ChanneBernoise mars 2012 - GastroBern
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Arbeitsrecht<br />
Abwesenheit des Arbeitnehmers<br />
wegen Krankheit eines Kindes<br />
Es kommt relativ häufig vor, dass ein Kind einer alleinerziehenden<br />
Arbeitnehmerin oder von Eltern, die beide erwerbstätig sind, krank<br />
wird und es deshalb vorübergehend nicht mehr in die Krippe gehen<br />
kann. In diesem Fall muss es anderweitig beaufsichtigt und gepflegt<br />
werden, in der Regel durch einen erwerbstätigen Elternteil. Hat nun<br />
aber dieser Elternteil tatsächlich das Recht, dafür zu Hause zu bleiben,<br />
oder besteht allenfalls sogar eine gesetzliche Pflicht dazu, und<br />
hat er Anspruch auf Lohnfortzahlung für die dadurch ausfallende<br />
Arbeitszeit? Die vorliegende Ausgabe zeigt auf, was es diesbezüglich<br />
zu beachten gilt.<br />
Arbeitsbefreiung<br />
Gemäss Artikel 36 des Arbeitsgesetzes<br />
(ArG) hat der Arbeitgeber Arbeitnehmern<br />
mit Familienpflichten gegen<br />
Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses<br />
für das Kind die zur Betreuung kranker<br />
Kinder (bis 15 Jahren) erforderliche<br />
Zeit im Umfang bis zu drei Tagen<br />
freizugeben. Dabei handelt es sich<br />
unseres Erachtens um Kalendertage,<br />
und nicht um Arbeitstage, und dies<br />
pro Krankheitsfall und nicht pro Jahr.<br />
Ob diese arbeitsfreie Zeit vom Arbeitgeber<br />
auch zu bezahlen ist, ist in ArG<br />
36 nicht geregelt, sondern bestimmt<br />
sich im Einzelfall unter Berücksichtigung<br />
aller Umstände nach OR 324a.<br />
Lohnfortzahlung bei Erfüllung<br />
einer gesetzlichen Pflicht<br />
Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers<br />
nach OR 324a setzt insbesondere<br />
voraus, dass der Arbeitnehmer<br />
aus Gründen, die in seiner Person<br />
liegen, ohne sein Verschulden an der<br />
Arbeitsleistung verhindert ist. Dazu<br />
gehört als Hauptanwendungsfall die<br />
eigene Krankheit des Arbeitnehmers,<br />
aber grundsätzlich nicht die Krankheit<br />
einer Drittperson wie z.B. diejenige<br />
eines eigenen Kindes. Die Krankheit<br />
eines Kindes, die zu einer<br />
Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers<br />
führt, fällt jedoch dann unter<br />
OR 324a und bewirkt eine Lohnfortzahlungspflicht<br />
des Arbeitgebers,<br />
wenn der Grund der Abwesenheit des<br />
Arbeitnehmers in der Erfüllung einer<br />
gesetzlichen Pflicht liegt.<br />
Zu erwähnen ist da in erster Linie Artikel<br />
276 des Zivilgesetzbuches (ZGB),<br />
wonach die Eltern insbesondere für<br />
die Pflege des Kindes aufzukommen<br />
haben. Dieser Teil der Unterhaltspflicht<br />
dauert bis zur Mündigkeit des<br />
Kindes, d.h. bis zur Vollendung des<br />
18. Altersjahres. Im Normalfall kollidiert<br />
der Pflegeanspruch des Kindes<br />
nicht mit dem Anspruch des Arbeitgebers<br />
auf Arbeitsleistung, denn die<br />
normalen Pflegeleistungen können<br />
in der Freizeit erbracht werden. Ist ein<br />
Kind krank und pflegebedürftig,<br />
dann sind die Eltern zur Pflege verpflichtet.<br />
Fraglich ist dann nur noch,<br />
ob die Pflege auch anders gewährleistet<br />
werden kann als durch die Eltern<br />
selbst. Obschon die Eltern grundsätzlich<br />
die zur Pflege verpflichteten Personen<br />
sind, bleibt – anders als beispielsweise<br />
beim Militärdienst – die<br />
Erfüllung der Pflicht durch Dritte<br />
möglich und sinnvoll zur Vermeidung<br />
von Pflichtkollisionen. Die El<br />
4<br />
tern sind verpflichtet, zur Verfügung<br />
stehende Hilfsangebote anzunehmen,<br />
sie dürfen diese nicht ausschlagen.<br />
Denn nur dort, wo anderweitige Pflege<br />
nicht beschafft werden kann, ist<br />
der Pflegefall beim Kind zugleich eine<br />
Verhinderung in Bezug auf die Arbeitsleistung<br />
des Elternteils. Der Arbeitgeber<br />
kennt allerdings in der Regel<br />
die Situation der Eltern nicht so<br />
genau, dass er weiss oder einschätzen<br />
kann, ob der bei ihm angestellte Elternteil<br />
wegen seines Kindes daheim<br />
bleiben muss oder ob er auf andere<br />
Personen (Verwandte, Bekannte) zurückgreifen<br />
kann. Deshalb ist der bei<br />
ihm angestellte Elternteil verpflichtet,<br />
seine Situation darzulegen. Danach<br />
hat der Arbeitgeber die Möglichkeit,<br />
den Beweis dafür zu erbringen,<br />
dass dieser durch eine bessere Organisation<br />
die Arbeitsverhinderung hätte<br />
vermeiden können.<br />
Die Dauer der Lohnfortzahlung muss<br />
sich grundsätzlich nach der Verhinderung<br />
richten. Je länger die Krankheit<br />
eines Kindes dauert, umso mehr kann<br />
von den Eltern verlangt werden, geeignete<br />
Massnahmen zu treffen, um<br />
die Arbeitsverhinderung wieder zu<br />
beseitigen. Die Maximaldauer gemäss<br />
ArG 36 muss als Vermutung betrachtet<br />
werden, dass eine geeignete Massnahme<br />
innerhalb von drei Tagen gefunden<br />
werden kann. Nur wenn<br />
ausserordentliche und aussergewöhnliche<br />
Umstände vorliegen, kann eine<br />
Arbeitsbefreiung von länger als drei<br />
Tagen aus medizinischen Gründen,<br />
die zu bescheinigen sind, gerechtfertigt<br />
sein.<br />
Gemäss einem Entscheid des Arbeitsgerichts<br />
Zürich (JAR 2011, S. 628) entfällt<br />
die Pflicht zur Lohnfortzahlung,<br />
wenn das Kind gesund ist und nur die<br />
Kinderkrippe wegen Seuchengefahr<br />
vorübergehend geschlossen bleibt, da<br />
der Grund der Arbeitsverhinderung<br />
nicht in den persönlichen Verhältnissen<br />
der Arbeitnehmerin liegt.<br />
Neben ZGB 276 sind weitere Fälle der<br />
Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht<br />
in Artikel 127 des Strafgesetzbuches<br />
(Gefährdung des Lebens und der Gesundheit<br />
durch Aussetzung), Artikel<br />
328 ZGB (Unterstützungspflicht für<br />
Verwandte) und Artikel 27 des Partnerschaftsgesetzes<br />
(Beistand und Vertretung<br />
für Kinder der Partnerin oder<br />
des Partners) zu finden.