Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
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„So ist es“, bestätigte Gaby. „Selbst Profis an der Börse <strong>sind</strong> in dem Glauben, dass der Bremer Senat<br />
und der Vulkan-Aufsichtsrat durch Indiskretionen und Gerüchte die gut gehende Werft an den Rand<br />
der Existenzkrise gebracht haben.“<br />
„Man, <strong>sind</strong> die naiv“, entfuhr es mir.<br />
„Das kann man wohl sagen“, pflichtete Gaby mir bei. Die nächste Lohnauszahlung soll nicht <strong>mehr</strong><br />
sicher sein, und die Herren Aktionäre hier am Stammtisch halten das alles für ein Gerücht.“<br />
„Aber die Banken haben dem Vulkan doch noch einige <strong>10</strong>0 Millionen Mark Kredit gewährt“, sagte<br />
ich.<br />
Gaby lachte: „Die haben sich auch reichlich abgesichert. Schiffsbeteiligungen und auch die Perle unter<br />
den vielen Vulkan-Tochtergesellschaften, die STN Atlas Elektronik GmbH, wurde an die Banken<br />
verpfändet. Nur die 50.000 Kleinaktionäre, die werden leer ausgehen und wissen es noch nicht oder<br />
wollen es nicht wahrhaben.“<br />
„<strong>Es</strong> geht hier nicht mit rechten Dingen zu“, war der dicke Kunsthändler wieder am Schimpfen. „Trotz<br />
des starken Kursverlustes der Vulkan-Aktie je gibt es hohe Umsätze an der Börse. Mehr <strong>als</strong> die Hälfte<br />
des gesamten Vulkan-Kapit<strong>als</strong> hat in der letzten Woche den Besitzer gewechselt.“<br />
„Jawohl“, war eine Stimme aus der Runde zu vernehmen, „das hat der Konzernbetriebsratsvorsitzende<br />
Karl <strong>Heinz</strong> Schönberger auch gesagt. Ein breit angelegtes Komplott hat hier in Bremen durch<br />
bewußtes Schlechtreden dafür gesorgt, daß sich ein Großaktionär billig beim Vulkan einkaufen kann.“<br />
„Verdammt noch mal“, schimpfte ein anderer, „wem gehört eigentlich der Bremer Vulkan? Wo ist das<br />
sogenannte Daimler-Paket geblieben, das einmal vom 40-Prozent-Eigner Bremen nach Stuttgart<br />
ging?“<br />
Weitere Fragen und Antworten gingen in lautem Gesang, der von einer Blaskapelle begleitet wurde,<br />
unter. Angehörige der Heilsarmee in ihren schwarzen Uniformen hatten den Raum betreten und<br />
sammelten für den guten Zweck. Bereitwillig spendeten die geschröpften Vulkan-Aktionäre. Nur der<br />
angetrunkene Grobian am Nebentisch, der gab nichts für die Sammelbüchse her.<br />
„Wenn Sie zum Major befördert <strong>sind</strong>, dann gebe ich Ihnen was!“ lallte er den Mann mit der<br />
Sammelbüchse an. Sein Tischnachbar, Geschäftsführer in der Partei des Grobians, wie mir Gaby<br />
berichtete, behauptete, Pazifist zu sein und etwas gegen Uniformen zu haben, und darum gebe er auch<br />
nichts.<br />
Gaby erzählte mir, daß sie die Musikanten der Heilsarmee einmal mit ihrer Schwester an einem<br />
Sonntag zur Mittagszeit in den Ratskeller begleitet hatte. Dort saß im Séparée ein ganz langer Politiker<br />
mit seiner Familie am Mittagstisch, der hatte auch nichts gegeben. Aber mit einem strahlenden<br />
Lächeln hatte er ihnen die Hand gedrückt. Da ist sein Kollege im Nadelstreifenanzug ganz anders,<br />
sagte sie. „Wenn der mit seiner Gattin ausgeht und die Leute der Heilsarmee trifft, gibt er ihnen jedes<br />
Mal 20 Mark, und auch die Fußballspieler hier in Bremen verhalten sich sehr großzügig. Nur ein<br />
Politiker aus einer anderen Partei, der auch öfters in Bonn zu tun hat, der ist ebenfalls sehr geizig, er<br />
gibt jedes Mal 50 Pfennig. Auf der Sielwallkreuzung verköstigt die Heilsarmee einmal in der Woche<br />
Bedürftige und Drogenabhängige, die Ärmsten in unserer Gesellschaft, mit warmem <strong>Es</strong>sen. Da gibt es<br />
einen Senator, der behauptet, dies ist nur eine Werbeveranstaltung der Heilsarmee. All dies und noch<br />
einiges <strong>mehr</strong> erzählte mir Gaby in aller Eile, während die Heilsarmee singend und musizierend für<br />
einen guten Zweck Geld sammelte. Als die Sammlung beendet war, marschierten sie musizierend in<br />
ihren schwarzen Uniformen weiter.<br />
„Wer hält die 2,8 Millionen Vulkan-Aktien, die Krupp 1991 für den Verkauf von Atlas Elektronik<br />
erhalten hat?“ war eine Stimme aus der Runde zu vernehmen.<br />
„Und da behauptet Hennemann, es gäbe keinen Großaktionär, die Vulkan-Anteile seien breit gestreut“,<br />
erklang eine andere Stimme.<br />
Der Kunsthändler rief: „In den letzten 17 <strong>Jahre</strong>n hat der Vulkan keine Dividende gezahlt, hat <strong>als</strong>o für<br />
Anleger keine Rendite erwirtschaftet. Trotzdem hat ein Unbekannter in den letzten <strong>10</strong> <strong>Jahre</strong>n eine<br />
Kapitalerhöhung von 88 auf 732 Millionen Mark finanziert. Ich verstehe das nicht!“<br />
„Die Thyssen-Industrie ist der mysteriöse Aufkäufer“, rief ein anderer. „Mit Blohm + Voss in<br />
Hamburg und den Emdener Nordseewerken haben die <strong>schon</strong> zwei Großwerften unter ihrem Dach.<br />
Darum ist denen der Vulkan <strong>schon</strong> lange ein Dorn im Auge.“<br />
„Das könnte sein“, antwortete der Kunsthändler. „Die Commerzbank, Hauptgläubiger des Vulkan-<br />
Verbundes, ist auch bei Thyssen stark engagiert. Die haben gerade ein 17-Prozent-Paket für 1,4<br />
Milliarden Mark von der Familie Graf Zichny-Thyssen aus Argentinien erworben.“<br />
„Das heißt, in einem neuen Großverbund unter der Thyssen-Führung ist für die Vulkan-Werften und<br />
ihre Beteiligungen kein Platz. Die Betriebe werden dichtgemacht. Ihr werdet sehen!“, antwortete<br />
jemand.<br />
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