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atp edition Dezentrale Intelligenz für modulare Automation (Vorschau)

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11 / 2014

56. Jahrgang B3654

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Automatisierungstechnische Praxis

Dezentrale Intelligenz für

modulare Automation | 34

Kommunikation mit

AutomationML beschreiben | 44

Wissensbasierte Auswahl

von Prinziplösungen | 52

Robustheit industrieller

Produktionsnetze | 64


„ Wir spüren Effizienzreserven

auf. “

Yokogawa Experte für

Feldinstrumentierung

Steigerung der Anlagen-Produktivität.

Ist eine Anlage jahrzehntelang in Betrieb, entspricht ihre Automatisierung

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Broichhofstraße 7-11

D-40880 Ratingen

Telefon +49(0)2102- 4983-0

Telefax +49(0)2102- 4983-22

www.yokogawa.com/de

info@de.yokogawa.com


EDITORIAL

Dezentrale Intelligenz

neue Wege in der

Prozessautomatisierung

Mit dezentraler Intelligenz in der Prozessautomation stellt die Namur

ein richtungsweisendes Zukunftsthema in den Mittelpunkt

ihrer diesjährigen Hauptsitzung.

Wir haben in den vergangenen Jahren vielfältige Diskussionen,

Vorträge, Veröffentlichungen, Projektrealisierungen und sogar Firmengründungen

erlebt, die sich mit dem Thema der modularen Prozessanlage

für mehr Flexibilität in der Prozessindustrie auseinandergesetzt

haben. Die entstandenen Konzepte und Realisierungen

mit modularen Strukturen nähern sich den Organisationsformen der

modularen Fertigungsindustrie an, bei denen das Medium von Modul

zu Modul weitergegeben wird. Die Verfahrenstechniker haben uns

damit Methoden aufgezeigt, wie die moderne Produktion in der Prozessindustrie

organisiert sein kann.

Die Prozessautomation muss diese Herausforderungen annehmen,

denn eine modulare Anlagenstruktur kann nicht mit zentralen Automatisierungsstrukturen

geführt werden. Zur Abbildung der Modularität

der Verfahrenstechnik in der Automation müssen die Module

eine eigene Intelligenz besitzen. Nur mit dieser Intelligenz werden

die Module befähigt, sich selbstständig im Netzwerk einzugliedern.

Dezentrale Intelligenz ist daher das wesentliche Element der modernen,

modularen Prozessautomation.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, dezentrale Intelligenz sinnvoll,

das bedeutet offen, flexibel und kostengünstig, zu implementieren.

Dies muss ohne proprietäre Ansätze geschehen sondern vielmehr auf

offenen, industriell akzeptierten Schnittstellen basieren.

Die Akzeptanz und anschließende Standardisierung der Methoden

der modularen Automation mit dezentraler Intelligenz sollte unser Ziel

sein und bildet damit einen wichtigen Grundstein für Industrie 4.0.

Ich freue mich daher auf eine rege und vielfältige Diskussion auf

der diesjährigen Namur-Hauptsitzung zu dem ersten Lösungsansatz

Dima (Dezentrale Intelligenz für Modulare Anlagen), der auch in

einem Hauptbeitrag der vorliegenden Ausgabe vorgestellt wird. Dies

verbunden mit der Zuversicht, durch Dima eine allseits akzeptierte

Basis für die modulare Automation mit dezentraler Intelligenz zu

schaffen.

SVEN HOHORST,

Geschäftsführender

Gesellschafter

Wago Kontakttechnik GmbH

& Co.KG

atp edition

11 / 2014

3


INHALT 11 / 2014

FORSCHUNG

6 | Industrie 4.0: IOSB reduziert mit einer universellen

Schnittstelle den Inbetriebnahmeaufwand massiv

Zukunftsszenarien: Smart Blueprint 3D modelliert

Arbeitsprozesse für intelligente Fabrik

7 | Schlechte Sicht, Strömung, Wellen: Studenten aus Bremen

gewinnen Wettbewerb der Tauchroboter

Roboter holt Opfer aus der Gefahrenzone

VERBAND

8 | Milliardenverluste der Wirtschaft: Elektroindustrie

drängt auf Strategie für die Cyber-Sicherheit

Call for atp experts: Lebenszyklusmanagement

von IKT und Automation

9 | Sensorik und Messtechnik: Innovationspreis

für Forschungsprojekte mit Marktrelevanz

ZVEI will Industrie 4.0 vorantreiben

Namur trauert um Bernhard Will

BRANCHE

10 | Powerlink eröffnet neues Technologiezentrum

an chinesischer Tianjin University

Profinet ist nun nationaler chinesischer Standard

Namur-Schnittstelle für Engineering-Daten

11 | Wie findet die jüngste industrielle Revolution Eingang

in die Praxis der Unternehmen?

Prozessautomation soll 2014 um sechs bis sieben Prozent

zulegen – Abschwächung erwartet

12 | Integration statt Konkurrenz: Fieldbus und HART

schließen sich zur FieldComm Group zusammen

RUBRIKEN

3 | Editorial

71 | Produkt & Unternehmen

74 | Impressum, Vorschau

4

atp edition

11 / 2014


PRAXIS

16 | FDI Device Package läutet neue

Ära für die Feldbustechnik ein:

ein Gerät, ein Paket, alle Tools

20 | Durch modulare Automatisierung

gewinnen die Anlagenbetreiber neue

Flexibilität und Effizienz

22 | Smartglass und Smartwatch erlauben eine völlig

neue Dimension der Steuerung von Anlagen

25 | Experten fragen, Experten antworten:

Missverständnisse rund um SIL

26 | Automatisierungstechnik in Anlandestation für

Erdgas gewährleistet höchste Zuverlässigkeit

30 | Lichtwellenleiter im Industrieeinsatz:

Robuste Komponenten trotzen widrigen

Bedingungen

Produkte,

Systeme

und Service

für die

Prozessindustrie?

Natürlich.

HAUPTBEITRÄGE

34 | Dezentrale Intelligenz für

modulare Automation

T. HOLM, M. OBST, A. FAY, L. URBAS, T. ALBERS,

S. KREFT UND U. HEMPEN

44 | Kommunikation mit

AutomationML beschreiben

M. RIEDL, A. LÜDER, B. HEINES UND R. DRATH

52 | Wissensbasierte Auswahl

von Prinziplösungen

M. RIEDEL UND A. FAY

64 | Robustheit industrieller

Produktionsnetze

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neuesten Stand? Sind alle Korrekturen

im Leitsystem eingespielt? Sind alle

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FORSCHUNG

Industrie 4.0: IOSB reduziert mit einer universellen

Schnittstelle den Inbetriebnahmeaufwand massiv

AUSGEZEICHNET:

Dr.-Ing. Miriam Schleipen

und Dr.-Ing. Olaf Sauer

erhielten den Innovationspreis

NEO 2014 für ihre

Arbeit an einer universellen

Schnittstelle für die Fabrik

der Zukunft.

Bild: Fraunhofer IOSB

Das Karlsruher Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik

und Bildauswertung (IOSB) hat den Innovationspreis

NEO 2014 der TechnologieRegion Karlsruhe

(TRK) gewonnen. Die mit 20.000 Euro dotierte

Auszeichnung nahmen Dr.-Ing. Miriam Schleipen und

Dr.-Ing. Olaf Sauer im Technologiepark Karlsruhe entgegen.

Die beiden Forscher arbeiten an einer universellen

Schnittstelle für die Fabrik der Zukunft. Die Jury urteilte:

Diese Idee ist von globaler Bedeutung für die Industrie.

In der Industrie 4.0 sind intelligente Anlagenkomponenten,

Maschinen und Anlagen sowie IT-Systeme miteinander

vernetzt, sodass jede Komponente der Fabrik

über die relevanten ‚Partner‘ mit ihren Fähigkeiten informiert

ist. Tatsächlich existieren aber heute auf jeder

Ebene der Fabrik diverse heterogene Softwaresysteme

mit Schnittstellen, die bei jeder Änderung manuell angepasst

oder umprogrammiert werden müssen. Sie sind

damit aufwendig und fehleranfällig.

Nach dem Prinzip einer USB-Schnittstelle können mit

dem Ansatz der Fraunhofer-Forscher Teile der Anlage ei-

genständig Daten austauschen. Der Vorteil: Die steuernde

Software kann neue oder geänderte Systemkomponenten

schnell und unkompliziert erkennen und alle Informationen

werden zur automatischen Integration in den Produktionsablauf

übertragen. ‚Plug and Work‘ lauten Motto

und Methode, und zwar unter Nutzung offener Standards,

die bereits heute in der Industrie eingesetzt werden. So

müssen keine zusätzlichen Schnittstellen oder Treiber

programmiert und auf die Anlagen abgestimmt werden.

Beim IOSB ist man sicher: Der Ansatz einer universellen

Schnittstelle auf Basis offener Industriestandards

funktioniert. Das habe man bereits in Zusammenarbeit

mit produzierenden Unternehmen bewiesen. Durch die

universelle Schnittstelle könnten die Aufwände zur Inbetriebnahme

von Maschinen um rund 20 Prozent reduziert

werden und diejenigen zur Anbindung von Anlagen

und Steuerungen an ein übergeordnetes Manufacturing

Execution System um rund 70 Prozent.

Aktuell werden die Technologien in einem weiteren

Verbundprojekt weiterentwickelt: im Projekt Secure-

PlugandWork (www.secureplugandwork.de) steht im

Vordergrund, dass das Einklinken in das Produktionssystem

nur autorisierten Teilnehmern (Komponenten,

Maschinen und IT-Systemen) erlaubt ist und dass die

Kommunikation der Fähigkeiten verschlüsselt wird, so

dass sie niemand unerlaubt mithören kann. Partner ist

unter anderem die Karlsruher Firma Wibu Systems, die

ebenfalls für den NEO 2014 nominiert war. (gz)

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR OPTRONIK,

SYSTEMTECHNIK UND BILDAUSWERTUNG IOSB,

Fraunhoferstraße 1, D-76131 Karlsruhe,

Tel. +49 (0) 721 609 10,

Internet: www.iosb.fraunhofer.de

6

Zukunftsszenarien: Smart Blueprint 3D modelliert

Arbeitsprozesse für intelligente Fabrik

Unternehmen auf dem Weg zu Industrie 4.0 müssen

Prozesssicherheit, Kompetenzen und Mitarbeiterakzeptanz

für die neuen Technologien gewährleisten, um

diese erfolgreich einzuführen. Dafür entwickelt das

Fraunhofer-IAO das Tool ‚Smart Blueprint 3D‘. Es soll

digital unterstützte Arbeitsprozesse modellieren und

die komplexe Interaktion zwischen Mensch, Objekten

und Software leicht verständlich darstellen. Das Tool

hilft abzubilden, wie sich die verschiedenen technologischen

Migrationsstufen der Digitalisierung auf die

Arbeitsprozesse auswirken. „Smart Blueprint 3D hilft

Unternehmen zum einen, während der Umstellung auf

die intelligente Produktion schlagkräftig zu bleiben.

Zum anderen können Migrationsschritte besser beherrscht

und Risiken frühzeitig erkannt werden, die sich

durch fehlende Kompetenzen ergeben“, erklärt David

Kremer, der für das Projekt verantwortlich zeichnet.

atp edition

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Langfristig soll Smart Blueprint 3D veränderte Arbeitsprozesse

mittels Virtueller Realität simulieren.

Neue Szenarien der Mensch-Technik-Interaktion werden

mit Avataren direkt erlebbar. „Prozessverantwortliche

können sich so direkt in die Rolle der Produktionsmitarbeiter

hineinversetzen. Auf dieser Grundlage können

Arbeitsschritte viel besser auf die Anforderungen guter

Arbeitsbedingungen zugeschnitten werden“, so Kremer.

Im Rahmen der Entwicklung von ‚Smart Blueprint 3D‘

bietet das Fraunhofer-IAO Unternehmen mehrere Möglichkeiten

zur Kooperation an. Dazu zählen Workshops

oder die Beteiligung an zwei Projektskizzen. (gz)

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT

UND ORGANISATION IAO,

Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart,

Tel. +49 (0) 711 97 00, Internet: www.iao.fraunhofer.de


Schlechte Sicht, Strömung, Wellen: Studenten aus

Bremen gewinnen Wettbewerb der Tauchroboter

Das Studententeam der Universität Bremen und des

DFKI siegte mit seinem Unterwasserroboter bei der

‚Student Autonomous Underwater Challenge – Europe‘

(SAUC-E) mit ihrem Unterwasserfahrzeug Avalon. Es

teilte sich den ersten Platz mit dem Team SAUC‘ISSE des

Ecole d’ingénieurs et centre de recherche (ENSTA) aus

der Bretagne. Wissenschaftler der Universität Bremen

und des Robotics Innovation Centers des DFKI betreuten

die Bremer Studierenden der Arbeitsgruppe Robotik

unter Leitung von Prof. Dr. Frank Kirchner.

Zu den neuen Herausforderungen zählte in diesem Jahr

unter anderem das Inspizieren und Kartografieren von

Unterwasserstrukturen sowie das Auffinden von Schadstellen

an einer Hafenwand. Aber auch die Kooperation

mit einem autonomen Fahrzeug an der Wasseroberfläche

war eine neue Aufgabe im Wettbewerb. Die beiden Bremer

Fahrzeuge Avalon und Excalibur agierten autonom

und unterstützten sich gegenseitig bei der Inspektion.

Der Mittelmeerhafen in La Spezia bot realistische Testbedingungen

– das Wasser ist salzig, die Sicht ist

schlecht. Strömung und Wellen wirken auf die Fahrzeuge.

Die Stärken des Bremer Unterwasserroboters liegen

in der Verarbeitung und Interpretation von Sonardaten,

in der ausgefeilten adaptiven Missionsplanung sowie

der sehr guten Lokalisierung.

Das mit nur 1,5 Metern Länge und einem Durchmesser

von 24,6 Zentimetern sehr kleine AUV Avalon (Autonomous

Vehicle for Aquatic Learning, Operation and

Navigation) ist für den Einsatz in engen, hindernisreichen

DAS STUDENTEN-

TEAM von DFKI

und Uni Bremen

gewann den

Wettbewerb der

Unterwasserroboter

im Mittelmeerhafen

in

La Spezia.

Bild: DFKI/Malte Ellberg

Gewässern geeignet. Durch sein geringes Gewicht von

etwa 63 Kilogramm ist es im operativen Einsatz leicht zu

handhaben. Das System ist beweglich und kann so filigrane

Aufgaben bewältigen. Dank seines robusten Druckkörpers

erreicht es eine Tauchtiefe von 150 Metern.

Avalon wurde von Studierenden der Universität Bremen

(AG-Robotik, FB3) und Mitarbeitern des Deutschen Forschungszentrums

für Künstliche Intelligenz (DFKI), Robotics

Innovation Center (RIC) in den Jahren von 2007 bis 2009

entwickelt und wird ständig optimiert.

(gz)

DEUTSCHES FORSCHUNGSZENTRUM FÜR KÜNST-

LICHE INTELLIGENZ, ROBOTICS INNOVATION CENTER,

Robert-Hooke-Str. 1, D-28359 Bremen,

Tel. +49 (0) 421 17 84 50, Internet: robotik.dfki-bremen.de

Roboter holt Opfer aus der Gefahrenzone

Der Roboter des Teams vom Fraunhofer FKIE war am

schnellsten: Sieben Minuten vor der zweitplatzierten

Mannschaft hatte der Roboter eine Puppe, die einen Verwundeten

Soldaten darstellen sollte, aus einer Gefahrenzone

herausgebracht. Diese Aufgabe bewältigte der

Roboter bei der M-Elrob, der militärischen Version der

Europäischen Leistungsschau Robotik, die diesmal in

Warschau stattfand. Dort geht es darum zu demonstrieren,

wie Roboter im militärischen Umfeld zum Schutz

der Soldaten beitragen können.

Der Fraunhofer-Roboter verwendete für die Bergung

einen Roboterarm, in dessen Greifer sich ein Karabinerhaken

befindet. Der Arm schiebt sich dann langsam unter

den Schultergurt der Schutzweste des Verwundeten und

hakt schließlich ein. Mit einem Schleppseil zieht der Roboter

den Verwundeten dann aus der Gefahrenzone. Das

Team FKIE nutzte eine eigens entwickelte Steuerung,

mit der die Armbewegung des Benutzers auf den Roboterarm

übertragen wird. Für die neuartige Armsteuerung

erhielt das Team zusätzlich den Sonderpreis ‚Best

Novel Scientific Solution‘.

Das ‚Retten eines Verwundeten aus unsicherer Lage‘,

war erstmalig eine Disziplin bei der M-Elrob. Neun Teams

versuchten sich an der Rettung von Übungspuppen, die

BERGUNGSROBOTER

DES FKIE:

Das Fraunhofer-Team

konnte die Puppe, die

einen Verwundeten

simuliert, am

schnellsten aus der

Gefahrenzone holen.

Bild: Fraunhofer-FKIE

in einem weitläufigen Gelände versteckt wurden. In der

achtjährigen Geschichte der Elrob beschäftigten sich die

Roboter bisher hauptsächlich mit der Erkundung und

Aufklärung von gefährlichen Umgebungen wie mit der

Suche nach versteckten Sprengfallen (IED). (gz)

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR KOMMUNIKATION,

INFORMATIONSVERARBEITUNG UND ERGONOMIE FKIE,

Fraunhoferstraße 20,

D-53343 Wachtberg-Werthhoven,

Tel. +49 (0) 228 943 50, Internet: www.fkie.fraunhofer.de

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VERBAND

Milliardenverluste der Wirtschaft: Elektroindustrie

drängt auf Strategie für die Cyber-Sicherheit

Die im ZVEI zusammengeschlossene Elektroindustrie

sieht im Schutz des Know-how einen strategischen

Faktor zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen

Industrie. Daher begrüße sie den Entwurf des IT-

Sicherheitsgesetzes der Bundesregierung, betont der ZVEI.

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie

biete darüber hinaus seine Unterstützung für eine

praxistaugliche Weiterentwicklung des Entwurfs an. Ziel

müsse es sein, den Qualitätsstandard Made in Germany

für die Cyber-Sicherheit in der Industrie weltweit auszubauen.

Deutschland könne durch eine strategische Ausrichtung

seiner Industriepolitik auf die Industrial-IT-Security

seine führende Technologieposition stärken, die

Wettbewerbsfähigkeit erhalten und als Modell für eine

sichere Umsetzung des Industrie-4.0-Konzepts dienen.

Mit Blick auf die langfristige Gestaltung der Cyber-

Sicherheit in Deutschland, seien die von der Politik geplanten

Maßnahmen zur Technologischen Souveränität

zu konkretisieren. So solle bei öffentlichen Beschaffungen

der Anforderungskatalog um das Kriterium Sicherheit

ergänzt werden. Zusätzlich schlägt der ZVEI

eine stärkere Förderung zukunftsgewandter und tech-

VORAUS-

SETZUNG FÜR

INDUSTRIE 4.0:

Cybersicherheit

muss

garantiert sein.

Bild: Thomas

Ernsting/LAIF

nologieoffener Sicherheitsforschung vor. Insgesamt bietet

der Verband an, den Dialog zwischen der Politik und

der Elektroindustrie zu vertiefen, um realistische Umsetzungsschritte

zu diskutieren.

Als Aufgabe der Industrie sieht der ZVEI die Etablierung

eines ‚Code of Conduct‘ für das Internet der Dinge

an. Zugleich sei es wichtig, bei allen Konzepten den

Faktor Mensch angemessen zu berücksichtigen. Wirksame

Konzepte müssten beispielsweise die Qualifikation,

das Bewusstsein (Awareness) und Verhaltensweisen

der Menschen einbeziehen.

Grundlegend sei zudem ein erweitertes Verständnis

von Cyber-Sicherheit, das sich vom gebräuchlichen IT-

Sicherheitsbegriff unterscheide. Cyber-Sicherheit umfasse

die sichere Verbindung physischer Einheiten – wie

Maschinen und Steuerungseinheiten – mit dem externen

virtuellen Raum, vordergründig dem Internet.

Wichtiges Ziel sei, das Know-how effektiv vor Cyberspionage

und -kriminalität zu schützen. Laut dem amerikanischen

Zentrum für strategische und internationale

Studien erleide Deutschland durch solche Angriffe

den größten volkswirtschaftlichen Schaden weltweit.

Die Studie beziffere für das Jahr 2013 den Schaden für

die gesamte Wirtschaft auf 1,6 Prozent des deutschen

BIP. Das entspricht rund 44 Milliarden Euro jährlich.

Cyber-Sicherheit werde vor diesem Hintergrund zum

strategischen Faktor für den Industriestandort Deutschland.

Sein Positionspapier zum Thema bietet der ZVEI

auf seiner Homepage zum Download an. (gz)

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,

Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,

Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org

Lebenszyklusmanagement von IKT und Automation

IN AUSGABE 57(5) DER ATP EDITION im

Mai 2015 werden Ansätze und Methoden

zum Lifecyclemanagement diskutiert. Dieser

Aspekt gewinnt in der Automation angesichts

steigender Komplexität der Aufgaben,

höheren Anforderungen an Funktionalität,

Flexibilität und Transparenz sowie

hohen Innovationsdrücken aus der IKT

zunehmend an Bedeutung. Mit Ihren fokussierten

Beiträgen deckt das Themenheft

den aktuellen Diskurs von Technik bis Organisation,

von Konzeption und Planung bis

Betrieb und Optimierung, von zukünftigen

Architekturkonzepten bis zu aktuellen

Lösungen in hinreichender Tiefe ab. Wir

bitten Sie, bis zum 6. Januar 2015 zu diesem

Themenschwerpunkt einen gemäß der

Autorenrichtlinien der atp edition ausgearbeiteten

Hauptbeitrag per E-Mail an

urbas@di-verlag.de einzureichen. Die atp

edition ist die hochwertige Monatspublikation

für Fach- und Führungskräfte der Automatisierungsbranche.

In den Hauptbeiträgen

werden die Themen mit hohem wissenschaftlichen

und technischen Anspruch und

vergleichsweise abstrakt dargestellt. Im

Journalteil werden praxisnahe Erfahrungen

von Anwendern mit neuen Technologien,

Prozessen oder Produkten beschrieben.

Alle Beiträge werden von einem Fachgremium

begutachtet. Sollten Sie sich selbst aktiv

an dem Begutachtungsprozess beteiligen

wollen, bitten wir um kurze Rückmeldung.

Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen

selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Redaktion atp edition

Leon Urbas, Markus Hofelich,

Gerd Scholz

CALL FOR

Aufruf zur Beitragseinreichung

Thema: Lebenszyklusmanagement

von IKT und Automation

Kontakt: urbas@di-verlag.de

Termin: 06. Januar 2015

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atp edition

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Sensorik und Messtechnik: Innovationspreis

für Forschungsprojekte mit Marktrelevanz

Bewerbungen für den Innovationspreis des AMA Verband

für Sensorik und Messtechnik können noch bis

zum 19. Januar 2015 eingereicht werden. Einzelpersonen

und Entwicklerteams können sich mit neuen Forschungs-

und Entwicklungsprojekten mit erkennbarer

Marktrelevanz bewerben. Dotiert ist der Preis mit 10 000

Euro. Unternehmen, die nicht älter als fünf Jahre sind,

können sich zusätzlich um den Sonderpreis ‚Junges Unternehmen‘

bewerben. Den Gewinnern dieser Kategorie

sponsert AMA einen kostenlosen Messestand auf der

Messe Sensor+Test 2015.

Der AMA-Innnovationspreis wird seit 15 Jahren für

außergewöhnliche Forschungs- und Entwicklungsleistungen

verliehen. Ausgezeichnet werden die Entwickler

und Entwicklerteams und nicht die Institutionen dahinter,

alle Bewerbungen werden zudem in einer Broschüre

auf der AMA Website veröffentlicht.

Die Jury setzt sich zusammen aus Branchenexperten

von Hochschulen, Instituten und Unternehmen. Die Juroren

prüfen die Bewerbungen insbesondere auf die wis-

senschaftliche Leistung und beurteilen die

voraussichtlichen Marktchancen. „Wir bekommen

jedes Jahr innovative Bewerbungen

aus der ganzen Welt“, sagt der Vorsitzende

Prof. Andreas Schütze von der Universität

des Saarlandes. „Darunter sind viele zukunftsorientierte

Entwicklungen von renommierten

Firmen und Instituten aber auch von

jungen Unternehmen. Um junge Unternehmen

zu fördern und ihnen einen guten

Marktstart zu ermöglichen, gibt es die derkategorie ‚Junge Unternehmen‘.“ Teilnah-

Sonmebedingungen

und Ausschreibungsunterlagen

unter www.ama-sensorik.de/wissenschaft/ama-innovationspreis.

(gz)

AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.,

Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,

Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20,

Internet: www.ama-sensorik.de

DER AMA-

INNOVATIONSPREIS

würdigt innovative

Forschungs- und

Entwicklungsleistungen

mit

markt relevanten

Ansätzen. Bild: AMA

ZVEI will Industrie 4.0 vorantreiben

Der Vorstand des ZVEI-Fachverbands Automation hat

Dr. Gunther Kegel für weitere drei Jahre als Vorstandsvorsitzenden

bestätigt. Kegel ist Vorsitzender der

Geschäftsleitung von Pepperl + Fuchs. „Im Zentrum

meiner Amtszeit steht das Thema Industrie 4.0“, so Kegel

bei der Versammlung des Fachverbands. Das Thema sei

in Politik und Wissenschaft angekommen. Jetzt müsse

man konkreter werden. „Den Unternehmen muss der

Zugang ins Internet der Dinge ermöglicht werden“, forderte

Kegel. In der engen Zusammenarbeit mit den Anwenderindustrien

sieht er die Chance, Industrie 4.0 in

Deutschland und Europa nachhaltig zu stärken und auszubauen.

„Mit dem Führungskreis Industrie 4.0 ist der

ZVEI-Fachverband gut auf die Zusammenarbeit mit den

Anwenderindustrien vorbereitet“, so Kegel. „Wir werden

Fallbeispiele für Industrie 4.0-Lösungen erarbeiten. Nur

so kommen wir schnell und zielgerichtet voran.“ (gz)

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,

Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,

Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org

Namur trauert um Bernhard Will

Der langjährige Namur-Vorsitzende Dr.-Ing. Bernhard

Will ist Ende September im Alter von 86 Jahren verstorben.

Mit seinem Namen verbinden sich viele Aktivitäten

auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik. Von

der Ausbildung her kein gelernter Mess- und Regeltechniker

oder Elektrotechniker sei er als Maschinenbauer und

Verfahrenstechniker wie kein anderer prädestiniert gewesen,

den fachübergreifenden Aspekt in die Namur-Arbeit

einzubringen, betont der Verband in einer Würdigung.

1966 wurde Will in den Namur-Vorstand berufen, dem

er 26 Jahre angehörte, davon 13 Jahre als Vorsitzender.

Mit seinem Ausscheiden aus dem Namur-Vorstand wurde

er zum Ehrenmitglied der Namur ernannt.

In den Jahren seines Vorsitzes der Namur hat er sich

besonders den Themen Analysenmesstechnik, Prozessrechentechnik

und Planung von PLT-Einrichtungen

gewidmet. Auch heute noch haben die Themen Analysentechnik

und Planung eine herausragende Bedeutung

in der Namur. Auf seine Initiative wurde der Ausschuss

Prozesselektrotechnik gegründet.

Die Kontakte zur VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und

Automatisierungstechnik (GMA) waren für ihn sehr

wichtig, was er als Beiratsmitglied immer wieder unter

Beweis gestellt hat. Des Weiteren hat er als Namur-

Vorstandsmitglied die Interkama stark unterstützt. So

war er unter anderem Mitglied des Vorstandes der

Interkama.

(gz)

NAMUR-GESCHÄFTSSTELLE,

C/O BAYER TECHNOLOGY SERVICES GMBH,

Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,

Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de

atp edition

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BRANCHE

Powerlink eröffnet neues Technologiezentrum

an chinesischer Tianjin University

DR. XIAO WEIRONG,

Vice President der

Powerlink Association

China, und

Universitätsrektorin

Liu Xin enthüllen die

Namensplakette

des neuen Powerlink-Technologieförderungszentrums

in Tianjin.

Foto: EPSG

ie Ethernet Powerlink Standardization Group (EPSG)

D hat ein Technologiezentrum an der Universität im

chinesischen Tianjin eröffnet. Das Zentrum stellt eine

Erweiterung des Feldbus-Technologiezentrums der Tianjin

University of Technology and Education dar. Es bietet

Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Re-

gion Peking Ausbildungs-, Support- und Entwicklungsdienstleistungen

für Powerlink an und soll zur dauerhaften

Weiterentwicklung der Technologie beitragen.

„Das Open-Source-Protokoll Powerlink ist die Netzwerk-Technologie

der Zukunft“, sagte Lu Shengli, Direktor

des Fieldbus Control Technology Engineering Center,

anlässlich der Eröffnungsfeier am Rande der Powerlink-

Konferenz. „Wir haben uns entschlossen, die Entwicklung

von Powerlink aktiv zu unterstützen, denn wir glauben,

dass dieser Standard den richtigen Ansatz für die

Zukunft darstellt.“ Die EPSG sieht darin einen „weiteren

Meilenstein auf dem Weg zum führenden industriellen

Kommunikationsstandard in China“. 2012 war Powerlink

von der chinesischen Normungsbehörde bereits als nationaler

Standard GB/T 27960-2011 zertifiziert worden. (gz)

ETHERNET POWERLINK STANDARDIZATION GROUP

(EPSG), POWERLINK-OFFICE,

Bonsaiweg 6,

D-15370 Fredersdorf,

Tel. +49 (0) 33439 53 92 70,

Internet: www.ethernet-Powerlink.org

Profinet ist nun nationaler chinesischer Standard

Als weiteren wichtigen Meilenstein für die weltweite

Verbreitung von Profinet wertet die Profibus-Nutzerorganisation

die Erhebung von Profinet zum nationalen

chinesischen Standard. Dr. Sun Wei, Director der Standardization

Administration of The Republic of China

(SAC) hat das Protokoll Mitte September zum nationalen

chinesischen Standard erklärt. Damit könnten chinesische

Hersteller und Anwender nun auf einen zuverlässigen,

stabilen und zukunftssicheren Standard setzen,

heißt bei der Nutzerorganisation.

Betont wird auch, dass Profinet längst in China angekommen

sei und vielfach eingesetzt werde. Chinesische

Gerätehersteller hätten bereits mit der Integration von

Profinet in ihre Geräte begonnen, und einige auch schon

in dem Profinet-Testlabor in Beijing zertifizieren lassen.

Karsten Schneider, Chairman von PI (Profibus & Profinet

International), hob hervor: „Allein die Tatsache, dass

dieses Jahr drei neue PI-Kompetenzzentren in China

entstanden sind, zeigt, wie fest unsere Technologie in

Asien verwurzelt ist. PI China hat sich in den letzten

Jahren zur drittgrößten Regionalen PI Association (RPA)

entwickelt.“ Der Vorteil für Anwender wie Hersteller

liege vor allem in der lokalen Unterstützung bei ihren

Projekten.

(gz)

PROFIBUS-NUTZERORGANISATION,

Haid-und-Neu-Straße 7, D-76131 Karlsruhe,

Tel. +49 (0) 721 965 85 90, Internet: www.profibus.com

Namur-Schnittstelle für Engineering-Daten

Die neu erschienene Namur-Empfehlung NE 150 beschreibt

eine standardisierte Namur-Schnittstelle zum

Austausch von Engineering-Daten zwischen CAE-System

und PCS-Engineering-Werkzeugen. Ziel der NE 150 ist es,

Anforderungen an eine praxistaugliche, herstellerunabhängige,

teilautomatisierte und bidirektionale Schnittstelle

zum Austausch von Engineering-Daten zwischen CAE-

Systemen und PCS-Engineering-Werkzeugen zu formulieren

(CAE: Computer Aided Engineering, PCS: Process

Control System). Aus der Perspektive der Anwender von

Automatisierungstechnik in der Prozessindustrie sollen

hierdurch die Fähigkeit zur Interaktion von Engineering-

Werkzeugen und die konsistente, systematische Datenhaltung

vorangetrieben und vereinfacht werden. Die Charakterisierung

der in der NE 150 beschriebenen Datenaustauschstruktur

(Namur-Datencontainer) basiert auf der

ursprünglichen Idee einer Konfigurationsliste. (gz)

NAMUR-GESCHÄFTSSTELLE,

C/O BAYER TECHNOLOGY SERVICES GMBH,

Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,

Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de

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Wie findet die jüngste industrielle Revolution

Eingang in die Praxis der Unternehmen?

Industrie 4.0 gilt als entscheidender Stellhebel, um den

Produktionsstandort gegen zunehmende Konkurrenz

zu verteidigen. Aber wie lässt sich dies in die Praxis

umsetzen? Darüber sprechen Experten aus Industrie

und Wissenschaft bei der 2. VDI-Fachtagung ‚Industrie

4.0‘ am 28. und 29. Januar 2015 in Düsseldorf.

Tagungsleiter Prof. Michael ten Hompel von der TU

Dortmund und Institutsleiter des Fraunhofer-IML eröffnet

die Veranstaltung. Er bezieht sich in seinem Vortrag

auf die Kernthemen, die derzeit die Entwicklungen der

Industrie bewegen: Welche Wege müssen deutsche international

agierende Unternehmen jetzt einschlagen? Diesen

Aspekt greift anschließend Reinhard Clemens, Vorstand

der Deutschen Telekom, in seinem Plenarvortrag

auf. Dr. Heinz-Jürgen Prokop von Trumpf stellt die Frage,

wie sich Familienunternehmen mit und durch Industrie

4.0 als Innovationsführer im stark konkurrierenden

Weltmarkt des Maschinenbaus behaupten können und

liefert eine mögliche Antwort für die Welt von Morgen.

Haben tatsächlich die Technologien Marktpotenzial,

die mit Industrie 4.0 Realität werden sollen? Welche Bedeutung

hat das Internet der Dinge für Industrie 4.0? Zu

diesen und weiteren Fragen präsentiert Bernd Leukert,

Vorstandsmitglied Produkte & Innovation von SAP, eine

Cloud-Infrastruktur und Plattform für die Industrie 4.0

und beschreibt die Herausforderungen bei der Umsetzung

konkreter Projekte.

Bei einer Podiumsdiskussion gehen Experten der Frage

nach, wie sich Deutschland im globalen Wettbewerb

behaupten kann. An der Diskussion nehmen Dr. Stefan

Baginski von BMW, Prof. Thomas Deelmann von T-Sys-

HERAUSFORDERUNG

INDUSTRIE 4.0: Zum zweiten

Mal widmet sich eine

VDI-Tagung den wichtigsten

Entwicklungen und

Trends in diesem Bereich.

Bild: VDI Wissensforum

tems International, Dr. John Herold von Belden Electronics

und Prof. Dieter Wegener von Siemens teil.

Der zweite Veranstaltungstag befasst sich mit den Möglichkeiten

der Forschung sowie Geschäftsmodellen, die

einen wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Unter dieser

Thematik führt Prof. Henning Kagermann in die Forschungslandschaft

Deutschlands ein. Darauf aufbauend

zeigt Prof. Frank Piller von der RWTH Aachen Wege auf,

mit deren Hilfe sich Geschäftsmodelle generieren lassen.

Am Tag vor und nach der Veranstaltung finden ergänzende

Spezialtage statt. Hier lernen die Teilnehmer zum

einen die Trends, Anforderungen und Möglichkeiten

der Industrie 4.0 kennen und zum anderen erfahren sie

mehr über Rechtsfragen der IT-Sicherheit in Produktionsumgebungen.

(gz)

VDI WISSENSFORUM GMBH,

VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,

Tel. +49 (0) 211 621 42 01,

Internet: www.vdi-wissensforum.de

Prozessautomation soll 2014 um sechs bis sieben

Prozent zulegen – Abschwächung erwartet

Die elektrische Prozessautomation befindet sich nach

Einschätzung des Branchenverbands ZVEI weiterhin

auf Wachstumskurs. „Wir rechnen für dieses Jahr mit

einem erfreulichen Wachstum von sechs bis sieben Prozent

bei den weltweiten Auftragseingängen“, sagt Hans-

Georg Kumpfmüller, ZVEI-Fachbereichsvorsitzender

Messtechnik & Prozessautomatisierung und CEO der

Business Unit Sensors und Communication bei Siemens.

Für 2015 erwarten die Mitgliedsunternehmen des Fachbereichs

das sechste Wachstumsjahr in Folge mit einem

Plus der globalen Auftragseingänge von zirka fünf Prozent.

Im Jahr 2013 hat die Branche in Deutschland einen

Umsatz von 19 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Kumpfmüller: „Zurzeit schlagen sich Instrumentierung

und Analytik besser als das Systemgeschäft.“ Das

weltweite Wachstum in der Prozessautomation komme

vor allem von den Branchen Öl und Gas, Nahrungs- und

Genussmittel sowie aus dem Pharmasektor. Chemieindustrie,

Wasser/Abwasser und der Anlagenbau lägen im

mittleren Wachstumsbereich. Weniger gut liefen die

Geschäfte mit der Papier- und Zellstoffindustrie, der

Zementindustrie sowie der Hüttenindustrie.

Insbesondere zweistellig gewachsene Umsätze in Nordamerika

trieben die Entwicklung. Als weitere Regionen

mit Wachstum im hohen einstelligen Bereich nennt der

ZVEI China und Indien. Deutschland könne ein Wachstum

im mittleren, Gesamteuropa im geringen einstelligen

Bereich aufweisen. Afrika werde zu einer wichtigen Region

für die Prozessautomation – insbesondere die öl- und

rohstoffreichen Länder in West- und Zentralafrika sowie

dem südlichen Afrika. Eine problematische Region sei

Südamerika. „Das Russlandgeschäft läuft trotz Krise zurzeit

noch recht gut mit Wachstumsraten im hohen einstelligen

Bereich. Allerdings bereitet hier der Ausblick

vielen Unternehmern Sorgen“, so Kumpfmüller. (gz)

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,

Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,

Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org

atp edition

11 / 2014

11


BRANCHE

Integration statt Konkurrenz: Fieldbus und HART

schließen sich zur FieldComm Group zusammen

Gunther Kegel und Hans-Georg Kumpfmüller erläutern die Vorteile der Fusion

NUTZNIESSER PROZESSINDUSTRIE: Das größte

Potenzial der Fusion von Fieldbus und HART Foundation

liegt voraussichtlich in der zukünftigen Software-

Integration der Protokolle in die Prozess-Leitsysteme

und Prozess-Asset-Management-Systeme.

© Nutsch/PIXELIO

FIELDBUS FOUNDATION UND HART

FOUNDATION fusionieren zur Field-

Comm Group. Die neue Organisation

will mit deutlich erhöhter Schlagkraft

den neuen FDI-Standard in der

Industrie vorantreiben.

Vor fast genau zwei Jahren, am Rande der Namur-

Hauptsitzung 2012 in Bad Neuenahr, fand auf Initiative

von Hans-Georg Kumpfmüller (Siemens) das erste

Treffen zwischen dem Chairman der ‚HART Communication

Foundation‘, Mark Schumacher (Emerson) und

dem Chairman der ‚Fieldbus Foundation‘, Gunther Kegel

(Pepperl+Fuchs) statt. Für die drei Teilnehmer am

Treffen war schnell klar: Die Herausforderungen, vor

denen die HART Foundation und die Fieldbus Foundation

stehen, sind identisch und müssen mit den gleichen

Ressourcen gestemmt werden. Es liegt nahe, beide

Nutzerorganisationen zu verschmelzen. Für viele war

die Ankündigung dennoch eine Überraschung: Fieldbus

Foundation und HART Foundation fusionieren zur

neuen FieldComm Group!

Warum vereinigen sich zwei Nutzer-Organisationen,

die in der öffentlichen Wahrnehmung bisher teilweise

konkurrierende Philosophien verfolgt haben? HART

Foundation steht für die HART-Kommunikation, ein

digitales Signal, das dem analogen 4…20 mA-Signal der

Feldgeräte überlagert wird und heute weltweiter Standard

für Parametrierung und Inbetriebnahme von Feldgeräten

in der Prozessautomation ist. Obwohl sich das

HART-Protokoll auch zur Diagnose und permanenten

Überwachung der Feldgeräte eignet, sind Installationen,

die diese Funktionen vollumfänglich nutzen,

eher die Ausnahme.

Fieldbus Foundation steht für eine vollständig digitale

Kommunikation vom Feldgerät zum Prozess-Leitsystem

mit dem Foundation Fieldbus (FF) Protokoll.

Inbetriebnahme, Parametrierung, Diagnose, ‚Control-inthe-field‘

sind fester Bestandteil von FF-Installationen

überall auf der Welt. Die Anwendung rein digitaler

Kommunikation wird allerdings durch den Bruch mit

der installierten analogen Technologie erschwert. Die

Akzeptanz für FF ist deshalb in allen Regionen besonders

ausgeprägt, in denen viele neue Anlagen und Installationen

(‚Greenfield‘) überwiegen. In Regionen, in

denen Anlagen vor allem erweitert oder umgebaut werden

(‚Brownfield‘), bevorzugen Anwender häufig noch

immer die analoge Übertragung der Prozessmesswerte.

GROSSE ÜBERSCHNEIDUNG BEI MITGLIEDSFIRMEN

Beide Technologien haben aber auch eine ganze Reihe

von Gemeinsamkeiten und stehen vor den gleichen Herausforderungen.

Vergleicht man etwa die Mitgliederliste

beider Organisationen, bemerkt man eine signifikante

Überlappung. Viele Firmen sind Mitglied beider

Organisationen. Mitgliedsbeiträge und mehr noch ehrenamtliche

Arbeit in den Nutzerorganisationen lassen

sich im Sinne der Mitglieder effizienter gestalten, wenn

man beide Organisationen zusammenfasst.

Beide Technologien sind heute reife, etablierte technische

Standards, die jeweils eine große installierte

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atp edition

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Basis überall auf der Welt repräsentieren und über viele

Jahre, wenn nicht Jahrzehnte technisch gepflegt und

weiterentwickelt werden müssen. Diese Pflege umfasst

vor allem Prozesse und Infrastrukturen für ein professionelles

Versionsmanagement, die für beide Technologien

genutzt werden können.

VEREINTE STRUKTUREN ERHÖHEN SCHLAGKARFT

Beide Organisationen unterhalten bisher jeweils unterschiedliche

Strukturen zur Prüfung und Zertifizierung

neuer Produkte bezüglich Interoperabilität und Einhaltung

der jeweiligen Standards und Versionen. Die neue

FieldComm Group hat jetzt die Möglichkeit, diese

Strukturen zusammenzufassen und mit den deutlich

größeren Ressourcen den Zertifizierungs-Service für

die Mitglieder deutlich zu verbessern.

Das größte Potenzial der Fusion allerdings liegt voraussichtlich

in der zukünftigen Software-Integration der

Protokolle in die Prozess-Leitsysteme und Prozess-Asset-

Management-Systeme. Anwender bemängeln seit langem

die Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen, sich ergänzenden

Integrationsstandards EDDL und FDT und der

mangelnden Versionsfestigkeit dieser Technologien.

Der Wunsch der Anwender bezüglich der Geräteintegration

lässt sich anhand eines fiktiven ‚Use-Case‘ sehr

gut illustrieren: In einer Prozessanlage in einer schwer

zugänglichen Region fällt Samstagnacht ein Feldgerät

aus und vor Ort steht kein geschultes Mess- und Regelungstechnik-Personal

zur Verfügung. Der Betriebselektriker

muss trotzdem in der Lage sein, durch einfaches

Austauschen des fehlerhaften Gerätes die Anlage wieder

in Betrieb gehen zu lassen. Beide Technologien unterstützen

diesen ‚Use-Case‘ unvollständig und mit unterschiedlichen

Technologien. Der Austausch eines

HART-Gerätes erfordert genau wie der Austausch eines

FF-Gerätes eine vorherige Parametrierung und die Sicherstellung,

dass die Versionen von Host, Feldgerät und

Parametriergerät übereinstimmen. Entsprechende ‚Device

Descriptions‘ (DD) oder ‚Device Type Manager‘

(DTM) müssen – gegebenenfalls unter Beachtung der

Versionskompatibilität – vom Netz geladen werden und

im Host-System eingebunden werden.

FDI-KOMPONENTEN AB ANFANG 2015 VERFÜGBAR

Um diese Integration für die unterschiedlichen Technologien

zusammenfassen und deutlich zu verbessern,

haben sich die großen Hersteller prozessleittechnischer

Geräte und Systeme zusammengetan und gemeinsam

den Standard ‚Field Device Integration‘ (FDI) entwickelt.

In der eigens dafür geschaffenen Organisation

‚FDI LLC‘ wurde in Zusammenarbeit mit der ‚HART

Communication Foundation‘, der ‚Fieldbus Foundation‘,

‚Profibus International‘, der ‚OPC-Foundation‘ und der

‚FDT-Group‘ die FDI-Spezifikation entwickelt. Darauf

aufbauend erfolgten die Harmonisierung der unterschiedlichen

EDDL-Versionen und die Entwicklung

gemeinsamer Software-Komponenten für Host und

Feldgeräte und der zugehörigen Testwerkzeuge.

Die Anwendung dieser FDI-Komponenten im Host

sowie der FDI Packages für die Feldgeräte stellt eine

herstellerunabhängige Interoperabilität sicher. Anfang

2015 werden diese Komponenten über die FieldComm

Group für die Hersteller verfügbar sein. Mitte des nächsten

Jahres sollen die Arbeiten an der Weiterentwicklung

und Pflege des FDI-Standards dann in die Field-

Comm Group übergehen. Da sowohl FF als auch HART

diese neue Integrationstechnologie nutzen, ist dieser

Übergang im Sinne von Herstellern und Anwendern.

EINHEITLICHE AUSSAGEN ZUR GERÄTEINGETRATION

Erfreulich ist auch, dass sich die Profibus-Nutzerorganisation

(PNO) und die FieldComm Group (FCG) bereits

darauf verständigt haben, auch nach der Auflösung der

FDI Cooperation LLC gemeinsam die FDI-Technologie

zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dafür werden

‚Joined Working Groups‘ für die FDI-, EDDL- und Test-

Spezifikationen etabliert. Ferner wurde vereinbart, dass

der Vertrieb und die Weiterentwicklung der ‚Tools and

Components‘ zentral über die FCG erfolgen wird.

Die neue zusammengefasste Organisation hat also

eine deutlich erhöhte Schlagkraft, um den neuen FDI-

Standard in der Industrie zu verbreiten. Schulungen,

Seminare, Vorträge, Anwendertreffen und Entwickler-

Unterstützung lassen sich in einer größeren Organisation

in größerem Umfang realisieren und die Zusammenfassung

vermeidet von Anfang an unterschiedliche

Botschaften zum gleichen Thema. Anstelle von vier

Organisationen – FF, FDI, PI und HART – kommuniziert

in Zukunft nur die FieldComm Group intern abgestimmte

Botschaften zum Thema Geräteintegration.

BRÜCKENTECHNOLOGIE FÜR INDUSTRIE 4.0

Neben dem Zukunftsthema FDI stehen Anwender und

Hersteller auch im engen Dialog über Definition und

Entwicklung der nächsten Generation physikalischer

Übertragungsmedien, die die Protokolle nutzen können.

Dabei stehen aktuell vor allem die drahtlosen Technologien

im Vordergrund. Für die Hersteller von Geräten

und Systemen der Prozessautomation sind die heutigen

digitalen Übertragungstechniken aber auch für die Zukunftsthemen

rund um ‚Industrie 4.0‘ sehr wichtig.

Die Anlagenlebenszyklen in der Prozessautomation

betragen 20, teilweise 30 Jahre. Für die Anwender ist

es wichtig, dass die installierten Feldgeräte entlang

dieses langen Lebenszyklus verfügbar bleiben. Kein

Anwender möchte in dieser Zeit auf eine neue Übertragungs-Technologie

umstellen, die mit den installierten

Feldgeräten nicht kompatibel ist. Für ‚Industrie 4.0‘

hieße das in letzter Konsequenz, dass die Prozessindustrien

erst in 20 Jahren von den Vorteilen der Digitalisierung

der Industrie profitieren könnten. Deshalb

werden die heutigen digitalen Übertragungsprotokolle

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BRANCHE

Wenn diese neuen Technologien Akzeptanz finden

sollen, müssen die Ideen und Konzepte aus den unterschiedlichen

Herstellerlabors in eine gemeinsame Nutzerorganisation

überführt werden. Proprietäre Konzepte

und Systeme stehen im krassen Gegensatz zum

Zukunftsprojekt ‚Industrie 4.0‘. So bietet sich die Field-

Comm Group auch als gemeinsame Plattform für die

Definition und Entwicklung neuer physikalischer Medien

für die Feldgeräteintegration an.

PROZESSLEITSYSTEM: Für die Kommunikation mit den

Feldgeräten nutzen Fieldbus und HART unterschiedliche

Ansätze. Doch beide Technologien besitzen auch eine Reihe

von Gemeinsamkeiten und stehen vor den gleichen

Herausforderungen. Bild: Siemens

in der Prozessindustrie über lange Zeit eine Brückentechnologie

innerhalb ‚Industrie 4.0‘ darstellen.

Irgendwann wird die zunehmende Menge digitaler

Daten und Informationen die Bandbreite der heute etablierten

digitalen physikalischen Medien überfordern:

Hersteller untersuchen zurzeit in unterschiedlichen Arbeitsgruppen

Möglichkeiten, die heute existierenden

Protokolle auf neue, schnellere physikalische Medien zu

übertragen. Im Idealfall können diese neuen Medien

gleichzeitig die neuen und die existierenden Übertragungsraten

verarbeiten und so ein Migrationspfad für die

Feldgeräte-Kommunikation für ‚Industrie 4.0‘ entstehen.

TED MASTERS WIRD FIELDCOMM-GESCHÄFTSFÜHRER

Für die Anwender hat die Fusion von Fieldbus Foundation

und HART Foundation ebenfalls essentielle

Vorteile. Nahezu alle Anwender verwenden heute in

ihren weltweiten Anlagen sowohl das HART-Protokoll

als auch Foundation Fieldbus. In vielen Anlagen

werden die Technologien sogar parallel genutzt. Eine

uneinheitliche Geräteintegration ist für viele Anwender

eine Herausforderung. Die neue FieldComm

Group hat deshalb die Struktur des ‚End User Advisory

Council‘ aus der Fieldbus Foundation übernommen.

Hier werden in Zukunft die Anforderungen der

Anwender bezüglich HART, FF und FDI aufgenommen

und bewertet. Aus diesen Anforderungen wird

die FieldComm Group die zukünftigen Entwicklungsprojekte

der Weiterentwicklung der Standards

in ‚Future Roadmaps‘ definieren und so für die Hersteller

die Grundlage für Innovationen ihrer Geräte

und Systeme schaffen.

Die FieldComm Group wird – wie schon die Fieldbus

Foundation und die HART Foundation zuvor – ihren

Sitz in Austin/Texas haben. Mit Ted Masters, wurde

ein Geschäftsführer mit langjähriger Erfahrung in der

Prozessautomation gewonnen und als erster Chairman

der FieldComm Group wurde Hans-Georg Kumpfmüller

vom neu konstituierten Board gewählt. So sind die

Voraussetzungen geschaffen, die erfolgreiche Weiterentwicklung

des HART-Standards und des Fieldbus

Foundation-Standards in der Zukunft zu sichern.

AUTOREN

Dr.-Ing. GUNTHER KEGEL

ist Vorsitzender der

Geschäftsleitung der

Pepperl+Fuchs GmbH und

Chairman der Fieldbus

Foundation.

HANS-GEORG KUMPF-

MÜLLER ist CTO Process

Industries and Drives

Division bei Siemens und

wird 2015 Vorsitzender des

Verwaltungsrats der neuen

FieldComm Group.

Pepperl+Fuchs GmbH,

Lilienthalstraße 200, D-68307 Mannheim,

Tel. +49 (0) 621 776 12 16,

E-Mail: gkegel@de.pepperl-fuchs.com

Siemens AG,

Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,

Tel. +49 (0) 721 595 44 01,

E-Mail: hansgeorg.kumpfmueller@siemens.com

14

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Der Klassiker für die

Prozessautomation geht

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Handbuch der Prozessautomatisierung

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Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,

dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.

Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


PRAXIS

FDI Device Package läutet neue Ära für die

Feldbustechnik ein: ein Gerät, ein Paket, alle Tools

Einsatzspektrum vom PC bis zu kompletten Prozessführungs- und Automatisierungssystemen

DIE GEMEINSAMEN HOST-

KOMPONENTEN stellen die größte

Stärke von FDI dar. Sie bestehen aus

der EDD-Engine und der UI-Engine

und werden den Host-System-

Herstellern zur Implementierung

ihrer Tools zur Verfügung stehen.

DAS FDI DEVICE PACKAGE: ein Gerät, ein Paket,

alle Tools. Es gibt genau ein Device Package für

jedes Gerät und dieses wird von allen Tools oder

Systemen verwendet. Bilder: FDI

D

ie FDI-Spezifikation und -Komponenten werden in

wenigen Monaten verfügbar sein. Was bedeutet das

für die Feldgerätenutzer und -anbieter in ihrem Alltag?

Für sie werden mit dem FDI-Standard (Field Device

Integration) zur Feldgeräteintegration interessante

Zeiten beginnen. Eines der wesentlichen Ziele der

Spezifikation ist, die Einfachheit der Gerätebeschreibungssprache

(EDDL) zu nutzen und gleichzeitig die

Flexibilität beim Einsatz von Grafik für spezielle Gerätemerkmale

und zur komplexen grafischen Darstellung

zu bieten.

Aktuell existieren über 30 Kommunikationsprotokolle

(offene und proprietäre), die sich unter dem Begriff

Automatisierungsprotokolle für die Industrie-/Prozessautomation

zusammenfassen lassen. Für über 90 % der

Feldinstrumentierung in der Prozessautomation werden

aber allein HART, Profibus oder Foundation Fieldbus,

nachfolgend ‚Feldbus‘ genannt verwendet. Ohne näher

auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Kommunikationsprotokolle

einzugehen, steht außer Zweifel, dass

diese drei Protokolle bei der Verbesserung und Optimierung

des Anlagenbetriebs eine wichtige Rolle spielen

und ein großes Potenzial aufweisen.

VIELE TOOLS UND TREIBER ERFORDERLICH

Heute verfügt jeder große Anbieter von Automatisierungstechnik

über ein Produktangebot, das von der

Instrumentierung bis zu kompletten Leitsystemen

reicht. Die meisten bieten auch ihre eigenen Gerätemanagementtools

an. Trotz der weitgehenden Standardisierung

funktionieren die für ein System gelieferten

Gerätetreiber (DTMs, EDD und weitere) in anderen

Systemen nicht auf die gleiche Weise und haben auch

ein anderes Aussehen. Deshalb muss der Nutzer unterschiedliche

Treiber für verschiedene Tools verwenden,

auch wenn das eigentliche Gerät dasselbe ist.

Diese Situation stellt auch für die Anbieter von Instrumentierungstechnik

ein Problem dar, denn sie müssen

ihre Gerätetreiber anhand diverser Gerätemanagementtools

testen.

Hier kommt das FDI Device Package ins Spiel: Ein

Gerät, ein Paket, alle Tools. Es gibt genau ein Device

Package für jedes Gerät und dieses wird von allen Tools

oder Systemen verwendet. Das Einsatzspektrum reicht

von einzelnen PCs bis zu kompletten Prozessführungsund

Automatisierungssystemen. Egal welches Gerätemanagementtool

von welchem Hersteller verwendet

wird, das FDI Device Package stellt sicher, dass es problemlos

funktioniert. Der Inhalt eines FDI-Gerätepakets

ist im Bild links oben dargestellt.

Standardisierung hilft, aber die Benutzerschnittstelle

ist suboptimal! Die Nutzer von Gerätemanagementtools

beklagen dies seit Jahren. Wird die Benutzerschnittstelle

wirklich optimiert? Ist die grafische Darstellung

zu groß oder zu klein, wenn derselbe Treiber

in verschiedenen Tools verwendet wird? Wird der Text

in einem Tool linksbündig und in einem andern rechtsbündig

angezeigt?

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atp edition

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JEDER HOST INTERPRETIERT DIE TREIBER ANDERS

Jeder Host interpretiert einen Gerätetreiber etwas

anders, damit er zu seiner Bedienoberfläche passt.

Geräteanbieter passen ihren Treiber jedoch zumeist

an ein bevorzugtes Tool an. Obwohl es Anpassungen

des Gerätetreibers an andere Tools gibt, passt er

dann doch nicht so perfekt, als wenn er für dieses

Tool erstellt worden wäre. Diese Probleme lassen

sich nicht einfach mit Hilfe von Spezifikationen

und Empfehlungen lösen. Hier liegt die größte Stärke

der FDI: gemeinsame Host-Komponenten.

Die gemeinsamen Host-Komponenten bestehen

aus der EDD-Engine und der UI-Engine. Alle FDI-

Gerätepakete müssen in Bezug auf den aus den gemeinsamen

Host-Komponenten bestehenden FDI-

Referenzhost geprüft und zugelassen werden. Diese

gemeinsamen Host-Komponenten werden den Host-

System-Herstellern zur Implementierung ihrer Tools

zur Verfügung stehen. Die Verwendung der gemeinsamen

Host-Komponenten stellt Folgendes sicher:

EINHEITLICHE DARSTELLUNG MIT ALLEN TOOLS

Die Darstellung des FDI Device Packages wird

bei den verschiedenen Tools gleich sein.

Da die Gerätepaketentwickler bei der Entwicklung

den FDI Referenzhost verwenden, wird die

Darstellung der Grafiken, Bilder und so weiter

im Device Package deutlich verbessert und entspricht

den Vorstellungen des Geräteherstellers.

Außerdem brauchen die Gerätehersteller und

die Host-System-Anbieter ihre Gerätetreiber

nicht mehr in verschiedenen Tools zu prüfen.

Irritiert wurden Endnutzer bislang auch durch das

uneinheitliche Verhalten von Gerätetreibern verschiedener

Hersteller. Der wesentliche Grund dafür

ist die Tatsache, dass jeder Host einen Gerätetreiber

in sein eigenes Bedienschnittstellenparadigma einpasst

und dass jeder Gerätehersteller seine eigene

Auffassung davon hat, welche Parameter für den

Nutzer wichtig sind oder zu einer bestimmten

Funktionalität wie Diagnose oder Betrieb gehören.

Dies führt zu Inkonsistenzen:

in Menüstruktur/-bezeichnungen, unterschiedliche

Bezeichnungen, Menübezeichnungen/

Kennzeichnungen,

bei der Übersetzung der Bezeichnungen in andere

Sprachen,

beim Zugriff auf Variablen für die benannten

Nutzer.

Diese Unstimmigkeiten werden weitgehend durch

FDI Usability Style Guide behoben. Er dokumentiert

ausführlich verschiedene Aspekte der Bedienschnittstellengestaltung

für FDI Device Packages:

Halle 7, Stand 406


PRAXIS

DIE NUTZER MÜSSEN bislang unterschiedliche

Tools für unterschiedliche Geräte verwenden.

Mit diesem Umstand räumt FDI auf. Bilder: ABB

EIN FUNKTIONIERENDES FDI-Exponat zeigte ABB bei

der Aachema. Dabei wurden Geräte mehrerer Hersteller

in ein 800xA-System mittels FDI integriert.

Quellcodebeispiele oder Skizzen der grafischen

Darstellung der Bedienelemente oder der Frames.

Standardisierte Bezeichnungen: beispielsweise für

Hauptmenüs wie Geräteeinstellungen, Diagnose,

Bedienung und Maßnahmenbezeichnungen wie

‚Annehmen‘, ‚Abbrechen‘, ‚Weiter‘ und so weiter.

Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen für diese

Bezeichnungen werden ebenfalls dokumentiert.

Außerdem spezifiziert der FDI Usability Style Guide

‚Benutzersichten‘:

Wartung (Maintenance): Umfasst sämtliche Kernfunktionen

und Variablen/Parameter für die Inbetriebnahme

und den Austausch eines Geräts.

Spezialist (Specialist): Ermöglicht den unbeschränkten

Zugriff auf alle Gerätefunktionen und

Variablen einschließlich der Kernfunktionen.

HARMONISIERTE EDDL DIENT ALS BASIS

Darüber hinaus basieren die FDI Device Packages auf

der harmonisierten EDDL. So wird sichergestellt, dass

alle neuen EDDs die aktualisierte und optimierte IEC

61804-Norm verwenden und auf die drei Protokolle anwendbar

sind: HART, Profibus und Foundation Fieldbus.

Die Benutzersichten und die Harmonisierung der

EDDL waren im Übrigen die Hauptforderungen der Interessengemeinschaft

Automatisierungstechnik der

Prozessindustrie (Namur).

In der ersten Nutzungsphase einer Anlage sind die

Nutzer mit den in den Gerätemanagementtools vorhandenen

Informationen in der Regel zufrieden. Früher

oder später wird es notwendig sein, die im Gerät abgelegten

Informationen in Tools/Systemen außerhalb des

Gerätemanagementtools verfügbar zu machen. Gründe

hierfür können die Analyse des Gerätezustands, Störungen,

Kalibrierdaten oder einfach der Zugriff von

einem anderen Spezialtool auf ein Gerät einer bestimmten

Marke sein.

Die meisten Gerätemanagementtools ermöglichen

keinen transparenten und einfachen Zugriff auf diese

wertvollen Informationen, die sie von den Feldgeräten

erhalten. Selbst wenn das Gerätemanagementtool den

Zugriff auf die geräteinternen Informationen erlaubt,

sind noch eine ganze Reihe von Schritten oder zusätzliche

Hardware/Software nötig.

Technologien wie OPC-UA spielen beim ‚einfachen‘

Zugänglichmachen von Informationen für die Tools

von Fremdanbietern eine sehr effektive Rolle. Die Verwendung

der Standardschnittstelle OPC-UA in den FDI

Hosts ermöglicht einen bequemen Zugang von anderen

Applikationen aus:

Applikationen können ohne Unterstützung durch

den Lieferanten des FDI Hosts erstellt und entwickelt

werden.

Vom FDI Server unterstützte OPC-UA-Services ermöglichen

einen sicheren Zugang zum Gerät oder

zu offline gespeicherten Daten.

Generische OPC-UA Clients können Wartungstools

oder MES- beziehungsweise ERP-Systeme sein.

ERFÜLLT FDI ALLE WÜNSCHE DER NUTZER?

Nach all den erwähnten Vorteilen erscheint es fast so,

als ob FDI jedes nur erdenkliche Anliegen aller Nutzer

der Feldbusgerätemanagementtools erfüllen würde. Das

stimmt nicht so ganz! Tatsächlich werden demnächst

FDIGerätemanangement-Tools auf den Markt kommen,

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atp edition

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die den FDI-Standard auf ihre Weise umsetzen. Darauf

sollten Anwender achten:

Manchmal ist es der erste Schritt, der am meisten Zeit

kostet: Viele Tools sind sehr umfangreich, so dass das

Download und die Installation zeitaufwendig sind. Daneben

erfordern viele Tools spezielle Voraussetzungen,

wie die Installation der .NET-Technologie und/oder

Datenbankanwendungen wie etwa SQL. Dadurch verlängert

sich die Installationsdauer. Die Installationsprobleme

sind damit noch nicht zu Ende. Die Gerätetreiber

müssen installiert beziehungsweise importiert

werden. Möglicherweise liegen die Gerätetreiber auch

nicht in der neuesten Version vor.

Die Installation und Konfiguration des Modemtreibers

ist ein weiterer Schritt. Die Vorgehensweise ist von

Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Anschließend

erfordern die meisten Tools eine manuelle Aktualisierung

des Katalogs. Oftmals müssen noch Lizenzen freigeschaltet/aktiviert

werden.

In den meisten Fällen möchte der Nutzer lediglich

einige Standardparameter (etwa Bezeichnung, Bereich,

Einheit) konfigurieren oder dieselben Parameter oder

Funktionen (beispielsweise Nullstellung) immer und

immer wieder ausführen. Die meisten Tools unterstüt-

SPS_MESSE_ANZ_2014_D_185x128 30.07.14 13:19 Seite 1

zen solche Aufgaben nicht. Selbst wenn, dann ist dies

nur umständlich möglich. Das frustriert die Nutzer.

Obwohl es also bei FDI darum geht, bei den Feldbussen

eine neue Ära einzuleiten, sollte der Blick fest darauf

gerichtet sein, wie die Anbieter von Gerätemanagementtools

den Standard umsetzen. Achten Sie deshalb

auf neue FDI-Produkte!

AUTOR

NEIL SHAH ist Produkt manager

Feldbus bei ABB Automation.

ABB Automation GmbH,

Kallstadter Straße 1,

D-68309 Mannheim,

Tel. +49 (0) 621 381 17 91,

E-Mail: neil.shah@de.abb.com

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PRAXIS

Durch modulare Automatisierung gewinnen die

Anlagenbetreiber neue Flexibilität und Effizienz

Hochschulen und Wago entwickelten das Konzept ‚Dima‘ für den Einsatz in der Prozessindustrie

DIMA setzt die vielfältigen Anforderungen der

NE 148 in einer entsprechenden Systemarchitektur

um und wird prototypisch über das Engineering-

Werkzeug e!Cockpit von Wago projektiert. Foto: Wago

STANDARDISIERUNG DER SCHNITTSTELLEN: Wago,

die Technische Universität Dresden und die Helmut-

Schmidt-Universität Hamburg haben mit Dima ein

Konzept für die Automatisierungstechnik von modularen

Prozessanlagen vorgestellt. Foto: ©industrieblick/fotolia.com

Modulare Anlagen regen derzeit nicht nur innerhalb

der Prozessindustrie zu Diskussionen an,

sondern auch im Rahmen der fruchtbaren Zusammenarbeit

von Wissenschaft und Wirtschaft: Der Automatisierungsexperte

Wago Kontakttechnik hat zusammen

mit der Technischen Universität Dresden und der

Helmut-Schmidt-Universität Hamburg das Automatisierungs-konzept

Dima vorgestellt: ‚Dezentrale Intelligenz

für modulare Anlagen‘. Detailliert beschrieben

wird dieser Ansatz in einem Hauptbeitrag ab Seite 34

dieser Ausgabe.

Modulare Prozessanlagen stellen eines der zukunftsträchtigsten

Konzepte in der modernen Prozessindustrie

dar. Und das nicht von ungefähr. Wo die vielfältigen

Teilschritte eines Produktionsprozesses in autarken

Modulen realisiert und automatisiert werden,

gewinnt der Anlagenbetreiber an Flexibilität und Effizienz.

Denn modulare Prozessanlagen lassen sich wesentlich

schneller aufbauen, umbauen, erweitern und

verlagern als konventionelle Anlagen. Voraussetzung

einer modularen Anlagenarchitektur ist, sämtliche

Komponenten, die für einen bestimmten verfahrenstechnischen

Teilprozess notwendig sind, in separaten

Anlagenmodulen zu integrieren und diese mit eigener

Intelligenz auszustatten.

Von der Aufbereitung eines Rohstoffs bis hin zur Verpackung

des Endprodukts erfolgen in der Prozessindustrie

diverse Produktionsschritte, die – jeder für sich

– unterschiedlichste Anforderung an die Mechanik

und Automatisierung einer Anlage stellen.

Bei der Verarbeitung von beispielsweise Flüssigkeiten,

muss der Rohstoff häufig in Tanks gelagert und

zuverlässig gekühlt werden. Bei diesem Prozessschritt

– ebenso wie im Falle einer möglichen ‚Pasteurisation‘

– ist eine exakte Temperaturregelung unerlässlich.

Muss der Ausgangsstoff mit anderen Stoffen gemischt

werden, gilt es, einzelne Bestandteile entsprechend

einer vorgegebenen Rezeptur zuzufügen und zu verarbeiten.

Beim abschließenden Abfüllen und Verpacken

des Endprodukts wiederum, müssen exakte

Produktmengen eingehalten oder Maschinentakte

gesteuert werden. Jeder dieser unterschiedlichen Prozessschritte

lässt sich in einem separaten Anlagenmodul

abbilden.

FÜR JEDEN PROZESSCHRITT EIN SEPARATES MODUL

Damit diese einzelnen Anlagenmodule weitestgehend

autark arbeiten, müssen sie neben prozesstechnischen

Elementen wie Sensoren, Aktoren, Heizvorrichtungen,

Pumpen, Motoren oder Ventilen auch elektro- und automatisierungstechnische

Komponenten integrieren.

Die Anforderungen an die Automation dieser Module

hat die Namur in ihrer Empfehlung NE 148 definiert.

Sie beschreibt, wie die einzelnen Module zusammenarbeiten

sollen und welche Rolle die Automatisierung

dabei spielt: Die Automation innerhalb der Module

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übernimmt gemäß der NE 148 sämtliche Basisfunktionen

des Moduls selbst. Das Anlagenmodul ‚Pasteurisation‘

muss so beispielsweise einen vorgegebenen

Temperaturverlauf autark regeln. Übergreifende Anlagenfunktionen

– beispielsweise eine Rezeptverwaltung

– sollen hingegen durch eine übergeordnete Automatisierungsebene

ausgeführt werden.

Die Qualitätssicherung des Prozesses findet auf beiden

Ebenen der Automatisierung statt: dezentral, integriert

in jedem Modul, wo die Attribute kontrolliert

werden, die für den jeweiligen Fertigungsschritt definiert

sind; und zentral, den einzelnen Analgenmodulen

übergeordnet, durch ein unabhängiges System zur permanenten

Kontrolle der Prozessmesswerte.

MEHR FLEXIBILITÄT DURCH PACKAGE-UNIT-KONZEPT

Einer der wesentlichen Vorteile des Package-Unit-Konzepts

ist die höhere Flexibilität. So können Anlagenbetreiber

schnell und unkompliziert auf Veränderungen

reagieren, die sich aus neuen Anforderungen ihrer

Kunden, Märkte oder Produktionsbedingungen ergeben.

Durch das ‚Plug and play‘-Prinzip der Module wird

die Zeit von der Planung bis zur Inbetriebnahme einer

Anlage deutlich verkürzt. Unter anderem dadurch, dass

ein Teil des Engineerings bereits von den Herstellern

der Module erledigt werden kann. Idealerweise muss

der Anlagenbauer so lediglich die Module zusammenstellen,

die er benötigt, um sein individuelles Anlagenkonzept

zu realisieren.

Diese Integration zu einer Gesamtanlage wird heute

allerdings noch manuell geplant und durchgeführt.

Insbesondere weil die Automatisierungstechnik Anlagenbauern

und -anwendern nach wie vor echte Standards

schuldig bleibt. Die bisher standardmäßig eingesetzten

Prozessleitsysteme unterstützen den modularen

Ansatz in der Regel nur unzureichend. Eine wichtige

Voraussetzung für eine nahtlose Integration der Package

Units bleibt darum die Standardisierung der Schnittstellen.

Was im Bereich der physikalischen Schnittstellen

für die Ver- und Entsorgung mit Prozessmedien

sowie die Versorgung mit Energie längst selbstverständlich

ist, muss ebenfalls für die Schnittstellen gelten,

die dem Datenaustausch dienen. Nur mittels der Definition

von Standards wird es möglich, Prozessmodule

verschiedener Hersteller einfach zu einer Gesamtanlage

zu integrieren.

DIMA SETZT DIE ANFORDERUNGEN DER NE 148 UM

Der Automatisierungsspezialist Wago hat zusammen

mit der Technischen Universität Dresden und der

Helmut-Schmidt-Universität Hamburg ein solches

Konzept für die Automatisierungstechnik von modularen

Prozessanlagen vorgestellt: Dima – Dezentrale

Intelligenz für modulare Anlagen. Das Konzept setzt

die vielfältigen Anforderungen der NE 148 in einer entsprechenden

Systemarchitektur um und wird proto-

typisch über das Engineering-Werkzeug e!Cockpit von

Wago projektiert. Offene Schnittstellen und eine standardisierte

Kommunikation, wie sie in diesem Konzept

umgesetzt wurden, sind die wesentlichen Grundvoraussetzungen

dafür, dass Module verschiedener

Hersteller problemlos in einer Anlage zusammenarbeiten

können.

Das Engineering basiert auf dienstbasierter Kommunikation

zwischen Modul und übergeordnetem

Automatisierungssystem. Das Modul enthält eine

standardisierte Beschreibung, in der seine Funktionen

definiert sind. Von der übergeordneten Steuerung

ist der Aufruf dieser Modulfunktionen möglich,

ohne die Details der Abläufe innerhalb des Moduls

zu kennen. Um einem übergeordneten System die Eigenschaften

und Funktionen des Moduls zur Verfügung

zu stellen, wird eine Beschreibungsdatei – das

sogenannte Modul Type Package (MTP) – verwendet.

Darin sind neben den Funktionen und Diensten des

Moduls auch Informationen zu seiner Bedienung und

Visualisierung enthalten.

Im Rahmen des Dima-Projekts wurden das Engineering

und die Integration in ein übergeordnetes

Leitsystem exemplarisch mittels eines Scada-Systems

und eines Prozedur-Systems umgesetzt. In den übergeordneten

Systemen werden die einzelnen Module

bedient, beobachtet und überwacht, indem die zur

Verfügung gestellten Dienste aufgerufen werden. Für

die Realisierung des Dima-Konzepts sind offene

Schnittstellen der übergeordneten Scada- und Prozedur-Systeme

eine notwendige Voraussetzung. Die

beteiligten Verbände und Unternehmen sind aufgerufen,

gemeinsam an einer Vereinheitlichung solcher

Schnittstellen zu arbeiten.

AUTOR

ULRICH HEMPEN

ist Leiter Market

Management bei Wago

Kontakttechnik.

WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG,

Hansastr. 27, D-32423 Minden,

Tel. + 49 (0) 571 88 73 80,

E-Mail: ulrich.hempen@wago.com

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PRAXIS

Smartglass und Smartwatch erlauben eine völlig

neue Dimension der Steuerung von Anlagen

Erste Einsatzmöglichkeiten im Industrie 4.0-Umfeld wurden bereits vorgestellt

TECHNOLOGIE MIT POTENZIAL: Dank Datenbrillen kann ein Anlagenbediener

stets die Hände frei haben – und dennoch alle wichtigen

Informationen ohne Verzögerung bekommen. Bilder: AZO Controls

SMARTWATCH STATT TABLET: Auch mit dem

Gerät am Handgelenk kann der Bediener

beispielsweise einen Wiege vorgang steuern.

Die Einsatzmöglichkeiten von Smartglasses (Datenbrillen)

und Smartwatches reichen weit über den

Consumer-Bereich hinaus. Auch in der Automatisierungstechnik

bieten sie enormes Potenzial. Erste Anwendungsmöglichkeiten

im Automatisierungsumfeld

hat AZO Controls in enger Kooperation mit dem Usability

and Interaction Technology Laboratory (UniTy-

Lab) der Hochschule Heilbronn und Beckhoff Automation

kürzlich demonstriert.

Industrie 4.0 soll eine neue industrielle Revolution

einleiten. Die Idee ist nicht ganz neu. Schon vor 20

Jahren verfolgte die Industrie mit Computer-integrated-

Manufacturing (CIM) ähnliche Ansätze. Damals scheiterte

CIM daran, dass Daten-Systeme, Sensorik und

Aktorik sowie Funktechnik für die Übermittlung an

Maschinen und mobiles Equipment noch nicht vorhanden

oder leistungsfähig genug waren. Auch holonische

Systeme mit intelligentem Equipment, mit denen sich

AZO Controls (vormals hsh-systeme für prozess-IT)

bereits Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts

beschäftigt hat, gingen in die gleiche Richtung.

Heute sieht die Welt völlig anders aus. Neue Bedienkonzepte

und technische Entwicklungen wie Datenbrillen

und Smartwatches eröffnen eine neue Dimension

der Bedienerführung und Anlagenbedienung

in der Zukunft. Insbesondere die Produktions-, Ölund

Gasindustrie kann massiv von Datenbrillen profitieren.

Studien gehen von einem Einsparpotenzial

von einer Milliarde US Dollar, aufgrund neuer Konzepte

zur Bedienerführung und Anlagenvisualisierung,

aus – beispielsweise durch Einblendung von

kontextsensitiven Zusatzinformationen und von Instruktionen

etwa im Service-/Wartungsfall oder bei

der Fernwartung.

Die Einsatzmöglichkeiten einer Datenbrille – in diesem

Fall Google Glass – demonstrierte AZO Controls

in enger Kooperation mit dem UniTyLab der Hochschule

Heilbronn und Beckhoff Automation jüngst bei der

Fachmesse Interpack.

PRODUKTIONSDATEN IM DISPLAY DER BRILLE

Aktuelle Anwendungsdaten, direkt aus einer Produktionsanlage,

wie Auftragsinformationen, Maschinenstörungen,

aktuelle Zähler oder Maschinenstati werden

dem Anlagenbediener live auf dem Projektionsdisplay

der Datenbrille und auf unterschiedlichen mobilen Geräten

– wie Mobiltelefon, oder Tablet-PC – visuell dargestellt.

Bei der Präsentation konnten Besucher zusätzlich

per Knopfdruck eine Störung in einer virtuellen

Fabrik simulieren, die auf dem Projektionsdisplay der

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Unser

Know-how

für Sie

Datenbrille angezeigt wurde und auch direkt an der

Datenbrille quittiert werden konnte.

Über aktuelle Web-Technologien wurden diese

Informationen ebenfalls auf unterschiedlichsten mobilen

Geräten unter Android, Windows oder iOS angezeigt.

Die zusätzlich zur Datenbrille gezeigte Anlagenvisualisierung

ist plattformunabhängig und

läuft mittels HTML 5 in fast allen gängigen Browsern.

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05.11.2014

RuhrCongress Bochum

Stand J5

DER BEDIENER HAT IMMER DIE HÄNDE FREI

Dank Datenbrille hat der Bediener die Hände immer

frei, um seine Arbeiten auszuführen. Da er die Brille

immer bei sich trägt – ohne dass sie ihn bei der Arbeit

behindert – entfällt die Suche nach den heute schon

klassischen mobilen Geräten wie PDA, BC-Scanner

oder mobile Panels. Spezielle und nicht sicherheitsrelevante

Störmeldungen können, sofern dies gewünscht

und erlaubt ist, direkt über die Datenbrille

quittiert werden. Die Steuerung der Datenbrille erfolgt

entweder über Sprachkommandos oder durch

Berührung des Touchpads am Bügel der Datenbrille.

Die Live-Daten der Produktionsanlage werden von

einem Emdedded Controller von Beckhoff gesammelt,

vom Plant Intelligence (BDE- und KPI)-Modul

PI, des von AZO Control entwickelten Produktionsleitsystems

Kastor, aufbereitet und über WLAN direkt

an die Datenbrille gesendet.

Was macht die neue Technologie der Datenbrillen

so besonders? Im Gegensatz zu den herkömmlichen

Bedienkonzepten bietet eine Datenbrille dem Bediener

die Möglichkeit an, die Anlage zu überwachen

und sogar direkt in den Prozess einzugreifen ohne

dabei selbst vor Ort zu sein.

SITUATIONSABHÄNGIGE ANZEIGE DER DATEN

Denkbar ist es ebenfalls, anlagenspezifische Informationen

etwa für Wartungspersonal, Schichtführer

oder Qualitätssicherungspersonal genau dann anzuzeigen,

wenn sie vom Träger der Datenbrille benötigt

werden. Diese Informationen können beispielsweise

ereignisgesteuert dann angezeigt werden wenn sich

der Träger der Datenbrille an einem bestimmten Ort

befindet und dort den Equipment- oder Rohstoff-

Barcode eines Bauteils oder einer Maschine mit der

Digitalkamera der Datenbrille scannt. Technisch

möglich sind ebenfalls Telefon- und Videoanrufe bei

entsprechenden Servicetechnikern oder das gezielte

Navigieren von Bedienern durch eine Anlage mit

Hilfe von beispielsweise Indoor-Navigationssystemen.

Der Träger der Datenbrille hat zu jeder Zeit beide

Hände frei.

Eine komplett andere Art einer zukünftigen Bedienmöglichkeit

erlaubt der Einsatz von Smartwatches.

Dieser Ansatz wurde kürzlich auf der Fachmesse Powtech

ebenfalls in enger Kooperation mit dem UniTyLab

der Hochschule Heilbronn dem Fachpublikum vorge-

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PRAXIS

stellt. Schwerpunkt in diesem Szenario war wiederum,

dass der Bediener seine Hände frei haben sollte, um

seine täglichen Arbeiten zu erledigen. Alle wichtigen

Informationen zu nötigen Arbeitsschritten werden dem

Bediener direkt auf eine Smartwatch – in diesem Fall

Samsung Galaxy Gear 2 – am Handgelenk gesendet und

visualisiert. Bei neuen Informationen kann die Smartwatch

vibrieren und signalisiert dem Bediener neue Aktivitäten

die speziell für ihn relevant sind.

Im realisierten Anwendungsfall wurde der Bediener

durch einen manuellen Wiegeprozess im Rahmen einer

parallel zum Fertigungsprozess durchzuführenden

Handverwiegung geführt. Auftrags- und Rohstoffinformationen

sowie die Anforderung zur Rohstoffidentifizierung

mittels Barcode werden direkt auf der

Smartwatch angezeigt. Nach der Identifikation des

richtigen Rohstoffes durch eine Barcodelesung über

die in der Smartwatch eingebaute Kamera kann der

Bediener den Gewichtswert der Tischwaage live auf

der Smartwatch verfolgen und die Wiegung bei Erreichen

des Sollgewichtes durch Berühren des Touchbildschirms

auf der Smartwatch abschließen.

SUCHE NACH ANZEIGEGERÄTEN WIRD ÜBERFLÜSSIG

Alle Daten und Bedieneraufforderungen werden innerhalb

der Ablaufsteuerung des von AZO Controls entwickelten

Produktionsleitsystem Kastor in Verbindung

mit der Manuellen Dosierstation (ManDos) verarbeitet

und entweder über WLAN oder Bluetooth an die mobilen

Geräte wie Tablet-PC oder Smartwatch versendet.

Vorgestellt wurde neben dem neuen ManDos-Client auf

einer Smartwatch unter dem Betriebssystem Tizen

gleichzeitig ein neuer ManDos-Client auf einem Tablet-

PC unter Android.

Das Produktionsleitsystem Kastor bietet somit neben

den klassischen Bedienclients unter Windows die Möglichkeit,

Endgeräte unter Android oder Tizen anzubinden

und in die Automatisierungswelt zu integrieren.

Die Vorteile dieser neuartigen Bedienerführung sind

genau wie im ersten Beispiel mit einer Datenbrille, dass

der Bediener sich auf seine Arbeit konzentrieren kann

und vom System informiert wird, sobald eine Aufgabe

oder wichtige Informationen gezielt für ihn bereit stehen.

Er hat zu jeder Zeit beide Hände frei und muss

keine mobilen Anzeigegeräte suchen oder sich seine

Informationen an einem fest installierten PC irgendwo

in der Produktionsanlage oder einer Leitwarte holen.

Da der Bediener das Anzeigegerät der Zukunft immer

bei sich trägt und es ihn trotz allem nicht behindert,

entsteht eine völlig andere Art des Arbeitens im

Zeitalter von Industrie 4.0. Mobile Geräte unterschiedlicher

Plattformen werden das Arbeiten in Produktionsanlagen

perspektivisch grundlegend verändern.

Neue Geräte und Technologien bieten völlig andere

Möglichkeiten der Visualisierung und Bedienerführung

in der Zukunft.

Aktuell ist unter anderem aufgrund von geringen Akkulaufzeiten

ein dauerhafter mehrschichtiger Einsatz

von Datenbrillen oder einer Smartwatch in heutigen

Produktionsanlagen aus unserer Sicht noch nicht möglich.

Aber in diesem Segment wird es in nächster Zeit

Entwicklungen geben, die dies ermöglichen werden.

Zusätzlich müssen diverse rechtliche Themen im Bereich

Datenschutz und Unfallverhütung ebenfalls noch

abschließend geklärt werden. Aber sowohl Datenbrille

als auch Anzeigegeräte am Handgelenk des Bedieners

werden in der Automatisierungstechnik der Zukunft

eine feste Rolle spielen.

AUTOREN

Prof. Dr.-Ing. GERRIT

MEIXNER ist Direktor des

UniTyLab und Professor für

Mensch-Computer-Interaktion

sowie Vorsitzender des VDI/

VDE-GMA FA 5.31 ‚Nutzergerechte

Gestaltung von

Maschinenbediensystemen‘.

Hochschule Heilbronn, UniTyLab,

Max-Planck-Str. 39, D-74081 Heilbronn,

Tel. +49 (0) 7131 504 67 31,

E-Mail: Gerrit.Meixner@hs-heilbronn.de

STEFFEN GÜNTER ist

Leiter der Bereiche

Entwicklung/Standardisierung

sowie der IT

bei AZO CONTROLS.

AZO CONTROLS GmbH,

Heiner-Fleischmann-Strasse 7,

D-74172 Neckarsulm, Tel. +49 (0) 7132 934 20,

E-Mail: Steffen.Guenter@azo.com

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Experten fragen, Experten antworten:

Missverständnisse rund um SIL

Rückblick zur 6. SIL-Sprechstunde Funktionale Sicherheit im September

BESONDERS GESCHÄTZT wurde von den Teilnehmern die

einzigartige Kombination aus Fachvorträgen und praxisnaher

Beratung in der Sprechstunde. Bild: Pepperl+Fuchs GmbH

Zum Thema ‚Irrtümer und Missverständnisse rund

um SIL‘ fand am 23. und 24. September die bereits

6. SIL-Sprechstunde Funktionale Sicherheit in Mannheim

statt. Das von Pepperl+Fuchs in Kooperation mit

der atp edition veranstaltete Seminar mit 34 Teilnehmern

sowie 11 Referenten und Branchen-Experten stand

unter dem Motto ‚Experten fragen – Experten antworten‘.

Brachten am ersten Tag Plenarvorträge rund um die

einschlägigen Normen die Teilnehmer auf den neuesten

Stand im Bereich der funktionalen Sicherheit, so stand

der zweite Tag ganz im Zeichen der Sprechstunde. Hier

hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre vorab eingereichten

individuellen und speziellen Fragen rund

um SIL zu stellen und in drei Kleingruppen offen mit

den praxiserfahrenen Referenten zu diskutieren.

Die Funktionale Sicherheit ist ein komplexes Feld,

das gerade in der praktischen Anwendung im Automatisierungsprozess

zahlreiche Fragen aufwirft. Dabei

soll der Sicherheits-Integritätslevel (SIL) die Zuverlässigkeit

der Sicherheitsfunktionen einer Anlage im Zusammenspiel

mit deren Feldgeräten und den Steuerungssystemen

beurteilen. Ziel ist es, die Risiken für

Menschen und die Umwelt zu minimieren. Im Zentrum

stehen wichtige Maßnahmen zur Vermeidung und Beherrschung

systematischer sowie zufälliger Fehler.

Letztendlich müssen alle sicherheitsrelevanten Teile

der Schutz- und Steuereinrichtungen korrekt funktionieren

und sich im Fehlerfall so verhalten, dass die

Anlage in einem sicheren Zustand bleibt oder in einen

sicheren Zustand gebracht wird.

Unter der Moderation von Jürgen George und Andreas

Hildebrandt von Pepperl+Fuchs betrachteten die

Fachvorträge der Experten das Thema SIL aus unterschiedlichsten

Blickwinkeln. So sprach Josef Kuboth

vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz

Nordrhein-Westfalen über das Thema ‚Vom Umgang

mit SIL – Erfahrungen eines Behördenvertreters‘

Johann Ströbl, TÜV Süd, über ‚Fallstricke bei der SIL-

Erreichung – Beobachtungen einer Prüfstelle‘ und Heiko

Schween von HIMA Paul Hildebrandt über ‚Die

meistgemachten Fehler in der funktionalen Sicherheit‘.

Nicht auf der Agenda fehlen durften Beiträge von Thomas

Gabriel, Bayer Technology Services, über die ‚Richtige

Mitbenutzung sicherheitstechnischer Komponenten

für die Prozessleittechnik‘ von Peter Sieber, HIMA

Paul Hildebrandt, zum Thema ‚Korrelation zwischen

funktionaler Sicherheit und IT-Security‘ sowie von Andreas

Hildebrandt, Pepperl+Fuchs, zur wichtigen Frage

‚Ist SIL eine Produkteigenschaft?‘.

Wie groß die Unsicherheit im Umgang mit SIL und

der Beratungsbedarf in der Praxis ist, zeigten die zahlreichen

Fragen der Teilnehmer. Das Spektrum reichte

von ‚Was muss beachtet werden, wenn Anlagen erweitert

werden und sich daraus Änderungen bei bereits

bestehenden Sicherheitsfunktionen ergeben?‘ über ‚Unter

welchen Voraussetzungen können die Anforderungen

der Norm auch ohne rechnerischen Nachweis erfüllt

werden?‘ bis hin zu sehr konkreten Fragen wie

‚Muss man bei einem SIL-Kreis mit einem Sensor, der

10 Aktoren abschaltet in der PFD-Nachweisrechnung

für den Ausgang mit einer 10oo10-Funktion rechnen

oder erstellt man 10 einzelne Berechnungen mit jeweils

einem Sensor, der auf einen Aktor geht?‘.

Als weitere Experten der Sprechstunde standen neben

den Referenten der Fachvorträge auch Martin Herrmann

(Evonik), Bernd Schrörs (Bayer Technology Services),

Werner Brockschmidt (Tesium) sowie Dirk

Hablawetz (BASF) den Fragen der Teilnehmer Rede und

Antwort. Als buntes Rahmenprogramm am Abend rundete

eine Besichtigung des Hockenheim Rings die Veranstaltung

ab, mit einem Rundgang durch die Boxengasse

und dem Fahrerlager sowie anschließendem ‚Get-

Together‘ bei einem Barbecue. Besonders geschätzt

wurde von den Teilnehmern die einzigartige Kombination

aus Fachvorträgen und praxisnaher Beratung in

der Sprechstunde. Die nächste SIL-Sprechstunde ist

für den 22. und 23. September 2015 geplant.

AUTOR/ANSPRECHPARTNER

MARKUS HOFELICH ist

Redaktionsleiter der atp edition.

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH,

Redaktion atp,

Arnulfstraße 124, D-80636 München,

Tel. +49 (0) 89 203 53 66-33,

E-Mail: hofelich@di-verlag.de,

Internet: www.sil-sprechstunde.de

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PRAXIS

Automatisierungstechnik in Anlandestation für

Erdgas gewährleistet höchste Zuverlässigkeit

Feldinstrumentierung aus einer Hand vereinfacht Anlagenplanung und Instandhaltung

DURCHFLUSSMESSUNGEN IM WARMWASSERSYSTEM:

Das Ultraschall-Clamp-on-System Prosonic Flow

ermöglicht eine genaue und kostengünstige Durchflussmessung

von außen, ohne Prozessunterbrechung.

Bilder: Gascade Gastransport GmbH

ANLANDESTATION LUBMIN: Bis zu 6,6 Millionen Kubikmeter

russisches Erdgas werden dort pro Stunde aufbereitet,

gemessen und auf zwei weiterführende Pipelines aufgeteilt.

Bild: Luftaufnahme Nord Stream/Dr. Jan Kube

Riesige Mengen Erdgas aus Russland werden in der

Anlandestation Lubmin gemessen und für den

Transport über Pipelines aufbereitet. Die Messtechnik

muss dort ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit bieten. Die

umfangreiche Feldinstrumentierung weitgehend aus

einer Hand zu bekommen, brachte den Planern mehrere

Vorteile: Sie konnten die Voraussetzung für ein optimales

Instandhaltungsmanagement schaffen und die Zahl

der Schnittstellen zu Lieferanten deutlich reduzieren.

An der Küste Mecklenburg-Vorpommerns schlägt das

automatisierungstechnische Herz der größten europäischen

Energie-Infrastrukturinvestition der letzten

Jahre. Dort erreicht die Nord Stream Pipeline deutschen

Boden und liefert pro Stunde bis zu 6,6 Mio. Kubikmeter

russisches Erdgas zur neuen Anlandestation Lubmin

bei Greifswald. Das im 1200 Pipeline-Kilometer

entfernten russischen Wyborg eingespeiste Erdgas wird

dort aufbereitet und gemessen, bevor es durch die Pipelines

‚Opal‘ (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) nach

Süden bis in die Tschechische Republik sowie ‚NEL‘

(Nordeuropäische Erdgasleitung) nach Westen in Richtung

des Speichers Rehden weitergeleitet wird.

In Lubmin müssen nicht nur zwei Prozesse – Gas und

Warmwasser – mit großer Präzision parallel geregelt

werden. Die Anlage soll wegen ihrer sehr großen Bedeutung

für die Versorgungssicherheit in Deutschland

und Europa auch ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit

aufweisen. Daher sind die Ausrüstungen und Rohrleitungssysteme

hochverfügbar aufgebaut, und das gilt

auch für die Feldinstrumentierung. Rund 850 Sensoren,

mehr als 2400 Ventile und 420 elektrische Antriebe

wurden installiert. Zum Einsatz kommt die neueste

Generation der Automatisierungs- und Messtechnik.

Im Auftrag der Fernleitungsnetzbetreiber Opal

Gastransport GmbH und der NEL Gastransport GmbH

sowie der Industriekraftwerk Greifswald GmbH war die

Gascade Gastransport GmbH verantwortlich für die

Planung und Realisierung der Gesamtanlage.

GASMENGE UND -DRUCK WERDEN EXAKT GEMESSEN

Eine der Hauptaufgaben besteht darin, das im Winter

mit Minusgraden ankommende Gas konstant auf notwendige

Plusgrade hinter der Druckreduzierung zu halten.

Die Wärme liefern vor allem drei große, erdgasbetriebene

Wasserkesselanlagen mit jeweils 40 MW Leistung.

Nur mit Kenntnis der genauen Gasmenge und des

korrespondierenden Drucks ist ein optimierter Betrieb

des Wärmesystems möglich. Die Wasserkessel müssen

zudem ausreichend Wärme für den Gastransport bis zur

nächsten Verdichterstation im 280 km entfernten Radeland

bereitstellen. Teil der Gesamtanlage ist auch eine

Gasturbine. Der von ihr erzeugte Strom wird ins Netz

eingespeist. Ihre Abwärme wird zusätzlich genutzt, um

das Erdgas in der Anlandestation zu erwärmen.

Bei der Feldinstrumentierung entschied sich Gascade

für die Zusammenarbeit mit Endress+Hauser. Im

Vordergrund standen die Hauptparameter Füllstand,

Dichte, Durchfluss, Prozessdruck, Differenzdruck,

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atp edition

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Temperatur und Energiemengenmessung. Neben

standardmäßigen Druck- und Temperaturmessungen

für die Überwachung und Regelung von

Gasdruck und Gastemperatur im komplexen Rohrund

Warmwassersystem, wurden auch spezielle

Aufgabenstellungen gelöst.

In der Gasvorwärmung müssen die Kessel des

Warmwassersystems (Niederdruck) vor überhöhtem

Druck aus dem Gasnetz (Hochdruck) geschützt werden.

Das Wärmetauschersystem ist deshalb mit

einem Dichte-Liquiphant FTL51 und Auswerterechner

FML621 ausgerüstet. Die Verwendung des altbewährten

Vibrationsprinzips Liquiphant erlaubt

eine sehr kostengünstige Dichtemessung im Vergleich

zu anderen Verfahren. Der kompakte, direkte

Einbau erleichtert Montage und Inbetriebnahme.

Die Schwinggabel des Liquiphant erkennt bereits

geringste Gasleckagen und schützt das Wärmetauschersystem

durch ein entsprechendes Grenzsignal

vor einer größeren Beschädigung.

Die Referenzklasse für die

Automatisierungstechnik

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Die Qualität der wissenschaftlichen Hauptbeiträge

sichert ein strenges Peer-Review-Verfahren. Bezug zur

automatisierungstechnischen Praxis nehmen außerdem

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ENERGIEMENGE MIT 0,2 % GENAUIGKEIT ERFASST

Weiterhin erfordert die exakte Regelung des Wärmesystems

hochpräzise Energiemengenmessungen. Die

Energiemenge des mit der Abwärme der Gasturbine

erzeugten Warmwassers wird mit einer Genauigkeit

von 0,2 % erfasst. Dafür sorgen als Durchflussgeber

magnetisch-induktive Durchflussmessgeräte vom

Typ Promag 53. Eine patentierte ECC-Schaltung zur

Verhinderung von Magnetitablagerungen garantiert

den sicheren Messbetrieb.

In Kombination mit gepaarten Temperaturfühlern

Omnigrad TR13 und dem Bildschirmschreiber Memograph

RSG40 liefert die komplette Messanordnung

zuverlässige Werte für den Anlagenbetrieb.

Die Auswertung der Wärmemengenmessung aus

Durchfluss sowie Vor- und Rücklauftemperatur erfolgt

mit manipulationssicherer Registrierung und

einem Datenexport nach Excel. Die Anbindung an

das Leitsystem erfolgt per Profibus DP und Ethernet.

Eine weitere Herausforderung bestand in der Projektierung

der Temperaturhülsen im Rauchgaskanal

der Gasturbine. Diese Hülsen nehmen die Temperaturfühler

zur Messung des Abgasstromes auf und

müssen für die extremen mechanischen und thermischen

Belastungen mit hoher Sicherheit ausgelegt

werden. Mit einem speziellen Schutzrohrberechnungsprogramm

von Endress+Hauser wurden die

Merkmale der Konstruktion festgelegt. Als Ergebnis

darf bei einer Fließgeschwindigkeit des Rauchgases

von 40 m/sec die Schutzhülse nur maximal 125 mm

in den Prozess reichen. Damit das Schutzrohr auch

im Anschlussstutzen nicht vibriert, muss zusätzlich

noch ein Stützring auf die Schutzhülse aufgeschweißt

werden. Die Applikation ist somit optimal ausgelegt

für sicheren Betrieb und genaueste Messung.

atp edition erscheint in der DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München


PRAXIS

KONTROLLE DES WARMWASSERSPEICHERS:

Ultraschallmessumformer überwachen die

Zu- und Ablaufmengen.

SICHER IM

SCHUTZKASTEN:

Druck- und

Differenzdruckmessungen

erfolgen mit

Cerabar S- und

Deltabar

S-Transmittern.

Zur Überwachung der Bespannung der Gasabsperrarmaturen

wurde ein Differenzdruckmessumformer

der Serie Deltabar PMD75 gewählt. Der Messumformer

verfügt über umfangreiche Diagnosefunktionen und ist

von der Messzelle bis zur Elektronik funktionsüberwacht.

Diese Funktionen unterstützen den reibungslosen

Ablauf von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten

an den Armaturen.

UNEMPFINDLICH GEGENÜBER PULSATIONEN

Der in hohen Stückzahlen eingesetzte Drucktransmitter

Cerabar S PMP71 kommt zusätzlich auf den Pipelines

mit der innerstaatlichen Bauartzulassung der Physikalisch

Technischen Bundesanstalt (PTB) zum Einsatz.

Dem Gerät wurde seitens der PTB die bestmögliche

Messperformance von 0,2 % (Eichanforderung) auf den

Momentanwert im Temperaturbereich von –20 bis

+50 °C bestätigt. Neben dem eichfähigen Druckmessumformer

Cerabar S bietet Endress+Hauser den Gasdurchflusszähler

Promass 84F sowie den Temperaturfühler

Omnigrad S als Komponenten in einem eichamtlichen

System an. Der nach dem Coriolis-Prinzip messende

Promass ist wartungsfrei, da er ohne bewegliche

Teile arbeitet. Bei Planung und Montage brauchen keine

Ein- und Auslaufstrecken berücksichtigt zu werden.

Im Vergleich zu Ultraschallzählern ist das Messsystem

unempfindlich gegenüber Pulsationen und Druckschlägen

im Prozess. Der Promass ist hier zur Überwachung

der Erdgasmenge an der Gasturbine eingesetzt.

DURCHFLUSSMESSUNG IM LAUFENDEN PROZESS

Die betrieblichen Durchflussmessungen im Warmwassersystem

der Anlandestation wurden mit dem Prosonic

Flow 93 realisiert. Das Ultraschall-Clamp-on-System

ermöglicht eine genaue und kostengünstige Durchflussmessung

von außen ohne Prozessunterbrechung. Die

Messung verursacht keine Druckverluste und spart somit

hydraulische Leistungsverluste. Die variable Einbaumöglichkeit

erlaubt bereits in der Vorplanung Kosteneinsparungen

durch möglichen Verzicht auf Flansche.

Dass Endress+Hauser die gesamte Bandbreite der Kundenanforderungen,

von der Standard- bis zur Spezialanwendung,

abdecken konnte, bot verschiedene Vorteile.

Durch einheitliche Projektdokumentation sowie ein

einheitliches Bedien- und Toolingkonzept für die unterschiedlichen

Messumformer wurde die Voraussetzung

für optimales Instandhaltungsmanagement im Anlagenbetrieb

geschaffen. Zudem konnte Gascade in der Projektabwicklung

die Zahl der Schnittstellen minimieren.

In der Betriebsphase können durch die reduzierte und

passgenaue Auswahl der Prozessmesstechnik die Wartungs-

und Instandhaltungskosten verringert werden.

AUTOR

ANDREAS SCHMIDT

ist Branchenmanager

Öl&Gas bei

Endress+Hauser

Weil am Rhein.

Endress+Hauser Messtechnik GmbH + Co. KG,

Colmarer Straße 6, D-79576 Weil am Rhein,

Tel. +49 (0) 7621 97 59 86,

E-Mail: andreas.schmidt@de.endress.com

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PRAXIS

Lichtwellenleiter im Industrieeinsatz: Robuste

Komponenten trotzen widrigen Bedingungen

Steckverbinder müssen gegen mechanische Belastungen, Gase und Flüssigkeit gesichert sein

APPLIKATION MIT

LWL-ÜBERTRAGUNG:

Beim Lightning Monitoring

System von Phoenix

Contact, bei dem Blitze wie

hier am Hermannsdenkmal

gemessen werden,

arbeiten Lichtwellenleiter-

Steckverbinder zuverlässig

im Außeneinsatz.

Ausgehend von den Weitverkehrsnetzen in der Telekommunikation

haben Lichtwellenleiter auch im

Industrieumfeld seit Jahren Einzug gehalten. Ob ausgedehnte

Anlagen in der Prozessindustrie oder Fertigungsinseln

um einen Roboter – qualifizierte Lichtwellenleiter

haben viele Vorteile. Um sie nutzen zu können,

müssen auch die eingesetzten Steckverbinder für die

raue Industrieumgebung geeignet sein.

Alle Faserarten sind unempfindlich gegenüber elektromagnetischen

Störungen und Überspannungen. Aufgrund

der galvanischen Trennung werden Potential-Verschleppungen

und Ausgleichströme vermieden. Je nach Fasertyp

sind mit Lichtwellenleitern viel höhere Übertragungslängen

möglich als bei einer elektrischen Datenübertragung.

Damit die Datenübertragung zuverlässig funktioniert,

lohnt sich die Betrachtung der technischen Zusammenhänge.

Denn beim Transport der Lichtsignale

durch den Lichtwellenleiter ist Einiges zu beachten.

Einzelne Lichtstrahlen – auch Moden genannt – werden

mittels einer Lichtquelle wie Leuchtdioden oder Laser

in die Faser eingekoppelt. Dort breiten diese sich längs

der Faser aus. Je nach Fasertyp wird bei einer Singlemode-Faser

nur eine Mode transportiert – bei allen

anderen Fasertypen wird eine Vielzahl von Moden weitergeleitet.

Die Moden verlaufen nicht parallel zur optischen

Achse und werden so am Mantel der Faser reflektiert

und in einer anderen Richtung weitergeleitet.

LUFTSCHICHT STÖRT DEN STRAHLENDURCHGANG

Bei einer Steckverbindung stehen sich zwei Faser enden

gegenüber. Das aus der ersten Faser austretende Licht dringt

in die zweite Faser ein und wird dort weitertransportiert.

Hierbei treten jedoch einige störende Effekte auf. So stoßen

die Fasern nie auf ganzer Fläche aufeinander, sodass sich

zwischen den Faserenden eine kleine Luftschicht befindet,

die aufgrund ihres andersartigen Brechungsindex einen

geänderten Strahlengang verursacht. Hier können Moden

so abgelenkt werden, dass sie nicht mehr in der zweiten

Faser weitertransportiert werden – eine Verringerung der

Lichtleistung ist dann die Folge. Außerdem kommt es zu

einer Reflektion der Moden an der Fasergrenzfläche, sodass

einzelne Moden wieder in die Faser zurückgeführt werden.

Auch diese Moden stehen nicht mehr für den Weitertransport

zum Signalempfänger zur Verfügung, und zudem können

sie bei einer Lasereinkopplung den Laser stören.

Auch bei einem radialen Versatz der Fasern zueinander

treffen aus der ersten Faser austretende Moden

auf Bereiche der zweiten Faser, die nicht für den Weitertransport

der Moden geeignet sind. So entstehen

ebenfalls Dämpfungsverluste.

ABNAHMEMESSUNG MIT EINSCHRÄNKUNGEN

Aufgrund der problematischen Kontaktstelle der Faserendflächen

besteht die Gefahr, dass Staub und andere

Fremdkörper sowie Feuchtigkeit – zum Beispiel durch

eine Betauung – zwischen die Faserendflächen dringt.

Die Moden können dann unterbrochen werden. Oder

der Strahlengang wird durch einen ungeeigneten Brechungsindex

so abgelenkt, dass die Moden wieder in

die erste Faser zurückgeleitet werden.

Hersteller von Steckverbindungen für Lichtwellenleiter

und konfektionierten Leitungen sind bemüht,

30

atp edition

11 / 2014


LWL-Steckverbinder im Test:

Ob sie zuverlässig arbeiten, hängt von ihrer Ausführung

sowie von Umwelteinflüssen ab.

Die Moden im LichtweLLenleiter

werden durch ungeeignete Brechungsindizes,

Fremdkörper und Feuchtigkeit beeinträchtigt –

falsche Einsatzbedingungen können die

Übertragung stören. Bilder: Phoenix Contact

ihre Produkte so präzise und sauber zu gestalten, damit

die oben genannten Effekte nicht auftreten. Auch die

Monteure vor Ort sind geschult, um eine Installation

fachgerecht auszuführen. Mit einer Abnahmemessung

nach der Installation werden üblicherweise die Qualität

der Produkte und deren Installation nachgewiesen.

Geht eine Anlage in Betrieb, wird sie den realen

Umweltbedingungen ausgesetzt. Die bei den Abnah-

me-Messungen noch nicht herrschenden realen Umweltbedingungen

können die Qualität der Datenübertragung

erheblich beeinträchtigen, indem sie bei den

Steckverbindungen an den Faserendflächen die erläuterten

Effekte verursachen. So können mechanische

Belastungen wie Schock und Vibration für einen temporär

erhöhten axialen und radialen Versatz der Faserendflächen

verantwortlich sein. Feuchte Wärme und

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PRAXIS

IEC 61753-1 KLASSIFIZIERT STECKVERBINDER

Industrieanforderungen in die Norm aufgenommen

LWL-Steckverbinder müssen im

rauen Industrieumfeld ganz anderen

Umgebungsbedingungen trotzen als

etwa im Büro. Entsprechend

unterschiedlich müssen die

Komponenten auf ihre Zuverlässigkeit

geprüft werden. Daher wurde

ein System mit Klassen für unterschiedliche

Einsatzbedingungen und

Robustheitsanforderungen geschaffen,

das in der Norm IEC 61753-1

beschrieben wird. So kann der

Anwender sich unter Kenntnis der

Kategorie-Definitionen die für seine

Applikation geeigneten Komponenten

auswählen.

Steckverbinder für den Außenbereich

oder raue Umgebungen waren

bislang nur innerhalb eines

Gehäuses vorgesehen. Im Rahmen

der Norm IEC 61753-1-3 ist nun der

Industriebereich neu aufgenommen

worden mit der Kategorie I. Hier sind

die Anforderungen an Komponenten

so definiert, dass sie außerhalb

eines Gehäuses eingesetzt werden

können.

Temperaturwechsel ermöglichen genauso wie die direkte

Applizierung von Flüssigkeit einen Feuchtigkeitsfilm

zwischen den Faserendflächen. Die Dämpfung

der optischen Übertragungsstrecke wird dadurch

erhöht – im Extremfall wird die Datenübertragung

unterbrochen.

Darüber hinaus können aggressive Stoffe, Gase und

UV-Bestrahlungen das Gehäusematerial beschädigen.

Dadurch wird wiederum die mechanische Stabilität

gefährdet und Eindringen von Flüssigkeiten und

Fremdkörpern erleichtert.

TYPPRÜFUNG SIMULIERT UMWELTBELASTUNGEN

Die konstruktive Gestaltung von LWL-Steckverbindern

für den Industrie- und Außeneinsatz hat entscheidende

Auswirkung auf die Eignung dieser Komponenten.

Je nach Art und Umfang der zu erwartenden

Belastungen werden die Produkte für eine bestimmte

Umweltkategorie klassifiziert. So sind Produkte der

Kategorie C für den Einsatz in Büros und ähnlichen

Umgebungen vorgesehen, während Produkte der Kategorie

I für den Einsatz im rauen Industrieumfeld

geeignet sind.

Eine darauf abgestimmte Typprüfung simuliert die

zu erwartende Umweltbelastung der Komponenten für

die jeweilige Kategorie. Hierzu werden an den Komponenten

praxistypische Tests durchgeführt: Schock und

Vibrationen, Kräfte auf den Steckverbinder, Bewegung

der angeschlossenen Leitung, Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel

sowie Beaufschlagung mit Flüssigkeiten

und Gasen. Hierbei dürfen sich die optischen

Übertragungseigenschaften mit den Parametern Dämpfung

und Rückflussdämpfung nicht so weit verschlechtern,

dass die Datenübertragung gefährdet wird.

Bei der Planung einer Datenübertragung mittels

Lichtwellenleitern kommt es also darauf an, die zu erwartenden

Umweltbedingungen zu kennen und hierfür

geeignete Komponenten auszuwählen. Nur dann kann

die Übertragungsstrecke auch im realen Betrieb nach

der Abnahmeprüfung sicher und zuverlässig ihre

Funktion erfüllen.

Lichtwellenleiter zur Datenübertragung haben sich

ihren Platz in der industriellen Automatisierungstechnik

und im Außeneinsatz erfolgreich erobert. Mit den

richtigen Umweltkategorien erhält der Anwender die

Sicherheit für seine Applikation. LWL-Steckverbinder

von Phoenix Contact werden seit Jahren in diesen Bereichen

eingesetzt – sie ermöglichen eine auf lange Zeit

zuverlässige Datenübertragung.

AUTOR

Dipl.-Wirt.-Ing.

BERND HORRMEYER

ist Fachreferent für

Standardisierung bei

Phoenix Contact.

Phoenix Contact GmbH & Co. KG,

Flachsmarktstraße 8, D-32825 Blomberg,

Tel. +49 (0) 5235 300,

E-Mail: bhorrmeyer@phoenixcontact.com

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atp edition

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HAUPTBEITRAG

Dezentrale Intelligenz

für modulare Automation

Lösungsansätze für die Realisierung modularer Anlagen

Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur ist es, den Aufwand zur Integration

eines Moduls in die Gesamtanlage zu minimieren. Dies lässt sich erreichen,

indem Aufwände in das Engineering des Modullieferanten verlagert werden. Das

Engineering der Gesamtanlage besteht dann aus zwei voneinander getrennten Engineeringprozessen:

Der Modullieferant projektiert das Modul, der Anlagenbetreiber

nutzt Module im Integrations-Engineering. Dieser Beitrag stellt eine Architektur für

die einfache Integration eines Moduls und eine Informationsmodellierung zur Übertragung

der zur Integration notwendigen Ergebnisse des Modulengineerings vor.

Diese werden in einem Informationsträger gespeichert.

SCHLAGWÖRTER Modularisierung / dezentrale Intelligenz / Engineering /

Prozessautomatisierung

Distributed Intelligence for Modular Automation

Approaches to Integrating Modules

The basic idea of modular plant architecture is the reduction of the effort for the integration

of a module into the overall plant. This can be achieved by splitting the

engineering of the entire system into two separate processes. The module suppliers

build the modules, which; the plant operator then uses in the integration engineering.

This paper presents an architecture for the easy integration of a module, as well as

information modelling to transfer the necessary results for the integration of the module

engineering. These are stored in a suitable information carrier.

KEYWORDS modularization / distributed intelligence / engineering /

process automation

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THOMAS HOLM, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

MICHAEL OBST, Technische Universität Dresden

ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

LEON URBAS, Technische Universität Dresden

THOMAS ALBERS, SVEN KREFT, ULRICH HEMPEN, Wago Kontakttechnik

Die Absatzmärkte der Prozessindustrie – insbesondere

Chemie, Pharmazie, Nahrungsmittelherstellung

– sind zunehmend volatil: Die

nachgefragten Mengen sind schwerer prognostizierbar

und schwanken regional abhängig

in immer kurzfristigeren Zeitabständen. Die

Produktlebenszyklen werden durch die globale Verfügbarkeit

von Alternativen immer kürzer. Um am Markt

erfolgreich zu sein, müssen Produktinnovationen

schnell Marktreife erreichen, sobald alle Zulassungshürden

überwunden sind. Wird das Produkt vom Markt

angenommen, ist die Zeit bis zum Erreichen der geforderten

Produktqualität und -menge wesentlich für die

Wirtschaftlichkeit. Spätestens gegen Ende des Produktlebenszyklus

sollte die Produktion nahe an den

größten verbliebenen Absatzmärkten stattfinden, das

heißt, entsprechend verlagert werden können. Die klassischen

Produktionsverfahren der Prozessindustrie

erfüllen diese Anforderungen nur unzureichend: Konti-Anlagen

sind für eine bestimmte Produktionsmenge

pro Zeiteinheit optimiert, die möglichst über Jahre

nicht verändert werden sollte. Die höhere Flexibilität

konventioneller Batch-Anlagen geht mit unproduktiven

Zeiten, zum Beispiel während des Umrüstens einher.

Die Situation in der Fertigungsindustrie zeigt Analogien:

Die Chargenproduktion entspricht der Werkstattfertigung,

bei der an einem Arbeitsplatz zahlreiche

Produktionsschritte nacheinander durchgeführt

und Produktionsmittel nur suboptimal genutzt

werden. Die Konti-Anlage entspricht der Produktion

am Fließband. Damit konnte ein großer Produktivitätsfortschritt

erreicht werden, aber um den Preis, dass

die Anlage für einen bestimmten Arbeitspunkt ausgelegt

und daher unflexibel ist hinsichtlich wechselnder

Produktionsmengen.

Wie in der Fertigungsindustrie wird in der Prozessindustrie

nach Anlagenkonzepten gesucht, die die Vorteile

beider Verfahren kombinieren. Besonders vielversprechend

erscheint in dieser Hinsicht die Modularisierung

von verfahrenstechnischen Anlagen, bei der Anlagen

durch die Kombination von Modulen flexibel aufgebaut

werden. Einzelne Module realisieren jeweils standardisierte

Produktionsschritte und lassen sich entsprechend

des herzustellenden Produkts kombinieren. Änderungen

des Produkts werden durch den Tausch von Modulen

umgesetzt, die Produktionsmenge kann durch Hinzufügen

gleichartiger Module erhöht werden [1].

1. VORTEILE UND HERAUSFORDERUNGEN

DER MODULARISIERUNG

Ein wesentlicher Vorteil eines modularen Anlagenkonzepts

liegt in der Verkürzung der Zeit für Konzeption,

Planung, Aufbau und Inbetriebnahme der Anlage

und der flexiblen und späten Anpassbarkeit von

Kostenstrukturen an sich verändernde Marktbedingungen

[1, 2]. Der Vergleich gegenüber einer konventionellen

Anlage zeigt zwar zunächst höhere Investitionskosten,

die Produktion kann bei einer modularen

Anlage jedoch deutlich früher beginnen. Dies führt

früher zu Erträgen, wodurch sich die Investition

schneller amortisiert und die Gesamtkosten unter Umständen

sogar geringer ausfallen. Dieser Zeitgewinn,

verbunden mit den weiteren Vorteilen einer modularen

Anlage, wie beispielsweise Skalierbarkeit, ist

nur zu erreichen, wenn:

die Module in ihrer verfahrenstechnischen Funktion

mindestens die geforderten Vorgaben der Anlage

erfüllen,

die Modulhersteller notwendige Anpassungen an

sicherheits-, produkt-, und umweltspezifische Besonderheiten

ihrer Kunden durch automatisierte

Engineering-Workflows, Baureihenkonzepte und

Variantenmanagement effizient bedienen können,

die Kombination einer Anlage aus Modulen, beziehungsweise

die Integration eines Moduls in eine

bestehende Anlage durch geeignete Beschreibungsmittel,

Methoden und Werkzeuge, wesentlich

schneller erfolgen kann, als bei Planung und Bau

einer konventionellen Anlage

und schließlich die Modulhersteller aufgrund der

größeren Verantwortung für den verfahrenstech-

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35


HAUPTBEITRAG

nischen Prozess ihre Module als hybride Leistungsbündel,

also als eine Kombination von Sach- und

Dienstleistung über den gesamten Lebenszyklus,

anbieten können [3, 4].

Neben der räumlichen, mechanischen und elektrotechnischen

Integration ist dafür insbesondere eine Integration

der Leittechnik erforderlich [4], die die vertikale

Kommunikation zwischen Modul und übergeordneten

Informationssystemen und die horizontale Kommunikation

zwischen den Modulen ermöglicht [5].

Für den vertikalen Zugriff eines übergeordneten Leitsystems

auf die Module definiert die Namur-Empfehlung

NE 148 [6] drei Varianten: Variante 1 bezieht sich

auf Module, die keine differenzierten Funktionsschritte

benötigen. Sie erfordern daher nur eine Funktionsauslösung,

verbunden mit der zugehörigen Parametrierung.

Komplexere Module mit einzelnen Funktionsschritten,

Variante 2 und 3, brauchen für eine optimale

Einbindung den Zugriff auf die einzelnen Funktionen

innerhalb der Module.

Weiterhin müssen technologische und organisatorische

Voraussetzungen geschaffen werden, damit die

Engineeringabläufe so umgestaltet werden können,

dass der Engineeringaufwand während der Integration

eines Moduls in eine Anlage minimiert wird. Das

bedeutet, dass ein Großteil des Engineerings durch

den Lieferanten des Moduls bereits vorweggenommen

wird und das Modul sich an den Schnittstellen für

die Integration geeignet informationstechnisch repräsentiert,

sowohl offline beim Engineering als auch

online im Betrieb.

Die Integration in das Engineering bedingt eine digitale

Beschreibung des Moduls, basierend auf einer Standardmethodik.

Diese kann und sollte sich an bestehende

Technologien anlehnen, muss jedoch die Besonderheiten

verfahrenstechnischer Module berücksichtigen.

[6] definiert die zu beschreibenden notwendigen Eigenschaften

eines Moduls wie folgt

Verfahrenstechnische Funktionen

Automatisierungstechnische Verriegelungen

Bedienbilder (HMI)

Diagnosedaten

Alarmierungsfunktionen

Prozesswerte

Asset-Management-Parameter

Information zur Generierung eines Betriebsdatenerfassung-Systems

(BDE)

Soll das Modul in ein System integriert werden, bedarf

es einer digitalen Modellierung dieser Eigenschaften.

Das Format der Modulbeschreibung sollte, wie die

Kommunikationsprotokolle, offen verwendbar und keine

proprietäre Lösung sein. Nur so lässt sich sicherstellen,

dass die Information effizient im Integrationsengineering

verwendet werden kann.

2. KONZEPT

Eine zentrale Herausforderung der Modularisierung ist,

das Engineering, das heißt Planung und Aufbau beziehungsweise

Umbau modularer verfahrenstechnischer

Produktionsanlagen, möglichst schnell und kostengünstig

zu realisieren. Diese Aktivitäten stellen erhebliche

Anforderungen, speziell an das Automatisierungssystem

einer modularen Anlage. Für etablierte Prozessleitsysteme

lässt sich feststellen, dass diese für ein verteiltes

Engineering und den flexiblen Betrieb modularer

Anlagen nicht gut vorbereitet sind [7].

Um die fehlenden Fähigkeiten zu benennen und

Lücken aufzeigen zu können, müssen die zu erfüllenden

Aufgaben im Kontext des Engineerings modularer

Anlagen betrachtet werden. In dem F&E-Projekt

Dezentrale Intelligenz für Modulare Anlagen (Dima)

der Firma Wago mit der Technischen Universität

Dresden und der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

wurde eine Methodik für das Engineering des

Automatisierungssystems modularer verfahrenstechnischer

Produktionsanlagen erarbeitet. Diese wurde

prototypisch in das Wago-Engineering-Werkzeug

e!Cockpit implementiert.

Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur

ist es, den Aufwand zu minimieren, der während der

Integration eines Moduls in die Anlage anfällt. Dies

kann durch Verlagerung geeigneter aufwanderzeugender

Aktivitäten, zum Beispiel Auswahl und Auslegungsentscheidung,

in das Engineering des Modulherstellers

erreicht werden. Werden Aktivitäten aus

dem Anlagenengineering in das Modulengineering

verlegt, zerlegt sich der ursprüngliche Engineeringprozess

in zwei voneinander getrennte Engineeringprozesse:

einen in Verantwortung des Modulherstellers

und einen in Verantwortung des Anlagenbetreibers.

Es ist des Weiteren anzunehmen, dass die Höhe

der verlagerungsfähigen Engineeringaufwände mit

zunehmender Intelligenz des Moduls zunimmt. Intelligenz

wird im Beitrag, in Anlehnung an [8] als die

Fähigkeit eines Moduls definiert, seinen inneren Zustand

zu erkennen und in Grenzen zu beherrschen

und damit seine Integrität zu schützen, sowie die Fähigkeit,

seinen Zustand nach außen zu kommunizieren,

soweit gewünscht und erforderlich für einen Betrieb

im Verbund mit anderen. Dies gilt insbesondere

als Abgrenzungsmerkmal zu Modulen, die mit einem

nichtprogrammierbaren Automatisierungssystem

(zum Beispiel Remote I/O) ausgestattet sind. Denkbar

sind darüber hinaus Ansätze, bei denen Module über

eine eigene Beschreibung verfügen und so die Integration

unterstützen können [9]. Der Schwerpunkt liegt

hier weniger in der Übertragung der Daten als in der

geeigneten Modellierung der Information. Ein Modul

ist somit, ähnlich der bereits formulierten Modulvariante

2 beziehungsweise 3 der NE 148 [6], mit dezentraler

Intelligenz ausgestattet.

36

atp edition

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In Analogie zur physikalischen Modularisierung [10]

entspricht die funktionsgerichtete Modularisierung

einem dienstbasierten Ansatz. Dabei stellt ein Modul

seine verfahrenstechnische Funktion als Dienstleistung

einem übergeordneten Prozessleitsystem zur Verfügung.

Der vom Modul angebotene Dienst kann nach

Integration vom Prozessleitsystem abgerufen werden.

Dazu muss ein Modul folgende Grundfunktionalitäten

des Prozessleitsystems unterstützen:

Bedienen und Beobachten (BuB)

Melden und Protokolieren

Steuern und Überwachen

Zur Erfüllung dieser Funktionalität müssen während

des Integrationsengineerings folgende Aspekte und

Aufgaben realisiert werden:

Netzwerkengineering – mit dem Ziel der

Abbildung des physikalischen Kommunikationssystems

und Ermöglichen der Parametrierung

Realisierung von Teilen der Koordinierungs- und

Prozedursteuerung zum zeitgerechten Abrufen und

Überwachen (Orchestrierung) der Moduldienste

HMI-Engineering zur Realisierung der Bedienund

Beobachten-Funktionalität

Wie bereits erläutert, sind die Engineeringprozesse von

Modulhersteller und Anwender voneinander entkoppelt,

siehe Bild 1.

Unabhängig vom Engineering der Gesamtanlage

führt der Hersteller des Moduls das Modulengineering

durch. Dies umfasst unter anderem das Erstellen und

Laden des lauffähigen Softwarecodes der Modulsteuerung.

Zur Übertragung der zur Integration notwendigen

Ergebnisse des Modulengineerings werden diese in

einem Informationsträger gespeichert und dieser veröffentlicht.

Die benötigte Information wird so während

des Integrationsengineerings abrufbar und verwendbar.

Struktur und Inhalt dieses Informationsträgers

werden vertiefend in Abschnitt 3 betrachtet.

Durch Kombination mehrerer Module in einer Anlage

entsteht die Notwendigkeit, die Dienste der angeschlossenen

Module in eine für die Produktion des

gewünschten Produktes erforderliche geordnete Folge

zu bringen. So muss zum Beispiel bei einem kontinuierlich

betriebenen Reaktionsprozess das Anfahren des

Reaktors mit dem Vorlegen der Ausgangsprodukte abgestimmt

werden. Da diese zusätzliche Orchestrierungsfunktion

erst durch Kombination verschiedener

Module notwendig wird, muss dies von einer noch

während des Integrationsengineerings zugänglichen

Automatisierungsinstanz, zum Beispiel dem überge-

BILD 1: Engineeringprozess

einer modularen Anlage mit

dezentraler Intelligenz

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37


HAUPTBEITRAG

ordneten Leitsystem, übernommen werden. Um die

Dienste modulübergreifend orchestrieren zu können,

ist die Kenntnis der aktuellen Zustände der Module,

beispielsweise startend, laufend, gestoppt, notwendig.

Diese Information wird durch die dezentrale Intelligenz

eines jeden Moduls ermittelt und über eine Kommunikationsschnittstelle

zugänglich gemacht. Die

Definition der Zustände muss hersteller- und modulunabhängig

und somit einheitlich über alle Module

hinweg geschehen. Bild 2 zeigt eine Definition von

Zuständen und legt die Bedingungen der möglichen

Zustandsübergänge fest.

Die Orchestrierung der Dienste entspricht einer Prozedursteuerung

gemäß DIN EN 61512. Diese bestimmt,

dass „Aktionen in einer geordneten Folge stattfinden,

damit eine prozessorientierte Aufgabe durchgeführt

wird“ [11]. Um die Orchestrierungsfunktionalitäten zu

realisieren, bringen heutige Batch-Werkzeuge mit der

Umsetzung der DIN EN 61512-Definitionen alle erforderlichen

Voraussetzungen mit, unabhängig davon, ob

der zu steuernde Produktionsprozess kontinuierlicher

oder diskreter Natur ist [12, 13].

Unabhängig vom Charakteristikum des Prozesses

werden in modularen Anlagen modulübergreifende

Verriegelungen und Regelungen benötigt. Diese stellen

hohe Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit. Da die

Steuerungen der Module vom Modulhersteller programmiert,

die Regelungs- und Verriegelungsbedingungen

aber erst während der Auswahl und Integration

der Module spezifiziert werden, wird eine weitere

Steuerung benötigt. Durch die herausgehobene Aufgabe

dieser Steuerung wird sie, in Anlehnung an die

Fertigungsautomatisierung, Kopfsteuerung genannt.

Das Programm dieser Steuerung überwacht die modulübergreifenden

Verriegelungen, koordiniert die

Datenweiterleitung für modulübergreifende Regelungen

und stellt darüber hinaus das anlagenweite

Notauskonzept sicher.

Der Erfordernis nach einer Bedien- und Beobachtbarkeit

des über mehrere Module verteilten Prozesses wird

mit der Nutzung eines Scada-Systems (als Teil eines

PLS oder als Stand-alone-System) entsprochen. Die zentrale

Herausforderung ist die Realisierung des nach [6]

formulierten einheitlichen Look-and-feel einer modularen

Anlage.

Das Bedienbild eines Moduls wird durch den Modulhersteller

angefertigt. Dieser kennt die in industriellen

Anlagenprojekten meist projektspezifisch verwendete

Bedienbildbibliothek des übergeordneten

Systems zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Die

Generierung des modulspezifischen Bedienbildes im

Leitsystem der Gesamtanlage kann somit erst während

des Gesamtanlagenengineerings erfolgen, da zu diesem

Zeitpunkt die Bedienbildbibliothek einheitlich festgelegt

wird. Zur Umsetzung der modulspezifischen Bedienbilder

in solche mit projekteinheitlichen Bedienbildelementen

müssen die Bedienbilder in einer darstellungsunabhängigen

Beschreibungsform vorliegen.

Die Layout- und die Rolleninformation sind dann

durch einen Algorithmus zugänglich, der die projektabhängigen

Bedienbildelemente in gewünschter Darstellung

und Lage auf das Bedienbild setzt und mit den

Daten der Module verknüpft [14].

Für die datentechnische Verknüpfung eines

Bedien bildelements mit den Variablen des Softwarecodes

der Modulsteuerung muss ebenfalls ein zuvor

abgestimmter Informationsraum vorliegen. Dazu arbeitet

der Namur-AK 1.12 aktuell an einer Bibliothek

mit dem Ziel, die darzustellende Information hinter

einem Bedienbildelement durch eine harmonisierte

eindeutige Merkmalskennung zu annotieren, um in

allen beteiligten Automatisierungssystemen den gleichen

Inhalt abzubilden.

Die Information, die im Modulengineering erarbeitet

und während des Gesamtanlagenengineerings benötigt

wird, wird in einem instanzspezifischen Informationsträger

abgelegt. Mit Hilfe dieses Informationsträgers

lässt sich dann das Zielsystem entsprechend konfigurieren,

siehe Bild 3. Da während des Modulengineerings

noch keine Kenntnis über das übergeordnete

Prozessleitsystem der Gesamtanlage besteht, muss während

des Gesamtanlagenengineerings eine Übersetzung

in das zielsystemspezifische Datenformat erfolgen. Dies

übernehmen Schnittstellen, die im Beispiel im Wago-

Engineeringwerkzeug e!Cockpit hinterlegt sind.

3. MTP ALS BESCHREIBUNG VON MODULEN

Die in heutigen Anlagen eingesetzten Geräte und Apparaturen

werden zunehmend komplexer [15]. Das

Funktionsspektrum der Geräte kann zum Teil nachträglich

durch zusätzliche Bedienelemente verändert

und die dazu notwendigen Parameter übermittelt werden

[15]. Die Information, die für die Konfiguration der

Geräte und die im Produktionsbetrieb erforderliche

Echtzeitkommunikation notwendig ist, wird mit Gerätebeschreibungsdateien

realisiert. Eine Gerätebeschreibung

ist eine „[...] im Kontext eines Leitsystems

gehaltene Integrationskomponente, die das Verhalten

eines Feldgerätetyps in Betrieb und Konfiguration beschreibt

und somit das Feldgerät repräsentiert“ [16].

Die Spanne reicht von textbasierten Beschreibungen

(GSD, DD, EDD) bis hin zu softwarebasierten Artefakten

wie FDT/DTM und Mischformen (zum Beispiel

FDI Device Package).

Ein Modul besteht aus mehreren Geräten. Im Unterschied

zu nicht-modularen Anlagen ist es hier nicht

notwendig, die Geräte in ein Prozessleitsystem zu integrieren.

Bei modularen Anlagen kann, durch Einsatz

von dezentraler Intelligenz, die wunschgemäße Integration

der Geräte, einschließlich der gesamten Konfiguration

und Parametrierung, auf Ebene des Moduls

geschehen, vergleiche Abschnitt 2. Die Modulsteue-

38

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BILD 2: Zustände

und Zustandsübergangsmodell

gemäß

DIN EN 61512-1

BILD 3: Dima-Architektur mit Konfigurations- (offline)

und Produktionskommunikation (online)

rung wird damit befähigt, mit den Geräten direkt zu

kommunizieren.

Durch die Kombination mehrerer Geräte im Modul

entstehen zusätzliche Funktionen (Emergenz). So kann

durch Kombination eines Behälters mit Einlass- und

Auslassventilen und einer Rühreinrichtung die Funktion

Vermischen realisiert werden. Diese muss, um eine

wunschgemäße Ausführung zu sichern, parametriert

werden, und die Ausführung der Funktion muss überwacht

werden. Dies übernimmt das übergeordnete Prozessleitsystem

der Anlage. Dazu muss, in Analogie zur

Geräteintegration, das Fähigkeitsprofil des Moduls in

das Prozessleitsystem integriert werden. Dies umfasst

zum einen die Beschreibung des Bearbeitungsverfahrens,

wie zum Beispiel Temperieren oder Vermischen

und zusätzliche Attribute, die zur genaueren Spezifizierung

und damit zur wunschgemäßen Ausführung

dienen. Zum anderen enthält die Beschreibung einen

Zugang zum Zustandsmodell, das zur Überwachung

des Moduls dient und eine Möglichkeit zur Einflussnahme

eines Bedieners der Anlage beinhaltet. Letzteres

wird mit Hilfe von HMI-Funktionalitäten umgesetzt.

Was unterscheidet nun Beschreibungsmodelle komplexer

Feldgeräte vom Beschreibungsmodell eines Moduls?

Untersuchungen zeigen, dass die zu übermittelnden

Informationsinhalte ähnlich sind [17]. Auch der

Zeitpunkt im Lebenszyklus einer modularen Anlage,

zu dem die Beschreibungsmodelle genutzt werden, ist

identisch. In Anlehnung an [16] und [6] entsprechen sie

folgenden Phasen:

Engineering

Inbetriebnahme

Anlagenerweiterung/Numbering-up durch

baugleiche Module

Gerätetausch/Modultausch

Fehlerbehebung

Funktionserweiterung zusätzliches Modul

Vorausschauende Wartung

Wie in Abschnitt 2 ausgeführt, wird im Projekt Dima die

Überwachungs- und Parametrierfunktionalität als Teil

der Prozedur- und Koordinierungssteuerung durch ein

Batch-System und die Bedien- und Beobachtungsfunktionalität

durch ein Scada-System verrichtet. In diese Systeme

müssen die Funktionsbeschreibungen der Module

integriert werden. Die zur Integration erforderliche Information

liegt außerhalb des Anwendungsbereichs von

Gerätebeschreibungsdateien [17]. Aus diesem Grund ist

es nötig, bestehende Geräteintegrationskonzepte um diese

Anteile zu erweitern. Das Ergebnis dieser Erweiterung

wird Module Type Package (MTP) genannt. In diesem

Modulbeschreibungsmodell wird die notwendige Information

zur anwenderunabhängigen Integration in ein

atp edition

11 / 2014

39


HAUPTBEITRAG

Scada- und Batch-System abgelegt. Dies umfasst bei Nutzung

der OPC-Technologie folgende Information:

Generische und zielsystemunabhängige Beschreibung

des Modulbedienbildes

Bedienbildelemente mit vereinheitlichter Schnittstelle

und Beschreibung des darzustellenden Informationsumfangs

OPC-Tag-Bezeichnungen der Bedienbildelemente

Veröffentlichte Dienste mit vereinheitlichter

Schnittstelle gemäß Zustandsmodell der

DIN EN 61512

OPC-Server-Bezeichnungen und OPC-Tag-Bezeichnungen

der Dienstparameter

Bei der Realisierung eines solchen Informationsträgers

bestehen mehrere Randbedingungen. Zum einen gibt

es technische Anforderungen. Hier gilt es vor allem,

die bereits formulierten Integrationsbereiche geschickt

zu modellieren [17, 18]. Neben der formalen Beschreibung

des Informationsträgers liegt ein weiterer Schwerpunkt

auf der Integrationstechnik, mit der Information

in das Prozessleitsystem eingebracht werden kann. Eine

Schnittstelle, die das Einlesen eines Informationsträgers

in jedes Prozessleitsystem ermöglicht, ist derzeit

nicht vorhanden. Die Standardisierung einer solchen

ist mit großem Aufwand und langen Entwicklungszeiten

verbunden. Der im Beitrag gewählte Ansatz ermöglicht

aus diesem Grund die flexible Anpassung der

Schnittstelle an das ausgewählte Prozessleitsystem,

beziehungsweise dessen gewünschte Funktionalität.

Der dabei entstehende Anpassungsaufwand liegt hierbei

beim jeweiligen Integrationswerkzeug (e!Cockpit).

Den Autoren ist bewusst, dass der Aufbau des MTP

zum jetzigen Zeitpunkt proprietär ist. Er gilt als erster

Vorstoß und stellt eine Basis für zukünftige Standardisierungsbemühungen

dar.

4. PROTOTYPISCHE IMPLEMENTIERUNG

Der vorgestellte Ansatz basiert auf zwei voneinander

losgelösten Engineeringprozessen: Der Modullieferant

projektiert und veröffentlicht einzelne Module, der Anlagenbetreiber

nutzt die jeweiligen Modulbeschreibungen

im Integrationsengineering und projektiert die

Gesamtanlage. Beide Engineeringprozesse und der Datenaustausch

zwischen ihnen wurden im Rahmen des

Projektes Dima prototypisch in das e!Cockpit integriert.

Die Integration erfolgte beispielhaft am Scada-System

WinCC von Siemens und Batch-System Proficy-Batch

von General Electric.

BILD 4:

Wesentliche

Phasen des Modulengineerings

(1-3)

und das Kapseln

der Information

in einem MTP (4).

40

atp edition

11 / 2014


Das Modulengineering gliedert sich dabei im Wesentlichen

in vier Phasen, siehe Bild 4:

1 | Konfiguration und Parametrierung der Automation:

Hier profitiert das Engineering von Daten

vorgelagerter Softwarewerkzeuge. So können

beispielsweise Stationsaufbauten, Anschlussidentifikationen,

Adresszuordnungen sowie Variablenbezeichnungen,

wie Temperatur, aus Planungswerkzeugen,

zum Beispiel Eplan, übernommen

werden. Das Bild zeigt einen konfigurierten

Knoten.

2 | Applikationsentwicklung: Auf Basis der importierten

Daten werden automatisch eine Programmhierarchie

und Variablenlisten erzeugt. Diese verwendet

der Benutzer zur Programmierung einzelner

Funktionen und Dienste des Moduls.

3 | Bedienoberflächen erstellen: Ergänzend zu den

Programmen werden Oberflächen zum Bedienen

& Beobachten erarbeitet.

4 | Modulkonfiguration: Nach Fertigstellung des

Modul-Engineerings wird ein MTP generiert.

Dazu beschreibt der Benutzer die Metadaten, wie

Hersteller, Version, Bild, Funktionsweise, konfiguriert

die nach außen sichtbaren Dienste des

Moduls, beispielsweise Temperieren, die entsprechenden

Oberflächen und deren Kommunikationseinstellungen.

Mit Abschluss des Modulengineerings liegt mit dem

MTP ein Informationsträger vor, der sich in jede

e!Cockpit-Instanz installieren lässt – das Modul steht

damit im Produktkatalog zur Nutzung bereit.

Bild 5 zeigt das Integrations-Engineering in der Übersicht:

1 | Die einzelnen Komponenten der Anlage (Module,

Kopfsteuerung, Leitsystemrepräsentanten) werden

aus dem Produktkatalog in die Netzwerksicht

überführt und dort als Quadrat dargestellt.

2 | Einzelne Repräsentanten und deren Kommunikationsbeziehungen

werden konfiguriert: So werden

unter anderem die Kommunikation (im Beispiel

OPC-Server), die bereitgestellten Daten und die

Adressbereiche von einer Kopfsteuerung zum

Batch-System definiert.

Die prototypische Implementierung in e!Cockpit ermöglicht

ein durchgängiges Modul- und Integrationsengineering.

Es untermauert an einem praktischen

Beispiel, dass beide Engineeringprozesse losgelöst voneinander

durchführbar sind und dass sich ein MTP als

Informationsträger eignet.

BILD 5: Wesentliche Phasen des Integrationsengineerings:

Überführen einzelner Module,

einer Kopfsteuerung sowie der Leitsystemrepräsentanten

aus dem Produktkatalog in das

Integrationsprojekt (1). Projektieren der einzelnen

Komponenten am Beispiel von Proficy Batch (2).

atp edition

11 / 2014

41


HAUPTBEITRAG

ZUSAMMENFASSUNG

Die NE 148 formuliert zahlreiche Anforderungen an

die Automatisierung modularer Prozessanlagen. Im

Beitrag wird ein Konzept mit Lösungsansätzen zur Umsetzung

der NE-148-Anforderungen präsentiert. Dabei

wurden die technischen und die organisatorischen

Aspekte des Engineerings betrachtet.

Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur

ist die Minimierung des Aufwands während der Integration

eines Moduls in die Anlage. Dies lässt sich durch

Verlagerung von Aufwand in das Engineering des Modullieferanten

erreichen. Der Leitsatz der dezentralen

Intelligenz für modulare Anlagen beinhaltet eine Modul-

definition, die diese zeitliche Vorverlagerung erlaubt. Die

Module werden dadurch befähigt, die Basisautomatisierung

und Teile der Prozedur- und Koordinierungssteuerung

der Gesamtanlage zu übernehmen. Die intendierten

verfahrenstechnischen Funktionen der Module werden

dem übergeordneten Prozessleitsystem durch Dienste zur

Verfügung gestellt. Im Prozessleitsystem müssen die

Dienste in einer geordneten Weise abgerufen und die

Ausführung überwacht, bedient und beobachtet werden.

Heutige Batch-Systeme ermöglichen diese Orchestrierungsfunktion

und werden über eine offene

Schnittstelle aus dem Wago-Engineering angepasst. Ein

Scada-System (als Teil eines PLS oder als Stand-alone-

System) realisiert die Bedien- und Beachtungsfunktio-

AUTOREN

Dipl.-Ing. THOMAS HOLM (geb. 1979) ist wissenschaftlicher

Mitarbeiter an der Professur für Automatisierungstechnik

der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr

Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im effizienten

Engineering von Automatisierungssystemen flexibler

Produktionsanlagen.

Institut für Automatisierungstechnik,

Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg,

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,

Tel. +49 (0) 40 65 41 33 27, E-Mail: thomas.holm@hsu-hh.de

Dipl. Ing. MICHAEL OBST (geb. 1985) ist wissenschaftlicher

Mitarbeiter der Professur für Prozessleittechnik an der

Technischen Universität Dresden mit den Schwerpunkten:

InformationsmodelIierung, Unterstützungssysteme für

modulares Anlagenengineering und fallbasiertes Schließen.

Institut für Automatisierungstechnik,

Technische Universität Dresden, D-01062 Dresden,

Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62, E-Mail: michael.obst@tu-dresden.de

Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER FAY (geb. 1970) ist Professor für

Automatisierungstechnik an der Fakultät für Maschinenbau

der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr

Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt sind Beschreibungsmittel,

Methoden und Werkzeuge für einen effizienten

Entwurf von Automatisierungssystemen.

Institut für Automatisierungstechnik,

Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg,

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,

Tel. +49 (0) 40 65 41 27 19, E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de

Prof. Dr.-Ing. LEON URBAS (geb. 1965) ist Inhaber der

Professur für Prozessleittechnik an der Technischen

Universität Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete beim

Engineering verteilter sicherheitskritischer Systeme

sind Funktionsintegration, modellgetriebenes

Engineering, Modularisierung, Informationsmodelle

der Prozessindustrie und Middleware in der Automatisierungstechnik.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet

die Gebrauchstauglichkeit von mobilen Informationssystemen

für die Prozessindustrie, Analyse, Gestaltung

und Bewertung von Alarmierungs- und Unterstützungssystemen

sowie Methoden der Benutzermodellierung

zur prospektiven Gestaltung von

Mensch-Technik-Interaktion.

Institut für Automatisierungstechnik,

Technische Universität Dresden, D-01062 Dresden,

Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,

E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de

Dr. rer. nat. THOMAS ALBERS (geb. 1963) ist Technischer

Leiter Automation der Wago Kontakttechnik

GmbH & Co. KG. Nach seinem Studium der Diplomphysik

mit anschließender Promotion war er Entwicklungsleiter

bei Specs in Berlin, anschließend

Entwicklungsleiter bei Baumüller Nürnberg Electronic

und ist heute verantwortlich für Entwicklung,

Produktmanagement und Marketing der Automatisierungsprodukte

bei Wago.

Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,

Hansastraße 27, D-32423 Minden,

Tel. +49 (0) 571 88 71 32,

E-Mail: thomas.albers@wago.com

42

atp edition

11 / 2014


nalität. Für ein einheitliches Look-and-feel der Bedienoberflächen

bedarf es dabei einer systemunabhängigen

Beschreibung des HMI. Über eine offene Kommunikationsschnittstelle

können die Bedienbilder durch

e!Cockpit in das Scada-System integriert werden.

Die aufgezeigten Lösungsansätze lassen sich nur realisieren,

wenn die Werkzeuge der PLS-Ebene über offene

Schnittstellen verfügen. Hier sind Interessengemeinschaften

und Verbände, wie Namur und GMA,

gefordert, die Hersteller von Prozessleitsystemen in die

Pflicht zu nehmen.

MANUSKRIPTEINGANG

13.08.2014

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

Dr.-Ing. SVEN KREFT (geb. 1982) studierte

Naturwissenschaftliche Informatik mit der

Fachrichtung Robotik an der Universität

Bielefeld. Anschließend war er als wissenschaftlicher

Mitarbeiter in der Fachgruppe

Produktentstehung am Heinz Nixdorf Institut

der Universität Paderborn beschäftigt.

Er promovierte 2012 mit einem Beitrag

zur effizienten Bildung geospezifischer

Umgebungsmodelle für interaktive Fahrsimulationen.

Heute ist er Software-

Produktmanager bei Wago Kontakttechnik.

Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,

Hansastraße 27, D-32423 Minden,

Tel. +49 (0) 571 88 77 76 86,

E-Mail: sven.kreft@wago.com

Dipl.-Ing. ULRICH HEMPEN (geb. 1964) ist

Leiter des internationalen Key Account und

Branchenmanagements für die Prozess-,

Fertigungs-, Transport- und Schiffsindustrie

der Wago Kontakttechnik. Nach seinem

Studium der Elektrotechnik war er zunächst

verantwortlicher Produktmanager für

intelligente Feldgeräte bei Hartmann & Braun,

Bereichsleiter für Systemtechnik bei

Endress+Hauser und geschäftsführender

Gesellschafter von Endler & Kumpf.

Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,

Hansastraße 27, D-32423 Minden,

Tel. + 49 (0) 571 88 73 80,

E-Mail: ulrich.hempen@wago.com

REFERENZEN

[1] Urbas, L.; Bleuel, S.; Jäger, T.; Schmitz, S.; Evertz, L.; Nekolla, T.:

Automatisierung von Prozessmodulen. Von Package-Unit-Integration

zu modularen Anlagen. atp edition – Automatisierungstechnische

Praxis 54(1-2), S. 44-53, 2012

[2] Lier, St.: Entwicklung einer Bewertungsmethode für die

Modularisierung von Produktionssystemen in der Chemieindustrie.

Dissertation Ruhr-Universität Bochum, 2013

[3] Meier, H., Uhlmann, E.: Hybride Leistungsbündel – ein neues

Produktverständnis. In: Meier, H., Uhlmann, E. (Hrsg.) Integrierte

Industrielle Sach- und Dienstleistungen, S. 1-21. Springer 2012

[4] Obst, M.; Holm, T.; Bleuel, S.; Claussnitzer, U. ; Evertz, L.; Jäger, T.;

Nekolla, T.; Pech, S.; Schmitz, S.; Urbas, L.: Automatisierung im Life

Cycle modularer Anlagen. atp edition – Automatisierungstechnische

Praxis 55(1-2), S. 24-31, 2013

[5] Fay, A.; Drumm, O.; Eckardt, R.; Gutermuth, G.; Krumsiek, D.; Löwen,

U.; Schertl, A.; Schindler, T.; Schröck, S.: Anforderungen an Leitsysteme

durch Industrie 4.0. In: Tagungsband Automation 2014, [CD].

VDI, 2014

[6] NE 148: Anforderungen an die Automatisierungstechnik durch die

Modularisierung verfahrenstechnischer Anlagen. Namur 2013

[7] Urbas, L.: Zentrales Leitsystem ja oder nein?. process-online:

http://www.process.vogel.de/automatisierung_prozessleittechnik/

articles/451796/?cmp=nl-98; zuletzt: 21.07.2014

[8] Stern, W.: Allgemeine Psychologie auf personalitischer Grundlage.

Haag: Martinus Nijhof 1935

[9] Kainz., G; Keddis, N., Pensky, D., Buckl, Ch., Zoitl, A., Pittschellis, R.,

Kärcher, B. AutoPnP – Plug-and-produce in der Automation.

Wandelbare Fabrik als cyber-physisches System atp edition

Auto matisierungstechnische Praxis 55(4), S. 42-49, 2013

[10] Hady, Łukasz; Wozny, Günter: Multikriterielle Aspekte der Modularisierung

bei der Planung verfahrenstechnischer Anlagen. Chemie

Ingenieur Technik 84 (5), S. 597–614, 2012. DOI: 10.1002/cite.201100175

[11] DIN EN 61512-1: Chargenorientierte Fahrweise. Beuth 2010

[12] Brandl, D.: Design patterns for flexible manufacturing. ISA 2007

[13] Hawkins, W.; Brandl, D.: Applying ISA-88 in discrete and continuous

manufacturing. Momentum Press, 2010

[14] Urbas, L.; Doherr, F.: autoHMI: a model driven software engineering

approach for HMIs in process industries. In: Proc. IEEE Int. Conf.

Computer Science and Automation Engineering, S. 627-631. IEEE 2011

[15] Greifender, J.; Schulz, D.; Rodriguez, P.: Standardprofile für elektrische

Geräte. Ein IEC 61131-Funktionsbausteinkonzept. atp edition

Auto matisierungstechnische Praxis 55(9), S. 34-43, 2013

[16] Gredy, G.; Hähniche, J.; Brcic, M.: Konfigurationsmanagement

im Anlagenlebenszyklus. Effiziente Versionsverwaltung von

Kom ponenten. atp edition – Automatisierungstechnische Praxis 55(10),

S. 30-36, 2013

[17] Obst, M.; Hahn, A.; Urbas, L.: Package-Unit-Integration in der

Prozessindustrie. Was fehlt für Plug-and-produce? atp edition

Automatisierungstechnische Praxis 56(1-2), S. 56-66, 2014

[18] Obst, M.; Runde, S.; Wolf, G.; Urbas, L.: Integration Requirements of

Package Units - A Description Approach with FDI. In: Proc. 18th int.

IEEE Conf. Emerging Technologies & Factory Automation (ETFA 2013).

IEEE, 2013. DOI:10.1109/ETFA.2013.6647974

atp edition

11 / 2014

43


HAUPTBEITRAG

Kommunikation mit

AutomationML beschreiben

Formale Modellierung industrieller Kommunikationssysteme

Kommunikationssysteme sind integraler Bestandteil moderner Steuerungssysteme,

da sie die von den Steuerungssystemen genutzten Peripheriegeräte miteinander verbinden.

Die Planung von Produktionssystemen und den in sie eingebetteten Steuerungssystemen

muss Kommunikationssysteme detailliert berücksichtigen. In jeder

Phase des Entwurfs entstehen relevante Daten für den Entwurf des Kommunikationssystems,

die in späteren Phasen benötigt werden. Die Weitergabe dieser Planungsinformation

im Lebenszyklus des Produktionssystems zwischen den Werkzeugen

bildet noch heute ein technisches Problem. Es steht kein passendes Datenaustauschformat

zur Verfügung, das eine konsistente und verlustfreie Informationsweitergabe

zwischen Entwurfswerkzeugen ermöglicht. Im Rahmen des

AutomationML e.V. wurde eine Methode entwickelt, Kommunikationssysteme auf

Basis des Datenaustauschformats darzustellen, ausgehend von formalen Modellen.

Die Methode wird in diesem Beitrag vorgestellt.

SCHLAGWÖRTER AutomationML / Engineering / Modellierung / Austauschformat /

Kommunikationssysteme

Modelling of Industrial Communication Systems with AutomationML –

Formal Modelling of Industrial Communication Systems

Communication systems are an integral part of modern control systems as they form

the backbone of the communication between automation devices. The engineering

of production systems and the integrated control systems has to take into account

the details of the communication system. In each phase of the development process,

engineering data is generated which is required in subsequent phases. However, the

transfer of planning information through the life cycle of the production system is

still a problem. Data exchange is not supported by any neutral data format which

would enable the consistent and loss-free transfer of information engineering tools.

A method is presented here for the modelling of communication systems based on

AutomationML, developed by the AutomationML e.V.

KEYWORDS AutomationML / engineering / modelling / data exchange format /

communication systemss

44

atp edition

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MATTHIAS RIEDL, Institut für Automation und Kommunikation

ARNDT LÜDER, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg

BENNO HEINES, Phoenix Contact Electronics

RAINER DRATH, ABB Forschungszentrum

Das Rückgrat des Informationsaustauschs zwischen

den Automatisierungsgeräten in digitalen

Produktionssystemen bilden industrielle Kommunikationssysteme.

Die Kommunikationssysteme

müssen bei der Planung der Produktionssysteme

auf den Bedarf des Nachrichtenaustauschs abgestimmt

werden, um die wesentlichen Zielsetzungen – die

Zusicherung des Datenaustauschs und eine optimale

Ausnutzung der Bandbreite – zu erreichen. Die Planungsdaten

beeinflussen damit entscheidend die Betriebsphase

des Produktionssystems. Daneben werden beispielsweise

die Planungsdaten für die Simulation des Gesamtsystems

im Rahmen der virtuellen Inbetriebnahme oder für Diagnosezwecke

herangezogen.

Nachteilig ist die momentan nicht einheitliche Behandlung

der Planungsdaten. Gründe hierfür sind Einflüsse

der herstellerspezifischen Engineeringwerkzeuge beziehungsweise

Unterschiede der betrachteten industriellen

Kommunikationssysteme. Der Beitrag behandelt die im

Rahmen von AutomationML [1] entstandene Methode für

die Spezifikation eines vereinheitlichten Austauschformats

für die Beschreibung der Planungsdaten von industriellen

Kommunikationssystemen. Die in der Methode

zu berücksichtigende Information wurde mit Hilfe praxisrelevanter

Anwendungsfälle bestimmt. Diese Anwendungsfälle

wurden anschließend in einer Analysephase

genügend abstrahiert, um deren Allgemeingültigkeit zu

erhöhen. In einem dritten Schritt wurden formale Beschreibungen

des Datenhaushalts der beteiligten automatisierungstechnischen

Geräte und der Kommunikationsmöglichkeiten

anhand von UML-Diagrammen erstellt

und konsolidiert. Im Beitrag werden diese UML-Diagramme

als Basis für die Überlegungen genommen, um die

daraus abgeleiteten Abbildungen in das Austauschformat

auf Basis von CAEX gemäß IEC 62424 [2] aufzuzeigen. Es

werden die wichtigsten Modellierungsaspekte von AutomationML

zur Darstellung von Objekten, deren Bedeutung

und deren Beziehungen untereinander in Relation

zum Anwendungsgebiet verdeutlicht.

Die entwickelte Methode zur Abbildung der Planungsdaten

basiert auf der Betrachtung der logischen und physikalischen

Topologie des industriellen Kommunikationssystems

und der daran angeschlossenen Geräte. Im

Ergebnis wurde eine Bibliothek von kommunikationsspezifischen

Rollen spezifiziert, die alle notwendigen semantischen

Objekte für die Beschreibung von Kommunikationssystemen

enthält. Sie beinhaltet Rollen, die für physikalische

Netzwerke, Geräte und Verbindungen sowie

für logische Netzwerke, Geräte und Verbindungen die

entsprechenden Semantiken bereitstellen.

1. MOTIVATION

Für die Modellierung der zuvor genannten Anforderungen

wurde der Ansatz verfolgt, ein zunächst abstraktes

Informationsmodell zu beschreiben, das wichtige Strukturen,

Zustände und Zusammenhänge der Kommunikationsteilnehmer

aus Sicht des gesamten Steuerungssystems

abbildet. Diese Modellierung ist nicht trivial, da die

klassische Industrie automation durch zentrale Strukturen

gekennzeichnet ist, das heißt in der Steuerung werden

zyklisch (zeitgesteuert) alle Sensordaten zusammengeführt,

informationstechnisch verarbeitet und resultierende,

(nötige und berechnete) Stellsignale ausgegeben.

Die Einführung digitaler industrieller Kommunikationssysteme

(Feldbusse, zum Beispiel Profibus, Interbus, Profinet)

hat zu einer Dezentralisierung der Datenvorverarbeitung

der Sensor-/Aktorebene geführt, die Informationsverarbeitung

und Abarbeitung von Regelalgorithmen

erfolgt aber weiterhin überwiegend zentral. Moderne

Feldgeräte (Sensoren und Aktoren) zeichnen sich zunehmend

durch höhere Prozessorleistungen aus, die für mehr

Informations verarbeitung sowie eine rechenintensive

Feld-Kommunikation (Umsetzung der Information auf

Feldbussprotokolle) direkt im Gerät genutzt werden. Dies

ermöglicht eine echte Funktionsverteilung, die künftig

auch azyklisch (ereignisgesteuert) erfolgt, sowie die vertikale

Integration zu betrieblichen Informationsverarbeitungssystemen.

Dadurch entstehen neue Automatisierungsarchitekturen

[10]. All diese Aspekte müssen modelliert

werden und in Beziehung bis hin zur Sichtweise

der Leitebene gesetzt werden, die lediglich eine übergeordnete

Sicht auf die einzelnen Geräte besitzt [3].

atp edition

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45


HAUPTBEITRAG

Für die Modellierung von Kommunikationssystemen

existieren bereits verschiedene Modellierungsmethoden,

die jedoch meist auf spezifische Eigenschaften der Kommunikationssysteme

fokusiert sind. Beispiele dafür: die

Modellierung von Kommunikationsprotokollen zur Validierung

[12], die Modellierung von Kommunikationsdatenpaketen

zum Onlinemonitoring [13], die formale

Verifikation von Proto kollverhalten [14] und die Modellierung

von Zeitverhalten [15]. Die den Autoren bekannten

Modellierungsmethoden reichen jedoch nicht aus,

alle relevanten Eigen schaften von Kommunikationssystemen

zu beschreiben, wie sie unter anderem in [16,17]

angedeutet sind.

Die Modellierung der in einem Kommunikationssystem

beteiligten Partner und deren auszutauschende

Information wurde zunächst abstrakt und vollkommen

unabhängig von einer späteren konkreten Beschreibungssprache

durchgeführt. Dies diente vor allem

dazu, den Blick nicht durch sprachliche oder impleclass

CommunicationStructure

communicationStructure

InternalElement

logicalTopology

physicalTopology

physicalDevice

BILD 1: Struktur der beschriebenen Aspekte

class LogicalTopology

logicalTopology

1..*

logicalConnection

«Property»

+ logicalConnectionId: xs:ID

+ logicalEndPointIdRefs: xs:IDREFS

1

1..*

1

logicalEndPoint

«Property»

1..* + logicalEndPointId: xs:ID

+ logicalEndPointRole: xs:string

BILD 2: Struktur einer logischen Verbindung

class PhysicalTopology

physicalTopology

1..*

physicalConnection

«Property»

+ physicalConnectionId: xs:ID

+ physicalEndPointIdRefs: xs:IDREFS

physicalEndPoint

«Property»

1..* + physicalEndPointId: xs:ID

+ logicalEndPointRef: xs:IDREF

BILD 3: Struktur einer physischen Verbindung

Komplexer wird diese Thematik, wenn zusätzlich der

Planungs prozess einer Produktionsanlage mit betrachtet

wird. Hier kommen mehrere, unterschiedliche und spezialisierte

Werkzeuge zum Einsatz, die jeweils einen Teilaspekt

des Engineerings abdecken, zum Beispiel Identifikation

von Kommunikationsverbindungen, Entwurf von

Verkabelungsstrukturen, Konfiguration der intelligenten

Feldgeräte, Konfiguration der Feldbussysteme, Integration

der Feldgeräte daten in die Steuerungssysteme und deren

Abbildung auf interne Variablen, die einen symbolischen

Namen erhalten. Die dabei entstehenden Informationsmengen

werden zumeist getrennt gespeichert. Zudem werden

die Relationen zwischen den verschiedenen Daten, die nach

dem Engineering in den beteiligten Automatisierungsgeräten

vorliegen, nach heutigem Stand im Nachgang per Hand

zusammengestellt und gepflegt. Diese verteilte Datenhaltung

und das händische Vorgehen können als ein Grund

für bestehende Fehlerpotenziale im Entwurfsprozess angesehen

werden. Zum Beispiel entstehen Inkonsistenzen

durch Änderungen, die bei der Inbetriebnahme durchgeführt

und in den übergreifenden Dokumenten unzureichend

gepflegt werden. AutomationML kann als Bindeglied

dienen, bei dem die beteiligten Werkzeuge ihre Daten einheitlich

ex- und importieren können und somit ein Datenabgleich

computergestützt vorgenommen werden kann.

So ist es heute zum Beispiel für eine Prozessvariable nicht

möglich, diese durchgängig von der Gerätebeschreibung

für die Kommunikations konfiguration, als Variable einer

speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS), im Inbetriebnahmewerkzeug

und in der Asset-Management-Anwendung

eindeutig maschinenunterstützt zuzuordnen. Der

Ingenieur, der beispielsweise einen Fehler sucht, muss in

verschiedenen Handbüchern oder – wenn vorhanden – im

Dokumentenserver der Produktionsanlage nach den einzelnen

Angaben suchen und mittels seiner Erfahrung die

benötigten Zusammenhänge herstellen. Die Information

über die auszutauschenden Daten und deren Zusammenhänge

wird vor allem in den Phasen der Inbetriebsetzung

und teilweise im Betrieb einer Produktionsanlage benötigt.

2. ABSTRAKTE MODELLIERUNG DER KOMMUNIKATION

46

atp edition

11 / 2014


class Device

information

«Property»

+ descriptor: xs:string

+ deviceClassification: xs:NMTOKEN

+ installationManual: int

+ networkConfigurationManual: int

+ productDate: xs:date

+ productId: xs:nonNegativeInteger

+ productName: xs:normalizedString

+ productRevision: xs:normalizedString

+ userManual: int

+ vendor: xs:normalizedString

+ vendorId: xs:nonNegativeInteger

0..*

physicalDevice

- subDeviceNumber: xs:nonNegativeInteger

«Property»

+ IEC81346FunctionReference: xs:normalizedString

+ IEC81346LocationReference: xs:normalizedString

+ IEC81346ProductReference: xs:normalizedString

+ physicalDeviceId: xs:ID

logicalDevice

- deviceConfig: xs:string

0..*

«Property»

+ deviceDescriptionReference: xs:anyURI

+ logicalDeviceId: xs:ID

+ protocol: xs:normalizedString

+ usedPhysicalEndPointIdRef: xs:IDREFS

1

physicalEndPointList

0..*

physicalChannelList

0..*

deviceResource

«Property»

+ resourceId: xs:ID

0..1

networkData

0..1

logicalPortList

1..*

physicalEndPoint

physicalChannel

0..*

variableList

«Property»

+ physicalEndPointId: xs:ID

+ logicalEndPointIdRef: xs:IDREF

«Property»

+ physicalChannelID: xs:ID

1..*

networkDataItem

1..*

logicalEndPoint

«Property»

+ logicalEndPointId: xs:ID

+ logicalEndPointRole: xs:string

0..*

0..*

1..*

variable

«Property»

+ variableId: xs:ID

BILD 4:

Beschreibung des

Automatisierungsgeräts

(Teil 1)

mentierungstechnische Einschränkungen zu verfälschen

und wesentliche Aspekte unberührt zu lassen.

Ausgangspunkt ist das in Bild 1 dargestellte Klassendiagramm,

nach dem die zu beschreibende Information

des Kommunikationssystems in eine logische und eine

physische Topologie aufgeteilt werden kann. Diese Unterscheidung

hat sich in der Praxis zur Beschreibung

von Kommuni kationsnetzen bewährt [8,9] und eröffnet

die Möglichkeit, Ab weichungen der logischen Beziehungen

zwischen Netzwerkteilnehmern und deren

realer Verbindung zu beschreiben.

Die geforderte Verbindung zwischen der auszutauschenden

Information und den Datenpunkten innerhalb

eines Geräts erfolgt in der Beschreibung des physischen

Geräts, das von der konkreten Ausprägung (Steuerung,

Peripheriegerät, Infrastrukturkomponente) erst einmal

abstrahiert. Die Kommunikation in der Automatisierungsanlage

erfolgt heute über Netzwerkgrenzen hinweg,

sodass die Kommunikationsstruktur auch reflexive

Beziehungen zwischen den Netzwerken aufweist.

In Bild 2 wird verdeutlicht, dass aus logischer Sicht

das Kommunikations netzwerk aus einer Auflistung logischer

Verbindungen zwischen Endpunkten besteht,

die die Übermittlung von Daten auf Steuerungsebene

repräsentieren. Mit dem Modell lassen sich alle Arten

von logischen m:n-Beziehungen, wie Master-Slave, Publisher-Subscriber

oder Quelle-Senke ausdrücken. Die

reflexive Beziehung zwischen den logischen Endpunkten

erlaubt dann den Datenaustausch zwischen diesen.

Bild 3 stellt die Zusammenhänge aus physischer

Sicht dar. Das Kommunikationsnetzwerk besteht aus

einer Auflistung physischer Verbindungen zwischen

physischen Endpunkten, die den physisch existierenden

Übertragungswegen im Kommunikationssystem

entsprechen. Mit dem Modell lassen sich alle Arten von

physischen m:n-Beziehungen, wie Ring, Stern, Bus,

Linie oder vermaschtes Netz, die als leitungsgebundene

Lösungen wie Kupferkabel oder LWL beziehungsweise

auch als Funkkanäle bestehen, ausdrücken. Welche

Instanz eines physischen Endpunkts dann direkt

mit einer anderen Endpunktinstanz in Kontakt steht,

drückt wiederum die reflexive Beziehung an der Klasse

aus. Zudem wird auf den logischen Endpunkt verwiesen,

der diesen physischen Zugangspunkt nutzt.

Bild 4 und Bild 5 zeigen die Interna eines Automatisierungsgeräts

und stellen die Verbindung zwischen den logischen

und physischen Endpunkten einer Kommunikationsbeziehung

her. Innerhalb eines Geräts können mehrere

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HAUPTBEITRAG

class Device

processDataItem

«Property»

+ processDataItemId: xs:ID

+ variableIdRef: xs:IDREF

+ processDataItemIdRef: xs:IDREF

+ physicalChannelIdRef: xs:IDREF

processDataInput

protocolData

logicalEndPoint

«Property»

+ logicalEndPointId: xs:ID

+ logicalEndPointRole: xs:string

1..*

processDataOutput

1

processDataItemList

pduList

pdu

payload

«Property»

+ address: xs:string

dataItem

«Property»

+ octetOffset: int

+ bitOffset: int

+ numberOfBits: int

parameterItemList

parameterItem

«Property»

+ parameterItemId: xs:ID

+ variableIdRef: xs:IDREF

+ physicalChannelIdRef: xs:IDREF

BILD 5: Beschreibung des Automatisierungsgeräts (Teil 2)

1..*

1..*

logische Geräte vorhanden sein, die die logischen Endpunkte

besitzen. Beispiele hierfür sind modulare Feld- oder Peripheriegeräte

oder Steuerungen mit mehreren parallel

laufenden Anwendungen. Ein physischer Netzzugangspunkt

zum Gerät, sei es eine Buchse oder eine Antenne,

wird in der Regel softwareseitig mit dem logischen Endpunkt

in einem logischen Gerät oder einer Anwendung

verbunden. Beispielhaft sei dies für Ethernet für eine IPbasierte

Verbindung erklärt: Das Gerät besitzt eine Ethernet-

Buchse und verfügt über eine IP-Adresse. Ein Programm

auf dem Gerät stellt eine Beziehung zwischen einem IP-Port

und dem Netzwerkzugang über einen Socket her.

Des Weiteren ist der Aufbau der Protocol Data Unit

(PDU) der über den logischen Endpunkt auszutauschenden

Daten interessant. Über einen Endpunkt können

im Prinzip mehrere unterschiedliche PDU-Typen ausgetauscht

werden, wobei häufig eine feste Zuordnung

zwischen logischem Endpunkt und PDU-Typ vorzufinden

ist. Aus Sicht der Steuerungsaufgaben wird häufig

zwischen zeitlich oft auszutauschenden Prozessdaten

und gelegentlich auszutauschenden Parametrierdaten

unterschieden. Die Prozessdaten haben aus Sicht des

Steuerungssystems auch einen Datenfluss – und damit

auch eine Wirkrichtung: Ein- oder Ausgabe.

Die Beziehung der in den PDU enthaltenen Daten zu

physischen Signalen (Ein-/Ausgabekanäle) oder zu Variablen

eines Steuerungssystems werden im Modell über

eindeutige Identifier hergestellt. Das Modell unterscheidet

hierbei nicht die konkrete Geräterolle oder den Gerätetyp.

Es ist aus Sicht der Kommunikation unerheblich,

ob eine Information im Gerät innerhalb einer SPS-

Ressource oder in einer Feldgeräteapplikation weiterverarbeitet

wird, zum Beispiel in einem Drucktransmitter

oder Stellantrieb. Daher abstrahiert das Modell an der

Stelle und ordnet die Weiterverarbeitung einer Variable

innerhalb einer deviceResource zu.

Aus Sicht der Anlagenplanung ist eine eindeutige Zuordnung

der Kommunikationsdaten zu Signalen innerhalb

der Produktionsanlage wichtig. Diese Signale werden

in der Regel durch andere Engineeringwerkzeuge

geplant und eindeutig identifiziert. Das Kommunikationsmodell

verweist auf diese Information, wenn das

Peripheriegerät solche Signale aus dem zu steuernden

Prozess aufnimmt beziehungsweise auf diesen wirkt. In

einigen Branchen wird der Begriff Kanal für Signale

aller Art benutzt. Diese Terminologie wurde aufgegriffen,

sodass Peripheriegeräte über physicalChannel verfügen

können, und über eindeutige Identifier kann die

Beziehung zwischen kommuniziertem Datum in der

PDU zu einem Kanal/Signal hergestellt werden.

3. UMSETZUNG ANHAND EINES BEISPIELS

BILD 6: Beispielanlage mit SPS, Scada und zwei Feldgeräten

M odellierungsgegenstand sei eine hypothetische Automatisierungsanlage,

die aus einer zentralen SPS, zwei

Feldgeräten und einem Scada-System zur Prozessvisualisierung

besteht. Die betrachteten Feldgeräte sind ein

Temperatursensor (TF 12) und ein Stellantrieb (TZID),

sodass sich mit diesen Geräten eine komplette Regelstrecke

aufbauen ließe. Bild 6 zeigt den schematischen Überblick

über die hypothetische Automatisierungsanlage.

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PLC : physicalDevice

Logische_Topology:

logicalTopology

Std_Res : deviceResource

Cyclic_1:

logicalConnection

varInput : variable

in1 : processDataInput

Profibus : logicalDevice

varOutput : variable

variableIdRef_1

Cyclic_2:

logicalConnection

in1_temp :

processDataInput

in1 : processDataInput

variableIdRef_2

out1 : processDataOutput

Profibus-Socket_1 :

physicalEndPoint

out1 : processDataOutput

logicalEndPointIDRef_1

logicalEndPointIDRef_2

Acyclic_1:

logicalConnection

out1_valve :

processDataOutput

BILD 7: Modellierung innerhalb der SPS

param1: parameterItem

TF12 : physicalDevice

runtime :

deviceResource

Profibus :

logicalDevice

Profibus-Socket_2 :

physicalEndPoint

temp : variable

param1 : variable

in1_temp :

processDataInput

param1 :

parameterItem

variableIdRef_3

variableIdRef_4

logicalEndPointIDRef_3

logicalEndPointIDRef_4


Phyische_Topology:

physicalTopology

Profibus -Cable_1:

physicalConnection

Ethernet-Cable_1:

physicalConnection


xyz: parameterItem

BILD 9: Modellierung der logischen Topologie

Profibus -Socket_1 :

physicalEndPoint

Profibus -Socket_2 :

physicalEndPoint

Profibus -Socket_3 :

physicalEndPoint

BILD 8: Modellierung innerhalb des Feldgerätes TF 12

BILD 10: Modellierung der physischen Topologie

Es gibt ausgehend von der SPS zwei logische Beziehungen

zu den beiden Feldgeräten, die beide als Prozessdatenverbindungen

ausgeprägt sind. Daneben gibt es azyklische

Verbindungen vom Scada zu den Feldgeräten und

zur Steuerung (die Autoren verwenden die englische

Abkürzung PLC). Bild 7 zeigt die Modellierung innerhalb

einer SPS für die zyklische Kommunikation. In dieser

befindet sich eine Ausführungseinheit für das Steuerungsprogramm.

Darin sind die für die Kommunikation

interessanten Variablen varInput und varOutput entsprechend

des PLCopen-XML-Austauschformats [4] beschrieben.

Die logischen Endpunkte der Profibus-Verbindung

sind als processDataItems in1 und out1 mit ihren Spezialisierungen

als processDataInput und processDataOutput

abgebildet. Nun müssen die logischen Endpunkte

noch mit den Variablen des SPS-Programms in Beziehung

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49


HAUPTBEITRAG

gesetzt werden (variableIdRef_1 und variableIdRef_2), damit

klar wird, dass und wie deren Werte über das Kommunikationssystem,

in dem Fall Profibus [5], übertragen

werden. Weiterhin ist der physische Zugangspunkt des

Kommunikationssystems an der Steuerung modelliert.

Von diesem erfolgen Verweise (logicalEndPointIdRef_1

und logicalEndPointIdRef_2) auf die logischen Endpunkte,

die diesen physischen Datenpunkt benutzen.

Bild 8 zeigt exemplarisch für die Feldgeräte die interne

Modellierung, die fast analog zur SPS gestaltet ist.

Komplexe Feldgeräte ve rfügen heute analog zu den SPS

über eigene Softwareprogramme, die in der Regel jedoch

nicht frei programmierbar, sondern parametrierbar sind.

Aus Sicht der auszutauschenden Daten wurden daher

für die komplexen Feldgeräte die Datenpunkte in einem

Programm modelliert. Im Beispiel werden über den Prozessdatenkanal

der Messwert (Temperatur als process-

DataInput) und über den Parameterkanal ein weiterer

Wert (param1 als parameterItem), etwa zum Einstellen

der Messeinheit, wie °C, K oder F, ausgetauscht.

Nachdem die Relationen innerhalb der beteiligten

Kommunikationspartner beschrieben sind, müssen die

äußeren Beziehungen zwischen d en Kommunikationspartnern

modelliert werden. Bild 9 zeigt die logische

Topologie als eine Auflistung von logischen Verbindungen

zwischen den logischen Endpunkten. Zwischen den

logischen Endpunkten erfolgt dann der Datenaustausch,

der als gerichtete Relation abgebildet werden kann. Analog

wird die physische Topologie, siehe Bild 10, modelliert,

wobei hier jedoch die physischen Endpunkte betrachtet

werden. Im Beispiel sind die Profibus-Geräte

über ein Kabel miteinander verbunden und kommunizieren

dabei ausgehend vom Master miteinander.

Das Beispiel ist einfach gehalten, um die Modellierung

überschaubar zu gestalte n. Reale Anlagen sind wesentlich

umfangreicher u nd kommen im Engineering nicht

ohne geeignete Werkzeugunterstützung aus.

Aufgabe der Arbeitsgruppe Kommunikation innerhalb

des AutomationML e.V. war und ist neben der

abstrakten Modellierung die Entwicklung einer Methode,

um die in den letzten Abbildungen dargestellte

Modellierung der vielfältigen Kommunikationsbeziehungen

mit Hilfe des Austauschformats von AutomationML

abzubilden und damit eine konsistente

Weitergabe von Planungsdaten in der Engineeringphase

zwischen den Werkzeugen zu ermöglichen. Im Wesentlichen

werden Regeln definiert, wie die Grundbeziehungen

der Kommunikationsaspekte in der Rollenbibliothek

von AutomationML hinterlegt werden.

AutomationML basiert auf dem Beschreibungsformat

CAEX gemäß IEC 62424, wobei CAEX eine auf XML

basierende Modellierungssprache ist, die den Sprachumfang

des XML weitestgehend ausnutzt. CAEX gibt

dabei einen zu verwendenden Namensraum und ein

zu verwendendes Schema vor, die nur in bestimmten

Elementen zur Integration spezifischer Informationsmengen

aufgebrochen werden können.

In einem ersten Schritt wurden die Hauptbestandteile

des Kommunikationsmodells, wie das eigentliche Automatisierungsgerät

als ‚PhysicalDevice‘ oder die logischen

und physischen Verbindungen, in einer Rollenbibliothek

hinterlegt. Die nutzbaren Schnittstellen dieser

REFERENZEN

[1] AutomationML e.V.: Description of Logic Data,

www.automationml.org, 2012

[2] IEC 62424: Representation of process control engineering - Requests in

P&I diagrams and data ex-change between P&ID tools and PCE-CAE tools,

International Electrotechnical Commission, Geneve, 2008

[3] ifak: Innovative Automatisierungsstrukturen durch Domänen-übergreifenden

Informationszugriff (INVASIF), Abschlussbericht, BMWi – Industrielle

Vorlaufforschung, Reg.-Nr.: VF081025, 2012

[4] PLCopen: XML Formats for IEC 61131-3, Technical Paper - PLCopen

Technical Committee 6 Rel. 2.01, 2009

[5] PNO: Profile for Process Automation, V. 302. http://www.profibus.com/,

eingesehen 2010

[6] Lüder, A., Riedl, M., Drath, R., Heines, B., Niggemann, O.: Austausch von

Entwurfsdaten für Kommunikationssysteme mit Hilfe von AutomationML.

In: Tagungsband AUTOMATION 2013, S. 355-360. VDI 2013

[7] IEC 62714: Engineering data exchange format for use in industrial

automation systems engineering - Automation Markup Language,

International Electrotechnical Commission. Geneve, 2013

[8] Tanenbaum, A.: Computernetzwerke. Pearson, 2003

[9] Bauch, R., Beer, Th.: Netzwerke – Grundlagen. Herdt-Verlag, 2004

[10] Riedl, M., Zipper, H., Meier, M., Diedrich, C.: Cyber-physical systems alter

automation architectures. Annual Reviews in Control 38(1), S. 123-133, 2014

[11] Broy, M.: Cyber-Physical Systems - Innovation durch softwareintensive

eingebettete Systeme. Springer, 2010

[12] Z., Langari, R., Trefler: Formal Modeling of Communication

Protocols By Graph Transformation. In: Proc. 7th Int. Conf.

Integrated Formal Methods, IFM 2009. S. 261-276. Springer 2009

[13] A. Lüder, P. Kretschmer, L. Hundt, M. Hoffmann: Mobile Netzwerkanalyse

in Ethernet basierten Industrienetzen. In: Tagungs band SPS/

IPC/Drives Kongress 2011, S. 55-63. S. 55-63. VDE-Verlag, 2011

[14] G. Juanole, B. Algayres, J. Dufau: On Communication Protocol

Modelling and Design. In: G. Rozenberg (Ed.) Advances in Petri

nets, S. 267-287. Springer 1984

[15] N. de Wet: Model Driven Communication Protocol Engineering

and Simulation based on Performance Analysis Using UML 2.0,

PhD Thesis, University of Cape Town, South Arfica, 2004

[16] F. Klasen, V. Oestreich, M. Volz: Industrielle Kommunikation

mit Feldbus und Ethernet. VDE-Verlag, 2010

[17] B. Reißenweber: Feldbussysteme in der industriellen

Kommu nikation. Oldenbourg Industrieverlag, 2009

[18] AutomationML e.V.: Whitepaper AutomationML Part 5 –

Com munication, Oktober 2014, www.automationml.org

[19] Kagermann H., Wahlster W., Helbig J.: Umsetzungsempfehlungen

für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 – Deutschlands Zukunft als

Industriestandort sichern. Forschungsunion Wirtschaft und

Wissenschaft, Arbeitskreis Industrie 4.0, 2013,

http://www.plattform-i40.de/sites/default/files/Abschlussbericht_Industrie4%200_

barrierefrei.pdf, letzter Zugriff Sep. 2014

50

atp edition

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Typen sind in der Interface-Bibliothek formuliert. Darauf

aufbauend lassen sich die üblicherweise genutzten physikalischen

Geräte oder die entsprechenden logischen

Geräte und Verbindungen in der SystemUnit-Bibliothek

modellieren. Die auf Basis der genannten Bibliotheken

modellierte Anlage inklusive der Kommunikationsbeziehungen

und auszutauschenden Daten ist in der Instanzhierarchie

der Anlage hinterlegt. Ausführlich wurde

die Abbildung in [6] dargestellt, worin ein Zwischenstand

der Spezifikationsarbeiten vorgestellt und explizit

die AutomationML-Modellierung behandelt wird.

Basierend auf den Grundelementen des abstrakten

Kommunikationsmodells lassen sich konkrete Typen

von Automatisierungs geräten, Infrastrukturkomponenten

wie Switches, Gateways oder auch die zur Kommunikation

genutzten Kabel, deren Güteparameter, Steckertypen,

Terminierung ableiten. Hierbei kommen

dann die für die spezifische Ausprägung relevanten

Attribute ins Spiel, die über die Standard mechanismen

von CAEX modelliert und dann benutzt werden können.

ZUSAMMENFASSUNG

Die in der Arbeitsgruppe entwickelte Methode stellt eine

umfangreiche Möglichkeit dar, Kommunikationsaspekte

mit Hilfe von AutomationML abzubilden und damit unterschiedlichen

Werkzeugen im Entwurfsprozess der Anlage

verfügbar zu machen. Die im Beitrag dargestellte

Herangehensweise soll sicherstellen, dass Lösungen zur

Modellierung den Anwendungsfällen entsprechen und

erst in einem zweiten Schritt die Überführung in ein Austauschformat

erfolgt. Ohne die konkreten Sprachelemente

von AutomationML im Beitrag zu nutzen, wurde übersichtlich

gezeigt, wie sich Kommunikationsaspekte modellieren

und für unterschiedliche Einsatzfälle (hier zyklische

und azyklische Kommunikation) umsetzen lassen.

Erste Anwendungen der Methode werden derzeit im

Rahmen der Werkzeugkette von Mechanikkonstruktion

(Automatisierungsgerätedefinition), Elektrokonstruktion

(Netzwerkverkabelung), Steuerungs progammierung

(Entwurf der Gerätekonfiguration) und virtueller Inbetriebnahme

(Nutzung der Gerätekonfiguration) durch

die Mitglieder des AutomationML e.V. erarbeitet. Bei

Erfolg ist eine Ausweitung auf den gesamten Lebenszyklus

eines Kommunikationssystems zu erwarten.

Parallel dazu erfolgt die Überführung der erarbeiteten

Ergebnisse in die internationale Normung im Rahmen

der Standardserie IEC 62714 [7]. Hier wird die

Kommunikationsmodellierung als Teil 5 in den Standard

aufgenommen.

Dabei bettet sich dieser Standardisierungsteil in ein

größeres Standardisierungsvorhaben ein. Gemeinsam

mit PLCopen und OPC Foundation arbeitet der AutomationML

– und damit die Autoren – an einer Methode

zur konsistenten Darstellung der Informationsübertragung

und Informationsverarbeitung innerhalb von Fabrikautomationssystemen.

Dies könnte in Zukunft entspechenden

Bedarf im Rahmen von Industrie-4.0-Systemen

decken [19].

MANUSKRIPTEINGANG

29.01.2014

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

AUTOREN

Dr.-Ing. MATTHIAS RIEDL (geb. 1967) leitet das

Geschäftsfeld IKT & Automation am ifak. Er ist

aktiv auf den Gebieten der Fachsprachen, der

Geräteintegration und verteilter Steuerungssysteme.

Institut für Automation und Kommunikation Magdeburg,

D-39106 Magdeburg,

Tel. +49 (0) 391 990 14 60,

E-Mail: matthias.riedl@ifak.eu

Dipl-Ing. BENNO HEINES (geb. 1968) arbeitet

bei der Phoenix Contact Electronics GmbH

und ist Gruppenleiter in der Softwareent -

wicklung der Business Unit Control Systems.

Phoenix Contact Electronics GmbH,

D-31812 Bad Pyrmont,

Tel. +49 (0) 5261 937 38 07,

E-Mail: bheines@phoenixcontact.com

apl. Prof. Dr.-Ing. habil. ARNDT LÜDER (geb. 1968)

vertritt das Lehr- und Forschungsgebiet Fabrikautomation

an der Fakultät Maschinenbau der

Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Er

arbeitet auf dem Gebiet der Verbesserung von

Entwurfsprozessen für Produktionssysteme unter

Nutzung verbesserter Architekturen und Entwurfswerkzeuge

inbesondere für Steuerungssysteme.

Otto-von-Guericke Universität,

D-39106 Magdeburg,

Tel. +49 (0) 391 675 18 26,

E-Mail: arndt.lueder@ovgu.de

Dr.-Ing. RAINER DRATH (geb. 1970) ist

Senior Principal Scientist am Forschungszentrum

Deutschland der ABB AG in

Ladenburg.

Er beschäftigt sich mit der Entwicklung

neuer Konzepte und Methoden zur

Verbesserung des Engineering von

Automatisierungssystemen.

ABB Forschungszentrum Ladenburg,

Wallstadter. Str. 59,

D-68526 Ladenburg,

E-Mail: rainer.drath@de.abb.com

atp edition

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HAUPTBEITRAG

Wissensbasierte Auswahl

von Prinziplösungen

Geeignete Messverfahren automatisch finden

Die Auswahl geeigneter Prinziplösungen für Mess- und Stellaufgaben erfordert

Spezialwissen, das nicht jeder Planer einer Anlage hat, zumal mit dem technologischen

Wandel die Einsatzgrenzen bekannter Verfahren verschoben und neue

Prinziplösungen erdacht werden. Bisherige papierbasierte herstellerneutrale Unterstützungen,

wie Bücher oder Richtlinien, veralten daher schnell. Im Beitrag

wird ein wissensbasiertes System vorgestellt, dessen Wissensbasis sich leicht durch

Expertengremien an den aktuellen Stand der Technik anpassen lässt. Das System

wurde bereits erfolgreich für die Auswahl von Durchflussmessverfahren und Antriebslösungen

eingesetzt.

SCHLAGWÖRTER Gerätespezifikation / Messprinzipien / wissensbasierte Systeme /

Merkmale

Knowledge-based Selection of Solution Principles –

Automatically Finding Suitable Measurement Methods

The selection of suitable principle solutions for measuring and actuating tasks requires

detailed expert-knowledge which is not available for every planning engineer

in the process of plant design. This situation can be made worse if technological

developments introduce new principle solutions or change the scope of existing

solutions. Paper-based, vendor-neutral knowledge-sources such as books or guidelines

rapidly become outdated. This paper introduces a knowledge-based system

which can easily be adapted to the current state of technology by expert groups. The

concept has been used successfully in a case study for the selection of flow measuring

principles and drive principles.

KEYWORDS device specification / principles of measurement / knowledge based

systems / properties

52

atp edition

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MAIK RIEDEL, ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

Die Aufgabenstellung der Spezifikation und

Auswahl von Mess- und Stellgeräten findet

im Rahmen der Anlagenplanung und -modernisierung

innerhalb des Planungsprozesses

für die Prozessleittechnik (PLT) statt.

Grundsätzlich muss dabei eine geeignete technische

Ressource gefunden werden, mit der die Aufgabenstellung

(zum Beispiel Durchfluss messen) unter den spezifischen

Anforderungen, die sich vor allem aus der

späteren Einsatzumgebung ergeben, zuverlässig erfüllt

werden kann. Zu berücksichtigen sind dabei prozessbedingte

Anforderungen, die sich aus den Bedingungen

vor Ort (wie Einbaulage und Umwelteinflüsse)

und aus den Eigenschaften des Prozessmediums (beispielsweise

Dichte und Viskosität) ergeben und vor

allem technologische Anforderungen an Messprinzip

und Gerät stellen. Andere Aspekte betreffen zum Beispiel

die Integration des Geräts in die Automatisierungsstruktur

der Anlage und weitere lebenszyklusrelevante

Eigenschaften.

Nach der möglichst vollständigen und korrekten Erfassung

der Anforderungen steht der Planungsingenieur

in der Phase der Basisplanung vor der Herausforderung,

den Typ der technischen Ressource weiter zu

konkretisieren. Dabei wird er mit einem meist sehr

großen und unübersichtlichen Lösungsraum möglicher

Prinziplösungen (beispielsweise für eine Messaufgabe

geeignete Messprinzipien) konfrontiert. Die Anzahl am

Markt verfügbarer Geräte ist noch um ein Vielfaches

größer. Die richtige Auswahl in diesem großen Lösungsraum

unter Berücksichtigung vieler Anforderungskriterien

erfordert immer Expertenwissen und

zumeist jahrelange Erfahrung in diesem Bereich, wie

[1] und [2] betonen.

Die Tatsache, dass diese Aufgabenstellung innerhalb

der Anlagenplanung sehr häufig, weil für jede PLT-

Stelle, auftritt, vermindert nicht die Herausforderungen

jeder Einzelspezifikation, macht aber die Bedeutung

dieser Engineeringaufgabe für den Gesamtaufwand

und die Qualität des Planungsergebnisses deutlich. In

den Abschnitten 1 bis 6 dieses Beitrags wird diese Problematik

am Beispiel der Wahl von Durchflussmessverfahren

diskutiert, sowohl Problem als auch Lösung sind

aber universell für Mess- und Stellaufgaben, wie

schließlich durch Übertragung auf die Auswahl von

Antrieben dargelegt wird.

1. STATUS QUO UND DEFIZITE

Bei der Suche nach einem geeigneten Messprinzip

oder Messgerät für die jeweils spezifischen Anforderungen

können verschiedene Wissensquellen herangezogen

werden, die sich hinsichtlich Aktualität,

Qualität, Zugänglichkeit, Neutralität, Formalisierung

und Strukturierung beziehungsweise Standardisierung

unterscheiden. Die meisten Quellen sind Gerätehersteller-bezogen.

Insbesondere rechnergestützte

Möglichkeiten, wie datenbankbasierte Konfiguratoren,

sind stark proprietär und anbieterspezifisch

bezüglich der Formulierung von Anforderungen, der

Nutzerkommunikation und der vorgeschlagenen Lösungen

und zudem, hinsichtlich der Ergebnisfindung,

nicht selbsterklärend. Eine herstellerneutrale, richtlinienbasierte

Lösung wie die Softwareapplikation

zur Richtlinie VDI 2644 [3] (siehe Bild 1) trennt nicht

Wissen und Wissensverarbeitung und ist daher

schwer pflegbar, verliert somit schnell Akzeptanz und

praktische Relevanz.

Wissensbasierte Ansätze bieten durch die strukturelle

Trennung von Wissen und Wissensverarbeitung

[20] ein großes Potenzial, bauen ihre Wissensbasis aber

zu oft auf Gerätedaten und damit wieder auf proprietärem

Wissen einzelner Anbieter auf. Der Aufwand

beim Versuch, Geräte mehrerer Hersteller abzudecken,

wird dann sehr groß. Andere wissensbasierte Systeme

sind auf sehr spezifische Problemstellungen zugeschnitten

[21], ihre Anwendung ist daher schlecht bis

gar nicht übertragbar. Zudem ist bei den bisherigen

Entwicklungen (zum Beispiel [4, 5]) die Arbeit mit unvollständiger

Information problematisch und führt zu

sehr stark eingeschränkten oder gar keinen Lösungen

im Auswahlprozess. Herstellerneutrales, aktuelles Wissen

in strukturierter, möglichst sogar formalisierter

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53


HAUPTBEITRAG

und damit rechnerinterpretierbarer Form, ist in der

Praxis bisher nicht verfügbar.

Bei der Bearbeitung der komplexen Aufgabenstellung

haben sich in der Praxis daher folgende typische Vorgehensweisen

entwickelt:

Verlagerung der Auswahlkompetenz zum Hersteller

(ein oder mehrere Hersteller werden beauftragt,

aus ihrem Portfolio passende Geräte zu den Anforderungen

des Planers vorzuschlagen).

Begrenzung der Auswahl a priori auf eine bevorzugte,

bewährte Untermenge von Prinzipien/Geräten.

Dies kann intern über Standardgerätelisten

oder extern zum Beispiel über preferred-vendor-

Konzepte gelöst werden. Dadurch wird der mögliche

Lösungsraum künstlich verkleinert.

Direkte Geräteauswahl aus Herstellerkatalogen.

Diese Vorgehensweisen weisen prinzipiell immer eines

oder mehrere der folgenden Defizite auf: fehlende Einheitlichkeit

beziehungsweise Vergleichbarkeit der Entscheidungsgrundlage,

nicht gesicherte Ergebnisreproduzierbarkeit,

Lösungsraumeinschränkung durch proprietäre

Wissensbasen, schwer nachvollziehbare und

dokumentierbare Entscheidungs- und Auswahlprozesse

und gegebenenfalls nicht aktualisierte Wissensquellen.

2. FUNDAMENT EINES NEUEN LÖSUNGSANSATZES

Im Folgenden werden Eckpunkte eines prinzipiellen

Lösungsansatzes aufgezeigt, mit dem den zuvor genannten

Herausforderungen begegnet werden soll.

2.1 Mehrstufiger Spezifikationsprozess

Die in Abschnitt 1 erwähnte häufige Vorgehensweise,

von den Anforderungen an die technische Ressource

direkt auf die konkrete Gerätelösung zu schließen,

bringt diverse Nachteile mit sich. So wird sehr früh im

Prozess ein hohes Produktwissen abverlangt, das in

diesem Abschnitt der Planung (die Auswahl der technischen

Realisierung ist Teil der Basisplanung, nicht

der Detailplanung) nicht relevant oder noch nicht vorhanden

ist. Viele Spezifikationen und Anforderungen

an das Gerät sind zudem im weiteren Planungsprozess

Änderungen unterworfen (weitaus mehr als die technologischen

Grundbedingungen). Die notwendige Beschränkung

des Lösungsraums führt dazu, dass mit

hoher Wahrscheinlichkeit nicht die unter den gegebenen

Bedingungen optimale Auswahl der Geräte getroffen,

sondern zumeist die erstbeste Lösungsmöglichkeit

verfolgt wird [6].

Daher sollte die Spezifikation in mehreren Stufen

von der prinzipiellen Aufgabe (Funktion) der technischen

Ressource über sukzessive Konkretisierungsschritte

(Auswahl/Eingrenzung von Lösungen) zur

konkreten gerätetechnischen Realisierung verlaufen.

Der erste Schritt sollte dabei zunächst die Auswahl

einer technologischen Prinziplösung sein – bei Sensoren

ist dies das Messprinzip. Basierend darauf kann

die Spezifizierung später in weiteren Schritten unter

dem Fokus anderer Aspekte (zum Beispiel Kommunikationsmittel,

Sicherheit, Montage) verfeinert werden.

Dadurch können Teilentscheidungen und Eingrenzungen

des Lösungsraums, jeweils angepasst an die

zum Planungszeitpunkt vorliegende Information, getroffen

werden. Die Information über Bedingungen am

Einsatzort, Prozessparameter und Messstoffeigenschaften

leitet sich im Normalfall aus der verfahrenstechnischen

Planung und deren Dokumenten ab und

steht daher schon während der PLT-Basisplanung zur

Verfügung. Auf dieser Basis lassen sich bereits geeignete

Prinziplösungen eingrenzen und gegebenenfalls

technologische Machbarkeitsprobleme oder Unplausibilitäten

identifizieren. Die schrittweise Konkretisierung

verhindert so die zu frühe Festlegung auf eine

technische Ressource und bietet damit die Chance,

alternative Lösungen zuzulassen [7].

2.2 Wissensbasierte Rechnerunterstützung

Es liegt nahe, die beschriebene Aufgabenstellung der

Auswahl von Prinziplösungen rechnergestützt durchzuführen.

Insbesondere, da es sich um eine komplexe,

oft wiederkehrende Engineeringaufgabe handelt, bei

der die manuelle Bearbeitung großen (Zeit-)Aufwand

verursacht und beträchtliches Fehlerpotenzial beinhaltet.

Eine einheitliche Basis für Kommunikation und

Dokumentation unter den Projektbeteiligten ist eine

nützliche und notwendige Begleiterscheinung [7]. Da

die Information über prozessbedingte Anforderungen

typischerweise in CAE-Planungswerkzeugen vorliegt,

kann die rechnergestützte Auswertung im Idealfall direkt

darauf zugreifen.

Großes Potenzial bieten hierbei die Konzepte und

Technologien der wissensbasierten Systeme (WBS) [8],

die ihre Möglichkeiten in Auswahl- und Entscheidungsproblemen

im Engineering (wie in [9], [4-5]) bereits

ansatzweise gezeigt haben. WBS sind computerbasierte

Systeme, die Wissen in beschränkten Wissensgebieten

abbilden und – ähnlich menschlichen Experten

– nach Problemlösungsmustern entsprechend

anwenden. Durch die konsequente Trennung von

Wissensbasis und Wissensverarbeitung eignen sie sich

für die Abbildung spezifischen Problemwissens und

die gleichzeitige Bereitstellung einer anwendungsunabhängigen

Problemlösungskomponente [10]. Wissenspflege

und -ergänzung sowie Erklärungsfähigkeit gehören

zum Basiskonzept der WBS-Technologie und

unterstützen bei der Etablierung einer Anwendung für

die Auswahlunterstützung und Wissenskonservie-

54

atp edition

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ung. Weitere qualitative Nutzeffekte werden in [11]

beschrieben. Eine vertiefende Darstellung von WBS

gibt zum Beispiel [12]. Unterschiedliche Formen von

WBS haben sich vor allem im Hinblick auf die jeweils

genutzte Wissensrepräsentation gebildet. So wird grob

zwischen Fall-, Logik-, Regel- und Constraint-basierten

WBS [12, 18] unterschieden. In vielen Problemfällen

ist eine mächtige Wissensrepräsentation jedoch nur

durch die Kombination verschiedener Formalismen zu

erreichen. Folgerichtig haben sich vermehrt hybride

Systeme entwickelt [18]. Eine weitere Möglichkeit der

Klassifikation der WBS besteht hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche

und Problemklassen. Diesbezüglich

wird unter anderem zwischen Konfigurierung,

Planung, Simulation und Diagnose unterschieden.

Letztere wird oft im Zusammenhang mit Selektion und

Klassifikation erwähnt. Die Übergänge zwischen diesen

Kategorien sind fließend und erschweren meist

eine klare Einordnung. Einen Überblick über erfolgreiche

Anwendungsbeispiele wissensbasierter Systeme,

speziell im Kontext des Engineerings der Automatisierungstechnik,

liefert [10].

2.3 Konsenswissen als Grundlage

Das für eine adäquate Bewältigung der Messprinzipienauswahl

benötigte Wissen ist eindeutig Expertenwissen.

Um eine neutrale und möglichst umfassende

Wissensbasis zu schaffen, muss das Wissen und die

Erfahrung vieler Experten aus verschiedenen Perspektiven

(sowohl die der Hersteller als auch die der Betreiber)

zusammengetragen und konsensual vereint werden.

Eine Plattform dafür bieten Experten-/Normungsgremien

und fachliche Arbeitskreise wie der VDI/

VDE-GMA-Fachausschuss 2.40 Durchflussmesstechnik

für Volumen und Masse. Die technischen und organisatorischen

Rahmenbedingungen vorausgesetzt, bietet

die Nutzung von Experten-Konsenswissen dabei signifikante

Vorteile: vorwettbewerbliche Neutralität, Qualität

und Vollständigkeit („Die Beteiligung einer Vielzahl

von Experten erhöht die Breite und Tiefe der

Systemabbildung und fördert die Qualität und die

Vollständigkeit des abgebildeten Wissens.“ [13]), Aktualität

sowie Akzeptanz (innerhalb der Expertengemeinschaft

und darüber hinaus).

In eine auf Konsens gebildete, neutrale Wissensbasis

geht proprietäres, spezifisches Gerätewissen durch den

Prozess der Wissensbildung abstrahiert und daher nur

indirekt ein. Angereichert mit Erfahrungswissen, zum

Beispiel aus der Anwendung, und Grundlagenwissen,

sagt das Experten-Konsenswissen primär etwas über die

allgemeine Verwendbarkeit und Einsetzbarkeit von Messprinzipien

beziehungsweise bestimmten Bauformen

aus. Damit wird diese Wissensquelle auch der in Abschnitt

2.1 formulierten Forderung gerecht, umsetzungsneutrale

Prinziplösungen in der Planung auszuwählen,

die dann im Weiteren spezifiziert werden können.

Zusammengefasst besteht der Lösungsansatz aus einer

rechnergestützten, wissensbasierten Auswahl von

Prinziplösungen auf Basis von Experten-Konsenswissen

im Rahmen eines mehrstufigen Spezifikationsprozesses.

BILD 1: Bedienerschnittstelle

der

Software zur

Richtlinie VDI 2644

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HAUPTBEITRAG

3. FORMULIERUNG VON ANFORDERUNGEN

Auf Basis der in Abschnitt 2 beschriebenen prinzipiellen

Eckpunkte werden im Folgenden Anforderungen

an die konkrete Lösung und eine damit verbundene

Umsetzung formuliert.

3.1 HERAUSFORDERUNGEN DES ABZUBILDENDEN

WISSENS

Experten-Konsenswissen ist kein Wissen über einzelne

Geräte, sondern Typwissen, zum Beispiel über die

grundsätzlichen Einsatzgrenzen eines jeden Messprinzips

(wie von Clamp-On-Ultraschall-Durchflussmessung

oder Coriolis-Massemessung). Bezüglich eines

einzelnen Kriteriums (zum Beispiel Prozesstemperatur

oder Viskosität) hat ein Messprinzip typischerweise

eine Unter- und eine Obergrenze. Der mögliche Temperatur-

beziehungsweise Viskositätsbereich bildet damit

ein Intervall auf der Skala dieses Kriteriums. Werden

nun mehrere voneinander unabhängige Kriterien als

Dimensionen eines Koordinatensystems betrachtet, so

lässt sich der Lösungsraum als Quader in den Dimensionen

der Beschreibungsmerkmale mit deren zulässigen

Ausprägungen auffassen (blauer Lösungsraum in

Bild 2). Bei höherdimensionalen Problemen (mehr als

3 beteiligte Kriterien) ist diese räumliche Darstellung

allerdings unzweckmäßig.

Die Besonderheit bei Typwissen ist, dass zwischen

den Beschreibungsmerkmalen Abhängigkeiten auftreten

können, zum Beispiel ist die Obergrenze für die

Temperatur meist nicht unabhängig von der Obergrenze

des Drucks. Eine beispielhafte räumliche Vorstellung

für den sich ergebenden Lösungsraum im Fall

einer quadratischen Abhängigkeit zwischen den Kriterien

A und C zeigt der rot umrandete Raum in Bild 2.

Die Abhängigkeiten sind Relationen zwischen den

Merkmalsausprägungen und können in verschiedenen

Formen (zum Beispiel Wenn-dann-Beziehungen, funktionale

Abhängigkeiten a=b²+c) auftreten. Beispiele

hierfür sind die Beziehung zwischen Nennweite und

Nenndruck (als Treppenkurve in Bild 2 rechts oben)

oder die Beziehung zwischen Prozesstemperatur und

Prozessdruck (Bild 2 rechts unten). Darüber hinaus

können mehrdimensionale Relationen zwischen mehr

als zwei beteiligten Merkmalen auftreten. Somit kann

ein komplexes Netz aus Zusammenhängen zwischen

verschiedensten Beschreibungsmerkmalen entstehen.

Um den heterogenen Charakteristika der Beschreibungsmerkmale

gerecht zu werden, ist eine Skalenniveau-adäquate

Abbildung (Nominal-, Ordinal-, Rational-,

Intervallskala) und Behandlung der Merkmale

Grundvoraussetzung für die Wissensabbildung. Viele

Ansätze (wie [4] und [9]) haben diesem Punkt in der

Vergangenheit keine Rechnung getragen und meist

über Transformation oder Normierung der Merkmalsausprägungen

Vereinfachungen getroffen. So werden

teilweise niedrigere Skalenniveaus verwendet als der

Charakteristik des Merkmals angemessen wäre. Zum

Beispiel werden boolsche Ja/Nein-Ausdrücke (Nominalskala)

für eigentlich metrisch (Rational-/Intervallskala)

skalierbare Ausprägungen verwendet. Eine

umfassende, adäquate Abbildung von Typwissen kann

nur durch die korrekte Berücksichtigung von Abhängigkeiten

zwischen den beschreibenden Merkmalen

und von merkmalsspezifischen Eigenschaften (wie

Skalenniveau) erreicht werden.

3.2 Abbildung und Verarbeitung des Wissens

Eine Trennung von Wissen und seiner Verarbeitung ist

obligatorisch und daher eine grundsätzliche Anforderung

– nur so kann eine flexible und unabhängige Pflege

des Wissens gewährleistet und dem Anspruch an

eine einfache Aktualisierungsmöglichkeit Rechnung

getragen werden.

Unvollständig spezifizierte Anforderungsdaten sind

Normalität. Eine künftige Lösung muss daher den Umgang

mit unvollständiger Information beherrschen und

dem Nutzer auf Basis bereits vorhandener Information

bestmögliche Unterstützung bieten. Dies bedeutet, dass

die verbleibenden Restlösungsräume aufgezeigt werden

und dem Nutzer mitgeteilt wird, welche der fehlenden

Auswahlkriterien kritisch sind für die Frage der Eignung

des jeweiligen Messprinzips.

Die bestehenden, meist regelbasiert aufgebauten

Ansätze verfolgen eine festgelegte Reihenfolge bei der

Abarbeitung der Auswahlkriterien. Nachteile ergeben

sich dabei durch eine unflexible Auswertungsreihenfolge

und das frühzeitige Ausschließen suboptimaler

Lösungen. Häufig ergeben sich im Planungsprozess

Anpassungen der Anforderungsdaten – vorher nicht

geeignete Lösungen können dadurch wieder geeignet

werden. Eine flexible und problemangepasste Abarbeitung

der Auswahlkriterien, die den Lösungsraum

nicht vorzeitig unangemessen verkleinert, ist daher

anzustreben.

Da sich die für die Auswahl relevanten Kriterien vor

allem auf die Prozessbedingungen (Eigenschaften des

zu messenden Mediums und Verhältnisse am Einbauort)

beziehen, die in vorangegangenen Planungsschritten

von der Verfahrenstechnik und Rohrleitungsplanung

festgelegt wurden, liegt es nahe, auf entsprechenden

Merkmalen, die zur Beschreibung von technischen

Objekten definiert wurden, als

Informationsträger zu arbeiten. Mit Ziel einer einheitlichen

Semantik und im Hinblick auf die Zusammenarbeit

mit anderen CAE-Systemen – ganz im Sinne des

in [14] formulierten Merkmalsprinzips – sollten dabei

möglichst anerkannte Standards zur Beschreibung

von Merkmalen wie IEC 61360 und ISO 13584-42 herangezogen

werden.

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Lösungsraum mit

unabhängigen

Kriterien

A

Lösungsraum mit

abhängigen Kriterien

Nenndruck

[bar]

100

40

16

C

300 600 2000

Nennweite

[mm]

B

Anforderungsraum

p

BILD 2: Lösungs räume

und Abhängigkeiten

T

3.3 Anforderungen an die Wissenspflege

Durch ständigen Aktualisierungsbedarf ist die Wissenspflege

eine selbstverständliche und notwendige

Komponente wissensbasierter Systeme. Erstellung und

Editieren einer Wissensbasis sollte dabei möglichst intuitiv

sein (zum Beispiel durch grafische, visuelle Darstellung)

und darf kein Spezialwissen über Aufbau oder

Funktion des WBS voraussetzen. Zudem muss die Einhaltung

definierter Strukturregeln beziehungsweise

eines Metamodells durch eine weitestgehend automatische

syntaktische und semantische Konsistenzprüfung

in der Wissens-Erwerbs- und -Pflegekomponente

gewährleistet werden.

3.4 Anforderungen an grundsätzliche Funktionalitäten

Erklärungsfähigkeit: Systeme, die menschliche Entscheidungs-

oder Auswahlprozesse unterstützen, müssen

ihre Ergebnisfindung begründen können, um Akzeptanz

zu erlangen. Zusätzlich muss dem Nutzer bei

der Verwendung und Interpretation des Ergebnisses,

zum Beispiel durch das Aufzeigen möglicher Lösungsräume

oder kritischer Faktoren für die Gültigkeit einer

Lösung, Hilfestellung gegeben werden.

Dokumentation: Die Ergebnisse des Auswahlprozesses

müssen strukturiert und vollständig dokumentiert

werden, sodass sie belastbarer Bestandteil einer

Projektdokumentation werden können.

Interoperabilität: Das Werkzeug sollte sich durch

standardisierte Schnittstellen in eine CAE-Werkzeugkette

einfügen können, um Informationsbrüche im Engineeringprozess

zu vermeiden.

Domänenunabhängigkeit: Konzept und Umsetzung

sollten für die Behandlung von verschiedenen Auswahlproblemen

einsetzbar sein. Dadurch können Synergien

geschaffen und die Akzeptanz für ein solches

Konzept domänenübergreifend gefördert werden.

4. WISSENSBASIERTE AUSWAHL VON PRINZIPLÖSUNGEN

Hinsichtlich der in Abschnitt 2.2 vorgestellten Kategorisierung

von wissensbasierten Systemen ordnet sich der

im Beitrag vorgestellte Ansatz in den Bereich der Diagnose

ein. Die analytische Lösungssuche und -bewertung

lässt sich am ehesten den dort meistgenutzten Aufgaben

Selektion und Klassifikation zurechnen. Vom Aspekt der

Wissensrepräsentation betrachtet, handelt es sich um

einen hybriden Ansatz, da regelbasierte und Constraintbasierte

Elemente enthalten sind. Darüber hinaus werden

objektorientierte Prinzipien (frame-ähnlich) und netzartige

Strukturen (ähnlich semantischen Netzen) genutzt.

4.1 Merkmale und Lösungsräume

Wie in Abschnitt 3.1 angedeutet, geht es bei der Eignungsprüfung

einer Prinziplösung um den Abgleich

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HAUPTBEITRAG

zweier Lösungsräume. Dabei wird die Problemstellung

durch den Anforderungsraum (in Bild 2 grün dargestellt)

und die zu bewertende Lösungsvariante durch

den Zusicherungsraum (in Bild 2 blau beziehungsweise

rot dargestellt) beschrieben. Der Begriff Zusicherungsraum

wird im Beitrag für den Lösungsraum der

Prinziplösung verwendet. Er beschreibt die mehrdimensionale

Menge der Merkmalsausprägungen, die

von der Prinziplösung zugesichert werden können. In

Abgrenzung davon wird der Begriff Anforderungsraum

für die entsprechende Menge der Merkmalsausprägungen

verwendet, die der Nutzer beziehungsweise

der Prozess als Anforderung an eine mögliche Prinziplösung

stellt. Eine Nichteignung der betrachteten

Lösungsvariante liegt vor, wenn der Anforderungsraum

nicht vollständig vom Zusicherungsraum umschlossen

wird und damit die geforderten Eigenschaften

nicht von der Prinziplösung zugesichert werden

können. Die Dimensionen der Räume werden dabei

durch die zum Vergleich herangezogenen Eigenschaften

gebildet. Diese Eigenschaften stellen eine spezifisch

relevante Untermenge der Gesamteigenschaften

von Problem und Lösung dar und können als Auswahlkriterien

bezeichnet werden.

Die Eigenschaften technischer Objekte lassen sich

durch Merkmale und ihre Ausprägungen beschreiben.

Merkmale stellen dabei, insofern strukturiert beschrieben

und möglichst standardisiert, eine semantische

Beschreibungsbasis dar. Im industriellen Umfeld werden

Merkmale vielfältig für Objekt- und Produktbeschreibungen

sowie deren Vergleiche genutzt und können

im optimalen Fall die Interoperabilität von Systemen

und Anwendungen absichern [15].

Konkrete technische Objekte (zum Beispiel Durchflusssensor

XY), die durch Merkmale und spezifische

Merkmalsausprägungen beschrieben werden, sind

Merkmalträger. Prinziplösungen, die als abstrakte

Oberklasse von konkreten technischen Realisierungen

gesehen werden können, sind Merkmalträgertypen

(zum Beispiel Magnetisch-Induktive Durchflussmesser).

Merkmalträgertypen können in Klassensystemen

hierarchisch strukturiert und analog zu Produktkatalogen

beispielsweise als Gerätetypen

interpretiert werden. Anhaltspunkte dafür stellen

etablierte Klassifikationssysteme, wie eCl@ss beziehungsweise

IEC 61987 dar.

Merkmale werden zur Festlegung ihrer Semantik mit

Attributen beschrieben. Grundlagen dazu schaffen

Standards und Normen wie IEC 61360, ISO 13584 und

ISO/IEC 11179. Im Weiteren können Referenzen Bedeutungsbeziehungen

zu Standards wie der DIN 4002 ausdrücken.

Für die Lösungsraumabbildung sind, über

die grundsätzliche Bedeutung des Merkmals hinaus,

weitere Attribute wichtig, die sich auf seine Ausprägung

beziehen. Dazu gehören das Skalenniveau, der

grundsätzliche Wertebereich der Ausprägung (zum

Beispiel reelle Zahlen, spezifische Wertemengen) und

gegebenenfalls eine zugehörige Einheit beziehungsweise

mögliche Einheiten.

4.2 Modellierung und Abbildung

Die Information der erwähnten Merkmalattribute bildet

die Grundlage für die Beschreibung des Lösungsraums

in der entsprechenden Dimension. Für eine möglichst

generische und flexible Abbildung werden die dimensionsbildenden

Ausprägungen der Merkmale prinzipiell

als Menge betrachtet. Das kann als Sammlung konkreter

Ausprägungswerte wie [flüssig, gasförmig] bei

Aggregatzustand, aber auch zum Beispiel als Intervall,

gebildet aus Unter- und Obergrenze wie [0 bar…10 bar]

bei Prozessdruck, verstanden werden. Sollen feste Anforderungs-

oder Zusicherungswerte beschrieben werden,

so fallen die Wertebereichsunter- und -obergrenzen

auf dem entsprechenden Wert zusammen (zum

Beispiel Nennweite (Min=Max) = 50 mm). Für die Verarbeitung

kann damit auf Mengen- und Teilmengen

operiert werden. Für eine differenziertere Abbildung

von Merkmalsausprägungen aufeinander ist dabei teilweise

die Repräsentation durch Semi-Intervalle sinnvoll

(zum Beispiel Prozessdruck max. = [… 10 bar]). Das

Merkmal und dessen Semantik und Strukturvorgaben

sowie die damit verbundenen Merkmalsausprägungen

mit den beschriebenen Charakteristika stellen das

Hauptelement des Wissensmodells dar.

Zur Abbildung von Typwissen werden ebenso Modellelemente

benötigt, um die zwischen Merkmalen

beziehungsweise deren Ausprägungen gegebenenfalls

existierenden Abhängigkeiten auszudrücken. Diese

Aufgabe soll das Element Relation übernehmen. Die

Relation als Modellelement muss dabei die konkrete

Verbindung zwischen Merkmalsräumen herstellen

und Information über die Art der Abbildung enthalten.

Die für die Spezifizierung der Relation notwendigen

Attribute sind unter anderem beteiligte Relationspartner,

Richtung der Relationswirkung und Relationsinhalt.

Der Relationsinhalt bezeichnet die eigentliche

Abbildungsvorschrift und damit die Art der Abbildung

zwischen den beteiligten Elementen. Die allermeisten

Fälle können von folgenden Relationstypen

beschrieben werden:

Tabellenrelation zur Abbildung von regelhaften

(wenn…, dann…) und kombinatorischen Abhängigkeiten.

Auch geeignet für numerische oder

nichtstetige Zusammenhänge wie zum Beispiel

durch Stützpunkte beschriebene Abbildungsvorschriften.

Symbolische Relation: Zur Abbildung von symbolischen

Abbildungsvorschriften und funktionellen

Zusammenhängen, die sich durch Terme, wie mathematische

Gleichungen und Ungleichungen, ausdrücken

lassen.

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Bei der Erstellung einer Wissensbasis werden Merkmale

aus den benötigten Merkmalklassen abgeleitet

und spezifiziert, das heißt auf Basis der Merkmalsattribute

beschrieben. Wenn benötigt, werden Relationen

spezifiziert und mit den zugehörigen Merkmalen verbunden.

Ein Merkmal kann mit beliebig vielen anderen

Merkmalen verbunden werden. Eine Relation kann

dementsprechend zwei oder mehr Merkmale verbinden.

Im Gesamtmodell bilden sich somit Netzwerke aus

zusammenhängenden Merkmalen. Diese Netzwerke

sind im graphentheoretischen Sinn Bäume. Eine schematische

Darstellung der Wissensbasis als Merkmalnetz

bietet Bild 3.

4.3 Formalisierung

Für eine rechnergestützte Verarbeitung des Wissensmodells

muss dieses geeignet formalisiert und

persis tent gespeichert werden. Für die strukturierte

Ablage von Information hat sich im Engineering der

Automatisierungstechnik die Auszeichnungssprache

XML bewährt [16]. Gerade Merkmalinformation

und Produktbeschreibungen werden zunehmend in

Dokumenten auf Basis von XML abgelegt [17] und im

Sinne des elektronischen Workflows zur Verfügung

gestellt.

Das beschriebene Wissensmodell besteht aus drei

Teilen, die mittels XML formalisiert werden.

Das Merkmalsdictionary beziehungsweise die

Merkmalsbibliothek enthält allgemeine, strukturbeschreibende

Information (Attribute und mögliche

Werte) über zur Verfügung stehende Merkmale

in Form von Klassenwissen (zum Beispiel

Beschreibung der Merkmalklasse Aggregatzustand).

Die Modellelemente der Metaklasse Merkmal

werden somit semantisch beschrieben und

festgelegt.

Der Lösungskatalog enthält die Beschreibung

(Struktur und Eigenschaften) der Prinziplösungen,

die entsprechenden Aufgaben (zum Beispiel Durchflussmessung)

hierarchisch zu- und untergeordnet

sind. Die Semantik der Modellelemente der Metaklassen

Aufgabe und Prinziplösung wird hier beschrieben

und festgelegt.

Die genannten beiden Teile beschreiben und verwalten

die Grundbausteine für die Wissensabbildung und sind

im Weiteren der zentrale Zugang zu Information für

Interpretation, Einordnung und Konsistenzprüfung von

Inhalten der Wissensbasis.

BILD 3: Wissensmodell als Merkmalnetz

Die eigentliche Wissensbasis setzt sich aus jeweils

spezifisch instanziierten Wissenselementen des

Klassenwissens zusammen und enthält damit konkretes

Instanzwissen über die Lösungsräume (spezifizierte

Merkmale, die gegebenenfalls über Relationen

verknüpft sind) der Prinziplösungen.

Erzeugung und Prüfung der Wissensmodellteile erfolgt

intern unter Verwendung eines eigenen Schemas als

Metamodell. Die Schnittstellen nach außen (zum Import

und Export) orientieren sich jedoch am bekannten

und offengelegten Schema von Prolist/eCl@ss.

4.4 Verarbeitung

Die Prüfung, ob der durch die Wissensbasis beschriebene

Zusicherungsraum der Prinziplösung dem Anforderungsraum

gerecht wird, ist nicht trivial. Der

Zusicherungsraum ist ein vieldimensionaler Raum

heterogener Dimensionen (verschiedene Skalierungen

können vorkommen – also zum Beispiel ein nicht

durchweg metrisch affiner Raum), bei dem diese gegebenenfalls

noch in vielfältiger Weise voneinander abhängen.

In der Wissensauswertung wird auf den Wertemengen

(Ausprägungen) der Merkmale gearbeitet.

Dafür werden die Zusicherungsmengen (Prinziplösung)

unter Berücksichtigung der Anforderungsmengen

(Prozess-/Nutzeranforderung) und den Abbildungsvorschriften

der Relationen manipuliert. Dabei

wird grundsätzlich zwischen dem Definitionsbereich

des Merkmals (Klassenwissen), dem Grundwertebereich

(Instanzwissen in der Wissensbasis) und dem

Lösungswertebereich (abgeleitet durch die Wissens-

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HAUPTBEITRAG

verarbeitung) unterschieden. Die Wissensverarbeitung

kann grob in die in Bild 4 aufgezeigten Schritte unterteilt

werden.

Nach einer Vorabanalyse und Zerlegung der Wissensbasis

(Analyse und Separierung) in ihre Bestandteile

(Netzwerke) ist es in den nächsten beiden Schritten

das Ziel, den Zusicherungsraum unter Berücksichtigung

der gegebenen Anforderungswerte so stark wie

möglich zu reduzieren. Dazu wird durch jedes der

Merkmalnetze der Wissensbasis propagiert und Dimension

für Dimension sukzessive durch die Ausführung

der in den Relationen geforderten Abbildungsvorschriften

reduziert (Propagation). Um Rückwirkungen

und lokal entstehende Inkonsistenzen auszugleichen,

werden alle Änderungen registriert und die

betroffenen Merkmale in erneuten gezielten Propagationsschritten

(Refinement) bearbeitet. Sind alle Netzwerke

auf diese Weise bearbeitet, existiert damit ein

Gesamtlösungsraum, aus dem sich bereits erste Aussagen

zur Nichteignung der Prinziplösung prüfen lassen

(Vorab-Auswertung). Der Gesamtlösungsraum

enthält immer noch interne Abhängigkeiten und damit

Variationsmöglichkeiten. Zur Ableitung des Wissens

über die tatsächliche Gültigkeit einer Lösung

muss der Gesamtlösungsraum in einem weiteren

Schritt in gültige Einzellösungen gesplittet werden

(Splitting). Existieren mehrere Netzwerke, so müssen

die jeweils erzeugten Einzellösungen (Varianten) abschließend

miteinander zu Gesamtlösungen kombiniert

(Rekombination) werden. Nach dem Splitting

und der Rekombination erfolgt ein erneuter Abgleich

des Anforderungsraums mit allen gültigen Zusicherungsräumen

(Gesamtlösungen) der Prinziplösung.

Wird mindestens ein Zusicherungsraum gefunden,

der den Anforderungsraum gänzlich umschließt, so

ist die Prinziplösung geeignet – ansonsten ist sie definitiv

nicht geeignet (End-Auswertung). Aus dieser

Auswertung kann nun Information für die Erklärungskomponente

abgeleitet werden.

5. IMPLEMENTIERUNG

Für Evaluierung und Nutzung des beschriebenen Konzepts

wurde dieses in Form einer Webanwendung

entsprechend der (Thin-)Client-Server-Architektur

implementiert. Der Nutzer kann dadurch flexibel und

ungebunden über jeden üblichen Webbrowser als Client

mit der Anwendung kommunizieren. Er bringt das

fallspezifische Faktenwissen über die Oberfläche der

Applikation manuell oder über einen Import ein (eine

Schnittstelle steht für NE 100/eCl@ss-konforme Merkmalleisten

im XML-Format zur Verfügung). Bild 5

zeigt dazu beispielhaft einige Auswahlkriterien der

Eingabemaske. Die Nutzeroberfläche wird dynamisch

in Abhängigkeit von den Besonderheiten der Auswahlaufgabe

und den Charakteristika der verwendeten

Merkmale erzeugt. Die Wissensbasis sowie die Bibliothek

sind eigenständige Dateien und sind serverseitig

verfügbar, angepasst an die Auswahlaufgabe. Die algorithmische

Wissensverarbeitung und Auswertung

läuft ebenfalls serverseitig. Das Ergebnis wird dem

Nutzer dann wieder über die Benutzeroberfläche zur

Verfügung gestellt beziehungsweise kann zur Doku-

Analyse und Separierung

Propagation

BILD 4: Schritte der

Wissensverarbeitung

Refinement

Vorab-Auswertung/Vergleich

Vorab-Aussage über

Nichteignung

Splitting

Rekombination

End-Auswertung/Vergleich

Endgültige Aussage über

Eignung/Nichteignung

Aussagen für die

Erklärungskomponente

BILD 5: Eingabemaske für

Anforderungs formulierung

60

atp edition

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mentation des Auswahlvorgangs in eine Datei exportiert

werden. Bild 5 zeigt im rechten Bereich eine beispielhafte

Kurzübersicht über das Auswerteergebnis.

Weiterhin ist eine Erklärungskomponente zur detaillierten

Ergebnisbetrachtung und zur Ableitung weiteren

Wissens integriert.

Zur unterstützten (hinsichtlich Korrektheit und Konsistenz)

Erstellung und Pflege der Wissensbasis wurde

ein Wissenseditor implementiert. Wie in Bild 3 zu sehen,

kann dort grafisch und intuitiv Wissen der Wissensbasis,

aber auch der Bibliothek dargestellt und

editiert werden. Die aus dem Wissenseditor exportierbaren

Dokumente im XML-Format lassen sich dann für

die wissensbasierte Auswertung nutzen.

6. BEISPIEL AUSWAHL VON DURCHFLUSS­

MESSEINRICHTUNGEN

Das Expertengremium des VDI/VDE-GMA-Fachausschusses

2.40 beschäftigt sich seit Anfang 2009 mit der

Aktualisierung der VDI-Richtlinie 2644 Auswahl und

Einsatz von Durchflussmesseinrichtungen [3]. Im Rahmen

der Richtlinienarbeit wurde über mehrere Jahre

entsprechendes Expertenwissen zusammengetragen

und zunächst in Form einer Tabelle dokumentiert. Diese

Tabelle enthält Konsenswissen über etwa 20 Messprinzipien

und Bauformen von Durchflussmessgeräten

und wurde auf der Grundlage von zirka 35 Auswahlkriterien

formuliert. Mit inzwischen 700 Tabellenfeldern

hat die Tabelle die Grenze deutlich überschritten,

bis zu der eine Auswertung und die notwendige

Pflege des Wissens auf dieser Basis möglich ist. Daher

wurde auf dieses Wissensgebiet das in den vorangegangenen

Abschnitten beschriebene Konzept angewandt

und implementiert. Dazu wurde in der Bibliothek entsprechendes

Klassenwissen über die notwendigen Modellelemente

(Aufgabe – hier: Durchflussmessung, Prinziplösungen

– hier Messprinzipien wie zum Beispiel

Coriolis-Durchflussmesser, Merkmale – beispielsweise

Prozessdruck) angelegt und mittels elementspezifischer

Attribute grundlegend beschrieben.

6.1 Anlegen der Wissensbasis

Im Wissensbasisdokument wurden die Messaufgabe

und darunter die abzubildenden Prinziplösungen angelegt

und wie folgt spezifiziert:

Anlegen einer Wissensbasis für jede Prinziplösung

Spezifizieren der Merkmale einer Prinziplösung

(Instanzen der Merkmalklassen der Messaufgabe),

das heißt beispielsweise Einschränken des Definitionsbereichs

auf den gültigen Grundwertebereich

für das entsprechende Messprinzip sowie gegebenenfalls

Festlegen einer Einheit.

Beispiel: Die Merkmalinstanz Prozesstemperatur

der Prinziplösung Magnetisch Induktiver Durchflussmesser

schränkt den Definitionsbereich ihrer

Merkmalklasse [–273,15 °C … + ∞] auf den

Grundwertebereich [–40 °C … 180 °C] ein.

Anlegen und Spezifizieren von Relationen zwischen

den Merkmalen. Beispiele:

Der Zusammenhang zwischen maximaler Nennweite

und maximalem Nenndruck (Bild 2 rechts

oben) wird als Tabellenrelation abgebildet, wobei

der sich ergebende Lösungsraum zum Beispiel

wie folgt interpretiert werden kann: Wenn

Nenndruck max. bis 100 bar, dann Nennweite

max. bis 300 mm.

Der Zusammenhang zwischen Strömungsgeschwindigkeit,

Volumendurchfluss und Nennweite

wird als symbolische Relation mit dem

Relationsterm 0 = 4 · V – v abgebildet.

π · DN 2

Zusätzlich werden auch die jeweiligen Einheiten

der Merkmale angegeben, für die dieser Ausdruck

gültig ist.

6.2 Anwendung und Auswertung mit Software

Nach Abschluss der Wissensabbildung in Bibliothek

und Wissensbasis wurden die Wissensmodelle automatisch

formalisiert. Sie können nun im Auswahltool

eingelesen und verwendet werden. Über die Oberfläche

wählt der Anwender die in die Auswahl einzubeziehenden

Messprinzipien und Bauformen. Zudem befüllt

er die Eingabemaske, siehe Bild 5, per Datenimport in

Form einer Durchflussmessgeräte-Merkmalleiste mit

den Anforderungen seines konkreten Anwendungsfalls

(zum Beispiel einer bestimmten Messstelle). Alternativ

oder ergänzend kann die Dateneingabe manuell erfolgen.

Die folgende automatische Auswertung der Software

endet mit der Eignungsbewertung der Messprinzipien,

siehe Bild 5, und einer weitergehenden Ergebniserklärung.

Große Teile der Wissensbasis der Richtlinie VDI 2644

wurden auf die oben beschriebene Weise bereits abgebildet

und ausgewertet. Als nützlicher Nebeneffekt hat

sich dabei auch das Hinterfragen von Wissenselementen

und Zusammenhängen durch die strukturierte

Aufbereitung und Beschreibung erwiesen. Somit ließen

sich bereits in einem frühen Stadium Inkonsistenzen

und nicht plausible Aussagen entdecken, diskutieren

und korrigieren. Konzept und entwickelte Software

konnten bereits an vielen Anforderungsbeispielen der

Durchflussmessung erfolgreich getestet, das heißt das

hinterlegte Expertenwissen korrekt und mit erwartungsgemäßem

Ergebnis ausgewertet, werden. Dazu

wurden jeweils praxisrelevante Anforderungsfälle mit

Hilfe der benötigten Merkmale formuliert und die soft-

atp edition

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61


HAUPTBEITRAG

waregestützte Eignungsbewertung auf Basis des Wissens

über verfügbare Prinziplösungen durchgeführt.

Die Richtigkeit der Ergebnisse wurde von Fachexperten

der Anwender- und Herstellerseite im GMA-Fachausschuss

2.40 geprüft und bestätigt – sowohl bezogen auf

das Ergebnis der Eignungsbewertung, als auch auf die

von der Software gelieferte Erklärung eventueller

Nichteignung beziehungsweise Hilfestellung für die

gezielte Anpassung der Anforderungen innerhalb gewisser

Spielräume der beschreibenden Merkmale. Die

Weiterentwicklung und Verbesserung in Zusammenarbeit

mit den Experten des Fachausschusses läuft darüber

hinaus weiter.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Die Spezifikation und Auswahl technischer Ressourcen

nimmt innerhalb der Planung und Modernisierung

von Anlagen und insbesondere innerhalb der PLT-Planung

eine bedeutende Rolle ein. Die Herausforderung

ist dabei, trotz der Komplexität dieser häufigen Engineeringaufgabe

im Einzelfall jeweils anforderungsgerecht

zu spezifizieren und auszuwählen. Um die Vielzahl

heterogener Wissensquellen dazu effektiv zu nutzen,

haben sich in der Praxis Vorgehensweisen entwickelt,

die diesen Prozess abkürzen oder den

Lösungsraum a priori stark einschränken. Um den

damit verbundenen und darüber hinaus identifizierten

Defiziten zu begegnen, wurde in diesem Beitrag ein

Konzept für eine wissensbasierte Auswahlunterstützung

beschrieben. Das Konzept beinhaltet die Nutzung

von Merkmalen zur Lösungsraumdarstellung, die Entwicklung

und Abbildung dafür notwendiger Modellelemente,

sowie die Formalisierung des Modells. Eine

Besonderheit stellt vor allem die Beschreibung und

Verarbeitung von Abhängigkeiten zwischen den Merkmalen

dar, die sich im Modellgedanken von Merkmalnetzen

wiederfinden. Abschließend wurde das Konzept

durch Implementierung in eine nutzbare Anwendung

überführt und am konkreten Praxisbeispiel der Auswahl

von Durchflussmessgeräten evaluiert.

Die Resultate zeigen, dass die aufgestellten Anforderungen

erfüllt werden und damit die Engineering-Auf-

REFERENZEN

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Füll- und Grenzstandmessgeräte für Schüttgüter.

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Praxis 53(7), S. 440–450, 2011

62

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gabe sinnvoll unterstützt wird: Qualität und Reproduzierbarkeit

des Planungsprozesses können bei gleichbleibendem

beziehungsweise sogar abnehmendem

Aufwand gesteigert werden.

Um die Universalität des Konzepts und der Implementierung

zu evaluieren, wurden diese vor kurzem

in den GMA-Fachausschuss 4.17 Energieeffizienz von

Antrieben der Montage- und Handhabungstechnik eingebracht,

der Kriterien zur Antriebsauswahl zusammengestellt

hat. Es konnte gezeigt werden, dass dieses

Expertenwissen in kurzer Zeit in dieses wissensbasierte

System überführt und darin korrekt ausgewertet

werden kann.

Die Autoren streben die Etablierung einer Plattform

an, auf der domänen- und aufgabenstellungsübergreifend

Prinziplösungen anhand formulierten Typwissens

anforderungsgerecht und softwareunterstützt ausgewählt

werden können.

MANUSKRIPTEINGANG

06.06.2014

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

[16] Wollschläger, M., Mühlhause, M., Runde, S., Lindemann,

L.: XML in der Automation: Systematisches

Sprachdesign. In: Tagungsband Entwurf komplexer

Automatisierungssysteme - EKA 2010, S. 21-30,. ifak,

2010

[17] Ahrens, W., Zgorzelski, P.: Elektronischer Austausch

von Produktdaten im PLT-Engineering. In: Tagungsband

Automation 2009, S. 413-416, VDI-Verlag, 2009

[18] Ahrens, W., Scheurlen, H.-J., Spohr, G.-U.: Informations-orientierte

Leittechnik: Informatikmethoden

angewandt

auf leittechnische Fragestellungen. Oldenbourg-

Industrieverlag, 1997

[19] Boersch, I., Heinsohn, J., Socher-Ambrosius, R.

Wissens verarbeitung. Elsevier, 2007

[20] Tripathi, K.P.: A Review on Knowledge-based Expert

System: Concept and Architecture. IJCA Special Issue

on Artificial Intelligence Techniques - Novel Approaches

& Practical Applications (4), S. 21–25, 2011

[21] Stark, M., Hausmann, M., Krost, G.: Expert System

for Component Selection of Self-Sufficient and

Regenerative Electricity Supply Systems with

Hydrogen Storage. In: Proc. Intelligent System

Applications to Power Systems (ISAP’09), S. 1-6.

IEEE, 2009. doi:10.1109/ISAP.2009.5352848

DANKSAGUNG

Die Autoren danken den Mitgliedern und Gästen des

GMA-Fachausschusses 2.40 Durchflussmesstechnik

für Volumen und Masse für wertvolle Anregungen

und konstruktives Feedback. Insbesondere danken

sie Herrn Dr. Brucker (BASF), dem Vorsitzenden

dieses Fachausschusses, auch für das Einbringen

von wertvollem Erfahrungswissen über Durchflussmessverfahren

aus dem Namur-Arbeitskreis 3.2

Durchflussmesstechnik.

AUTOREN

Dipl.-Ing. MAIK RIEDEL

(geb. 1983) ist wissenschaftlicher

Mitarbeiter an der

Professur für Automatisierungstechnik

an der

Helmut-Schmidt-Universität/

Universität der Bundeswehr

Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt

ist die wissensbasierte

Unterstützung des Spezifikations- und

Auswahlprozesses technischer Ressourcen.

Institut für Automatisierungstechnik,

Helmut-Schmidt-Universität/

Universität der Bundeswehr Hamburg,

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,

Tel. +49 (0) 40 65 41 36 57,

E-Mail: maik.riedel@hsu-hh.de

Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER

FAY (geb. 1970) ist Professor

für Automatisierungstechnik

an der Fakultät für

Maschinenbau der Helmut-

Schmidt-Universität/

Universität der Bundeswehr

Hamburg. Sein

Forschungsschwerpunkt

sind Beschreibungsmittel, Methoden und

Werkzeuge für einen effizienten Entwurf von

Automatisierungssystemen.

Institut für Automatisierungstechnik,

Helmut-Schmidt-Universität/

Universität der Bundeswehr Hamburg,

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,

Tel. +49 (0) 40 65 41 27 19,

E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de

atp edition

11 / 2014

63


HAUPTBEITRAG

Robustheit industrieller

Produktionsnetze

Belastungstests für Ethernet-basierte Kommunikation

Ethernet-basierte Kommunikationssysteme unterliegen aufgrund ihrer Offenheit

und Anbindung an das Internet einer besonderen Sicherheitsbetrachtung. Aus Sicht

der IT sind vielfältige Erfahrungen vorhanden, um den Gefahren zu begegnen. Derzeit

gelangen auch risikobehaftete Schwachstellen direkt an den Automatisierungsgeräten

in den Blickpunkt, die sich entweder gezielt für Produktionsstörungen ausnutzen

lassen oder die Stabilität des Netzwerks beeinflussen können. Um einen

stabilen Netzwerkbetrieb zu gewährleisten, müssen Konzepte für Robustheitstests

und für ganzheitliche Analysen, insbesondere für Profinet-basierte Produktionsnetzwerke,

in Zusammenarbeit mit den Nutzerorganisationen erarbeitet werden. Für

eine weiterführende Bewertung und Ableitung von notwendigen Maßnahmen ist

dann die Formulierung von Anforderungen und Akzeptanzkriterien notwendig, die

neben der Analyse von Lasttestszenarien in diesem Beitrag behandelt werden.

SCHLAGWÖRTER Diagnose / Test / Profinet IO

Robust Industrial Production Networks –

Robustness Tests for Ethernet-based Communications

Because Ethernet-based communication systems have an open protocol standard

and Internet connections, they call for special security considerations. From the

standard IT point of view there are various ways of dealing with such risks. Attention

is increasingly being paid to weak spots of automation components which could be

targeted to interrupt production or to influence the stability of a network. In order

to ensure a stable network, concepts of robustness testing must be developed in

cooperation with the technology associations, in particular for Profinet based production

networks. For further analysis and to derive appropriate measures it is necessary

formulate requirements and approval criteria. These are considered in this

paper in addition to the analysis of robustness test scenarios.

KEYWORDS diagnosis / test / Profinet IO

64

atp edition

11 / 2014


GUNNAR HARTUNG, Audi

TINO DOEHRING, ifak e.V. Magdeburg

Die Automatisierungslösungen in den Produktionssystemen

sind schützenswerte Funktionseinheiten.

Diese können je nach Betrachtungswinkel

entweder einzelne Automatisierungsgeräte,

Teilanlagen aber ebenso Gesamtanlagen

sein, die in der Regel aus Hard- und

Softwareanteilen bestehen. Da keine Automatisierungslösung

fehlerfrei ist, existieren somit potenzielle,

risikobehaftete Schwachstellen, die sich durch

die zunehmende Vernetzung und den Einsatz Ethernet-basierter

Kommunikationsprotokolle auch missbräuchlich

ausnutzen lassen. Wie Anwender sich gegen

diese Angriffe aus IT-Sicht schützen können, zeigen

verschiedene Handlungsempfehlungen auf [5] und

sie dienen als solide Grundlage zum IT-Schutz des

Produktionssystems.

Ein Fehlverhalten kann aber auch aus einer Überlastsituation

herrühren, die nicht nur bei Angriff durch

Fremdeingriff ausgelöst wird. Beispielsweise ergeben

sich aus verschiedenen topologischen Strukturen, das

heißt der Art der Segmentbildung durch die Steuerungs-

und Switch-Hierarchie und die Anzahl von

Geräten, die diesen zugeordnet werden, unterschiedliche

Lastsituationen für die einzelnen Geräte. Die

Last ergibt sich zum Beispiel beim Ethernet-basierten

industriellen echtzeitfähigen Kommunikationsstandard

Profinet nicht nur aus der Größe und Häufigkeit

der Produktivdienste, sondern auch aus dem Dienstaufkommen

des Netzwerkmanagements. Bisher gibt

es für die Auslegung noch keine genügenden Richtlinien.

Auf dem Weg dahin, sollten die Anlagen einem

entsprechend ausgelegten Test unterzogen werden.

Bisherige Tests überprüfen zum Teil nur das konforme

Verhalten der vorliegenden Kommunikationslösung.

Das Verhalten der Geräte im Produktionssystem, also

an den verschiedenen Stellen der Anlagen-Topologie,

ist nur in ungenügendem Maße bekannt. Ein systemorientierter

Test könnte hierbei Ergebnisse zur Validierung

der Netzwerkauslegung an sich liefern und

Engpässe aufzeigen, die einer späteren Erweiterung

entgegenstehen. Voraussetzungen für solche systemorientierten

Tests sind:

Die eingespeiste Netzlast muss an den Prüfling

weitergeleitet werden (keine Filterung von beispielsweise

LLDP-Paketen in den Switches).

Die Testergebnisse sollen unabhängig von der Performance

der eingesetzten Netzwerkkarte im Testsystem

sein.

Es werden Akzeptanzkriterien für eine automatisierte

Bewertung des Device under Test (DUT) während

der Testdurchführung definiert.

Das Geräteverhalten muss den relevanten Testfällen

zugeordnet werden können.

Eine eindeutige Beschreibung der Points of Control

und Points of Observation für jeden einzelnen Testfall

ist vorhanden.

1. STAND DER TECHNIK BEI NETZWERKTOPOLOGIE

Die Kommunikationssysteme in Produktionsanlagen

der Automobilindustrie basieren auf dem industriellen

Feldbus Profinet. Ein entscheidendes Merkmal ist dabei

die Echtzeitkommunikation. Bei der Audi AG erfolgt

im Karosseriebau eine Segmentierung der Gesamtanlage

in verschiedene Teilanlagen. Die Topologieausprägung

in den Teilanlagen ist im Wesentlichen identisch.

An einem zentralen Switch befinden sich Steuerungskomponente

(Profinet-Controller) und Bedien-PC. Weiterhin

spannen sich verschiedene Netzwerklinien unterschiedlicher

Tiefe mit den Feldgeräten (Profinet-

Devices) auf, siehe Bild 1. Aufgrund des Mengengerüstes

in den Anlagen und der zunehmenden

Gerätefunktionen und -anwendungen rückt eine umfassende

Netzwerkanalyse und Anlagendiagnose immer

mehr in den Vordergrund.

Für eine notwendige Netzwerkanalyse gibt es aus

Sicht des Anlagenplaners verschiedene Motivationsaspekte

und Ziele, die verfolgt werden. So sollte die

Qualität des Profinet-Netzwerkes im Hinblick auf Konfiguration,

Verfügbarkeit, Protokollverteilung, Robustheit/Stabilität

und Kommunikationsanomalien bewertet

werden. Aber auch das Aufzeigen von Verbesserungspotenzial

ist zu berücksichtigen. Ein einheitlicher

atp edition

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65


HAUPTBEITRAG

Qualitätsstempel für die verwendeten Automatisierungskomponenten

mit definierten Qualitätskriterien

wäre hier wünschenswert.

Die Vorgehensweisen bei einer solchen Netzwerkanalyse

sind abhängig vom Aufbauzustand der Automatisierungsanlagen.

So muss beispielsweise eine erste

Messung direkt nach Anlagenaufbau durchgeführt

werden. Dabei wird das Ziel verfolgt, wichtige Basisdaten

zu erfassen und Grundkonfigurationen vorzunehmen.

Eine zweite Messung ist beim Start der Produktion

(SOP) durchzuführen. Dabei müssen Netzwerkdaten

erfasst und das Verhalten bei Grundlast

betrachtet werden. Eine dritte Messung wird beim Erreichen

der Kammlinie (Erreichen der Zielkapazität)

gefordert. Ziel hierbei sind die Analyse und Bewertung

verschiedener Lastszenarien.

Die Validierung einer Profinet-Netzwerkanalyse hinsichtlich

der Ergebnisdarstellung beinhaltet neben den

Teilnehmerlisten und der Darstellung der Netzwerktopologie

der verfügbaren Profinet-Geräte auch deren

wesentliche Merkmale wie:

Gerätenamen,

IP-Adressen und

Firmwarestände.

Entscheidend für die Beurteilung der Netzwerkcharakteristik

sind darüberhinaus die verbindungs- und portbezogene

Netzlast, die Protokollverteilung und die

Portstatistiken. Diese Lasttests sollten bereits Bestandteil

der Messungen nach Anlagenaufbau sein, um in

dieser frühen Lebensphase der Anlage qualitative Aussagen

zum Lastverhalten und der vorhandenen Netzreserve

machen zu können.

Herausforderungen für die durchzuführenden Netzwerktests

an realen Anlagen sind zum einen das unterschiedliche

Zusammenwirken von Komponenten und

Anwendungen und zum anderen das unterschiedliche

Lastverhalten der einzelnen Komponenten. Aber auch

ein automatisierter Testlauf mit Belastungstests bis an

die Systemgrenzen stellt hier eine Herausforderung dar.

Diese Aspekte müssen bei der Definition und Spezifikation

von relevanten Testfällen und -szenarien berücksichtigt

werden.

2. KONZEPT FÜR EINEN SYSTEMORIENTIERTEN TEST

Die im Rahmen eines systemorientierten Tests durchzuführenden

Testfälle sind zu spezifizieren. Besonderer

Fokus liegt hierbei auf der formalen Testspezifikation

für Security-relevante Tests. Weiterhin müssen Testszenarien

erarbeitet werden, die bereits Hersteller von AT-

Komponenten bei einer Geräteentwicklung unterstützen.

Aber auch Tests, die beispielsweise typische Anwendungsszenarien

in bestehenden AT-Anlagen adressieren

und so eine gewisse wirtschaftliche Relevanz haben,

stehen im Fokus der Betrachtungen. Der Wert eines zuverlässigen

Schutzes einer Industrieanlage vor IT-Sicherheitsangriffen

(wie unberechtigter Zugriff, DoS-Angriffe)

ist offensichtlich, da eine verbesserte Verfügbarkeit von

Komponenten aufgrund ihrer Resistenz gegenüber möglichen

Angriffen zu einer höheren Produktivität und

damit Wertschöpfung von Anlagen führt.

Im zu erarbeitenden Testkonzept müssen bestimmte

Anforderungen an den Prüfling spezifiziert werden. Es

werden Aussagen zum geforderten Ausgangszustand

hinsichtlich der AT-Anwendung und der Kommunikation

des Prüflings erwartet. Weiterhin sind Akzeptanzkriterien

zu definieren, um das Verhalten des Prüflings

während der Testdurchführung bewerten zu können.

Damit kann dann eine Testfallbewertung durchgeführt

werden. Für eine solche Bewertung des Prüflings müssen

eindeutige Bewertungskriterien wie Lastklassendefinitionen

oder Ausfallstufen beschrieben sein. Testfälle

sollen automatisiert durchführbar sein und das

beobachtete Geräteverhalten soll mit den durchzuführenden

Testfällen in Zusammenhang gebracht werden.

Zum Testkonzept gehört eine Beschreibung der Testumgebung.

Bei Tests in einer speziellen Testumgebung

müssen verschiedene Geräteeigenschaften berücksichtigt

und dementsprechend bewertet werden. Für die

Bewertung einer Gerätefunktionalität steht so die Verarbeitung,

für die Bewertung einer Switch-Funktionalität

allerdings das Weiterleiten von Nachrichten im

Vordergrund.

Bei der Einarbeitung in das Themenfeld IT-Security

im allgemeinen und das Testthema im speziellen wurden

bei der Erarbeitung des Testkonzepts bereits etablierte

Methoden und Techniken aus der Standard-IT

berücksichtigt, aber ebenso aus dem automatisierungstechnischen

Umfeld.

2.1 Testkonzept und Testumgebung

Im Forschungsprojekt VuTAT [2] wurden Grundlagen

zur Identifikation und Analyse von Sicherheitsschwachstellen

in Ethernet-basierten Automatisierungsgeräten

gelegt, um insbesondere Implementierungs- oder Konfigurationsschwachstellen

auf Geräteebene identifizieren

zu können. Im Rahmen von VuTAT wurden Endgeräte

und Infrastrukturgeräte der industriellen Automatisierungstechnik

auf Schwachstellen untersucht. Neben

den im industriellen Umfeld vorrangig zum Einsatz

kommenden Ethernet-basierten Standardprotokollen

wurden exemplarisch die Profinet-Protokolle betrachtet.

In diesem Vorhaben wurde unter anderem der Open-

Source Schwachstellenscanner OpenVAS weiterentwickelt

und angepasst. So wurde für die Realisierung von

Testfällen mit Layer2-Kommunikation das Scapy-Tool

in das modulare OpenVAS-Framework integriert und

eine Vermittlerschicht zum überlagerten OpenVAS-

Management implementiert. Mit Hilfe von Scapy können

skriptsprachenbasiert (Python) Datenpakete generiert,

gesendet und empfangen werden. Zusätzlich lassen

sich Pakete vieler Protokolle direkt erstellen, ohne

Rohdaten bearbeiten zu müssen. Außerdem lassen sich

mit Scapy Datenpakete mit falschem Inhalt (zum Beispiel

falsche Längenfelder) erstellen und senden. Scapy

ist kein Testtool im eigentlichen Sinne, es eignet sich

aber sehr gut zum skriptbasierten Erstellen von Testfäl-

66

atp edition

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BILD 1: Netzwerkkonzept im Audi-

Karosseriebau Audi A3 an den

Standorten Ingolstadt und Györ

BILD 2:

Testumgebung

nach ISCI

BILD 3: Exemplarische Ermittlung

von Bewertungskriterien

len, die beispielsweise die Robustheit von Automatisierungslösungen

testen. Das erarbeitete Testkonzept in

VuTAT orientierte sich außerdem an der Testspezifikation

des ISA Security Compliance Institute (ISCI), siehe

Bild 2, und an den Securitytest-Aktivitäten im AT-Umfeld

(Security Level 1 Tester; SL1T).

Die beschriebene Testumgebung und die spezifizierten

Testfälle der ISCI-Spezifikationen wurden im

VuTAT-Kontext angepasst und erweitert. Für die speziellen

Securitytests aus dem AT-Umfeld wurden ein

Reverseengineering durchgeführt und formale Testfallbeschreibungen

abgeleitet.

Im Rahmen der Testspezifikationsarbeiten wurden

dann mögliche Testgruppen definiert. So wurden definierte

Lasttests mit Standard-IT Protokollen und

Diensten, aber auch mit Protokollen und Diensten aus

dem industriellen Umfeld (beispielsweise Profinet)

beschrieben. Dies erfolgte unter anderem in Anlehnung

an die aktuelle SL1T-Umsetzung aus dem AT-

Umfeld. Außerdem wurden die spezifizierten CRT-

Tests (Communication Robustness Testing) nach ISCI

umgesetzt und in die OpenVAS-Testbibliothek integriert.

Nach wie vor können ebenso die existierenden

Securitytests aus dem IT-Umfeld aus der OpenVAS-

Testbibliothek ausgeführt werden.

Die exemplarische Ermittlung von Akzeptanzkriterien

zeigt das Bild 3. Zu diesen Kriterien gehören anwendungs-

und kommunikationsbezogene Kenngrößen wie

Zykluszeit, Übertragungszeit und die Paketverlustrate.

Eine Testapplikation (Test-APP) im Profinet-Controller

liest ein Triggersignal ein (Digital Input) und spiegelt das

Signal auf einen digitalen Ausgang des Profinet-Device.

Dabei wird der Wert des Triggersignals über die zyklische

Profinet-Kommunikation transportiert.

Eine Komponente zur Kenngrößenermittlung (ifak-

Multiface) speist das Triggersignal ein und greift es

auf der Deviceseite wieder ab. Die Messungen und die

Weiterverarbeitung erfolgen intern in dieser Komponente.

Randbedingungen für die Durchführung der

Messungen sind hier der Profinet-Zyklus, Profinet-

Applikationszyklus und der Triggerungszyklus des

Einspeisesignals. Für die Erzeugung einer definierten

Netzlast und eines definierten Inhalts kommt ein

Testwerkzeug zum Einsatz, das mit Hilfe von konfigurierbaren

Testdaten Netzlasten unterschiedlicher

Höhe und unterschiedlichen Inhalts erzeugt und in

das Netzwerk einspeist.

Außerhalb der VuTAT-Aktivitäten wurden weitere

Testszenarien definiert, um in kritischen Netzwerkpunkten

einer bestehenden Profinet-AT-Anlage (beispielsweise

bei großer Linientiefe) die mögliche Profinet-Netzreserve

ermitteln zu können. Kritische Netzwerkpunkte

sind beispielsweise Stellen innerhalb einer Netzwerktopologie,

in denen eine Anlagenerweiterung zu instabilem

Kommunikationsverhalten und somit zum Produktionsausfall

führen kann. Als Profinet-Netzreserve ist die Anzahl

weiterer möglicher Profinet-Komponenten mit typischem

Kommunikationsverhalten zur Erweiterung von

Netzwerktopologien zu verstehen. Dieser Use-Case wird

im folgenden Kapitel näher beschrieben.

atp edition

11 / 2014

67


HAUPTBEITRAG

2.2 Ermittlung der Netzreserve

Dieses beschriebene Anwendungsszenario kann sowohl

Bestandteil eines Interoperabilitätstests bei der

Zertifizierung von Automatisierungskomponenten als

auch ein systemorientierter Testfall in einer bestehenden

AT-Anlage sein. In kritischen Netzwerkpunkten,

das kann entweder das gesamte Netzwerk, eine kritische

Netzwerkstrecke oder lediglich ein Prüfling in

einer Laborumgebung sein, wird definierte Netzlast

injiziert, siehe Bild 4.

Ein Netzlastgenerator simuliert hier mit der injizierten

Netzlast zusätzliche Profinet-Komponenten innerhalb

der zuvor dargestellten Netzwerktopologie und

erweitert so virtuell die Mengengerüste in der

Netzwerk linie. Die Injektion erfolgt durch Erzeugung

und Einspeisung von spezifischer Profinet-Kommunikationslast

(zyklisch, azyklisch), wie sie typischerweise

in der kritischen Netzwerktopologie auftritt. Eine

Analyse der vorliegenden typischen Kommunikation

ist hierbei Voraussetzung. Zu den Parametern dieser

Profinet-Kommunikationslast gehören unter anderem

die Paketlängen und -zykluszeiten der zyklischen Profinet-Kommunikation

und die Datenlänge und der prozentuale

Anteil der azyklischen Profinet-Kommunikation.

Auf Grundlage dieser Information können weitere

Profinet-Teilnehmer simuliert werden, deren Netzlast

dann in die Linientopologie eingespeist wird. Die Anzahl

der zu simulierenden zusätzlichen Profinet-Komponenten

kann variiert werden, ebenso ob die eingespeiste

Kommunikation gerichtet oder ungerichtet sein

soll. So kann die Device- oder die Switch-Funktionalität

eines AT-Gerätes in den Tests geprüft werden.

3. UMSETZUNG UND ERSTE ERFAHRUNGEN

Die Ansätze des zuvor beschriebenen Konzepts wurden

zum Teil prototypisch umgesetzt und konnten bereits in

einer realen Produktionsanlage evaluiert werden, in der

eine Großzahl von Profinet-basierten Netzwerken existieren.

Im Rahmen der Tests wurde in diesen Profinet-

IO-Anlagensegmenten zunächst ein Topologiescan

durchgeführt, um die Topologie der einzelnen Produktionsanlagenteile

zu ermitteln. Dazu wurden Profinetspezifische

Protokolle und Dienste genutzt (DCP_

Identify(All), Implicite-RecordRead(Index=PDRealData)).

Als Netzwerkzugang wurde hierfür ein freier Service-

Port eines Switches in der Profinet-IO-Anlage verwendet.

Die zu sendenden Datenpakete und die empfangenen

Antworten wurden mit Hilfe von Scapy-Skripten realisiert,

analysiert und interpretiert. Anschließend wurden

die Datensätze speziell formatiert und mit einem Grafikwerkzeug

visualisiert. Über einen solchen Topologiescan

ist es dann möglich, kritische Netzwerkpunkte oder

-strecken zu lokalisieren. In diese kritischen Netzwerkpunkte

beziehungsweise -strecken konnte dann Netzlast

in Form von simulierten, zusätzlichen Profinet-Teilnehmern

injiziert werden, um eine Profinet-Netzreserve zu

ermitteln. Parallel zur Injektion der Netzlast wurden die

auftretenden Datenströme aufgezeichnet, um später das

Verhalten der AT-Geräte in der kritischen Netzwerkstrecke

bewerten zu können.

Weiterhin wurde für Diagnosetests kurzzeitig die

Netzwerkverbindung zwischen der Profinet-IO-Steuerung

und dem zentralen Netzwerk-Switch aufgetrennt

und ein passiver Netzwerk-TAP (Test Access Point) eingefügt,

um den gesamten Netzwerkverkehr von und zur

Profinet-IO-Steuerung aufzuzeichnen (Profinet-spezifischer

Datenverkehr und Standard-IT-relevanter Datenverkehr).

Diese Aufzeichnungen wurden unter anderem

dazu verwendet, um fehlende Information in der Topologieermittlung

zu ergänzen. Aus den Daten der gerätetypischen

Informationsbasis ließ sich dann eine eindeutige

Netzwerktopologie ermitteln und visualisieren.

Bestandteil der Messungen waren ferner Untersuchungen

der Anlagenteile auf Kommunikationsanomalien.

Hierzu wurden Datenströme an freien Service-

Ports eines Profinet-Switches und vor der Profinet-

Steuerung aufgezeichnet. Zu Kommunikationsanomalien

zählen unter anderem:

Unerwartetes Empfangen von bestimmten Paketen

an beispielsweise Service-Ports von Switches (zum

Beispiel Multicast/Broadcast-Pakete aus anderen

Netzwerksegmenten ohne Ziel innerhalb des analysierten

Segments)

Unerwartete Verbindungsabbrüche (Messung vor

SPS erforderlich)

Generell unerwartetes oder ungewolltes Verhalten

(clRPC Pings, Profinet-RTA-Wiederholungen,…)

Unbekannte Kommunikation von unbekannten

Anlagenteilnehmern (zum Beispiel Unicast-Pakete,

adressiert an einen unbekannten Netzwerkteilnehmer)

Auf Grundlage der vorliegenden Anlagentopologie wurde

dann eine möglicherweise kritische Netzwerklinie

auf Stabilität und Netzreserve analysiert. Am Ende der

Netzwerklinie wurde die in der Linie auftretende gerätetypische

Netzlast so injiziert, das Netzlast in Form

von zusätzlichen Profinet-Teilnehmern simuliert werden

konnte. Am Anfang der kritischen Netzwerklinie

wurden von einem Netzwerk-TAP die dort auftretenden

Datenströme gemessen und im Nachgang ausgewertet.

Dies ermöglicht eine Bewertung des Verhaltens der AT-

Komponenten mit und ohne zusätzliche Netzlast.

Gleichzeitig konnte für diese Netzwerklinie eine Aussage

über die mögliche Netzreserve getroffen werden.

3.1 Ergebnisse der Messungen und deren Bewertung

In der Visualisierung der Anlagentopologie, Ausschnitt

siehe Bild 5, wurden Netzwerklinien unterschiedlicher

Tiefe lokalisiert. Die Namen und IP-Adressen in dieser

Abbildung sind aus Sicherheitsgründen unkenntlich

gemacht. Der erste Netzwerkteilnehmer nach dem dargestellten

zentralen Switch muss alle Netzwerkpakete

der in der Linie dahinter liegenden Profinet-Geräte weiterleiten,

die zur Steuerung gehen und von der Steuerung

kommen. Dieser Teilnehmer ist demnach beson-

68

atp edition

11 / 2014


ders belastet, und es könnte hier ein Flaschenhals bei

hohen Netzlasten entstehen.

Mit Hilfe der durchgeführten Netzlasttests in einer

Netzwerklinie konnte das veränderte Kommunikationsverhalten

von einzelnen AT-Komponenten gemessen

und bewertet werden. Bild 6 veranschaulicht exemplarisch

die Streuung der zyklischen Profinet-Kommunikation

mit und ohne zusätzliche Netzlast. Die mit

rot gezeichneten Ergebnisse zeigen die Verteilungen der

gemessenen Übertragungszeiten. Ohne Netzlast zeichnen

sich eindeutige Cluster ab, Bild 6 oben links, hervorgerufen

durch die Asynchronität der Applikationsund

Kommunikationsmaschinen im Profinet-Gerät.

Diese Clusterung verschwindet unter Netzlast, die

Messungen zeigen hier eine breite Streuung der ermittelten

Kenngröße, Bild 6 oben rechts. Für die Interpretation

der Ergebnisgraphen sind unterschiedliche Darstellungsweisen

herangezogen worden, siehe Bild 6

unten links und rechts, um eine ganzheitliche Bewertung

der Tests gewährleisten zu können.

Mit dem vorgestellten Testkonzept von Performanceund

Robustheitstests kann künftig eine Netzreserve im

laufenden Betrieb einer AT-Anlage ermittelt werden.

Für einen Profinet-Strang, beispielsweise innerhalb

einer Linientopologie, können so Aussagen über eine

mögliche Profinet-Netzwerkreserve mit definierter

Profinet-Kommunikation getroffen werden.

Bei den Messungen und der anschließenden Analyse

in den Profinet-Anlagen konnten weiterhin folgende

Kommunikationsanomalien ermittelt werden, die im

Nachgang vom Anlagenbetreiber beseitigt wurden:

Trotz logisch getrennter Netzwerksegmente wurden

zyklische Profinet-Pakete aus einem anderem

Profinet-Netzwerksegment aufgezeichnet! Da die

Zugänge zu den einzelnen Netzwerksegmenten so

konfiguriert sein sollten, dass speziell Profinet-

Kommunikation aus anderen Netzwerksegmenten

nicht weitergeleitet wird, führt dieses Fehlverhalten

zu einer ungewollten und zusätzlichen Netzlast

BILD 4: Generierung und Einspeisung

von definierter Profinet-Netzlast

BILD 5: Topologieauschnitt

einer Profinet-Teilanlage

BILD 6: Verteilungskurven mit und

ohne zusätzlicher Profinet-Netzlast

atp edition

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69


HAUPTBEITRAG

AUTOREN

im analysierten Netzwerksegment, verursacht von

einem fehlerhaft arbeitenden Linien-Switch.

In allen Profinet-Anlagen wurden zyklisch gesendete

Broadcast UDP-Pakete aus anderen Netzwerksegmenten

aufgezeichnet. Die Verarbeitung dieser

verbreiteten Information war allerdings lediglich

für die Leitstation bestimmt. Diese Broadcast-Pakete

erzeugten in den Anlagen eine unnötige zusätzliche

Netzlast. Ursache waren falsch konfigurierte

AT-Komponenten. Durch ein Umkonfigurieren

dieser Geräte, was normalerweise nach der

Inbetriebnahmephase der Anlage passieren sollte,

Dipl.-Ing. TINO DOEHRING (geb. 1976)

studierte Elektrotechnik an der

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

mit dem Schwerpunkt Automatisierungstechnik.

Nach dem Studium

begann er Anfang 2006 seine Tätigkeit

am ifak für den Forschungsschwerpunkt

„Eingebettete und kooperative

Systeme“ und ist nun im Geschäftsfeld

„IKT und Automation“ aktiv. Seine Arbeitsschwerpunkte

sind unter anderem der industrielle Kommunikationsstandard

Profinet und IT-Security-Aspekte im Bereich der

industriellen Automation.

ifak e.V. Magdeburg,

Werner-Heisenberg-Str.1, D-39106 Magdeburg,

Tel. +49 (0) 391 990 14 88,

E-Mail: tino.doehring@ifak.eu

Dr.-Ing. GUNNAR HARTUNG (geb. 1962)

studierte Elektrotechnik an der TU

Ilmenau. Hier promovierte er 1990 im

Bereich Isolier- und Hochspannungstechnik.

Seine berufliche Tätigkeit

begann er am Fraunhofer IFF Magdeburg

im Bereich Automatisierungstechnik.

Nach Tätigkeiten bei BOS Systemhaus

und der ISIK mit den Schwerpunkten

Entwicklung datenbankgestützter Produktionsleitsysteme

zur Qualitäts- und Betriebsdatenerfassung und

Vernetzung von Maschinen und Anlagen in Produktionssystemen

übernahm er am 1.1.2012 die Leitung der Abteilung

Automatisierungstechnik Karosseriebau bei der Audi

AG. Arbeitsschwerpunkte sind die Planung und Realisierung

der Anlagensteuerung der Karosseriebauanlagen für

die Standorte Ingolstadt, Brüssel, Györ und Mexiko.

Audi AG,

I/PG-C62, D-85045 Ingolstadt,

Tel. +49 (0) 841 893 80 44,

E-Mail: gunnar.hartung@audi.de

konnte von Broadcast- auf Unicastkommunikation

umgestellt und somit die Netzlast in allen nicht

beteiligten Netzwerksegmenten reduziert werden.

AUSBLICK

Die gewonnenen Erfahrungen aus den durchgeführten

Tests und Messungen fließen aktuell in laufende

Foschungsaktivitäten ein. Im Rahmen des Vorhabens

DIA.LYSIS [6] soll ein verteiltes und modulares Framework

zur Netzwerkdiagnose und Prozessdatenanalyse für

Ethernet-basierte Automatisierungssysteme entwickelt

werden. Eine prototypische Umsetzung erfolgt mit Fokus

auf Profinet. Es sollen neue und typische Anwendungsszenarien

definiert und umgesetzt werden. Im Mittelpunkt

stehen hier Soll-Ist-Vergleiche, die automatisierte

Erkennung von Kommunikationsanomalien, erweiterte

Robustheits- und Stabilitätstests und eine automatische

Analyse der Protokollverteilungen. Weiterhin werden

Methoden zur wissensbasierten Messdatenanalyse, -auswertung

und -aufbereitung herangezogen und die Visualisierung

von Strukturen und Zuständen betrachtet. Das

Ziel ist, mit dem Einsatz des Frameworks speziell Anlagenbetreiber

bei systemorientierten Tests zu unterstützen,

um Störungen oder Anlagenausfallzeiten zu minimieren.

Der Einsatz des Frameworks soll zu jedem Zeitpunkt im

Lebenszyklus einer Automatisierungsanlage innerhalb

des Produktionsnetzwerkes möglich sein. Auch eine Erweiterung

des Testumfangs aufgrund neuer Anforderungen

ist vorgesehen.

MANUSKRIPTEINGANG

12.03.2014

REFERENZEN

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet

[1] IEC 64223: Security for industrial automation and

control systems - Network and system security.

Geneva 2011

[2] VuTAT: Vulnerability Tests of AT Components, Laufzeit:

10/2009 bis 12/2012, Förderkenn zeichen:16231 BG1

[3] ISA Security Compliance Institute;

http://www.isasecure.org/

[4] EDSA-310: Embedded Device Security Assurance

– Common requirements for communication robustness

testing of IP-based protocol implementations Version

1.7. ISA Security Compliance Institute, September 2010

[5] Bundesamt für Sicherheit in der Informaionstechnik:

IT-Grundschutz-Kataloge, Online auf

https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ITGrundschutz/ITGrundschutzKataloge/itgrundschutzkataloge_node.html

[6] DIA.LYSIS: Basissystem für verteilte Netzwerkdiagnose

und Prozessdatenanalyse. Gefördert durch

BMWI (INNO-KOM-OST, Modul: Vorlaufforschung),

Reg.-Nr.: VF120048

70

atp edition

11 / 2014


PRODUKT & UNTERNEHMEN

Profibus & Profinet International zeigt bei der SPS IPC Drives

mit etwa 100 Mitausstellern neue Technologien

Profibus & Profinet International

(PI) und rund 100 Mitaussteller

präsentieren bei der Messe

SPS IPC Drives in Nürnberg Geräte

und Technologien rund um

Profibus, Profinet und IO-Link.

Messehighlight soll ein Papierflieger-Modell

sein, das in Zusammenarbeit

mit der TU Darmstadt

erstellt wurde und anschaulich die

Funktionsweisen der Technologien

zeigt. Aus einem einfachen Blatt

Papier, das personalisiert bedruckt

werden kann, wird durch spezielle

Falt- und Wendemechanismen ein

präzises Flugobjekt.

Vielfalt und Breite der Technologien

spiegele sich auch in Live-Demos

wider. Mit einer technologieübergreifenden

Multivendor-Wand

zeigt PI die breitgefächerte Produktund

Herstellervielfalt. 15 % der gezeigten

Geräte seien neu zertifiziert.

Vorträge im Forum über neueste Entwicklungen, Trends, Einsatzbereiche

und Vorteile der PI-Technologien informieren die Besucher. Bild: PI

Die Live-Demo von Profibus und

Profinet für die Prozessautomatisierung

zeige den einfachen Gerätetausch

und die Diagnose gemäß der

NE107. Die Präsentation werde

durch FDI komplettiert.

IO-Link ist mit 140 Produkten auf

dem Gemeinschaftssand vertreten,

wovon 15 % der Geräte neu auf dem

Markt verfügbar sind. (gz)

www.profibus.com

Demonstration bei Messe:

The Connected Enterprise live erleben

Die Produktion der Zukunft stellt

Rockwell in den Mittelpunkt des

Messeauftritts. Bild: Rockwell

Wie sieht die Produktion der Zukunft

aus? Diese Frage steht im

Mittelpunkt des diesjährigen Messeauftritts

von Rockwell Automation

auf der SPS IPC Drives. Das Unternehmen

präsentiert „The Connected

Enterprise“, einen Ansatz,

der zeigt, wie die Prinzipien von

Industrie 4.0 in der Praxis genutzt

werden können.

An einer simulierten Produktionsstraße

können sich Besucher

über die Vorteile vernetzter Unternehmen

informieren. Sie können an

Software-Stationen am Stand direkt

Produktionsdaten aus der simulierten

Produktionsstraße auslesen

und die Vorteile von Echtzeitdaten

für eine schnelle Entscheidungsfindung

kennenlernen.

Teil der Produktionsstraße sind

ein Prozess-Skid, die Servoantriebslösung

iTrak und ein Trayfeeder.

Das iTrak-System ist ein modulares,

skalierbares Linearmotorsystem,

das die Leistungsfähigkeit bei vielen

Anwendungen erhöht. Das flexible

Palettenwechselsystem Trayfeeder

eines deutschen Maschinenbauers

demonstriert Flexibilität und

Leistung und wird komplett mit

dem Midrange-Portfolio von Rockwell

Automation gesteuert. (gz)

www.rockwellautomation.de

Führungswechsel

bei Phoenix Contact

um 1. Januar 2015 wird Frank

Z Stührenberg, Geschäftsführer

Vertrieb, Vorsitzender der Geschäftsführung

der Phoenix Contact

GmbH & Co KG. Er übernimmt damit

das Amt sowie die Aufgaben,

die bisher Klaus Eisert als geschäftsführender

Gesellschafter innehatte.

Die Zuständigkeit für den Geschäftsbereich

Vertrieb behält Stührenberg

weiterhin inne. Auch die

gemeinsame Verantwortung sowie

Zuständigkeiten der vier anderen

Geschäftsführer bleiben bestehen.

Klaus Eisert, der seit 2006 keinem

Geschäftsbereich mehr vorstand,

bleibt weiterhin dem Unternehmen

erhalten. Jetzt gilt sein Augenmerk

der Bildung eines Beirats, der sich

aus Gesellschaftern sowie externen

Personen zusammensetzt. Dieser

Beirat wird zukünftig das Bindeglied

zwischen der angestellten Geschäftsführung

sowie den Familien-

Gesellschaftern darstellen. (gz)

www.phoenixcontact.com

atp edition

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PRODUKT & UNTERNEHMEN

Scada-Lösungen

für Industrie 4.0

Copa-Data präsentiert auf der SPS

IPC Drives durchgängige Lösungen

für Industrie 4.0: Lösungen

für industrielle Umgebungen, die

vollständige Integration in Wertschöpfungs-

und Geschäftsprozesse

ermöglichen, sich durch Flexibilität

und Erweiterbarkeit auszeichnen,

ergonomisch sind und Ressourceneffizienz

zum Ziel haben.

Basis dafür ist die Zenon-Produktfamilie.

Damit sei es möglich,

Lösungen für die Steuerung, Visualisierung

und Datenanalyse aufzubauen,

die sich flexibel anpassen

und ergonomisch bedienen lassen.

Dank der Offenheit und Plattformunabhängigkeit

könnten Zenonbasierende

Anwendungen – horizontal

wie vertikal – sehr einfach

in bestehende wie neue Infrastrukturen

integriert werden. Zudem ermögliche

Zenon vernetzte, sichere

Kommunikation.

Möglich seien etwa Anlagen- und

unternehmensübergreifende Datenanalyse

mit Zenon in der Cloud.

Ebenso lasse sich die Ressourceneffizienz

steigern, da man mit Zenon

alle betrieblichen Energie- und Verbrauchsdaten

messen, erfassen,

sammeln, analysieren und weiterverarbeiten

könne. Einen weiteren

Messeschwerpunkt legt Copa-Data

in das Thema Security. (gz)

Auf Zenon-Basis lassen sich auch

Lösungen zum Energie-Management

realisieren Bild: Copa-Data

www.copadata.de

Kabel- und lüfterlos soll neuer Box-PC

auch im widrigen Umfeld bestehen

Kompakt, zuverlässig und robust –

mit diesen Eigenschafen soll der

DC-1100 überzeugen. Bild: Comp-Mall

Einen nach eigenen Angaben besonders

zuverlässigen und robusten,

lüfterlosen und kabellosen

Box-PC stellt Comp-Mall mit dem

Modell DC-1100 vor. Mit dem

4 Kern-Intel-Atom-Prozessor E3845

Quad Core, 1.91 GHz, soll es die industrielle

Nachfrage nach hoher

Leistungsdichte und Flexibilität bei

geringer TDP auf kleinem Raum be-

IO-Link 1.1 für den letzten Meter zu I4.0

B

&R stellt zwei neue Master-Module

zur digitalen Kommunikation

mit je 4 intelligenten Feldgeräten

über IO-Link 1.1 vor: Das X20D-

S438A gemäß Schutzart IP20 und

das X67DS438A in Schutzart IP67

für die Verwendung außerhalb des

Schaltschranks. Die Vision Industrie

4.0 postuliert, dass Werkstücke

selbstständig durch den Produktionsprozess

wandern und eigenständig

ihre Produktion steuern. Dazu

muss die Sensorik ausgebaut werden.

Selbst bei recht einfachen Sensoren

steigt die Intelligenz. Der digitale

Parametersatz ersetzt mehr und

mehr das Einstell-Potenziometer.

Für den letzten Meter vom I/O-

Modul zum Sensor oder Aktor setzt

B&R daher bereits seit Jahren auf

den internationalen Kommunikationsstandard

IO-Link. Als bidirektionale,

digitale Kommunikationsschnittstelle

für den Feldbereich

erlaubt dieser auch den Austausch

von Parameterdaten und Diagnoseinformationen

und ermöglicht so

eine intelligente Anbindung von

friedigen. Kabelloses Design verhindere

Ausfälle durch Kabelbruch,

gute Wärmeableitung lasse

den Lüfter überflüssig werden, und

das widerstandsfähige Metallgehäuse

biete mechanischen Schutz.

Mit 185 x 131 x 54mm sei das Modell

DC-1100 ideal für platzkritische

Verhältnisse beispielsweise

im industriellen Umfeld, in Sicherheitsanwendungen,

im mobilen

Einsatz oder in der Gebäudeautomation.

Der große Temperaturbereich von

–20°C bis 60°C und der Schutz gegen

Stöße und Vibration lasse auch

mobilen Betrieb in Pkw, Omnibus

oder Lkw, Schiff oder Zug zu. Für

den Internet-of-Things-Bereich eigne

sich das Modell DC-1100 durch

seine hohe Rechenleistung als intelligenter

Control Server. (gz)

www.comp-mall.de

Mit IO-Link 1.1 im X20-System von

B&R vereinfacht sich die Anbindung

der Sensorik. Bild: B&R

Sensoren und Schaltgeräten an die

Steuerungsebene. Die Vereinheitlichung

der Kommunikation zu den

Endgeräten vereinfacht entscheidend

deren Integration. Zudem erleichtert

die zentrale Parameterverwaltung

deren Austausch. Damit ist

IO-Link die ideale Ergänzung zum

industriellen Echtzeit-Ethernet Powerlink.

(gz)

www.br-automation.com

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Mit webbasierter Visualisierungssoftware

die Automatisierung komplett im Blick

Mit der webbasierten Visualisierungssoftware

PASvisu zeigt

Pilz den Anwendern bei der SPS IPC

Drives eine Software für den Bereich

Bedienen und Beobachten, die

zugleich leistungsstark und einfach

zu handhaben sei.

Die plattformunabhängige Visualisierung

beruhe auf aktuellsten

Webtechnologien wie HTML 5,

CSS3 und JavaScript. PASvisu ist

Pilz zufolge intuitiv zu bedienen

und biete gestalterische Freiheit für

Projekte: Mit PASvisu will Pilz seinen

Anspruch als Komplettanbieter

für die sichere Automatisierung

unterstreichen. Die Visualisierungssoftware

ermögliche es, über

den PASvisu Builder Visualisierungsprojekte

einfach zu erstellen

und zu konfigurieren.

Dank des Zugriffs auf alle Daten

eines Automatisierungsprojekts inklusive

aller Prozessvariablen und

OPC-Namensräume entfalle die fehleranfällige,

manuelle Eingabe sowie

Zuordnung von Variablen. So

ließen sich zum Beispiel auch Informationen,

wie die Checksumme des

Projekts oder die Firmware-Version

des Steuerungs-Kopfes abrufen.

Auswählbare Styles über CSS3

sorgen laut Pilz mit nur einem

Klick für ein einheitliches, projektweites

Erscheinungsbild. Vordefinierte

grafische Eingabe- und Anzeigeelemente,

sogenannte Kacheln,

böten bereits alle relevanten

Eigenschaften, wie Präfix, Suffix

und Fehlerstatus.

(gz)

www.pilz.com

Leistungsstark und einfach zu

bedienen sei die webbasiserte

Visualisierungssoft ware PASvisu,

betont der Hersteller. Bild: Pilz

Neue Lösungen für Softwareengineering und Mechatronik

sollen Maschinenaufgaben einfach und sicher umsetzen

Auf der SPS IPC Drives zeigt Lenze,

Spezialist für Motion Centric

Automation, neueste Lösungen aus

den Bereichen Softwareengineering

und Mechatronik, mit denen sich

Maschinenaufgaben möglichst einfach

und sicher umsetzen sowie

Engineering-Aufwände wesentlich

reduzieren lassen.

Highlights auf dem Messestand

sind Softwarebausteine für die Robotik

als aktuelle Ergänzung der

bewährten Application Software

Toolbox Lenze Fast, ein neuartiges

gestengesteuertes Bediensystem für

die Maschinenvisualisierung sowie

mechatronische Antriebspakete für

die Fördertechnik.

Stark sieht sich Lenze besonders

bei modularen, standardisierten

und wiederverwendbaren Softwarebausteinen.

Aktuellster Neuzugang

innerhalb der seit Jahren

bewährten Application Software

Toolbox Fast sind komplette vorgefertigte

Module für die Robotik.

Mit ihnen gelingt Lenze zufolge

die Integration der Kinematiken in

die Gesamtautomatisierung und

deren Bewegungsfunktionen sehr

einfach. Sie beinhalten Technologiemodule

für Pick & Place-Bewegungsfunktionen

sowie die entsprechende

Koordinatentransformation

für unterschiedliche Kinematiken,

basierend auf PLCopen

Part 4. Engineering und Support

würden auf diese Weise deutlich

vereinfacht.

Einfaches Bedienen und Beobachten

von Maschinen ermögliche das

neuartige und benutzerfreundliche

multitouchbasierte Bediensystem

für die Visualisierung. Es überzeuge

durch gestengesteuerte ergonomische

Bedienung wie sie bei Smartphones

und Tablets bekannt ist. (gz)

www.Lenze.com/de

Lenze will Maschinenbauern die Realisierung von Maschinenkonzepten

erleichtern und Freiräume für Alleinstellungsmerkmale geben. Foto: Lenze SE

atp edition

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IMPRESSUM / VORSCHAU

IMPRESSUM

VORSCHAU

Verlag:

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH

Arnulfstraße 124, D-80636 München

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 0

Telefax + 49 (0) 89 203 53 66 99

www.di-verlag.de

Geschäftsführer:

Carsten Augsburger, Jürgen Franke

Verlagsleiterin:

Kirstin Sommer

Spartenleiterin:

Kirstin Sommer

Herausgeber:

Dr.rer.nat. Thomas Albers

Dr. Gunther Kegel

Dipl.-Ing. Hans-Georg Kumpfmüller

Dr.-Ing. Wilhelm Otten

Beirat:

Dr.-Ing. Kurt Dirk Bettenhausen

Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple

Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay

Prof. Dr.-Ing. Michael Felleisen

Prof. Dr.-Ing. Georg Frey

Dipl.-Ing. Thomas Grein

Prof. Dr.-Ing. Hartmut Haehnel

Dipl.-Ing. Tim-Peter Henrichs

Dr.-Ing. Jörg Kiesbauer

Dipl.-Ing. Gerald Mayr

Dr.-Ing. Josef Papenfort

Igor Stolz

Dr. Andreas Wernsdörfer

Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp

Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich

Dr.rer.nat. Christian Zeidler

Organschaft:

Organ der GMA

(VDI/VDE-Gesell schaft Messund

Automatisierungs technik)

und der NAMUR (Interessengemeinschaft

Automatisierungstechnik

der Prozessindustrie).

Redaktion:

Markus Hofelich (verantwortlich)

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 33

E-Mail: hofelich@di-verlag.de

Gerd Scholz (gz)

Einreichung von Hauptbeiträgen:

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas

(Chefredakteur, verantwortlich

für die Hauptbeiträge)

Technische Universität Dresden

Fakultät Elektrotechnik

und Informationstechnik

Professur für Prozessleittechnik

D-01062 Dresden

Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14

E-Mail: urbas@di-verlag.de

Fachredaktion:

Dr.-Ing. Michael Blum

Dipl.-Ing. Heinrich Engelhard

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite

Dr.-Ing. Bernhard Kausler

Dr.-Ing. Niels Kiupel

Prof. Dr.-Ing. Gerrit Meixner

Dr.-Ing. Jörg Neidig

Dipl.-Ing. Ingo Rolle

Dr.-Ing. Stefan Runde

Prof. Dr.-Ing. Frank Schiller

Bezugsbedingungen:

atp edition – Automatisierungs technische

Praxis“ erscheint monatlich mit Doppelausgaben

im Januar/Februar und Juli/August.

Bezugspreise:

Abonnement jährlich: € 519,– + € 30,–/ € 35,–

Versand (Deutschland/Ausland);

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ePaper (PDF): € 519,–; ePaper + Online-Archiv:

€ 674,70; Einzelheft: € 59,– + Versand;

Die Preise enthalten bei Lieferung in EU-

Staaten die Mehrwertsteuer, für alle übrigen

Länder sind es Nettopreise. Mitglieder der

GMA: 30% Ermäßigung auf den Heftbezugspreis.

Bestellungen sind jederzeit über den Leserservice

oder jede Buchhandlung möglich.

Die Kündigungsfrist für Abonnement aufträge

beträgt 8 Wochen zum Bezugsjahresende.

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DataM-Services GmbH, Leserservice atp

Herr Marcus Zepmeisel

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Ostring 13,

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Gedruckt auf chlor- und

säurefreiem Papier.

Die atp wurde 1959 als „Regelungstechnische

Praxis – rtp“ gegründet.

DIV Deutscher Industrieverlag

GmbH München

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich

geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne

Ein willigung des Verlages strafbar.

Gemäß unserer Verpflichtung nach § 8

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Alleiniger Gesellschafter des Verlages

ist die ACM-Unternehmensgruppe,

Ostring 13,

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt.

ISSN 2190-4111

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E-MAIL:

leserservice@di-verlag.de

TELEFON:

+ 49 (0) 931 417 04 59

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