Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
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„Bis dahin soll auch das <strong>mehr</strong>ere Millionen Mark teure Gutachten von McKinsey vorliegen“, sagte<br />
Egon. „Was von diesem Gutachten erwartet wird, nennt Bürgermeister Scherf eine Radikalkur, und<br />
die wird so aussehen, daß McKinsey den Schwarzen Peter übernimmt und <strong>als</strong> erster sagt, daß der<br />
Vulkan am Markt keine Chancen <strong>mehr</strong> hat.“<br />
Ungefähr eine Woche später schaute Egon <strong>schon</strong> wieder vorbei. „Jetzt geht es mit der<br />
Gedächtnisschwäche bei den ehemaligen Vulkan-Managern los“, sagte er. „Der ExVulkan-<br />
Aufsichtsratschef Scheider sagte vor dem Untersuchungsausschuß: Das ist alles verdammt lange her:<br />
Ich habe überhaupt keine Unterlagen <strong>mehr</strong>. Alles was ich sagen kann, ist rein aus dem Gedächtnis,<br />
und das wird mit zunehmendem Alter auch nicht gerade besser. So konnte er sich auch nicht <strong>mehr</strong> so<br />
recht daran erinnern, wie Hennemann1987 an den Job des Vorstandsvorsitzenden gekommen war.<br />
Soweit ich mich erinnere, ist mir diese Lösung dam<strong>als</strong> präsentiert worden, antwortete er. Daran, daß<br />
er, wie aus einem Aktenvermerk hervorgeht, den damaligen Finanzsenator Claus Grobecker angerufen<br />
hatte, am sich mit ihm über die Besetzung der Vorstandsposten abzustimmen, konnte er sich natürlich<br />
auch nicht <strong>mehr</strong> erinnern. Als er mit dem Aktenvermerk konfrontiert wurde, sagte er: Ich habe das<br />
höchstens mitgeteilt und nicht abgestimmt. Weiter sagte er, daß Hennemann für diese<br />
Führungsposition prädestiniert gewesen sei und nicht aus politischen Gründen Vulkan-Chef geworden<br />
sei.“<br />
„Das übliche Gesülze“, sagte Jan. „Von Hennemanns Vertrag mit der Stadt Bremen, der ihn<br />
ermächtigte, bremische Interessen wahrzunehmen, hat Scheider natürlich auch nichts gewußt.“<br />
„Richtig“, antwortete Egon, „davon hat er auch nichts gewußt. Nur Hennemanns Pensionsregelung,<br />
die kannte er doch.“<br />
„Und daß sich Scheider und Hennemann gegenseitig auf ihre Posten gehievt haben, davon weiß<br />
Scheider natürlich auch nichts“, bemerkte Jan.<br />
„So ist es“, gab Egon ihm recht. „Aber laut Aufsichtsratsprotokoll soll Hennemann sich dam<strong>als</strong> für die<br />
Berufung Scheiders zum Aufsichtsratsvorsitzenden stark gemacht haben. Nur Scheider, der konnte<br />
sich wieder nicht erinnern. Davon weiß ich nichts, war seine knappe Antwort.“<br />
„Aber um mal auf unsere jetzigen Arbeitsverträge bei der Mypegasus-Gesellschaft zu kommen“, sagte<br />
Jan. „Ich bin mir nicht <strong>mehr</strong> sicher, ob es richtig war, daß wir Vulkan-Arbeiter diesen Vertrag<br />
unterzeichnet haben, nach dem wir auch noch weit unter Tarif bezahlt werden.“<br />
„Irgendwie seid ihr doch im Frühjahr damit überrumpelt worden“, meinte Egon. „Wer den dreiseitigen<br />
Mypegasus-Vertrag nicht unterschreibt, <strong>als</strong>o auf seine Rechte aus seinem Vulkan-Arbeitsvertrag nicht<br />
verzichtet, der wird entlassen und hat keine Chance, auf der Werft wieder eingestellt zu werden, hieß<br />
es doch.“<br />
„Ja“, sagte Jan, „wir waren dam<strong>als</strong> verzweifelt und haben das geglaubt, was uns die IG-Metall gesagt<br />
hat. So haben wir alle gutgläubig unterschrieben. Irgendwie fühlten wir uns überrumpelt. So wie in<br />
blindem Vertrauen die Betriebsräte und Gewerkschafts-Aufsichtsräte hinter Hennemann standen, so<br />
blind vertrauten wir dem Konzept des Konkursverwalters, der die Arbeitnehmerrechte beim<br />
Betriebsübergang umgehen muß, wenn er neue Kapitalgeber finden will. Einige ausländische<br />
Kollegen hatten nicht dieses Vertrauen und unterschrieben diesen Vertrag nicht. Sie <strong>sind</strong> vors<br />
Arbeitsgericht gezogen. Obwohl sie IG-Metall-Mitglied waren, verweigerte ihnen die Gewerkschaft<br />
den juristischen Beistand in ihren Kündigungsschutzklagen. Das war <strong>schon</strong> beschämend. Doch der<br />
Kollege Berzan, der bei der Schichau-Seebeck-Werft beschäftigt war, hat vor dem Arbeitsgericht in<br />
Bremerhaven Recht bekommen. Vulkan-Arbeitern, die den Mypegasus-Vertrag nicht unterschrieben,<br />
darf die Schichau-Seebeck-Werft nicht kündigen. Berzan hat mit seinen 54 <strong>Jahre</strong>n seinen Anspruch<br />
auf Beschäftigung nicht verloren, nur weil er seinen 22 <strong>Jahre</strong> alten Arbeitsvertrag mit der Schichau-<br />
Seebeck-Werft nicht freiwillig auflöste, um in die Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft zu<br />
wechseln. Mit dieser Begründung des Arbeitsgerichts gehört Berzan nun zu den wenigen<br />
festangestellten Mitarbeitern der Werft.“<br />
„Und was ist das Resultat?“ fragte Egon und las die Antwort aus einer Zeitung vor, die er mal wieder<br />
dabeihatte. „Viele Vulkan-Arbeiter glauben jetzt, daß die IG-Metall sie schlecht beraten hat. Das<br />
sagen auch die Anwälte, die Bremerhavener Arbeitsrechtler Walter und Piet Klemeyer. Sie sagen, daß<br />
die Idee mit der Mypegasus-Gesellschaft nicht schlecht sei, Die Ausführung aber wohl mangelhaft.<br />
Denn die größte Schwäche dieses gewerkschaftlich geförderten Modells ist:<br />
Um die Werften arbeitnehmerfrei zu bekommen, hat man auf jede soziale Absicherung verzichtet.<br />
Nach einem Jahr ist Schluß bei der Mypegasus-Gesellschaft. Das hätten die Gewerkschaften anders<br />
regeln müssen.“<br />
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