24.10.2014 Aufrufe

Vom Deutschland-Besuch de Gaulles zum ... - Charles de Gaulle

Vom Deutschland-Besuch de Gaulles zum ... - Charles de Gaulle

Vom Deutschland-Besuch de Gaulles zum ... - Charles de Gaulle

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Lan<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

Klaus Pfiffer/Eduard Schön, <strong>Vom</strong> <strong>Deutschland</strong>-<strong>Besuch</strong> <strong>de</strong> <strong><strong>Gaulle</strong>s</strong> <strong>zum</strong> Élysée-Vertrag - Vorschläge für <strong>de</strong>n Unterricht, 2012<br />

Mat. 1/4 Alain PEYREFITTE: Das war <strong>de</strong> <strong>Gaulle</strong> Bd. 1, Kap. II/11 (Auszüge)<br />

(Originaltitel: C’était <strong>de</strong> <strong>Gaulle</strong>, 3 Bän<strong>de</strong>, Band I, Paris 1994. Übersetzung: E. Schön)<br />

[159] Kapitel 11<br />

[3. Sept. 1962] Nach <strong>de</strong>r Kabinettssitzung. (…) Ich befrage ihn über die Reise nach<br />

<strong>Deutschland</strong>, die er morgen antritt. Er erzählt mir davon mit einer Art von Zärtlichkeit. Er<br />

wünscht eine gute „Ab<strong>de</strong>ckung“ durch die Presse und vor allem das Fernsehen. Er muss vierzehn<br />

Re<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>utsch halten, was das Französische Fernsehen zwingen wird, schon nach <strong>de</strong>n ersten<br />

Worten <strong>de</strong>n Ton zurückzudrehen und <strong>de</strong>n französischen Text zu sen<strong>de</strong>n. [160] Er will sich<br />

vergewissern, dass das gut ablaufen wird. Es ist ihm wichtig, dass das französische Publikum<br />

versteht, dass er <strong>de</strong>utsch spricht und gleichzeitig <strong>de</strong>n Sinn erfasst.<br />

Die Mühe, die er sich normalerweise gibt um zu schreiben und dann auswendig zu lernen, ist<br />

dieses Mal auf die Spitze getrieben wor<strong>de</strong>n. Sein Dolmetscher Pierre Meyer hat mir erzählt, wie<br />

er Pierre Maillard – diplomatischer Berater im Élysée-Palast und Diplom-Germanist – geholfen<br />

hat, die vom General auf französisch verfassten Texte zu übersetzen, wie jener in ihrer<br />

Gegenwart mehrmals laut die Übersetzungen gelesen hat, um die Betonungen richtig zu setzen,<br />

und wie er sie noch einmal vor ihnen wie<strong>de</strong>rholt hat, ohne <strong>de</strong>n Text, nach<strong>de</strong>m er sie gelernt hatte.<br />

Nach Meyer hat <strong>de</strong>r General sein Schul<strong>de</strong>utsch fast vergessen. Er kennt <strong>de</strong>n ungefähren Sinn<br />

eines Satzes, aber er lernt die Laute mithilfe seines Lautgedächtnisses, ohne <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>r Worte<br />

zu kennen.<br />

Und diese Arbeit, die auch für einen Hochbegabten riesig wäre, hat er in <strong>de</strong>n zwei Wochen nach<br />

<strong>de</strong>m Attentat auf ihn bei Petit-Clamart auf sich genommen… Bei einem Menschen von 72 Jahren<br />

ist das kaum zu glauben. (…)<br />

In <strong>de</strong>r Kabinettssitzung vom 12. September 1962 macht sich Couve [<strong>de</strong> Murville,<br />

Außenminister] die Mühe, seinen Bericht selbst zusammenzustellen, während er gewöhnlich <strong>de</strong>n<br />

Eindruck vermittelt, dass er <strong>de</strong>n Aufzeichnungen seiner Mitarbeiter folgt. Er berichtet mit einer<br />

für ihn ungewöhnlichen Wärme von <strong>de</strong>r Reise <strong>de</strong>s Generals nach <strong>Deutschland</strong>:<br />

„Wir waren angesichts <strong>de</strong>r Vorbereitungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r Städte schon im Voraus sicher,<br />

dass es ein Erfolg wür<strong>de</strong>. Was wir nicht vorausgesehen hatten, war sein Umfang. Dieser <strong>Besuch</strong><br />

hat sich in eine Demonstration verwan<strong>de</strong>lt, wie sie in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik und vielleicht sogar in<br />

<strong>de</strong>r Welt noch nie dagewesen ist. Der Empfang wur<strong>de</strong> immer umfangreicher, immer triumphaler,<br />

immer begeisterter, von Bonn über Köln bis Düsseldorf. Man hat uns vorhergesagt, dass er sich<br />

abkühlen wer<strong>de</strong>, wenn wir mehr nach Nor<strong>de</strong>n kommen, wo man sich eher England zuwen<strong>de</strong>t.<br />

Die sozialistischen Behör<strong>de</strong>n hatten das ihre getan, um das Publikum abzukühlen: man hatte<br />

nicht geflaggt, es gab kein schulfrei, es gab keine Lautsprecher. Wir haben eine ungeheure<br />

Entfesselung von Begeisterung erlebt. Das Fernsehen hat einen Schneeballeffekt ausgelöst.<br />

„Strauß, <strong>de</strong>r Verteidigungsminister und Schrö<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Außenminister, haben sich sehr schlecht<br />

benommen. Sie haben angefangen sich davonzustehlen. Dann sind sie doch verpflichtet wor<strong>de</strong>n<br />

zu folgen, <strong>de</strong>nn sie mussten die Raserei zur Kenntnis nehmen, die die Bevölkerung ergriffen<br />

hatte.<br />

„Die Deutschen zeigten sich sehr gerührt von <strong>de</strong>m direkten Kontakt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r General geschaffen<br />

hat, in<strong>de</strong>m er sich in ihrer Sprache ausdrückte. Aber das Wichtigste ist, dass sie aus tiefstem<br />

Herzen <strong>de</strong>m Gedanken <strong>de</strong>r französisch-<strong>de</strong>utschen Aussöhnung und <strong>de</strong>r Schaffung von engen<br />

Verbindungen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn anhängen. Das ist ein Mittel, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n in die<br />

Herzen zu bringen. Frankreich hat auf <strong>Deutschland</strong> immer eine Anziehungskraft ausgeübt, die<br />

auf einem Min<strong>de</strong>rwertigkeitskomplex und gleichzeitig einem Überlegenheitsgefühl entspringt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!