P.T. MAGAZIN 02/2009
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
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20 12<br />
September I Oktober<br />
Politik Regional<br />
(Montage: P.T., Quellen: Gerd Altmann/PIXELIO,<br />
Wikimedia Commons/Public Domain/N.A.)<br />
EU – Superstaat 2010?<br />
Der Lissabon-Vertrag hebelt nationale Verfassungen und das<br />
deutsche Grundgesetz aus<br />
Regierungschefs entscheiden eigenmächtig,<br />
die Völker werden nicht gefragt: Ist Europa<br />
auf dem Weg zur Diktatur?<br />
Der tschechische Präsident Vaclav<br />
Klaus erntet Johlen und Buhrufe im<br />
Brüsseler EU-Parlament. „Hier wird<br />
nur eine Alternative durchgesetzt.<br />
Wer über andere Alternativen nachdenkt,<br />
wird als Feind der europäischen<br />
Integration angesehen. Wo<br />
es aber keine Opposition gibt, verkommt<br />
die Freiheit“, wettert Klaus<br />
in seiner Rede vom 19. Februar gegen<br />
die EU und ihre Vertreter, die seiner<br />
Einschätzung nach allein der Selbstzweck<br />
treibt.<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel und<br />
Außenminister Frank-Walter Steinmeier<br />
haben den Lissabon-Vertrag<br />
bereits im Dezember 2007 unterzeichnet.<br />
Der neue EU-Vertrag sei<br />
eine notwendige und konkrete Antwort<br />
auf unabweisbare Zukunftsaufgaben,<br />
meint der Außenminister.<br />
Die Bekämpfung des Terrorismus,<br />
die weltweite Wirtschaftskrise oder<br />
den Klimawandel könne keines der<br />
27 EU-Mitgliedsländer mehr allein<br />
bewältigen. Der Vertrag sei daher<br />
kein Selbstzweck, sondern sichere<br />
die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit<br />
der EU in ihrem heutigen<br />
Umfang. Das deutsche Parlament<br />
hatte im Oktober 2008 „Ja“ gesagt.<br />
Deutsche Bedenken<br />
Zuerst wagte es nur ein einziger<br />
Politiker, gegen den Lissabon-Vertrag<br />
zu streiten. Peter Gauweiler, CSU-<br />
Bundestagsabgeordneter, hat gegen<br />
den Vertrag Verfassungsbeschwerde<br />
eingelegt. Bundespräsident Horst<br />
Köhler hat das Gesetz vorerst nicht<br />
unterschrieben. Gegen das Regelwerk<br />
haben neben dem CSU-Politiker<br />
der ÖDP-Vorsitzende Klaus Buchner,<br />
die Bundestagsfraktion der Linkspartei<br />
sowie 53 Bundestagsabgeordnete<br />
geklagt. Die Karlsruher Richter wollen<br />
bis Juni ein Urteil verkünden. Der<br />
zweite Senat hatte Anfang Februar<br />
in der mündlichen Verhandlung<br />
erkennen lassen, dass er das Regelwerk<br />
wohl nur mit Auflagen passieren<br />
lassen werde.<br />
Die Kläger<br />
Durch den Vertrag bekomme die EU<br />
weitreichende Befugnisse und werde<br />
so einem Staat immer ähnlicher,<br />
äußerte sich Gauweilers juristischer<br />
Vertreter Dietrich Murswiek. Des<br />
Weiteren würden die Gesetzgebungskompetenzen<br />
des Bundestags<br />
drastisch beschnitten und der Wille<br />
der Wähler über das EU-Parlament<br />
nicht hinreichend zum Ausdruck<br />
gebracht.<br />
Die Linksfraktion fürchtet um das<br />
Sozialstaatsgebot im Grundgesetz.<br />
Darüber hinaus gebe der Bundestag<br />
sein alleiniges Recht ab, über Bundeswehreinsätze<br />
zu entscheiden. Die<br />
EU-Kommission maße sich zunehmend<br />
Kompetenzen auf Gebieten<br />
an, auf denen ihre Befugnis zweifelhaft<br />
sei. Sie werde von einer „Hüterin“<br />
zu einer „Herrin der Verträge“,<br />
fasst Markus Kerber von der TU Berlin,<br />
Prozessbevollmächtigter einer<br />
Juristengruppe, im Deutschlandfunk<br />
zusammen.<br />
„In Brüssel herrscht…ein Gewaltenkonglomerat.<br />
Alles geht durcheinander,<br />
Kommission, Ministerrat,<br />
Europäischer Gerichtshof. Das sind<br />
überhaupt nicht mehr die Kriterien<br />
der Gewaltenteilung, die für<br />
die Ausübung von Staatsgewalt in<br />
Deutschland gelten. Sie müssen aber<br />
minimal zumindest erhalten werden.<br />
Praktisch spielt die Europäische<br />
Kommission Regierung, sie ist zu<br />
einer autokratischen, selbstgenügsamen<br />
Regierungsbehörde geworden.“<br />
Diese Neigung, Regierung zu<br />
spielen, werde durch den Vertrag<br />
von Lissabon noch zunehmen, so<br />
Kerber.<br />
Irland schwenkt um<br />
Der tschechische Präsident will<br />
nur unterzeichnen, falls Irland<br />
dem Abkommen zustimmt. Lech<br />
Ka czynski, der polnische Präsident:<br />
„Ich werde den Lissabon-Vertrag<br />
unterzeichnen, aber als Letzter.“<br />
Die Entscheidung auf der Grünen<br />
Insel hat die EU in eine schwere Krise<br />
gestürzt. Die Iren sollen bis spätestens<br />
Oktober in einem Referendum<br />
erneut über den Vertrag abstimmen.<br />
Die Mehrheit der Iren würde nun<br />
bei einem neuen Referendum laut<br />
einer Umfrage im Auftrag der „Irish<br />
Times“ zustimmen. ■<br />
Anette Runge<br />
Wie steht es um die Ratifizierung?<br />
■ Ratifikation abgeschlossen und<br />
hinterlegt: 23 Staaten<br />
■ Noch nicht hinterlegt: 3 Staaten<br />
(Deutschland, Tschechien, Polen)<br />
■ Ratifikation in Referendum abgelehnt:<br />
1 Staat (Irland)<br />
(Foto: Wikipedia/Gemeinfrei/S. Solberg J.)<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2009</strong>