Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
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„Na, den Wedemeier hat der Hennemann bestimmt nicht so abgefertigt, wie er es mit den Leuten aus<br />
dem Vorstand gemacht hat, wenn er ihnen seine verlogenen Berichte schmackhaft machte“, sagte<br />
Egon. „Da war sein Lieblingssatz: Ich darf ihnen dazu die Regularien erklären. Einwände mußten die<br />
Vorstände schriftlich formulieren. Machen Sie bitte einen Vermerk, wir nehmen das zu Protokoll,<br />
sagte er, wenn er eine Diskussion abwürgen wollte.“<br />
„Jedenfalls brauchen bei unserem morgendlichen Kaffeetrinken keine Regularien erklärt zu werden“,<br />
scheherzte Frieda.<br />
„Und Protokoll führen wir auch nicht“, ergänzte Egon.<br />
„Wo hat das alles hingeführt?“ fragte Jan. „23.000 Kollegen bangen um ihre Arbeitsplätze. Bis zum<br />
30. April ist die Liquidität gesichert. Der Betriebsrat und der Vergleichsverwalter, Jobst Wellensiek,<br />
schließen einen Konkurs nicht <strong>mehr</strong> aus.“<br />
„Tja“, meinte Egon, „nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, stellen sich alle die Frage, wie<br />
konnte das passieren? Hatten sie doch alle im November 1995 Hennemanns Worten geglaubt, dem<br />
Vulkan gehe es in seiner Substanz so gut wie nie.“<br />
„Und ich frage mich“, sagte Jan, „hat der ganze Vorstand die Aktionäre und Gläubiger getäuscht und<br />
sich dadurch strafbar gemacht, oder haben die nur gepennt?“<br />
„Und ich frage mich“, sagte Frieda, „was mag in Hennemann vorgegangen sein, daß er diesen riesigen<br />
Verbund mit den vielen maroden Firmen zusammengeschustert hat?“<br />
Egon zuckte <strong>als</strong> Antwort mit den Achseln und meinte: „Wie dem auch sei, um noch einmal auf den<br />
Verbund zurückzukommen: In Mecklenburg-Vorpomnern war es die IG Metall, die die<br />
Verbundlösung mit Demonstrationen durchsetzte.“<br />
„Und einer der gewichtigen Fürsprecher für diese Verbundlösung war der damalige<br />
Bundesverkehrsminister und Vorsitzende der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, Günter Krause“,<br />
ergänzte Jan.<br />
Frieda setzte einen drauf, indem sie sagte: „Der ist ja inzwischen auch pleite, und seine Ehe, die ist<br />
auch kaputt.“<br />
„Frieda“, sagte Egon, „das Privatleben wollen wir außen vor lassen, sonst könnte ich <strong>als</strong> Taxifahrer<br />
noch ganz andere Sachen erzählen. Jedenfalls gab es <strong>schon</strong> seit <strong>Jahre</strong>n Hinweise, daß der Vulkan<br />
seinen Töchtern im Osten in die Tasche griff. Doch man glaubte immer wieder den Rechtfertigungen<br />
Hennemanns, daß alles seine Richtigkeit habe. So bekam Hennemann für seinen ewig klammen<br />
Vulkan viel Geld in die Tasche. Allein für die beiden Werften in Wismar und Str<strong>als</strong>und erhielt er 1,27<br />
Milliarden Mark an Investitions- und sonstigen Beihilfen.“<br />
„Und keiner hat kontrolliert, ob das Geld auch in die richtigen Kanäle floß?“ fragte Frieda.<br />
„Auf diese Idee kam die Nachfolgegesellschaft der Treuhand, die BvS erst, <strong>als</strong> der Vulkan vor dem<br />
Vergleich stand. Da beauftragten sie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einem Gutachten.<br />
Noch im Dezember letzten <strong>Jahre</strong>s hatte die BvS behauptet, beim Vulkan sei alles in bester Ordnung.“<br />
„Die haben genauso gepennt wie der Vulkan-Vorstand“, sagte Jan. „Alle <strong>sind</strong> sie Hennemanns<br />
großspurigen Floskeln auf den Leim gegangen, haben ihm alles geglaubt, und keiner hat kontrolliert.“<br />
„Alle haben im Vulkan-Vorstand nicht gepennt“, antwortete Egon, „einige haben <strong>schon</strong> warnend ihre<br />
Stimme erhoben. So trat 1993 der Vulkan-Vorstand Timmermann zurück. Er wollte nicht zulassen,<br />
daß die Ostgelder widerrechtlich in den Westen gebracht werden. Ein ehemaliger Vorstandskollege<br />
sagte: Timmermann wollte Stacheldraht zwischen Ost- und Westbetrieben ziehen. Aber Hennemann,<br />
der wollte freien Zugriff auf die Milliarden, und das gelang ihm. Mit vielen schönen Worten<br />
überzeugte er alle, daß alles seine Richtigkeit habe. Auch die mißtrauisch gewordene Treuhand-Chefin<br />
Birgit Breuel ging im August 1994 von der MTW-Schiffswerft in Wismar wieder beruhigt nach<br />
Hause, nachdem es Hennemann mit seiner Sprachgewandtheit gelungen war, ihre Bedenken zu<br />
zerstreuen. Wenn das so ist, sagte sie, gibt es keine Einwände. So gaben auch die Chefs der Ost-<br />
Werften ihre Bedenken auf.“<br />
„Und jetzt“, sagte Jan, „hat die Treuhand-Nachfolgerin Strafanzeige gegen Hennemann und seine<br />
Vorstandskollegen gestellt.“<br />
„Ich schätze“, sagte Egon, „wenn der Hennemann vor der Justiz Rede und Antwort stehen soll, daß er,<br />
der bisher immer in so schönen, blumigen Worten alle überzeugen konnte, in ein großes beleidigtes<br />
Schweigen verfallen wird. Nach dem Motto: Welch eine Unerhörtheit, ihm, dem stets korrekten<br />
Friedrich Hennemann, solche unglaublichen Vorwürfe zu machen. Ihm, einem Mann, der weiß was<br />
Sache ist, keinen Glauben <strong>mehr</strong> zu schenken. Das ist doch unerhört!“ - 34 -<br />
Ende März schaute Egon wieder einmal auf einen Kaffee vorbei. In der Hand hielt er eine Zeitung mit<br />
der Überschrift:<br />
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