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tadt gespräche - Stadtgespräche Rostock

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Zugleich beobachten wir, dass sich die Finanzmärkte international<br />

weitgehend von den Produktions- und Handelsmärkten abgekoppelt<br />

haben. Diesen Tatbestand machen vor allem die internationalen Devisenmärkte<br />

deutlich. Nur knapp zwei Prozent ihres durchschnittlichen<br />

Tagesumsatzes von 1,26 Billionen US-Dollar dienen der Finanzierung<br />

aller Im- und Exporte. Die übrigen 98 % bestehen aus<br />

Spekulationsgeschäften. Somit belaufen sich die spekulativen Kapitalströme<br />

allein an den Devisenmärkten auf das 50-fache des gesamten<br />

Welthandels. So konnte schon der Schweizer Bankier Hans-<br />

Jörg Rudloff 1996 sagen: „Die einzige Ressource, mit der sich heute<br />

Geld verdienen lässt, ist Geld. Deshalb leben wir heute in der kapitalistischsten<br />

Zeit, die je existierte.“<br />

Da aber die Finanzströme nicht mehr national gebunden sind, sondern<br />

transnational fließen und ausweichen können, ist eine nationale<br />

politische Steuerung durch Zinsbesteuerung nicht mehr möglich.<br />

Dies hat zur Folge, dass national wie international die Geschäftskosten<br />

des kapitalistischen Wirtschaftssystems sich verlagern<br />

a) vom Geld auf die Natur (ökologische Zerstörung),<br />

b) von der Gegenwart auf die Zukunft (Verschuldung der Generationen),<br />

c) von den Gewinnern auf die Verlierer (Arbeitslosigkeit und Verarmung<br />

breiter Massen.).<br />

Geschieht dies, zerstört das Marktsystem sich selbst, weil kein gerechter<br />

Güteraustausch mit dem Transportmittel „Geld“ mehr möglich<br />

ist. Die Ursache dieser Wirtschaftskrise und der Abbau des Sozialstaates,<br />

wie wir ihn beobachten, liegt also wesentlich in einem falschen<br />

Geld-und Wirtschaftssystem.<br />

So trifft tatsächlich zu, was keiner wahrhaben will: Unser gesamtes<br />

modernes Wirtschaftsleben wird von einer Art Magie regiert, die ihre<br />

Ursache in einer verkehrten Geldwirtschaft hat. Diese Art Magie<br />

gründet in dem Widerspruch, dass grenzenloses Wachstum in einer<br />

begrenzten Welt geschieht. Dies aber ist nur möglich durch die Verabsolutierung<br />

des Geldes, das durch magische Wirkung sich selbst<br />

vermehrt. So ist es nicht verwunderlich, wenn der bekannte Schweizer<br />

Wirtschaftsprofessor von St. Gallen, Hans-Christoph Binswanger,<br />

sagen kann: „Die moderne Wirtschaft ist eine Fortsetzung der<br />

Alchemie mit anderen Mitteln“ (Geld und Magie, 1985 S.56). Wie<br />

kommt Binswanger zu der Erkenntnis ?- Anhand von Goethes<br />

„Faust“ Teil II zeigt er, dass die moderne, auf dem Papiergeld und<br />

Kredit beruhende Wirtschaftsweise eine Fortsetzung der Alchemie<br />

mit effizienteren Mitteln darstellt. Denn die ungeheure Dynamik der<br />

modernen Wirtschaftsweise hat ihre Ursache in der Einführung des<br />

Papier- und Kreditgeldes. So gleicht das „Geheimnis des Geldes“ der<br />

quinta essentia einer qualitätslosen Ur-Materie, aus der der „Stein der<br />

Weisen“ besteht und mit dessen Hilfe alles in Wertvolleres, in Bleibendes,<br />

in Geld verwandelt werden kann. Damit aber beruht die belebende<br />

Wirkung der Papiergeldschöpfung auf Imagination und Impression,<br />

auf der Hoffnung, künftig gegen dieses Papiergeld Güter<br />

erwerben zu können. Voraussetzung dieser Alchemie mit anderen<br />

Mitteln ist, dass die Produktion ständig wächst und morgen soviel<br />

Güter bereitstellt, wie „heute“ Gegenwert in Papiergeld „geschöpft“<br />

worden ist. Somit ist das Papier- und Kreditgeld ein Bemächtigungsmittel<br />

für künftige Güter.<br />

Obwohl die Alchemie dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik<br />

widerspricht, der die Macht des Menschen auf eine bloße Transformation<br />

der vorhandenen Natur einschränkt, gilt er für die Wertschöpfung<br />

im ökonomischen Sinne nicht. Denn in der modernen<br />

Wirtschaft gilt der Grundsatz: Die Wertschöpfung wird um so größer,<br />

je mehr Geld in die Wirtschaft einfließt und je mehr Dinge in<br />

Geldwert verwandelt werden. So aber wird in der Moderne die Wirtschaft<br />

zum Herrn über die Zeit. Die Folge ist, dass wir auch moralisch<br />

von einem Wertesystem zu einem Verrechungssystem gelangt<br />

sind, das unsere Entscheidungen abnimmt.<br />

Diesen scheinbaren „Sieg“ erobert die Wirtschaft, indem sie eben<br />

die Güter in zeitüberdauernde Geldwerte umwandelt und zu diesen<br />

Geldwerten vordringt durch das „Tor der Zukunft“. Denn in der<br />

herkömmlichen Geldphilosophie ist das Geld seiner Natur nach eine<br />

Anweisung auf Zukunft, auf das, was man in Zukunft kaufen kann,<br />

wenn man das Geld ausgibt oder in Zukunft als Ertrag bzw. Zins gewinnen<br />

kann, wenn man es investiert. Man kann daher geradezu sagen:<br />

Geld ist Zukunft. Allerdings geht durch die Ausrichtung der<br />

Wirtschaft auf Geldwerte wieder Zukunft verloren, indem der Geldwert<br />

nur gesichert werden kann durch einen ständigen Mehrverbrauch<br />

von Welt, denn dieses Geld muß durch reale Güter gedeckt<br />

werden, die dem Bergwerk der Welt entnommen werden. Die Zukunft<br />

wird dann in dem Maße bedroht, als die Welt begrenzt ist, also<br />

das Bergwerk der Welt leergebaggert wird. Das ist die „Bankräuber-<br />

Wirtschaft“, die Hans-Peter Dürr so treffend charakterisiert: „Wir<br />

investieren in Schweißgeräte, mit der wir einen Naturtresor nach<br />

dem anderen aufbrechen.“<br />

Die Ursache aber liegt weithin darin begründet, dass wir dem Geld<br />

neben der Funktion des Tauschmittels und des Wertmessers auch<br />

noch die des Schatzmittels (Geld als Ware) zugefügt haben.<br />

Wenn Geld aber als Schatzmittel verwendet wird, dann ist es hortbar.<br />

Und dies hat zur Folge, dass es durch Zins und Zinseszins aus den<br />

Taschen der Besitzer wieder hervorgelockt werden muss. Inflation<br />

untergräbt jedoch immer die Wertmesserfunktion, die ja neben dem<br />

Tauschmittel die eigentliche Funktion des Geldes sein sollte. Der<br />

Zins - soweit er über Inflation, Bearbeitungskosten und Risikoabdeckung<br />

hinausgeht - führt zu einem gewaltigen Zinsstrom von Arm<br />

zu Reich, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer<br />

werden läßt, so dass das Dilemma unserer Weltwirtschaft heute<br />

darin zu sehen ist, entweder breite Bevölkerungsmassen verhungern<br />

zu lassen oder über künstliche Wachstumsimpulse in die ökologische<br />

Katastrophe zu führen. Jeder Versuch eines Mittelweges kann lediglich<br />

die eine Katastrophe zugunsten der anderen zeitlich hinaussschieben<br />

oder eine militärische Katastrophe provozieren.<br />

Wohin uns die mathematisch nachweisbare, aber in Wirklichkeit unmögliche<br />

Zins- und Zinseszinswirtschaft mit ihrem exponentiellen<br />

widernatürlichen Wachstum (Krebswachstum) bringt, zeigt folgen-<br />

1<br />

Weimer, Wolfram: Geschichte des Geldes. Eine Chronik mit Texten und Bildern, Frankfurt a. M. 1994; zitiert nach:<br />

Geldgeschichten oder was kostet das Leben? Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck, Kleine Schriften 17, S. 4<br />

2<br />

North, Michael (Hrsg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995; zitiert nach Geldgeschichten<br />

a.a.O. S. 19<br />

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