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Psychischer Druck & die Folgen - Der Kassenarzt

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Psyche<br />

„Migration bedeutet immer<br />

eine Belastung für <strong>die</strong> Psyche“<br />

Die Welt war schon immer mobil. Um <strong>die</strong> Wende zum 21. Jahrhundert haben sich<br />

Mensch und Wirtschaft allerdings globalisiert. Wirtschaftsmigration, Auslandsstudium,<br />

Pensionsmigration, berufliche Versetzungen und unfreiwillige (Flucht, Exil, Asyl) Migration<br />

betreffen hunderte Millionen Menschen.<br />

„Die psychische Belastung bei<br />

der Migration kann auch einen<br />

Triggerfaktor für Erkrankungen<br />

darstellen.“<br />

Univ.-Prof. Dr. Michael Stompe,<br />

Psychiatrische Universitätsklinik Wien<br />

Migration bedeutet in jedem Fall eine<br />

Belastung für <strong>die</strong> Psyche. Migranten<br />

haben daher auch eine vermehrte<br />

Anfälligkeit für psychische Störungen, auch<br />

wenn sich <strong>die</strong>se in den einzelnen Gruppen<br />

voneinander unterscheiden. Hinzu kommt,<br />

dass psychische Krankheiten je nach kulturellem<br />

Kontext unterschiedlich zutage treten<br />

bzw. von den Patienten dargestellt werden“,<br />

erklärte jetzt Univ.-Prof. Dr. Thomas<br />

Stompe, Leiter der Ambulanz für transkulturelle<br />

Psychiatrie an der Psychiatrischen<br />

Universitätsklinik der MedUni Wien im<br />

Gespräch mit DER KASSENARZT.<br />

Von den Menschen mit Migrationshintergrund,<br />

<strong>die</strong> gegenwärtig in<br />

Österreich leben, sind mehr als 1,1 Millionen<br />

eingewandert (Migranten 1. Generation),<br />

360.000 sind als Kinder von Migranten<br />

der 1. Generation in Österreich geboren<br />

(Migranten 2. Generation) und nach<br />

Schätzungen des Bundesministerium<br />

für Inneres befinden sich etwa 100.000<br />

Menschen illegal in Österreich.<br />

Stompe: „Die Gruppe der Migranten<br />

ist sehr heterogen. Die zahlenstärkste<br />

Gruppe sind Menschen aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien. Dann kommen aber inzwischen<br />

schon <strong>die</strong> deutschen Staatsbürger. Allerdings,<br />

<strong>die</strong>se sind wegen der kulturellen Nähe zu den<br />

Österreichern deutlich weniger Belastungen<br />

ausgesetzt. Die drittstärkste Gruppe stammt<br />

aus der Türkei, hier kommen <strong>die</strong> meisten aus<br />

den anatolischen Provinzen.“<br />

Hinzu kommen oft gut ausgebildete<br />

Menschen aus den ehemaligen Ostblockstaaten.<br />

Allerdings, aus<br />

den GUS-Ländern<br />

(Tschetschenien etc.)<br />

flüchten viele Menschen<br />

schwer traumatisiert<br />

vor Bürgerkriegen<br />

oder aus<br />

ähnlichen Situationen.<br />

<strong>Der</strong> Psychiater:<br />

„Unter den Afrikanern<br />

ist <strong>die</strong> stärkste Gruppe<br />

jene der Ägypter, dann <strong>die</strong> Nigerianer und<br />

Ghanaesen.“ Ostasiaten leben oft in ziemlich<br />

geschlossenen Gemeinschaften.<br />

„Auswandern“ – das bedeutet psychischen<br />

Stress. Stompe: „Zumeist sind <strong>die</strong><br />

Umstände, unter denen <strong>die</strong> Migration stattfindet,<br />

mit großen psychischen, sozialen und<br />

ökonomischen Belastungen verbunden. Familien<br />

werden zerrissen, kulturelle und individuelle<br />

Identitätsmuster verlieren ihre tragende<br />

Wirkung, <strong>die</strong> erste Zeit im Aufnahmeland<br />

ist in den meisten Fällen durch unsichere<br />

rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse<br />

bestimmt.“<br />

Ablehnung durch das Gast- bzw.<br />

Aufnahmeland, undurchschaubare Bürokratie<br />

wirken kontraproduktiv. Speziell<br />

Flüchtlinge bringen auch ihre erlittenen<br />

Erstdiagnosen (%) nach ICD-10<br />

(WHO 1993) bei psychisch kranken<br />

Migranten<br />

psychischen und physischen Traumen mit.<br />

<strong>Der</strong> Psychiater: „In zahlreichen Stu<strong>die</strong>n<br />

zeigte sich, dass Personen mit Migrationshintergrund<br />

stärkere Belastungen für verschiedene<br />

psychische Erkrankungen wie Posttraumatische<br />

Belastungsstörung, Anpassungsstörungen<br />

und affektive Erkrankungen aufweisen.“<br />

Höheres Schizophrenie-Risiko<br />

Ein weiteres Faktum: Stu<strong>die</strong>n haben<br />

weiters ergeben, dass dunkelhäutige Migranten<br />

das zwei- bis fünffache Risiko haben,<br />

an einer Schizophrenie zu erkranken. Migranten<br />

der 2. Generation erkranken daran<br />

noch häufiger als <strong>die</strong> Elterngeneration. Die<br />

Gründe dafür sind nicht ganz klar. <strong>Der</strong><br />

Wiener Psychiater: „Es ist aber durchaus<br />

möglich, dass hier <strong>die</strong> Belastungen, <strong>die</strong> mit<br />

der Migration verbunden sind, bei <strong>die</strong>sen<br />

Menschen sozusagen den ‚Trigger‘ für den<br />

Ausbruch der Symptome darstellen.“<br />

4<br />

| <strong>Der</strong> <strong>Kassenarzt</strong>

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