Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
Es sind schon mehr als 10 Jahre vergangen, als ... - Heinz Kornemann
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
edingt durch die Fahrweise des Busfahrers auf holpriger Straße, weiter kräftig durchgeschüttelt, dann<br />
packte Jan Meyerdirks meinen Korb und trug mich aus dem Bus. Endstation, wir standen auf einem<br />
riesigen zugepflasterten Platz, und vor uns lag ein alter roter Klinkerbau. Das war der Vegesacker<br />
Bahnhof. Alles strömte zu dem Bahnhofsgebäude. Jan Meyerdirks reihte sich in die eilig dahinhastenden<br />
Menschen ein.<br />
„Miau“, gab ich kläglich von mir, diese Reise gefiel mir gar nicht.<br />
„Bleib ganz ruhig“, antwortete Jan Meyerdirks auf mein Miau, „bald bist du in deinem neuen Zuhause,<br />
und dort wird es dir gutgehen.“<br />
Er ging, meinen Korb leicht schwenkend, einen langen Bahnsteig entlang und musterte die<br />
Eisenbahnwaggons. Jetzt hatte er einen Wagen mit einem Nichtraucherschild entdeckt. Da ging er mit<br />
mir rein, schließlich sollte ich gute Luft zum Atmen haben. Jan setzte sich an einen Fensterplatz, den<br />
Korb hatte er auf seinen Knien abgestellt. So konnte ich aus dem Zugfenster in die Landschaft blicken.<br />
Aufmerksam musterte ich durch meine vergitterte Tür den Vegesacker Bahnhof; nichts Besonderes.<br />
Draußen winkte ein Mann mit einer roten Mütze auf dem Kopf. Daraufhin fuhr der Zug an, und der<br />
Mann sprang noch schnell in den abfahrenden Zug. Jetzt kam er zu uns ins Abteil und wollte von Jan<br />
den Fahrschein sehen. Zum Glück hatte Jan Meyerdirks solch einen Zettel dabei, sonst hätten wir wohl<br />
wieder aussteigen müssen. An vielen Bahnhöfen legte der Zug einen Stop ein. Menschen stiegen aus,<br />
andere wieder ein, und einige hatten auch ein Fahrrad dabei. Park-, Stadt- und Wiesenlandschaften<br />
glitten am Fenster vorbei. Wieder hielt der Zug an einem Bahnhof.<br />
„Oslebshausen“, rief der Schaffner.<br />
Erneut das gleiche Bild von ein- und aussteigenden Menschen. Mit lautem Rums knallten die Türen<br />
zu, und weiter ging die Fahrt. Große kathedralenartige Backsteingebäude, umgeben von einer hohen<br />
Ziegelmauer mit Wachtürmen waren zu sehen.<br />
„Das ist der Knast“, klärte Jan mich auf, <strong>als</strong> er meinen erstaunten Gesichtsausdruck sah. „Die, die da<br />
eigentlich auch hineingehörten, laufen mit einem weißen Kragen draußen rum.“<br />
Aber wie das gemeint war, das habe ich erst ein paar <strong>Jahre</strong> später begriffen.<br />
Nochm<strong>als</strong> hielt der Zug.<br />
„Walle“, hörte ich die Stimme des Schaffners auf dem Bahnsteig rufen.<br />
„So, nun müssen wir aber raus“, sagte Jan, packte meinen Korb, und wir standen auf dem Bahnsteig<br />
eines unwahrscheinlich schmutzigen, heruntergekommenen Bahnhofs. Hätte ich, der stets auf<br />
Reinlichkeit bedacht war, etwas zu sagen gehabt, diesen total verdreckten Bahnhof hätte ich aber auf<br />
Vordermann gebracht. Soviel Schmutz, das war eine Zumutung, was da von der Bahn den Fahrgästen<br />
zugemutet wurde. Über total verschmutzte Treppen ging es runter auf die lärmende Straße. Jan hatte<br />
bemerkt, wie unwohl ich mich beim Anblick dieses schmutzigen Bahnhofs fühlte.<br />
„Noch drei Minuten“, tröstete er mich, „dann <strong>sind</strong> wir zu Hause.<br />
Er hatte nicht zuviel versprochen. Wir überquerten eine große Straße, auf der bimmelnd eine<br />
Straßenbahn auf sich aufmerksam machte, und bogen dann in eine schmale Straße ein. Zwei<br />
weißgestrichene Eisenpfähle blockierten in dieser Straße die Zufahrt für Autos. <strong>Es</strong> war eine Straße mit<br />
kleinen Häuschen und Blumengärten. Hier gab es keine lärmenden und giftige Abgase ausspuckenden<br />
Autos. Die Straße war nur für Fußgänger und Radfahrer da. Das gefiel mir. Jan hatte Geschmack. Vor<br />
einem der hübschen Vorgärten mit den vielen bunten Blumen blieb er stehen.<br />
„Da <strong>sind</strong> wir“, sagte er.<br />
Ich schaute mir das kleine Haus an. Auf der Fensterbank in einem großen Fenster lag ein kleiner Hund<br />
mit einem zotteligen Fell in verschiedenen Farben. Der Hund hatte uns jetzt auch gesehen und sprang<br />
bellend zurück ins Wohnzimmer. Daraufhin wurde die Haustür von einer Frau geöffnet, die uns<br />
freundlich anblickte. Der Hund, eine undefinierbare Mischung aus Mops, Dackel und anderen<br />
Hunderassen, kam bellend zwischen den Beinen der Frau auf die Straße gelaufen.<br />
„Bello, halt die Klappe“, schnauzte ihn Jan in einem rauhen, aber herzlichen Ton an, und Bello<br />
verstummte.<br />
Er sprang an Jan hoch und versuchte den Korb, in dem ich saß, zu erreichen. Ich machte einen<br />
krummen Buckel und fauchte ihn an. Doch Bello wedelte freudig mit seinem kurzen Schwanz und<br />
blickte mich freundlich an. Da entspannte ich mich wieder und blickte durch die Gittertür gelassen zu<br />
ihm herab.<br />
„Frieda, darf ich bekanntmachen, das ist Max, ein echter Vulkanese“, scherzte Jan. Er beugte sich zu<br />
meinem Korb und sagte: „Max, das ist Frieda, meine Frau, und der Strolch dort unten, das ist Bello.“<br />
„Wau“, sagte Bello kurz zur Begrüßung, und ich erwiderte „Miau“.<br />
„Och, ist der niedlich“, hörte ich Friedas Stimme.<br />
- 6 -