens<br />

auf einer Doppel-CD.<br />

Ab dem 17.10.2014 überall erhältlich!


Von Roland Schäfli<br />

Darryl F. Zanucks D-Day-Epos<br />

als Mutter aller Kriegsfilme<br />

An den <strong>Jahre</strong>stagen der alliierten Invasion treffen sich<br />

noch immer Zeitzeugen, Touristen und sogenannte<br />

Reenactors in der Normandie. Die fulminante<br />

Verfilmung der Entscheidungsschlacht,<br />

" The Longest<br />

Day", hat das Ihre dazu beigetragen,<br />

dass der D-Day<br />

in Erinnerung bleibt. An<br />

den Originalschauplatzen verschmelzen<br />

Historie und Filmgeschichte.<br />

Die ersten 24 Stunden der Invasion werden entscheidend sein.<br />

Das wird für die Alliierten, aber auch für die Deutschen der<br />

„ längste Tag." Feldmarschall Erwin Rommel konnte nicht<br />

ahnen, dass seine prophetischen Worte 1961 den <strong>am</strong>bitioniertesten aller<br />

Kriegsfilme inspirieren würden. Aus der<br />

spektakulärsten Operation des Krieges,<br />

dem D-Day <strong>am</strong> 6. Juni 1944, will Darryl<br />

F. Zanuck, einst Hollywoods Wunderkind,<br />

Begründer der 20th Century Fox, 15 <strong>Jahre</strong><br />

später den größten Kriegsfilm aller Zeiten<br />

machen. Er hegt sogar die Absicht, mit<br />

seinem Monumentalwerk die Menschheit<br />

dahin zu bewegen, ganz aufs Kriegsführen<br />

zu verzichten. „Der alten Generation zur<br />

Erinnerung – der jungen zur Mahnung"<br />

wird sein Anspruch auf deutschen Kinoplakaten übersetzt.<br />

Seite 64 ■ GoodTimes 1/2015


Der „General", wie Zanuck von seinen Untergebenen genannt wird, ist<br />

ein Hollywood-Tycoon mit dem unvermeidlichen Nimbus der Autorität<br />

– und der omnipräsenten Zigarre –, und tatsächlich führt er eine ganze<br />

Armee an. Fünf Regisseure (für die deutschen Szene verpflichtet er<br />

Bernhard Wicki, der mit „Die Brücke" ein<br />

starkes Antikriegs-Statement abgeliefert<br />

hat) belichten während zehn Monaten<br />

simultan an 31 Drehorten insges<strong>am</strong>t 66<br />

Stunden Material. „<strong>Eis</strong>enhower hatte seine<br />

Armee und seine Ausrüstung", resümiert<br />

Zanuck, „ich musste meine finden!" Der<br />

Streifen ist ein logistisches Meisterwerk:<br />

600.000 Schuss Platzpatronen werden<br />

in fünf Ländern von Hand hergestellt,<br />

800.000 Dollar kostet es, die friedlichen<br />

Strände der Normandie nochmals in<br />

den Atlantik-Wall zu verwandeln. 63.000<br />

warme Mahlzeiten werden ausgegeben,<br />

Getränke für 9<strong>50</strong>.000 Dollar konsumiert.<br />

Und es wird genug Holz herangeschafft,<br />

um ein ganzes Dorf zu errichten, nur um<br />

es mit Hilfe von 15 Tonnen Sprengstoff<br />

dann wieder zu zerlegen. 25.000 brennende<br />

Reifen produzieren die malerischen Rauchwolken, die durch<br />

die Szenerie wehen. 30.000 Meter Stacheldraht werden gezogen. An<br />

den Originalschauplätzen werden Einschlagstellen neu aufgesprengt,<br />

Fl<strong>am</strong>menwerfer versetzen<br />

die Botanik in den Zustand<br />

des Kriegschauplatzes.<br />

Gedenkstellen für die<br />

Gefallenen werden „getarnt"<br />

(nicht ausnahmslos erfolgreich:<br />

Auf der höchsten Stelle<br />

des Pointe du Hoc, der Klippe,<br />

die von Rangern erklommen<br />

wird, ragt in einer Aufnahme<br />

das Monument für die Toten<br />

ins Bild). Von Modellen will<br />

Zanuck nichts wissen. Für eine<br />

Szene jagt er einen Zug mit<br />

14 Waggons in die Luft. In<br />

den Studios de Boulogne in<br />

Paris wird in 52 Dekorationen<br />

agiert.<br />

So läppern sich schließlich zehn<br />

Millionen Dollar Ges<strong>am</strong>tkosten<br />

zus<strong>am</strong>men. Und der teuerste<br />

Schwarzweißfilm aller Zeiten soll dann auch der erfolgreichste werden<br />

(bis er an der Spitze von „Schindlers Liste" abgelöst wird). Dabei hätte<br />

„Der längste Tag" leicht noch mehr kosten können. Doch sein Rang<br />

als Colonel öffnet Zanuck die Türen zu den Ministerien der Nato-<br />

Staaten. So bekommt er eine Flotte von 22 Schlachtschiffen<br />

zum Schnäppchenpreis. Und die 6. US-Flotte spielt für ihn den<br />

Angriff auf Omaha-Beach nach. Das hat ein Nachspiel. Denn<br />

just im Moment, da Nato-Soldaten für Hollywood schauspielern,<br />

wird die Berliner Mauer aus dem Boden gest<strong>am</strong>pft. Die<br />

US-Regierung ordnet daraufhin eine Untersuchung an. In der<br />

Folge muss das Pentagon die Kooperation mit Filmemachern<br />

auf ein Minimum beschränken ...<br />

Mit Preisabschlag kriegt Zanuck auch sein Rekordaufgebot von<br />

42 internationalen Stars zus<strong>am</strong>men. Wenn im „längsten Tag"<br />

eine Tür aufgeht, kommt üblicherweise ein alter Bekannter<br />

herein. Zanuck arrangiert, dass die Schauspieler ihre historischen<br />

Vorbilder leibhaftig treffen. General J<strong>am</strong>es Gavin, im<br />

Film von Robert Ryan portraitiert, ist seinerzeit US-Botschafter<br />

in Frankreich und gibt den Dreharbeiten in den Pariser Studios<br />

seinen Segen. Für Richard Todd, den populären britischen<br />

Akteur, ist die Filmarbeit gar ein Déjà-vu. Als Fallschirmjäger<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 65<br />

war er an der waghalsigen Einnahme der Brücke über die Orne (später in<br />

Pegasus Bridge umbenannt) beteiligt und spielt nun seinen d<strong>am</strong>aligen<br />

Kommandeur, Major John Howard. Peter Lawford, John F. Kennedys<br />

Schwager, gibt den legendären Briten Lord Lovat (der wenig erfreut ist,<br />

von einem „Salonlöwen”<br />

verkörpert zu werden).<br />

Resistance-Kämpferin<br />

Janine Boitard wiederum<br />

kann sich nur wundern, als<br />

sie das französische Model<br />

Irina Demick erblickt: „So<br />

hübsch war ich doch gar<br />

nicht!" Insges<strong>am</strong>t wachen<br />

48 technische Berater<br />

über jedes Detail. Und<br />

General Charles de Gaulle<br />

höchstpersönlich droht<br />

Ortsansässigen mit einer<br />

Klage, wenn sie sich weiter<br />

über die Filmarbeiten<br />

beschweren ...<br />

Szene auf der Pegasus-Brücke, die heute in einem Stück im Museum steht.<br />

Wird von der Dorfbevölkerung jedes Jahr eingerichtet:<br />

der Fallschirmspringer <strong>am</strong> Kirchturm.<br />

Auch die deutschen<br />

Militärs geben ihren Darstellern Schützenhilfe. General Günter<br />

Blumentritt instruiert Curd Jürgens, Major Werner Pluskat, der in<br />

seinem Bunker als Erster die alliierte Flotte erblickt, gibt dafür Hans<br />

Christian Blech Tipps, und selbst Erwin Rommels Witwe<br />

zählt zu den „technical advisors". Sie sorgt dafür, dass eine<br />

originalgetreue Nachbildung von Rommels Feldmarschalls-<br />

Stab hergestellt werden kann.<br />

Als Vater dieses Kriegsfilms darf Zanuck es wohl als<br />

Kompliment verbuchen, dass ein Sergeant, der d<strong>am</strong>als <strong>am</strong><br />

Omaha-Beach an Land watete, angesichts der historisch<br />

so getreu rekonstruierten Verheerung <strong>am</strong> Strand verwundert<br />

äußerte: „Es ist, als erlebte ich den schrecklichsten<br />

Augenblick meines Lebens noch einmal."<br />

Die „guten Deutschen „<br />

Dass die einstigen Feinde, die Deutschen, so objektiv<br />

dargestellt wurden, hat nicht zuletzt d<strong>am</strong>it zu tun, dass<br />

Deutschland seinerzeit zum wichtigen Bündnispartner in<br />

der Nato wurde. So dürfen sich die einstigen Gegenspieler<br />

mit viel Mitgefühl bekämpfen. Bezeichnend ist Curd<br />

Jürgens’ Formulierung: „Jetzt frage ich mich, auf welcher<br />

Seite der liebe Gott steht", da John Wayne auf der anderen<br />

Seite denselben Gedanken ebenfalls formuliert: „Sometimes<br />

I wonder which side God’s on." Zanuck beweist zudem<br />

Fingerspitzengefühl bei der Auswertung des Films im deutschsprachigen<br />

Raum. Fotos belegen, dass eine Szene, in der die französischen<br />

Partisanen von SS-Männern massakriert werden, zwar abgedreht<br />

– aber nicht verwendet worden ist. Und letztlich sorgt die deutsche<br />

Who's who der Filmgeschichte: Hier geht "<br />

Jesus"-<br />

Darsteller Jeffrey Hunter an den Strand.<br />

Synchronisation einmal mehr<br />

dafür, einem unangenehmen<br />

Moment eine andere Bedeutung<br />

zu verleihen: In einer kontrovers<br />

diskutierten, ja berüchtigten<br />

Szene mäht Tommy Sands<br />

(ein Rock’n’Roll-Idol, d<strong>am</strong>als<br />

mit Nancy Sinatra verheiratet)<br />

ins Freie irrende, „bitte, bitte!"<br />

flehende Deutsche kurzerhand<br />

nieder. Worauf er mit kaum<br />

zu überbietendem Sarkasmus<br />

kommentiert: „I wonder what<br />

‚bitte, bitte' means." Die deutsche<br />

„Übersetzung" legt ihm<br />

hingegen die Worte: „Tut mir<br />

leid, ich hab' zu spät geschaltet"<br />

in den Mund ...


Pointe du Hoc<br />

Das Monument für die US-Ranger auf<br />

Pointe du Hoc. 1984 ehrte Ronald<br />

Reagan hier die Gefallenen.<br />

Der Bunker auf Pointe du Hoc.<br />

An der schroffen<br />

Felsenküste,<br />

der Pointe du<br />

Hoc, wurde<br />

der unmöglich<br />

scheinende<br />

Einsatz der<br />

US-Rangers<br />

inszeniert. Der<br />

Bunker, der<br />

im Film von<br />

den Teenager-<br />

Idolen Paul<br />

Anka, Tommy<br />

Sands, Fabian<br />

und Robert<br />

Wagner erstürmt<br />

wird, ist noch<br />

immer zu finden, ebenso wie die Stelle, an der die berüchtigte „Bitte,<br />

bitte"-Szene entstand.<br />

Longue-sur-mer<br />

Die Küstenbatterie bei<br />

Longue-sur-mer ist in mehreren<br />

Nachtszenen zu sehen.<br />

Die Befehlsstelle in diesem<br />

Abschnitt, ein gut erhaltener<br />

Bunker direkt an den Klippen,<br />

war Drehort der Szenen mit<br />

Hans Christian Blech. Die<br />

Rückseite ist in einer dr<strong>am</strong>atischen<br />

Aufnahme zu erkennen,<br />

in der Deutsche aus dieser<br />

Stellung stürmen.<br />

Utah Beach<br />

Während alle anderen<br />

Strandszenen in der Nähe<br />

von La Rochelle aufgenommen<br />

wurden, stand<br />

<strong>am</strong> historisch korrekten<br />

Utah Beach Henry Fonda<br />

vor der K<strong>am</strong>era – der Schauplatz dieser<br />

Einstellung wird heute von einer<br />

Statue eingenommen.<br />

Sainte-Mère-Eglise<br />

Die Bevölkerung von Ste-Mère-<br />

Eglise stellt sicher, dass in den Juni-<br />

Wochen ein Fallschirmspringer <strong>am</strong><br />

Kirchturm hängt, eine historische<br />

Begebenheit, die im Film ebenfalls<br />

für eine dr<strong>am</strong>atische Sequenz sorgte.<br />

Im Innern der Kirche wurde die eindringliche<br />

Predigt des französischen<br />

Die Schauplätze in der Normandie<br />

Ein bahnbrechender Moment in der<br />

Kriegsfilmgeschichte: Tommy Sands<br />

erschießt sich ergebende Deutsche.<br />

Invasion!": Die Küstenstellung, in der Hans<br />

Christian<br />

"<br />

Blech die Armada der Alliierten erblickt,<br />

wurde für die Aufnahmen mit neuer Tarnfarbe<br />

bemalt, die Einschusstellen wurden aufgefüllt.<br />

Das Wahrzeichen<br />

des D-Day: Jeden<br />

Juni hängt ein<br />

Fallschirmjäger<br />

hilflos <strong>am</strong><br />

Kirchturm von<br />

Ste-Mère-<br />

Eglise.<br />

Charakterschauspielers Jean-Louis Barrault aufgenommen.<br />

Entlang dieser Straße führten deutsche<br />

Soldaten französische Gefangene ab. Der Krieg<br />

war d<strong>am</strong>als noch nicht lange vorbei, und die<br />

Menge musste beruhigt werden: „Es handelt sich<br />

nur um Statisten!"<br />

Studios de Boulogne, Paris<br />

Die Pariser Studios<br />

in der Nähe des Bois<br />

de Boulogne, in den 60er <strong>Jahre</strong>n Produktionsstätte<br />

so manches internationalen Films, haben heute nur<br />

noch Bedeutung als TV-Studio. Hier ließ Zanuck<br />

52 verschiedene Kulissen für Innenaufnahmen<br />

bauen.<br />

Port-en-Bessin<br />

Dieses malerische<br />

Küstenstädtchen<br />

stellt im Film<br />

Ouistreh<strong>am</strong> dar<br />

und wurde für<br />

die Straße, auf<br />

der die Nonnen<br />

unter Leitung<br />

der französischen<br />

Actrice Madeleine<br />

Renaud den<br />

die <strong>am</strong>bitionierte<br />

Helikopteraufnahme<br />

während zweier<br />

Wochen evakuiert.<br />

Unverändert auch<br />

verwundeten<br />

Franzosen zu Hilfe eilen, sowie der mittelalterliche<br />

Turm. Ein <strong>am</strong>üsanter, wenn auch ungewollter<br />

Hinweis auf die Dreharbeiten ist dieses<br />

Haus: Die Beschriftung „Bazar de Ouistreh<strong>am</strong>”<br />

taucht nach all diesen <strong>Jahre</strong>n unter der Farbe wieder auf.<br />

Pegasus Bridge, Bénouville<br />

1992 wurde die Brücke über den<br />

Orne-Kanal in ein nahegelegenes<br />

Museum verfrachtet, das vielleicht<br />

größte Filmrequisit aller Zeiten.<br />

Richard Todd, der <strong>am</strong> D-Day tatsächlich<br />

an dieser Operation teilnahm,<br />

vermachte seine Ausrüstung<br />

dem Café Gondrée (das erste befreite<br />

französische Haus des Krieges),<br />

wo sie bis heute ausgestellt ist.<br />

Halten, bis Entsatz<br />

kommt": " die Pegasus<br />

Bridge, das vielleicht größte<br />

Filmrequisit aller Zeiten.<br />

Seite 66 ■ GoodTimes 1/2015


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GoodTimes 1/2015 ■ Seite 67


Reise um die Welt in <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

E<br />

s gab so vieles, was die Kinder in den<br />

70er <strong>Jahre</strong>n im Westen Deutschlands s<br />

von denen im Ostteil unterschied: Die<br />

einen kauten Hitschler, die anderen J<strong>am</strong>boree,<br />

die einen tranken Kaba, die anderen Trinkfix,<br />

und selbst das Sandmännchen sah irgendwie<br />

anders aus. Eines aber einte uns alle, und das<br />

waren die polnischen Trickfilmbrüder Lolek<br />

und Bolek. Wir konnten sie in verschiedenen<br />

Kindersendungen wie „Mischmasch", „Spaß<br />

muss sein", „Alles Trick" oder „Tri-Tra-Trick" in<br />

der ARD genauso finden wie im Fernsehen der<br />

DDR – und dazu auch noch im Kino.<br />

Lolek und Bolek st<strong>am</strong>men aus Polen und heißen<br />

eigentlich „Bolka i Lolka". In einem süd-<br />

polnischen Experimentalfilm-Studio hatte der<br />

Animationszeichner Alfred Ledwig die Figur des<br />

langen, schlaksigen Bolek als Beitrag für eine<br />

Ausschreibung erfunden und sein Kollege Leszek<br />

Lorek den kleinen pummeligen Lolek. Lorek kaufte seine Rechte an Ledwig, der die Figuren<br />

weiterentwickelte und 1963 gemeins<strong>am</strong> mit dem Regisseur Wladyslaw<br />

ver-<br />

Nehrebecki eine 13-teilige Serie mit kurzen Episoden entwarf. D<strong>am</strong>it<br />

war das berühmte Trickfilm-Duo geboren. Lolek und Bolek sind also<br />

genauso alt wie George Michael, Brad Pitt und Johnny Depp.<br />

Zu einer Zeit, in<br />

der den Bewohnern<br />

der<br />

sozialistischen<br />

Staaten<br />

die große, weite<br />

Welt verschlossen<br />

blieb, schien es<br />

für die polnischen<br />

Trickfilmbrüder<br />

Lolek und Bolek<br />

keine Grenzen zu<br />

geben. Sie reisten in<br />

den Wilden Westen,<br />

nach Polynesien oder Afrika und in 80 Tagen um die<br />

Welt. Sie lernten dabei höchst interessante Menschen<br />

und exotische Kulturen kennen und blieben trotzdem<br />

ganz normale Geschwister, die Streiche spielten, sich vorm Zahnarzt<br />

drücken wollten, sich zankten und <strong>am</strong><br />

Ende dann doch wieder lieb hatten. Lolek<br />

und Bolek durften genau das, was die<br />

meisten ihrer Fans eben nicht durften:<br />

jede Menge Unsinn anstellen, schadenfroh h<br />

sein – und reisen. Und weil die Filmchen<br />

so witzig, so originell, gewaltfrei und kein<br />

bisschen ideologisch gefärbt waren, stand<br />

Lolek und Bolek die Welt bald nicht nur in<br />

ihren Abenteuern offen: Sie traten einen<br />

Siegeszug um den ges<strong>am</strong>ten Globus an,<br />

es gab Spielzeug, Puzzles und Postkarten<br />

von ihnen, und ihre Popularität ist bis<br />

heute ungebrochen. Mittlerweile haben sie über eine Milliarde Menschen<br />

in mehr als 80 Ländern glücklich gemacht, ihre Landsleute errichteten<br />

ihnen ein eigenes Denkmal in ihrem polnischen Geburtsort, und in<br />

Seite 68 ■ GoodTimes 1/2015


Deutschland und<br />

Indien wurden<br />

sogar Schulen<br />

nach ihnen<br />

benannt.<br />

In den kurzen<br />

fünf- bis<br />

zehnminütigen<br />

Episoden der<br />

Trickfilmserie<br />

waren Lolek und<br />

Bolek stumm,<br />

was natürlich die<br />

internationale Vermarktung erleichterte. Die preisgekrönte Pilotfolge<br />

„Kusza – Die Armbrust" erschien 1964. Darin lassen sich die Brüder<br />

von einem Wilhelm-Tell-Gemälde zu reichlich viel Unsinn mit einer<br />

Armbrust inspirieren. Bis 1986 brachte es die Serie auf über 1<strong>50</strong><br />

Kurzfilme. Ledwig war meistens für die Storyboards verantwortlich,<br />

Nehrebecki führte Regie, und Leszek Mech<br />

schrieb einen Großteil der Drehbücher. 1973 k<strong>am</strong><br />

eine weitere Figur dazu, das rotbezopfte Mädchen<br />

Tola, für das sich Lolek und Bolek mächtig in<br />

Schale werfen und bessere Manieren zulegen<br />

sollten, was natürlich immer schiefging. Tola<br />

trat in insges<strong>am</strong>t 29 Folgen auf und soll ein<br />

Wunsch der Zuschauerinnen gewesen sein.<br />

In der DDR erschienen ab Mitte der 70er <strong>Jahre</strong><br />

im sorbischen Domowina-Verlag in Bautzen<br />

großformatige dünne Comic-Hefte mit Lolek<br />

und Bolek. Die Zeichnungen dafür st<strong>am</strong>mten<br />

alle von Alfred Ledwig. Die Bücher basierten auf<br />

den Episoden von „Lolek und Bolek reisen um die<br />

Welt". Auch zwischen zwei Buchdeckeln gab es also<br />

für die reiselustigen Brüder keine<br />

Grenzen, und so durften sie hier<br />

„In die Steppen Australiens"<br />

und in „Die goldene Stadt der<br />

Inkas" reisen, sahen „Die Tiere<br />

der Serengeti" und streunten „In<br />

den Wäldern Kanadas". Diese<br />

Heftchen waren heißbegehrt,<br />

ständig vergriffen und wurden<br />

in den Folgejahren immer wieder<br />

neu aufgelegt.<br />

So leicht und witzig die<br />

Geschichten von Lolek und Bolek<br />

nicht wieder. Trotz dieser angespannten Atmosphäre zeichnete er in<br />

den folgenden <strong>Jahre</strong>n jedoch wieder Storyboards für Lolek und Bolek,<br />

so zum Beispiel für die 1975 entstandene Staffel „Spaß und Spiele mit<br />

Lolek und Bolek", wobei er immer mehr an den Rand gedrängt wurde<br />

und sein N<strong>am</strong>e im Vorspann immer weiter nach hinten rutschte.<br />

In der Folgezeit erschienen außerdem die zwei großen Lolek-und-<br />

Bolek-Spielfilme.<br />

1977 startete – frei<br />

nach Jules Vernes<br />

„In 80 Tagen um<br />

die Welt" – „Die<br />

große Reise von<br />

Lolek und Bolek".<br />

Darin bek<strong>am</strong>en die<br />

Trickfilmbrüder<br />

zum ersten Mal eine<br />

Stimme, weshalb<br />

es verschiedene<br />

Synchronfassungen<br />

gibt. 1986 erschien<br />

mit „Lolek und Bolek im Wilden Westen" ein<br />

waschechter Western mit Pferden, Sheriff,<br />

Gaunern und natürlich den beiden polnischen<br />

Brüdern. Zwei weitere Filme aus den<br />

Achtzigern, „Märchen mit Bolek und Lolek"<br />

und „Bolek und Loleks Ferien", k<strong>am</strong>en bei uns<br />

nicht in die Kinos. Es handelt sich dabei allerdings<br />

auch nur um eine Zus<strong>am</strong>menstellung<br />

von Serienepisoden. Die beiden erstgenannten<br />

Filme aber liefen im Ausland äußerst erfolgreich<br />

und spielten Devisen ein.<br />

Ledwig, der inzwischen in ärmlichen Verhältnissen<br />

lebte, weil er wie auch seine Frau mit Berufsverbot<br />

belegt worden war, sah schließlich einen letzten Ausweg<br />

in seiner Ausreise nach Deutschland. Doch er musste<br />

einen hohen Preis dafür zahlen: Das Visum für sich und<br />

seine F<strong>am</strong>ilie bek<strong>am</strong> er nur gegen die Einräumung der<br />

Rechte an Lolek und Bolek für weitere fünf <strong>Jahre</strong>. 1981<br />

siedelte Ledwig nach Leverkusen über. 1986 endete die<br />

erzwungene Vereinbarung, und ein langandauernder<br />

erbitterter Rechtsstreit um das Trickfilmduo begann, der<br />

bis vor den Europäischen Gerichtshof gelangte und dafür<br />

sorgte, dass die Trickfilme viele <strong>Jahre</strong> nicht im polnischen<br />

Fernsehen gezeigt werden konnten. Den Ausgang des<br />

Verfahrens erlebte der inzwischen von Sozialhilfe lebende<br />

Ledwig nicht mehr. Er starb 2006.<br />

Was bleibt, sind die beiden Trickfilm-Brüder Lolek und Bolek, die um<br />

keinen Tag gealtert sind und in denen sich Kinder auf der ganzen<br />

Welt wiederfinden. Die Fans der ersten Stunde sind inzwischen längst<br />

Eltern oder sogar Großeltern, und so erfreuen sich mittlerweile drei<br />

Generationen an den zeitlosen Abenteuern von<br />

Lolek und Bolek.<br />

Kati Naumann<br />

© DEFA-Stiftung / Stanislaw Golab, Dorota Poraniewska, Marek Waczek, Ryszard Biesok, Stanislaw Golab, Henryk Pollak, Andrzej Malarski<br />

sind, so traurig ist das Schicksal ihres Schöpfers Alfred Ledwig. Weil<br />

er für die systemfeindliche Bewegung Konfederacja Narodowa<br />

(Nationale Konföderation) Grafiken gezeichnet hatte, wurde<br />

er 1971 inhaftiert und zu zweieinhalb <strong>Jahre</strong>n Haft verur-rteilt.<br />

Während dieser Zeit wurden weitere umfangreiche e<br />

Folgen von Lolek und Bolek produziert und Ledwig von<br />

der Umsatzbeteiligung ausgeschlossen. Aus diesem Grund<br />

erneuerte er den ausgelaufenen Lizenzvertrag im Jahr 1973<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 69


Wenn ich Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> mit meinen „Jungs” eine Diskothek<br />

heimsuchte – und wir suchten in jener Ära ziemlich oft Diskotheken<br />

heim, denn wir waren alle um die 20, der Balzmotor lief auf Hochtouren<br />

–, gab es immer Songs, bei denen es logisch war, dass man sie als<br />

„männlich, ledig, jung” unter musikalischen und unter Coolness-Aspekten<br />

nicht mögen durfte. Ebenso logisch war es jedoch, dass genau bei diesen<br />

Liedern die Chance bestand, das einzulösen, weshalb man als junger<br />

Mann überhaupt eine Disco von innen sah – um die Nähe zum anderen<br />

Geschlecht herzustellen und im besten Fall spätnachts den Schuppen<br />

mit der frisch Angebeteten Hand in Hand zu verlassen.<br />

Ganz oben auf der Liste dieser „Anbandel"-<br />

Garanten standen zwischen 1985 und<br />

1987 die Titel eines Duos, das sich aus dem<br />

Rheinland-Pfälzer Sänger Thomas Anders, der<br />

eigentlich Bernd Weidung heißt, und dem niedersächsischen<br />

Sänger, Musiker, Komponisten<br />

und Produzenten Dieter Bohlen zus<strong>am</strong>mensetzte.<br />

Der N<strong>am</strong>e des Duos: Modern Talking.<br />

Von beiden Herren – Anders Jahrgang 1963,<br />

Bohlen 1954 – hatte man bis zur Gründung<br />

des Projekts in der Musikszene nichts gehört,<br />

wenngleich zumindest der Ältere bereits einige<br />

Achtungserfolge als Produzent vorzuweisen hatte.<br />

Bohlen und Anders lernten sich zu Beginn der 80er<br />

<strong>Jahre</strong> kennen, 1982 produzierte der Niedersachse sechs<br />

Singles des Pfälzers in deutscher Sprache, allerdings ohne kommerziellen<br />

Erfolg. Zwei <strong>Jahre</strong> später hatte Bohlen die Idee für ein Popmusik-Duo,<br />

dessen Sound für einen hohen und sofortigen Wiedererkennungswert der<br />

Lieder, gepaart mit eher rustikaler Tanzkompatibilität stehen sollte. Die<br />

Berliner Plattenfirma Hansa war zunächst von diesem etwas hemdsärmeligen<br />

Konzept nicht recht überzeugt und investierte erst mal wenig. Es<br />

dauerte dann schließlich auch drei Monate von der Veröffentlichung der<br />

ersten Single "You’re My Heart, You’re My Soul” im Oktober 1984 an, bis<br />

diese <strong>am</strong> 28. Januar 1985 die nationalen Top Ten enterte. Doch nachdem<br />

im Frühjahr 1985 THE 1ST ALBUM in den Handel gekommen war, gab<br />

es kein Halten mehr für Modern Talking, die aus einem unerschöpflich<br />

scheinenden Fundus aus sich ähnelnden, dabei stets extrem eingängigen<br />

Kompositionen zu schöpfen schienen.<br />

In kurzer Abfolge entstanden mehrere Dutzend Singles und fünf weitere<br />

Alben, ehe 1987 abrupt der Schlussstrich gezogen wurde – Anders und<br />

Bohlen gingen im Streit auseinander, hatten bis dato allerdings mehr<br />

als 60 Millionen Tonträger verkauft. Und sie waren 1986 die<br />

erste westliche Band überhaupt gewesen, die ihre Platten<br />

offiziell hinter dem <strong>Eis</strong>ernen Vorhang in der d<strong>am</strong>aligen<br />

Sowjetunion verkaufen durfte.<br />

Über zehn <strong>Jahre</strong> nach dem Split k<strong>am</strong>en die<br />

beiden Streithähne dann durch Vermittlung<br />

der Plattenfirma Sony BMG für fünf <strong>Jahre</strong> erneut<br />

zus<strong>am</strong>men. Auch in jener Phase ihrer Existenz<br />

veröffentlichten Modern Talking sechs Alben,<br />

wieder wurden gut 60 Millionen Tonträger losgeschlagen<br />

– und wieder trennten sich Anders<br />

und Bohlen letztlich im Streit. Und nun ist das<br />

Doppelalbum 30 auf den Markt gekommen, da<br />

Modern Talking 30-jähriges Jubiläum feiern, es ist<br />

eine Art „Best Of”-Kompilation, erhältlich in diversen<br />

Formaten, gepaart mit brandneuen Mixes von angesagten<br />

DJs etc. „Modern Talking genießen 2014 eine hohe Priorität<br />

bei uns, da wird in den nächsten Monaten rund ums Thema etliches<br />

passieren”, freut sich Christian Stronczek, Senior Product Manager von<br />

Sony Music. Zu einer erneuten Reunion von Anders und Bohlen wird es<br />

zunächst zwar nicht kommen – doch wer weiß schon, was die Zukunft<br />

bringt? Irgendwie ist dieses Duo jedenfalls einzigartig; ich persönlich verbinde<br />

jedenfalls (siehe oben) eine Menge angenehmer Erinnerungen mit<br />

ihren Liedern. Einzigartig ist das Duo übrigens auch für Thomas Anders,<br />

wie dieser im Interview gesteht ...<br />

Seite 70 ■ GoodTimes 1/2015


Interview<br />

Thomas Anders<br />

Vor 30 <strong>Jahre</strong>n wurden Modern Talking ins Leben gerufen, die Plattenfirma<br />

nimmt dieses Jubiläum nun zum Anlass, um nochmals groß die Werbetrommel<br />

dafür zu rühren – welches Gefühl beschleicht Sie bei diesem <strong>Jahre</strong>stag?<br />

Es zeigt mir, dass Modern Talking immer noch eine starke Marke sind.<br />

Und dass die Musik von Modern Talking die Menschen berührt.<br />

Wie stolz sind Sie rückblickend auf den kreativen wie kommerziellen Erfolg<br />

von Modern Talking?<br />

Ich bin stolz darauf, dass gerade in unserer – mittlerweile<br />

so kurzlebigen – Unterhaltungsbranche die<br />

Musik von Modern Talking Jahrzehnte überlebt<br />

hat. Unsere Musik wurde meistens von<br />

den Kritikern belächelt und nicht ernst<br />

genommen. Der weltweite Erfolg von<br />

Modern Talking zeigt aber, dass<br />

Kritiker auch nur Menschen sind,<br />

die irren können.<br />

War dieses Duo stets eine kreative<br />

Zweckgemeinschaft, oder gab es<br />

durchaus Phasen, in denen Sie<br />

und Ihr Partner Dieter Bohlen<br />

Freunde waren?<br />

Zweckgemeinschaft klingt in<br />

diesem Zus<strong>am</strong>menhang für<br />

mich zu nüchtern und gefühllos.<br />

Unsere Musik wäre ohne<br />

Emotion niemals so erfolgreich<br />

geworden. Ich würde unsere<br />

Zus<strong>am</strong>menarbeit gerne als<br />

Partnerschaft sehen.<br />

Wie wichtig war bei Modern Talking neben<br />

der Musik der Image- und Outfit-Aspekt?<br />

Die Musik von Modern Talking steht<br />

für Lebensfreude und Leichtigkeit. Der<br />

Widererkennungswert k<strong>am</strong> durch Stimme, Produktion<br />

und den Sound.<br />

Wie wichtig war dem Duo der Tanz- und sofortige Wiedererkennungswert der<br />

Kompositionen?<br />

Zu Beginn unserer Karriere hat alles gepasst! Musik, Outfit und d<strong>am</strong>it<br />

auch das Image. Ich glaube, hätte bei uns „Friede, Freude, Eiertanz"<br />

geherrscht, würde es „30 <strong>Jahre</strong> Modern Talking nicht geben.<br />

Hatten Sie mit einem solch gewaltigen Erfolg gleich mit der ersten Single<br />

gerechnet, oder k<strong>am</strong> dieser<br />

völlig überraschend für Bohlen<br />

und Sie?<br />

Die d<strong>am</strong>alige Diskothekenszene<br />

machte diesen<br />

Song zum Hit. Ende<br />

November 1984 lagen<br />

wir bei 6000 verkauften<br />

Singles, Anfang Januar<br />

1985 bei 60.000. Ohne<br />

TV und ohne Radio!<br />

Was danach k<strong>am</strong>, ist<br />

Musikgeschichte.<br />

Erinnern Sie sich noch, unter<br />

welchen Umständen Modern-Talking-Kompositionen<br />

in der Regel entstanden, gab<br />

es dabei gewisse Rituale?<br />

Gemeins<strong>am</strong> fröhlich, obwohl die<br />

Situation nicht immer zum Lachen war:<br />

Dieter Bohlen (l.) und Thomas Anders<br />

beim zweiten Versuch, ein<br />

harmonisches Duo<br />

abzugeben.<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 71<br />

Dieter schrieb die Songs und schickte sie mir auf MC. Es waren meis tens<br />

40 bis <strong>50</strong> Titel. Ich traf meine Vorauswahl, und es blieb etwa die Hälfte<br />

der Songs übrig. Danach selektierte Dieter wieder, und wir nahmen dann<br />

die Songs für das kommende Album auf. Bei „Modern Talking 2.0”<br />

komponierte ich auch Songs für die Alben.<br />

Welchen Stellenwert hatten die Texte bei den Songs – entstanden die zuerst,<br />

oder wurden bereits fertige Kompositionen mit Texten ergänzt?<br />

Die Texte waren ganz wichtig! Okay, kein Modern-<br />

Talking-Text ist Pulitzerpreis-verdächtig … Aber<br />

das Talent von Dieter lag darin, die richtige<br />

Balance zwischen Melodie und Silben<br />

zu finden. Hätte ich bei "Cheri Cheri<br />

Lady" beispielsweise „I just wanna<br />

love you" gesungen, wäre es nie<br />

der Hit geworden, den man heute<br />

noch trällert.<br />

Wie stolz waren Sie – und sind Sie<br />

bis heute –, dass Modern Talking<br />

1986 die erste westliche Band<br />

waren, die in der d<strong>am</strong>aligen Sowjetunion<br />

ihre Alben offiziell verkaufen<br />

durfte?<br />

Es war uns d<strong>am</strong>als nicht recht<br />

bewusst, was wir und unsere<br />

Musik für die Menschen in der<br />

d<strong>am</strong>aligen UdSSR bedeuteten.<br />

Heute, nachdem ich viele Konzerte<br />

in Russland gegeben habe und<br />

noch gebe, ist mir bewusster denn je,<br />

wie erfolgreich die Musik von Modern<br />

Talking dort ist.<br />

Als zehn <strong>Jahre</strong> nach der Trennung von Modern<br />

Talking Dieter Bohlen den Vorschlag unterbreitete,<br />

1997 das Duo wiederzubeleben, willigten Sie ein – mit<br />

welchen Gefühlen?<br />

Es war nicht Dieter Bohlen, der den Vorschlag unterbreitet hat. Es<br />

war die Idee unserer d<strong>am</strong>aligen Plattenfirma Hansa sowie des d<strong>am</strong>aligen<br />

Unterhaltungschefs vom ZDF, Axel Beyer. Beide Parteien hatten<br />

die Idee, Modern Talking bei der TV-Sendung „Wetten, dass …?"<br />

mit einem Comeback zu starten. Ich war zu dem Zeitpunkt in Los<br />

Angeles, und unser Anwalt Götz Kiso vereinbarte ein Treffen mit mir<br />

und erzählte dabei von der Idee. Ich bat um die Bedenkzeit von einer<br />

Woche. Danach willigte ich ein. Wie sieht die künstlerische Zukunft von<br />

Modern Talking, wie die von Thomas Anders aus? Eine künstlerische<br />

Zukunft von Modern Talking ist mehr als unwahrscheinlich. Ich, als<br />

Thomas Anders, gebe jedes Jahr viele Konzerte, die eine Mischung aus<br />

Modern-Talking-Songs und Solotiteln beinhalten. Kürzlich hatte ich<br />

in einer Show <strong>50</strong>.000 Zuschauer in Odessa. Im November trete ich in<br />

Santiago de Chile auf. Im Dezember bin ich im Baltikum auf Tournee.<br />

Und im Januar geht's nach Ungarn, im Februar nach<br />

Polen. Daneben arbeite ich an<br />

einem neuen Album für das Jahr<br />

2015. Das Schöne für mich liegt<br />

darin, dass ich nach all meinen n<br />

Erfolgen nicht den Druck verspüre,<br />

mich unbedingt jemandem<br />

groß aushändigen zu müssen.<br />

Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />

Drei Jahrzehnte dabei – immer noch<br />

zeitgemäß: Modern Talking


Sophia Loren:<br />

Alles<br />

„zu groß“ –<br />

und trotzdem<br />

ein Star<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1979 Firepower<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Stadt der Verlorenen<br />

I<br />

talien hat Pizza und Pasta – und Sophia<br />

Loren. Der Filmstar könnte nicht besser<br />

das verkörpern, was Land und Menschen n<br />

in Südeuropa ausmacht: Temper<strong>am</strong>ent, überbordende<br />

Präsenz, Leidenschaft – und wunderbare<br />

Küche. Die Loren vereint alles in sich. Das zeigt<br />

sie nicht nur in ihren mehr als 100 Filmen, die<br />

sie in über 64 <strong>Jahre</strong>n Karriere gedreht hat. Auch<br />

mit Kochlöffel und Spaghetti-Sauce kann sie<br />

eben sehr gut umgehen: Erst jüngst wurde ihr<br />

Kochbuch „In Cucina con Amore" („Mit Liebe in<br />

der Küche") von 1971 neu aufgelegt ... Ein ideales<br />

Geschenk für die große Leinwand-Diva, die <strong>am</strong> 20.<br />

September ihren 80. Geburtstag gefeiert hat.<br />

Das Kochen ist für sie ein schönes Hobby geblieben, eben,<br />

die Schauspielerei indes ihre wahre Berufung gewesen. esen.<br />

Von der ehrgeizigen Mutter fürs Filmbusiness geschult,<br />

ist der erste bekannte Film, in dem sie mitwirkt, t, das Epos<br />

„Quo Vadis?" mit<br />

Anthony Quinn in<br />

der Hauptrolle. Das<br />

ist 1951. Eine kleine Nebenrolle.<br />

Einige unbedeutende Auftritte<br />

folgen, bevor Sophia<br />

Loren mit „Weiße<br />

Frau in Afrika" und<br />

„Aida" größere Rollen<br />

bekommt.<br />

Beinahe hätte Sophia<br />

Lorens üppige<br />

Erscheinung ihr jedoch<br />

den Durchbruch vermasselt.<br />

Ihr späterer<br />

Ehemann, der mehr als<br />

20 <strong>Jahre</strong> ältere erfolgreiche<br />

Filmproduzent<br />

Carlo Ponti, entdeckt<br />

die große<br />

Neapolitanerin mit den<br />

rot-braunen<br />

Locken<br />

und den honigfarbe-<br />

nen Augen Anfang der <strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> bei einem Schönheitswettbewerb.<br />

Wieder ist sie nur Zweite geworden. Sie habe von allem zu viel, heißt<br />

es d<strong>am</strong>als von der Jury. Und genau das<br />

beklagen auch die K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>änner, denen<br />

Ponti sie schmackhaft machen möchte.<br />

Die Lippen? Zu groß. Der Ausschnitt? Zu<br />

ausladend. Die Nase? Zu lang.<br />

Aber sie hat Glück. 1954 ist der italienische<br />

Regisseur Vittorio De Sica ebenso<br />

von ihr begeistert wie Ponti. Sein „Gold<br />

von Neapel" bedeutet ihren Durchbruch in<br />

Italien. Die einheimische Presse überschlägt<br />

sich. Sophia Loren ist in aller Munde, füllt<br />

auch mit ihrem privaten Lebenswandel<br />

(ihr Berufs- und Lebenspartner Ponti ist<br />

verheiratet – nur nicht mit ihr; im katholischen<br />

Italien eine nicht hinnehmbare<br />

Angelegenheit) die Zeitungsseiten. 1955<br />

– mit 21 <strong>Jahre</strong>n – kann sie bereits mit 36<br />

Filmen aufwarten. Einfach alle sind von<br />

Die Frau vom Fluss<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 72 ■ GoodTimes 1/2015


ihr angetan. Alle? Nun<br />

ja, nicht ganz. Stars wie<br />

Anna Magnani und Gina<br />

Lollobrigida sehen sie<br />

nicht gerade als willkommene<br />

Kollegin an.<br />

Sophia allerdings genießt<br />

den Ruhm und die<br />

kleinen<br />

Kämpfe<br />

mit den Diven.<br />

Vor allem mit<br />

Gina Lollobrigida<br />

trägt sie eine<br />

legendäre Fehde<br />

aus: Lollobrigida<br />

kümmert sich um<br />

tuberkulosekranke<br />

Kinder, Loren<br />

fortan um Blinde.<br />

Sophia will sich von Jean Cocteau malen lassen. „La Gina<br />

Nazionale" holt daraufhin 25 Mailänder Künstler zu einer<br />

Gemeinschaftssitzung zu sich. Für den vorläufigen Höhepunkt des<br />

Zickenkriegs ist dann ausgerechnet Queen Elizabeth II. verantwortlich.<br />

Auf deren Geheiß reisen „Lollo" und Sophia nach England. „Lollo" hält<br />

sich an das Protokoll und posiert mit dezenter Robe auf dem roten<br />

Teppich. Die Loren jedoch<br />

pfeift auf Vorschriften.<br />

Sie taucht im tief ausgeschnittenen<br />

Abendkleid<br />

auf und hat sich – absoluter<br />

Fauxpas in Queen-<br />

Nähe – ein Krönchen ins<br />

Haar gesteckt. Wie der<br />

„Spiegel" d<strong>am</strong>als schreibt,<br />

habe Queen-Gemahl<br />

Prinz Philip versucht,<br />

konsequent geradeaus<br />

zu schauen, während<br />

die Sexbombe vor ihm<br />

knickste. Stinksauer sei<br />

die Lollobrigida gewesen.<br />

Und die Loren? Die ist<br />

endgültig berühmt.<br />

Ponti und ihr reichen die<br />

italienischen Produktionen nun nicht mehr. Um auch in Amerika<br />

Beachtung zu finden, gibt es nur eine Lösung: auf nach Hollywood!<br />

Sie dreht mit John Wayne „Stadt der Verlorenen" (1957), mit Anthony<br />

Perkins „Begierde unter Ulmen" (1958) – und mit Cary Grant, dem Star<br />

schlechthin. Der Gentleman, der jede haben kann und plötzlich nur die<br />

eine will: Sophia. 1957 drehen sie „Stolz und Leidenschaft"<br />

miteinander, ein Jahr später „Hausboot". Er verliebt sich<br />

angeblich unsterblich in die Italienerin, gibt ihr privat<br />

Nachhilfe in Englisch – und womöglich nicht nur darin.<br />

Grant ist das Gegenteil von Ponti. Groß, sehr gutaussehend,<br />

und vor allem frei. Er macht ihr einen Antrag. Eine Ehe – es<br />

ist das, was für die Italienerin zählt. Und Grant will ihr den<br />

Wunsch erfüllen. Doch sie liebt den kleinen, etwas untersetzten<br />

Carlo Ponti zu sehr und weist Grant zurück. Für Ponti<br />

ein Warnsignal. In Mexiko lässt der sich daraufhin von seiner<br />

ersten Frau scheiden, heiratet <strong>am</strong> 17. September 1957 Sophia<br />

und bringt d<strong>am</strong>it ganz Italien gegen die beiden auf. Da<br />

die mexikanische Scheidung in der Heimat nicht anerkannt<br />

wird, gilt er fortan als Big<strong>am</strong>ist. Eine schlimme Situation<br />

für Sophia, die ihr Land so liebt und schon längst Heimweh<br />

empfindet im fernen Kalifornien.<br />

Und: Ihr fehlen die italienischen Produktionen. In Amerika ist sie zwar<br />

erfolgreich, aber ihr liegt mehr die Darstellung der typisch italienischen<br />

Frau: voller Leben, lachend, tanzend, schreiend. Am liebsten an der<br />

Seite des großen Marcello Mastroianni. Die beiden werden eines der<br />

erfolgreichsten Gespanne der Filmgeschichte. Mit einem meist schlitz-<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1961 El Cid<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Hausboot mit Cary Grant<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/1971 Die Sünde<br />

ohrigen Marcello und einer verführerischen Sophia. Herrlich anzusehen<br />

im Episodenfilm „Gestern, heute, morgen". 1963 von De Sica gedreht,<br />

bekommt er 30 <strong>Jahre</strong> später eine Hommage: „Prêt-à-Porter" – ein<br />

ironisches Werk über die gleichn<strong>am</strong>ige Modenschau in Paris mit einem<br />

Stelldichein der Stars – bringt Loren und Mastroianni vor dessen Tod<br />

ein letztes Mal vor der K<strong>am</strong>era zus<strong>am</strong>men. Und wie schon 1963 strippt<br />

sie wieder für ihn.<br />

Ganz offiziell i geheiratet t zu werden, das gelingt ihr im Pi Privatleben letzt-<br />

t<br />

lich dann doch noch. 1966 kann sie – nach der Annullierung der ersten<br />

Hochzeit – endlich für alle Señora Ponti werden. Und wie Filumena in<br />

„Hochzeit auf Italienisch" (1964), die sie verkörperte, schenkt sie Ponti<br />

Söhne: Carlo jr. (*1968), heute Dirigent, und Edoardo (*1973), heute<br />

Regisseur. Sie tritt kürzer, dreht Filme mit tragischen Figuren, wie etwa<br />

die todkranke Adriana an der Seite von Richard Burton in De Sicas<br />

„Die Reise nach Palermo" (1974). Als Jennifer Ch<strong>am</strong>berlain erlebt sie in<br />

„Cassandra Crossing" (1977) an Richard Harris' Seite eine Zugfahrt der<br />

besonderen Art. Und im K<strong>am</strong>pf<br />

um die Freiheit ihres Sohnes ist<br />

ihr in „Das Urteil" (1974) jedes<br />

Mittel recht gegen den Richter<br />

(wunderbar gespielt von Jean<br />

Gabin). 1977 dreht sie abermals<br />

mit Marcello Mastroianni: „Ein<br />

besonderer Tag" – ein dr<strong>am</strong>atischer<br />

Film. Auch die leisen Töne<br />

passen zu dem eingespielten<br />

Duo. Er als ihr Nachbar, den<br />

sie – die einfache Hausfrau<br />

mit sechs Kindern und einem<br />

faschistischen Mann im Italien<br />

des <strong>Jahre</strong>s 1938 – anflirtet.<br />

Es ist ihr letzter bedeutender<br />

Film, bevor sie sich mit der Nebenrolle in „Prêt-à-Porter" P t 1994 und ein<br />

Jahr später mit der Hauptrolle neben Walter Matthau in der Komödie<br />

„Der dritte Frühling" wieder ins Gespräch bringt. Zu tun hat sie dennoch<br />

viel: mit einem Steuerskandal, wegen dem sie<br />

gut zwei Wochen in Italien im Gefängnis sitzt, und der<br />

erst jüngst – nach 40 <strong>Jahre</strong>n Gerichtsstreit – zu ihren<br />

Gunsten ausging. Und mit dem Aufziehen ihrer Söhne,<br />

nebenbei ein paar TV-Rollen sowie ihrem humanitären<br />

Engagement. Nach ihrem ersten Oscar für die Rolle<br />

einer vom Krieg gebeutelten Mutter in „… und dennoch<br />

leben sie" (1961) erhält sie 1991 einen weiteren für ihr<br />

Lebenswerk. Im selben Jahr verliert sie dann ihre geliebte<br />

Mutter. 2007 muss sie ihren Mann Carlo Ponti zu Grabe<br />

tragen. 57 <strong>Jahre</strong> ist sie mit ihm zus<strong>am</strong>men gewesen.<br />

Für Gesprächsstoff sorgen in den letzten zehn <strong>Jahre</strong>n<br />

weniger die Filme (darunter 2009 die Rolle der „M<strong>am</strong>ma"<br />

im starbesetzten Musical „Nine") als ihr Erscheinungsbild.<br />

Was ist an der Loren noch echt und was nicht? Glatte<br />

Wangen, straffes Dekolleté, wilde Haarpracht sind freilich<br />

mit 80 <strong>Jahre</strong>n nicht mehr allein den Spaghetti zu verdanken.<br />

Faszinieren tut sie also weiterhin. Auch mit 80. „Mit mir ist die Zeit<br />

immer gut umgegangen", konstatiert sie denn auch kurz vor ihrem<br />

Jubiläum im „Mona-Lisa"-Interview im ZDF ...<br />

Claudia Tupeit<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber/Begierde unter Ulmen<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 73


Ziemlich beste<br />

Wohlfühl-Freunde<br />

Von Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />

Die Barbapapas geben sich stets ebenso<br />

großherzig wie gemütlich – sie sehen im<br />

Normalzustand wie überdimensionale Birnen<br />

aus. Allerdings können sämtliche Mitglieder<br />

der Sippe dank der Zauberformel „Ra-Ru-<br />

Rick Barbatrick” ihre Körperform verändern,<br />

gerne mal auch in eine Brücke, eine<br />

<strong>Eis</strong>enbahn, eine Suppenkelle oder sonstige<br />

Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.<br />

Diese Transformationen dienen einzig und allein<br />

dem Zweck, sämtlichen in Not geratenen Umstehenden<br />

zu helfen und dadurch die Welt ein wenig angenehmer<br />

zu gestalten und d<strong>am</strong>it besser zu machen. Die Barbapapas<br />

sind andauernd und manchmal geradezu aufdringlich hilfsbereit,<br />

kommen prächtig mit sämtlichen Kreaturen – Menschen,<br />

Tieren oder Pflanzen – aus und versuchen einfach nur, ein<br />

Miniatur-Paradies auf Erden zu erschaffen.<br />

Ihr N<strong>am</strong>e leitet sich übrigens, wie<br />

passend, vom französischen Wort<br />

für Zuckerwatte (barbe à papa, wörtlich<br />

„Papas Bart”) ab, kreiert wurden<br />

die charmanten Figuren von der<br />

französischen Architekturstudentin<br />

Annette Tison und dem <strong>am</strong>erikanischen<br />

Biologielehrer Talus Taylor, beides<br />

"<br />

Ra- Ru-<br />

Rick Barbatrick" – kaum<br />

ist diese Formel ausgesprochen, schon<br />

ist in der Welt von Barbapapa, Barb<strong>am</strong><strong>am</strong>a und<br />

deren sieben Kindern (drei Mädchen und vier Jungs)<br />

alles anders! Wie diese neunköpfige Zeichentrick-animierte<br />

F<strong>am</strong>ilie überhaupt von Beginn an ganz anders war (und immer<br />

noch ist) als ihre Konkurrenz von Disney und Comic-Konsorten.<br />

Nicht umsonst wurde dieser sympathische Clan just im<br />

Jahr 1969 erfunden, denn er war den Zeitumständen<br />

entsprechend letztlich die freundlich-friedliche<br />

Hippie-Ausgabe der Ducks oder<br />

Flintstones.<br />

äußerst schüchterne Zeitgenossen, wie berichtet<br />

wird.<br />

Ursprünglich war die F<strong>am</strong>ilie<br />

lediglich als Comic in<br />

Buchform geplant. Doch<br />

die bezaubernde Öko-<br />

Sippe war ein dermaßen<br />

durchschlagender Erfolg<br />

bei Jung wie Alt, dass sich<br />

eine französisch-japanische<br />

Abb.: © Annette Tison renewed © Alice Taylor and Thomas Taylor<br />

Seite 74 ■ GoodTimes 1/2015


Firma der gezeichneten<br />

Riesen-Birnen annahm<br />

und 1974 zunächst 45<br />

Folgen à fünf Minuten<br />

mit ihnen und über sie<br />

produzierte. Die deutsche<br />

Erstausstrahlung erfolgte<br />

auf Grund immenser<br />

Nachfrage bereits <strong>am</strong><br />

5. November desselben<br />

<strong>Jahre</strong>s, sämtliche Synchronstimmen wurden dabei<br />

von Regisseur Peter Kirchberger gesprochen.<br />

Lediglich drei <strong>Jahre</strong> später wurden weitere 55 Folgen produziert,<br />

und auch diesmal war Kirchberger bei den deutschen Versionen<br />

„Mann für alles”. Nur bei den 1999 anlässlich des 25-jährigen<br />

Jubiläums der „Barbapapa”-Serie abgedrehten <strong>50</strong> Folgen blieb der<br />

Schleswig-Holsteiner außen vor. Kein Wunder, denn dieses Mal<br />

wurde die Reihe in Japan produziert (wo der Clan ebenfalls durchschlagend<br />

erfolgreich gewesen ist), wenn auch einmal mehr nach<br />

Originalentwürfen und Drehbüchern von Tison und Taylor. Bei diesen<br />

bislang letzten Folgen wurden die Figuren in der deutschen Version<br />

von verschiedenen Sprechern synchronisiert. Welch ein Frevel für die<br />

Hardcore-Anhänger! Noch schlimmer für treue Fans war freilich, dass<br />

die Formel „Ra-Ru-Rick Barbatrick” vor den Verwandlungen fehlte!<br />

Was sich zum Glück nicht geändert hatte, war der<br />

Umstand, dass von der skurrilen F<strong>am</strong>ilie absolut<br />

jedes Problem gelöst werden konnte. Dank der unerschöpflichen<br />

Möglichkeiten, die Körperformen zu verändern,<br />

und dank eines ungeheuren Erfindungsreichtums<br />

konnten selbst kniffligste Aufgaben gelöst und alles<br />

stets zu einem guten Ende gebracht werden. Denn die<br />

Barbapapas sind nun mal eben unermüdliche Streiter<br />

für die Freundschaft, sie haben bisher noch nie irgendjemanden<br />

im Stich gelassen.<br />

Es ist garantiert dieser unumstößliche Idealismus,<br />

gepaart mit selbstloser Freundlichkeit plus kauzigem Humor,<br />

der die Barbapapas und ihren legendären Ruf ins aktuelle Jahrtausend<br />

herübergerettet hat. Dazu gesellt sich das seit jeher vorhandene<br />

Gespür für gesellschaftskritische Themen wie Umweltverschmutzung,<br />

Flächenverbrauch, Verkehr oder Walfang, um nur einige wenige zu<br />

nennen.<br />

1971 erschien die Geschichte von<br />

Barbapapa in Buchform erstmals<br />

in Deutsch. Bald folgten Geschichten<br />

von Barb<strong>am</strong><strong>am</strong>a und allen weiteren<br />

drolligen Figuren des Clans. Danach<br />

herrschte erst mal überraschend Stille<br />

– zumindest auf Verlagsseite. Doch<br />

seit kurzem sind Barbapapa und seine<br />

Lieblinge im Buchhandel, der längst<br />

auf die Barbapapa-Kultklassiker gewartet et hat – auf die<br />

„echten”<br />

Bilderbücher wohlgemerkt, also die Originale –, wieder erhältlich.<br />

Für die Kinder der einstigen Barbapapa-Fans und für alle, die seither<br />

nur die Zeichentrickfilme gesehen haben.<br />

Im ersten Band kommt Barbapapa<br />

zur Welt, oder genauer<br />

gesagt: aus dem Boden<br />

und unter die Menschen.<br />

Ein nie gesehenes, rundum<br />

sympathisches<br />

Wesen, das seine<br />

Form verändern n<br />

kann, das sich<br />

als Freund und<br />

Helfer bewährt<br />

und schlicht alle um ihn herum<br />

glücklich macht. Der zweite Band<br />

setzt indes mit einem traurigen<br />

Barbapapa ein: Der sehnt sich<br />

nach einer Freundin. Die findet<br />

er zwar nicht auf seiner eher<br />

hektischen Reise rund um die<br />

Welt, stattdessen<br />

findet er sie jedoch<br />

exakt dort, wo er<br />

immer schon war. Und<br />

im Anschluss gibt es dann bald schon<br />

auch Barbababys, die berühmten sieben an der Zahl. Die Geschichte<br />

der wunderbaren Käuze nimmt in der Folge die überraschendsten<br />

Wendungen, Band für Band ...<br />

Dafür zu danken, dass<br />

die „Barbapapa”-<br />

Comics wieder in deutscher<br />

Sprache erhältlich sind, ist<br />

dem renommierten Schweizer<br />

Atlantis/Orell-Füssli-Verlag.<br />

Verantwortlich für die Reihe<br />

zeichnet dort der Holländer<br />

Hans ten Doornkaat. Der<br />

freundliche Verlagsmitarbeiter<br />

erklärt rt bereitwillig, was ihn an dieser Serie<br />

fasziniert: „Grund für mich, die Barbapapas<br />

neu aufzulegen, war der, dass ich sie aus<br />

meiner Zeit als Teilzeitbuchhändler und<br />

Student kannte." Die frühe Prägung hält<br />

eben oft ein Leben lang.<br />

So weit, so gut”, fährt der „Lektor aus<br />

„ Leidenschaft” dann schwärmerisch<br />

fort, „ich war stets fasziniert von den<br />

Klassikern, die Talus Taylor ‚flagship-serie'<br />

nennt, weil sie nicht einfach einen popu-<br />

lären Stil zeigen, sondern –<br />

etwa in ‚Barbapapas Reise' – auch wirklich<br />

Zeitkolorit und ästhetische Anspielungen auf die Pop-Kultur einbringen.<br />

Den Ausschlag, dass ich d<strong>am</strong>it anfing, die deutschsprachigen<br />

Buchrechte zu verhandeln, gab aber, dass ich als Progr<strong>am</strong>mmacher<br />

mit vielen Illustratoren diskutiere. Dabei k<strong>am</strong> irgendwann, wenn auch<br />

nicht gleich <strong>am</strong> Anfang der Unterhaltung, das Bekenntnis,<br />

dass er oder sie als Kind die Barbapapas liebte. Man<br />

tauschte sich aus, schwärmte von Szenen und war dann<br />

bei der Frage: ‚Warum gibt es diese Bücher nicht mehr<br />

auf Deutsch?' Die bloße Erkenntnis reichte mir aber nicht,<br />

und ich ging der Sache nach. In der Schweiz, wo die<br />

Nähe zur französischen Buch<strong>kult</strong>ur größer ist, waren die<br />

Figuren nie ganz verschwunden. Und in Österreich, wo<br />

Taylor einer Bank eine Sonderausgabe der Barbapapas für<br />

Werbezwecke lizenziert hatte, war die Erinnerung an sie<br />

sogar noch wacher. Aber der Siegeszug des Comebacks die-<br />

ser bezaubernden F<strong>am</strong>ilie zeichnete sich dann auch in Deutschland<br />

ganz rasch ab.”<br />

Und so kommt es, dass die<br />

Barba papas 45 <strong>Jahre</strong> nach<br />

ihrer Erfindung<br />

weiterhin<br />

ihr<br />

schönes<br />

Unwesen in<br />

der<br />

Welt treiben.<br />

„Ra-Ru-Rick<br />

Barbatrick” – und<br />

schon ist alles<br />

anders. Schon ist<br />

alles besser. Schon<br />

ist alles gut.<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 75


Nougatrausch fürs Brot<br />

Natürlich lässt sich über <strong>Nutella</strong>, den <strong>kult</strong>igen Haselnuss-<br />

Brotaufstrich und Frühstücksliebling nicht nur der Deutschen,<br />

Schlechtes sagen. Schon ein Besuch im Berliner Zucker-<br />

Museum kann einem gehörig die Laune verderben: Hier steht<br />

nämlich ein typisches 400-Gr<strong>am</strong>m-<strong>Nutella</strong>-Glas direkt neben<br />

einem Behälter mit 72 Würfelzuckern, die sich – freilich versteckt<br />

– in solch einem Glas befinden sollen. In den Weiten des Netzes<br />

lässt sich Ähnliches finden: Übergewicht, Karies – und <strong>Nutella</strong><br />

wird immer wieder gern als Schuldiger ausgemacht. Da ist die<br />

Anekdote, dass bis 2011 Fett und Zucker für eine Grundportion<br />

von 15 Gr<strong>am</strong>m, die Vit<strong>am</strong>in- und Mineralstoffwerte hingegen<br />

für 100 Gr<strong>am</strong>m auf dem Etikett angegeben wurden, wenig<br />

hilfreich. Und vor noch gar nicht so langer Zeit mussten die<br />

<strong>Nutella</strong>-Hersteller in den USA rund drei Millionen Dollar<br />

Entschädigung zahlen, weil das süße Zeug wohl doch<br />

nicht so gesund sei, wie die Werbung vermuten lasse ...<br />

Doch Hand aufs Herz: Ist <strong>Nutella</strong> nicht extrem lecker?<br />

Man muss ja nicht immer gleich das ganze Glas<br />

auslöffeln (aber auch das sollte man einmal gemacht<br />

haben). Und ist es nicht eine großartige Erfindung, sich<br />

einen schokoladig-nussigen Mix aufs Brot streichen zu<br />

können? Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Im<br />

Falle von <strong>Nutella</strong>, der Mutter aller Haselnuss-Brotaufstriche, half d<strong>am</strong>als<br />

der Zufall ein wenig nach. Zunächst war da der Konditor Pietro Ferrero,<br />

der in den 1940er <strong>Jahre</strong>n einen kleinen Laden in Turin betrieb und den<br />

vorbeieilenden<br />

Arbeitern einen<br />

süßen Pausensnack<br />

feilbieten wollte. Er<br />

musste erfinderisch sein, denn<br />

Schokolade war für kaum<br />

jemanden erschwinglich.<br />

Haselnüsse gab<br />

es dagegen in der<br />

Region Piemont<br />

im Überfluss. Die Pietro Ferrero<br />

wurden schließlich mit Zucker sowie<br />

Fett – und wenn doch Kakao, dann<br />

nur ganz wenig – gemischt. So entstand<br />

eine Art Nougatmasse, das Gianduja.<br />

Küchentalent Pietro war beileibe nicht der einzige, der<br />

diesen Mix fabrizierte. Er experimentierte jedoch weiter<br />

an der Rezeptur und ersetzte den Kakao schließlich durch<br />

Kokosbutter. Die daraus entwickelte „Pasta Gianduja"<br />

avancierte zu einem kleinen Highlight auf dem kargen<br />

Süßigkeitenmarkt. So konnte Ferrero senior 1946 in<br />

seiner Heimatstadt Alba, 65 Kilometer von Turin entfernt,<br />

die nach dem F<strong>am</strong>ilienn<strong>am</strong>en benannte Firma<br />

Ferrero gründen, ein Unternehmen, das sich übrigens<br />

bis heute in F<strong>am</strong>ilienhand befindet. Das Nougat wurde<br />

in großen Blöcken an die Wiederverkäufer ausgeliefert,<br />

und diese schnitten ihrer Kundschaft davon kleine Scheiben<br />

ab. Der Sommer 1949 allerdings soll ein extrem heißer gewesen sein, so<br />

dass immer mehr Händler die süße, nun flüssig gewordene Masse nicht<br />

mehr in Folie, sondern in Behältern verkauften. Pietro selbst erlebte das<br />

Seite 76 ■ GoodTimes 1/2015


jedoch nicht mehr, er starb im März des <strong>Jahre</strong>s. Seine Frau und sein<br />

Sohn Michele führten das expandierende Unternehmen dann weiter<br />

und behielten dabei auch die Experimentierfreude des<br />

Gründers bei. So wich die Kokosbutter mit der Zeit<br />

einer Pflanzenfettmischung. Das Rezept ist jedoch<br />

streng geheim: Zucker, Palmöl, Haselnüsse, fettarmer<br />

Kakao, Magermilchpulver, Soja und Vanillin sind<br />

auf dem Etikett angegeben.<br />

1951 wurde für das inzwischen in Konserven<br />

angebotene Nougat ein neuer N<strong>am</strong>e gefunden:<br />

„Supercrema". Ein N<strong>am</strong>e, der Progr<strong>am</strong>m war. Elf<br />

<strong>Jahre</strong> später musste der florierende Brotaufstrich-<br />

Hersteller jedoch eine gehörige Schlappe hinnehmen.<br />

Das italienische Parl<strong>am</strong>ent hatte beschlossen,<br />

dass Markenn<strong>am</strong>en nicht mehr Wörter wie „Super",<br />

„Ultra" usw. enthalten dürfen. Deshalb wurde 1964<br />

aus Supercrema – jawohl – <strong>Nutella</strong>. Ein Kunstwort, bestehend aus Nuss<br />

(Nut) und -ella, der italienischen Verkleinerungsform. Dabei sei es ganz<br />

egal, ob man die, der oder das <strong>Nutella</strong> sage, betonten die<br />

Macher stets.<br />

Ein Jahr später stand das erste <strong>Nutella</strong>-Glas auch<br />

in einem deutschen Laden. Längst hatte Ferrero<br />

schon eine hiesige Produktionsstätte. Begann die deutsche<br />

Niederlassung in Stadtallendorf im September 1956 noch<br />

mit fünf Mitarbeitern, waren es ein halbes Jahr später<br />

bereits 60 und noch mal sechs Monate danach schon über<br />

1<strong>50</strong> Angestellte. Stadtallendorf war d<strong>am</strong>als noch ein ziemlich kleines<br />

Kaff, heute sind hier etwa 20.000 Menschen zu Hause, und jeder vierte<br />

Erwerbstätige arbeitet bei Ferrero. Zunächst wurden dort die besagte<br />

Supercrema und die Cremalba, ein weiterer <strong>Nutella</strong>-Vorläufer, hergestellt,<br />

doch ihre Erfolgsgeschichten sind mit der von der heute gefeierten<br />

Nougatcreme überhaupt nicht zu vergleichen. Den Durchbruch<br />

schaffte Ferrero Deutschland indes sowieso mit einem ganz anderen<br />

Produkt, der zuerst einzeln nen Praline Mon Cheri. Genau, die<br />

angebote-<br />

mit der Piemont-Kirsche,<br />

die es zwar gar nicht gibt<br />

– aber das ist eine andere<br />

Geschichte.<br />

Ferrero hatte und hat<br />

wiederholt die Nase vorn:<br />

von Yogurette bis Hanuta, von<br />

Kinder Schokolade bis Raffaello, von<br />

Ferrero Küsschen bis zur Milchschnitte – alles Ferrero. Die<br />

Erfolgsstory in Zahlen: 2013 lag der <strong>Jahre</strong>sumsatz bei über acht<br />

Milliarden Euro mit einem Gewinn von fast zehn Prozent. Über<br />

30.000 Mitarbeiter weltweit zählt der Ferrero-Konzern, davon sind<br />

zwölf Prozent in Deutschland beschäftigt. Der 89-jährige Michele<br />

Ferrero, Sohn des Pasta-Gianduja-Erfinders und Vater des heutigen<br />

Firmenchefs Giovanni Ferrero, soll der reichste Mann Italiens sein – noch<br />

vor Del Vecchio und Berlusconi. Neben <strong>Nutella</strong> gibt es übrigens drei weitere<br />

firmeninterne Jubilare: Duplo (ebenfalls <strong>50</strong>), Kinder Überraschung<br />

(40 <strong>Jahre</strong>) und Ferrero Rocher (30 <strong>Jahre</strong>). Das Hauptaugenmerk gilt<br />

aber dem Jubiläum von <strong>Nutella</strong>. Der süchtig machende Brotaufstrich<br />

ist heute in 160 Ländern zu haben. Den Italienern ist das Jubiläum<br />

sogar eine eigene Briefmarke wert. Und auch in Deutschland wird<br />

gefeiert: mit einer großen Party mit Gästen wie Til Schweiger und<br />

Verona Pooth, einer Community-Seite, auf der man seine <strong>Nutella</strong>-<br />

Geschichten und -Bilder posten kann und – als besonderes Highlight<br />

– dem Ein-Kilo-Jubiläumsglas. Spätestens hier kommen allerdings<br />

auch wieder die Miesmacher ins Spiel, denn in der Sonderedition tummeln<br />

sich etwa 5<strong>50</strong>0 Kilokalorien, ein halbes Kilo Zucker in 180 Würfeln und<br />

über 300 Gr<strong>am</strong>m Fett …<br />

Trotzdem (oder gerade deswegen): Herzlichen Glückwunsch, <strong>Nutella</strong>!<br />

Christian Hentschel<br />

DIE ARDENNENSCHLACHT<br />

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von <br />

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€ 16,90


DDR-Zeitschriften aus dem Verlag<br />

Teil 1<br />

„K<strong>am</strong> ein kleiner Teddybär ... „<br />

Die allererste Zeitschrift, die ich besaß – und die mich in den intellektuellen<br />

Kreis der Zeitungsleser erhob –, war der „Bummi".<br />

Meine Mutter kaufte mir<br />

das quadratische, bunte<br />

Heftchen Ende der 60er <strong>Jahre</strong> an<br />

einem der typischen dunkelgrünen<br />

Zeitungskioske, irgendwo in<br />

der Leipziger Vorstadt, d<strong>am</strong>it ich<br />

mir die anschließende stundenlange<br />

Wartezeit in der Poliklinik Süd<br />

vertreiben konnte. Dieser „Bummi"<br />

war meine Einstiegsdroge in die<br />

Welt der Presse.<br />

In der DDR gab es ein ineinander<br />

übergreifendes komplexes<br />

System von Zeitschriften für Kinder und Jugendliche, ohne<br />

Ausnahme gesteuert vom Zentralrat der FDJ als Herausgeber<br />

und veröffentlicht im Verlag Junge Welt. Im Jahr 1957 sollten<br />

in deren Auftrag Pädagogen, Ärzte und Illustratoren<br />

eine lehrreiche und gesellschaftspolitisch<br />

nützliche Zeitung für Kindergartenkinder<br />

entwickeln. Herausk<strong>am</strong> „Bummi". Sein<br />

Maskottchen war ein gelber Teddybär,<br />

gezeichnet von Ingeborg Meyer-Rey, einer<br />

der beliebtesten und charakteristischsten<br />

Kinderbuchillustratorinnen der DDR. Der<br />

„Bummi" erschien zunächst monatlich,<br />

später 14-täglich, kostete bescheidene<br />

25 Pfennige, und es gab ihn auch als<br />

S<strong>am</strong>melband, der dann einen Jahrgang<br />

zus<strong>am</strong>menfasste.<br />

Auf den zwölf durchgängig farbigen Seiten fanden sich Bastelbögen<br />

und Comics, kleine Geschichten, Lieder, Hausaufgaben für die<br />

Vorschulkinder, Rätsel, Malvorlagen und Beiträge zur Verkehrserziehung.<br />

Die Geschichtenabenteuer des Teddys Bummi und seiner bärigen<br />

Freunde Mischka und Maxl dachte sich Chefredakteurin Ursula Böhnke<br />

aus, die die Zeitschrift mitentwickelt hatte. D<strong>am</strong>it zielte „Bummi" spezi-<br />

ell auf die Erziehung der kleinen Leser zu fleißigen,<br />

höflichen Kindern ab, die ihre berufstätigen<br />

Mütter unterstützten. Außerdem<br />

gab es feststehende Comic-Reihen, z.B.<br />

mit den Spatzen Pieps, Piep und Tschiep,<br />

gezeichnet von der ebenfalls sehr belieb-<br />

b<br />

ten Kinderbuch-Illustratorin Inge Gürtzig.<br />

In den 80ern enthielt „Bummi" zudem<br />

die „klitzekleinen Geschichtenbücher" zum<br />

Ausschneiden, Falten und Zus<strong>am</strong>mennähen,<br />

die fleißig ges<strong>am</strong>melt wurden. Allzu viel<br />

Seite 78 ■ GoodTimes 1/2015


Propaganda wollte man den kleinen<br />

„Bummi"-Lesern noch nicht<br />

zumuten. Trotzdem fanden sich in<br />

dem Heft auch Lobgedichte auf die<br />

Soldaten, deren einzige Aufgabe<br />

es zu sein<br />

schien,<br />

über uns<br />

Kinder zu<br />

wachen.<br />

Ein anderes<br />

Mal<br />

gab es einen eifrig-<br />

i<br />

fröhlichen Artikel<br />

zu Walter Ulbrichts<br />

Geburtstag, der<br />

wie ein netter<br />

Märchenonkel dargestellt<br />

wurde. Ein<br />

immer wiederkehrendes, d wichtiges Thema waren auch die Erhaltung des<br />

Friedens, die Völkerfreundschaft und die Gleichheit aller Menschen, egal<br />

welcher Hautfarbe. Die Welt wurde nicht als heil hingestellt: In einem<br />

Heft von 1968 findet sich neben einem vietn<strong>am</strong>esischen Kinderlied eine<br />

rührende Geschichte über den Vietn<strong>am</strong>krieg, in der jedoch unerwähnt<br />

bleibt, wer gegen wen kämpft, und nur das menschliche Leid der vietn<strong>am</strong>esischen<br />

Kinder beschrieben wird. Auch regelmäßige Spendenaufrufe<br />

für notleidende Kinder fehlten nicht, denen die kleinen Leser, die noch<br />

gar kein Taschengeld bek<strong>am</strong>en, indes gar nicht hätten nachkommen<br />

können.<br />

Taschengeld gab es für die meisten von uns<br />

erst mit dem Eintritt in die Schule – und<br />

dann war es auch schon Zeit für die „ABC-<br />

Zeitung", die für Kinder der Unterstufen n<br />

gedacht war. Sie wurde 1946 gegründet,<br />

machte<br />

mehrere e<br />

Formatwechsel<br />

durch<br />

und<br />

kostete 30<br />

Pfennige. Laut<br />

Impressum<br />

war sie die Zeitung der Jungpioniere. i An<br />

meiner überfüllten Schule in der Leipziger<br />

Südvorstadt gab es zu meiner Einschulung<br />

sechs erste Klassen<br />

und nur einen einzigen<br />

Nichtpionier.<br />

Die blauen Halstücher bek<strong>am</strong>en wir zu Beginn<br />

des Schuljahres in der dunklen, nach Bohnerwachs<br />

riechenden<br />

Schulaula mit großem<br />

Brimborium<br />

überreicht. Dieser<br />

eine<br />

bedauernswerte<br />

Junge, der<br />

auf Entscheidung<br />

seiner christlichen<br />

Eltern kein Halstuch bekommen sollte,<br />

wurde zur Feierstunde dann nicht einfach<br />

ausgeladen oder ignoriert, er musste wie<br />

alle anderen erscheinen, wurde nach vorn<br />

zitiert und vor vers<strong>am</strong>melter Mannschaft<br />

als Konterrevolutionär ti gebrandmarkt. Noch ganz deutlich erinnere<br />

ich mich an das Gefühl, das ich dabei hatte, eine Mischung aus<br />

Erleichterung, nicht selbst in<br />

dieser misslichen Lage zu sein,<br />

grenzenlosem Mitleid und der<br />

Angst, dem Nichtpionier irgendwann<br />

im Gedränge auf dem<br />

Schulhof zu<br />

nahe<br />

zu<br />

kommen.<br />

So<br />

ähnlich<br />

musste es sich anfühlen, wenn man zus<strong>am</strong>men<br />

mit einem Leprakranken die Schule besuchte. Und<br />

obwohl dieser Junge ausdrücklich vom Konsum der<br />

„ABC-Zeitung" ausgeschlossen war, las er sie trotzdem.<br />

Weil sie groß, bunt und lustig war und weil<br />

auch ein Nichtpionier einfach nur das tun wollte,<br />

was alle taten.<br />

Zu meiner Unterstufenzeit Ende der 60er, Anfang der<br />

70er <strong>Jahre</strong> war die „ABC-Zeitung" etwas mehr als A4 groß und hatte 16<br />

farbige Seiten. Chefredakteur<br />

war der Schriftsteller<br />

Gerhard<br />

Holtz-Baumert,<br />

und berühmte<br />

Grafiker wie<br />

Manfred Bofinger<br />

oder Werner r<br />

Klemke besorgten<br />

die Illustrationen. n.<br />

Sie enthielt Bastelbögen,<br />

Quartett-<br />

Spiele und<br />

Dior<strong>am</strong>en zum Ausschneiden auf dickerem Karton. Maskottchen der<br />

Zeitschrift waren Rolli und Flitzi, zwei selts<strong>am</strong>e Männchen, eins davon<br />

mit Propeller auf dem Kopf, und ihr Hund Schnapp. Alle drei bestanden<br />

aus verschieden großen bunten Perlen, so dass wir sie an den<br />

Pioniernachmittagen nachbasteln konnten. Die „ABC-Zeitung" wurde<br />

über die Schulen verteilt und fand deshalb auch oft im Unterricht<br />

Verwendung. Im Unterschied zu „Bummi" enthielt sie wesentlich häufiger<br />

Propaganda-Beiträge, die wir genauso gelangweilt überblätterten<br />

wie die heutigen Kinder störende Werbung.<br />

Ebenfalls über die Schule bezogen wir die „Trommel", die Zeitung<br />

für die älteren Thälmannpioniere – mit rotem Halstuch<br />

– und<br />

Schüler. Hier wurden also ausdrücklich auch<br />

Nichtpioniere zum Lesen eingeladen, vermutlich<br />

weil die „Trommel" es ziemlich nötig<br />

hatte. Ihre Titelaufmachung erinnerte kein<br />

bisschen an ein Rock-Schlagzeug, sondern<br />

vielmehr an militärische Marschtrommeln. Die<br />

Zeitschrift erschien seit 1958 jeden Donnerstag<br />

zum Preis von zehn Pfennigen und stieß<br />

in meiner Klasse auf ein sehr mäßiges<br />

Interesse. Vielleicht lag es daran, dass wir<br />

von unseren Lehrern immer verpflichtet<br />

wurden, sie zu kaufen, was ärgerlich<br />

war, denn für das Geld hätten wir eine<br />

Kugel Vanilleeis bekommen. Vielleicht<br />

störte uns aber auch die sehr schlechte<br />

Papierqualität und dass die 16 Seiten<br />

der Zeitschrift nicht durchgängig farbig<br />

waren. Vielleicht aber betrachteten<br />

wir in diesem Alter die Inhalte auch<br />

schon kritischer und fühlten uns von<br />

der übermäßigen Agitation und Propaganda a<br />

überrollt. Selbst die abgedruckten Comics<br />

wie „Das Mädchen vom Ehrenmal" oder „Die<br />

roten Kletterer" waren oft politisch über<strong>am</strong>bitioniert.<br />

Es gab allerdings auch ungarische<br />

Import-Comics nach Romanen von Jules Verne. Die Gestaltung wurde<br />

immer wieder geändert, in den Siebzigern gab es ein großformatiges<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 79


Titelfoto, in der rechten Randspalte oben eine Piefke und Schniefke-<br />

Karikatur, gezeichnet von Wolfgang Schubert, und unten die „Fröhliche<br />

Minute" mit Witzen. Das waren für mich die beiden einzigen interes-<br />

santen Aspekte dieser Zeitung.<br />

Die „Trommel"<br />

wurde in meiner<br />

Klasse selten mit<br />

nach Hause genommen.<br />

Manche<br />

Schüler rissen noch<br />

die Rätselseite<br />

für ihre Oma heraus,<br />

und dann<br />

wurde die Zeitung<br />

einem wichtigeren<br />

Verwendungszweck<br />

zugeführt, sie verwandelte sich in „Altpapier für<br />

den Frieden". Jede<br />

Schule hatte im Keller eine S<strong>am</strong>melstelle für Sekundärrohstoffe, und<br />

je nach Gewicht der abgegebenen Papierbündel bek<strong>am</strong>en wir zwar<br />

kein Geld, aber Solidaritätspunkte in einer Liste gutgeschrieben. Die<br />

Einnahmen wurden an notleidende Kinder in Vietn<strong>am</strong>, Chile oder<br />

Nicaragua geschickt. Hatten wir unsere 100 Solipunkte für das Schuljahr<br />

zus<strong>am</strong>men, konnten wir die Altstoffe in den Sero-S<strong>am</strong>melstellen abgeben<br />

und das Geld selbst behalten.<br />

Eine Zeitung, die für kein Geld der Welt von mir zum<br />

Altpapier gepackt worden wäre und die ich immer<br />

wieder las, bis sie auseinanderfiel, e war die „Frösi". Als<br />

„Pioniermagazin<br />

für<br />

Jungen und Mädchen"<br />

wurde sie ab 1953<br />

zunächst unter dem<br />

N<strong>am</strong>en „Fröhlichsein<br />

und Singen" herausgegeben,<br />

benannt nach<br />

einem d<strong>am</strong>als bekannten<br />

Pionierlied von Hans Naumilkat.<br />

Sie war für Kinder zwischen 10 und<br />

14 <strong>Jahre</strong>n gedacht und wurde ab 1965<br />

zur griffigeren „Frösi" abgekürzt. Sie<br />

erschien<br />

mit 32 bis 40 Seiten einmal<br />

monatlich zum Preis von 70<br />

Pfennigen. Die „Frösi" enthielt<br />

einen Mix aus Beiträgen und<br />

spannenden Experimenten<br />

aus den Bereichen Natur,<br />

Wissenschaft und Technik,<br />

das „Bild des Monats" – ein<br />

Kunstdruckblatt –, Bastelbögen<br />

auf festerem Karton, außerdem<br />

Beilagen wie 3D-Brillen<br />

aus Pappe, Rasterfolien zum<br />

Lösen von Rätselbildern<br />

oder Blumens<strong>am</strong>en. In der<br />

Novemberausgabe fan-<br />

den wir außerdem oft einen<br />

Weihnachtskalender ht mit Bildertürchen<br />

en<br />

oder als Dior<strong>am</strong>a zum Aufstellen.<br />

Es gab wiederkehrende gezeichnete e<br />

Charaktere, so zum Beispiel Korbine<br />

Früchtchen, eine überdimensionale<br />

Erdbeere, die zum S<strong>am</strong>meln von<br />

Waldfrüchten und recyclebaren<br />

Rohstoffen aufrief, oder Kundi, das<br />

Maskottchen des Deutschen Hygiene-<br />

Museums in Dresden, das sich sehr<br />

um unsere Körperpflege bemühte.<br />

Besonders beliebt waren die Comics<br />

mit Ali und Archibald, einem Mann<br />

und seinem Dackel, von Horst<br />

Alisch – und natürlich Mäxchen<br />

und Tüte von Richard H<strong>am</strong>bach, der<br />

auch Kundi erfunden hatte, oft die<br />

Titelkarikatur lieferte und d<strong>am</strong>it das<br />

Erscheinungsbild der „Frösi" wesentlich<br />

geprägt hat. Außerdem wurden<br />

Bildergeschichten von italienischen<br />

und ungarischen Illustratoren eingekauft,<br />

um mit den Lizenzgebühren<br />

die dortigen kommunistischen<br />

Herausgeber zu unterstützen. Das<br />

heimliche Maskottchen der „Frösi"<br />

war dann auch Atomino, ein kleines Comic-Wesen mit Kopfantenne<br />

und Atom-Symbol auf dem<br />

Bauch, ein Import des italienischen<br />

Illustrators Vinicio<br />

Berti.<br />

An die unvermeid-<br />

lichen<br />

politischen Comics<br />

und agitatorischen Beiträge<br />

kann ich<br />

mich einfach nicht<br />

mehr erinnern,<br />

weil ich sie kurzerhand<br />

ausgeblendet<br />

hatte.<br />

Das war wie mit dem Pizzarand. Es geht<br />

scheinbar nicht ohne, aber keiner kann<br />

einen zwingen, das trockene Zeug auch<br />

noch zu konsumieren.<br />

„Frösi" war eines der beliebtesten<br />

Kindermagazine. Auf dem Pressefest<br />

der „Leipziger Volkszeitung" hatte sie<br />

immer einen eigenen, von Kindern dicht<br />

umlagerten Stand mit den neuesten<br />

Ausgaben, und zu Schulfesten trat die<br />

rollende „Frösi"-Disco an.<br />

Eine noch stärker naturwissenschaftlich<br />

orientierte Zeitschrift für<br />

Heranwachsende war der „Technikus",<br />

ein Monatsmagazin für Wissenschaft<br />

und Technik mit populärwissenschaftlichen<br />

Beiträgen und utopischen<br />

Kurzgeschichten. Mit ähnlichem Inhalt,<br />

jedoch für ältere Jugendliche gedacht,<br />

erschien ebenfalls monatlich das<br />

Magazin „Jugend + Technik". Es berichtete<br />

über Naturphänomene, Bauprojekte<br />

und Industrietechnologien, vor allem<br />

aus den RGW-Staaten, und enthielt<br />

Witze, Rätsel und Bastelanleitungen.<br />

Ab 1987 wurden außerdem regelmäßig<br />

Schaltpläne für den Selbstbaucomputer<br />

Ju-Te-Computer abgedruckt, wobei die<br />

Umsetzung oft an den Bauteilen scheiterte,<br />

die sich einfach nicht auftreiben<br />

ließen.<br />

Während die bisher genannten Magazine<br />

in meiner Erinnerung relativ problemlos<br />

erhältlich waren, musste man sich bei<br />

anderen Zeitschriften schon einiges einfallen<br />

lassen, wenn man sie unbedingt<br />

lesen wollte. Aufgrund des Papiermangels<br />

in der DDR wurden die Auflagenhöhen n<br />

nämlich nicht der Nachfrage, sondern<br />

dem Rohstoffangebot angepasst. Meine Eltern besaßen eines der<br />

kostbaren Abos für „Mosaik", das großartige Comic-Heft von Hannes<br />

Hegen. Ein ebenfalls sehr begehrtes Comic-Magazin war „Atze" mit<br />

den beliebten Figuren Fix und Fax, aber das ist wieder ein anderes<br />

Thema.<br />

Seite 80 ■ GoodTimes 1/2015


Als wir Mitte der Achtziger, längst erwachsen und nach langer<br />

Wartezeit auf eine eigene Wohnung, endlich bei unseren<br />

Eltern ausziehen konnten, bemühten wir uns um verschiedene eigene<br />

Zeitungsabonnements und ernteten auf der Post nur ein mitleidiges<br />

Lächeln. Es gab lediglich eine bestimmte Anzahl an Abonnements, die<br />

bereits in den 60er <strong>Jahre</strong>n alle vergeben worden waren und danach nur<br />

noch vererbt werden konnten ...<br />

Ohne Abo musste man versuchen, die Zeitschriften an einem der Kioske<br />

zu ergattern. Jeden Donnerstagmorgen, wenn die neuen Ausgaben<br />

verteilt wurden, setzte der Ansturm auf die Zeitungskioske ein. Meistens<br />

standen Rentner für die ganze Hausgemeinschaft oder die F<strong>am</strong>ilie an,<br />

denn niemand sonst hatte um diese Zeit die Gelegenheit, stundenlang auf<br />

die druckfrische Lieferung zu warten. Ein Teil der Zeitschriften erreichte<br />

die Ladentheke indes gar nicht erst, weil die wenigen Exemplare bereits<br />

unter den Verkäuferinnen verteilt worden waren. Zum Glück waren diese<br />

wenigstens bestechlich, was ihnen eine ganz besondere Macht verlieh.<br />

Nach der Wende wurden sie zu ihrer eigenen Verwunderung dann übrigens<br />

ebenso kurz und schmerzlos „entthront" wie die Baustoffhändler.<br />

Eine der begehrten Zeitschriften, für die man gern ein paar Stunden<br />

anstand, war das „Neue Leben". Ich erinnere mich, wie ich in den<br />

Ferien für 80 Pfennige eine frische Ausgabe ergatterte. Sonst las ich<br />

meistens die abgegriffenen Exemplare<br />

meiner Freundinnen. Das „Neue<br />

Leben" war die einzige unterhalts<strong>am</strong>e<br />

Monatsillustrierte für Jugendliche in<br />

der DDR. Sie erschien ab 1954 mit<br />

einer Auflage von durchschnittlich<br />

einer halben Million Exemplaren, die<br />

zum Großteil an Abonnenten gingen,<br />

die Kioske erreichten nur wenige freie<br />

Exemplare. Schon die Kleinschreibung<br />

des Titels versprach Anarchismus<br />

und Avantgarde, k<strong>am</strong> d<strong>am</strong>als doch<br />

in der Lyrik die Kleinschreibung<br />

auf. Die Titelseite zeigte meistens<br />

eine Karikatur, gezeichnet von<br />

dem bekannten Illustrator Thomas<br />

Schleusing. Sie gab dem „Neuen Leben" den unverkennbaren typischen<br />

Stil, war jugendgemäß, oft frivol, wobei die Frauen natürlich immer den<br />

überlegenen Part bek<strong>am</strong>en, und manchmal auch sozialistisch angehaucht,<br />

wenn die Waffenbrüderschaft mit der UdSSR als fröhliche Kumpanei<br />

dargestellt wurde. Als ich für diesen Artikel alte Ausgaben des „Neuen<br />

Lebens" zus<strong>am</strong>mengesucht habe, entdeckte ich beim Durchblättern<br />

seitenweise Auszüge aus russischen Kriegstagebüchern, lange Lobreden<br />

auf die Vereidigung der neuen<br />

NVA-Soldaten, markige Aufsätze<br />

zum K<strong>am</strong>pf an der Tagebaufront<br />

und war völlig überrascht, wie<br />

viele politische und militaristische<br />

Artikel<br />

sich darin fanden.<br />

In meiner<br />

Erinnerung war<br />

diese Zeitung, die<br />

wir Jugendlichen als<br />

die unsere betrachteten,<br />

ganz anders<br />

gewesen. Als ich<br />

anfing, das „Neue Leben" zu<br />

lesen, hatte ich offensichtlich die<br />

Kunst, im Kopf zu filtern, die ich<br />

bei den Kinderzeitungen schon<br />

ganz passabel beherrschte, ht bis zur Perfektion weiterentwickelt. Und so<br />

will ich auch jetzt vor allem auf die Beiträge eingehen, die für mich und<br />

meine Generation wichtig gewesen sind (und weniger auf den überflüssigen<br />

Ballast).<br />

Es gab feste Rubriken, wie „Schreib eine Geschichte", in der die jugendlichen<br />

Leser eigene Beiträge zu Schulproblemen, Schwangerschaften<br />

im Teenageralter und Sportwettkämpfen einsenden konnten. Vier<br />

ganze Seiten waren für Leserpost reserviert,<br />

auf denen es ziemlich rabiat zuging und<br />

auch gegen die Redaktion gewettert werden<br />

konnte, wenn wieder mal die N<strong>am</strong>en<br />

der Mitglieder einer Band wie Tangerine<br />

Dre<strong>am</strong> verwechselt worden waren. Zwei<br />

weitere Seiten waren mit Informationen<br />

zu Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt,<br />

im Plattenladen und Neustarts im Kino<br />

gefüllt, außerdem gab es Kassettencover<br />

zum Ausschneiden und vier volle Seiten<br />

mit Kontaktanzeigen: „Schreibst du mir –<br />

schreib ich dir."<br />

In der Mitte fanden wir immer ein doppelseitiges, kleines Poster vor,<br />

dazu teils lobende, teils kritische Berichte über Hollywoodstars wie Jane<br />

Fonda, Sänger und Bands, ostdeutsche wie Karat oder Berluc, aber auch<br />

über Udo Lindenberg, Elvis Presley oder die Beatles. Es gab auch frostige<br />

Berichte über Punkbands, in denen <strong>am</strong> Ende voller Schadenfreude<br />

resümiert wurde, dass so etwas Degeneriertes nur das kapitalistische<br />

System hervorbringen könne. Aber ganz egal, was auch immer in diesen<br />

Artikeln stand, wir<br />

freuten uns darüber,<br />

enthielten sie doch<br />

neben den Texten<br />

auch immer Bilder,<br />

die wir dann ausschnitten.<br />

Wer kein<br />

eigenes Exemplar<br />

ergattern konnte,<br />

fotografierte diese<br />

Bilder ab, wer keinen<br />

Fotoapparat<br />

besaß, kopierte die Bilder mit Hilfe von „Nuth"-Fleckenwasser, mit dem<br />

die Druckerfarbe auf dem Originalbild angelöst und durch Auflegen und<br />

Andrücken auf ein anderes Papier übertragen wurde. Mit diesem System<br />

stellte ich mit meinen Freundinnen drei spiegelverkehrte Kopien eines<br />

Bildes von Smokie her, das anschließend jede von uns über ihr Bett<br />

kleben konnte. Dort stank es dann herrlich nach Lösungsmitteln vor sich<br />

hin und bescherte uns tiefe Träume.<br />

Sehr beliebt und heiß diskutiert waren die gelegentlichen Aktbilder und<br />

auch die schwarzen Aufklärungsseiten, auf denen wirkliche oder fingierte<br />

Leserbriefe abgedruckt und Lösungen zu Sexualproblemen angeboten<br />

wurden. „Prof. Dr. Borrmann antwortet" hat letztlich eine ganze<br />

Generation von Jugendlichen im Osten aufgeklärt.<br />

Nach der Wende und der Abwicklung durch die Treuhand kaufte<br />

der Verlag Pabel-Moewig den Zeitschriftenverlag Junge Welt und<br />

d<strong>am</strong>it auch die Rechte an den erwähnten Zeitschriften. Sie wurden<br />

bis auf eine Ausnahme wegen mangelnden Interesses zwischen 1990<br />

und 1996 eingestellt, zum Teil nach erfolglosen<br />

Reanimationsversuchen.<br />

Die einzige dieser Zeitschriften, die überlebt hat,<br />

ist „Bummi", die d<strong>am</strong>it die älteste Vorschulzeitschrift<br />

auf dem deutschen Markt ist. Die Redaktion<br />

leitet inzwischen Sabine Drachsel, die Tochter der<br />

„Bummi"-Gründerin Ursula Böhnke-Kuckhoff, und<br />

das ist sicher der Grund dafür, dass sich das Heft thematisch<br />

<strong>am</strong> ursprünglichen „Bummi" orientiert. Noch<br />

immer gibt es das „Klitzekleine Märchenbuch" zum<br />

Heraustrennen, und nach wie vor wird fast durchgängig von Hand<br />

illustriert. Nur die ideologische Färbung ist verschwunden. Wer von<br />

uns als Kind „Bummi" liebte, kann auch heute noch zus<strong>am</strong>men mit<br />

Kindern und Enkeln lesen – und zwar Seite für Seite, ohne eine einzige<br />

auslassen zu wollen.<br />

Für Erwachsene gab es in der DDR fast 300 Zeitschriften, unter ihnen<br />

das innovative und gl<strong>am</strong>ouröse Modeblatt „Sibylle", das traditionsreiche<br />

„Magazin" und den „Eulenspiegel", der seinem N<strong>am</strong>en alle Ehre machte.<br />

Um diese und andere geht es in der nächsten Ausgabe.<br />

Kati Naumann<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 81


Foto<br />

: © Ka<br />

rim<br />

Khaw<br />

atmi<br />

Die 60er <strong>Jahre</strong> waren eine wilde, revolutionäre<br />

Zeit. Die Beatles, die Rolling Stones, die Lords,<br />

Karl May und Edgar-Wallace-Filme waren „meine<br />

Welt" – und eben auch Udo Jürgens. Eigentlich<br />

passte er gar nicht in das Bild der bunten Carnaby-<br />

Street-Kl<strong>am</strong>otten, der lauten E-Gitarren und der<br />

kreischenden Mädchen. Aber da war etwas, das mich<br />

und viele andere Menschen faszinierte. War es das<br />

Klavier, die deutschen Texte, die typischen Udo-<br />

Melodien, der dunkelblaue Smoking mit dem roten<br />

Einstecktuch, die Ausstrahlung dieses Ausnahme-<br />

Entertainers? Ich weiß es bis heute nicht genau, es<br />

war wohl diese Mischung aus allem. Dieser extrem<br />

konträre Gegensatz zu "I Can’t Get No Satisfaction"<br />

und "Revolution"! Vielleicht war es genau das, was<br />

Udo Jürgens bis heute ausmacht: der Sänger, der<br />

mit leisen Tönen seine Meinung laut sagt – mal<br />

ironisch, mal sarkastisch, mal lustig und mal ernst.<br />

Wie dem auch sei, er gehörte dazu und hatte seinen<br />

festen Platz neben den Beat- und Rockbands jener Tage. Und<br />

das<br />

Erstaunliche: Er hat ihn bis heute behalten, und niemand hat ihn ihm<br />

je streitig gemacht – und immer noch im dunkelblauen Smoking mit<br />

dem roten Einstecktuch!<br />

Ich sah Udo Jürgens zum ersten Mal 1967 in der Duisburger<br />

Mercatorhalle, ein Jahr nach seinem Sieg mit "Merci Cherie" beim<br />

„Grand Prix Eurovision de la Chanson" in Luxemburg. Es war seine<br />

erste Tournee mit eigener Band: Willy Übelherr (musikalischer<br />

Leiter und Keyboards), Sigi Übelherr (Bass),<br />

Heinz Allhoff (Klavier), Walter Grägel (Gitarre) und Bob<br />

Blumenhofen (Schlagzeug). Udo gab d<strong>am</strong>als <strong>50</strong> Konzerte,<br />

die von 60.000 Fans besucht wurden. Schon auf seiner<br />

dritten Tournee „Udo '70" waren es dann 266 Konzerte<br />

mit 510.000 Besuchern. Doch der Weg dorthin war oft<br />

steinig und schwer.<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 82 ■ GoodTimes 1/2015<br />

UDO JÜRGENS<br />

Zum 80.<br />

Geburtstag<br />

Es kann sein, dass diese<br />

Hommage an Udo Jürgens<br />

mitunter etwas melancholisch<br />

wirkt, aber es ist die<br />

Geschichte einer jahrzehntelangen<br />

Freundschaft, die in Luxemburg<br />

begann, als ich Sprecher bei Radio<br />

Luxemburg war – und seitdem andauert,<br />

also seit 40 <strong>Jahre</strong>n, einem halben Leben!<br />

Von Christian Simon<br />

Udo Jürgen Bockelmann, so sein bürgerlicher<br />

N<strong>am</strong>e, wurde <strong>am</strong> 30. September 1934<br />

in<br />

Klagenfurt geboren. Er war ein kränkliches,<br />

schwaches Kind, hatte Ängste, konnte sich in<br />

der Schule gegenüber den Klassenk<strong>am</strong>eraden<br />

nicht sonderlich behaupten, wurde wegen seiner<br />

Segelohren gehänselt und bek<strong>am</strong> Komplexe. Die<br />

Ohren ließ er sich mit 19 <strong>Jahre</strong>n richten, d<strong>am</strong>als<br />

ein sehr schmerzhaftes Unterfangen. Aber das<br />

musste sein, denn Udo wusste bereits: „Ich will<br />

mal Sänger werden und auf die Bühne!" Und<br />

gutes Aussehen gehört eben dazu. Komplexe und<br />

Ängste besiegen, Anerkennung bekommen – das<br />

schafft man mit Musik. Das merkte Udo schon<br />

als kleines Kind, als er sich innerhalb weniger<br />

Tage ganz allein Harmonien zu Opernmelodien<br />

auf dem Klavier erarbeitete. „Dieses Talent habe<br />

nur ich, und das kann mir keiner nehmen!" Mit<br />

dieser Erkenntnis wollte er ins Leben hinaus.<br />

„Ich werde<br />

mit Musik auf- oder untergehen",<br />

sagte er seinem Vater, „und es ist besser, in einer<br />

Hotelbar Klavier zu spielen, als in einem Büro<br />

zu verkümmern." D<strong>am</strong>als ahnte niemand, dass<br />

dieser Udo einmal einer der erfolgreichs ten<br />

Komponisten unserer Tage mit über 100<br />

Millionen verkauften Tonträgern werden<br />

würde.<br />

Aber der Reihe nach:<br />

1951 fand Udos<br />

erster Aufritt für<br />

fünf Schilling pro<br />

Stunde (das waren<br />

d<strong>am</strong>als etwa<br />

90 Pfennig)<br />

Foto: © Unfried / GoodTimes-photo.de


im Gasthof Valzachi in<br />

Klagenfurt statt, den es<br />

übrigens heute noch gibt.<br />

Er hatte mit Freunden eine<br />

kleine Combo gegründet,<br />

die sich Udo Bolan<br />

Band nannte. An jenem<br />

Abend geschah etwas<br />

Entscheidendes: Spät<br />

in<br />

der Nacht jubelte das<br />

Publikum Udo zu, und<br />

er entschied: „Jetzt hab'<br />

ich begriffen, um was es<br />

geht. Das muss ich weitermachen!"<br />

Und er tat<br />

es, arbeitete als Komponist<br />

und Arrangeur und wurde<br />

1952 vom britischen<br />

Militärsender r BFN (British Forces Network) als Moderator und Musiker<br />

für eine wöchentliche Radioshow engagiert. Die wurde gehört, und<br />

so bek<strong>am</strong> Udo ein Jahr später eine Einladung nach Berlin, um<br />

dort mit dem Rias-Tanzorchester unter Leitung von Werner Müller<br />

zu spielen. Udo tingelte durch Österreich und Deutschland und<br />

machte sich einen N<strong>am</strong>en als Jazzpianist. Und dann die erste große<br />

Chance: Heliodor/Polydor gab ihm 1956 einen Schallplattenvertrag<br />

und einen neuen Künstlern<strong>am</strong>en – Udo Jürgens! Die erste Single<br />

erschien: "Es waren weiße Chrysanthemen."<br />

Ein kapitaler Flop. Doch Udo wurde bekannter,<br />

und Max Greger nahm ihn 1957 mit auf<br />

eine große Russland-Tournee. Es erschienen<br />

weitere Singles, und Udo zog berufsbedingt<br />

ins Künstlerviertel München-Schwabing. 1960<br />

wurde er in Knokke „Bester Einzelsänger des<br />

Festivals", und sein Lied "Jenny" wurde ein<br />

Nummer-1-Hit in Belgien. Im selben Jahr<br />

komponierte er für Shirley Bassey den Welthit<br />

"Reach For The Stars". Das brachte auch das<br />

erste „große Geld", ungefähr 20.000 DM. Für<br />

Udo eine unvorstellbare Summe. Er kaufte<br />

einem Freund ein Auto und sich selbst einen<br />

brandneuen Ford. Die Autos standen dann in<br />

einem Hinterhof, denn für Benzin war kein<br />

Geld mehr da …<br />

Udo nahm in der Folge alles an, was<br />

ging. Er absolvierte Gala-Auftritte und<br />

wirkte Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> in so manchem<br />

deutschen Schlagerfilm als Schauspieler mit<br />

(u.a. auch in „Unsere tollen Tanten"). Als<br />

die Polydor 1963 seinen Schallplattenvertrag<br />

nicht verlängerte, wollte er das Singen schon<br />

aufgeben en<br />

und nur noch komponieren. Doch da k<strong>am</strong> es zu einer der<br />

entscheidenden Begegnungen in seinem Leben – die Firma Montana<br />

verpflichtete den Sänger, und hinter diesem Unternehmen stand<br />

ein N<strong>am</strong>e: Hans R. Beierlein. Er wurde für die nächsten <strong>Jahre</strong> Udos<br />

Manager, Berater und „Macher". „Als ich Udo kennen lernte", so<br />

Beierlein, „hatte er nichts außer seinem Talent. Er sang Schlager,<br />

schlechte Schlager, aber er sang sie gut." Beierlein überzeugte Udo<br />

Jürgens davon, nur noch eigene Kompositionen zu interpretieren.<br />

„Das ist dein Weg! Der und kein anderer!" Die erste Platte, "Tausend<br />

Träume", wurde ein Riesenerfolg in Österreich. 1964 vertrat Udo<br />

dann sein Heimatland beim Grand Prix in<br />

Kopenhagen mit "Warum<br />

nur, warum?" und landete<br />

auf Platz 5. Von<br />

der englischen Version<br />

"Walk Away" von Matt<br />

Monroe verkauften sich<br />

weltweit 1,5 Millionen<br />

Schallplatten, sie<br />

Foto: © Sony Music<br />

erreichte Platz 1 in der englischen Hitparade<br />

und Platz 2 in den USA. Udos deutschsprachige<br />

Version wurde ein Nummer-1-Hit in<br />

Frankreich (!), was auch zu einem Auftritt im<br />

Pariser Olympia führte. Beim Grand Prix 1965<br />

in Neapel landete Udo mit "Sag ihr, ich lass sie<br />

grüßen" auf dem 4. Platz, und ein Jahr später<br />

in Luxemburg feierte er dann den Sieg mit<br />

"Merci Cherie". Der Rest ist Geschichte. Udos<br />

musikalische Visitenkarte wird ein Welthit mit<br />

Charts-Spitzenpositionen in über 20 Ländern.<br />

Der Durchbruch ist geschafft!<br />

Anschließend wurde die erste LP PORTRÄT<br />

IN MUSIK veröffentlicht, Udo bek<strong>am</strong> den<br />

„Goldenen Löwen von Radio Luxemburg" für "17<br />

Jahr,<br />

blondes<br />

Haar", Gold für eine Million verkaufter Platten von "Merci Cherie"<br />

und ging 1967 auf seine erste triumphale Deutschland-Tournee.<br />

Da sah ich ihn dann, wie bereits erwähnt, zum ersten Mal und<br />

bek<strong>am</strong> backstage von ihm mein<br />

erstes Autogr<strong>am</strong>m. Udo wurde nun<br />

mehr und mehr zu einem ernstzunehmenden<br />

„Chansonnier".<br />

Bekannte Persönlichkeiten schrieben<br />

anspruchsvolle Texte für ihn: Hans<br />

Hellmut Kirst ("Unabänderlich"),<br />

Joachim Fuchsberger ("Was ich<br />

Dir sagen will") oder Eckhard<br />

Hachfeld ("Lieb Vaterland"). Aber<br />

er bediente auch das Genre des<br />

einfacheren Schlagers – Lieder<br />

wie "Anuschka", "Es wird Nacht,<br />

Señorita", "Mathilda" oder das Lied<br />

der Deutschen Fernsehlotterie "Zeig<br />

mir den Platz an der Sonne" wurden<br />

alles<strong>am</strong>t Hits. Udo tourte durch<br />

Europa, absolvierte eine Japan-<br />

Konzertreise und komponierte das Musical „Helden, Helden", das<br />

1972 in Wien uraufgeführt wurde. 1974 trat er zus<strong>am</strong>men mit Shirley<br />

Bassey vor 40.000 Zuschauern in Rio de Janeiro<br />

auf … und ich k<strong>am</strong> zu RTL nach Luxemburg.<br />

Eine meiner ersten Ideen: eine Radio-Tournee-<br />

Dokumentation mit Udo Jürgens. Nachdem<br />

mir Frank Elstner, der d<strong>am</strong>als Progr<strong>am</strong>mchef<br />

war, sein Okay dafür gegeben hatte, rief ich das<br />

Büro von Hans R. Beierlein an und unterbreitete<br />

dort mein Anliegen. Radio Luxemburg war „der<br />

Starsender" und öffnete Türen … Die Tournee „Udo '75" stand bevor,<br />

man war einverstanden und organisierte mein erstes Interview für die<br />

Doku, das ich nie vergessen werde. Ich sollte Udo <strong>am</strong> Düsseldorfer<br />

Flughafen abholen, fuhr also mit meinem kleinen Simca Rallye 1 zum<br />

Airport und erwartete ihn bei der Ankunft. Ich war aufgeregt, denn nie<br />

zuvor hatte ich solch einen Star vor dem Mikrofon. Da k<strong>am</strong> er in Jeans<br />

und Lederjacke tänzelnd durch die Glastüren, eine große Reisetasche<br />

über der Schulter. Wir gingen zum Auto,<br />

und Udo war über die „Limousine"<br />

nicht gerade begeistert. Er nörgelte<br />

etwas herum, und wir fuhren<br />

ohne viele Worte zu einem<br />

Luxushotel. Das fing ja gut<br />

an … Udo stieg aus und<br />

ging sofort in seine Suite.<br />

Ich parkte den Wagen und<br />

folgte ihm einige Minuten<br />

später nach. Auf dem<br />

Zimmer packte ich mein<br />

Tonbandgerät aus und<br />

begann mit dem Interview.<br />

Udo taute auf – über eine<br />

Foto: © Unfried / GoodTimes-photo.de<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 83


Stunde beantwortete er alle meine Fragen locker und sehr freundlich.<br />

Am Ende des Gesprächs griff er zum Telefon, wählte eine Nummer und<br />

sagte: „Da hast du mir aber einen super Typen geschickt. Der macht<br />

seine Arbeit sehr gut, die Doku wird bestimmt toll!" Am anderen Ende<br />

der Leitung war Frank Elstner. Das war für mich wie ein Ritterschlag. Seit<br />

diesem Tag sind Udo und ich Freunde.<br />

Ich war dann einige Tage<br />

mit auf Tour, das Mikrofon<br />

immer dabei, sprach mit ihm<br />

direkt vor und nach den<br />

Auftritten, interviewte die<br />

Band, die Techniker und das<br />

Publikum. So entstand eine<br />

dreistündige Dokumentation,<br />

die beste Kritiken erntete.<br />

Im selben Jahr wurde<br />

"Griechischer Wein" veröffentlicht,<br />

und Udo besuchte mich<br />

zum Studiogespräch bei RTL.<br />

Er k<strong>am</strong> von da an sehr oft nach<br />

Luxemburg, manchmal auch ganz privat,<br />

sozusagen inkognito. 1976 schauten wir<br />

bei mir zu Hause während der Fußball-EM<br />

ein Spiel der deutschen Mannschaft. Und<br />

<strong>am</strong> selben Tag eröffnete er mir abends<br />

beim Essen: „Du, das weiß noch keiner,<br />

aber ich trenne mich von Beierlein! Ich<br />

weiß noch nicht genau, wie’s weitergeht,<br />

aber ich habe Kontakte zur Schweiz aufgebaut!"<br />

Ein Jahr später wurde es offi-<br />

ziell. Udo wechselte zum Freddy-Burger-<br />

Management und<br />

zog mit Ehefrau<br />

Panja und den<br />

Kindern<br />

Jenny<br />

und Jonny von Kitzbühel nach Zürich.<br />

Seine Erfolge hielten unvermindert an: 1978<br />

erschien "Buenos dias, Argentina" mit<br />

der deutschen Fußballnationalelf und wurde<br />

der größte Schallplattenhit in Udos Karriere:<br />

Gold nach fünf Wochen und Platin nach<br />

zwei Monaten. "Mit 66 <strong>Jahre</strong>n" k<strong>am</strong> auf den<br />

Markt, rechtzeitig zur Tournee „Ein Mann und<br />

seine Lieder" – dies auch der gleichn<strong>am</strong>ige<br />

Titel seiner ZDF-Show, die eine sensationelle<br />

Einschaltquote von 56 Prozent erreichte. Dafür<br />

bek<strong>am</strong> er die Goldene K<strong>am</strong>era von Hörzu.<br />

Ich hatte d<strong>am</strong>als eine Einladung von Udo zu einem Konzert in<br />

Frankfurt. Vor meiner Abreise aus Luxemburg gab mir mein<br />

RTL-Kollege Oliver Spiecker einen Umschlag und bat mich, diesen<br />

Udo zu übergeben. Darin befand sich ein von Oliver geschriebener<br />

Songtext – und was daraus wurde, kennt heute jeder Udo-Fan: die<br />

Acht-Minuten-Komposition "Wort", die 1979 zus<strong>am</strong>men mit den<br />

Berliner Philharmonikern aufgenommen wurde, ein Meilenstein<br />

in Udos Schaffen. Im selben Jahr wechselte ich von RTL zum<br />

ZDF und zog nach München. Nun wurde die Beziehung zu<br />

Udo noch enger, zumal er sehr oft nach München k<strong>am</strong> und wir<br />

dadurch ständigen Kontakt hatten. Die Tournee „Udo '80" war<br />

in Planung, und seine Plattenfirma Ariola beauftragte mich mit<br />

einem Audio-Interview, das dann auf zwei Musikcassetten<br />

erschien und an Medienleute verteilt wurde – diese<br />

Produktion mit Musik ist heute eine gesuchte<br />

Rarität. Auch die TV-Zeitschrift „Bild<br />

und Funk" plante eine Udo-Serie unter<br />

dem Titel „Meine Lebensbeichte", die ich<br />

zus<strong>am</strong>men mit Udo erarbeiten sollte. Dafür<br />

fuhr ich drei Tage nach Zürich und wohn-<br />

te bei Udo und<br />

Panja.<br />

Näher<br />

konnte<br />

ich<br />

der<br />

„Jürgens-<br />

F<strong>am</strong>ily"<br />

nicht<br />

mehr<br />

kommen<br />

– wir<br />

fuhren zus<strong>am</strong>men<br />

mit seinem<br />

Boot über<br />

den Zürichsee,<br />

machten einen<br />

Stadtbummel, mel saßen<br />

bis tief in die<br />

Nacht zus<strong>am</strong>men,<br />

Udo spielte Klavier, noch ein Absacker in der Küche<br />

… eine unvergessliche Zeit! Die Tournee wurde die<br />

bis dahin erfolgreichste Konzertreise seiner Karriere –<br />

330.000 Besucher in 110 Konzerten.<br />

Ich besuchte das Münchner Konzert <strong>am</strong> 26. September<br />

1980 und werde diesen sommerlichen Freitagabend<br />

nie vergessen. Nach seinem Auftritt<br />

wollten wir zus<strong>am</strong>men mit ein paar<br />

Freunden noch aufs Oktoberfest.<br />

Udo hatte ins Käferzelt eingeladen.<br />

Durch irgendwelche Umstände verzögerte<br />

sich aber die Abfahrt von<br />

der Halle zur Wiesn. Auf der verspäteten<br />

Anfahrt hörten wir dann im<br />

Autoradio vom Bombenattentat <strong>am</strong><br />

Haupteingang mit 13 Toten und über<br />

200 Verletzten. Was wäre gewesen,<br />

wären wir planmäßig eingetroffen …?<br />

1981 ging Udo für einige Wochen<br />

in die USA, um in Hollywood<br />

mit Harold Faltermeyer die englisch<br />

gesungene LP LEAVE A LITTLE LOVE zu produzieren, die dann in<br />

über 20 Ländern erschien. Sogar Russland orderte <strong>50</strong>.000 Stück. Für<br />

den Titelsong gewann Udo beim „World Popular Song Festival" in<br />

Tokio gleich zwei Preise – als Komponist und Interpret. Auch erhielt<br />

er für das Album einmal mehr den „Deutschen Schallplattenpreis".<br />

Ein Jahr später k<strong>am</strong> es zu einer „musikalischen Ehe", die bis heute<br />

hält. Sowohl für die LP als auch für die ZDF-Show und die Tournee<br />

„Lust <strong>am</strong> Leben" ging Udo gemeins<strong>am</strong> mit dem Pepe Lienhard<br />

Orchester erstmals ins Studio und auf die Bühne. Eine der wohl<br />

wichtigsten Entscheidungen des Bühnenkünstlers Udo Jürgens! Die<br />

Tournee umfasste 123 Konzerte mit über 400.000 Besuchern.<br />

Udo Jürgens und Christian Simon bei „Pit“ in Baden-Baden<br />

Foto: © Christian Simon Productions<br />

Und ein Ereignis im Jahr 1983 darf nicht unerwähnt bleiben,<br />

zumal die Bilder um die Welt gingen: Für eine TV-Produktion<br />

wurde Udo s<strong>am</strong>t Glasflügel auf das 3454 Meter hohe Jungfraujoch in<br />

die Schweizer Alpen geflogen. Unterm weißen Smoking trug er einen<br />

Neopren-Taucheranzug, da die Aufnahmen ansonsten aufgrund der<br />

klirrenden Kälte gar nicht möglich gewesen wären.<br />

1984 feierte Udo seinen <strong>50</strong>. Geburtstag und gab<br />

aus diesem Anlass für seine Freunde eine Party in<br />

Zürich. Ich war eingeladen und erinnere mich gerne<br />

an diesen Tag. Wir feierten zuerst im Szeneclub<br />

Mascotte, wo Udo auch live <strong>am</strong> Klavier Songs<br />

seines Albums HAUTNAH spielte, für das er Gold<br />

bek<strong>am</strong>. Später ging’s dann ein paar Stockwerke<br />

höher in Udos neue Penthouse-Wohnung, die noch<br />

im Rohbau war. An langen Biertischen wurde<br />

bis tief in die Nacht gespeist und getrunken<br />

– meinen Flieger <strong>am</strong> nächsten Morgen habe<br />

ich verpasst … Im selben Jahr wurde seine<br />

Tournee „Hautnah" mit 130 Konzerten<br />

und 430.000 Besuchern zum Mega-<br />

Erfolg – und Udo ging unter die<br />

Foto: © SONY / Dominik Beckmann<br />

Seite<br />

84<br />

■<br />

GoodTimes odT<br />

1/2015


Fotos: © SONY / Dominik Beckmann<br />

Buchautoren. Sein Erstlingswerk erschien: „Smoking und Blue Jeans".<br />

Zehn <strong>Jahre</strong> später sollten sich manche Dinge in ähnlicher Form wiederholen<br />

…<br />

Anschließend absolvierte Udo die Tourneen „Deinetwegen" (1987)<br />

und „Geradeaus" (1992), eröffnete die „Wiener Festwochen"<br />

(1986), schrieb für zwei Folgen der ZDF-Serie „Traumschiff" den<br />

Soundtrack und war selbst Gaststar in einer Folge (1990),<br />

gab 1992 auf der Donau-Insel in Wien das größte Open-Air-<br />

Konzert des europäischen Kontinents aller Zeiten vor über<br />

200.000 Zuschauern, bek<strong>am</strong> unzählige Ehrungen und 1993 einen<br />

lebenslangen Schallplattenvertrag mit BMG Ariola, was in der<br />

Geschichte der deutschen Phono-Industrie einmalig ist.<br />

Doch nun zum Jahr 1994: Auch zu seinem 60.<br />

war ich wieder eingeladen. Diesmal allerdings<br />

ging’s nach Frankfurt. Der Grund: Udo bek<strong>am</strong><br />

an seinem Geburtstag im Frankfurter Römer<br />

das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Somit hatten wir zwei Gründe<br />

zum Feiern! Auch verlieh ihm die Deutsche<br />

Phonoakademie den Echo für sein Lebenswerk,<br />

und das ZDF ehrte ihn mit einer TV-Gala. Im selben<br />

Jahr erschien sein zweites Buch „… unterm Smoking<br />

Gänsehaut", und Udo startete seine 13. Tournee<br />

„Die Größenwahntour", die ihn sieben Monate<br />

durch die Lande reisen ließ. Mit <strong>50</strong>0.000 Besuchern<br />

in 140 Konzerten wurde sie zur erfolgreichsten<br />

Tournee der Konzertsaison in Europa. Dafür<br />

bek<strong>am</strong> Udo Jürgens 1995 die Goldene K<strong>am</strong>era<br />

der Zeitschrift „Hörzu". Ein Jahr später erntete er<br />

die Lorbeeren vergangener Tage: Sein Album ABER<br />

BITTE MIT SAHNE erreichte in Österreich Platinstatus,<br />

54 Prozent der Deutschen bezeichneten seinen Song<br />

"Griechischer Wein" als ihren Lieblingsschlager, und<br />

sein Oldie "17 Jahr, blondes Haar" landete auf Platz 2<br />

der „ewigen Schlager-Hitparade". Im Januar ’97 startete<br />

„UJ" seine 14. Tournee „Gestern, Heute, Morgen"<br />

und stand dafür 111 Mal auf der Bühne. Es folgten<br />

wieder viele Preise, darunter auch der Ehren-B<strong>am</strong>bi für<br />

sein bisheriges Lebenswerk.<br />

Die Jahrtausend wende fiel zus<strong>am</strong>men mit Udos 66.<br />

Geburtstag. Da bot es sich wie selbstverständlich<br />

an, dass man dies zum Anlass nahm, an einen seiner<br />

größten Hits zu erinnern. So hieß dann seine Tournee<br />

2000/2001 „Udo 2000 – Mit 66 <strong>Jahre</strong>n, da fängt<br />

das Leben an". Danach arbeitete er parallel an zwei<br />

großen Projekten. Zum einem an seinem Album ES<br />

LEBE DAS LASTER mit darauffolgender Tournee (2003/2004) und zum<br />

anderen an seinem 700-Seiten-Roman „Der Mann mit dem Fagott",<br />

der 2004 erschien, rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag. Udo schrieb<br />

das Buch zus<strong>am</strong>men mit Michaela Moritz chronologisch in Zürich,<br />

Wien, Kärnten / <strong>am</strong> Bodensee, an der Algarve / in München und<br />

Kitzbühel / Moskau, St. Petersburg / Lissabon, Budapest, New York /<br />

Udo Jürgens – seit 47 <strong>Jahre</strong>n auf Tournee<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 85<br />

Meran, Interlaken, Bad Ragaz, Luzern / Berlin, Frankfurt, H<strong>am</strong>burg /<br />

Nassau, Bah<strong>am</strong>as, und Barendorf bei Lüneburg. Dieser Roman ist wie<br />

ein Jahrhundertkonzert – F<strong>am</strong>iliensaga und Zeitgeschichte in einem.<br />

Udo: „Die Geschichte meiner F<strong>am</strong>ilie hat mich seit meiner Kindheit<br />

geprägt und mein Weltbild entscheidend mitbestimmt, die Suche nach<br />

ihren Spuren hat mich viele <strong>Jahre</strong> begleitet, die Idee zu diesem Buch<br />

trage ich schon beinahe mein ganzes Leben mit mir herum." Mein<br />

persönliches Exemplar schenkte mir Udo zum Geburtstag im Juni<br />

2005, als ich mit ihm im Rahmen der Sommer-Open-Air-Tournee<br />

ein Solokonzert auf der Freilichtbühne in Ötigheim veranstaltete.<br />

Danach wurde noch im Baden-Badener Gagarin gefeiert. Es hat<br />

wohl seit den 60er <strong>Jahre</strong>n keinen Besuch von Udo in dieser Stadt<br />

gegeben, ohne einmal in diesem Lokal bei „Pit" reinzuschauen.<br />

Mit 80<br />

<strong>Jahre</strong>n<br />

mitten im<br />

Leben<br />

2006 folgte die nächste Tour „Jetzt oder nie", bevor<br />

ein Jahr später ein weiteres Highlight in Udos<br />

Karriere folgen sollte: Am 2. Dezember 2007 gab es<br />

im H<strong>am</strong>burger TUI Operettenhaus die Weltpremiere<br />

des Musicals „Ich war noch niemals in New York" mit<br />

23 Liedern von Udo Jürgens. Vor der Premiere wurden<br />

bereits 1<strong>50</strong>.000 Karten verkauft, und zwei <strong>Jahre</strong> später<br />

konnte H<strong>am</strong>burg den millionsten Besucher vermelden<br />

– bis heute sind es in H<strong>am</strong>burg, Zürich und Oberhausen<br />

über drei Millionen Besucher! Neben der Musik spielte in<br />

den kommenden <strong>Jahre</strong>n aber auch der Film eine wichtige<br />

Rolle, denn Udos Erfolgsroman „Der Mann mit dem<br />

Fagott" wurde verfilmt. Zu seinem 77. Geburtstag gaben<br />

ARD und ORF die Ausstrahlungstermine des Zweiteilers<br />

bekannt, der zum Fernsehereignis des <strong>Jahre</strong>s 2012 wurde.<br />

Der Film erhielt den wichtigsten österreichischen Film- und<br />

Fernsehpreis, den Romy, wurde im Museum Of Modern<br />

Art in New York gezeigt und bek<strong>am</strong> den Deutschen<br />

Fernsehpreis. Gleichzeitig feierte Udo wieder unglaubliche<br />

Erfolge auf seiner Tournee „Der ganz normale Wahnsinn"<br />

… ja, das ist Wahnsinn – Udo Jürgens, dieses Jahr „80"<br />

und immer noch MITTEN IM LEBEN, ein gut gewählter<br />

Titel für sein überaus gelungenes 53. Album. Auch<br />

für Udo, wie er sagt, ein Grund zum Feiern!<br />

Foto: © SONY / Dominik Beckmann<br />

Eine Karriere ohne Beispiel! Und wie geht’s<br />

weiter? „Wir alle haben einen letzten Tag.<br />

Man muss bereit sein, d<strong>am</strong>it umzugehen, und<br />

das fällt mir nicht leicht. Ich wünsche mir, dass<br />

ich das tolle Leben mit Musik noch weiterleben<br />

kann. Neue Lieder schreiben, ins Studio<br />

gehen, Gedanken zum Klingen bringen … und<br />

dann kommt der Moment, wo man sich sagt,<br />

das wünschen sich<br />

Millionen Menschen noch für viele <strong>Jahre</strong>.<br />

Darauf freuen wir uns!<br />

Lieber Udo, herzlichen Glückwunsch<br />

– und lass uns noch viele schöne<br />

Momente erleben!<br />

diese Lieder müssen auf die Bühne!" Und


Die Leute von der Shiloh Ranch (The Virginian)<br />

TV-Westerndr<strong>am</strong>en<br />

für Erwachsene<br />

Von Andreas Kötter<br />

Zum Glück aber zeigte sich im gleichen Maße, wie das Kind<br />

zum – immer noch sehr jungen Mann – heranreifte, auch<br />

der TV-Western immer erwachsener.<br />

Schon 1962 war in den USA mit<br />

„The Virginian" die erste Westernserie<br />

im 90-Minuten-Format (75 Minuten<br />

plus Werbung) angelaufen. Und ab<br />

1970 ritten „Die Leute von der Shiloh<br />

Ranch" schließlich auch durch deutsche<br />

Wohnzimmer. Lose basierend<br />

auf Owen Wisters mehrfach verfilmtem<br />

Roman „The Virginian" bedeutete<br />

„Die Leute von der Shiloh Ranch"<br />

gleichzeitig den Höhe- und – was den<br />

großen Erfolg anbetrifft – vorläufigen<br />

Endpunkt eines Genres zugleich. Weil<br />

hier eine TV-Westernserie zum ersten<br />

Mal im Über-Format produziert wurde<br />

– bei uns blieben davon allerdings häufig nur 60 Minuten übrig, so dass<br />

man sich bisweilen über arge Brüche in der Handlung ärgern musste –,<br />

konnten Drehbuchautoren und Regisseure (wie Hollywood-Veteranen<br />

bzw. Western-Routiniers wie S<strong>am</strong> Fuller, Burt Kennedy oder Andrew<br />

McLaglen) aus dem Vollen schöpfen und beinahe ähnlich epische<br />

Geschichten inszenieren, wie man das von der großen Leinwand, vom<br />

Kino gewohnt war.<br />

Kein Wunder also, dass die Erfolgsserie mit 275.000 Dollar pro<br />

Folge teurer war als jede andere TV-Show ihrer Zeit. Über den<br />

im Original titelgebenden „Virginian" (hier zu Lande wurde der<br />

„Virginian" gerne auch als „Vormann", also als eine Art Anführer der<br />

Cowboys bezeichnet) erfuhr man in den 171 (von den tatsächlich 249)<br />

in Deutschland ausgestrahlten Folgen recht wenig. Genaugenommen<br />

ist „recht wenig" sogar noch sehr optimistisch ausgedrückt. Denn<br />

nicht einmal der tatsächliche N<strong>am</strong>e wurde dem Zuschauer verraten,<br />

so dass der Virginian, der außer einem weinroten Cordhemd meist<br />

komplett in Schwarz auftrat, immer ein wenig mysteriös blieb. Auch<br />

weil er alles andere als ein Schwätzer war.<br />

Nicht dass der Mann ein eindimensionaler<br />

Charakter gewesen wäre. Im Gegenteil: Der<br />

Vormann konnte durchaus sensibel und<br />

mitfühlend sein. Aber statt große Reden<br />

zu schwingen, ließ er lieber Taten oder –<br />

wenn es gar nicht anders ging – seinen<br />

Colt sprechen. Für den Schauspieler J<strong>am</strong>es<br />

Drury war der Virginian die Rolle seines<br />

Lebens. Bis heute tingelt er im Zeichen<br />

der Shiloh Ranch durch die USA, von<br />

Western-Festival zu Western-Festival. Zu<br />

Recht. Denn der Virginian war fraglos die<br />

attraktivste Figur und d<strong>am</strong>it der Fixpunkt<br />

der Serie. e.<br />

Der Roman<br />

The Virginian"<br />

wurde<br />

"<br />

fürs Kino<br />

mehrfach verfilmt:<br />

Hier mit<br />

Joel McCrea (2. v. r.)<br />

Soap-Opera im Wilden Westen:<br />

Die F<strong>am</strong>ilie war hier die Gemeinschaft der Cowboys<br />

Aus Kindern werden Leute. Und weil<br />

das so ist, wurde ich der kleinen,<br />

feinen, aber wegen ihres 25-Minuten-<br />

Formates auch immer ein wenig eindimensionalen<br />

Western-Abenteuer,<br />

die sich Westlich von Santa Fé"<br />

"<br />

ereigneten, irgendwann Anfang der<br />

70er <strong>Jahre</strong> allmählich müde.<br />

Seite 86 ■ GoodTimes 1/2015


er<br />

v Ha<br />

rchi<br />

ilda<br />

ds/B<br />

Davi<br />

Foto<br />

Dennoch gab es noch eine ganze Reihe<br />

weiterer Hauptfiguren: Tr<strong>am</strong>pas (Doug<br />

McClure) war neben dem Virginian die wohl die<br />

wichtigste. Mit jungenhaftem Charme gesegnet,<br />

war er der ideale Gegenpart zum meist ernsten<br />

Virginian. Und dann waren da auch noch Steve<br />

Hill (Gary Clarke), Randy Benton (Randy Boone),<br />

Belden (L.Q. Jones) und Tate (der spätere „Colt<br />

für alle Fälle", Lee Majors). Sie alle gemeins<strong>am</strong><br />

machten die Soap-Opera (nach „Bonanza" und<br />

„Big Valley") endgültig im Wilden Westen heimisch.<br />

Denn die Erzählungen über das Leben<br />

auf der und um die Shiloh Ranch herum waren<br />

nichts anderes als eine große Clan-Saga, bei<br />

der die F<strong>am</strong>ilie nicht verwandtschaftlich konnotiert,<br />

sondern schlicht und ergreifend die<br />

verschworene Gemeinschaft der Cowboys war.<br />

Ein weiterer Grund für den großen Erfolg war<br />

zudem, dass neben den schon Genannten weitere<br />

wichtige Rollen (die Besitzer von Shiloh, die sich<br />

über die <strong>Jahre</strong> das Brandeisen in die Hand gaben)<br />

mit Charakterdarstellern des <strong>am</strong>erikanischen Kinos<br />

und Theaters besetzt waren. Ob der große Lee J.<br />

Cobb („On The Waterfront", „12 Angry Men") oder<br />

John McIntire, der in Montana unter Cowboys<br />

aufgewachsen und in vielen großen Hollywood-<br />

Western der Regielegende Anthony Mann zu sehen<br />

gewesen war, ob Charles Bickford, der von Lewis<br />

Milestone über Henry Hathaway und Willi<strong>am</strong><br />

Wyler bis zu John Huston mit fast allen<br />

großen Regisseuren der Hollywood-Studio-<br />

Ära gearbeitet hatte, oder schließlich in<br />

der letzten Staffel „Old Surehand" Stewart<br />

Granger – sie alle punkteten mit ihrer großen<br />

Professionalität.<br />

Inhaltlich setzte man darauf, dass es<br />

mal der Virginian oder Tr<strong>am</strong>pas, mal<br />

einer der Besitzer der Shiloh Ranch oder<br />

auch einer ihrer Sprösslinge (Kinder und<br />

Enkelkinder) waren, die mit ihren eigenen<br />

Sorgen oder konfrontiert oder etwaigen<br />

Nöten anderer jeweils im Mittelpunkt<br />

einer Episode standen. Die Rollen dieser<br />

„Anderen" waren ebenfalls besetzt mit<br />

Der beste Freund des<br />

Virginian war <strong>am</strong> Ende doch<br />

immer sein Gaul.<br />

... mal seinen<br />

jungenhaften Charme<br />

spielen<br />

hochkarätigen Gaststars. So tauchten im Laufe der<br />

<strong>Jahre</strong> Hollywood-Routiniers wie Joseph Cotten, Lee<br />

Marvin, Joan Crawford, Charles Bronson oder George<br />

C.<br />

Scott auf. Weitere Gastauftritte aufstrebender Stars<br />

wie Robert Redford, der d<strong>am</strong>als noch <strong>am</strong> Beginn<br />

seiner großartigen Karriere stand, rundeten das Bild<br />

einer besonders feinen Produktion ab. Nicht nur<br />

einmal waren es diese prominenten Gäste, die den<br />

Arrivierten von Shiloh die Show stahlen.<br />

Als „Die Leute von der Shiloh Ranch" nach<br />

neun Staffeln (die letzte lief nicht mehr unter<br />

dem Originaltitel „The Virginian", sondern unter<br />

„The Men From Shiloh") in den USA mit einem<br />

„lonesome goodbye" schließlich in den finalen<br />

Sonnenuntergang ritten, bedeutete das für mich<br />

eine besonders schmerzhafte Trennung.<br />

Und das nicht nur, weil ich den Virginian,<br />

Tr<strong>am</strong>pas und all die anderen wirklich<br />

liebgewonnen hatte. Schlimmer noch traf<br />

mich und einen jeden Großstadt-Cowboy,<br />

dass mit dem Abschied von Shiloh eine<br />

Epoche zu Ende ging – die der klassischen<br />

TV-Western. Eins<strong>am</strong>e Nachzügler, etwa<br />

„Kung Fu", „Centennial" („Colorado Saga")<br />

oder die zugegebenermaßen fantastische<br />

Miniserie „Lonesome Dove" („Der Ruf des<br />

Adlers") waren nur noch die berühmte(n)<br />

Mal ließ Tr<strong>am</strong>pas den Colt ...<br />

Ausnahme(n) von der Regel. Mit „Die Leute<br />

von der Shiloh Ranch", ohnehin angesiedelt<br />

im späten Wilden Westen der 80er bzw. 90er <strong>Jahre</strong><br />

(vgl. letzte Staffel) des 19. Jahrhunderts, war die berühmte<br />

„Frontier", die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis,<br />

endgültig geschlossen.<br />

Fo : © Davids/B<br />

ild da rchi<br />

v Hallhu llhuber<br />

Zum Weitersehen:<br />

• Die Leute von der Shiloh Ranch", DVD-Boxen Staffel 1–3<br />

(EuroVideo)<br />

Zum Weiterlesen:<br />

• Ronald Jackson, Doug Abbott: <strong>50</strong> Years Of The Television Western"<br />

"<br />

• Jon E. Lewis, Penny Stempel: Cult TV" "<br />

• Richard West: Television Westerns – Major and Minor Series, 1946 –1978"<br />

"<br />

• Andreas Kötter: Kult in Serie – <strong>50</strong> Serienklassiker ausgewählt und kommentiert"<br />

"<br />

© Pressefotos<br />

ist ohnehin<br />

KULT !<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 87<br />

Alle Bilderbücher in Deutsch lieferbar<br />

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Die Spielzeugwelt lt der 70er <strong>Jahre</strong><br />

Abenteuer. Es gab deshalb vermutlich<br />

hielt für Jungs etwas bereit, das es nur wenige Jungs zwischen sechs und<br />

in den Jahrzehnten davor so nicht zwölf <strong>Jahre</strong>n, die d<strong>am</strong>als nicht von den<br />

gegeben hatte: die Action-Figur (oder<br />

verheißungsvollen ACTION TEAMvielmehr<br />

Aktions- oder Funktions-ns<br />

Schaufenster-Dior<strong>am</strong>en der Spielzeugläden<br />

Figur, wie man sie d<strong>am</strong>als noch<br />

geradezu magisch<br />

nannte). Und aus diesen wiederum<br />

ragte eine Figuren-Serie e<br />

angezogen wurden. Daran vermochten<br />

auch die Gegner dieser<br />

ganz besonders hervor: das<br />

Figuren, denen es angeblich an<br />

ACTION TEAM! N<strong>am</strong>en wie John<br />

pädagogischem Wert fehlte und<br />

Steel, Tom Stone oder Hard Rock,<br />

die schon gerne mal als Barbie "<br />

wie die Figuren in Deutschland<br />

für Jungs" bezeichnet wurden,<br />

genannt wurden, verhießen gleich<br />

auf den ersten Blick Spannung ng und<br />

nichts zu ändern. Das ACTION TEAM<br />

war<br />

heißbegehrt.<br />

Seite 88 ■ GoodTimes 1/2015


Die Anfänge<br />

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1974<br />

hatte das ACTION TEAM seine Premiere<br />

in bundesdeutschen Spielzeugläden<br />

und Kaufhäusern. Die Mannheimer<br />

Spielzeugfirma Schildkröt hatte vom<br />

US-<strong>am</strong>erikanischen Spielzeugriesen Hasbro<br />

die Lizenz erworben, die 30 Zentimeter großen<br />

Abenteurer in Deutschland zu vertreiben,<br />

wobei sie die bereits existierende breite<br />

Angebotspalette von Figuren, Themen,<br />

Ausrüstungen und Zubehör sowohl aus<br />

den USA als auch aus England nutzte und<br />

daraus maßgeschneiderte Helden kreierte,<br />

die für den deutschen Markt <strong>am</strong> besten<br />

Sandy oder<br />

Super Peggy, gy, die<br />

ACTION GIRLS eben! Wer<br />

nun aber<br />

glaubte, dass<br />

diese e Mädels nur<br />

schönes<br />

Beiwerk erk<br />

waren, lag<br />

falsch. Die D<strong>am</strong>en<br />

waren mindestens<br />

so abenteuerlus euer<br />

erlustig<br />

wie ihre<br />

männlichen<br />

Pendants und<br />

auch<br />

genauso<br />

wehrhaft:<br />

Bewaffnet<br />

mit einem<br />

goldenen<br />

Colt<br />

geeignet erschienen. Auch die Benennung der Figuren gab es<br />

(!) und versehen<br />

so nur in Deutschland.<br />

mit<br />

Abenteuerausrüstungen<br />

wie<br />

Figuren, Ausstattungen,<br />

Fallschirmen und Safari-<br />

ari<br />

Equipment, ging es gera-<br />

Zubehör<br />

dewegs von einem hals-<br />

Den Grundstock des<br />

neuen Angebots bildeten<br />

zunächst die<br />

brecherischen Abenteuer<br />

zum nächsten. Vielleicht icht<br />

(oder gerade deswegen?) en?<br />

drei Hauptakteure e<br />

aber konnten Mädchen<br />

des ACTION TEAMS:<br />

nie so recht etwas d<strong>am</strong>it<br />

Hard Rock (orange-<br />

anfangen, war doch die<br />

farbener Overall und<br />

heißgeliebte Barbie natür-<br />

Bart), John Steel (blaue<br />

lich ein ganz anderer Typ<br />

Schlaghose, hellblaues<br />

von<br />

Frau. Und Jungs hielten sich<br />

Hemd) sowie der schwarze<br />

Tom Stone (khakifar-kibene<br />

Hose und Hemd).<br />

Alle drei trugen schwarze<br />

Halbstiefel, und als<br />

i-Tüpfelchen hatte jeder<br />

von ihnen ein schwarzes<br />

ar-<br />

sowieso meilenweit von Super<br />

Peggy und Super Sandy entfernt;<br />

ernt;<br />

schließlich spielte man ja<br />

nicht<br />

mit<br />

Puppen, sondern mit Action-<br />

Figuren!<br />

Die<br />

Schulterhalfter, bestückt mit einer<br />

Muskelmänner<br />

.38er Smith&Wesson oder einer<br />

.45 ACP. Und das war nur die<br />

Minimalbewaffnung, die als Zubehör erworben werden konnte. Neben kommen<br />

einem Remington-Gewehr mit Zielfernrohr gab es zudem <strong>am</strong>erikanische<br />

M-16-Sturmgewehre oder englische SLR. Die Auswahl war groß<br />

In den Folgejahren entwickelte sich<br />

die Schildkröt-Serie kontinuierlich weiter.<br />

er.<br />

und vielfältig.<br />

Genauso war es bei den angebotenen Abenteuerausrüstungen.<br />

Was es da nicht alles gab: Equipment,<br />

angefangen ngen<br />

beim Fallschirmkommando (mit ech-<br />

tem Fallschirm) über den Katastrophenschutz,<br />

die Dschungel-Forschung, den Geheimdienst, eimd<br />

iens<br />

die Spionage-Abwehr bis hin<br />

zum<br />

Froschmannzubehör (mit echtem<br />

Gummitaucheranzug). Eines der<br />

bekanntesten Sets: die legendäre<br />

Tiefsee-Ausrüstung,<br />

komplett mit Taucherhelm<br />

inklusive<br />

aufklappbarem<br />

Visier, Schatzkiste<br />

und Gummi-Oktopus. Es<br />

war genauso, wie der d<strong>am</strong>a-<br />

lige<br />

Werbeslogan der Firma<br />

Schildkröt vollmundig verkündete: ete<br />

„Das<br />

lebendige e Abenteuerspiel mit 1000<br />

Möglichkeiten."<br />

Um (vermutlich) auch <strong>am</strong> Barbie-Markt<br />

arkt<br />

teilhaben zu können (oder einfach,<br />

weil<br />

Puppen bei Schildkröt eine lange<br />

Tradition ion hatten), stellte man den har-<br />

ten Männern dann bald schon eine<br />

weibliche Begleitung zur Seite: Super<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 89<br />

Der anfänglich noch verwendete „Ur-Körper" der ACTION TEAM-<br />

Figur, der einer Art Gliederpuppe entsprach und hauptsächlich auf<br />

Funktionalität abhob, wich ab 1976 mehr und mehr einer neuen


muskulösen ulös<br />

Körperform, auf die Hasbro in den USA<br />

umgestel<br />

stellt l hatte. t Angeblich war dies das Ergebnis<br />

einer dortigen Umfrage unter Jungs zwischen<br />

sechs und zwölf <strong>Jahre</strong>n nach dem bevorzugten<br />

Körperbau: sportlich schlank oder<br />

doch lieber dicke Muckis?<br />

Da<br />

die überwiegende Mehrheit der<br />

Befragten so etwas wie „Da kauf ich<br />

lieber den muskelbepackten Big Jim"<br />

angab, sah sich Hasbro dann zur anatomischen<br />

Kurskorrektur gezwungen.<br />

Schließlich war es die Zeit, in<br />

der das Bodybuilding ganz groß<br />

im Kommen war. So wurden<br />

die Helden schließlich auch<br />

bei uns mit stahlharten<br />

Muskeln<br />

versehen<br />

und<br />

die Palette<br />

der Abenteuerausstattungen<br />

tt<br />

erweitert.<br />

e t.<br />

Ab 1977 k<strong>am</strong> es<br />

dann<br />

zum<br />

Auftritt<br />

der „harten Männer,<br />

die alles können und<br />

alles sehen". Das „Alles<br />

sehen" war auf eine Neuerung<br />

aus England zu beziehen, wo die<br />

Firma Palitoy zu dieser Zeit<br />

für<br />

ihre<br />

Action-Man-Serie die sogenannten<br />

nten<br />

Eagle-Eyes eingeführt hatte:<br />

Augen, die mittels eines kleinen<br />

Schiebers im Nacken der<br />

Figur von links nach rechts<br />

und umgekehrt bewegt egt<br />

werden konnten.<br />

Schildkröt<br />

übernahm<br />

diese Technik<br />

und brachte zwei neue e<br />

Helden: Bob Power und den<br />

Indianer Adlerauge. Ersterer war<br />

eine Art Agent, ganz in Schwarz<br />

gekleidet, mit schwarzem Rolli<br />

li<br />

und schwarzer Hose, waffentechnisch<br />

top ausgestattet.<br />

ttet<br />

et.<br />

Adlerauge hingegen n<br />

war<br />

ein Indianer mit … genau,<br />

Lendenschurz.<br />

Weiteres<br />

Zubehör Fehlanzeige. Ob die<br />

Marketingabteilung g von<br />

Schildkröt hier gerade<br />

im Urlaub war oder<br />

man schlicht dachte,<br />

der Lendenschurz<br />

reiche im Wilden<br />

Westen zum Überleben ebenen aus, ist leider<br />

er<br />

nicht überliefert.<br />

leider nicht bekannt. nt. Vermutlich<br />

besteht t aber<br />

ein<br />

Zus<strong>am</strong>menhang<br />

menh<br />

ang<br />

mit dem ab<br />

Mitte te der<br />

70er <strong>Jahre</strong><br />

stark gestiegenen gene<br />

n<br />

Ölpreis. Da<br />

Öl ein wichtiger iger<br />

Rohstoff<br />

o f<br />

für die Herstellung von<br />

Plastik ist, darf vermutet<br />

werden, dass<br />

die<br />

schon d<strong>am</strong>als<br />

beachtlichen<br />

Verkaufspreise<br />

reis<br />

e<br />

der Figuren und<br />

Ausstattungen unge<br />

auf Dauer<br />

nicht mehr zu halten waren.<br />

Zumindest war dies<br />

einer<br />

er der<br />

Gründe,<br />

weshalb Hasbro 1977 die Produktion on von<br />

G.I.<br />

Joe, der epochemachenden ende<br />

n ersten en<br />

Action-<br />

Figur,<br />

einstellte.<br />

Jäger und<br />

S<strong>am</strong>mler<br />

Wie dem auch<br />

sei, eineinhalb<br />

Jahrzehnte später,<br />

im Verlauf der 90er <strong>Jahre</strong>, entdeckten ten die Kinder der<br />

70er<br />

als Erwachsene ihre alten Spielk<strong>am</strong>eraden neu. Zunächst<br />

auf Flohmärkten, über Zeitungsannoncen oder im Rahmen<br />

von (heute fast unmöglichen) Ladenfunden, später dann über ein<br />

wohlbekanntes Internet-Auktionshaus. So entwickelte sich eine<br />

kleine, aber feine S<strong>am</strong>mlerszene, die die Helden von einst wiederhaben<br />

wollte. Diesmal aber nicht, um sie in der Badewanne tauchen<br />

zu lassen sen<br />

oder im Garten auf Großwildjagd zu schicken, sondern um<br />

die taffen Jungs in vollem Glanz und<br />

Gloria<br />

in die<br />

Vitrine<br />

stellen en zu können ...<br />

Lars Schumacher<br />

her<br />

Das Ende des<br />

Abenteuers<br />

Als sich die 70er <strong>Jahre</strong> dem Ende zuneigten<br />

und ein neues Jahrzehnt vor der Tür stand,<br />

waren allerdings auch die Tage des ACTION<br />

TEAMS langs<strong>am</strong> gezählt. Wann genau und<br />

aus welchen Gründen Schildkröt den Vertrieb<br />

der ACTION TEAM-Serie einstellte, ist jedoch<br />

Seite<br />

90 ■ GoodTimes 1/2015


D E N<br />

7 0 E R N<br />

G EW I<br />

D M ET<br />

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Von Hippies, Käseigel und Bonanzarad.<br />

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Im Oktober vor genau <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n stach der ZDF-<br />

Abenteuervierteiler in See und begründete eine lange<br />

Tradition. Zwar begann alles mit einem Schiffbruch, doch<br />

fuhr das Sendekonzept danach zwei Jahrzehnte erfolgreich<br />

unter stolz geblähten Segeln. Die künstlerisch treibende<br />

Kraft war dabei der Produzent Walter Ulbrich. Ein<br />

Rückblick auf den Beginn einer Ära.<br />

Wütender Sturm und Finsternis, von Blitzen kurz erhellt,<br />

wohin man blickt. Ein Schiff, die Segel zerfetzt, die<br />

Masten geborsten, tanzt als Spielball auf hochpeitschenden<br />

Wellen. Zwölf Tage hält dieses Tosen bereits an, und<br />

das Schiff, die „Esmeralda", ist dem Untergang geweiht, ebenso<br />

die Mannschaft. Mit einer Ausnahme, die über Bord gespült wird<br />

wie die anderen, aber später aus halber Bewusstlosigkeit an einem<br />

Ort erwacht, der ihr wie das Paradies erscheinen muss, wegen<br />

seiner Schönheit und weil es ihn, den Seekarten nach, unmöglich<br />

geben kann: ein Sandstrand unter tiefblauem Himmel, von Palmen<br />

gesäumt. Die Rede ist von Robinson Crusoe. Und wir haben<br />

das alles mit eigenen Augen gesehen!<br />

Die lange Tradition der sogenannten ZDF-Adventsvierteiler begann<br />

mit Schreckensbildern eines Desasters, und man ahnte seinerzeit<br />

weder etwas davon, zu welcher Langlebigkeit sie es bringen<br />

würde, noch hatte sie bereits den Sendeplatz gefunden, der ihr einst<br />

den umgangssprachlichen N<strong>am</strong>en geben würde. In vollständiger<br />

Feierlichkeit lautete der Titel dieses ersten Vierteilers „Die selts<strong>am</strong>en<br />

und einzigartigen Abenteuer des Robinson Crusoe aus York", und er<br />

startete <strong>am</strong> 3. Oktober 1964.<br />

Ohne einen Mann n<strong>am</strong>ens Henri Deutschmeister hätte es die Tradition<br />

der ZDF-Abenteuervierteiler nie gegeben. Als deutscher Jude in<br />

Rumänien geboren, musste er im Zweiten Weltkrieg aus seiner Heimat<br />

Seite 92 ■ GoodTimes 1/2015


Der<br />

Juris<br />

t<br />

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mmer<br />

entdec<br />

deckt.<br />

und Presse waren begeistert –,<br />

und die aufwändigen vierteiligen<br />

Fernsehverfilmungen nach klassischen<br />

Romanen der Abenteuerliteratur wurden<br />

fortgesetzt und in den 60er<br />

und 70er <strong>Jahre</strong>n die Schlager des<br />

ZDF-Progr<strong>am</strong>ms. 1965 folgte "<br />

Don<br />

Quijote von der Mancha" nach<br />

Cervantes. Der verspätete Ritterauszug<br />

„jenes Junkers, der die Mängel alles<br />

Irdischen erkannte und mit seinem<br />

Diener Sancho auszog, um sie zu verbessern",<br />

ließ die Hauptfigur augenemigrieren<br />

und wurde später erfolgreicher<br />

Filmproduzent in Paris. In den frühen 60er<br />

<strong>Jahre</strong>n suchte er nach internationalen<br />

Coproduktionspartnern für ein aufwändiges,<br />

großangelegtes Fernsehvorhaben,<br />

eine mehrstündige Adaption von Daniel<br />

Defoes Roman „Robinson Crusoe" in für<br />

d<strong>am</strong>alige Fernsehverhältnisse verblüffend<br />

opulentem, visuell <strong>am</strong> Kinofilm orientiertem<br />

Stil.<br />

Z<br />

Robinson (Robert Hoffmann)<br />

und Freitag (Fabian Cevallos)<br />

u diesem Zeitpunkt war gerade<br />

frisch ein neuer deutscher<br />

Fernsehsender n<strong>am</strong>ens „Zweites Deutsches Fernsehen" – was die<br />

Übersichtlichkeit der einstigen Sendervielfalt illustriert – gegründet<br />

worden, und er steckte noch vollends in den Kinderschuhen, ablesbar<br />

schon an den Räumlichkeiten, einem Barackenprovisorium. Dieses<br />

junge, noch alles andere als finanzkräftige ZDF sollte sich an einem<br />

derart kühnen und teuren Projekt beteiligen? Undenkbar!<br />

Und es wäre in der Tat undenkbar gewesen, hätte es nicht<br />

eine überaus glückliche Konstellation gegeben und hätte sich<br />

Deutschmeister nicht als ein so ungemein großzügiger Partner erwiesen.<br />

Deutschmeister war mit dem deutschen Produzenten Walter Ulbrich<br />

befreundet, der in Frankreich als Autor des Filmklassikers „Unter den<br />

Brücken" einen exzellenten Ruf genoss<br />

und der wiederum beim d<strong>am</strong>als zuständigen<br />

ZDF-Redakteur Stefan Barcava<br />

offene Ohren fand. Alle drei einte die<br />

Begeisterung für die Literatur und die<br />

Grundüberzeugung vom Fernsehen als<br />

einem durchaus <strong>kult</strong>urellen Ort. Die Idee<br />

einer Reihe entwickelte sich, mit klarem<br />

Konzept: Adäquate, das heißt werkgetreue<br />

und ausführliche Verfilmungen<br />

von Klassikern der Weltliteratur sollten<br />

ein Stück literarische Bildung vermitteln,<br />

zugleich angesichts ihres Reiseund<br />

Abenteuercharakters Unterhaltung<br />

und Staunen versprechen. Die Welten, in<br />

denen diese Vierteiler spielen, sind in den<br />

60er <strong>Jahre</strong>n bedeutend entfernter und<br />

exotischer gewesen, als sie es angesichts<br />

der heutigen Selbstverständlichkeit des<br />

Ferntourismus sind. Und insbesondere<br />

Ulbrich und Barcava waren sich einig:<br />

Das Literarische, der Erzählsound der<br />

Vorlagen, sollte erhalten bleiben.<br />

Robinson Crusoe" wurde im Sommer 1963 gedreht, nach einem<br />

„ Drehbuch von Jean Paul Carrière (der später an internationalen<br />

Filmerfolgen wie „Belle de Jour", „Die unerträgliche Leichtigkeit des<br />

Seins" oder „Cyrano de Bergerac" mitarbeiten würde), Pierre Reynal<br />

und Jacques Sommet. Allerdings: Es gibt zwei „Robinson Crusoe"-<br />

Fassungen, eine internationale, die unter anderem in Frankreich, Italien,<br />

Großbritannien und den USA lief, und eine deutsche, die sich in verblüffender<br />

Weise unterscheidet.<br />

Walter Ulbrich war ein künstlerisch anspruchsvoller Produzent, der<br />

in seinen Projekten förmlich lebte, mit starker innerer Anteilnahme<br />

an Stoff, Figuren und Konflikten. Und er war ein Perfektionist, der<br />

keine Kompromisse eingehen wollte, wenn er Substanz und Atmosphäre<br />

seiner Filme gefährdet sah. Die internationale Fassung vernachlässigte<br />

Defoes Vorlage an entscheidenden Stellen, war routiniert, aber nicht<br />

übertrieben intelligent geschnitten, und vereinfachte den Stoff. Ulbrich<br />

als erfahrener Drehbuchautor und Cutter hatte Besseres im Sinn, nahm<br />

das Ausgangsmaterial und montierte es neu und anders. Er veränderte<br />

die Reihenfolge der Szenen und variierte sie in sich. D<strong>am</strong>it verlieh<br />

er dem Film einen neuen<br />

Rhythmus. Die Tatsache,<br />

dass „Robinson Crusoe"<br />

synchronisiert werden musste,<br />

gab ihm Gelegenheit,<br />

ganze Dialogpartien inhaltlich<br />

umzuschreiben. Beide<br />

Fassungen haben einen Ich-<br />

Erzähler, aber Ulbrich lehnte<br />

sich wesentlich stärker<br />

an Defoe an und brachte so<br />

die literarische Sprache der<br />

Mit einem selbst gebauten Floß<br />

birgt Robinson Vorräte<br />

aus dem Wrack der "<br />

Esmeralda"<br />

Vorlage zur Geltung. Und<br />

Ulbrich ging noch einen<br />

Schritt weiter:<br />

Ein wichtiges Grundmotiv in Defoes Roman sind die Gespräche<br />

zwischen dem abenteuerhungrigen Robinson und seinem gütigen<br />

Vater, der nach dem Verlust zweier draufgängerischer Söhne Robinson<br />

zur Mäßigung und zu einem geordneten Leben rät. Die internationale<br />

Fassung verkehrt Defoe geradezu ins Gegenteil: Der Vater wirkt streng,<br />

nüchtern, abweisend. Ulbrichs Anspruchsdenken schauderte vor derlei<br />

Fehlinterpretationen jäh zurück – er zückte seinen Defoe, schrieb die<br />

entsprechenden Szenen völlig neu und ließ sie tatsächlich ausschließlich<br />

für die deutsche Fassung ein zweites Mal drehen. Stimmiger,<br />

ausführlicher, der literarischen Vorlage gemäß. Wer die internationale<br />

Fassung und die Ulbrichs vergleicht, wird feststellen, dass die deutsche<br />

um Längen besser ist: griffiger, dr<strong>am</strong>atischer, plausibler und komplexer.<br />

Die Summe dieser Eingriffe erklärt,<br />

warum in der deutschen Fassung ein<br />

gewisser Eugen von Metz die Riege der<br />

Drehbuchautoren anführt. „Von Metz"<br />

ist eigentlich „aus Metz" – denn es<br />

handelt sich um ein Pseudonym des<br />

1910 in Metz geborenen Ulbrich.<br />

Robinson Crusoe" bildete den<br />

„ gefeierten Auftakt – Publikum<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 93


Knappe Sancho, kurzfristig zum Gouverneur<br />

ernannt, kniet zum Abschied vor Don Quijote<br />

Sancho (Roger Carrel) erzählt von Don Quijotes Heldentaten<br />

Um Don Quijote von seinem Wahn zu befreien,<br />

tritt ein selts<strong>am</strong>er zweiter Ritter auf den Plan<br />

zwinkernd schillern zwischen wahnhafter Narretei und bewusster<br />

Entscheidung, einer enttäuschenden und banalen Realität zu entfliehen.<br />

Als enttäuschende Realität erwies sich indes – nicht ganz<br />

unverständlich – die Resonanz des Publikums. Obwohl Regisseur und<br />

Drehbuchautor Carlo Rim und Walter Ulbrich in der Bearbeitung des<br />

Erzählerkommentars mitunter zu großer Form aufliefen, fehlte es an<br />

übergeordneten Spannungsbögen. Die Geschichte zerfiel, der Vorlage<br />

gemäß, in schwankhafte Episoden, deren Grundmotive sich oft ähnlich<br />

wiederholten. Zudem wirkte das ländlich-religiös<br />

geprägte Milieu gerade Mitte<br />

der 60er <strong>Jahre</strong>, also in einer vorwärtsgerichteten<br />

Umbruchzeit, etwas angestaubt.<br />

Nicht zu reden natürlich auch<br />

von der Tatsache, dass ein Herumtreiber<br />

im Teenageralter wie Robinson den<br />

Geschmack der Jugendlichen viel mehr<br />

ansprach als ein in die <strong>Jahre</strong> kommender<br />

Fantast.<br />

Robinson Crusoe" und „Don Quijote"<br />

„ hatte Walter Ulbrich bereits nach<br />

seinen Vorstellungen überarbeiten<br />

und veredeln können, aber der<br />

erste Abenteuervierteiler, der vollends<br />

seine künstlerische Handschrift trug,<br />

wurde 1966 "<br />

Die Schatzinsel".<br />

Ulbrich schrieb das Drehbuch, leitete<br />

die Produktion und schnitt diesen<br />

unvergänglichen Fernsehklassiker, der<br />

fast ein halbes Jahrhundert nach seiner<br />

Erstausstrahlung immer noch nichts an<br />

Frische und Überzeugungskraft eingebüßt<br />

hat. „Die Schatzinsel" war übrigens<br />

gewissermaßen der letzte Vierteiler in<br />

SW und zugleich der erste in Farbe. Auf<br />

sattem 35mm-Farbfilm gedreht, hatte<br />

er seine Premiere in einer noch rein<br />

schwarz-weißen deutschen Fernsehwelt<br />

und konnte gleich ein Jahr später in herrlich leuchtender<br />

Farbenpracht wiederholt werden. 1966 war aber auch<br />

die Premiere eines neuen Termins: Die ersten beiden<br />

ZDF-Vierteiler waren jeweils im Oktober des <strong>Jahre</strong>s<br />

gezeigt worden, nun erst zog „Robinson Crusoe" in der<br />

Wiederholung auf jenen Sendeplatz um, welcher der<br />

Tradition schon bald ihren N<strong>am</strong>en geben sollte, auf die<br />

Adventssonntage.<br />

Die Leidgeprüften aus den unvordenklichen<br />

Zeiten, in denen Begriffe und Gerätschaften wie<br />

Videorekorder, DVD, Festplatte, YouTube oder USB-<br />

Recording noch völlig unbekannt waren, werden<br />

sich düster erinnern, dass gerade diese ersten beiden<br />

Abenteuervierteiler jahrzehntelang ungezeigt im Archiv<br />

verstaubten. Als Schwarzweiß-Produktionen galten sie<br />

in der immer bunter werdenden Fernsehwelt bald als Relikte. Von „Don<br />

Quijote" hieß es nach der letzten Ausstrahlung 1976 seitens des ZDF<br />

gar, es gebe keinerlei sendefähiges Material davon mehr. Er ist dann<br />

irgendwie aber doch noch von den Toten auferstanden, denn seit 2006<br />

sind beide Vierteiler ohne Schwierigkeiten auf DVD zu erwerben, und<br />

zwar in feinster Bildqualität.<br />

Walter Ulbrich wollte – nach seinen weiteren großen<br />

Vierteilerklassikern wie "<br />

Tom Sawyers und Huckleberry<br />

Finns Abenteuer" (1968), „Die Lederstrumpf-Erzählungen" (1969),<br />

„Der Seewolf" (1971), „Lockruf<br />

des Goldes" (1975) oder „Michael<br />

Strogoff" (1976) – „seine" Vierteiler,<br />

die er mit „Robinson Crusoe" begonnen<br />

hatte, auch mit „Robinson<br />

Crusoe" beenden, mit einem Farb-<br />

Remake, dessen Ausstrahlung eigentlich<br />

für 1979 oder 1980 geplant<br />

war. Ulbrichs inhaltliche Vorarbeiten<br />

waren weit gediehen. Und er wusste,<br />

dass eine reine – überraschungslose<br />

– 1:1-Neuauflage, die ohne jede<br />

inhaltliche Änderung den Vierteiler<br />

von 1964 lediglich noch einmal<br />

in Farbe nachstellte, die Zuschauer<br />

würde enttäuschen müssen.<br />

Jim Hawkins erklimmt das<br />

Achterdeck der "<br />

Hispaniola"<br />

Ulbrich fügte deshalb<br />

geschickt neue Details<br />

und Handlungsvarianten, auch<br />

neue Nebenfiguren ein, die die<br />

Grundsubstanz von Defoes Stoff<br />

nicht berühren, ihm aber Frische und<br />

zusätzliche Spannungsmomente verleihen<br />

würden. Da gibt es beispielsweise<br />

einen Schneidersohn, der die<br />

Sehnsucht des 18-jährigen Robinson<br />

nach Seefahrerruhm teilt. Weil der<br />

Jim Hawkins (Michael Ande)<br />

und John Silver (Ivor Dean) auf der "<br />

Schatzinsel"<br />

Vater dieses Schneidersohns jedoch darauf besteht, dass sein Sprössling<br />

sein eigenes Handwerk übernimmt, hackt sich dieser kurzerhand den<br />

© Pressefotos<br />

Seite 94 ■ GoodTimes 1/2015


Auch wie Robinson in die Gefangenschaft maurischer Piraten aus<br />

Salé gerät, ist neu und furios geschildert. Bei dickstem Nebel<br />

nähern sie sich lautlos in mehreren Booten mit umwickelten Rudern<br />

dem vor der afrikanischen Küste liegenden Schiff, das Robinson an<br />

Bord führt, und starten einen Überfall, den der englische Kapitän mit<br />

knapper Not zurückschlägt. Die Piraten werden in ihre Boote zurückgetrieben,<br />

und ein davon vollends entzückter Robinson springt ihnen,<br />

Die Mississippi-Helden Jim, Tom und Huck in der meisterhaften Klassikerverfilmung von 1968<br />

Fingerhutfinger ab, so dass der Vater bestürzt klein beigeben muss.<br />

Robinson bewundert seinen Freund maßlos und würde es ihm gerne<br />

nachtun. Wenn nur nicht der Verlust von Gliedmaßen wäre! „Kurz,<br />

Robinsons heldische Fantasie ist stärker als seine Entschlossenheit."<br />

den Säbel schwingend und mit wildem Geschrei, hinterher, selbstverständlich<br />

in der sicheren Gewissheit, dass die anderen seinem Beispiel<br />

folgen. „Nichts Derartiges geschieht." Selten ist ein angehender Held so<br />

sang- und klanglos in Gefangenschaft geraten, und eleganter lässt sich<br />

Robinsons Mischung aus Abenteuerbegeisterung, Heldenflausen und<br />

lebensunerfahrener Naivität nicht auf den Punkt bringen.<br />

Ulbrichs Skript für das Remake ist voller gelungener neuer Ideen,<br />

und es ist bedauerlich, dass es nicht zur Ausführung k<strong>am</strong>. Altersund<br />

Gesundheitsgründe zwangen Ulbrich in den Ruhestand; statt sich<br />

mit Robinson noch einmal auf eine eins<strong>am</strong>e Insel verschlagen zu lassen,<br />

musste er seine Produktionsfirma Tele München verkaufen. „Die<br />

Abenteuer des David Balfour" (1978) blieb so die letzte Produktion, die<br />

Ulbrich selbst noch auf den Weg bringen konnte.<br />

Michael Klein<br />

DALIAH LAVI<br />

Ich bin dein Freund (1972)<br />

Meine Art, Liebe zu zeigen (1972)<br />

Café Decadence (1975)<br />

Neuer Wind (1976)<br />

Bei dir bin ich immer noch Zuhaus (1978)<br />

CHRISTIAN ANDERS<br />

Geh' nicht vorbei (1970)<br />

Ich lass' dich nicht geh'n (1971)<br />

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo (1972)<br />

Eins<strong>am</strong>keit hat viele N<strong>am</strong>en (1974)<br />

Der letzte Tanz (1975)<br />

NINO DE ANGELO<br />

Junges Blut (1983)<br />

Jenseits von Eden (1984)<br />

Zeit für Rebellen (1984)<br />

Ich suche nach Liebe (1986)<br />

Durch 1000 Feuer (1987)<br />

WWW.FACEBOOK.COM/SCHLAGERORIGINALE<br />

WWW.ORIGINALE.CD<br />

ROY BLACK<br />

Im Land der Lieder (1970)<br />

Wo bist du (1970)<br />

Eine Liebesgeschichte (1971)<br />

Träume in S<strong>am</strong>t und Seide (1971)<br />

Wunderbar ist die Welt (1972)<br />

FREDDY QUINN<br />

Die Stimme der Heimat (1965)<br />

Das große Wunschkonzert (1967)<br />

Viva Mexico (1968)<br />

Wo meine Sonne scheint (1970)<br />

Singt die schönsten deutschen Volkslieder (1977)


Wundertüten:<br />

Bunte Abwechslung im tristen<br />

Nachkriegs-Alltag<br />

Die Nachkriegszeit war für viele Menschen geprägt durch<br />

zahlreiche Entbehrungen und harte Arbeit. Auch das Leben<br />

der Kinder und Jugendlichen – s<strong>am</strong>t ihrer Wünsche, Träume,<br />

Erwartungen und Sehnsüchte – gestaltete sich der Zeit entsprechend<br />

eher bescheiden. Wundertüten bildeten da eine<br />

oft heiß ersehnte Abwechslung und waren in den <strong>50</strong>er und<br />

60er <strong>Jahre</strong>n die wichtigste Quelle, e, aus<br />

der<br />

viele Heranwachsende aller Altersklassen l ssen<br />

ihr<br />

Spielzeug eug bezogen.<br />

Die beliebten Wundertüten wurden an allen Kiosken<br />

und in vielen so genannten Tante-Emma-Läden -Läden<br />

zum Taschengeldpreis anfangs von zehn<br />

Pfennigen angeboten. Neben dem Spielzeug enthielten<br />

die bunten Tüten immer auch Süßigkeiten, meistens ens<br />

Puffreis, und so bildeten sie einen doppelten Reiz, vergleichbar<br />

mit den Überraschungseiern in jüngerer Zeit.<br />

Die<br />

geniale Idee, mit<br />

bunten und billigen<br />

Wundertüten (viel) Geld zu<br />

verdienen, st<strong>am</strong>mte von zwei<br />

Kaufleuten aus B<strong>am</strong>berg.<br />

1952 begannen Hugo Hein<br />

und sein Bürokaufmann<br />

Manfred Urban,<br />

Wundertüten unter dem Firmenn<strong>am</strong>en<br />

Heinerle zu verkaufen. Hugo Hein<br />

bereiste die Umgebung und kaufte<br />

Spielzeug-Restbestände, Remittenden<br />

und Konkursware auf. Der Verkauf der<br />

Heinerle-Wundertüten startete gleich<br />

sehr erfolgreich, und schon bald konnte das angekaufte<br />

Spielzeug den Bedarf nicht mehr decken. Die beiden Geschäftsleute<br />

beschlossen deshalb kurzerhand, die Spielfiguren in Eigenregie zu produzieren.<br />

Schon wenig später wurde die<br />

Firma Manurba-Plastik gegründet.<br />

Um das Jahr 1961 herum gab es dann<br />

die Afrika-Heinerle-Tüten überall <strong>am</strong><br />

Kiosk zu kaufen. Die Afrika-Figuren<br />

stießen bei vielen Kindern auf besonders<br />

große Gegenliebe, denn sie waren mit<br />

sehr viel Aufwand modelliert und anatomisch<br />

korrekt umgesetzt worden. Die<br />

menschlichen Figuren entsprachen etwa<br />

dem Maßstab 1:32 und hatten alle eine Größe von 54 mm. Die<br />

Eingeborenenfiguren waren mit Ringhänden ausgestattet und<br />

dadurch in der Lage, Werkzeuge oder Waffen zu tragen und<br />

diese auch zu wechseln. Eine faszinierend geniale Idee!<br />

In die Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

fiel auch die Blütezeit der<br />

Western. Im Kino brachte uns<br />

Fuzzy zum Lachen, und auf<br />

der Mattscheibe versäumten wir<br />

Kinder keine Folge von „Am Fuß<br />

der blauen Berge" und „Bonanza".<br />

Dann<br />

k<strong>am</strong> „Winnetou" in berauschenden<br />

Bildern auf die große<br />

Leinwand, und die Firma Heinerle reagierte<br />

sofort: Gleich nach dem erfolgreichen<br />

Kinostart von „Der Schatz im Silbersee"<br />

wurde die Karl-May/Wild-West-Serie entwickelt.<br />

Modelleur der neuen Serie war<br />

Wilhelm Limpert, der auch schon die<br />

Afrika-Serie entworfen hatte. Wie die Tiere der afrikanischen i Wildnis<br />

i<br />

waren auch die Karl-May-Figuren von bestechender Qualität.<br />

In den <strong>50</strong>er und 60er <strong>Jahre</strong>n erfreuten<br />

sich neben den Spielfiguren besonders<br />

Comic-Hefte, d<strong>am</strong>als Bilderhefte genannt,<br />

bei den Kindern und Jugendlichen großer<br />

Beliebtheit. Viele dieser Serienhefte waren,<br />

mit wenigen Ausnahmen, schnell und<br />

billig produzierte Massenware, und das<br />

knallbunte Titelbild versprach oft mehr,<br />

als der Inhalt dann hergab. Besonders<br />

in den <strong>50</strong>ern waren es die streifenförmigen<br />

Piccolo-Heftchen, die hohe Auflagen<br />

Seite 96 ■ GoodTimes 1/2015


erreichten und<br />

auch in der<br />

Schule<br />

im<br />

Unterricht<br />

unterm<br />

Tisch<br />

von<br />

vielen<br />

Kindern gerne<br />

gelesen wurden.<br />

Allerdings<br />

durfte man<br />

sich nicht erwischen<br />

lassen,<br />

denn diese<br />

Heftchen galten<br />

als ganz schlimmer Schund.<br />

Wurde man beim Schmökern in dieser Art von Literatur erwischt, wurde<br />

das Heft eingezogen, oftmals vom Lehrer sofort zerrissen, und es gab als<br />

Zugabe obendrauf noch ein heißes Ohr.<br />

Es musste also zwangsläufig irgendwann zu einer Verschmelzung von<br />

Wundertüte und Comic-Heft kommen. Wer nun zuerst auf diese glorreiche<br />

Idee verfiel, der Heftchen-Verleger Gerstmeyer oder der Wundertüten-<br />

Hersteller Heinerle, ist nicht eindeutig belegt. 1957 entwickelte sich<br />

jedenfalls eine Kooperation zwischen den beiden Firmen. Besonders<br />

das beliebte Piccolo-<br />

Format schien für<br />

das Bestücken<br />

von Wundertüten<br />

geeignet zu sein,<br />

und so wurde<br />

bereits vorhandenes<br />

Bildmaterial mit<br />

der Schere für das<br />

Streifenformat bearbeitet<br />

und mit einem neuen Titelbild<br />

versehen. Insges<strong>am</strong>t erschienen so<br />

vier Serien mit jeweils 20 Heften. Die<br />

Serientitel lauteten: „Testpilot Speedy",<br />

„Wildtöter", „Robinson" und „Ahoi".<br />

Alle diese speziell für Wundertüten<br />

produzierten Hefte sind heute sehr<br />

selten und entsprechend teuer, aber<br />

es gibt zum Glück auch preisgünstige<br />

Faksimile-Nachdrucke.<br />

Zu den größten<br />

Bilderheft-<br />

Produzenten der<br />

<strong>50</strong>er und 60er<br />

<strong>Jahre</strong> gehörte<br />

auch Walter<br />

Lehning, der von<br />

Hannover aus<br />

Woche für Woche<br />

ganz Deutschland, Österreich und<br />

die Schweiz mit bunten Heftchen<br />

versorgte. Die Produkte des Lehning-<br />

Verlages, besonders die Streifenhefte,<br />

wurden in sehr hohen Auflagen<br />

produziert, aber es gab auch viele<br />

Remittenden. Der Verleger Walter<br />

Lehning jedoch war von einer baldigen<br />

Wiedervereinigung Deutschlands<br />

überzeugt und hatte <strong>am</strong> Rande von<br />

Hannover eine große Scheune angemietet,<br />

die schon bald randvoll mit bunten Bilderheftchen h gefüllt war.<br />

Mit diesen Heften wollte Lehning nach der Wiedervereinigung den<br />

ostdeutschen Markt überfluten – doch dann wurde im August 1961 die<br />

Mauer gebaut. Der Traum vom großen Geschäft im Osten zerplatzte wie<br />

eine Seifenblase im Wind.<br />

verkauften sich hervorragend.<br />

Walter Lehning bot nun sein<br />

„totes Kapital" der Firma<br />

Heinerle an, und die vielen<br />

bunten Heftchen landeten in<br />

den Wundertüten. Zwischen<br />

1962 und 1969 wurden die<br />

überschüssigen<br />

Lehning-<br />

Comics aber auch an andere<br />

Wundertüten-Vertreiber<br />

verkauft. Für unzählige<br />

Kinder war das ein Segen.<br />

Die Wundertüten wurden<br />

von Süßwarenhändlern auf<br />

Jahrmärkten angeboten und<br />

Voll erwartungsvoller Spannung wurden die Wundertüten sofort an Ort<br />

und Stelle aufgerissen, und das heißersehnte<br />

Heftchen wurde in Augenschein<br />

genommen. Die jetzt nutzlose<br />

Wundertüte ließ man einfach achtlos<br />

auf den Boden fallen. Entsprechend<br />

selten ist so eine leere Tüte heutzutage<br />

und kann im Comic-Fachhandel schon<br />

mal locker 70 Euro<br />

oder mehr kosten.<br />

Nun gut, die<br />

Wundertüten-<br />

Figuren der Firma<br />

Heinerle und die<br />

bunten Bilderhefte e<br />

sind heute natürlich<br />

weniger geeignet für Leute unter <strong>50</strong>. Sie sind<br />

eigentlich nichts Besonderes, und<br />

doch geht von ihnen ein Zauber<br />

aus, der aber nur jene Menschen<br />

erreicht, die als Kind mit diesen<br />

billig gemachten Produkten aufgewachsen,<br />

inzwischen alt und<br />

oft schon grauhaarig, aber tief in<br />

ihrem Herzen Kind geblieben sind.<br />

Ja, ein regelrechtes ungeahntes<br />

Glücksgefühl können diese alten<br />

Spielfiguren und Bilderhefte aus den Wundertüten bei<br />

manchen Menschen hervorrufen. Längst vergessene<br />

Erinnerungen und Kindheitserlebnisse werden plötzlich<br />

wieder lebendig.<br />

Das kann der Interessierte problemlos einmal ausprobieren.<br />

Viele der Heinerle-Wundertüten-Figuren<br />

kann man heute bei einem Spezialisten noch relativ<br />

preiswert bestellen, und es gibt auch schön bebilderte<br />

Kataloge. Wer Lust hat, schaue einfach mal unter www.<br />

kuschel-muschel.de nach – und vielen<br />

Nachkriegskindern wird es warm<br />

ums Herz werden ...<br />

Die Freunde von „Akim", „Sigurd",<br />

„Tibor", „Nick" und „Falk" müssen<br />

da schon etwas tiefer in die Tasche<br />

greifen, wenn sie den Duft des über<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> alten Papiers genießerisch<br />

auf sich einwirken lassen wollen.<br />

Aber den Zeitsprung zurück in die<br />

unbeschwerte Kindheit it ermöglicht auch hier schnell und zuverlässig<br />

Dieter Kirchschlager aus Bischberg (www.nostalgiecomics.de), der<br />

Spezialist für Faksimile-Nachdrucke von Comics der <strong>50</strong>er und 60er <strong>Jahre</strong><br />

(eine Angebotsliste wird kostenlos zugeschickt).<br />

Hans-Joachim Neupert<br />

GoodTimes 1/2015 ■ Seite 97


Von Michael Fuchs-G<strong>am</strong>böck<br />

Fotos: © Sony Music<br />

Oliver Bertr<strong>am</strong> war gerade mal<br />

17, als er Anfang 1987 begann, in<br />

der Redaktion von „Formel Eins” zu<br />

werkeln, der zu jener Zeit angesagtesten Musik-<br />

Fernsehsendung im deutschsprachigen Raum.<br />

Zunächst arbeitete der Münchner als Assistent, im<br />

Rahmen seiner knapp zwei <strong>Jahre</strong> vor Ort schaffte es<br />

der frühere Kabelträger beim Bayerischen Rundfunk<br />

schließlich aber bis zum Redakteur.<br />

Es war eine spannende Zeit d<strong>am</strong>als, geprägt von<br />

Aufbruchstimmung”, schwärmt der charmante<br />

Sonnyboy bis heute. „Ich war der Jüngste im<br />

Te<strong>am</strong>, offen für ziemlich jede Art von Musik, besaß<br />

eine Nase für neue Trends. Diesen Umstand haben<br />

die Plattenfirmen und ihre Promoter bald bemerkt,<br />

schnell wurde ich nur so zugeballert mit unglaublichen<br />

Mengen an Promomaterial. Alle Labels wollten,<br />

dass ihre Newcomer wie ihre etablierten Künstler bei<br />

uns in der Sendung auftreten – vor allem natürlich<br />

die unbekannten Jungen, die bis dato nicht in<br />

den Charts vertreten waren. Immerhin: Rund<br />

30 Prozent meiner persönlichen Kandidaten<br />

habe ich bei meinen Kollegen, oft nach hitzigen<br />

Diskussionen in der Konferenz, für die<br />

Sendungen durchgekriegt.”<br />

„Formel Eins” ging im April 1983 bei<br />

der ARD an den Start, im Dezember 1990<br />

lief die (vorerst) letzte von 307 Folgen über die<br />

Mattscheiben in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz. Vier Moderatoren waren in den knapp acht <strong>Jahre</strong>n<br />

Laufzeit hintereinander <strong>am</strong> Start: Peter Illmann, Ingolf<br />

Lück, Stefanie Tücking und Kai Böcking. „Als ich zum Te<strong>am</strong><br />

stieß”, erinnert sich Oliver Bertr<strong>am</strong>, „steckte Stefanie bereits<br />

in ihrer Schlussphase. Doch obwohl es dieses Format schon<br />

einige Zeit gab, waren wir alles<strong>am</strong>t hochmotiviert. ‚Formel<br />

Eins' war in den späten 1980er <strong>Jahre</strong>n garantiert stil- und<br />

meinungsbildend vor allem bei den jungen Zuschauern. Es<br />

gab noch nicht die Konkurrenz von MTV und Viva. Und wir hatten<br />

einen<br />

super Etat, Geld spielte in jener Ära so gut wie keine Rolle<br />

bei den<br />

Fernsehsendern. Dadurch waren unserer Kreativität natürlich<br />

Tür und<br />

Tor geöffnet!” Und nicht nur der Kreativität: „Hinter den<br />

Kulissen”, erinnert sich Oliver Bertr<strong>am</strong> lachend, „k<strong>am</strong> es immer wieder<br />

zu Exzessen! Sex & Drugs & Rock'n’Roll, diese Klischees erfüllten wir<br />

durchaus auch in der Realität. N<strong>am</strong>en nenne ich da lieber nicht, aber<br />

es k<strong>am</strong> dennoch zu Techtelmechteln unter Stars, und auch die Liste<br />

der Wünsche, die so manche Künstler unserem Sekretariat meist per<br />

Fax zukommen ließen, waren nicht von schlechten Eltern: exklusiver<br />

Schnaps, willige Groupies, unterschiedlichste Arten von Drogen. Wir<br />

versuchten, möglichst viele dieser Wünsche zu erfüllen, d<strong>am</strong>it die<br />

Musiker bei Laune blieben.”<br />

Wie auch immer, der heute 45-jährige Bertr<strong>am</strong> hat beinahe<br />

ausschließlich gute Erinnerungen an seine „Formel<br />

Eins”-Zeit, wie er feststellt: „Da der finanzielle Aspekt<br />

praktisch keine Rolle spielte, konnten wir qualitativ auf<br />

hohem Niveau arbeiten, was heutzutage gar nicht mehr<br />

vorkommt. Außerdem war unsere Sendung auch vielen<br />

ausländischen Stars ein Begriff, die meisten von<br />

ihnen wollten bei uns auftreten. ‚Formel<br />

Eins' war anerkannt und einzigartig! Es<br />

war eine Werbeshow für Musik, keine<br />

Frage. Aber die haben wir sehr clever<br />

verpackt.” Ende 1990 war es mit<br />

der „clever verpackten Fernsehshow”<br />

dann vorbei, Oliver Bertr<strong>am</strong>s eigene<br />

Karrierekarawane war längst weitergezogen,<br />

heute ist der Mittvierziger<br />

K<strong>am</strong>er<strong>am</strong>ann und Produzent in seiner<br />

eigenen Firma. Doch der „Mythos Formel<br />

Eins” lebt: Im letzten Jahr wurde groß – und<br />

erfolgreich – mit einigen Veröffentlichungen das 30-jährige<br />

Jubiläum der Sendung begangen. Diesen Oktober gibt es<br />

auf RTL Nitro zunächst zehn neue Sendungen der Reihe mit<br />

Urgestein Peter Illmann in vorderster Reihe.<br />

Außerdem hat Sony Music gerade weitere<br />

CD-Boxen sowie eine DVD-Box s<strong>am</strong>t frischer<br />

TV-Dokumentation veröffentlicht.<br />

Wahrer Kult lebt eben ewig weiter …<br />

Aktuell im Handel: 3er-DVD- und 3er-CD-Box<br />

Seite 98<br />

■ GoodTimes 1/2015


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