atp edition Dezentrale Intelligenz für modulare Automation (Vorschau)
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11 / 2014
56. Jahrgang B3654
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH
Automatisierungstechnische Praxis
Dezentrale Intelligenz für
modulare Automation | 34
Kommunikation mit
AutomationML beschreiben | 44
Wissensbasierte Auswahl
von Prinziplösungen | 52
Robustheit industrieller
Produktionsnetze | 64
„ Wir spüren Effizienzreserven
auf. “
Yokogawa Experte für
Feldinstrumentierung
Steigerung der Anlagen-Produktivität.
Ist eine Anlage jahrzehntelang in Betrieb, entspricht ihre Automatisierung
oft nicht mehr dem Stand der Technik. So verschenken viele Betreiber
wertvolle Potenziale. Wir helfen Ihnen, diese Effizienzreserven zu erschließen.
Wir optimieren Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Wir steigern die
umwelt- und ressourcenschonende, energieeffiziente Produktion – für alle,
die nicht nur automatisieren, sondern auch wirtschaften wollen.
Zukunft entwickeln mit Automatisierung.
Yokogawa Deutschland GmbH
Broichhofstraße 7-11
D-40880 Ratingen
Telefon +49(0)2102- 4983-0
Telefax +49(0)2102- 4983-22
www.yokogawa.com/de
info@de.yokogawa.com
EDITORIAL
Dezentrale Intelligenz –
neue Wege in der
Prozessautomatisierung
Mit dezentraler Intelligenz in der Prozessautomation stellt die Namur
ein richtungsweisendes Zukunftsthema in den Mittelpunkt
ihrer diesjährigen Hauptsitzung.
Wir haben in den vergangenen Jahren vielfältige Diskussionen,
Vorträge, Veröffentlichungen, Projektrealisierungen und sogar Firmengründungen
erlebt, die sich mit dem Thema der modularen Prozessanlage
für mehr Flexibilität in der Prozessindustrie auseinandergesetzt
haben. Die entstandenen Konzepte und Realisierungen
mit modularen Strukturen nähern sich den Organisationsformen der
modularen Fertigungsindustrie an, bei denen das Medium von Modul
zu Modul weitergegeben wird. Die Verfahrenstechniker haben uns
damit Methoden aufgezeigt, wie die moderne Produktion in der Prozessindustrie
organisiert sein kann.
Die Prozessautomation muss diese Herausforderungen annehmen,
denn eine modulare Anlagenstruktur kann nicht mit zentralen Automatisierungsstrukturen
geführt werden. Zur Abbildung der Modularität
der Verfahrenstechnik in der Automation müssen die Module
eine eigene Intelligenz besitzen. Nur mit dieser Intelligenz werden
die Module befähigt, sich selbstständig im Netzwerk einzugliedern.
Dezentrale Intelligenz ist daher das wesentliche Element der modernen,
modularen Prozessautomation.
Wir haben jetzt die Möglichkeit, dezentrale Intelligenz sinnvoll,
das bedeutet offen, flexibel und kostengünstig, zu implementieren.
Dies muss ohne proprietäre Ansätze geschehen sondern vielmehr auf
offenen, industriell akzeptierten Schnittstellen basieren.
Die Akzeptanz und anschließende Standardisierung der Methoden
der modularen Automation mit dezentraler Intelligenz sollte unser Ziel
sein und bildet damit einen wichtigen Grundstein für Industrie 4.0.
Ich freue mich daher auf eine rege und vielfältige Diskussion auf
der diesjährigen Namur-Hauptsitzung zu dem ersten Lösungsansatz
Dima (Dezentrale Intelligenz für Modulare Anlagen), der auch in
einem Hauptbeitrag der vorliegenden Ausgabe vorgestellt wird. Dies
verbunden mit der Zuversicht, durch Dima eine allseits akzeptierte
Basis für die modulare Automation mit dezentraler Intelligenz zu
schaffen.
SVEN HOHORST,
Geschäftsführender
Gesellschafter
Wago Kontakttechnik GmbH
& Co.KG
atp edition
11 / 2014
3
INHALT 11 / 2014
FORSCHUNG
6 | Industrie 4.0: IOSB reduziert mit einer universellen
Schnittstelle den Inbetriebnahmeaufwand massiv
Zukunftsszenarien: Smart Blueprint 3D modelliert
Arbeitsprozesse für intelligente Fabrik
7 | Schlechte Sicht, Strömung, Wellen: Studenten aus Bremen
gewinnen Wettbewerb der Tauchroboter
Roboter holt Opfer aus der Gefahrenzone
VERBAND
8 | Milliardenverluste der Wirtschaft: Elektroindustrie
drängt auf Strategie für die Cyber-Sicherheit
Call for atp experts: Lebenszyklusmanagement
von IKT und Automation
9 | Sensorik und Messtechnik: Innovationspreis
für Forschungsprojekte mit Marktrelevanz
ZVEI will Industrie 4.0 vorantreiben
Namur trauert um Bernhard Will
BRANCHE
10 | Powerlink eröffnet neues Technologiezentrum
an chinesischer Tianjin University
Profinet ist nun nationaler chinesischer Standard
Namur-Schnittstelle für Engineering-Daten
11 | Wie findet die jüngste industrielle Revolution Eingang
in die Praxis der Unternehmen?
Prozessautomation soll 2014 um sechs bis sieben Prozent
zulegen – Abschwächung erwartet
12 | Integration statt Konkurrenz: Fieldbus und HART
schließen sich zur FieldComm Group zusammen
RUBRIKEN
3 | Editorial
71 | Produkt & Unternehmen
74 | Impressum, Vorschau
4
atp edition
11 / 2014
PRAXIS
16 | FDI Device Package läutet neue
Ära für die Feldbustechnik ein:
ein Gerät, ein Paket, alle Tools
20 | Durch modulare Automatisierung
gewinnen die Anlagenbetreiber neue
Flexibilität und Effizienz
22 | Smartglass und Smartwatch erlauben eine völlig
neue Dimension der Steuerung von Anlagen
25 | Experten fragen, Experten antworten:
Missverständnisse rund um SIL
26 | Automatisierungstechnik in Anlandestation für
Erdgas gewährleistet höchste Zuverlässigkeit
30 | Lichtwellenleiter im Industrieeinsatz:
Robuste Komponenten trotzen widrigen
Bedingungen
Produkte,
Systeme
und Service
für die
Prozessindustrie?
Natürlich.
HAUPTBEITRÄGE
34 | Dezentrale Intelligenz für
modulare Automation
T. HOLM, M. OBST, A. FAY, L. URBAS, T. ALBERS,
S. KREFT UND U. HEMPEN
44 | Kommunikation mit
AutomationML beschreiben
M. RIEDL, A. LÜDER, B. HEINES UND R. DRATH
52 | Wissensbasierte Auswahl
von Prinziplösungen
M. RIEDEL UND A. FAY
64 | Robustheit industrieller
Produktionsnetze
G. HARTUNG UND T. DOEHRING
Ist Ihre Produktionsanlage auf dem
neuesten Stand? Sind alle Korrekturen
im Leitsystem eingespielt? Sind alle
Sicherheitslücken geschlossen?
Ist Ihr System gegen Cyber-Angriffe
und Bedrohungen geschützt?
Läuft Ihre Anlage optimal? Ist sie
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FORSCHUNG
Industrie 4.0: IOSB reduziert mit einer universellen
Schnittstelle den Inbetriebnahmeaufwand massiv
AUSGEZEICHNET:
Dr.-Ing. Miriam Schleipen
und Dr.-Ing. Olaf Sauer
erhielten den Innovationspreis
NEO 2014 für ihre
Arbeit an einer universellen
Schnittstelle für die Fabrik
der Zukunft.
Bild: Fraunhofer IOSB
Das Karlsruher Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik
und Bildauswertung (IOSB) hat den Innovationspreis
NEO 2014 der TechnologieRegion Karlsruhe
(TRK) gewonnen. Die mit 20.000 Euro dotierte
Auszeichnung nahmen Dr.-Ing. Miriam Schleipen und
Dr.-Ing. Olaf Sauer im Technologiepark Karlsruhe entgegen.
Die beiden Forscher arbeiten an einer universellen
Schnittstelle für die Fabrik der Zukunft. Die Jury urteilte:
Diese Idee ist von globaler Bedeutung für die Industrie.
In der Industrie 4.0 sind intelligente Anlagenkomponenten,
Maschinen und Anlagen sowie IT-Systeme miteinander
vernetzt, sodass jede Komponente der Fabrik
über die relevanten ‚Partner‘ mit ihren Fähigkeiten informiert
ist. Tatsächlich existieren aber heute auf jeder
Ebene der Fabrik diverse heterogene Softwaresysteme
mit Schnittstellen, die bei jeder Änderung manuell angepasst
oder umprogrammiert werden müssen. Sie sind
damit aufwendig und fehleranfällig.
Nach dem Prinzip einer USB-Schnittstelle können mit
dem Ansatz der Fraunhofer-Forscher Teile der Anlage ei-
genständig Daten austauschen. Der Vorteil: Die steuernde
Software kann neue oder geänderte Systemkomponenten
schnell und unkompliziert erkennen und alle Informationen
werden zur automatischen Integration in den Produktionsablauf
übertragen. ‚Plug and Work‘ lauten Motto
und Methode, und zwar unter Nutzung offener Standards,
die bereits heute in der Industrie eingesetzt werden. So
müssen keine zusätzlichen Schnittstellen oder Treiber
programmiert und auf die Anlagen abgestimmt werden.
Beim IOSB ist man sicher: Der Ansatz einer universellen
Schnittstelle auf Basis offener Industriestandards
funktioniert. Das habe man bereits in Zusammenarbeit
mit produzierenden Unternehmen bewiesen. Durch die
universelle Schnittstelle könnten die Aufwände zur Inbetriebnahme
von Maschinen um rund 20 Prozent reduziert
werden und diejenigen zur Anbindung von Anlagen
und Steuerungen an ein übergeordnetes Manufacturing
Execution System um rund 70 Prozent.
Aktuell werden die Technologien in einem weiteren
Verbundprojekt weiterentwickelt: im Projekt Secure-
PlugandWork (www.secureplugandwork.de) steht im
Vordergrund, dass das Einklinken in das Produktionssystem
nur autorisierten Teilnehmern (Komponenten,
Maschinen und IT-Systemen) erlaubt ist und dass die
Kommunikation der Fähigkeiten verschlüsselt wird, so
dass sie niemand unerlaubt mithören kann. Partner ist
unter anderem die Karlsruher Firma Wibu Systems, die
ebenfalls für den NEO 2014 nominiert war. (gz)
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR OPTRONIK,
SYSTEMTECHNIK UND BILDAUSWERTUNG IOSB,
Fraunhoferstraße 1, D-76131 Karlsruhe,
Tel. +49 (0) 721 609 10,
Internet: www.iosb.fraunhofer.de
6
Zukunftsszenarien: Smart Blueprint 3D modelliert
Arbeitsprozesse für intelligente Fabrik
Unternehmen auf dem Weg zu Industrie 4.0 müssen
Prozesssicherheit, Kompetenzen und Mitarbeiterakzeptanz
für die neuen Technologien gewährleisten, um
diese erfolgreich einzuführen. Dafür entwickelt das
Fraunhofer-IAO das Tool ‚Smart Blueprint 3D‘. Es soll
digital unterstützte Arbeitsprozesse modellieren und
die komplexe Interaktion zwischen Mensch, Objekten
und Software leicht verständlich darstellen. Das Tool
hilft abzubilden, wie sich die verschiedenen technologischen
Migrationsstufen der Digitalisierung auf die
Arbeitsprozesse auswirken. „Smart Blueprint 3D hilft
Unternehmen zum einen, während der Umstellung auf
die intelligente Produktion schlagkräftig zu bleiben.
Zum anderen können Migrationsschritte besser beherrscht
und Risiken frühzeitig erkannt werden, die sich
durch fehlende Kompetenzen ergeben“, erklärt David
Kremer, der für das Projekt verantwortlich zeichnet.
atp edition
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Langfristig soll Smart Blueprint 3D veränderte Arbeitsprozesse
mittels Virtueller Realität simulieren.
Neue Szenarien der Mensch-Technik-Interaktion werden
mit Avataren direkt erlebbar. „Prozessverantwortliche
können sich so direkt in die Rolle der Produktionsmitarbeiter
hineinversetzen. Auf dieser Grundlage können
Arbeitsschritte viel besser auf die Anforderungen guter
Arbeitsbedingungen zugeschnitten werden“, so Kremer.
Im Rahmen der Entwicklung von ‚Smart Blueprint 3D‘
bietet das Fraunhofer-IAO Unternehmen mehrere Möglichkeiten
zur Kooperation an. Dazu zählen Workshops
oder die Beteiligung an zwei Projektskizzen. (gz)
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT
UND ORGANISATION IAO,
Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart,
Tel. +49 (0) 711 97 00, Internet: www.iao.fraunhofer.de
Schlechte Sicht, Strömung, Wellen: Studenten aus
Bremen gewinnen Wettbewerb der Tauchroboter
Das Studententeam der Universität Bremen und des
DFKI siegte mit seinem Unterwasserroboter bei der
‚Student Autonomous Underwater Challenge – Europe‘
(SAUC-E) mit ihrem Unterwasserfahrzeug Avalon. Es
teilte sich den ersten Platz mit dem Team SAUC‘ISSE des
Ecole d’ingénieurs et centre de recherche (ENSTA) aus
der Bretagne. Wissenschaftler der Universität Bremen
und des Robotics Innovation Centers des DFKI betreuten
die Bremer Studierenden der Arbeitsgruppe Robotik
unter Leitung von Prof. Dr. Frank Kirchner.
Zu den neuen Herausforderungen zählte in diesem Jahr
unter anderem das Inspizieren und Kartografieren von
Unterwasserstrukturen sowie das Auffinden von Schadstellen
an einer Hafenwand. Aber auch die Kooperation
mit einem autonomen Fahrzeug an der Wasseroberfläche
war eine neue Aufgabe im Wettbewerb. Die beiden Bremer
Fahrzeuge Avalon und Excalibur agierten autonom
und unterstützten sich gegenseitig bei der Inspektion.
Der Mittelmeerhafen in La Spezia bot realistische Testbedingungen
– das Wasser ist salzig, die Sicht ist
schlecht. Strömung und Wellen wirken auf die Fahrzeuge.
Die Stärken des Bremer Unterwasserroboters liegen
in der Verarbeitung und Interpretation von Sonardaten,
in der ausgefeilten adaptiven Missionsplanung sowie
der sehr guten Lokalisierung.
Das mit nur 1,5 Metern Länge und einem Durchmesser
von 24,6 Zentimetern sehr kleine AUV Avalon (Autonomous
Vehicle for Aquatic Learning, Operation and
Navigation) ist für den Einsatz in engen, hindernisreichen
DAS STUDENTEN-
TEAM von DFKI
und Uni Bremen
gewann den
Wettbewerb der
Unterwasserroboter
im Mittelmeerhafen
in
La Spezia.
Bild: DFKI/Malte Ellberg
Gewässern geeignet. Durch sein geringes Gewicht von
etwa 63 Kilogramm ist es im operativen Einsatz leicht zu
handhaben. Das System ist beweglich und kann so filigrane
Aufgaben bewältigen. Dank seines robusten Druckkörpers
erreicht es eine Tauchtiefe von 150 Metern.
Avalon wurde von Studierenden der Universität Bremen
(AG-Robotik, FB3) und Mitarbeitern des Deutschen Forschungszentrums
für Künstliche Intelligenz (DFKI), Robotics
Innovation Center (RIC) in den Jahren von 2007 bis 2009
entwickelt und wird ständig optimiert.
(gz)
DEUTSCHES FORSCHUNGSZENTRUM FÜR KÜNST-
LICHE INTELLIGENZ, ROBOTICS INNOVATION CENTER,
Robert-Hooke-Str. 1, D-28359 Bremen,
Tel. +49 (0) 421 17 84 50, Internet: robotik.dfki-bremen.de
Roboter holt Opfer aus der Gefahrenzone
Der Roboter des Teams vom Fraunhofer FKIE war am
schnellsten: Sieben Minuten vor der zweitplatzierten
Mannschaft hatte der Roboter eine Puppe, die einen Verwundeten
Soldaten darstellen sollte, aus einer Gefahrenzone
herausgebracht. Diese Aufgabe bewältigte der
Roboter bei der M-Elrob, der militärischen Version der
Europäischen Leistungsschau Robotik, die diesmal in
Warschau stattfand. Dort geht es darum zu demonstrieren,
wie Roboter im militärischen Umfeld zum Schutz
der Soldaten beitragen können.
Der Fraunhofer-Roboter verwendete für die Bergung
einen Roboterarm, in dessen Greifer sich ein Karabinerhaken
befindet. Der Arm schiebt sich dann langsam unter
den Schultergurt der Schutzweste des Verwundeten und
hakt schließlich ein. Mit einem Schleppseil zieht der Roboter
den Verwundeten dann aus der Gefahrenzone. Das
Team FKIE nutzte eine eigens entwickelte Steuerung,
mit der die Armbewegung des Benutzers auf den Roboterarm
übertragen wird. Für die neuartige Armsteuerung
erhielt das Team zusätzlich den Sonderpreis ‚Best
Novel Scientific Solution‘.
Das ‚Retten eines Verwundeten aus unsicherer Lage‘,
war erstmalig eine Disziplin bei der M-Elrob. Neun Teams
versuchten sich an der Rettung von Übungspuppen, die
BERGUNGSROBOTER
DES FKIE:
Das Fraunhofer-Team
konnte die Puppe, die
einen Verwundeten
simuliert, am
schnellsten aus der
Gefahrenzone holen.
Bild: Fraunhofer-FKIE
in einem weitläufigen Gelände versteckt wurden. In der
achtjährigen Geschichte der Elrob beschäftigten sich die
Roboter bisher hauptsächlich mit der Erkundung und
Aufklärung von gefährlichen Umgebungen wie mit der
Suche nach versteckten Sprengfallen (IED). (gz)
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR KOMMUNIKATION,
INFORMATIONSVERARBEITUNG UND ERGONOMIE FKIE,
Fraunhoferstraße 20,
D-53343 Wachtberg-Werthhoven,
Tel. +49 (0) 228 943 50, Internet: www.fkie.fraunhofer.de
atp edition
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VERBAND
Milliardenverluste der Wirtschaft: Elektroindustrie
drängt auf Strategie für die Cyber-Sicherheit
Die im ZVEI zusammengeschlossene Elektroindustrie
sieht im Schutz des Know-how einen strategischen
Faktor zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Industrie. Daher begrüße sie den Entwurf des IT-
Sicherheitsgesetzes der Bundesregierung, betont der ZVEI.
Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie
biete darüber hinaus seine Unterstützung für eine
praxistaugliche Weiterentwicklung des Entwurfs an. Ziel
müsse es sein, den Qualitätsstandard Made in Germany
für die Cyber-Sicherheit in der Industrie weltweit auszubauen.
Deutschland könne durch eine strategische Ausrichtung
seiner Industriepolitik auf die Industrial-IT-Security
seine führende Technologieposition stärken, die
Wettbewerbsfähigkeit erhalten und als Modell für eine
sichere Umsetzung des Industrie-4.0-Konzepts dienen.
Mit Blick auf die langfristige Gestaltung der Cyber-
Sicherheit in Deutschland, seien die von der Politik geplanten
Maßnahmen zur Technologischen Souveränität
zu konkretisieren. So solle bei öffentlichen Beschaffungen
der Anforderungskatalog um das Kriterium Sicherheit
ergänzt werden. Zusätzlich schlägt der ZVEI
eine stärkere Förderung zukunftsgewandter und tech-
VORAUS-
SETZUNG FÜR
INDUSTRIE 4.0:
Cybersicherheit
muss
garantiert sein.
Bild: Thomas
Ernsting/LAIF
nologieoffener Sicherheitsforschung vor. Insgesamt bietet
der Verband an, den Dialog zwischen der Politik und
der Elektroindustrie zu vertiefen, um realistische Umsetzungsschritte
zu diskutieren.
Als Aufgabe der Industrie sieht der ZVEI die Etablierung
eines ‚Code of Conduct‘ für das Internet der Dinge
an. Zugleich sei es wichtig, bei allen Konzepten den
Faktor Mensch angemessen zu berücksichtigen. Wirksame
Konzepte müssten beispielsweise die Qualifikation,
das Bewusstsein (Awareness) und Verhaltensweisen
der Menschen einbeziehen.
Grundlegend sei zudem ein erweitertes Verständnis
von Cyber-Sicherheit, das sich vom gebräuchlichen IT-
Sicherheitsbegriff unterscheide. Cyber-Sicherheit umfasse
die sichere Verbindung physischer Einheiten – wie
Maschinen und Steuerungseinheiten – mit dem externen
virtuellen Raum, vordergründig dem Internet.
Wichtiges Ziel sei, das Know-how effektiv vor Cyberspionage
und -kriminalität zu schützen. Laut dem amerikanischen
Zentrum für strategische und internationale
Studien erleide Deutschland durch solche Angriffe
den größten volkswirtschaftlichen Schaden weltweit.
Die Studie beziffere für das Jahr 2013 den Schaden für
die gesamte Wirtschaft auf 1,6 Prozent des deutschen
BIP. Das entspricht rund 44 Milliarden Euro jährlich.
Cyber-Sicherheit werde vor diesem Hintergrund zum
strategischen Faktor für den Industriestandort Deutschland.
Sein Positionspapier zum Thema bietet der ZVEI
auf seiner Homepage zum Download an. (gz)
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,
Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,
Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org
Lebenszyklusmanagement von IKT und Automation
IN AUSGABE 57(5) DER ATP EDITION im
Mai 2015 werden Ansätze und Methoden
zum Lifecyclemanagement diskutiert. Dieser
Aspekt gewinnt in der Automation angesichts
steigender Komplexität der Aufgaben,
höheren Anforderungen an Funktionalität,
Flexibilität und Transparenz sowie
hohen Innovationsdrücken aus der IKT
zunehmend an Bedeutung. Mit Ihren fokussierten
Beiträgen deckt das Themenheft
den aktuellen Diskurs von Technik bis Organisation,
von Konzeption und Planung bis
Betrieb und Optimierung, von zukünftigen
Architekturkonzepten bis zu aktuellen
Lösungen in hinreichender Tiefe ab. Wir
bitten Sie, bis zum 6. Januar 2015 zu diesem
Themenschwerpunkt einen gemäß der
Autorenrichtlinien der atp edition ausgearbeiteten
Hauptbeitrag per E-Mail an
urbas@di-verlag.de einzureichen. Die atp
edition ist die hochwertige Monatspublikation
für Fach- und Führungskräfte der Automatisierungsbranche.
In den Hauptbeiträgen
werden die Themen mit hohem wissenschaftlichen
und technischen Anspruch und
vergleichsweise abstrakt dargestellt. Im
Journalteil werden praxisnahe Erfahrungen
von Anwendern mit neuen Technologien,
Prozessen oder Produkten beschrieben.
Alle Beiträge werden von einem Fachgremium
begutachtet. Sollten Sie sich selbst aktiv
an dem Begutachtungsprozess beteiligen
wollen, bitten wir um kurze Rückmeldung.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen
selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Redaktion atp edition
Leon Urbas, Markus Hofelich,
Gerd Scholz
CALL FOR
Aufruf zur Beitragseinreichung
Thema: Lebenszyklusmanagement
von IKT und Automation
Kontakt: urbas@di-verlag.de
Termin: 06. Januar 2015
8
atp edition
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Sensorik und Messtechnik: Innovationspreis
für Forschungsprojekte mit Marktrelevanz
Bewerbungen für den Innovationspreis des AMA Verband
für Sensorik und Messtechnik können noch bis
zum 19. Januar 2015 eingereicht werden. Einzelpersonen
und Entwicklerteams können sich mit neuen Forschungs-
und Entwicklungsprojekten mit erkennbarer
Marktrelevanz bewerben. Dotiert ist der Preis mit 10 000
Euro. Unternehmen, die nicht älter als fünf Jahre sind,
können sich zusätzlich um den Sonderpreis ‚Junges Unternehmen‘
bewerben. Den Gewinnern dieser Kategorie
sponsert AMA einen kostenlosen Messestand auf der
Messe Sensor+Test 2015.
Der AMA-Innnovationspreis wird seit 15 Jahren für
außergewöhnliche Forschungs- und Entwicklungsleistungen
verliehen. Ausgezeichnet werden die Entwickler
und Entwicklerteams und nicht die Institutionen dahinter,
alle Bewerbungen werden zudem in einer Broschüre
auf der AMA Website veröffentlicht.
Die Jury setzt sich zusammen aus Branchenexperten
von Hochschulen, Instituten und Unternehmen. Die Juroren
prüfen die Bewerbungen insbesondere auf die wis-
senschaftliche Leistung und beurteilen die
voraussichtlichen Marktchancen. „Wir bekommen
jedes Jahr innovative Bewerbungen
aus der ganzen Welt“, sagt der Vorsitzende
Prof. Andreas Schütze von der Universität
des Saarlandes. „Darunter sind viele zukunftsorientierte
Entwicklungen von renommierten
Firmen und Instituten aber auch von
jungen Unternehmen. Um junge Unternehmen
zu fördern und ihnen einen guten
Marktstart zu ermöglichen, gibt es die derkategorie ‚Junge Unternehmen‘.“ Teilnah-
Sonmebedingungen
und Ausschreibungsunterlagen
unter www.ama-sensorik.de/wissenschaft/ama-innovationspreis.
(gz)
AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.,
Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,
Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20,
Internet: www.ama-sensorik.de
DER AMA-
INNOVATIONSPREIS
würdigt innovative
Forschungs- und
Entwicklungsleistungen
mit
markt relevanten
Ansätzen. Bild: AMA
ZVEI will Industrie 4.0 vorantreiben
Der Vorstand des ZVEI-Fachverbands Automation hat
Dr. Gunther Kegel für weitere drei Jahre als Vorstandsvorsitzenden
bestätigt. Kegel ist Vorsitzender der
Geschäftsleitung von Pepperl + Fuchs. „Im Zentrum
meiner Amtszeit steht das Thema Industrie 4.0“, so Kegel
bei der Versammlung des Fachverbands. Das Thema sei
in Politik und Wissenschaft angekommen. Jetzt müsse
man konkreter werden. „Den Unternehmen muss der
Zugang ins Internet der Dinge ermöglicht werden“, forderte
Kegel. In der engen Zusammenarbeit mit den Anwenderindustrien
sieht er die Chance, Industrie 4.0 in
Deutschland und Europa nachhaltig zu stärken und auszubauen.
„Mit dem Führungskreis Industrie 4.0 ist der
ZVEI-Fachverband gut auf die Zusammenarbeit mit den
Anwenderindustrien vorbereitet“, so Kegel. „Wir werden
Fallbeispiele für Industrie 4.0-Lösungen erarbeiten. Nur
so kommen wir schnell und zielgerichtet voran.“ (gz)
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,
Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,
Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org
Namur trauert um Bernhard Will
Der langjährige Namur-Vorsitzende Dr.-Ing. Bernhard
Will ist Ende September im Alter von 86 Jahren verstorben.
Mit seinem Namen verbinden sich viele Aktivitäten
auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik. Von
der Ausbildung her kein gelernter Mess- und Regeltechniker
oder Elektrotechniker sei er als Maschinenbauer und
Verfahrenstechniker wie kein anderer prädestiniert gewesen,
den fachübergreifenden Aspekt in die Namur-Arbeit
einzubringen, betont der Verband in einer Würdigung.
1966 wurde Will in den Namur-Vorstand berufen, dem
er 26 Jahre angehörte, davon 13 Jahre als Vorsitzender.
Mit seinem Ausscheiden aus dem Namur-Vorstand wurde
er zum Ehrenmitglied der Namur ernannt.
In den Jahren seines Vorsitzes der Namur hat er sich
besonders den Themen Analysenmesstechnik, Prozessrechentechnik
und Planung von PLT-Einrichtungen
gewidmet. Auch heute noch haben die Themen Analysentechnik
und Planung eine herausragende Bedeutung
in der Namur. Auf seine Initiative wurde der Ausschuss
Prozesselektrotechnik gegründet.
Die Kontakte zur VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und
Automatisierungstechnik (GMA) waren für ihn sehr
wichtig, was er als Beiratsmitglied immer wieder unter
Beweis gestellt hat. Des Weiteren hat er als Namur-
Vorstandsmitglied die Interkama stark unterstützt. So
war er unter anderem Mitglied des Vorstandes der
Interkama.
(gz)
NAMUR-GESCHÄFTSSTELLE,
C/O BAYER TECHNOLOGY SERVICES GMBH,
Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,
Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de
atp edition
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9
BRANCHE
Powerlink eröffnet neues Technologiezentrum
an chinesischer Tianjin University
DR. XIAO WEIRONG,
Vice President der
Powerlink Association
China, und
Universitätsrektorin
Liu Xin enthüllen die
Namensplakette
des neuen Powerlink-Technologieförderungszentrums
in Tianjin.
Foto: EPSG
ie Ethernet Powerlink Standardization Group (EPSG)
D hat ein Technologiezentrum an der Universität im
chinesischen Tianjin eröffnet. Das Zentrum stellt eine
Erweiterung des Feldbus-Technologiezentrums der Tianjin
University of Technology and Education dar. Es bietet
Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Re-
gion Peking Ausbildungs-, Support- und Entwicklungsdienstleistungen
für Powerlink an und soll zur dauerhaften
Weiterentwicklung der Technologie beitragen.
„Das Open-Source-Protokoll Powerlink ist die Netzwerk-Technologie
der Zukunft“, sagte Lu Shengli, Direktor
des Fieldbus Control Technology Engineering Center,
anlässlich der Eröffnungsfeier am Rande der Powerlink-
Konferenz. „Wir haben uns entschlossen, die Entwicklung
von Powerlink aktiv zu unterstützen, denn wir glauben,
dass dieser Standard den richtigen Ansatz für die
Zukunft darstellt.“ Die EPSG sieht darin einen „weiteren
Meilenstein auf dem Weg zum führenden industriellen
Kommunikationsstandard in China“. 2012 war Powerlink
von der chinesischen Normungsbehörde bereits als nationaler
Standard GB/T 27960-2011 zertifiziert worden. (gz)
ETHERNET POWERLINK STANDARDIZATION GROUP
(EPSG), POWERLINK-OFFICE,
Bonsaiweg 6,
D-15370 Fredersdorf,
Tel. +49 (0) 33439 53 92 70,
Internet: www.ethernet-Powerlink.org
Profinet ist nun nationaler chinesischer Standard
Als weiteren wichtigen Meilenstein für die weltweite
Verbreitung von Profinet wertet die Profibus-Nutzerorganisation
die Erhebung von Profinet zum nationalen
chinesischen Standard. Dr. Sun Wei, Director der Standardization
Administration of The Republic of China
(SAC) hat das Protokoll Mitte September zum nationalen
chinesischen Standard erklärt. Damit könnten chinesische
Hersteller und Anwender nun auf einen zuverlässigen,
stabilen und zukunftssicheren Standard setzen,
heißt bei der Nutzerorganisation.
Betont wird auch, dass Profinet längst in China angekommen
sei und vielfach eingesetzt werde. Chinesische
Gerätehersteller hätten bereits mit der Integration von
Profinet in ihre Geräte begonnen, und einige auch schon
in dem Profinet-Testlabor in Beijing zertifizieren lassen.
Karsten Schneider, Chairman von PI (Profibus & Profinet
International), hob hervor: „Allein die Tatsache, dass
dieses Jahr drei neue PI-Kompetenzzentren in China
entstanden sind, zeigt, wie fest unsere Technologie in
Asien verwurzelt ist. PI China hat sich in den letzten
Jahren zur drittgrößten Regionalen PI Association (RPA)
entwickelt.“ Der Vorteil für Anwender wie Hersteller
liege vor allem in der lokalen Unterstützung bei ihren
Projekten.
(gz)
PROFIBUS-NUTZERORGANISATION,
Haid-und-Neu-Straße 7, D-76131 Karlsruhe,
Tel. +49 (0) 721 965 85 90, Internet: www.profibus.com
Namur-Schnittstelle für Engineering-Daten
Die neu erschienene Namur-Empfehlung NE 150 beschreibt
eine standardisierte Namur-Schnittstelle zum
Austausch von Engineering-Daten zwischen CAE-System
und PCS-Engineering-Werkzeugen. Ziel der NE 150 ist es,
Anforderungen an eine praxistaugliche, herstellerunabhängige,
teilautomatisierte und bidirektionale Schnittstelle
zum Austausch von Engineering-Daten zwischen CAE-
Systemen und PCS-Engineering-Werkzeugen zu formulieren
(CAE: Computer Aided Engineering, PCS: Process
Control System). Aus der Perspektive der Anwender von
Automatisierungstechnik in der Prozessindustrie sollen
hierdurch die Fähigkeit zur Interaktion von Engineering-
Werkzeugen und die konsistente, systematische Datenhaltung
vorangetrieben und vereinfacht werden. Die Charakterisierung
der in der NE 150 beschriebenen Datenaustauschstruktur
(Namur-Datencontainer) basiert auf der
ursprünglichen Idee einer Konfigurationsliste. (gz)
NAMUR-GESCHÄFTSSTELLE,
C/O BAYER TECHNOLOGY SERVICES GMBH,
Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,
Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de
10
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Wie findet die jüngste industrielle Revolution
Eingang in die Praxis der Unternehmen?
Industrie 4.0 gilt als entscheidender Stellhebel, um den
Produktionsstandort gegen zunehmende Konkurrenz
zu verteidigen. Aber wie lässt sich dies in die Praxis
umsetzen? Darüber sprechen Experten aus Industrie
und Wissenschaft bei der 2. VDI-Fachtagung ‚Industrie
4.0‘ am 28. und 29. Januar 2015 in Düsseldorf.
Tagungsleiter Prof. Michael ten Hompel von der TU
Dortmund und Institutsleiter des Fraunhofer-IML eröffnet
die Veranstaltung. Er bezieht sich in seinem Vortrag
auf die Kernthemen, die derzeit die Entwicklungen der
Industrie bewegen: Welche Wege müssen deutsche international
agierende Unternehmen jetzt einschlagen? Diesen
Aspekt greift anschließend Reinhard Clemens, Vorstand
der Deutschen Telekom, in seinem Plenarvortrag
auf. Dr. Heinz-Jürgen Prokop von Trumpf stellt die Frage,
wie sich Familienunternehmen mit und durch Industrie
4.0 als Innovationsführer im stark konkurrierenden
Weltmarkt des Maschinenbaus behaupten können und
liefert eine mögliche Antwort für die Welt von Morgen.
Haben tatsächlich die Technologien Marktpotenzial,
die mit Industrie 4.0 Realität werden sollen? Welche Bedeutung
hat das Internet der Dinge für Industrie 4.0? Zu
diesen und weiteren Fragen präsentiert Bernd Leukert,
Vorstandsmitglied Produkte & Innovation von SAP, eine
Cloud-Infrastruktur und Plattform für die Industrie 4.0
und beschreibt die Herausforderungen bei der Umsetzung
konkreter Projekte.
Bei einer Podiumsdiskussion gehen Experten der Frage
nach, wie sich Deutschland im globalen Wettbewerb
behaupten kann. An der Diskussion nehmen Dr. Stefan
Baginski von BMW, Prof. Thomas Deelmann von T-Sys-
HERAUSFORDERUNG
INDUSTRIE 4.0: Zum zweiten
Mal widmet sich eine
VDI-Tagung den wichtigsten
Entwicklungen und
Trends in diesem Bereich.
Bild: VDI Wissensforum
tems International, Dr. John Herold von Belden Electronics
und Prof. Dieter Wegener von Siemens teil.
Der zweite Veranstaltungstag befasst sich mit den Möglichkeiten
der Forschung sowie Geschäftsmodellen, die
einen wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Unter dieser
Thematik führt Prof. Henning Kagermann in die Forschungslandschaft
Deutschlands ein. Darauf aufbauend
zeigt Prof. Frank Piller von der RWTH Aachen Wege auf,
mit deren Hilfe sich Geschäftsmodelle generieren lassen.
Am Tag vor und nach der Veranstaltung finden ergänzende
Spezialtage statt. Hier lernen die Teilnehmer zum
einen die Trends, Anforderungen und Möglichkeiten
der Industrie 4.0 kennen und zum anderen erfahren sie
mehr über Rechtsfragen der IT-Sicherheit in Produktionsumgebungen.
(gz)
VDI WISSENSFORUM GMBH,
VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,
Tel. +49 (0) 211 621 42 01,
Internet: www.vdi-wissensforum.de
Prozessautomation soll 2014 um sechs bis sieben
Prozent zulegen – Abschwächung erwartet
Die elektrische Prozessautomation befindet sich nach
Einschätzung des Branchenverbands ZVEI weiterhin
auf Wachstumskurs. „Wir rechnen für dieses Jahr mit
einem erfreulichen Wachstum von sechs bis sieben Prozent
bei den weltweiten Auftragseingängen“, sagt Hans-
Georg Kumpfmüller, ZVEI-Fachbereichsvorsitzender
Messtechnik & Prozessautomatisierung und CEO der
Business Unit Sensors und Communication bei Siemens.
Für 2015 erwarten die Mitgliedsunternehmen des Fachbereichs
das sechste Wachstumsjahr in Folge mit einem
Plus der globalen Auftragseingänge von zirka fünf Prozent.
Im Jahr 2013 hat die Branche in Deutschland einen
Umsatz von 19 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Kumpfmüller: „Zurzeit schlagen sich Instrumentierung
und Analytik besser als das Systemgeschäft.“ Das
weltweite Wachstum in der Prozessautomation komme
vor allem von den Branchen Öl und Gas, Nahrungs- und
Genussmittel sowie aus dem Pharmasektor. Chemieindustrie,
Wasser/Abwasser und der Anlagenbau lägen im
mittleren Wachstumsbereich. Weniger gut liefen die
Geschäfte mit der Papier- und Zellstoffindustrie, der
Zementindustrie sowie der Hüttenindustrie.
Insbesondere zweistellig gewachsene Umsätze in Nordamerika
trieben die Entwicklung. Als weitere Regionen
mit Wachstum im hohen einstelligen Bereich nennt der
ZVEI China und Indien. Deutschland könne ein Wachstum
im mittleren, Gesamteuropa im geringen einstelligen
Bereich aufweisen. Afrika werde zu einer wichtigen Region
für die Prozessautomation – insbesondere die öl- und
rohstoffreichen Länder in West- und Zentralafrika sowie
dem südlichen Afrika. Eine problematische Region sei
Südamerika. „Das Russlandgeschäft läuft trotz Krise zurzeit
noch recht gut mit Wachstumsraten im hohen einstelligen
Bereich. Allerdings bereitet hier der Ausblick
vielen Unternehmern Sorgen“, so Kumpfmüller. (gz)
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,
Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,
Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org
atp edition
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11
BRANCHE
Integration statt Konkurrenz: Fieldbus und HART
schließen sich zur FieldComm Group zusammen
Gunther Kegel und Hans-Georg Kumpfmüller erläutern die Vorteile der Fusion
NUTZNIESSER PROZESSINDUSTRIE: Das größte
Potenzial der Fusion von Fieldbus und HART Foundation
liegt voraussichtlich in der zukünftigen Software-
Integration der Protokolle in die Prozess-Leitsysteme
und Prozess-Asset-Management-Systeme.
© Nutsch/PIXELIO
FIELDBUS FOUNDATION UND HART
FOUNDATION fusionieren zur Field-
Comm Group. Die neue Organisation
will mit deutlich erhöhter Schlagkraft
den neuen FDI-Standard in der
Industrie vorantreiben.
Vor fast genau zwei Jahren, am Rande der Namur-
Hauptsitzung 2012 in Bad Neuenahr, fand auf Initiative
von Hans-Georg Kumpfmüller (Siemens) das erste
Treffen zwischen dem Chairman der ‚HART Communication
Foundation‘, Mark Schumacher (Emerson) und
dem Chairman der ‚Fieldbus Foundation‘, Gunther Kegel
(Pepperl+Fuchs) statt. Für die drei Teilnehmer am
Treffen war schnell klar: Die Herausforderungen, vor
denen die HART Foundation und die Fieldbus Foundation
stehen, sind identisch und müssen mit den gleichen
Ressourcen gestemmt werden. Es liegt nahe, beide
Nutzerorganisationen zu verschmelzen. Für viele war
die Ankündigung dennoch eine Überraschung: Fieldbus
Foundation und HART Foundation fusionieren zur
neuen FieldComm Group!
Warum vereinigen sich zwei Nutzer-Organisationen,
die in der öffentlichen Wahrnehmung bisher teilweise
konkurrierende Philosophien verfolgt haben? HART
Foundation steht für die HART-Kommunikation, ein
digitales Signal, das dem analogen 4…20 mA-Signal der
Feldgeräte überlagert wird und heute weltweiter Standard
für Parametrierung und Inbetriebnahme von Feldgeräten
in der Prozessautomation ist. Obwohl sich das
HART-Protokoll auch zur Diagnose und permanenten
Überwachung der Feldgeräte eignet, sind Installationen,
die diese Funktionen vollumfänglich nutzen,
eher die Ausnahme.
Fieldbus Foundation steht für eine vollständig digitale
Kommunikation vom Feldgerät zum Prozess-Leitsystem
mit dem Foundation Fieldbus (FF) Protokoll.
Inbetriebnahme, Parametrierung, Diagnose, ‚Control-inthe-field‘
sind fester Bestandteil von FF-Installationen
überall auf der Welt. Die Anwendung rein digitaler
Kommunikation wird allerdings durch den Bruch mit
der installierten analogen Technologie erschwert. Die
Akzeptanz für FF ist deshalb in allen Regionen besonders
ausgeprägt, in denen viele neue Anlagen und Installationen
(‚Greenfield‘) überwiegen. In Regionen, in
denen Anlagen vor allem erweitert oder umgebaut werden
(‚Brownfield‘), bevorzugen Anwender häufig noch
immer die analoge Übertragung der Prozessmesswerte.
GROSSE ÜBERSCHNEIDUNG BEI MITGLIEDSFIRMEN
Beide Technologien haben aber auch eine ganze Reihe
von Gemeinsamkeiten und stehen vor den gleichen Herausforderungen.
Vergleicht man etwa die Mitgliederliste
beider Organisationen, bemerkt man eine signifikante
Überlappung. Viele Firmen sind Mitglied beider
Organisationen. Mitgliedsbeiträge und mehr noch ehrenamtliche
Arbeit in den Nutzerorganisationen lassen
sich im Sinne der Mitglieder effizienter gestalten, wenn
man beide Organisationen zusammenfasst.
Beide Technologien sind heute reife, etablierte technische
Standards, die jeweils eine große installierte
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Basis überall auf der Welt repräsentieren und über viele
Jahre, wenn nicht Jahrzehnte technisch gepflegt und
weiterentwickelt werden müssen. Diese Pflege umfasst
vor allem Prozesse und Infrastrukturen für ein professionelles
Versionsmanagement, die für beide Technologien
genutzt werden können.
VEREINTE STRUKTUREN ERHÖHEN SCHLAGKARFT
Beide Organisationen unterhalten bisher jeweils unterschiedliche
Strukturen zur Prüfung und Zertifizierung
neuer Produkte bezüglich Interoperabilität und Einhaltung
der jeweiligen Standards und Versionen. Die neue
FieldComm Group hat jetzt die Möglichkeit, diese
Strukturen zusammenzufassen und mit den deutlich
größeren Ressourcen den Zertifizierungs-Service für
die Mitglieder deutlich zu verbessern.
Das größte Potenzial der Fusion allerdings liegt voraussichtlich
in der zukünftigen Software-Integration der
Protokolle in die Prozess-Leitsysteme und Prozess-Asset-
Management-Systeme. Anwender bemängeln seit langem
die Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen, sich ergänzenden
Integrationsstandards EDDL und FDT und der
mangelnden Versionsfestigkeit dieser Technologien.
Der Wunsch der Anwender bezüglich der Geräteintegration
lässt sich anhand eines fiktiven ‚Use-Case‘ sehr
gut illustrieren: In einer Prozessanlage in einer schwer
zugänglichen Region fällt Samstagnacht ein Feldgerät
aus und vor Ort steht kein geschultes Mess- und Regelungstechnik-Personal
zur Verfügung. Der Betriebselektriker
muss trotzdem in der Lage sein, durch einfaches
Austauschen des fehlerhaften Gerätes die Anlage wieder
in Betrieb gehen zu lassen. Beide Technologien unterstützen
diesen ‚Use-Case‘ unvollständig und mit unterschiedlichen
Technologien. Der Austausch eines
HART-Gerätes erfordert genau wie der Austausch eines
FF-Gerätes eine vorherige Parametrierung und die Sicherstellung,
dass die Versionen von Host, Feldgerät und
Parametriergerät übereinstimmen. Entsprechende ‚Device
Descriptions‘ (DD) oder ‚Device Type Manager‘
(DTM) müssen – gegebenenfalls unter Beachtung der
Versionskompatibilität – vom Netz geladen werden und
im Host-System eingebunden werden.
FDI-KOMPONENTEN AB ANFANG 2015 VERFÜGBAR
Um diese Integration für die unterschiedlichen Technologien
zusammenfassen und deutlich zu verbessern,
haben sich die großen Hersteller prozessleittechnischer
Geräte und Systeme zusammengetan und gemeinsam
den Standard ‚Field Device Integration‘ (FDI) entwickelt.
In der eigens dafür geschaffenen Organisation
‚FDI LLC‘ wurde in Zusammenarbeit mit der ‚HART
Communication Foundation‘, der ‚Fieldbus Foundation‘,
‚Profibus International‘, der ‚OPC-Foundation‘ und der
‚FDT-Group‘ die FDI-Spezifikation entwickelt. Darauf
aufbauend erfolgten die Harmonisierung der unterschiedlichen
EDDL-Versionen und die Entwicklung
gemeinsamer Software-Komponenten für Host und
Feldgeräte und der zugehörigen Testwerkzeuge.
Die Anwendung dieser FDI-Komponenten im Host
sowie der FDI Packages für die Feldgeräte stellt eine
herstellerunabhängige Interoperabilität sicher. Anfang
2015 werden diese Komponenten über die FieldComm
Group für die Hersteller verfügbar sein. Mitte des nächsten
Jahres sollen die Arbeiten an der Weiterentwicklung
und Pflege des FDI-Standards dann in die Field-
Comm Group übergehen. Da sowohl FF als auch HART
diese neue Integrationstechnologie nutzen, ist dieser
Übergang im Sinne von Herstellern und Anwendern.
EINHEITLICHE AUSSAGEN ZUR GERÄTEINGETRATION
Erfreulich ist auch, dass sich die Profibus-Nutzerorganisation
(PNO) und die FieldComm Group (FCG) bereits
darauf verständigt haben, auch nach der Auflösung der
FDI Cooperation LLC gemeinsam die FDI-Technologie
zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dafür werden
‚Joined Working Groups‘ für die FDI-, EDDL- und Test-
Spezifikationen etabliert. Ferner wurde vereinbart, dass
der Vertrieb und die Weiterentwicklung der ‚Tools and
Components‘ zentral über die FCG erfolgen wird.
Die neue zusammengefasste Organisation hat also
eine deutlich erhöhte Schlagkraft, um den neuen FDI-
Standard in der Industrie zu verbreiten. Schulungen,
Seminare, Vorträge, Anwendertreffen und Entwickler-
Unterstützung lassen sich in einer größeren Organisation
in größerem Umfang realisieren und die Zusammenfassung
vermeidet von Anfang an unterschiedliche
Botschaften zum gleichen Thema. Anstelle von vier
Organisationen – FF, FDI, PI und HART – kommuniziert
in Zukunft nur die FieldComm Group intern abgestimmte
Botschaften zum Thema Geräteintegration.
BRÜCKENTECHNOLOGIE FÜR INDUSTRIE 4.0
Neben dem Zukunftsthema FDI stehen Anwender und
Hersteller auch im engen Dialog über Definition und
Entwicklung der nächsten Generation physikalischer
Übertragungsmedien, die die Protokolle nutzen können.
Dabei stehen aktuell vor allem die drahtlosen Technologien
im Vordergrund. Für die Hersteller von Geräten
und Systemen der Prozessautomation sind die heutigen
digitalen Übertragungstechniken aber auch für die Zukunftsthemen
rund um ‚Industrie 4.0‘ sehr wichtig.
Die Anlagenlebenszyklen in der Prozessautomation
betragen 20, teilweise 30 Jahre. Für die Anwender ist
es wichtig, dass die installierten Feldgeräte entlang
dieses langen Lebenszyklus verfügbar bleiben. Kein
Anwender möchte in dieser Zeit auf eine neue Übertragungs-Technologie
umstellen, die mit den installierten
Feldgeräten nicht kompatibel ist. Für ‚Industrie 4.0‘
hieße das in letzter Konsequenz, dass die Prozessindustrien
erst in 20 Jahren von den Vorteilen der Digitalisierung
der Industrie profitieren könnten. Deshalb
werden die heutigen digitalen Übertragungsprotokolle
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BRANCHE
Wenn diese neuen Technologien Akzeptanz finden
sollen, müssen die Ideen und Konzepte aus den unterschiedlichen
Herstellerlabors in eine gemeinsame Nutzerorganisation
überführt werden. Proprietäre Konzepte
und Systeme stehen im krassen Gegensatz zum
Zukunftsprojekt ‚Industrie 4.0‘. So bietet sich die Field-
Comm Group auch als gemeinsame Plattform für die
Definition und Entwicklung neuer physikalischer Medien
für die Feldgeräteintegration an.
PROZESSLEITSYSTEM: Für die Kommunikation mit den
Feldgeräten nutzen Fieldbus und HART unterschiedliche
Ansätze. Doch beide Technologien besitzen auch eine Reihe
von Gemeinsamkeiten und stehen vor den gleichen
Herausforderungen. Bild: Siemens
in der Prozessindustrie über lange Zeit eine Brückentechnologie
innerhalb ‚Industrie 4.0‘ darstellen.
Irgendwann wird die zunehmende Menge digitaler
Daten und Informationen die Bandbreite der heute etablierten
digitalen physikalischen Medien überfordern:
Hersteller untersuchen zurzeit in unterschiedlichen Arbeitsgruppen
Möglichkeiten, die heute existierenden
Protokolle auf neue, schnellere physikalische Medien zu
übertragen. Im Idealfall können diese neuen Medien
gleichzeitig die neuen und die existierenden Übertragungsraten
verarbeiten und so ein Migrationspfad für die
Feldgeräte-Kommunikation für ‚Industrie 4.0‘ entstehen.
TED MASTERS WIRD FIELDCOMM-GESCHÄFTSFÜHRER
Für die Anwender hat die Fusion von Fieldbus Foundation
und HART Foundation ebenfalls essentielle
Vorteile. Nahezu alle Anwender verwenden heute in
ihren weltweiten Anlagen sowohl das HART-Protokoll
als auch Foundation Fieldbus. In vielen Anlagen
werden die Technologien sogar parallel genutzt. Eine
uneinheitliche Geräteintegration ist für viele Anwender
eine Herausforderung. Die neue FieldComm
Group hat deshalb die Struktur des ‚End User Advisory
Council‘ aus der Fieldbus Foundation übernommen.
Hier werden in Zukunft die Anforderungen der
Anwender bezüglich HART, FF und FDI aufgenommen
und bewertet. Aus diesen Anforderungen wird
die FieldComm Group die zukünftigen Entwicklungsprojekte
der Weiterentwicklung der Standards
in ‚Future Roadmaps‘ definieren und so für die Hersteller
die Grundlage für Innovationen ihrer Geräte
und Systeme schaffen.
Die FieldComm Group wird – wie schon die Fieldbus
Foundation und die HART Foundation zuvor – ihren
Sitz in Austin/Texas haben. Mit Ted Masters, wurde
ein Geschäftsführer mit langjähriger Erfahrung in der
Prozessautomation gewonnen und als erster Chairman
der FieldComm Group wurde Hans-Georg Kumpfmüller
vom neu konstituierten Board gewählt. So sind die
Voraussetzungen geschaffen, die erfolgreiche Weiterentwicklung
des HART-Standards und des Fieldbus
Foundation-Standards in der Zukunft zu sichern.
AUTOREN
Dr.-Ing. GUNTHER KEGEL
ist Vorsitzender der
Geschäftsleitung der
Pepperl+Fuchs GmbH und
Chairman der Fieldbus
Foundation.
HANS-GEORG KUMPF-
MÜLLER ist CTO Process
Industries and Drives
Division bei Siemens und
wird 2015 Vorsitzender des
Verwaltungsrats der neuen
FieldComm Group.
Pepperl+Fuchs GmbH,
Lilienthalstraße 200, D-68307 Mannheim,
Tel. +49 (0) 621 776 12 16,
E-Mail: gkegel@de.pepperl-fuchs.com
Siemens AG,
Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,
Tel. +49 (0) 721 595 44 01,
E-Mail: hansgeorg.kumpfmueller@siemens.com
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atp edition
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Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,
dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.
PRAXIS
FDI Device Package läutet neue Ära für die
Feldbustechnik ein: ein Gerät, ein Paket, alle Tools
Einsatzspektrum vom PC bis zu kompletten Prozessführungs- und Automatisierungssystemen
DIE GEMEINSAMEN HOST-
KOMPONENTEN stellen die größte
Stärke von FDI dar. Sie bestehen aus
der EDD-Engine und der UI-Engine
und werden den Host-System-
Herstellern zur Implementierung
ihrer Tools zur Verfügung stehen.
DAS FDI DEVICE PACKAGE: ein Gerät, ein Paket,
alle Tools. Es gibt genau ein Device Package für
jedes Gerät und dieses wird von allen Tools oder
Systemen verwendet. Bilder: FDI
D
ie FDI-Spezifikation und -Komponenten werden in
wenigen Monaten verfügbar sein. Was bedeutet das
für die Feldgerätenutzer und -anbieter in ihrem Alltag?
Für sie werden mit dem FDI-Standard (Field Device
Integration) zur Feldgeräteintegration interessante
Zeiten beginnen. Eines der wesentlichen Ziele der
Spezifikation ist, die Einfachheit der Gerätebeschreibungssprache
(EDDL) zu nutzen und gleichzeitig die
Flexibilität beim Einsatz von Grafik für spezielle Gerätemerkmale
und zur komplexen grafischen Darstellung
zu bieten.
Aktuell existieren über 30 Kommunikationsprotokolle
(offene und proprietäre), die sich unter dem Begriff
Automatisierungsprotokolle für die Industrie-/Prozessautomation
zusammenfassen lassen. Für über 90 % der
Feldinstrumentierung in der Prozessautomation werden
aber allein HART, Profibus oder Foundation Fieldbus,
nachfolgend ‚Feldbus‘ genannt verwendet. Ohne näher
auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Kommunikationsprotokolle
einzugehen, steht außer Zweifel, dass
diese drei Protokolle bei der Verbesserung und Optimierung
des Anlagenbetriebs eine wichtige Rolle spielen
und ein großes Potenzial aufweisen.
VIELE TOOLS UND TREIBER ERFORDERLICH
Heute verfügt jeder große Anbieter von Automatisierungstechnik
über ein Produktangebot, das von der
Instrumentierung bis zu kompletten Leitsystemen
reicht. Die meisten bieten auch ihre eigenen Gerätemanagementtools
an. Trotz der weitgehenden Standardisierung
funktionieren die für ein System gelieferten
Gerätetreiber (DTMs, EDD und weitere) in anderen
Systemen nicht auf die gleiche Weise und haben auch
ein anderes Aussehen. Deshalb muss der Nutzer unterschiedliche
Treiber für verschiedene Tools verwenden,
auch wenn das eigentliche Gerät dasselbe ist.
Diese Situation stellt auch für die Anbieter von Instrumentierungstechnik
ein Problem dar, denn sie müssen
ihre Gerätetreiber anhand diverser Gerätemanagementtools
testen.
Hier kommt das FDI Device Package ins Spiel: Ein
Gerät, ein Paket, alle Tools. Es gibt genau ein Device
Package für jedes Gerät und dieses wird von allen Tools
oder Systemen verwendet. Das Einsatzspektrum reicht
von einzelnen PCs bis zu kompletten Prozessführungsund
Automatisierungssystemen. Egal welches Gerätemanagementtool
von welchem Hersteller verwendet
wird, das FDI Device Package stellt sicher, dass es problemlos
funktioniert. Der Inhalt eines FDI-Gerätepakets
ist im Bild links oben dargestellt.
Standardisierung hilft, aber die Benutzerschnittstelle
ist suboptimal! Die Nutzer von Gerätemanagementtools
beklagen dies seit Jahren. Wird die Benutzerschnittstelle
wirklich optimiert? Ist die grafische Darstellung
zu groß oder zu klein, wenn derselbe Treiber
in verschiedenen Tools verwendet wird? Wird der Text
in einem Tool linksbündig und in einem andern rechtsbündig
angezeigt?
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atp edition
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JEDER HOST INTERPRETIERT DIE TREIBER ANDERS
Jeder Host interpretiert einen Gerätetreiber etwas
anders, damit er zu seiner Bedienoberfläche passt.
Geräteanbieter passen ihren Treiber jedoch zumeist
an ein bevorzugtes Tool an. Obwohl es Anpassungen
des Gerätetreibers an andere Tools gibt, passt er
dann doch nicht so perfekt, als wenn er für dieses
Tool erstellt worden wäre. Diese Probleme lassen
sich nicht einfach mit Hilfe von Spezifikationen
und Empfehlungen lösen. Hier liegt die größte Stärke
der FDI: gemeinsame Host-Komponenten.
Die gemeinsamen Host-Komponenten bestehen
aus der EDD-Engine und der UI-Engine. Alle FDI-
Gerätepakete müssen in Bezug auf den aus den gemeinsamen
Host-Komponenten bestehenden FDI-
Referenzhost geprüft und zugelassen werden. Diese
gemeinsamen Host-Komponenten werden den Host-
System-Herstellern zur Implementierung ihrer Tools
zur Verfügung stehen. Die Verwendung der gemeinsamen
Host-Komponenten stellt Folgendes sicher:
EINHEITLICHE DARSTELLUNG MIT ALLEN TOOLS
Die Darstellung des FDI Device Packages wird
bei den verschiedenen Tools gleich sein.
Da die Gerätepaketentwickler bei der Entwicklung
den FDI Referenzhost verwenden, wird die
Darstellung der Grafiken, Bilder und so weiter
im Device Package deutlich verbessert und entspricht
den Vorstellungen des Geräteherstellers.
Außerdem brauchen die Gerätehersteller und
die Host-System-Anbieter ihre Gerätetreiber
nicht mehr in verschiedenen Tools zu prüfen.
Irritiert wurden Endnutzer bislang auch durch das
uneinheitliche Verhalten von Gerätetreibern verschiedener
Hersteller. Der wesentliche Grund dafür
ist die Tatsache, dass jeder Host einen Gerätetreiber
in sein eigenes Bedienschnittstellenparadigma einpasst
und dass jeder Gerätehersteller seine eigene
Auffassung davon hat, welche Parameter für den
Nutzer wichtig sind oder zu einer bestimmten
Funktionalität wie Diagnose oder Betrieb gehören.
Dies führt zu Inkonsistenzen:
in Menüstruktur/-bezeichnungen, unterschiedliche
Bezeichnungen, Menübezeichnungen/
Kennzeichnungen,
bei der Übersetzung der Bezeichnungen in andere
Sprachen,
beim Zugriff auf Variablen für die benannten
Nutzer.
Diese Unstimmigkeiten werden weitgehend durch
FDI Usability Style Guide behoben. Er dokumentiert
ausführlich verschiedene Aspekte der Bedienschnittstellengestaltung
für FDI Device Packages:
Halle 7, Stand 406
PRAXIS
DIE NUTZER MÜSSEN bislang unterschiedliche
Tools für unterschiedliche Geräte verwenden.
Mit diesem Umstand räumt FDI auf. Bilder: ABB
EIN FUNKTIONIERENDES FDI-Exponat zeigte ABB bei
der Aachema. Dabei wurden Geräte mehrerer Hersteller
in ein 800xA-System mittels FDI integriert.
Quellcodebeispiele oder Skizzen der grafischen
Darstellung der Bedienelemente oder der Frames.
Standardisierte Bezeichnungen: beispielsweise für
Hauptmenüs wie Geräteeinstellungen, Diagnose,
Bedienung und Maßnahmenbezeichnungen wie
‚Annehmen‘, ‚Abbrechen‘, ‚Weiter‘ und so weiter.
Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen für diese
Bezeichnungen werden ebenfalls dokumentiert.
Außerdem spezifiziert der FDI Usability Style Guide
‚Benutzersichten‘:
Wartung (Maintenance): Umfasst sämtliche Kernfunktionen
und Variablen/Parameter für die Inbetriebnahme
und den Austausch eines Geräts.
Spezialist (Specialist): Ermöglicht den unbeschränkten
Zugriff auf alle Gerätefunktionen und
Variablen einschließlich der Kernfunktionen.
HARMONISIERTE EDDL DIENT ALS BASIS
Darüber hinaus basieren die FDI Device Packages auf
der harmonisierten EDDL. So wird sichergestellt, dass
alle neuen EDDs die aktualisierte und optimierte IEC
61804-Norm verwenden und auf die drei Protokolle anwendbar
sind: HART, Profibus und Foundation Fieldbus.
Die Benutzersichten und die Harmonisierung der
EDDL waren im Übrigen die Hauptforderungen der Interessengemeinschaft
Automatisierungstechnik der
Prozessindustrie (Namur).
In der ersten Nutzungsphase einer Anlage sind die
Nutzer mit den in den Gerätemanagementtools vorhandenen
Informationen in der Regel zufrieden. Früher
oder später wird es notwendig sein, die im Gerät abgelegten
Informationen in Tools/Systemen außerhalb des
Gerätemanagementtools verfügbar zu machen. Gründe
hierfür können die Analyse des Gerätezustands, Störungen,
Kalibrierdaten oder einfach der Zugriff von
einem anderen Spezialtool auf ein Gerät einer bestimmten
Marke sein.
Die meisten Gerätemanagementtools ermöglichen
keinen transparenten und einfachen Zugriff auf diese
wertvollen Informationen, die sie von den Feldgeräten
erhalten. Selbst wenn das Gerätemanagementtool den
Zugriff auf die geräteinternen Informationen erlaubt,
sind noch eine ganze Reihe von Schritten oder zusätzliche
Hardware/Software nötig.
Technologien wie OPC-UA spielen beim ‚einfachen‘
Zugänglichmachen von Informationen für die Tools
von Fremdanbietern eine sehr effektive Rolle. Die Verwendung
der Standardschnittstelle OPC-UA in den FDI
Hosts ermöglicht einen bequemen Zugang von anderen
Applikationen aus:
Applikationen können ohne Unterstützung durch
den Lieferanten des FDI Hosts erstellt und entwickelt
werden.
Vom FDI Server unterstützte OPC-UA-Services ermöglichen
einen sicheren Zugang zum Gerät oder
zu offline gespeicherten Daten.
Generische OPC-UA Clients können Wartungstools
oder MES- beziehungsweise ERP-Systeme sein.
ERFÜLLT FDI ALLE WÜNSCHE DER NUTZER?
Nach all den erwähnten Vorteilen erscheint es fast so,
als ob FDI jedes nur erdenkliche Anliegen aller Nutzer
der Feldbusgerätemanagementtools erfüllen würde. Das
stimmt nicht so ganz! Tatsächlich werden demnächst
FDIGerätemanangement-Tools auf den Markt kommen,
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die den FDI-Standard auf ihre Weise umsetzen. Darauf
sollten Anwender achten:
Manchmal ist es der erste Schritt, der am meisten Zeit
kostet: Viele Tools sind sehr umfangreich, so dass das
Download und die Installation zeitaufwendig sind. Daneben
erfordern viele Tools spezielle Voraussetzungen,
wie die Installation der .NET-Technologie und/oder
Datenbankanwendungen wie etwa SQL. Dadurch verlängert
sich die Installationsdauer. Die Installationsprobleme
sind damit noch nicht zu Ende. Die Gerätetreiber
müssen installiert beziehungsweise importiert
werden. Möglicherweise liegen die Gerätetreiber auch
nicht in der neuesten Version vor.
Die Installation und Konfiguration des Modemtreibers
ist ein weiterer Schritt. Die Vorgehensweise ist von
Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Anschließend
erfordern die meisten Tools eine manuelle Aktualisierung
des Katalogs. Oftmals müssen noch Lizenzen freigeschaltet/aktiviert
werden.
In den meisten Fällen möchte der Nutzer lediglich
einige Standardparameter (etwa Bezeichnung, Bereich,
Einheit) konfigurieren oder dieselben Parameter oder
Funktionen (beispielsweise Nullstellung) immer und
immer wieder ausführen. Die meisten Tools unterstüt-
SPS_MESSE_ANZ_2014_D_185x128 30.07.14 13:19 Seite 1
zen solche Aufgaben nicht. Selbst wenn, dann ist dies
nur umständlich möglich. Das frustriert die Nutzer.
Obwohl es also bei FDI darum geht, bei den Feldbussen
eine neue Ära einzuleiten, sollte der Blick fest darauf
gerichtet sein, wie die Anbieter von Gerätemanagementtools
den Standard umsetzen. Achten Sie deshalb
auf neue FDI-Produkte!
AUTOR
NEIL SHAH ist Produkt manager
Feldbus bei ABB Automation.
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atp edition
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PRAXIS
Durch modulare Automatisierung gewinnen die
Anlagenbetreiber neue Flexibilität und Effizienz
Hochschulen und Wago entwickelten das Konzept ‚Dima‘ für den Einsatz in der Prozessindustrie
DIMA setzt die vielfältigen Anforderungen der
NE 148 in einer entsprechenden Systemarchitektur
um und wird prototypisch über das Engineering-
Werkzeug e!Cockpit von Wago projektiert. Foto: Wago
STANDARDISIERUNG DER SCHNITTSTELLEN: Wago,
die Technische Universität Dresden und die Helmut-
Schmidt-Universität Hamburg haben mit Dima ein
Konzept für die Automatisierungstechnik von modularen
Prozessanlagen vorgestellt. Foto: ©industrieblick/fotolia.com
Modulare Anlagen regen derzeit nicht nur innerhalb
der Prozessindustrie zu Diskussionen an,
sondern auch im Rahmen der fruchtbaren Zusammenarbeit
von Wissenschaft und Wirtschaft: Der Automatisierungsexperte
Wago Kontakttechnik hat zusammen
mit der Technischen Universität Dresden und der
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg das Automatisierungs-konzept
Dima vorgestellt: ‚Dezentrale Intelligenz
für modulare Anlagen‘. Detailliert beschrieben
wird dieser Ansatz in einem Hauptbeitrag ab Seite 34
dieser Ausgabe.
Modulare Prozessanlagen stellen eines der zukunftsträchtigsten
Konzepte in der modernen Prozessindustrie
dar. Und das nicht von ungefähr. Wo die vielfältigen
Teilschritte eines Produktionsprozesses in autarken
Modulen realisiert und automatisiert werden,
gewinnt der Anlagenbetreiber an Flexibilität und Effizienz.
Denn modulare Prozessanlagen lassen sich wesentlich
schneller aufbauen, umbauen, erweitern und
verlagern als konventionelle Anlagen. Voraussetzung
einer modularen Anlagenarchitektur ist, sämtliche
Komponenten, die für einen bestimmten verfahrenstechnischen
Teilprozess notwendig sind, in separaten
Anlagenmodulen zu integrieren und diese mit eigener
Intelligenz auszustatten.
Von der Aufbereitung eines Rohstoffs bis hin zur Verpackung
des Endprodukts erfolgen in der Prozessindustrie
diverse Produktionsschritte, die – jeder für sich
– unterschiedlichste Anforderung an die Mechanik
und Automatisierung einer Anlage stellen.
Bei der Verarbeitung von beispielsweise Flüssigkeiten,
muss der Rohstoff häufig in Tanks gelagert und
zuverlässig gekühlt werden. Bei diesem Prozessschritt
– ebenso wie im Falle einer möglichen ‚Pasteurisation‘
– ist eine exakte Temperaturregelung unerlässlich.
Muss der Ausgangsstoff mit anderen Stoffen gemischt
werden, gilt es, einzelne Bestandteile entsprechend
einer vorgegebenen Rezeptur zuzufügen und zu verarbeiten.
Beim abschließenden Abfüllen und Verpacken
des Endprodukts wiederum, müssen exakte
Produktmengen eingehalten oder Maschinentakte
gesteuert werden. Jeder dieser unterschiedlichen Prozessschritte
lässt sich in einem separaten Anlagenmodul
abbilden.
FÜR JEDEN PROZESSCHRITT EIN SEPARATES MODUL
Damit diese einzelnen Anlagenmodule weitestgehend
autark arbeiten, müssen sie neben prozesstechnischen
Elementen wie Sensoren, Aktoren, Heizvorrichtungen,
Pumpen, Motoren oder Ventilen auch elektro- und automatisierungstechnische
Komponenten integrieren.
Die Anforderungen an die Automation dieser Module
hat die Namur in ihrer Empfehlung NE 148 definiert.
Sie beschreibt, wie die einzelnen Module zusammenarbeiten
sollen und welche Rolle die Automatisierung
dabei spielt: Die Automation innerhalb der Module
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übernimmt gemäß der NE 148 sämtliche Basisfunktionen
des Moduls selbst. Das Anlagenmodul ‚Pasteurisation‘
muss so beispielsweise einen vorgegebenen
Temperaturverlauf autark regeln. Übergreifende Anlagenfunktionen
– beispielsweise eine Rezeptverwaltung
– sollen hingegen durch eine übergeordnete Automatisierungsebene
ausgeführt werden.
Die Qualitätssicherung des Prozesses findet auf beiden
Ebenen der Automatisierung statt: dezentral, integriert
in jedem Modul, wo die Attribute kontrolliert
werden, die für den jeweiligen Fertigungsschritt definiert
sind; und zentral, den einzelnen Analgenmodulen
übergeordnet, durch ein unabhängiges System zur permanenten
Kontrolle der Prozessmesswerte.
MEHR FLEXIBILITÄT DURCH PACKAGE-UNIT-KONZEPT
Einer der wesentlichen Vorteile des Package-Unit-Konzepts
ist die höhere Flexibilität. So können Anlagenbetreiber
schnell und unkompliziert auf Veränderungen
reagieren, die sich aus neuen Anforderungen ihrer
Kunden, Märkte oder Produktionsbedingungen ergeben.
Durch das ‚Plug and play‘-Prinzip der Module wird
die Zeit von der Planung bis zur Inbetriebnahme einer
Anlage deutlich verkürzt. Unter anderem dadurch, dass
ein Teil des Engineerings bereits von den Herstellern
der Module erledigt werden kann. Idealerweise muss
der Anlagenbauer so lediglich die Module zusammenstellen,
die er benötigt, um sein individuelles Anlagenkonzept
zu realisieren.
Diese Integration zu einer Gesamtanlage wird heute
allerdings noch manuell geplant und durchgeführt.
Insbesondere weil die Automatisierungstechnik Anlagenbauern
und -anwendern nach wie vor echte Standards
schuldig bleibt. Die bisher standardmäßig eingesetzten
Prozessleitsysteme unterstützen den modularen
Ansatz in der Regel nur unzureichend. Eine wichtige
Voraussetzung für eine nahtlose Integration der Package
Units bleibt darum die Standardisierung der Schnittstellen.
Was im Bereich der physikalischen Schnittstellen
für die Ver- und Entsorgung mit Prozessmedien
sowie die Versorgung mit Energie längst selbstverständlich
ist, muss ebenfalls für die Schnittstellen gelten,
die dem Datenaustausch dienen. Nur mittels der Definition
von Standards wird es möglich, Prozessmodule
verschiedener Hersteller einfach zu einer Gesamtanlage
zu integrieren.
DIMA SETZT DIE ANFORDERUNGEN DER NE 148 UM
Der Automatisierungsspezialist Wago hat zusammen
mit der Technischen Universität Dresden und der
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg ein solches
Konzept für die Automatisierungstechnik von modularen
Prozessanlagen vorgestellt: Dima – Dezentrale
Intelligenz für modulare Anlagen. Das Konzept setzt
die vielfältigen Anforderungen der NE 148 in einer entsprechenden
Systemarchitektur um und wird proto-
typisch über das Engineering-Werkzeug e!Cockpit von
Wago projektiert. Offene Schnittstellen und eine standardisierte
Kommunikation, wie sie in diesem Konzept
umgesetzt wurden, sind die wesentlichen Grundvoraussetzungen
dafür, dass Module verschiedener
Hersteller problemlos in einer Anlage zusammenarbeiten
können.
Das Engineering basiert auf dienstbasierter Kommunikation
zwischen Modul und übergeordnetem
Automatisierungssystem. Das Modul enthält eine
standardisierte Beschreibung, in der seine Funktionen
definiert sind. Von der übergeordneten Steuerung
ist der Aufruf dieser Modulfunktionen möglich,
ohne die Details der Abläufe innerhalb des Moduls
zu kennen. Um einem übergeordneten System die Eigenschaften
und Funktionen des Moduls zur Verfügung
zu stellen, wird eine Beschreibungsdatei – das
sogenannte Modul Type Package (MTP) – verwendet.
Darin sind neben den Funktionen und Diensten des
Moduls auch Informationen zu seiner Bedienung und
Visualisierung enthalten.
Im Rahmen des Dima-Projekts wurden das Engineering
und die Integration in ein übergeordnetes
Leitsystem exemplarisch mittels eines Scada-Systems
und eines Prozedur-Systems umgesetzt. In den übergeordneten
Systemen werden die einzelnen Module
bedient, beobachtet und überwacht, indem die zur
Verfügung gestellten Dienste aufgerufen werden. Für
die Realisierung des Dima-Konzepts sind offene
Schnittstellen der übergeordneten Scada- und Prozedur-Systeme
eine notwendige Voraussetzung. Die
beteiligten Verbände und Unternehmen sind aufgerufen,
gemeinsam an einer Vereinheitlichung solcher
Schnittstellen zu arbeiten.
AUTOR
ULRICH HEMPEN
ist Leiter Market
Management bei Wago
Kontakttechnik.
WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG,
Hansastr. 27, D-32423 Minden,
Tel. + 49 (0) 571 88 73 80,
E-Mail: ulrich.hempen@wago.com
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PRAXIS
Smartglass und Smartwatch erlauben eine völlig
neue Dimension der Steuerung von Anlagen
Erste Einsatzmöglichkeiten im Industrie 4.0-Umfeld wurden bereits vorgestellt
TECHNOLOGIE MIT POTENZIAL: Dank Datenbrillen kann ein Anlagenbediener
stets die Hände frei haben – und dennoch alle wichtigen
Informationen ohne Verzögerung bekommen. Bilder: AZO Controls
SMARTWATCH STATT TABLET: Auch mit dem
Gerät am Handgelenk kann der Bediener
beispielsweise einen Wiege vorgang steuern.
Die Einsatzmöglichkeiten von Smartglasses (Datenbrillen)
und Smartwatches reichen weit über den
Consumer-Bereich hinaus. Auch in der Automatisierungstechnik
bieten sie enormes Potenzial. Erste Anwendungsmöglichkeiten
im Automatisierungsumfeld
hat AZO Controls in enger Kooperation mit dem Usability
and Interaction Technology Laboratory (UniTy-
Lab) der Hochschule Heilbronn und Beckhoff Automation
kürzlich demonstriert.
Industrie 4.0 soll eine neue industrielle Revolution
einleiten. Die Idee ist nicht ganz neu. Schon vor 20
Jahren verfolgte die Industrie mit Computer-integrated-
Manufacturing (CIM) ähnliche Ansätze. Damals scheiterte
CIM daran, dass Daten-Systeme, Sensorik und
Aktorik sowie Funktechnik für die Übermittlung an
Maschinen und mobiles Equipment noch nicht vorhanden
oder leistungsfähig genug waren. Auch holonische
Systeme mit intelligentem Equipment, mit denen sich
AZO Controls (vormals hsh-systeme für prozess-IT)
bereits Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts
beschäftigt hat, gingen in die gleiche Richtung.
Heute sieht die Welt völlig anders aus. Neue Bedienkonzepte
und technische Entwicklungen wie Datenbrillen
und Smartwatches eröffnen eine neue Dimension
der Bedienerführung und Anlagenbedienung
in der Zukunft. Insbesondere die Produktions-, Ölund
Gasindustrie kann massiv von Datenbrillen profitieren.
Studien gehen von einem Einsparpotenzial
von einer Milliarde US Dollar, aufgrund neuer Konzepte
zur Bedienerführung und Anlagenvisualisierung,
aus – beispielsweise durch Einblendung von
kontextsensitiven Zusatzinformationen und von Instruktionen
etwa im Service-/Wartungsfall oder bei
der Fernwartung.
Die Einsatzmöglichkeiten einer Datenbrille – in diesem
Fall Google Glass – demonstrierte AZO Controls
in enger Kooperation mit dem UniTyLab der Hochschule
Heilbronn und Beckhoff Automation jüngst bei der
Fachmesse Interpack.
PRODUKTIONSDATEN IM DISPLAY DER BRILLE
Aktuelle Anwendungsdaten, direkt aus einer Produktionsanlage,
wie Auftragsinformationen, Maschinenstörungen,
aktuelle Zähler oder Maschinenstati werden
dem Anlagenbediener live auf dem Projektionsdisplay
der Datenbrille und auf unterschiedlichen mobilen Geräten
– wie Mobiltelefon, oder Tablet-PC – visuell dargestellt.
Bei der Präsentation konnten Besucher zusätzlich
per Knopfdruck eine Störung in einer virtuellen
Fabrik simulieren, die auf dem Projektionsdisplay der
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atp edition
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Unser
Know-how
für Sie
Datenbrille angezeigt wurde und auch direkt an der
Datenbrille quittiert werden konnte.
Über aktuelle Web-Technologien wurden diese
Informationen ebenfalls auf unterschiedlichsten mobilen
Geräten unter Android, Windows oder iOS angezeigt.
Die zusätzlich zur Datenbrille gezeigte Anlagenvisualisierung
ist plattformunabhängig und
läuft mittels HTML 5 in fast allen gängigen Browsern.
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05.11.2014
RuhrCongress Bochum
Stand J5
DER BEDIENER HAT IMMER DIE HÄNDE FREI
Dank Datenbrille hat der Bediener die Hände immer
frei, um seine Arbeiten auszuführen. Da er die Brille
immer bei sich trägt – ohne dass sie ihn bei der Arbeit
behindert – entfällt die Suche nach den heute schon
klassischen mobilen Geräten wie PDA, BC-Scanner
oder mobile Panels. Spezielle und nicht sicherheitsrelevante
Störmeldungen können, sofern dies gewünscht
und erlaubt ist, direkt über die Datenbrille
quittiert werden. Die Steuerung der Datenbrille erfolgt
entweder über Sprachkommandos oder durch
Berührung des Touchpads am Bügel der Datenbrille.
Die Live-Daten der Produktionsanlage werden von
einem Emdedded Controller von Beckhoff gesammelt,
vom Plant Intelligence (BDE- und KPI)-Modul
PI, des von AZO Control entwickelten Produktionsleitsystems
Kastor, aufbereitet und über WLAN direkt
an die Datenbrille gesendet.
Was macht die neue Technologie der Datenbrillen
so besonders? Im Gegensatz zu den herkömmlichen
Bedienkonzepten bietet eine Datenbrille dem Bediener
die Möglichkeit an, die Anlage zu überwachen
und sogar direkt in den Prozess einzugreifen ohne
dabei selbst vor Ort zu sein.
SITUATIONSABHÄNGIGE ANZEIGE DER DATEN
Denkbar ist es ebenfalls, anlagenspezifische Informationen
etwa für Wartungspersonal, Schichtführer
oder Qualitätssicherungspersonal genau dann anzuzeigen,
wenn sie vom Träger der Datenbrille benötigt
werden. Diese Informationen können beispielsweise
ereignisgesteuert dann angezeigt werden wenn sich
der Träger der Datenbrille an einem bestimmten Ort
befindet und dort den Equipment- oder Rohstoff-
Barcode eines Bauteils oder einer Maschine mit der
Digitalkamera der Datenbrille scannt. Technisch
möglich sind ebenfalls Telefon- und Videoanrufe bei
entsprechenden Servicetechnikern oder das gezielte
Navigieren von Bedienern durch eine Anlage mit
Hilfe von beispielsweise Indoor-Navigationssystemen.
Der Träger der Datenbrille hat zu jeder Zeit beide
Hände frei.
Eine komplett andere Art einer zukünftigen Bedienmöglichkeit
erlaubt der Einsatz von Smartwatches.
Dieser Ansatz wurde kürzlich auf der Fachmesse Powtech
ebenfalls in enger Kooperation mit dem UniTyLab
der Hochschule Heilbronn dem Fachpublikum vorge-
A01120 DE
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PRAXIS
stellt. Schwerpunkt in diesem Szenario war wiederum,
dass der Bediener seine Hände frei haben sollte, um
seine täglichen Arbeiten zu erledigen. Alle wichtigen
Informationen zu nötigen Arbeitsschritten werden dem
Bediener direkt auf eine Smartwatch – in diesem Fall
Samsung Galaxy Gear 2 – am Handgelenk gesendet und
visualisiert. Bei neuen Informationen kann die Smartwatch
vibrieren und signalisiert dem Bediener neue Aktivitäten
die speziell für ihn relevant sind.
Im realisierten Anwendungsfall wurde der Bediener
durch einen manuellen Wiegeprozess im Rahmen einer
parallel zum Fertigungsprozess durchzuführenden
Handverwiegung geführt. Auftrags- und Rohstoffinformationen
sowie die Anforderung zur Rohstoffidentifizierung
mittels Barcode werden direkt auf der
Smartwatch angezeigt. Nach der Identifikation des
richtigen Rohstoffes durch eine Barcodelesung über
die in der Smartwatch eingebaute Kamera kann der
Bediener den Gewichtswert der Tischwaage live auf
der Smartwatch verfolgen und die Wiegung bei Erreichen
des Sollgewichtes durch Berühren des Touchbildschirms
auf der Smartwatch abschließen.
SUCHE NACH ANZEIGEGERÄTEN WIRD ÜBERFLÜSSIG
Alle Daten und Bedieneraufforderungen werden innerhalb
der Ablaufsteuerung des von AZO Controls entwickelten
Produktionsleitsystem Kastor in Verbindung
mit der Manuellen Dosierstation (ManDos) verarbeitet
und entweder über WLAN oder Bluetooth an die mobilen
Geräte wie Tablet-PC oder Smartwatch versendet.
Vorgestellt wurde neben dem neuen ManDos-Client auf
einer Smartwatch unter dem Betriebssystem Tizen
gleichzeitig ein neuer ManDos-Client auf einem Tablet-
PC unter Android.
Das Produktionsleitsystem Kastor bietet somit neben
den klassischen Bedienclients unter Windows die Möglichkeit,
Endgeräte unter Android oder Tizen anzubinden
und in die Automatisierungswelt zu integrieren.
Die Vorteile dieser neuartigen Bedienerführung sind
genau wie im ersten Beispiel mit einer Datenbrille, dass
der Bediener sich auf seine Arbeit konzentrieren kann
und vom System informiert wird, sobald eine Aufgabe
oder wichtige Informationen gezielt für ihn bereit stehen.
Er hat zu jeder Zeit beide Hände frei und muss
keine mobilen Anzeigegeräte suchen oder sich seine
Informationen an einem fest installierten PC irgendwo
in der Produktionsanlage oder einer Leitwarte holen.
Da der Bediener das Anzeigegerät der Zukunft immer
bei sich trägt und es ihn trotz allem nicht behindert,
entsteht eine völlig andere Art des Arbeitens im
Zeitalter von Industrie 4.0. Mobile Geräte unterschiedlicher
Plattformen werden das Arbeiten in Produktionsanlagen
perspektivisch grundlegend verändern.
Neue Geräte und Technologien bieten völlig andere
Möglichkeiten der Visualisierung und Bedienerführung
in der Zukunft.
Aktuell ist unter anderem aufgrund von geringen Akkulaufzeiten
ein dauerhafter mehrschichtiger Einsatz
von Datenbrillen oder einer Smartwatch in heutigen
Produktionsanlagen aus unserer Sicht noch nicht möglich.
Aber in diesem Segment wird es in nächster Zeit
Entwicklungen geben, die dies ermöglichen werden.
Zusätzlich müssen diverse rechtliche Themen im Bereich
Datenschutz und Unfallverhütung ebenfalls noch
abschließend geklärt werden. Aber sowohl Datenbrille
als auch Anzeigegeräte am Handgelenk des Bedieners
werden in der Automatisierungstechnik der Zukunft
eine feste Rolle spielen.
AUTOREN
Prof. Dr.-Ing. GERRIT
MEIXNER ist Direktor des
UniTyLab und Professor für
Mensch-Computer-Interaktion
sowie Vorsitzender des VDI/
VDE-GMA FA 5.31 ‚Nutzergerechte
Gestaltung von
Maschinenbediensystemen‘.
Hochschule Heilbronn, UniTyLab,
Max-Planck-Str. 39, D-74081 Heilbronn,
Tel. +49 (0) 7131 504 67 31,
E-Mail: Gerrit.Meixner@hs-heilbronn.de
STEFFEN GÜNTER ist
Leiter der Bereiche
Entwicklung/Standardisierung
sowie der IT
bei AZO CONTROLS.
AZO CONTROLS GmbH,
Heiner-Fleischmann-Strasse 7,
D-74172 Neckarsulm, Tel. +49 (0) 7132 934 20,
E-Mail: Steffen.Guenter@azo.com
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atp edition
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Experten fragen, Experten antworten:
Missverständnisse rund um SIL
Rückblick zur 6. SIL-Sprechstunde Funktionale Sicherheit im September
BESONDERS GESCHÄTZT wurde von den Teilnehmern die
einzigartige Kombination aus Fachvorträgen und praxisnaher
Beratung in der Sprechstunde. Bild: Pepperl+Fuchs GmbH
Zum Thema ‚Irrtümer und Missverständnisse rund
um SIL‘ fand am 23. und 24. September die bereits
6. SIL-Sprechstunde Funktionale Sicherheit in Mannheim
statt. Das von Pepperl+Fuchs in Kooperation mit
der atp edition veranstaltete Seminar mit 34 Teilnehmern
sowie 11 Referenten und Branchen-Experten stand
unter dem Motto ‚Experten fragen – Experten antworten‘.
Brachten am ersten Tag Plenarvorträge rund um die
einschlägigen Normen die Teilnehmer auf den neuesten
Stand im Bereich der funktionalen Sicherheit, so stand
der zweite Tag ganz im Zeichen der Sprechstunde. Hier
hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre vorab eingereichten
individuellen und speziellen Fragen rund
um SIL zu stellen und in drei Kleingruppen offen mit
den praxiserfahrenen Referenten zu diskutieren.
Die Funktionale Sicherheit ist ein komplexes Feld,
das gerade in der praktischen Anwendung im Automatisierungsprozess
zahlreiche Fragen aufwirft. Dabei
soll der Sicherheits-Integritätslevel (SIL) die Zuverlässigkeit
der Sicherheitsfunktionen einer Anlage im Zusammenspiel
mit deren Feldgeräten und den Steuerungssystemen
beurteilen. Ziel ist es, die Risiken für
Menschen und die Umwelt zu minimieren. Im Zentrum
stehen wichtige Maßnahmen zur Vermeidung und Beherrschung
systematischer sowie zufälliger Fehler.
Letztendlich müssen alle sicherheitsrelevanten Teile
der Schutz- und Steuereinrichtungen korrekt funktionieren
und sich im Fehlerfall so verhalten, dass die
Anlage in einem sicheren Zustand bleibt oder in einen
sicheren Zustand gebracht wird.
Unter der Moderation von Jürgen George und Andreas
Hildebrandt von Pepperl+Fuchs betrachteten die
Fachvorträge der Experten das Thema SIL aus unterschiedlichsten
Blickwinkeln. So sprach Josef Kuboth
vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz
Nordrhein-Westfalen über das Thema ‚Vom Umgang
mit SIL – Erfahrungen eines Behördenvertreters‘
Johann Ströbl, TÜV Süd, über ‚Fallstricke bei der SIL-
Erreichung – Beobachtungen einer Prüfstelle‘ und Heiko
Schween von HIMA Paul Hildebrandt über ‚Die
meistgemachten Fehler in der funktionalen Sicherheit‘.
Nicht auf der Agenda fehlen durften Beiträge von Thomas
Gabriel, Bayer Technology Services, über die ‚Richtige
Mitbenutzung sicherheitstechnischer Komponenten
für die Prozessleittechnik‘ von Peter Sieber, HIMA
Paul Hildebrandt, zum Thema ‚Korrelation zwischen
funktionaler Sicherheit und IT-Security‘ sowie von Andreas
Hildebrandt, Pepperl+Fuchs, zur wichtigen Frage
‚Ist SIL eine Produkteigenschaft?‘.
Wie groß die Unsicherheit im Umgang mit SIL und
der Beratungsbedarf in der Praxis ist, zeigten die zahlreichen
Fragen der Teilnehmer. Das Spektrum reichte
von ‚Was muss beachtet werden, wenn Anlagen erweitert
werden und sich daraus Änderungen bei bereits
bestehenden Sicherheitsfunktionen ergeben?‘ über ‚Unter
welchen Voraussetzungen können die Anforderungen
der Norm auch ohne rechnerischen Nachweis erfüllt
werden?‘ bis hin zu sehr konkreten Fragen wie
‚Muss man bei einem SIL-Kreis mit einem Sensor, der
10 Aktoren abschaltet in der PFD-Nachweisrechnung
für den Ausgang mit einer 10oo10-Funktion rechnen
oder erstellt man 10 einzelne Berechnungen mit jeweils
einem Sensor, der auf einen Aktor geht?‘.
Als weitere Experten der Sprechstunde standen neben
den Referenten der Fachvorträge auch Martin Herrmann
(Evonik), Bernd Schrörs (Bayer Technology Services),
Werner Brockschmidt (Tesium) sowie Dirk
Hablawetz (BASF) den Fragen der Teilnehmer Rede und
Antwort. Als buntes Rahmenprogramm am Abend rundete
eine Besichtigung des Hockenheim Rings die Veranstaltung
ab, mit einem Rundgang durch die Boxengasse
und dem Fahrerlager sowie anschließendem ‚Get-
Together‘ bei einem Barbecue. Besonders geschätzt
wurde von den Teilnehmern die einzigartige Kombination
aus Fachvorträgen und praxisnaher Beratung in
der Sprechstunde. Die nächste SIL-Sprechstunde ist
für den 22. und 23. September 2015 geplant.
AUTOR/ANSPRECHPARTNER
MARKUS HOFELICH ist
Redaktionsleiter der atp edition.
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH,
Redaktion atp,
Arnulfstraße 124, D-80636 München,
Tel. +49 (0) 89 203 53 66-33,
E-Mail: hofelich@di-verlag.de,
Internet: www.sil-sprechstunde.de
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PRAXIS
Automatisierungstechnik in Anlandestation für
Erdgas gewährleistet höchste Zuverlässigkeit
Feldinstrumentierung aus einer Hand vereinfacht Anlagenplanung und Instandhaltung
DURCHFLUSSMESSUNGEN IM WARMWASSERSYSTEM:
Das Ultraschall-Clamp-on-System Prosonic Flow
ermöglicht eine genaue und kostengünstige Durchflussmessung
von außen, ohne Prozessunterbrechung.
Bilder: Gascade Gastransport GmbH
ANLANDESTATION LUBMIN: Bis zu 6,6 Millionen Kubikmeter
russisches Erdgas werden dort pro Stunde aufbereitet,
gemessen und auf zwei weiterführende Pipelines aufgeteilt.
Bild: Luftaufnahme Nord Stream/Dr. Jan Kube
Riesige Mengen Erdgas aus Russland werden in der
Anlandestation Lubmin gemessen und für den
Transport über Pipelines aufbereitet. Die Messtechnik
muss dort ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit bieten. Die
umfangreiche Feldinstrumentierung weitgehend aus
einer Hand zu bekommen, brachte den Planern mehrere
Vorteile: Sie konnten die Voraussetzung für ein optimales
Instandhaltungsmanagement schaffen und die Zahl
der Schnittstellen zu Lieferanten deutlich reduzieren.
An der Küste Mecklenburg-Vorpommerns schlägt das
automatisierungstechnische Herz der größten europäischen
Energie-Infrastrukturinvestition der letzten
Jahre. Dort erreicht die Nord Stream Pipeline deutschen
Boden und liefert pro Stunde bis zu 6,6 Mio. Kubikmeter
russisches Erdgas zur neuen Anlandestation Lubmin
bei Greifswald. Das im 1200 Pipeline-Kilometer
entfernten russischen Wyborg eingespeiste Erdgas wird
dort aufbereitet und gemessen, bevor es durch die Pipelines
‚Opal‘ (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) nach
Süden bis in die Tschechische Republik sowie ‚NEL‘
(Nordeuropäische Erdgasleitung) nach Westen in Richtung
des Speichers Rehden weitergeleitet wird.
In Lubmin müssen nicht nur zwei Prozesse – Gas und
Warmwasser – mit großer Präzision parallel geregelt
werden. Die Anlage soll wegen ihrer sehr großen Bedeutung
für die Versorgungssicherheit in Deutschland
und Europa auch ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit
aufweisen. Daher sind die Ausrüstungen und Rohrleitungssysteme
hochverfügbar aufgebaut, und das gilt
auch für die Feldinstrumentierung. Rund 850 Sensoren,
mehr als 2400 Ventile und 420 elektrische Antriebe
wurden installiert. Zum Einsatz kommt die neueste
Generation der Automatisierungs- und Messtechnik.
Im Auftrag der Fernleitungsnetzbetreiber Opal
Gastransport GmbH und der NEL Gastransport GmbH
sowie der Industriekraftwerk Greifswald GmbH war die
Gascade Gastransport GmbH verantwortlich für die
Planung und Realisierung der Gesamtanlage.
GASMENGE UND -DRUCK WERDEN EXAKT GEMESSEN
Eine der Hauptaufgaben besteht darin, das im Winter
mit Minusgraden ankommende Gas konstant auf notwendige
Plusgrade hinter der Druckreduzierung zu halten.
Die Wärme liefern vor allem drei große, erdgasbetriebene
Wasserkesselanlagen mit jeweils 40 MW Leistung.
Nur mit Kenntnis der genauen Gasmenge und des
korrespondierenden Drucks ist ein optimierter Betrieb
des Wärmesystems möglich. Die Wasserkessel müssen
zudem ausreichend Wärme für den Gastransport bis zur
nächsten Verdichterstation im 280 km entfernten Radeland
bereitstellen. Teil der Gesamtanlage ist auch eine
Gasturbine. Der von ihr erzeugte Strom wird ins Netz
eingespeist. Ihre Abwärme wird zusätzlich genutzt, um
das Erdgas in der Anlandestation zu erwärmen.
Bei der Feldinstrumentierung entschied sich Gascade
für die Zusammenarbeit mit Endress+Hauser. Im
Vordergrund standen die Hauptparameter Füllstand,
Dichte, Durchfluss, Prozessdruck, Differenzdruck,
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atp edition
11 / 2014
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Temperatur und Energiemengenmessung. Neben
standardmäßigen Druck- und Temperaturmessungen
für die Überwachung und Regelung von
Gasdruck und Gastemperatur im komplexen Rohrund
Warmwassersystem, wurden auch spezielle
Aufgabenstellungen gelöst.
In der Gasvorwärmung müssen die Kessel des
Warmwassersystems (Niederdruck) vor überhöhtem
Druck aus dem Gasnetz (Hochdruck) geschützt werden.
Das Wärmetauschersystem ist deshalb mit
einem Dichte-Liquiphant FTL51 und Auswerterechner
FML621 ausgerüstet. Die Verwendung des altbewährten
Vibrationsprinzips Liquiphant erlaubt
eine sehr kostengünstige Dichtemessung im Vergleich
zu anderen Verfahren. Der kompakte, direkte
Einbau erleichtert Montage und Inbetriebnahme.
Die Schwinggabel des Liquiphant erkennt bereits
geringste Gasleckagen und schützt das Wärmetauschersystem
durch ein entsprechendes Grenzsignal
vor einer größeren Beschädigung.
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Automatisierungstechnik
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sichert ein strenges Peer-Review-Verfahren. Bezug zur
automatisierungstechnischen Praxis nehmen außerdem
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ENERGIEMENGE MIT 0,2 % GENAUIGKEIT ERFASST
Weiterhin erfordert die exakte Regelung des Wärmesystems
hochpräzise Energiemengenmessungen. Die
Energiemenge des mit der Abwärme der Gasturbine
erzeugten Warmwassers wird mit einer Genauigkeit
von 0,2 % erfasst. Dafür sorgen als Durchflussgeber
magnetisch-induktive Durchflussmessgeräte vom
Typ Promag 53. Eine patentierte ECC-Schaltung zur
Verhinderung von Magnetitablagerungen garantiert
den sicheren Messbetrieb.
In Kombination mit gepaarten Temperaturfühlern
Omnigrad TR13 und dem Bildschirmschreiber Memograph
RSG40 liefert die komplette Messanordnung
zuverlässige Werte für den Anlagenbetrieb.
Die Auswertung der Wärmemengenmessung aus
Durchfluss sowie Vor- und Rücklauftemperatur erfolgt
mit manipulationssicherer Registrierung und
einem Datenexport nach Excel. Die Anbindung an
das Leitsystem erfolgt per Profibus DP und Ethernet.
Eine weitere Herausforderung bestand in der Projektierung
der Temperaturhülsen im Rauchgaskanal
der Gasturbine. Diese Hülsen nehmen die Temperaturfühler
zur Messung des Abgasstromes auf und
müssen für die extremen mechanischen und thermischen
Belastungen mit hoher Sicherheit ausgelegt
werden. Mit einem speziellen Schutzrohrberechnungsprogramm
von Endress+Hauser wurden die
Merkmale der Konstruktion festgelegt. Als Ergebnis
darf bei einer Fließgeschwindigkeit des Rauchgases
von 40 m/sec die Schutzhülse nur maximal 125 mm
in den Prozess reichen. Damit das Schutzrohr auch
im Anschlussstutzen nicht vibriert, muss zusätzlich
noch ein Stützring auf die Schutzhülse aufgeschweißt
werden. Die Applikation ist somit optimal ausgelegt
für sicheren Betrieb und genaueste Messung.
atp edition erscheint in der DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München
PRAXIS
KONTROLLE DES WARMWASSERSPEICHERS:
Ultraschallmessumformer überwachen die
Zu- und Ablaufmengen.
SICHER IM
SCHUTZKASTEN:
Druck- und
Differenzdruckmessungen
erfolgen mit
Cerabar S- und
Deltabar
S-Transmittern.
Zur Überwachung der Bespannung der Gasabsperrarmaturen
wurde ein Differenzdruckmessumformer
der Serie Deltabar PMD75 gewählt. Der Messumformer
verfügt über umfangreiche Diagnosefunktionen und ist
von der Messzelle bis zur Elektronik funktionsüberwacht.
Diese Funktionen unterstützen den reibungslosen
Ablauf von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten
an den Armaturen.
UNEMPFINDLICH GEGENÜBER PULSATIONEN
Der in hohen Stückzahlen eingesetzte Drucktransmitter
Cerabar S PMP71 kommt zusätzlich auf den Pipelines
mit der innerstaatlichen Bauartzulassung der Physikalisch
Technischen Bundesanstalt (PTB) zum Einsatz.
Dem Gerät wurde seitens der PTB die bestmögliche
Messperformance von 0,2 % (Eichanforderung) auf den
Momentanwert im Temperaturbereich von –20 bis
+50 °C bestätigt. Neben dem eichfähigen Druckmessumformer
Cerabar S bietet Endress+Hauser den Gasdurchflusszähler
Promass 84F sowie den Temperaturfühler
Omnigrad S als Komponenten in einem eichamtlichen
System an. Der nach dem Coriolis-Prinzip messende
Promass ist wartungsfrei, da er ohne bewegliche
Teile arbeitet. Bei Planung und Montage brauchen keine
Ein- und Auslaufstrecken berücksichtigt zu werden.
Im Vergleich zu Ultraschallzählern ist das Messsystem
unempfindlich gegenüber Pulsationen und Druckschlägen
im Prozess. Der Promass ist hier zur Überwachung
der Erdgasmenge an der Gasturbine eingesetzt.
DURCHFLUSSMESSUNG IM LAUFENDEN PROZESS
Die betrieblichen Durchflussmessungen im Warmwassersystem
der Anlandestation wurden mit dem Prosonic
Flow 93 realisiert. Das Ultraschall-Clamp-on-System
ermöglicht eine genaue und kostengünstige Durchflussmessung
von außen ohne Prozessunterbrechung. Die
Messung verursacht keine Druckverluste und spart somit
hydraulische Leistungsverluste. Die variable Einbaumöglichkeit
erlaubt bereits in der Vorplanung Kosteneinsparungen
durch möglichen Verzicht auf Flansche.
Dass Endress+Hauser die gesamte Bandbreite der Kundenanforderungen,
von der Standard- bis zur Spezialanwendung,
abdecken konnte, bot verschiedene Vorteile.
Durch einheitliche Projektdokumentation sowie ein
einheitliches Bedien- und Toolingkonzept für die unterschiedlichen
Messumformer wurde die Voraussetzung
für optimales Instandhaltungsmanagement im Anlagenbetrieb
geschaffen. Zudem konnte Gascade in der Projektabwicklung
die Zahl der Schnittstellen minimieren.
In der Betriebsphase können durch die reduzierte und
passgenaue Auswahl der Prozessmesstechnik die Wartungs-
und Instandhaltungskosten verringert werden.
AUTOR
ANDREAS SCHMIDT
ist Branchenmanager
Öl&Gas bei
Endress+Hauser
Weil am Rhein.
Endress+Hauser Messtechnik GmbH + Co. KG,
Colmarer Straße 6, D-79576 Weil am Rhein,
Tel. +49 (0) 7621 97 59 86,
E-Mail: andreas.schmidt@de.endress.com
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PRAXIS
Lichtwellenleiter im Industrieeinsatz: Robuste
Komponenten trotzen widrigen Bedingungen
Steckverbinder müssen gegen mechanische Belastungen, Gase und Flüssigkeit gesichert sein
APPLIKATION MIT
LWL-ÜBERTRAGUNG:
Beim Lightning Monitoring
System von Phoenix
Contact, bei dem Blitze wie
hier am Hermannsdenkmal
gemessen werden,
arbeiten Lichtwellenleiter-
Steckverbinder zuverlässig
im Außeneinsatz.
Ausgehend von den Weitverkehrsnetzen in der Telekommunikation
haben Lichtwellenleiter auch im
Industrieumfeld seit Jahren Einzug gehalten. Ob ausgedehnte
Anlagen in der Prozessindustrie oder Fertigungsinseln
um einen Roboter – qualifizierte Lichtwellenleiter
haben viele Vorteile. Um sie nutzen zu können,
müssen auch die eingesetzten Steckverbinder für die
raue Industrieumgebung geeignet sein.
Alle Faserarten sind unempfindlich gegenüber elektromagnetischen
Störungen und Überspannungen. Aufgrund
der galvanischen Trennung werden Potential-Verschleppungen
und Ausgleichströme vermieden. Je nach Fasertyp
sind mit Lichtwellenleitern viel höhere Übertragungslängen
möglich als bei einer elektrischen Datenübertragung.
Damit die Datenübertragung zuverlässig funktioniert,
lohnt sich die Betrachtung der technischen Zusammenhänge.
Denn beim Transport der Lichtsignale
durch den Lichtwellenleiter ist Einiges zu beachten.
Einzelne Lichtstrahlen – auch Moden genannt – werden
mittels einer Lichtquelle wie Leuchtdioden oder Laser
in die Faser eingekoppelt. Dort breiten diese sich längs
der Faser aus. Je nach Fasertyp wird bei einer Singlemode-Faser
nur eine Mode transportiert – bei allen
anderen Fasertypen wird eine Vielzahl von Moden weitergeleitet.
Die Moden verlaufen nicht parallel zur optischen
Achse und werden so am Mantel der Faser reflektiert
und in einer anderen Richtung weitergeleitet.
LUFTSCHICHT STÖRT DEN STRAHLENDURCHGANG
Bei einer Steckverbindung stehen sich zwei Faser enden
gegenüber. Das aus der ersten Faser austretende Licht dringt
in die zweite Faser ein und wird dort weitertransportiert.
Hierbei treten jedoch einige störende Effekte auf. So stoßen
die Fasern nie auf ganzer Fläche aufeinander, sodass sich
zwischen den Faserenden eine kleine Luftschicht befindet,
die aufgrund ihres andersartigen Brechungsindex einen
geänderten Strahlengang verursacht. Hier können Moden
so abgelenkt werden, dass sie nicht mehr in der zweiten
Faser weitertransportiert werden – eine Verringerung der
Lichtleistung ist dann die Folge. Außerdem kommt es zu
einer Reflektion der Moden an der Fasergrenzfläche, sodass
einzelne Moden wieder in die Faser zurückgeführt werden.
Auch diese Moden stehen nicht mehr für den Weitertransport
zum Signalempfänger zur Verfügung, und zudem können
sie bei einer Lasereinkopplung den Laser stören.
Auch bei einem radialen Versatz der Fasern zueinander
treffen aus der ersten Faser austretende Moden
auf Bereiche der zweiten Faser, die nicht für den Weitertransport
der Moden geeignet sind. So entstehen
ebenfalls Dämpfungsverluste.
ABNAHMEMESSUNG MIT EINSCHRÄNKUNGEN
Aufgrund der problematischen Kontaktstelle der Faserendflächen
besteht die Gefahr, dass Staub und andere
Fremdkörper sowie Feuchtigkeit – zum Beispiel durch
eine Betauung – zwischen die Faserendflächen dringt.
Die Moden können dann unterbrochen werden. Oder
der Strahlengang wird durch einen ungeeigneten Brechungsindex
so abgelenkt, dass die Moden wieder in
die erste Faser zurückgeleitet werden.
Hersteller von Steckverbindungen für Lichtwellenleiter
und konfektionierten Leitungen sind bemüht,
30
atp edition
11 / 2014
LWL-Steckverbinder im Test:
Ob sie zuverlässig arbeiten, hängt von ihrer Ausführung
sowie von Umwelteinflüssen ab.
Die Moden im LichtweLLenleiter
werden durch ungeeignete Brechungsindizes,
Fremdkörper und Feuchtigkeit beeinträchtigt –
falsche Einsatzbedingungen können die
Übertragung stören. Bilder: Phoenix Contact
ihre Produkte so präzise und sauber zu gestalten, damit
die oben genannten Effekte nicht auftreten. Auch die
Monteure vor Ort sind geschult, um eine Installation
fachgerecht auszuführen. Mit einer Abnahmemessung
nach der Installation werden üblicherweise die Qualität
der Produkte und deren Installation nachgewiesen.
Geht eine Anlage in Betrieb, wird sie den realen
Umweltbedingungen ausgesetzt. Die bei den Abnah-
me-Messungen noch nicht herrschenden realen Umweltbedingungen
können die Qualität der Datenübertragung
erheblich beeinträchtigen, indem sie bei den
Steckverbindungen an den Faserendflächen die erläuterten
Effekte verursachen. So können mechanische
Belastungen wie Schock und Vibration für einen temporär
erhöhten axialen und radialen Versatz der Faserendflächen
verantwortlich sein. Feuchte Wärme und
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PRAXIS
IEC 61753-1 KLASSIFIZIERT STECKVERBINDER
Industrieanforderungen in die Norm aufgenommen
LWL-Steckverbinder müssen im
rauen Industrieumfeld ganz anderen
Umgebungsbedingungen trotzen als
etwa im Büro. Entsprechend
unterschiedlich müssen die
Komponenten auf ihre Zuverlässigkeit
geprüft werden. Daher wurde
ein System mit Klassen für unterschiedliche
Einsatzbedingungen und
Robustheitsanforderungen geschaffen,
das in der Norm IEC 61753-1
beschrieben wird. So kann der
Anwender sich unter Kenntnis der
Kategorie-Definitionen die für seine
Applikation geeigneten Komponenten
auswählen.
Steckverbinder für den Außenbereich
oder raue Umgebungen waren
bislang nur innerhalb eines
Gehäuses vorgesehen. Im Rahmen
der Norm IEC 61753-1-3 ist nun der
Industriebereich neu aufgenommen
worden mit der Kategorie I. Hier sind
die Anforderungen an Komponenten
so definiert, dass sie außerhalb
eines Gehäuses eingesetzt werden
können.
Temperaturwechsel ermöglichen genauso wie die direkte
Applizierung von Flüssigkeit einen Feuchtigkeitsfilm
zwischen den Faserendflächen. Die Dämpfung
der optischen Übertragungsstrecke wird dadurch
erhöht – im Extremfall wird die Datenübertragung
unterbrochen.
Darüber hinaus können aggressive Stoffe, Gase und
UV-Bestrahlungen das Gehäusematerial beschädigen.
Dadurch wird wiederum die mechanische Stabilität
gefährdet und Eindringen von Flüssigkeiten und
Fremdkörpern erleichtert.
TYPPRÜFUNG SIMULIERT UMWELTBELASTUNGEN
Die konstruktive Gestaltung von LWL-Steckverbindern
für den Industrie- und Außeneinsatz hat entscheidende
Auswirkung auf die Eignung dieser Komponenten.
Je nach Art und Umfang der zu erwartenden
Belastungen werden die Produkte für eine bestimmte
Umweltkategorie klassifiziert. So sind Produkte der
Kategorie C für den Einsatz in Büros und ähnlichen
Umgebungen vorgesehen, während Produkte der Kategorie
I für den Einsatz im rauen Industrieumfeld
geeignet sind.
Eine darauf abgestimmte Typprüfung simuliert die
zu erwartende Umweltbelastung der Komponenten für
die jeweilige Kategorie. Hierzu werden an den Komponenten
praxistypische Tests durchgeführt: Schock und
Vibrationen, Kräfte auf den Steckverbinder, Bewegung
der angeschlossenen Leitung, Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel
sowie Beaufschlagung mit Flüssigkeiten
und Gasen. Hierbei dürfen sich die optischen
Übertragungseigenschaften mit den Parametern Dämpfung
und Rückflussdämpfung nicht so weit verschlechtern,
dass die Datenübertragung gefährdet wird.
Bei der Planung einer Datenübertragung mittels
Lichtwellenleitern kommt es also darauf an, die zu erwartenden
Umweltbedingungen zu kennen und hierfür
geeignete Komponenten auszuwählen. Nur dann kann
die Übertragungsstrecke auch im realen Betrieb nach
der Abnahmeprüfung sicher und zuverlässig ihre
Funktion erfüllen.
Lichtwellenleiter zur Datenübertragung haben sich
ihren Platz in der industriellen Automatisierungstechnik
und im Außeneinsatz erfolgreich erobert. Mit den
richtigen Umweltkategorien erhält der Anwender die
Sicherheit für seine Applikation. LWL-Steckverbinder
von Phoenix Contact werden seit Jahren in diesen Bereichen
eingesetzt – sie ermöglichen eine auf lange Zeit
zuverlässige Datenübertragung.
AUTOR
Dipl.-Wirt.-Ing.
BERND HORRMEYER
ist Fachreferent für
Standardisierung bei
Phoenix Contact.
Phoenix Contact GmbH & Co. KG,
Flachsmarktstraße 8, D-32825 Blomberg,
Tel. +49 (0) 5235 300,
E-Mail: bhorrmeyer@phoenixcontact.com
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HAUPTBEITRAG
Dezentrale Intelligenz
für modulare Automation
Lösungsansätze für die Realisierung modularer Anlagen
Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur ist es, den Aufwand zur Integration
eines Moduls in die Gesamtanlage zu minimieren. Dies lässt sich erreichen,
indem Aufwände in das Engineering des Modullieferanten verlagert werden. Das
Engineering der Gesamtanlage besteht dann aus zwei voneinander getrennten Engineeringprozessen:
Der Modullieferant projektiert das Modul, der Anlagenbetreiber
nutzt Module im Integrations-Engineering. Dieser Beitrag stellt eine Architektur für
die einfache Integration eines Moduls und eine Informationsmodellierung zur Übertragung
der zur Integration notwendigen Ergebnisse des Modulengineerings vor.
Diese werden in einem Informationsträger gespeichert.
SCHLAGWÖRTER Modularisierung / dezentrale Intelligenz / Engineering /
Prozessautomatisierung
Distributed Intelligence for Modular Automation –
Approaches to Integrating Modules
The basic idea of modular plant architecture is the reduction of the effort for the integration
of a module into the overall plant. This can be achieved by splitting the
engineering of the entire system into two separate processes. The module suppliers
build the modules, which; the plant operator then uses in the integration engineering.
This paper presents an architecture for the easy integration of a module, as well as
information modelling to transfer the necessary results for the integration of the module
engineering. These are stored in a suitable information carrier.
KEYWORDS modularization / distributed intelligence / engineering /
process automation
34
atp edition
11 / 2014
THOMAS HOLM, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
MICHAEL OBST, Technische Universität Dresden
ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
LEON URBAS, Technische Universität Dresden
THOMAS ALBERS, SVEN KREFT, ULRICH HEMPEN, Wago Kontakttechnik
Die Absatzmärkte der Prozessindustrie – insbesondere
Chemie, Pharmazie, Nahrungsmittelherstellung
– sind zunehmend volatil: Die
nachgefragten Mengen sind schwerer prognostizierbar
und schwanken regional abhängig
in immer kurzfristigeren Zeitabständen. Die
Produktlebenszyklen werden durch die globale Verfügbarkeit
von Alternativen immer kürzer. Um am Markt
erfolgreich zu sein, müssen Produktinnovationen
schnell Marktreife erreichen, sobald alle Zulassungshürden
überwunden sind. Wird das Produkt vom Markt
angenommen, ist die Zeit bis zum Erreichen der geforderten
Produktqualität und -menge wesentlich für die
Wirtschaftlichkeit. Spätestens gegen Ende des Produktlebenszyklus
sollte die Produktion nahe an den
größten verbliebenen Absatzmärkten stattfinden, das
heißt, entsprechend verlagert werden können. Die klassischen
Produktionsverfahren der Prozessindustrie
erfüllen diese Anforderungen nur unzureichend: Konti-Anlagen
sind für eine bestimmte Produktionsmenge
pro Zeiteinheit optimiert, die möglichst über Jahre
nicht verändert werden sollte. Die höhere Flexibilität
konventioneller Batch-Anlagen geht mit unproduktiven
Zeiten, zum Beispiel während des Umrüstens einher.
Die Situation in der Fertigungsindustrie zeigt Analogien:
Die Chargenproduktion entspricht der Werkstattfertigung,
bei der an einem Arbeitsplatz zahlreiche
Produktionsschritte nacheinander durchgeführt
und Produktionsmittel nur suboptimal genutzt
werden. Die Konti-Anlage entspricht der Produktion
am Fließband. Damit konnte ein großer Produktivitätsfortschritt
erreicht werden, aber um den Preis, dass
die Anlage für einen bestimmten Arbeitspunkt ausgelegt
und daher unflexibel ist hinsichtlich wechselnder
Produktionsmengen.
Wie in der Fertigungsindustrie wird in der Prozessindustrie
nach Anlagenkonzepten gesucht, die die Vorteile
beider Verfahren kombinieren. Besonders vielversprechend
erscheint in dieser Hinsicht die Modularisierung
von verfahrenstechnischen Anlagen, bei der Anlagen
durch die Kombination von Modulen flexibel aufgebaut
werden. Einzelne Module realisieren jeweils standardisierte
Produktionsschritte und lassen sich entsprechend
des herzustellenden Produkts kombinieren. Änderungen
des Produkts werden durch den Tausch von Modulen
umgesetzt, die Produktionsmenge kann durch Hinzufügen
gleichartiger Module erhöht werden [1].
1. VORTEILE UND HERAUSFORDERUNGEN
DER MODULARISIERUNG
Ein wesentlicher Vorteil eines modularen Anlagenkonzepts
liegt in der Verkürzung der Zeit für Konzeption,
Planung, Aufbau und Inbetriebnahme der Anlage
und der flexiblen und späten Anpassbarkeit von
Kostenstrukturen an sich verändernde Marktbedingungen
[1, 2]. Der Vergleich gegenüber einer konventionellen
Anlage zeigt zwar zunächst höhere Investitionskosten,
die Produktion kann bei einer modularen
Anlage jedoch deutlich früher beginnen. Dies führt
früher zu Erträgen, wodurch sich die Investition
schneller amortisiert und die Gesamtkosten unter Umständen
sogar geringer ausfallen. Dieser Zeitgewinn,
verbunden mit den weiteren Vorteilen einer modularen
Anlage, wie beispielsweise Skalierbarkeit, ist
nur zu erreichen, wenn:
die Module in ihrer verfahrenstechnischen Funktion
mindestens die geforderten Vorgaben der Anlage
erfüllen,
die Modulhersteller notwendige Anpassungen an
sicherheits-, produkt-, und umweltspezifische Besonderheiten
ihrer Kunden durch automatisierte
Engineering-Workflows, Baureihenkonzepte und
Variantenmanagement effizient bedienen können,
die Kombination einer Anlage aus Modulen, beziehungsweise
die Integration eines Moduls in eine
bestehende Anlage durch geeignete Beschreibungsmittel,
Methoden und Werkzeuge, wesentlich
schneller erfolgen kann, als bei Planung und Bau
einer konventionellen Anlage
und schließlich die Modulhersteller aufgrund der
größeren Verantwortung für den verfahrenstech-
atp edition
11 / 2014
35
HAUPTBEITRAG
nischen Prozess ihre Module als hybride Leistungsbündel,
also als eine Kombination von Sach- und
Dienstleistung über den gesamten Lebenszyklus,
anbieten können [3, 4].
Neben der räumlichen, mechanischen und elektrotechnischen
Integration ist dafür insbesondere eine Integration
der Leittechnik erforderlich [4], die die vertikale
Kommunikation zwischen Modul und übergeordneten
Informationssystemen und die horizontale Kommunikation
zwischen den Modulen ermöglicht [5].
Für den vertikalen Zugriff eines übergeordneten Leitsystems
auf die Module definiert die Namur-Empfehlung
NE 148 [6] drei Varianten: Variante 1 bezieht sich
auf Module, die keine differenzierten Funktionsschritte
benötigen. Sie erfordern daher nur eine Funktionsauslösung,
verbunden mit der zugehörigen Parametrierung.
Komplexere Module mit einzelnen Funktionsschritten,
Variante 2 und 3, brauchen für eine optimale
Einbindung den Zugriff auf die einzelnen Funktionen
innerhalb der Module.
Weiterhin müssen technologische und organisatorische
Voraussetzungen geschaffen werden, damit die
Engineeringabläufe so umgestaltet werden können,
dass der Engineeringaufwand während der Integration
eines Moduls in eine Anlage minimiert wird. Das
bedeutet, dass ein Großteil des Engineerings durch
den Lieferanten des Moduls bereits vorweggenommen
wird und das Modul sich an den Schnittstellen für
die Integration geeignet informationstechnisch repräsentiert,
sowohl offline beim Engineering als auch
online im Betrieb.
Die Integration in das Engineering bedingt eine digitale
Beschreibung des Moduls, basierend auf einer Standardmethodik.
Diese kann und sollte sich an bestehende
Technologien anlehnen, muss jedoch die Besonderheiten
verfahrenstechnischer Module berücksichtigen.
[6] definiert die zu beschreibenden notwendigen Eigenschaften
eines Moduls wie folgt
Verfahrenstechnische Funktionen
Automatisierungstechnische Verriegelungen
Bedienbilder (HMI)
Diagnosedaten
Alarmierungsfunktionen
Prozesswerte
Asset-Management-Parameter
Information zur Generierung eines Betriebsdatenerfassung-Systems
(BDE)
Soll das Modul in ein System integriert werden, bedarf
es einer digitalen Modellierung dieser Eigenschaften.
Das Format der Modulbeschreibung sollte, wie die
Kommunikationsprotokolle, offen verwendbar und keine
proprietäre Lösung sein. Nur so lässt sich sicherstellen,
dass die Information effizient im Integrationsengineering
verwendet werden kann.
2. KONZEPT
Eine zentrale Herausforderung der Modularisierung ist,
das Engineering, das heißt Planung und Aufbau beziehungsweise
Umbau modularer verfahrenstechnischer
Produktionsanlagen, möglichst schnell und kostengünstig
zu realisieren. Diese Aktivitäten stellen erhebliche
Anforderungen, speziell an das Automatisierungssystem
einer modularen Anlage. Für etablierte Prozessleitsysteme
lässt sich feststellen, dass diese für ein verteiltes
Engineering und den flexiblen Betrieb modularer
Anlagen nicht gut vorbereitet sind [7].
Um die fehlenden Fähigkeiten zu benennen und
Lücken aufzeigen zu können, müssen die zu erfüllenden
Aufgaben im Kontext des Engineerings modularer
Anlagen betrachtet werden. In dem F&E-Projekt
Dezentrale Intelligenz für Modulare Anlagen (Dima)
der Firma Wago mit der Technischen Universität
Dresden und der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
wurde eine Methodik für das Engineering des
Automatisierungssystems modularer verfahrenstechnischer
Produktionsanlagen erarbeitet. Diese wurde
prototypisch in das Wago-Engineering-Werkzeug
e!Cockpit implementiert.
Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur
ist es, den Aufwand zu minimieren, der während der
Integration eines Moduls in die Anlage anfällt. Dies
kann durch Verlagerung geeigneter aufwanderzeugender
Aktivitäten, zum Beispiel Auswahl und Auslegungsentscheidung,
in das Engineering des Modulherstellers
erreicht werden. Werden Aktivitäten aus
dem Anlagenengineering in das Modulengineering
verlegt, zerlegt sich der ursprüngliche Engineeringprozess
in zwei voneinander getrennte Engineeringprozesse:
einen in Verantwortung des Modulherstellers
und einen in Verantwortung des Anlagenbetreibers.
Es ist des Weiteren anzunehmen, dass die Höhe
der verlagerungsfähigen Engineeringaufwände mit
zunehmender Intelligenz des Moduls zunimmt. Intelligenz
wird im Beitrag, in Anlehnung an [8] als die
Fähigkeit eines Moduls definiert, seinen inneren Zustand
zu erkennen und in Grenzen zu beherrschen
und damit seine Integrität zu schützen, sowie die Fähigkeit,
seinen Zustand nach außen zu kommunizieren,
soweit gewünscht und erforderlich für einen Betrieb
im Verbund mit anderen. Dies gilt insbesondere
als Abgrenzungsmerkmal zu Modulen, die mit einem
nichtprogrammierbaren Automatisierungssystem
(zum Beispiel Remote I/O) ausgestattet sind. Denkbar
sind darüber hinaus Ansätze, bei denen Module über
eine eigene Beschreibung verfügen und so die Integration
unterstützen können [9]. Der Schwerpunkt liegt
hier weniger in der Übertragung der Daten als in der
geeigneten Modellierung der Information. Ein Modul
ist somit, ähnlich der bereits formulierten Modulvariante
2 beziehungsweise 3 der NE 148 [6], mit dezentraler
Intelligenz ausgestattet.
36
atp edition
11 / 2014
In Analogie zur physikalischen Modularisierung [10]
entspricht die funktionsgerichtete Modularisierung
einem dienstbasierten Ansatz. Dabei stellt ein Modul
seine verfahrenstechnische Funktion als Dienstleistung
einem übergeordneten Prozessleitsystem zur Verfügung.
Der vom Modul angebotene Dienst kann nach
Integration vom Prozessleitsystem abgerufen werden.
Dazu muss ein Modul folgende Grundfunktionalitäten
des Prozessleitsystems unterstützen:
Bedienen und Beobachten (BuB)
Melden und Protokolieren
Steuern und Überwachen
Zur Erfüllung dieser Funktionalität müssen während
des Integrationsengineerings folgende Aspekte und
Aufgaben realisiert werden:
Netzwerkengineering – mit dem Ziel der
Abbildung des physikalischen Kommunikationssystems
und Ermöglichen der Parametrierung
Realisierung von Teilen der Koordinierungs- und
Prozedursteuerung zum zeitgerechten Abrufen und
Überwachen (Orchestrierung) der Moduldienste
HMI-Engineering zur Realisierung der Bedienund
Beobachten-Funktionalität
Wie bereits erläutert, sind die Engineeringprozesse von
Modulhersteller und Anwender voneinander entkoppelt,
siehe Bild 1.
Unabhängig vom Engineering der Gesamtanlage
führt der Hersteller des Moduls das Modulengineering
durch. Dies umfasst unter anderem das Erstellen und
Laden des lauffähigen Softwarecodes der Modulsteuerung.
Zur Übertragung der zur Integration notwendigen
Ergebnisse des Modulengineerings werden diese in
einem Informationsträger gespeichert und dieser veröffentlicht.
Die benötigte Information wird so während
des Integrationsengineerings abrufbar und verwendbar.
Struktur und Inhalt dieses Informationsträgers
werden vertiefend in Abschnitt 3 betrachtet.
Durch Kombination mehrerer Module in einer Anlage
entsteht die Notwendigkeit, die Dienste der angeschlossenen
Module in eine für die Produktion des
gewünschten Produktes erforderliche geordnete Folge
zu bringen. So muss zum Beispiel bei einem kontinuierlich
betriebenen Reaktionsprozess das Anfahren des
Reaktors mit dem Vorlegen der Ausgangsprodukte abgestimmt
werden. Da diese zusätzliche Orchestrierungsfunktion
erst durch Kombination verschiedener
Module notwendig wird, muss dies von einer noch
während des Integrationsengineerings zugänglichen
Automatisierungsinstanz, zum Beispiel dem überge-
BILD 1: Engineeringprozess
einer modularen Anlage mit
dezentraler Intelligenz
atp edition
11 / 2014
37
HAUPTBEITRAG
ordneten Leitsystem, übernommen werden. Um die
Dienste modulübergreifend orchestrieren zu können,
ist die Kenntnis der aktuellen Zustände der Module,
beispielsweise startend, laufend, gestoppt, notwendig.
Diese Information wird durch die dezentrale Intelligenz
eines jeden Moduls ermittelt und über eine Kommunikationsschnittstelle
zugänglich gemacht. Die
Definition der Zustände muss hersteller- und modulunabhängig
und somit einheitlich über alle Module
hinweg geschehen. Bild 2 zeigt eine Definition von
Zuständen und legt die Bedingungen der möglichen
Zustandsübergänge fest.
Die Orchestrierung der Dienste entspricht einer Prozedursteuerung
gemäß DIN EN 61512. Diese bestimmt,
dass „Aktionen in einer geordneten Folge stattfinden,
damit eine prozessorientierte Aufgabe durchgeführt
wird“ [11]. Um die Orchestrierungsfunktionalitäten zu
realisieren, bringen heutige Batch-Werkzeuge mit der
Umsetzung der DIN EN 61512-Definitionen alle erforderlichen
Voraussetzungen mit, unabhängig davon, ob
der zu steuernde Produktionsprozess kontinuierlicher
oder diskreter Natur ist [12, 13].
Unabhängig vom Charakteristikum des Prozesses
werden in modularen Anlagen modulübergreifende
Verriegelungen und Regelungen benötigt. Diese stellen
hohe Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit. Da die
Steuerungen der Module vom Modulhersteller programmiert,
die Regelungs- und Verriegelungsbedingungen
aber erst während der Auswahl und Integration
der Module spezifiziert werden, wird eine weitere
Steuerung benötigt. Durch die herausgehobene Aufgabe
dieser Steuerung wird sie, in Anlehnung an die
Fertigungsautomatisierung, Kopfsteuerung genannt.
Das Programm dieser Steuerung überwacht die modulübergreifenden
Verriegelungen, koordiniert die
Datenweiterleitung für modulübergreifende Regelungen
und stellt darüber hinaus das anlagenweite
Notauskonzept sicher.
Der Erfordernis nach einer Bedien- und Beobachtbarkeit
des über mehrere Module verteilten Prozesses wird
mit der Nutzung eines Scada-Systems (als Teil eines
PLS oder als Stand-alone-System) entsprochen. Die zentrale
Herausforderung ist die Realisierung des nach [6]
formulierten einheitlichen Look-and-feel einer modularen
Anlage.
Das Bedienbild eines Moduls wird durch den Modulhersteller
angefertigt. Dieser kennt die in industriellen
Anlagenprojekten meist projektspezifisch verwendete
Bedienbildbibliothek des übergeordneten
Systems zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Die
Generierung des modulspezifischen Bedienbildes im
Leitsystem der Gesamtanlage kann somit erst während
des Gesamtanlagenengineerings erfolgen, da zu diesem
Zeitpunkt die Bedienbildbibliothek einheitlich festgelegt
wird. Zur Umsetzung der modulspezifischen Bedienbilder
in solche mit projekteinheitlichen Bedienbildelementen
müssen die Bedienbilder in einer darstellungsunabhängigen
Beschreibungsform vorliegen.
Die Layout- und die Rolleninformation sind dann
durch einen Algorithmus zugänglich, der die projektabhängigen
Bedienbildelemente in gewünschter Darstellung
und Lage auf das Bedienbild setzt und mit den
Daten der Module verknüpft [14].
Für die datentechnische Verknüpfung eines
Bedien bildelements mit den Variablen des Softwarecodes
der Modulsteuerung muss ebenfalls ein zuvor
abgestimmter Informationsraum vorliegen. Dazu arbeitet
der Namur-AK 1.12 aktuell an einer Bibliothek
mit dem Ziel, die darzustellende Information hinter
einem Bedienbildelement durch eine harmonisierte
eindeutige Merkmalskennung zu annotieren, um in
allen beteiligten Automatisierungssystemen den gleichen
Inhalt abzubilden.
Die Information, die im Modulengineering erarbeitet
und während des Gesamtanlagenengineerings benötigt
wird, wird in einem instanzspezifischen Informationsträger
abgelegt. Mit Hilfe dieses Informationsträgers
lässt sich dann das Zielsystem entsprechend konfigurieren,
siehe Bild 3. Da während des Modulengineerings
noch keine Kenntnis über das übergeordnete
Prozessleitsystem der Gesamtanlage besteht, muss während
des Gesamtanlagenengineerings eine Übersetzung
in das zielsystemspezifische Datenformat erfolgen. Dies
übernehmen Schnittstellen, die im Beispiel im Wago-
Engineeringwerkzeug e!Cockpit hinterlegt sind.
3. MTP ALS BESCHREIBUNG VON MODULEN
Die in heutigen Anlagen eingesetzten Geräte und Apparaturen
werden zunehmend komplexer [15]. Das
Funktionsspektrum der Geräte kann zum Teil nachträglich
durch zusätzliche Bedienelemente verändert
und die dazu notwendigen Parameter übermittelt werden
[15]. Die Information, die für die Konfiguration der
Geräte und die im Produktionsbetrieb erforderliche
Echtzeitkommunikation notwendig ist, wird mit Gerätebeschreibungsdateien
realisiert. Eine Gerätebeschreibung
ist eine „[...] im Kontext eines Leitsystems
gehaltene Integrationskomponente, die das Verhalten
eines Feldgerätetyps in Betrieb und Konfiguration beschreibt
und somit das Feldgerät repräsentiert“ [16].
Die Spanne reicht von textbasierten Beschreibungen
(GSD, DD, EDD) bis hin zu softwarebasierten Artefakten
wie FDT/DTM und Mischformen (zum Beispiel
FDI Device Package).
Ein Modul besteht aus mehreren Geräten. Im Unterschied
zu nicht-modularen Anlagen ist es hier nicht
notwendig, die Geräte in ein Prozessleitsystem zu integrieren.
Bei modularen Anlagen kann, durch Einsatz
von dezentraler Intelligenz, die wunschgemäße Integration
der Geräte, einschließlich der gesamten Konfiguration
und Parametrierung, auf Ebene des Moduls
geschehen, vergleiche Abschnitt 2. Die Modulsteue-
38
atp edition
11 / 2014
BILD 2: Zustände
und Zustandsübergangsmodell
gemäß
DIN EN 61512-1
BILD 3: Dima-Architektur mit Konfigurations- (offline)
und Produktionskommunikation (online)
rung wird damit befähigt, mit den Geräten direkt zu
kommunizieren.
Durch die Kombination mehrerer Geräte im Modul
entstehen zusätzliche Funktionen (Emergenz). So kann
durch Kombination eines Behälters mit Einlass- und
Auslassventilen und einer Rühreinrichtung die Funktion
Vermischen realisiert werden. Diese muss, um eine
wunschgemäße Ausführung zu sichern, parametriert
werden, und die Ausführung der Funktion muss überwacht
werden. Dies übernimmt das übergeordnete Prozessleitsystem
der Anlage. Dazu muss, in Analogie zur
Geräteintegration, das Fähigkeitsprofil des Moduls in
das Prozessleitsystem integriert werden. Dies umfasst
zum einen die Beschreibung des Bearbeitungsverfahrens,
wie zum Beispiel Temperieren oder Vermischen
und zusätzliche Attribute, die zur genaueren Spezifizierung
und damit zur wunschgemäßen Ausführung
dienen. Zum anderen enthält die Beschreibung einen
Zugang zum Zustandsmodell, das zur Überwachung
des Moduls dient und eine Möglichkeit zur Einflussnahme
eines Bedieners der Anlage beinhaltet. Letzteres
wird mit Hilfe von HMI-Funktionalitäten umgesetzt.
Was unterscheidet nun Beschreibungsmodelle komplexer
Feldgeräte vom Beschreibungsmodell eines Moduls?
Untersuchungen zeigen, dass die zu übermittelnden
Informationsinhalte ähnlich sind [17]. Auch der
Zeitpunkt im Lebenszyklus einer modularen Anlage,
zu dem die Beschreibungsmodelle genutzt werden, ist
identisch. In Anlehnung an [16] und [6] entsprechen sie
folgenden Phasen:
Engineering
Inbetriebnahme
Anlagenerweiterung/Numbering-up durch
baugleiche Module
Gerätetausch/Modultausch
Fehlerbehebung
Funktionserweiterung zusätzliches Modul
Vorausschauende Wartung
Wie in Abschnitt 2 ausgeführt, wird im Projekt Dima die
Überwachungs- und Parametrierfunktionalität als Teil
der Prozedur- und Koordinierungssteuerung durch ein
Batch-System und die Bedien- und Beobachtungsfunktionalität
durch ein Scada-System verrichtet. In diese Systeme
müssen die Funktionsbeschreibungen der Module
integriert werden. Die zur Integration erforderliche Information
liegt außerhalb des Anwendungsbereichs von
Gerätebeschreibungsdateien [17]. Aus diesem Grund ist
es nötig, bestehende Geräteintegrationskonzepte um diese
Anteile zu erweitern. Das Ergebnis dieser Erweiterung
wird Module Type Package (MTP) genannt. In diesem
Modulbeschreibungsmodell wird die notwendige Information
zur anwenderunabhängigen Integration in ein
atp edition
11 / 2014
39
HAUPTBEITRAG
Scada- und Batch-System abgelegt. Dies umfasst bei Nutzung
der OPC-Technologie folgende Information:
Generische und zielsystemunabhängige Beschreibung
des Modulbedienbildes
Bedienbildelemente mit vereinheitlichter Schnittstelle
und Beschreibung des darzustellenden Informationsumfangs
OPC-Tag-Bezeichnungen der Bedienbildelemente
Veröffentlichte Dienste mit vereinheitlichter
Schnittstelle gemäß Zustandsmodell der
DIN EN 61512
OPC-Server-Bezeichnungen und OPC-Tag-Bezeichnungen
der Dienstparameter
Bei der Realisierung eines solchen Informationsträgers
bestehen mehrere Randbedingungen. Zum einen gibt
es technische Anforderungen. Hier gilt es vor allem,
die bereits formulierten Integrationsbereiche geschickt
zu modellieren [17, 18]. Neben der formalen Beschreibung
des Informationsträgers liegt ein weiterer Schwerpunkt
auf der Integrationstechnik, mit der Information
in das Prozessleitsystem eingebracht werden kann. Eine
Schnittstelle, die das Einlesen eines Informationsträgers
in jedes Prozessleitsystem ermöglicht, ist derzeit
nicht vorhanden. Die Standardisierung einer solchen
ist mit großem Aufwand und langen Entwicklungszeiten
verbunden. Der im Beitrag gewählte Ansatz ermöglicht
aus diesem Grund die flexible Anpassung der
Schnittstelle an das ausgewählte Prozessleitsystem,
beziehungsweise dessen gewünschte Funktionalität.
Der dabei entstehende Anpassungsaufwand liegt hierbei
beim jeweiligen Integrationswerkzeug (e!Cockpit).
Den Autoren ist bewusst, dass der Aufbau des MTP
zum jetzigen Zeitpunkt proprietär ist. Er gilt als erster
Vorstoß und stellt eine Basis für zukünftige Standardisierungsbemühungen
dar.
4. PROTOTYPISCHE IMPLEMENTIERUNG
Der vorgestellte Ansatz basiert auf zwei voneinander
losgelösten Engineeringprozessen: Der Modullieferant
projektiert und veröffentlicht einzelne Module, der Anlagenbetreiber
nutzt die jeweiligen Modulbeschreibungen
im Integrationsengineering und projektiert die
Gesamtanlage. Beide Engineeringprozesse und der Datenaustausch
zwischen ihnen wurden im Rahmen des
Projektes Dima prototypisch in das e!Cockpit integriert.
Die Integration erfolgte beispielhaft am Scada-System
WinCC von Siemens und Batch-System Proficy-Batch
von General Electric.
BILD 4:
Wesentliche
Phasen des Modulengineerings
(1-3)
und das Kapseln
der Information
in einem MTP (4).
40
atp edition
11 / 2014
Das Modulengineering gliedert sich dabei im Wesentlichen
in vier Phasen, siehe Bild 4:
1 | Konfiguration und Parametrierung der Automation:
Hier profitiert das Engineering von Daten
vorgelagerter Softwarewerkzeuge. So können
beispielsweise Stationsaufbauten, Anschlussidentifikationen,
Adresszuordnungen sowie Variablenbezeichnungen,
wie Temperatur, aus Planungswerkzeugen,
zum Beispiel Eplan, übernommen
werden. Das Bild zeigt einen konfigurierten
Knoten.
2 | Applikationsentwicklung: Auf Basis der importierten
Daten werden automatisch eine Programmhierarchie
und Variablenlisten erzeugt. Diese verwendet
der Benutzer zur Programmierung einzelner
Funktionen und Dienste des Moduls.
3 | Bedienoberflächen erstellen: Ergänzend zu den
Programmen werden Oberflächen zum Bedienen
& Beobachten erarbeitet.
4 | Modulkonfiguration: Nach Fertigstellung des
Modul-Engineerings wird ein MTP generiert.
Dazu beschreibt der Benutzer die Metadaten, wie
Hersteller, Version, Bild, Funktionsweise, konfiguriert
die nach außen sichtbaren Dienste des
Moduls, beispielsweise Temperieren, die entsprechenden
Oberflächen und deren Kommunikationseinstellungen.
Mit Abschluss des Modulengineerings liegt mit dem
MTP ein Informationsträger vor, der sich in jede
e!Cockpit-Instanz installieren lässt – das Modul steht
damit im Produktkatalog zur Nutzung bereit.
Bild 5 zeigt das Integrations-Engineering in der Übersicht:
1 | Die einzelnen Komponenten der Anlage (Module,
Kopfsteuerung, Leitsystemrepräsentanten) werden
aus dem Produktkatalog in die Netzwerksicht
überführt und dort als Quadrat dargestellt.
2 | Einzelne Repräsentanten und deren Kommunikationsbeziehungen
werden konfiguriert: So werden
unter anderem die Kommunikation (im Beispiel
OPC-Server), die bereitgestellten Daten und die
Adressbereiche von einer Kopfsteuerung zum
Batch-System definiert.
Die prototypische Implementierung in e!Cockpit ermöglicht
ein durchgängiges Modul- und Integrationsengineering.
Es untermauert an einem praktischen
Beispiel, dass beide Engineeringprozesse losgelöst voneinander
durchführbar sind und dass sich ein MTP als
Informationsträger eignet.
BILD 5: Wesentliche Phasen des Integrationsengineerings:
Überführen einzelner Module,
einer Kopfsteuerung sowie der Leitsystemrepräsentanten
aus dem Produktkatalog in das
Integrationsprojekt (1). Projektieren der einzelnen
Komponenten am Beispiel von Proficy Batch (2).
atp edition
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41
HAUPTBEITRAG
ZUSAMMENFASSUNG
Die NE 148 formuliert zahlreiche Anforderungen an
die Automatisierung modularer Prozessanlagen. Im
Beitrag wird ein Konzept mit Lösungsansätzen zur Umsetzung
der NE-148-Anforderungen präsentiert. Dabei
wurden die technischen und die organisatorischen
Aspekte des Engineerings betrachtet.
Grundgedanke einer modularen Anlagenarchitektur
ist die Minimierung des Aufwands während der Integration
eines Moduls in die Anlage. Dies lässt sich durch
Verlagerung von Aufwand in das Engineering des Modullieferanten
erreichen. Der Leitsatz der dezentralen
Intelligenz für modulare Anlagen beinhaltet eine Modul-
definition, die diese zeitliche Vorverlagerung erlaubt. Die
Module werden dadurch befähigt, die Basisautomatisierung
und Teile der Prozedur- und Koordinierungssteuerung
der Gesamtanlage zu übernehmen. Die intendierten
verfahrenstechnischen Funktionen der Module werden
dem übergeordneten Prozessleitsystem durch Dienste zur
Verfügung gestellt. Im Prozessleitsystem müssen die
Dienste in einer geordneten Weise abgerufen und die
Ausführung überwacht, bedient und beobachtet werden.
Heutige Batch-Systeme ermöglichen diese Orchestrierungsfunktion
und werden über eine offene
Schnittstelle aus dem Wago-Engineering angepasst. Ein
Scada-System (als Teil eines PLS oder als Stand-alone-
System) realisiert die Bedien- und Beachtungsfunktio-
AUTOREN
Dipl.-Ing. THOMAS HOLM (geb. 1979) ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Professur für Automatisierungstechnik
der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr
Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im effizienten
Engineering von Automatisierungssystemen flexibler
Produktionsanlagen.
Institut für Automatisierungstechnik,
Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg,
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,
Tel. +49 (0) 40 65 41 33 27, E-Mail: thomas.holm@hsu-hh.de
Dipl. Ing. MICHAEL OBST (geb. 1985) ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Professur für Prozessleittechnik an der
Technischen Universität Dresden mit den Schwerpunkten:
InformationsmodelIierung, Unterstützungssysteme für
modulares Anlagenengineering und fallbasiertes Schließen.
Institut für Automatisierungstechnik,
Technische Universität Dresden, D-01062 Dresden,
Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62, E-Mail: michael.obst@tu-dresden.de
Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER FAY (geb. 1970) ist Professor für
Automatisierungstechnik an der Fakultät für Maschinenbau
der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr
Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt sind Beschreibungsmittel,
Methoden und Werkzeuge für einen effizienten
Entwurf von Automatisierungssystemen.
Institut für Automatisierungstechnik,
Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg,
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,
Tel. +49 (0) 40 65 41 27 19, E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de
Prof. Dr.-Ing. LEON URBAS (geb. 1965) ist Inhaber der
Professur für Prozessleittechnik an der Technischen
Universität Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete beim
Engineering verteilter sicherheitskritischer Systeme
sind Funktionsintegration, modellgetriebenes
Engineering, Modularisierung, Informationsmodelle
der Prozessindustrie und Middleware in der Automatisierungstechnik.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet
die Gebrauchstauglichkeit von mobilen Informationssystemen
für die Prozessindustrie, Analyse, Gestaltung
und Bewertung von Alarmierungs- und Unterstützungssystemen
sowie Methoden der Benutzermodellierung
zur prospektiven Gestaltung von
Mensch-Technik-Interaktion.
Institut für Automatisierungstechnik,
Technische Universität Dresden, D-01062 Dresden,
Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,
E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de
Dr. rer. nat. THOMAS ALBERS (geb. 1963) ist Technischer
Leiter Automation der Wago Kontakttechnik
GmbH & Co. KG. Nach seinem Studium der Diplomphysik
mit anschließender Promotion war er Entwicklungsleiter
bei Specs in Berlin, anschließend
Entwicklungsleiter bei Baumüller Nürnberg Electronic
und ist heute verantwortlich für Entwicklung,
Produktmanagement und Marketing der Automatisierungsprodukte
bei Wago.
Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,
Hansastraße 27, D-32423 Minden,
Tel. +49 (0) 571 88 71 32,
E-Mail: thomas.albers@wago.com
42
atp edition
11 / 2014
nalität. Für ein einheitliches Look-and-feel der Bedienoberflächen
bedarf es dabei einer systemunabhängigen
Beschreibung des HMI. Über eine offene Kommunikationsschnittstelle
können die Bedienbilder durch
e!Cockpit in das Scada-System integriert werden.
Die aufgezeigten Lösungsansätze lassen sich nur realisieren,
wenn die Werkzeuge der PLS-Ebene über offene
Schnittstellen verfügen. Hier sind Interessengemeinschaften
und Verbände, wie Namur und GMA,
gefordert, die Hersteller von Prozessleitsystemen in die
Pflicht zu nehmen.
MANUSKRIPTEINGANG
13.08.2014
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
Dr.-Ing. SVEN KREFT (geb. 1982) studierte
Naturwissenschaftliche Informatik mit der
Fachrichtung Robotik an der Universität
Bielefeld. Anschließend war er als wissenschaftlicher
Mitarbeiter in der Fachgruppe
Produktentstehung am Heinz Nixdorf Institut
der Universität Paderborn beschäftigt.
Er promovierte 2012 mit einem Beitrag
zur effizienten Bildung geospezifischer
Umgebungsmodelle für interaktive Fahrsimulationen.
Heute ist er Software-
Produktmanager bei Wago Kontakttechnik.
Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,
Hansastraße 27, D-32423 Minden,
Tel. +49 (0) 571 88 77 76 86,
E-Mail: sven.kreft@wago.com
Dipl.-Ing. ULRICH HEMPEN (geb. 1964) ist
Leiter des internationalen Key Account und
Branchenmanagements für die Prozess-,
Fertigungs-, Transport- und Schiffsindustrie
der Wago Kontakttechnik. Nach seinem
Studium der Elektrotechnik war er zunächst
verantwortlicher Produktmanager für
intelligente Feldgeräte bei Hartmann & Braun,
Bereichsleiter für Systemtechnik bei
Endress+Hauser und geschäftsführender
Gesellschafter von Endler & Kumpf.
Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG,
Hansastraße 27, D-32423 Minden,
Tel. + 49 (0) 571 88 73 80,
E-Mail: ulrich.hempen@wago.com
REFERENZEN
[1] Urbas, L.; Bleuel, S.; Jäger, T.; Schmitz, S.; Evertz, L.; Nekolla, T.:
Automatisierung von Prozessmodulen. Von Package-Unit-Integration
zu modularen Anlagen. atp edition – Automatisierungstechnische
Praxis 54(1-2), S. 44-53, 2012
[2] Lier, St.: Entwicklung einer Bewertungsmethode für die
Modularisierung von Produktionssystemen in der Chemieindustrie.
Dissertation Ruhr-Universität Bochum, 2013
[3] Meier, H., Uhlmann, E.: Hybride Leistungsbündel – ein neues
Produktverständnis. In: Meier, H., Uhlmann, E. (Hrsg.) Integrierte
Industrielle Sach- und Dienstleistungen, S. 1-21. Springer 2012
[4] Obst, M.; Holm, T.; Bleuel, S.; Claussnitzer, U. ; Evertz, L.; Jäger, T.;
Nekolla, T.; Pech, S.; Schmitz, S.; Urbas, L.: Automatisierung im Life
Cycle modularer Anlagen. atp edition – Automatisierungstechnische
Praxis 55(1-2), S. 24-31, 2013
[5] Fay, A.; Drumm, O.; Eckardt, R.; Gutermuth, G.; Krumsiek, D.; Löwen,
U.; Schertl, A.; Schindler, T.; Schröck, S.: Anforderungen an Leitsysteme
durch Industrie 4.0. In: Tagungsband Automation 2014, [CD].
VDI, 2014
[6] NE 148: Anforderungen an die Automatisierungstechnik durch die
Modularisierung verfahrenstechnischer Anlagen. Namur 2013
[7] Urbas, L.: Zentrales Leitsystem ja oder nein?. process-online:
http://www.process.vogel.de/automatisierung_prozessleittechnik/
articles/451796/?cmp=nl-98; zuletzt: 21.07.2014
[8] Stern, W.: Allgemeine Psychologie auf personalitischer Grundlage.
Haag: Martinus Nijhof 1935
[9] Kainz., G; Keddis, N., Pensky, D., Buckl, Ch., Zoitl, A., Pittschellis, R.,
Kärcher, B. AutoPnP – Plug-and-produce in der Automation.
Wandelbare Fabrik als cyber-physisches System atp edition –
Auto matisierungstechnische Praxis 55(4), S. 42-49, 2013
[10] Hady, Łukasz; Wozny, Günter: Multikriterielle Aspekte der Modularisierung
bei der Planung verfahrenstechnischer Anlagen. Chemie
Ingenieur Technik 84 (5), S. 597–614, 2012. DOI: 10.1002/cite.201100175
[11] DIN EN 61512-1: Chargenorientierte Fahrweise. Beuth 2010
[12] Brandl, D.: Design patterns for flexible manufacturing. ISA 2007
[13] Hawkins, W.; Brandl, D.: Applying ISA-88 in discrete and continuous
manufacturing. Momentum Press, 2010
[14] Urbas, L.; Doherr, F.: autoHMI: a model driven software engineering
approach for HMIs in process industries. In: Proc. IEEE Int. Conf.
Computer Science and Automation Engineering, S. 627-631. IEEE 2011
[15] Greifender, J.; Schulz, D.; Rodriguez, P.: Standardprofile für elektrische
Geräte. Ein IEC 61131-Funktionsbausteinkonzept. atp edition –
Auto matisierungstechnische Praxis 55(9), S. 34-43, 2013
[16] Gredy, G.; Hähniche, J.; Brcic, M.: Konfigurationsmanagement
im Anlagenlebenszyklus. Effiziente Versionsverwaltung von
Kom ponenten. atp edition – Automatisierungstechnische Praxis 55(10),
S. 30-36, 2013
[17] Obst, M.; Hahn, A.; Urbas, L.: Package-Unit-Integration in der
Prozessindustrie. Was fehlt für Plug-and-produce? atp edition –
Automatisierungstechnische Praxis 56(1-2), S. 56-66, 2014
[18] Obst, M.; Runde, S.; Wolf, G.; Urbas, L.: Integration Requirements of
Package Units - A Description Approach with FDI. In: Proc. 18th int.
IEEE Conf. Emerging Technologies & Factory Automation (ETFA 2013).
IEEE, 2013. DOI:10.1109/ETFA.2013.6647974
atp edition
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43
HAUPTBEITRAG
Kommunikation mit
AutomationML beschreiben
Formale Modellierung industrieller Kommunikationssysteme
Kommunikationssysteme sind integraler Bestandteil moderner Steuerungssysteme,
da sie die von den Steuerungssystemen genutzten Peripheriegeräte miteinander verbinden.
Die Planung von Produktionssystemen und den in sie eingebetteten Steuerungssystemen
muss Kommunikationssysteme detailliert berücksichtigen. In jeder
Phase des Entwurfs entstehen relevante Daten für den Entwurf des Kommunikationssystems,
die in späteren Phasen benötigt werden. Die Weitergabe dieser Planungsinformation
im Lebenszyklus des Produktionssystems zwischen den Werkzeugen
bildet noch heute ein technisches Problem. Es steht kein passendes Datenaustauschformat
zur Verfügung, das eine konsistente und verlustfreie Informationsweitergabe
zwischen Entwurfswerkzeugen ermöglicht. Im Rahmen des
AutomationML e.V. wurde eine Methode entwickelt, Kommunikationssysteme auf
Basis des Datenaustauschformats darzustellen, ausgehend von formalen Modellen.
Die Methode wird in diesem Beitrag vorgestellt.
SCHLAGWÖRTER AutomationML / Engineering / Modellierung / Austauschformat /
Kommunikationssysteme
Modelling of Industrial Communication Systems with AutomationML –
Formal Modelling of Industrial Communication Systems
Communication systems are an integral part of modern control systems as they form
the backbone of the communication between automation devices. The engineering
of production systems and the integrated control systems has to take into account
the details of the communication system. In each phase of the development process,
engineering data is generated which is required in subsequent phases. However, the
transfer of planning information through the life cycle of the production system is
still a problem. Data exchange is not supported by any neutral data format which
would enable the consistent and loss-free transfer of information engineering tools.
A method is presented here for the modelling of communication systems based on
AutomationML, developed by the AutomationML e.V.
KEYWORDS AutomationML / engineering / modelling / data exchange format /
communication systemss
44
atp edition
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MATTHIAS RIEDL, Institut für Automation und Kommunikation
ARNDT LÜDER, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
BENNO HEINES, Phoenix Contact Electronics
RAINER DRATH, ABB Forschungszentrum
Das Rückgrat des Informationsaustauschs zwischen
den Automatisierungsgeräten in digitalen
Produktionssystemen bilden industrielle Kommunikationssysteme.
Die Kommunikationssysteme
müssen bei der Planung der Produktionssysteme
auf den Bedarf des Nachrichtenaustauschs abgestimmt
werden, um die wesentlichen Zielsetzungen – die
Zusicherung des Datenaustauschs und eine optimale
Ausnutzung der Bandbreite – zu erreichen. Die Planungsdaten
beeinflussen damit entscheidend die Betriebsphase
des Produktionssystems. Daneben werden beispielsweise
die Planungsdaten für die Simulation des Gesamtsystems
im Rahmen der virtuellen Inbetriebnahme oder für Diagnosezwecke
herangezogen.
Nachteilig ist die momentan nicht einheitliche Behandlung
der Planungsdaten. Gründe hierfür sind Einflüsse
der herstellerspezifischen Engineeringwerkzeuge beziehungsweise
Unterschiede der betrachteten industriellen
Kommunikationssysteme. Der Beitrag behandelt die im
Rahmen von AutomationML [1] entstandene Methode für
die Spezifikation eines vereinheitlichten Austauschformats
für die Beschreibung der Planungsdaten von industriellen
Kommunikationssystemen. Die in der Methode
zu berücksichtigende Information wurde mit Hilfe praxisrelevanter
Anwendungsfälle bestimmt. Diese Anwendungsfälle
wurden anschließend in einer Analysephase
genügend abstrahiert, um deren Allgemeingültigkeit zu
erhöhen. In einem dritten Schritt wurden formale Beschreibungen
des Datenhaushalts der beteiligten automatisierungstechnischen
Geräte und der Kommunikationsmöglichkeiten
anhand von UML-Diagrammen erstellt
und konsolidiert. Im Beitrag werden diese UML-Diagramme
als Basis für die Überlegungen genommen, um die
daraus abgeleiteten Abbildungen in das Austauschformat
auf Basis von CAEX gemäß IEC 62424 [2] aufzuzeigen. Es
werden die wichtigsten Modellierungsaspekte von AutomationML
zur Darstellung von Objekten, deren Bedeutung
und deren Beziehungen untereinander in Relation
zum Anwendungsgebiet verdeutlicht.
Die entwickelte Methode zur Abbildung der Planungsdaten
basiert auf der Betrachtung der logischen und physikalischen
Topologie des industriellen Kommunikationssystems
und der daran angeschlossenen Geräte. Im
Ergebnis wurde eine Bibliothek von kommunikationsspezifischen
Rollen spezifiziert, die alle notwendigen semantischen
Objekte für die Beschreibung von Kommunikationssystemen
enthält. Sie beinhaltet Rollen, die für physikalische
Netzwerke, Geräte und Verbindungen sowie
für logische Netzwerke, Geräte und Verbindungen die
entsprechenden Semantiken bereitstellen.
1. MOTIVATION
Für die Modellierung der zuvor genannten Anforderungen
wurde der Ansatz verfolgt, ein zunächst abstraktes
Informationsmodell zu beschreiben, das wichtige Strukturen,
Zustände und Zusammenhänge der Kommunikationsteilnehmer
aus Sicht des gesamten Steuerungssystems
abbildet. Diese Modellierung ist nicht trivial, da die
klassische Industrie automation durch zentrale Strukturen
gekennzeichnet ist, das heißt in der Steuerung werden
zyklisch (zeitgesteuert) alle Sensordaten zusammengeführt,
informationstechnisch verarbeitet und resultierende,
(nötige und berechnete) Stellsignale ausgegeben.
Die Einführung digitaler industrieller Kommunikationssysteme
(Feldbusse, zum Beispiel Profibus, Interbus, Profinet)
hat zu einer Dezentralisierung der Datenvorverarbeitung
der Sensor-/Aktorebene geführt, die Informationsverarbeitung
und Abarbeitung von Regelalgorithmen
erfolgt aber weiterhin überwiegend zentral. Moderne
Feldgeräte (Sensoren und Aktoren) zeichnen sich zunehmend
durch höhere Prozessorleistungen aus, die für mehr
Informations verarbeitung sowie eine rechenintensive
Feld-Kommunikation (Umsetzung der Information auf
Feldbussprotokolle) direkt im Gerät genutzt werden. Dies
ermöglicht eine echte Funktionsverteilung, die künftig
auch azyklisch (ereignisgesteuert) erfolgt, sowie die vertikale
Integration zu betrieblichen Informationsverarbeitungssystemen.
Dadurch entstehen neue Automatisierungsarchitekturen
[10]. All diese Aspekte müssen modelliert
werden und in Beziehung bis hin zur Sichtweise
der Leitebene gesetzt werden, die lediglich eine übergeordnete
Sicht auf die einzelnen Geräte besitzt [3].
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45
HAUPTBEITRAG
Für die Modellierung von Kommunikationssystemen
existieren bereits verschiedene Modellierungsmethoden,
die jedoch meist auf spezifische Eigenschaften der Kommunikationssysteme
fokusiert sind. Beispiele dafür: die
Modellierung von Kommunikationsprotokollen zur Validierung
[12], die Modellierung von Kommunikationsdatenpaketen
zum Onlinemonitoring [13], die formale
Verifikation von Proto kollverhalten [14] und die Modellierung
von Zeitverhalten [15]. Die den Autoren bekannten
Modellierungsmethoden reichen jedoch nicht aus,
alle relevanten Eigen schaften von Kommunikationssystemen
zu beschreiben, wie sie unter anderem in [16,17]
angedeutet sind.
Die Modellierung der in einem Kommunikationssystem
beteiligten Partner und deren auszutauschende
Information wurde zunächst abstrakt und vollkommen
unabhängig von einer späteren konkreten Beschreibungssprache
durchgeführt. Dies diente vor allem
dazu, den Blick nicht durch sprachliche oder impleclass
CommunicationStructure
communicationStructure
InternalElement
logicalTopology
physicalTopology
physicalDevice
BILD 1: Struktur der beschriebenen Aspekte
class LogicalTopology
logicalTopology
1..*
logicalConnection
«Property»
+ logicalConnectionId: xs:ID
+ logicalEndPointIdRefs: xs:IDREFS
1
1..*
1
logicalEndPoint
«Property»
1..* + logicalEndPointId: xs:ID
+ logicalEndPointRole: xs:string
BILD 2: Struktur einer logischen Verbindung
class PhysicalTopology
physicalTopology
1..*
physicalConnection
«Property»
+ physicalConnectionId: xs:ID
+ physicalEndPointIdRefs: xs:IDREFS
physicalEndPoint
«Property»
1..* + physicalEndPointId: xs:ID
+ logicalEndPointRef: xs:IDREF
BILD 3: Struktur einer physischen Verbindung
Komplexer wird diese Thematik, wenn zusätzlich der
Planungs prozess einer Produktionsanlage mit betrachtet
wird. Hier kommen mehrere, unterschiedliche und spezialisierte
Werkzeuge zum Einsatz, die jeweils einen Teilaspekt
des Engineerings abdecken, zum Beispiel Identifikation
von Kommunikationsverbindungen, Entwurf von
Verkabelungsstrukturen, Konfiguration der intelligenten
Feldgeräte, Konfiguration der Feldbussysteme, Integration
der Feldgeräte daten in die Steuerungssysteme und deren
Abbildung auf interne Variablen, die einen symbolischen
Namen erhalten. Die dabei entstehenden Informationsmengen
werden zumeist getrennt gespeichert. Zudem werden
die Relationen zwischen den verschiedenen Daten, die nach
dem Engineering in den beteiligten Automatisierungsgeräten
vorliegen, nach heutigem Stand im Nachgang per Hand
zusammengestellt und gepflegt. Diese verteilte Datenhaltung
und das händische Vorgehen können als ein Grund
für bestehende Fehlerpotenziale im Entwurfsprozess angesehen
werden. Zum Beispiel entstehen Inkonsistenzen
durch Änderungen, die bei der Inbetriebnahme durchgeführt
und in den übergreifenden Dokumenten unzureichend
gepflegt werden. AutomationML kann als Bindeglied
dienen, bei dem die beteiligten Werkzeuge ihre Daten einheitlich
ex- und importieren können und somit ein Datenabgleich
computergestützt vorgenommen werden kann.
So ist es heute zum Beispiel für eine Prozessvariable nicht
möglich, diese durchgängig von der Gerätebeschreibung
für die Kommunikations konfiguration, als Variable einer
speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS), im Inbetriebnahmewerkzeug
und in der Asset-Management-Anwendung
eindeutig maschinenunterstützt zuzuordnen. Der
Ingenieur, der beispielsweise einen Fehler sucht, muss in
verschiedenen Handbüchern oder – wenn vorhanden – im
Dokumentenserver der Produktionsanlage nach den einzelnen
Angaben suchen und mittels seiner Erfahrung die
benötigten Zusammenhänge herstellen. Die Information
über die auszutauschenden Daten und deren Zusammenhänge
wird vor allem in den Phasen der Inbetriebsetzung
und teilweise im Betrieb einer Produktionsanlage benötigt.
2. ABSTRAKTE MODELLIERUNG DER KOMMUNIKATION
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atp edition
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class Device
information
«Property»
+ descriptor: xs:string
+ deviceClassification: xs:NMTOKEN
+ installationManual: int
+ networkConfigurationManual: int
+ productDate: xs:date
+ productId: xs:nonNegativeInteger
+ productName: xs:normalizedString
+ productRevision: xs:normalizedString
+ userManual: int
+ vendor: xs:normalizedString
+ vendorId: xs:nonNegativeInteger
0..*
physicalDevice
- subDeviceNumber: xs:nonNegativeInteger
«Property»
+ IEC81346FunctionReference: xs:normalizedString
+ IEC81346LocationReference: xs:normalizedString
+ IEC81346ProductReference: xs:normalizedString
+ physicalDeviceId: xs:ID
logicalDevice
- deviceConfig: xs:string
0..*
«Property»
+ deviceDescriptionReference: xs:anyURI
+ logicalDeviceId: xs:ID
+ protocol: xs:normalizedString
+ usedPhysicalEndPointIdRef: xs:IDREFS
1
physicalEndPointList
0..*
physicalChannelList
0..*
deviceResource
«Property»
+ resourceId: xs:ID
0..1
networkData
0..1
logicalPortList
1..*
physicalEndPoint
physicalChannel
0..*
variableList
«Property»
+ physicalEndPointId: xs:ID
+ logicalEndPointIdRef: xs:IDREF
«Property»
+ physicalChannelID: xs:ID
1..*
networkDataItem
1..*
logicalEndPoint
«Property»
+ logicalEndPointId: xs:ID
+ logicalEndPointRole: xs:string
0..*
0..*
1..*
variable
«Property»
+ variableId: xs:ID
BILD 4:
Beschreibung des
Automatisierungsgeräts
(Teil 1)
mentierungstechnische Einschränkungen zu verfälschen
und wesentliche Aspekte unberührt zu lassen.
Ausgangspunkt ist das in Bild 1 dargestellte Klassendiagramm,
nach dem die zu beschreibende Information
des Kommunikationssystems in eine logische und eine
physische Topologie aufgeteilt werden kann. Diese Unterscheidung
hat sich in der Praxis zur Beschreibung
von Kommuni kationsnetzen bewährt [8,9] und eröffnet
die Möglichkeit, Ab weichungen der logischen Beziehungen
zwischen Netzwerkteilnehmern und deren
realer Verbindung zu beschreiben.
Die geforderte Verbindung zwischen der auszutauschenden
Information und den Datenpunkten innerhalb
eines Geräts erfolgt in der Beschreibung des physischen
Geräts, das von der konkreten Ausprägung (Steuerung,
Peripheriegerät, Infrastrukturkomponente) erst einmal
abstrahiert. Die Kommunikation in der Automatisierungsanlage
erfolgt heute über Netzwerkgrenzen hinweg,
sodass die Kommunikationsstruktur auch reflexive
Beziehungen zwischen den Netzwerken aufweist.
In Bild 2 wird verdeutlicht, dass aus logischer Sicht
das Kommunikations netzwerk aus einer Auflistung logischer
Verbindungen zwischen Endpunkten besteht,
die die Übermittlung von Daten auf Steuerungsebene
repräsentieren. Mit dem Modell lassen sich alle Arten
von logischen m:n-Beziehungen, wie Master-Slave, Publisher-Subscriber
oder Quelle-Senke ausdrücken. Die
reflexive Beziehung zwischen den logischen Endpunkten
erlaubt dann den Datenaustausch zwischen diesen.
Bild 3 stellt die Zusammenhänge aus physischer
Sicht dar. Das Kommunikationsnetzwerk besteht aus
einer Auflistung physischer Verbindungen zwischen
physischen Endpunkten, die den physisch existierenden
Übertragungswegen im Kommunikationssystem
entsprechen. Mit dem Modell lassen sich alle Arten von
physischen m:n-Beziehungen, wie Ring, Stern, Bus,
Linie oder vermaschtes Netz, die als leitungsgebundene
Lösungen wie Kupferkabel oder LWL beziehungsweise
auch als Funkkanäle bestehen, ausdrücken. Welche
Instanz eines physischen Endpunkts dann direkt
mit einer anderen Endpunktinstanz in Kontakt steht,
drückt wiederum die reflexive Beziehung an der Klasse
aus. Zudem wird auf den logischen Endpunkt verwiesen,
der diesen physischen Zugangspunkt nutzt.
Bild 4 und Bild 5 zeigen die Interna eines Automatisierungsgeräts
und stellen die Verbindung zwischen den logischen
und physischen Endpunkten einer Kommunikationsbeziehung
her. Innerhalb eines Geräts können mehrere
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HAUPTBEITRAG
class Device
processDataItem
«Property»
+ processDataItemId: xs:ID
+ variableIdRef: xs:IDREF
+ processDataItemIdRef: xs:IDREF
+ physicalChannelIdRef: xs:IDREF
processDataInput
protocolData
logicalEndPoint
«Property»
+ logicalEndPointId: xs:ID
+ logicalEndPointRole: xs:string
1..*
processDataOutput
1
processDataItemList
pduList
pdu
payload
«Property»
+ address: xs:string
dataItem
«Property»
+ octetOffset: int
+ bitOffset: int
+ numberOfBits: int
parameterItemList
parameterItem
«Property»
+ parameterItemId: xs:ID
+ variableIdRef: xs:IDREF
+ physicalChannelIdRef: xs:IDREF
BILD 5: Beschreibung des Automatisierungsgeräts (Teil 2)
1..*
1..*
logische Geräte vorhanden sein, die die logischen Endpunkte
besitzen. Beispiele hierfür sind modulare Feld- oder Peripheriegeräte
oder Steuerungen mit mehreren parallel
laufenden Anwendungen. Ein physischer Netzzugangspunkt
zum Gerät, sei es eine Buchse oder eine Antenne,
wird in der Regel softwareseitig mit dem logischen Endpunkt
in einem logischen Gerät oder einer Anwendung
verbunden. Beispielhaft sei dies für Ethernet für eine IPbasierte
Verbindung erklärt: Das Gerät besitzt eine Ethernet-
Buchse und verfügt über eine IP-Adresse. Ein Programm
auf dem Gerät stellt eine Beziehung zwischen einem IP-Port
und dem Netzwerkzugang über einen Socket her.
Des Weiteren ist der Aufbau der Protocol Data Unit
(PDU) der über den logischen Endpunkt auszutauschenden
Daten interessant. Über einen Endpunkt können
im Prinzip mehrere unterschiedliche PDU-Typen ausgetauscht
werden, wobei häufig eine feste Zuordnung
zwischen logischem Endpunkt und PDU-Typ vorzufinden
ist. Aus Sicht der Steuerungsaufgaben wird häufig
zwischen zeitlich oft auszutauschenden Prozessdaten
und gelegentlich auszutauschenden Parametrierdaten
unterschieden. Die Prozessdaten haben aus Sicht des
Steuerungssystems auch einen Datenfluss – und damit
auch eine Wirkrichtung: Ein- oder Ausgabe.
Die Beziehung der in den PDU enthaltenen Daten zu
physischen Signalen (Ein-/Ausgabekanäle) oder zu Variablen
eines Steuerungssystems werden im Modell über
eindeutige Identifier hergestellt. Das Modell unterscheidet
hierbei nicht die konkrete Geräterolle oder den Gerätetyp.
Es ist aus Sicht der Kommunikation unerheblich,
ob eine Information im Gerät innerhalb einer SPS-
Ressource oder in einer Feldgeräteapplikation weiterverarbeitet
wird, zum Beispiel in einem Drucktransmitter
oder Stellantrieb. Daher abstrahiert das Modell an der
Stelle und ordnet die Weiterverarbeitung einer Variable
innerhalb einer deviceResource zu.
Aus Sicht der Anlagenplanung ist eine eindeutige Zuordnung
der Kommunikationsdaten zu Signalen innerhalb
der Produktionsanlage wichtig. Diese Signale werden
in der Regel durch andere Engineeringwerkzeuge
geplant und eindeutig identifiziert. Das Kommunikationsmodell
verweist auf diese Information, wenn das
Peripheriegerät solche Signale aus dem zu steuernden
Prozess aufnimmt beziehungsweise auf diesen wirkt. In
einigen Branchen wird der Begriff Kanal für Signale
aller Art benutzt. Diese Terminologie wurde aufgegriffen,
sodass Peripheriegeräte über physicalChannel verfügen
können, und über eindeutige Identifier kann die
Beziehung zwischen kommuniziertem Datum in der
PDU zu einem Kanal/Signal hergestellt werden.
3. UMSETZUNG ANHAND EINES BEISPIELS
BILD 6: Beispielanlage mit SPS, Scada und zwei Feldgeräten
M odellierungsgegenstand sei eine hypothetische Automatisierungsanlage,
die aus einer zentralen SPS, zwei
Feldgeräten und einem Scada-System zur Prozessvisualisierung
besteht. Die betrachteten Feldgeräte sind ein
Temperatursensor (TF 12) und ein Stellantrieb (TZID),
sodass sich mit diesen Geräten eine komplette Regelstrecke
aufbauen ließe. Bild 6 zeigt den schematischen Überblick
über die hypothetische Automatisierungsanlage.
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PLC : physicalDevice
Logische_Topology:
logicalTopology
Std_Res : deviceResource
Cyclic_1:
logicalConnection
varInput : variable
in1 : processDataInput
Profibus : logicalDevice
varOutput : variable
variableIdRef_1
Cyclic_2:
logicalConnection
in1_temp :
processDataInput
in1 : processDataInput
variableIdRef_2
out1 : processDataOutput
Profibus-Socket_1 :
physicalEndPoint
out1 : processDataOutput
logicalEndPointIDRef_1
logicalEndPointIDRef_2
Acyclic_1:
logicalConnection
out1_valve :
processDataOutput
BILD 7: Modellierung innerhalb der SPS
param1: parameterItem
TF12 : physicalDevice
runtime :
deviceResource
Profibus :
logicalDevice
Profibus-Socket_2 :
physicalEndPoint
temp : variable
param1 : variable
in1_temp :
processDataInput
param1 :
parameterItem
variableIdRef_3
variableIdRef_4
logicalEndPointIDRef_3
logicalEndPointIDRef_4
…
Phyische_Topology:
physicalTopology
Profibus -Cable_1:
physicalConnection
Ethernet-Cable_1:
physicalConnection
…
xyz: parameterItem
BILD 9: Modellierung der logischen Topologie
Profibus -Socket_1 :
physicalEndPoint
Profibus -Socket_2 :
physicalEndPoint
Profibus -Socket_3 :
physicalEndPoint
BILD 8: Modellierung innerhalb des Feldgerätes TF 12
BILD 10: Modellierung der physischen Topologie
Es gibt ausgehend von der SPS zwei logische Beziehungen
zu den beiden Feldgeräten, die beide als Prozessdatenverbindungen
ausgeprägt sind. Daneben gibt es azyklische
Verbindungen vom Scada zu den Feldgeräten und
zur Steuerung (die Autoren verwenden die englische
Abkürzung PLC). Bild 7 zeigt die Modellierung innerhalb
einer SPS für die zyklische Kommunikation. In dieser
befindet sich eine Ausführungseinheit für das Steuerungsprogramm.
Darin sind die für die Kommunikation
interessanten Variablen varInput und varOutput entsprechend
des PLCopen-XML-Austauschformats [4] beschrieben.
Die logischen Endpunkte der Profibus-Verbindung
sind als processDataItems in1 und out1 mit ihren Spezialisierungen
als processDataInput und processDataOutput
abgebildet. Nun müssen die logischen Endpunkte
noch mit den Variablen des SPS-Programms in Beziehung
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HAUPTBEITRAG
gesetzt werden (variableIdRef_1 und variableIdRef_2), damit
klar wird, dass und wie deren Werte über das Kommunikationssystem,
in dem Fall Profibus [5], übertragen
werden. Weiterhin ist der physische Zugangspunkt des
Kommunikationssystems an der Steuerung modelliert.
Von diesem erfolgen Verweise (logicalEndPointIdRef_1
und logicalEndPointIdRef_2) auf die logischen Endpunkte,
die diesen physischen Datenpunkt benutzen.
Bild 8 zeigt exemplarisch für die Feldgeräte die interne
Modellierung, die fast analog zur SPS gestaltet ist.
Komplexe Feldgeräte ve rfügen heute analog zu den SPS
über eigene Softwareprogramme, die in der Regel jedoch
nicht frei programmierbar, sondern parametrierbar sind.
Aus Sicht der auszutauschenden Daten wurden daher
für die komplexen Feldgeräte die Datenpunkte in einem
Programm modelliert. Im Beispiel werden über den Prozessdatenkanal
der Messwert (Temperatur als process-
DataInput) und über den Parameterkanal ein weiterer
Wert (param1 als parameterItem), etwa zum Einstellen
der Messeinheit, wie °C, K oder F, ausgetauscht.
Nachdem die Relationen innerhalb der beteiligten
Kommunikationspartner beschrieben sind, müssen die
äußeren Beziehungen zwischen d en Kommunikationspartnern
modelliert werden. Bild 9 zeigt die logische
Topologie als eine Auflistung von logischen Verbindungen
zwischen den logischen Endpunkten. Zwischen den
logischen Endpunkten erfolgt dann der Datenaustausch,
der als gerichtete Relation abgebildet werden kann. Analog
wird die physische Topologie, siehe Bild 10, modelliert,
wobei hier jedoch die physischen Endpunkte betrachtet
werden. Im Beispiel sind die Profibus-Geräte
über ein Kabel miteinander verbunden und kommunizieren
dabei ausgehend vom Master miteinander.
Das Beispiel ist einfach gehalten, um die Modellierung
überschaubar zu gestalte n. Reale Anlagen sind wesentlich
umfangreicher u nd kommen im Engineering nicht
ohne geeignete Werkzeugunterstützung aus.
Aufgabe der Arbeitsgruppe Kommunikation innerhalb
des AutomationML e.V. war und ist neben der
abstrakten Modellierung die Entwicklung einer Methode,
um die in den letzten Abbildungen dargestellte
Modellierung der vielfältigen Kommunikationsbeziehungen
mit Hilfe des Austauschformats von AutomationML
abzubilden und damit eine konsistente
Weitergabe von Planungsdaten in der Engineeringphase
zwischen den Werkzeugen zu ermöglichen. Im Wesentlichen
werden Regeln definiert, wie die Grundbeziehungen
der Kommunikationsaspekte in der Rollenbibliothek
von AutomationML hinterlegt werden.
AutomationML basiert auf dem Beschreibungsformat
CAEX gemäß IEC 62424, wobei CAEX eine auf XML
basierende Modellierungssprache ist, die den Sprachumfang
des XML weitestgehend ausnutzt. CAEX gibt
dabei einen zu verwendenden Namensraum und ein
zu verwendendes Schema vor, die nur in bestimmten
Elementen zur Integration spezifischer Informationsmengen
aufgebrochen werden können.
In einem ersten Schritt wurden die Hauptbestandteile
des Kommunikationsmodells, wie das eigentliche Automatisierungsgerät
als ‚PhysicalDevice‘ oder die logischen
und physischen Verbindungen, in einer Rollenbibliothek
hinterlegt. Die nutzbaren Schnittstellen dieser
REFERENZEN
[1] AutomationML e.V.: Description of Logic Data,
www.automationml.org, 2012
[2] IEC 62424: Representation of process control engineering - Requests in
P&I diagrams and data ex-change between P&ID tools and PCE-CAE tools,
International Electrotechnical Commission, Geneve, 2008
[3] ifak: Innovative Automatisierungsstrukturen durch Domänen-übergreifenden
Informationszugriff (INVASIF), Abschlussbericht, BMWi – Industrielle
Vorlaufforschung, Reg.-Nr.: VF081025, 2012
[4] PLCopen: XML Formats for IEC 61131-3, Technical Paper - PLCopen
Technical Committee 6 Rel. 2.01, 2009
[5] PNO: Profile for Process Automation, V. 302. http://www.profibus.com/,
eingesehen 2010
[6] Lüder, A., Riedl, M., Drath, R., Heines, B., Niggemann, O.: Austausch von
Entwurfsdaten für Kommunikationssysteme mit Hilfe von AutomationML.
In: Tagungsband AUTOMATION 2013, S. 355-360. VDI 2013
[7] IEC 62714: Engineering data exchange format for use in industrial
automation systems engineering - Automation Markup Language,
International Electrotechnical Commission. Geneve, 2013
[8] Tanenbaum, A.: Computernetzwerke. Pearson, 2003
[9] Bauch, R., Beer, Th.: Netzwerke – Grundlagen. Herdt-Verlag, 2004
[10] Riedl, M., Zipper, H., Meier, M., Diedrich, C.: Cyber-physical systems alter
automation architectures. Annual Reviews in Control 38(1), S. 123-133, 2014
[11] Broy, M.: Cyber-Physical Systems - Innovation durch softwareintensive
eingebettete Systeme. Springer, 2010
[12] Z., Langari, R., Trefler: Formal Modeling of Communication
Protocols By Graph Transformation. In: Proc. 7th Int. Conf.
Integrated Formal Methods, IFM 2009. S. 261-276. Springer 2009
[13] A. Lüder, P. Kretschmer, L. Hundt, M. Hoffmann: Mobile Netzwerkanalyse
in Ethernet basierten Industrienetzen. In: Tagungs band SPS/
IPC/Drives Kongress 2011, S. 55-63. S. 55-63. VDE-Verlag, 2011
[14] G. Juanole, B. Algayres, J. Dufau: On Communication Protocol
Modelling and Design. In: G. Rozenberg (Ed.) Advances in Petri
nets, S. 267-287. Springer 1984
[15] N. de Wet: Model Driven Communication Protocol Engineering
and Simulation based on Performance Analysis Using UML 2.0,
PhD Thesis, University of Cape Town, South Arfica, 2004
[16] F. Klasen, V. Oestreich, M. Volz: Industrielle Kommunikation
mit Feldbus und Ethernet. VDE-Verlag, 2010
[17] B. Reißenweber: Feldbussysteme in der industriellen
Kommu nikation. Oldenbourg Industrieverlag, 2009
[18] AutomationML e.V.: Whitepaper AutomationML Part 5 –
Com munication, Oktober 2014, www.automationml.org
[19] Kagermann H., Wahlster W., Helbig J.: Umsetzungsempfehlungen
für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 – Deutschlands Zukunft als
Industriestandort sichern. Forschungsunion Wirtschaft und
Wissenschaft, Arbeitskreis Industrie 4.0, 2013,
http://www.plattform-i40.de/sites/default/files/Abschlussbericht_Industrie4%200_
barrierefrei.pdf, letzter Zugriff Sep. 2014
50
atp edition
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Typen sind in der Interface-Bibliothek formuliert. Darauf
aufbauend lassen sich die üblicherweise genutzten physikalischen
Geräte oder die entsprechenden logischen
Geräte und Verbindungen in der SystemUnit-Bibliothek
modellieren. Die auf Basis der genannten Bibliotheken
modellierte Anlage inklusive der Kommunikationsbeziehungen
und auszutauschenden Daten ist in der Instanzhierarchie
der Anlage hinterlegt. Ausführlich wurde
die Abbildung in [6] dargestellt, worin ein Zwischenstand
der Spezifikationsarbeiten vorgestellt und explizit
die AutomationML-Modellierung behandelt wird.
Basierend auf den Grundelementen des abstrakten
Kommunikationsmodells lassen sich konkrete Typen
von Automatisierungs geräten, Infrastrukturkomponenten
wie Switches, Gateways oder auch die zur Kommunikation
genutzten Kabel, deren Güteparameter, Steckertypen,
Terminierung ableiten. Hierbei kommen
dann die für die spezifische Ausprägung relevanten
Attribute ins Spiel, die über die Standard mechanismen
von CAEX modelliert und dann benutzt werden können.
ZUSAMMENFASSUNG
Die in der Arbeitsgruppe entwickelte Methode stellt eine
umfangreiche Möglichkeit dar, Kommunikationsaspekte
mit Hilfe von AutomationML abzubilden und damit unterschiedlichen
Werkzeugen im Entwurfsprozess der Anlage
verfügbar zu machen. Die im Beitrag dargestellte
Herangehensweise soll sicherstellen, dass Lösungen zur
Modellierung den Anwendungsfällen entsprechen und
erst in einem zweiten Schritt die Überführung in ein Austauschformat
erfolgt. Ohne die konkreten Sprachelemente
von AutomationML im Beitrag zu nutzen, wurde übersichtlich
gezeigt, wie sich Kommunikationsaspekte modellieren
und für unterschiedliche Einsatzfälle (hier zyklische
und azyklische Kommunikation) umsetzen lassen.
Erste Anwendungen der Methode werden derzeit im
Rahmen der Werkzeugkette von Mechanikkonstruktion
(Automatisierungsgerätedefinition), Elektrokonstruktion
(Netzwerkverkabelung), Steuerungs progammierung
(Entwurf der Gerätekonfiguration) und virtueller Inbetriebnahme
(Nutzung der Gerätekonfiguration) durch
die Mitglieder des AutomationML e.V. erarbeitet. Bei
Erfolg ist eine Ausweitung auf den gesamten Lebenszyklus
eines Kommunikationssystems zu erwarten.
Parallel dazu erfolgt die Überführung der erarbeiteten
Ergebnisse in die internationale Normung im Rahmen
der Standardserie IEC 62714 [7]. Hier wird die
Kommunikationsmodellierung als Teil 5 in den Standard
aufgenommen.
Dabei bettet sich dieser Standardisierungsteil in ein
größeres Standardisierungsvorhaben ein. Gemeinsam
mit PLCopen und OPC Foundation arbeitet der AutomationML
– und damit die Autoren – an einer Methode
zur konsistenten Darstellung der Informationsübertragung
und Informationsverarbeitung innerhalb von Fabrikautomationssystemen.
Dies könnte in Zukunft entspechenden
Bedarf im Rahmen von Industrie-4.0-Systemen
decken [19].
MANUSKRIPTEINGANG
29.01.2014
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
AUTOREN
Dr.-Ing. MATTHIAS RIEDL (geb. 1967) leitet das
Geschäftsfeld IKT & Automation am ifak. Er ist
aktiv auf den Gebieten der Fachsprachen, der
Geräteintegration und verteilter Steuerungssysteme.
Institut für Automation und Kommunikation Magdeburg,
D-39106 Magdeburg,
Tel. +49 (0) 391 990 14 60,
E-Mail: matthias.riedl@ifak.eu
Dipl-Ing. BENNO HEINES (geb. 1968) arbeitet
bei der Phoenix Contact Electronics GmbH
und ist Gruppenleiter in der Softwareent -
wicklung der Business Unit Control Systems.
Phoenix Contact Electronics GmbH,
D-31812 Bad Pyrmont,
Tel. +49 (0) 5261 937 38 07,
E-Mail: bheines@phoenixcontact.com
apl. Prof. Dr.-Ing. habil. ARNDT LÜDER (geb. 1968)
vertritt das Lehr- und Forschungsgebiet Fabrikautomation
an der Fakultät Maschinenbau der
Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Er
arbeitet auf dem Gebiet der Verbesserung von
Entwurfsprozessen für Produktionssysteme unter
Nutzung verbesserter Architekturen und Entwurfswerkzeuge
inbesondere für Steuerungssysteme.
Otto-von-Guericke Universität,
D-39106 Magdeburg,
Tel. +49 (0) 391 675 18 26,
E-Mail: arndt.lueder@ovgu.de
Dr.-Ing. RAINER DRATH (geb. 1970) ist
Senior Principal Scientist am Forschungszentrum
Deutschland der ABB AG in
Ladenburg.
Er beschäftigt sich mit der Entwicklung
neuer Konzepte und Methoden zur
Verbesserung des Engineering von
Automatisierungssystemen.
ABB Forschungszentrum Ladenburg,
Wallstadter. Str. 59,
D-68526 Ladenburg,
E-Mail: rainer.drath@de.abb.com
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HAUPTBEITRAG
Wissensbasierte Auswahl
von Prinziplösungen
Geeignete Messverfahren automatisch finden
Die Auswahl geeigneter Prinziplösungen für Mess- und Stellaufgaben erfordert
Spezialwissen, das nicht jeder Planer einer Anlage hat, zumal mit dem technologischen
Wandel die Einsatzgrenzen bekannter Verfahren verschoben und neue
Prinziplösungen erdacht werden. Bisherige papierbasierte herstellerneutrale Unterstützungen,
wie Bücher oder Richtlinien, veralten daher schnell. Im Beitrag
wird ein wissensbasiertes System vorgestellt, dessen Wissensbasis sich leicht durch
Expertengremien an den aktuellen Stand der Technik anpassen lässt. Das System
wurde bereits erfolgreich für die Auswahl von Durchflussmessverfahren und Antriebslösungen
eingesetzt.
SCHLAGWÖRTER Gerätespezifikation / Messprinzipien / wissensbasierte Systeme /
Merkmale
Knowledge-based Selection of Solution Principles –
Automatically Finding Suitable Measurement Methods
The selection of suitable principle solutions for measuring and actuating tasks requires
detailed expert-knowledge which is not available for every planning engineer
in the process of plant design. This situation can be made worse if technological
developments introduce new principle solutions or change the scope of existing
solutions. Paper-based, vendor-neutral knowledge-sources such as books or guidelines
rapidly become outdated. This paper introduces a knowledge-based system
which can easily be adapted to the current state of technology by expert groups. The
concept has been used successfully in a case study for the selection of flow measuring
principles and drive principles.
KEYWORDS device specification / principles of measurement / knowledge based
systems / properties
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atp edition
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MAIK RIEDEL, ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
Die Aufgabenstellung der Spezifikation und
Auswahl von Mess- und Stellgeräten findet
im Rahmen der Anlagenplanung und -modernisierung
innerhalb des Planungsprozesses
für die Prozessleittechnik (PLT) statt.
Grundsätzlich muss dabei eine geeignete technische
Ressource gefunden werden, mit der die Aufgabenstellung
(zum Beispiel Durchfluss messen) unter den spezifischen
Anforderungen, die sich vor allem aus der
späteren Einsatzumgebung ergeben, zuverlässig erfüllt
werden kann. Zu berücksichtigen sind dabei prozessbedingte
Anforderungen, die sich aus den Bedingungen
vor Ort (wie Einbaulage und Umwelteinflüsse)
und aus den Eigenschaften des Prozessmediums (beispielsweise
Dichte und Viskosität) ergeben und vor
allem technologische Anforderungen an Messprinzip
und Gerät stellen. Andere Aspekte betreffen zum Beispiel
die Integration des Geräts in die Automatisierungsstruktur
der Anlage und weitere lebenszyklusrelevante
Eigenschaften.
Nach der möglichst vollständigen und korrekten Erfassung
der Anforderungen steht der Planungsingenieur
in der Phase der Basisplanung vor der Herausforderung,
den Typ der technischen Ressource weiter zu
konkretisieren. Dabei wird er mit einem meist sehr
großen und unübersichtlichen Lösungsraum möglicher
Prinziplösungen (beispielsweise für eine Messaufgabe
geeignete Messprinzipien) konfrontiert. Die Anzahl am
Markt verfügbarer Geräte ist noch um ein Vielfaches
größer. Die richtige Auswahl in diesem großen Lösungsraum
unter Berücksichtigung vieler Anforderungskriterien
erfordert immer Expertenwissen und
zumeist jahrelange Erfahrung in diesem Bereich, wie
[1] und [2] betonen.
Die Tatsache, dass diese Aufgabenstellung innerhalb
der Anlagenplanung sehr häufig, weil für jede PLT-
Stelle, auftritt, vermindert nicht die Herausforderungen
jeder Einzelspezifikation, macht aber die Bedeutung
dieser Engineeringaufgabe für den Gesamtaufwand
und die Qualität des Planungsergebnisses deutlich. In
den Abschnitten 1 bis 6 dieses Beitrags wird diese Problematik
am Beispiel der Wahl von Durchflussmessverfahren
diskutiert, sowohl Problem als auch Lösung sind
aber universell für Mess- und Stellaufgaben, wie
schließlich durch Übertragung auf die Auswahl von
Antrieben dargelegt wird.
1. STATUS QUO UND DEFIZITE
Bei der Suche nach einem geeigneten Messprinzip
oder Messgerät für die jeweils spezifischen Anforderungen
können verschiedene Wissensquellen herangezogen
werden, die sich hinsichtlich Aktualität,
Qualität, Zugänglichkeit, Neutralität, Formalisierung
und Strukturierung beziehungsweise Standardisierung
unterscheiden. Die meisten Quellen sind Gerätehersteller-bezogen.
Insbesondere rechnergestützte
Möglichkeiten, wie datenbankbasierte Konfiguratoren,
sind stark proprietär und anbieterspezifisch
bezüglich der Formulierung von Anforderungen, der
Nutzerkommunikation und der vorgeschlagenen Lösungen
und zudem, hinsichtlich der Ergebnisfindung,
nicht selbsterklärend. Eine herstellerneutrale, richtlinienbasierte
Lösung wie die Softwareapplikation
zur Richtlinie VDI 2644 [3] (siehe Bild 1) trennt nicht
Wissen und Wissensverarbeitung und ist daher
schwer pflegbar, verliert somit schnell Akzeptanz und
praktische Relevanz.
Wissensbasierte Ansätze bieten durch die strukturelle
Trennung von Wissen und Wissensverarbeitung
[20] ein großes Potenzial, bauen ihre Wissensbasis aber
zu oft auf Gerätedaten und damit wieder auf proprietärem
Wissen einzelner Anbieter auf. Der Aufwand
beim Versuch, Geräte mehrerer Hersteller abzudecken,
wird dann sehr groß. Andere wissensbasierte Systeme
sind auf sehr spezifische Problemstellungen zugeschnitten
[21], ihre Anwendung ist daher schlecht bis
gar nicht übertragbar. Zudem ist bei den bisherigen
Entwicklungen (zum Beispiel [4, 5]) die Arbeit mit unvollständiger
Information problematisch und führt zu
sehr stark eingeschränkten oder gar keinen Lösungen
im Auswahlprozess. Herstellerneutrales, aktuelles Wissen
in strukturierter, möglichst sogar formalisierter
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HAUPTBEITRAG
und damit rechnerinterpretierbarer Form, ist in der
Praxis bisher nicht verfügbar.
Bei der Bearbeitung der komplexen Aufgabenstellung
haben sich in der Praxis daher folgende typische Vorgehensweisen
entwickelt:
Verlagerung der Auswahlkompetenz zum Hersteller
(ein oder mehrere Hersteller werden beauftragt,
aus ihrem Portfolio passende Geräte zu den Anforderungen
des Planers vorzuschlagen).
Begrenzung der Auswahl a priori auf eine bevorzugte,
bewährte Untermenge von Prinzipien/Geräten.
Dies kann intern über Standardgerätelisten
oder extern zum Beispiel über preferred-vendor-
Konzepte gelöst werden. Dadurch wird der mögliche
Lösungsraum künstlich verkleinert.
Direkte Geräteauswahl aus Herstellerkatalogen.
Diese Vorgehensweisen weisen prinzipiell immer eines
oder mehrere der folgenden Defizite auf: fehlende Einheitlichkeit
beziehungsweise Vergleichbarkeit der Entscheidungsgrundlage,
nicht gesicherte Ergebnisreproduzierbarkeit,
Lösungsraumeinschränkung durch proprietäre
Wissensbasen, schwer nachvollziehbare und
dokumentierbare Entscheidungs- und Auswahlprozesse
und gegebenenfalls nicht aktualisierte Wissensquellen.
2. FUNDAMENT EINES NEUEN LÖSUNGSANSATZES
Im Folgenden werden Eckpunkte eines prinzipiellen
Lösungsansatzes aufgezeigt, mit dem den zuvor genannten
Herausforderungen begegnet werden soll.
2.1 Mehrstufiger Spezifikationsprozess
Die in Abschnitt 1 erwähnte häufige Vorgehensweise,
von den Anforderungen an die technische Ressource
direkt auf die konkrete Gerätelösung zu schließen,
bringt diverse Nachteile mit sich. So wird sehr früh im
Prozess ein hohes Produktwissen abverlangt, das in
diesem Abschnitt der Planung (die Auswahl der technischen
Realisierung ist Teil der Basisplanung, nicht
der Detailplanung) nicht relevant oder noch nicht vorhanden
ist. Viele Spezifikationen und Anforderungen
an das Gerät sind zudem im weiteren Planungsprozess
Änderungen unterworfen (weitaus mehr als die technologischen
Grundbedingungen). Die notwendige Beschränkung
des Lösungsraums führt dazu, dass mit
hoher Wahrscheinlichkeit nicht die unter den gegebenen
Bedingungen optimale Auswahl der Geräte getroffen,
sondern zumeist die erstbeste Lösungsmöglichkeit
verfolgt wird [6].
Daher sollte die Spezifikation in mehreren Stufen
von der prinzipiellen Aufgabe (Funktion) der technischen
Ressource über sukzessive Konkretisierungsschritte
(Auswahl/Eingrenzung von Lösungen) zur
konkreten gerätetechnischen Realisierung verlaufen.
Der erste Schritt sollte dabei zunächst die Auswahl
einer technologischen Prinziplösung sein – bei Sensoren
ist dies das Messprinzip. Basierend darauf kann
die Spezifizierung später in weiteren Schritten unter
dem Fokus anderer Aspekte (zum Beispiel Kommunikationsmittel,
Sicherheit, Montage) verfeinert werden.
Dadurch können Teilentscheidungen und Eingrenzungen
des Lösungsraums, jeweils angepasst an die
zum Planungszeitpunkt vorliegende Information, getroffen
werden. Die Information über Bedingungen am
Einsatzort, Prozessparameter und Messstoffeigenschaften
leitet sich im Normalfall aus der verfahrenstechnischen
Planung und deren Dokumenten ab und
steht daher schon während der PLT-Basisplanung zur
Verfügung. Auf dieser Basis lassen sich bereits geeignete
Prinziplösungen eingrenzen und gegebenenfalls
technologische Machbarkeitsprobleme oder Unplausibilitäten
identifizieren. Die schrittweise Konkretisierung
verhindert so die zu frühe Festlegung auf eine
technische Ressource und bietet damit die Chance,
alternative Lösungen zuzulassen [7].
2.2 Wissensbasierte Rechnerunterstützung
Es liegt nahe, die beschriebene Aufgabenstellung der
Auswahl von Prinziplösungen rechnergestützt durchzuführen.
Insbesondere, da es sich um eine komplexe,
oft wiederkehrende Engineeringaufgabe handelt, bei
der die manuelle Bearbeitung großen (Zeit-)Aufwand
verursacht und beträchtliches Fehlerpotenzial beinhaltet.
Eine einheitliche Basis für Kommunikation und
Dokumentation unter den Projektbeteiligten ist eine
nützliche und notwendige Begleiterscheinung [7]. Da
die Information über prozessbedingte Anforderungen
typischerweise in CAE-Planungswerkzeugen vorliegt,
kann die rechnergestützte Auswertung im Idealfall direkt
darauf zugreifen.
Großes Potenzial bieten hierbei die Konzepte und
Technologien der wissensbasierten Systeme (WBS) [8],
die ihre Möglichkeiten in Auswahl- und Entscheidungsproblemen
im Engineering (wie in [9], [4-5]) bereits
ansatzweise gezeigt haben. WBS sind computerbasierte
Systeme, die Wissen in beschränkten Wissensgebieten
abbilden und – ähnlich menschlichen Experten
– nach Problemlösungsmustern entsprechend
anwenden. Durch die konsequente Trennung von
Wissensbasis und Wissensverarbeitung eignen sie sich
für die Abbildung spezifischen Problemwissens und
die gleichzeitige Bereitstellung einer anwendungsunabhängigen
Problemlösungskomponente [10]. Wissenspflege
und -ergänzung sowie Erklärungsfähigkeit gehören
zum Basiskonzept der WBS-Technologie und
unterstützen bei der Etablierung einer Anwendung für
die Auswahlunterstützung und Wissenskonservie-
54
atp edition
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ung. Weitere qualitative Nutzeffekte werden in [11]
beschrieben. Eine vertiefende Darstellung von WBS
gibt zum Beispiel [12]. Unterschiedliche Formen von
WBS haben sich vor allem im Hinblick auf die jeweils
genutzte Wissensrepräsentation gebildet. So wird grob
zwischen Fall-, Logik-, Regel- und Constraint-basierten
WBS [12, 18] unterschieden. In vielen Problemfällen
ist eine mächtige Wissensrepräsentation jedoch nur
durch die Kombination verschiedener Formalismen zu
erreichen. Folgerichtig haben sich vermehrt hybride
Systeme entwickelt [18]. Eine weitere Möglichkeit der
Klassifikation der WBS besteht hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche
und Problemklassen. Diesbezüglich
wird unter anderem zwischen Konfigurierung,
Planung, Simulation und Diagnose unterschieden.
Letztere wird oft im Zusammenhang mit Selektion und
Klassifikation erwähnt. Die Übergänge zwischen diesen
Kategorien sind fließend und erschweren meist
eine klare Einordnung. Einen Überblick über erfolgreiche
Anwendungsbeispiele wissensbasierter Systeme,
speziell im Kontext des Engineerings der Automatisierungstechnik,
liefert [10].
2.3 Konsenswissen als Grundlage
Das für eine adäquate Bewältigung der Messprinzipienauswahl
benötigte Wissen ist eindeutig Expertenwissen.
Um eine neutrale und möglichst umfassende
Wissensbasis zu schaffen, muss das Wissen und die
Erfahrung vieler Experten aus verschiedenen Perspektiven
(sowohl die der Hersteller als auch die der Betreiber)
zusammengetragen und konsensual vereint werden.
Eine Plattform dafür bieten Experten-/Normungsgremien
und fachliche Arbeitskreise wie der VDI/
VDE-GMA-Fachausschuss 2.40 Durchflussmesstechnik
für Volumen und Masse. Die technischen und organisatorischen
Rahmenbedingungen vorausgesetzt, bietet
die Nutzung von Experten-Konsenswissen dabei signifikante
Vorteile: vorwettbewerbliche Neutralität, Qualität
und Vollständigkeit („Die Beteiligung einer Vielzahl
von Experten erhöht die Breite und Tiefe der
Systemabbildung und fördert die Qualität und die
Vollständigkeit des abgebildeten Wissens.“ [13]), Aktualität
sowie Akzeptanz (innerhalb der Expertengemeinschaft
und darüber hinaus).
In eine auf Konsens gebildete, neutrale Wissensbasis
geht proprietäres, spezifisches Gerätewissen durch den
Prozess der Wissensbildung abstrahiert und daher nur
indirekt ein. Angereichert mit Erfahrungswissen, zum
Beispiel aus der Anwendung, und Grundlagenwissen,
sagt das Experten-Konsenswissen primär etwas über die
allgemeine Verwendbarkeit und Einsetzbarkeit von Messprinzipien
beziehungsweise bestimmten Bauformen
aus. Damit wird diese Wissensquelle auch der in Abschnitt
2.1 formulierten Forderung gerecht, umsetzungsneutrale
Prinziplösungen in der Planung auszuwählen,
die dann im Weiteren spezifiziert werden können.
Zusammengefasst besteht der Lösungsansatz aus einer
rechnergestützten, wissensbasierten Auswahl von
Prinziplösungen auf Basis von Experten-Konsenswissen
im Rahmen eines mehrstufigen Spezifikationsprozesses.
BILD 1: Bedienerschnittstelle
der
Software zur
Richtlinie VDI 2644
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HAUPTBEITRAG
3. FORMULIERUNG VON ANFORDERUNGEN
Auf Basis der in Abschnitt 2 beschriebenen prinzipiellen
Eckpunkte werden im Folgenden Anforderungen
an die konkrete Lösung und eine damit verbundene
Umsetzung formuliert.
3.1 HERAUSFORDERUNGEN DES ABZUBILDENDEN
WISSENS
Experten-Konsenswissen ist kein Wissen über einzelne
Geräte, sondern Typwissen, zum Beispiel über die
grundsätzlichen Einsatzgrenzen eines jeden Messprinzips
(wie von Clamp-On-Ultraschall-Durchflussmessung
oder Coriolis-Massemessung). Bezüglich eines
einzelnen Kriteriums (zum Beispiel Prozesstemperatur
oder Viskosität) hat ein Messprinzip typischerweise
eine Unter- und eine Obergrenze. Der mögliche Temperatur-
beziehungsweise Viskositätsbereich bildet damit
ein Intervall auf der Skala dieses Kriteriums. Werden
nun mehrere voneinander unabhängige Kriterien als
Dimensionen eines Koordinatensystems betrachtet, so
lässt sich der Lösungsraum als Quader in den Dimensionen
der Beschreibungsmerkmale mit deren zulässigen
Ausprägungen auffassen (blauer Lösungsraum in
Bild 2). Bei höherdimensionalen Problemen (mehr als
3 beteiligte Kriterien) ist diese räumliche Darstellung
allerdings unzweckmäßig.
Die Besonderheit bei Typwissen ist, dass zwischen
den Beschreibungsmerkmalen Abhängigkeiten auftreten
können, zum Beispiel ist die Obergrenze für die
Temperatur meist nicht unabhängig von der Obergrenze
des Drucks. Eine beispielhafte räumliche Vorstellung
für den sich ergebenden Lösungsraum im Fall
einer quadratischen Abhängigkeit zwischen den Kriterien
A und C zeigt der rot umrandete Raum in Bild 2.
Die Abhängigkeiten sind Relationen zwischen den
Merkmalsausprägungen und können in verschiedenen
Formen (zum Beispiel Wenn-dann-Beziehungen, funktionale
Abhängigkeiten a=b²+c) auftreten. Beispiele
hierfür sind die Beziehung zwischen Nennweite und
Nenndruck (als Treppenkurve in Bild 2 rechts oben)
oder die Beziehung zwischen Prozesstemperatur und
Prozessdruck (Bild 2 rechts unten). Darüber hinaus
können mehrdimensionale Relationen zwischen mehr
als zwei beteiligten Merkmalen auftreten. Somit kann
ein komplexes Netz aus Zusammenhängen zwischen
verschiedensten Beschreibungsmerkmalen entstehen.
Um den heterogenen Charakteristika der Beschreibungsmerkmale
gerecht zu werden, ist eine Skalenniveau-adäquate
Abbildung (Nominal-, Ordinal-, Rational-,
Intervallskala) und Behandlung der Merkmale
Grundvoraussetzung für die Wissensabbildung. Viele
Ansätze (wie [4] und [9]) haben diesem Punkt in der
Vergangenheit keine Rechnung getragen und meist
über Transformation oder Normierung der Merkmalsausprägungen
Vereinfachungen getroffen. So werden
teilweise niedrigere Skalenniveaus verwendet als der
Charakteristik des Merkmals angemessen wäre. Zum
Beispiel werden boolsche Ja/Nein-Ausdrücke (Nominalskala)
für eigentlich metrisch (Rational-/Intervallskala)
skalierbare Ausprägungen verwendet. Eine
umfassende, adäquate Abbildung von Typwissen kann
nur durch die korrekte Berücksichtigung von Abhängigkeiten
zwischen den beschreibenden Merkmalen
und von merkmalsspezifischen Eigenschaften (wie
Skalenniveau) erreicht werden.
3.2 Abbildung und Verarbeitung des Wissens
Eine Trennung von Wissen und seiner Verarbeitung ist
obligatorisch und daher eine grundsätzliche Anforderung
– nur so kann eine flexible und unabhängige Pflege
des Wissens gewährleistet und dem Anspruch an
eine einfache Aktualisierungsmöglichkeit Rechnung
getragen werden.
Unvollständig spezifizierte Anforderungsdaten sind
Normalität. Eine künftige Lösung muss daher den Umgang
mit unvollständiger Information beherrschen und
dem Nutzer auf Basis bereits vorhandener Information
bestmögliche Unterstützung bieten. Dies bedeutet, dass
die verbleibenden Restlösungsräume aufgezeigt werden
und dem Nutzer mitgeteilt wird, welche der fehlenden
Auswahlkriterien kritisch sind für die Frage der Eignung
des jeweiligen Messprinzips.
Die bestehenden, meist regelbasiert aufgebauten
Ansätze verfolgen eine festgelegte Reihenfolge bei der
Abarbeitung der Auswahlkriterien. Nachteile ergeben
sich dabei durch eine unflexible Auswertungsreihenfolge
und das frühzeitige Ausschließen suboptimaler
Lösungen. Häufig ergeben sich im Planungsprozess
Anpassungen der Anforderungsdaten – vorher nicht
geeignete Lösungen können dadurch wieder geeignet
werden. Eine flexible und problemangepasste Abarbeitung
der Auswahlkriterien, die den Lösungsraum
nicht vorzeitig unangemessen verkleinert, ist daher
anzustreben.
Da sich die für die Auswahl relevanten Kriterien vor
allem auf die Prozessbedingungen (Eigenschaften des
zu messenden Mediums und Verhältnisse am Einbauort)
beziehen, die in vorangegangenen Planungsschritten
von der Verfahrenstechnik und Rohrleitungsplanung
festgelegt wurden, liegt es nahe, auf entsprechenden
Merkmalen, die zur Beschreibung von technischen
Objekten definiert wurden, als
Informationsträger zu arbeiten. Mit Ziel einer einheitlichen
Semantik und im Hinblick auf die Zusammenarbeit
mit anderen CAE-Systemen – ganz im Sinne des
in [14] formulierten Merkmalsprinzips – sollten dabei
möglichst anerkannte Standards zur Beschreibung
von Merkmalen wie IEC 61360 und ISO 13584-42 herangezogen
werden.
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Lösungsraum mit
unabhängigen
Kriterien
A
Lösungsraum mit
abhängigen Kriterien
Nenndruck
[bar]
100
40
16
C
300 600 2000
Nennweite
[mm]
B
Anforderungsraum
p
BILD 2: Lösungs räume
und Abhängigkeiten
T
3.3 Anforderungen an die Wissenspflege
Durch ständigen Aktualisierungsbedarf ist die Wissenspflege
eine selbstverständliche und notwendige
Komponente wissensbasierter Systeme. Erstellung und
Editieren einer Wissensbasis sollte dabei möglichst intuitiv
sein (zum Beispiel durch grafische, visuelle Darstellung)
und darf kein Spezialwissen über Aufbau oder
Funktion des WBS voraussetzen. Zudem muss die Einhaltung
definierter Strukturregeln beziehungsweise
eines Metamodells durch eine weitestgehend automatische
syntaktische und semantische Konsistenzprüfung
in der Wissens-Erwerbs- und -Pflegekomponente
gewährleistet werden.
3.4 Anforderungen an grundsätzliche Funktionalitäten
Erklärungsfähigkeit: Systeme, die menschliche Entscheidungs-
oder Auswahlprozesse unterstützen, müssen
ihre Ergebnisfindung begründen können, um Akzeptanz
zu erlangen. Zusätzlich muss dem Nutzer bei
der Verwendung und Interpretation des Ergebnisses,
zum Beispiel durch das Aufzeigen möglicher Lösungsräume
oder kritischer Faktoren für die Gültigkeit einer
Lösung, Hilfestellung gegeben werden.
Dokumentation: Die Ergebnisse des Auswahlprozesses
müssen strukturiert und vollständig dokumentiert
werden, sodass sie belastbarer Bestandteil einer
Projektdokumentation werden können.
Interoperabilität: Das Werkzeug sollte sich durch
standardisierte Schnittstellen in eine CAE-Werkzeugkette
einfügen können, um Informationsbrüche im Engineeringprozess
zu vermeiden.
Domänenunabhängigkeit: Konzept und Umsetzung
sollten für die Behandlung von verschiedenen Auswahlproblemen
einsetzbar sein. Dadurch können Synergien
geschaffen und die Akzeptanz für ein solches
Konzept domänenübergreifend gefördert werden.
4. WISSENSBASIERTE AUSWAHL VON PRINZIPLÖSUNGEN
Hinsichtlich der in Abschnitt 2.2 vorgestellten Kategorisierung
von wissensbasierten Systemen ordnet sich der
im Beitrag vorgestellte Ansatz in den Bereich der Diagnose
ein. Die analytische Lösungssuche und -bewertung
lässt sich am ehesten den dort meistgenutzten Aufgaben
Selektion und Klassifikation zurechnen. Vom Aspekt der
Wissensrepräsentation betrachtet, handelt es sich um
einen hybriden Ansatz, da regelbasierte und Constraintbasierte
Elemente enthalten sind. Darüber hinaus werden
objektorientierte Prinzipien (frame-ähnlich) und netzartige
Strukturen (ähnlich semantischen Netzen) genutzt.
4.1 Merkmale und Lösungsräume
Wie in Abschnitt 3.1 angedeutet, geht es bei der Eignungsprüfung
einer Prinziplösung um den Abgleich
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HAUPTBEITRAG
zweier Lösungsräume. Dabei wird die Problemstellung
durch den Anforderungsraum (in Bild 2 grün dargestellt)
und die zu bewertende Lösungsvariante durch
den Zusicherungsraum (in Bild 2 blau beziehungsweise
rot dargestellt) beschrieben. Der Begriff Zusicherungsraum
wird im Beitrag für den Lösungsraum der
Prinziplösung verwendet. Er beschreibt die mehrdimensionale
Menge der Merkmalsausprägungen, die
von der Prinziplösung zugesichert werden können. In
Abgrenzung davon wird der Begriff Anforderungsraum
für die entsprechende Menge der Merkmalsausprägungen
verwendet, die der Nutzer beziehungsweise
der Prozess als Anforderung an eine mögliche Prinziplösung
stellt. Eine Nichteignung der betrachteten
Lösungsvariante liegt vor, wenn der Anforderungsraum
nicht vollständig vom Zusicherungsraum umschlossen
wird und damit die geforderten Eigenschaften
nicht von der Prinziplösung zugesichert werden
können. Die Dimensionen der Räume werden dabei
durch die zum Vergleich herangezogenen Eigenschaften
gebildet. Diese Eigenschaften stellen eine spezifisch
relevante Untermenge der Gesamteigenschaften
von Problem und Lösung dar und können als Auswahlkriterien
bezeichnet werden.
Die Eigenschaften technischer Objekte lassen sich
durch Merkmale und ihre Ausprägungen beschreiben.
Merkmale stellen dabei, insofern strukturiert beschrieben
und möglichst standardisiert, eine semantische
Beschreibungsbasis dar. Im industriellen Umfeld werden
Merkmale vielfältig für Objekt- und Produktbeschreibungen
sowie deren Vergleiche genutzt und können
im optimalen Fall die Interoperabilität von Systemen
und Anwendungen absichern [15].
Konkrete technische Objekte (zum Beispiel Durchflusssensor
XY), die durch Merkmale und spezifische
Merkmalsausprägungen beschrieben werden, sind
Merkmalträger. Prinziplösungen, die als abstrakte
Oberklasse von konkreten technischen Realisierungen
gesehen werden können, sind Merkmalträgertypen
(zum Beispiel Magnetisch-Induktive Durchflussmesser).
Merkmalträgertypen können in Klassensystemen
hierarchisch strukturiert und analog zu Produktkatalogen
beispielsweise als Gerätetypen
interpretiert werden. Anhaltspunkte dafür stellen
etablierte Klassifikationssysteme, wie eCl@ss beziehungsweise
IEC 61987 dar.
Merkmale werden zur Festlegung ihrer Semantik mit
Attributen beschrieben. Grundlagen dazu schaffen
Standards und Normen wie IEC 61360, ISO 13584 und
ISO/IEC 11179. Im Weiteren können Referenzen Bedeutungsbeziehungen
zu Standards wie der DIN 4002 ausdrücken.
Für die Lösungsraumabbildung sind, über
die grundsätzliche Bedeutung des Merkmals hinaus,
weitere Attribute wichtig, die sich auf seine Ausprägung
beziehen. Dazu gehören das Skalenniveau, der
grundsätzliche Wertebereich der Ausprägung (zum
Beispiel reelle Zahlen, spezifische Wertemengen) und
gegebenenfalls eine zugehörige Einheit beziehungsweise
mögliche Einheiten.
4.2 Modellierung und Abbildung
Die Information der erwähnten Merkmalattribute bildet
die Grundlage für die Beschreibung des Lösungsraums
in der entsprechenden Dimension. Für eine möglichst
generische und flexible Abbildung werden die dimensionsbildenden
Ausprägungen der Merkmale prinzipiell
als Menge betrachtet. Das kann als Sammlung konkreter
Ausprägungswerte wie [flüssig, gasförmig] bei
Aggregatzustand, aber auch zum Beispiel als Intervall,
gebildet aus Unter- und Obergrenze wie [0 bar…10 bar]
bei Prozessdruck, verstanden werden. Sollen feste Anforderungs-
oder Zusicherungswerte beschrieben werden,
so fallen die Wertebereichsunter- und -obergrenzen
auf dem entsprechenden Wert zusammen (zum
Beispiel Nennweite (Min=Max) = 50 mm). Für die Verarbeitung
kann damit auf Mengen- und Teilmengen
operiert werden. Für eine differenziertere Abbildung
von Merkmalsausprägungen aufeinander ist dabei teilweise
die Repräsentation durch Semi-Intervalle sinnvoll
(zum Beispiel Prozessdruck max. = [… 10 bar]). Das
Merkmal und dessen Semantik und Strukturvorgaben
sowie die damit verbundenen Merkmalsausprägungen
mit den beschriebenen Charakteristika stellen das
Hauptelement des Wissensmodells dar.
Zur Abbildung von Typwissen werden ebenso Modellelemente
benötigt, um die zwischen Merkmalen
beziehungsweise deren Ausprägungen gegebenenfalls
existierenden Abhängigkeiten auszudrücken. Diese
Aufgabe soll das Element Relation übernehmen. Die
Relation als Modellelement muss dabei die konkrete
Verbindung zwischen Merkmalsräumen herstellen
und Information über die Art der Abbildung enthalten.
Die für die Spezifizierung der Relation notwendigen
Attribute sind unter anderem beteiligte Relationspartner,
Richtung der Relationswirkung und Relationsinhalt.
Der Relationsinhalt bezeichnet die eigentliche
Abbildungsvorschrift und damit die Art der Abbildung
zwischen den beteiligten Elementen. Die allermeisten
Fälle können von folgenden Relationstypen
beschrieben werden:
Tabellenrelation zur Abbildung von regelhaften
(wenn…, dann…) und kombinatorischen Abhängigkeiten.
Auch geeignet für numerische oder
nichtstetige Zusammenhänge wie zum Beispiel
durch Stützpunkte beschriebene Abbildungsvorschriften.
Symbolische Relation: Zur Abbildung von symbolischen
Abbildungsvorschriften und funktionellen
Zusammenhängen, die sich durch Terme, wie mathematische
Gleichungen und Ungleichungen, ausdrücken
lassen.
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Bei der Erstellung einer Wissensbasis werden Merkmale
aus den benötigten Merkmalklassen abgeleitet
und spezifiziert, das heißt auf Basis der Merkmalsattribute
beschrieben. Wenn benötigt, werden Relationen
spezifiziert und mit den zugehörigen Merkmalen verbunden.
Ein Merkmal kann mit beliebig vielen anderen
Merkmalen verbunden werden. Eine Relation kann
dementsprechend zwei oder mehr Merkmale verbinden.
Im Gesamtmodell bilden sich somit Netzwerke aus
zusammenhängenden Merkmalen. Diese Netzwerke
sind im graphentheoretischen Sinn Bäume. Eine schematische
Darstellung der Wissensbasis als Merkmalnetz
bietet Bild 3.
4.3 Formalisierung
Für eine rechnergestützte Verarbeitung des Wissensmodells
muss dieses geeignet formalisiert und
persis tent gespeichert werden. Für die strukturierte
Ablage von Information hat sich im Engineering der
Automatisierungstechnik die Auszeichnungssprache
XML bewährt [16]. Gerade Merkmalinformation
und Produktbeschreibungen werden zunehmend in
Dokumenten auf Basis von XML abgelegt [17] und im
Sinne des elektronischen Workflows zur Verfügung
gestellt.
Das beschriebene Wissensmodell besteht aus drei
Teilen, die mittels XML formalisiert werden.
Das Merkmalsdictionary beziehungsweise die
Merkmalsbibliothek enthält allgemeine, strukturbeschreibende
Information (Attribute und mögliche
Werte) über zur Verfügung stehende Merkmale
in Form von Klassenwissen (zum Beispiel
Beschreibung der Merkmalklasse Aggregatzustand).
Die Modellelemente der Metaklasse Merkmal
werden somit semantisch beschrieben und
festgelegt.
Der Lösungskatalog enthält die Beschreibung
(Struktur und Eigenschaften) der Prinziplösungen,
die entsprechenden Aufgaben (zum Beispiel Durchflussmessung)
hierarchisch zu- und untergeordnet
sind. Die Semantik der Modellelemente der Metaklassen
Aufgabe und Prinziplösung wird hier beschrieben
und festgelegt.
Die genannten beiden Teile beschreiben und verwalten
die Grundbausteine für die Wissensabbildung und sind
im Weiteren der zentrale Zugang zu Information für
Interpretation, Einordnung und Konsistenzprüfung von
Inhalten der Wissensbasis.
BILD 3: Wissensmodell als Merkmalnetz
Die eigentliche Wissensbasis setzt sich aus jeweils
spezifisch instanziierten Wissenselementen des
Klassenwissens zusammen und enthält damit konkretes
Instanzwissen über die Lösungsräume (spezifizierte
Merkmale, die gegebenenfalls über Relationen
verknüpft sind) der Prinziplösungen.
Erzeugung und Prüfung der Wissensmodellteile erfolgt
intern unter Verwendung eines eigenen Schemas als
Metamodell. Die Schnittstellen nach außen (zum Import
und Export) orientieren sich jedoch am bekannten
und offengelegten Schema von Prolist/eCl@ss.
4.4 Verarbeitung
Die Prüfung, ob der durch die Wissensbasis beschriebene
Zusicherungsraum der Prinziplösung dem Anforderungsraum
gerecht wird, ist nicht trivial. Der
Zusicherungsraum ist ein vieldimensionaler Raum
heterogener Dimensionen (verschiedene Skalierungen
können vorkommen – also zum Beispiel ein nicht
durchweg metrisch affiner Raum), bei dem diese gegebenenfalls
noch in vielfältiger Weise voneinander abhängen.
In der Wissensauswertung wird auf den Wertemengen
(Ausprägungen) der Merkmale gearbeitet.
Dafür werden die Zusicherungsmengen (Prinziplösung)
unter Berücksichtigung der Anforderungsmengen
(Prozess-/Nutzeranforderung) und den Abbildungsvorschriften
der Relationen manipuliert. Dabei
wird grundsätzlich zwischen dem Definitionsbereich
des Merkmals (Klassenwissen), dem Grundwertebereich
(Instanzwissen in der Wissensbasis) und dem
Lösungswertebereich (abgeleitet durch die Wissens-
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HAUPTBEITRAG
verarbeitung) unterschieden. Die Wissensverarbeitung
kann grob in die in Bild 4 aufgezeigten Schritte unterteilt
werden.
Nach einer Vorabanalyse und Zerlegung der Wissensbasis
(Analyse und Separierung) in ihre Bestandteile
(Netzwerke) ist es in den nächsten beiden Schritten
das Ziel, den Zusicherungsraum unter Berücksichtigung
der gegebenen Anforderungswerte so stark wie
möglich zu reduzieren. Dazu wird durch jedes der
Merkmalnetze der Wissensbasis propagiert und Dimension
für Dimension sukzessive durch die Ausführung
der in den Relationen geforderten Abbildungsvorschriften
reduziert (Propagation). Um Rückwirkungen
und lokal entstehende Inkonsistenzen auszugleichen,
werden alle Änderungen registriert und die
betroffenen Merkmale in erneuten gezielten Propagationsschritten
(Refinement) bearbeitet. Sind alle Netzwerke
auf diese Weise bearbeitet, existiert damit ein
Gesamtlösungsraum, aus dem sich bereits erste Aussagen
zur Nichteignung der Prinziplösung prüfen lassen
(Vorab-Auswertung). Der Gesamtlösungsraum
enthält immer noch interne Abhängigkeiten und damit
Variationsmöglichkeiten. Zur Ableitung des Wissens
über die tatsächliche Gültigkeit einer Lösung
muss der Gesamtlösungsraum in einem weiteren
Schritt in gültige Einzellösungen gesplittet werden
(Splitting). Existieren mehrere Netzwerke, so müssen
die jeweils erzeugten Einzellösungen (Varianten) abschließend
miteinander zu Gesamtlösungen kombiniert
(Rekombination) werden. Nach dem Splitting
und der Rekombination erfolgt ein erneuter Abgleich
des Anforderungsraums mit allen gültigen Zusicherungsräumen
(Gesamtlösungen) der Prinziplösung.
Wird mindestens ein Zusicherungsraum gefunden,
der den Anforderungsraum gänzlich umschließt, so
ist die Prinziplösung geeignet – ansonsten ist sie definitiv
nicht geeignet (End-Auswertung). Aus dieser
Auswertung kann nun Information für die Erklärungskomponente
abgeleitet werden.
5. IMPLEMENTIERUNG
Für Evaluierung und Nutzung des beschriebenen Konzepts
wurde dieses in Form einer Webanwendung
entsprechend der (Thin-)Client-Server-Architektur
implementiert. Der Nutzer kann dadurch flexibel und
ungebunden über jeden üblichen Webbrowser als Client
mit der Anwendung kommunizieren. Er bringt das
fallspezifische Faktenwissen über die Oberfläche der
Applikation manuell oder über einen Import ein (eine
Schnittstelle steht für NE 100/eCl@ss-konforme Merkmalleisten
im XML-Format zur Verfügung). Bild 5
zeigt dazu beispielhaft einige Auswahlkriterien der
Eingabemaske. Die Nutzeroberfläche wird dynamisch
in Abhängigkeit von den Besonderheiten der Auswahlaufgabe
und den Charakteristika der verwendeten
Merkmale erzeugt. Die Wissensbasis sowie die Bibliothek
sind eigenständige Dateien und sind serverseitig
verfügbar, angepasst an die Auswahlaufgabe. Die algorithmische
Wissensverarbeitung und Auswertung
läuft ebenfalls serverseitig. Das Ergebnis wird dem
Nutzer dann wieder über die Benutzeroberfläche zur
Verfügung gestellt beziehungsweise kann zur Doku-
Analyse und Separierung
Propagation
BILD 4: Schritte der
Wissensverarbeitung
Refinement
Vorab-Auswertung/Vergleich
Vorab-Aussage über
Nichteignung
Splitting
Rekombination
End-Auswertung/Vergleich
Endgültige Aussage über
Eignung/Nichteignung
Aussagen für die
Erklärungskomponente
BILD 5: Eingabemaske für
Anforderungs formulierung
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mentation des Auswahlvorgangs in eine Datei exportiert
werden. Bild 5 zeigt im rechten Bereich eine beispielhafte
Kurzübersicht über das Auswerteergebnis.
Weiterhin ist eine Erklärungskomponente zur detaillierten
Ergebnisbetrachtung und zur Ableitung weiteren
Wissens integriert.
Zur unterstützten (hinsichtlich Korrektheit und Konsistenz)
Erstellung und Pflege der Wissensbasis wurde
ein Wissenseditor implementiert. Wie in Bild 3 zu sehen,
kann dort grafisch und intuitiv Wissen der Wissensbasis,
aber auch der Bibliothek dargestellt und
editiert werden. Die aus dem Wissenseditor exportierbaren
Dokumente im XML-Format lassen sich dann für
die wissensbasierte Auswertung nutzen.
6. BEISPIEL AUSWAHL VON DURCHFLUSS
MESSEINRICHTUNGEN
Das Expertengremium des VDI/VDE-GMA-Fachausschusses
2.40 beschäftigt sich seit Anfang 2009 mit der
Aktualisierung der VDI-Richtlinie 2644 Auswahl und
Einsatz von Durchflussmesseinrichtungen [3]. Im Rahmen
der Richtlinienarbeit wurde über mehrere Jahre
entsprechendes Expertenwissen zusammengetragen
und zunächst in Form einer Tabelle dokumentiert. Diese
Tabelle enthält Konsenswissen über etwa 20 Messprinzipien
und Bauformen von Durchflussmessgeräten
und wurde auf der Grundlage von zirka 35 Auswahlkriterien
formuliert. Mit inzwischen 700 Tabellenfeldern
hat die Tabelle die Grenze deutlich überschritten,
bis zu der eine Auswertung und die notwendige
Pflege des Wissens auf dieser Basis möglich ist. Daher
wurde auf dieses Wissensgebiet das in den vorangegangenen
Abschnitten beschriebene Konzept angewandt
und implementiert. Dazu wurde in der Bibliothek entsprechendes
Klassenwissen über die notwendigen Modellelemente
(Aufgabe – hier: Durchflussmessung, Prinziplösungen
– hier Messprinzipien wie zum Beispiel
Coriolis-Durchflussmesser, Merkmale – beispielsweise
Prozessdruck) angelegt und mittels elementspezifischer
Attribute grundlegend beschrieben.
6.1 Anlegen der Wissensbasis
Im Wissensbasisdokument wurden die Messaufgabe
und darunter die abzubildenden Prinziplösungen angelegt
und wie folgt spezifiziert:
Anlegen einer Wissensbasis für jede Prinziplösung
Spezifizieren der Merkmale einer Prinziplösung
(Instanzen der Merkmalklassen der Messaufgabe),
das heißt beispielsweise Einschränken des Definitionsbereichs
auf den gültigen Grundwertebereich
für das entsprechende Messprinzip sowie gegebenenfalls
Festlegen einer Einheit.
Beispiel: Die Merkmalinstanz Prozesstemperatur
der Prinziplösung Magnetisch Induktiver Durchflussmesser
schränkt den Definitionsbereich ihrer
Merkmalklasse [–273,15 °C … + ∞] auf den
Grundwertebereich [–40 °C … 180 °C] ein.
Anlegen und Spezifizieren von Relationen zwischen
den Merkmalen. Beispiele:
Der Zusammenhang zwischen maximaler Nennweite
und maximalem Nenndruck (Bild 2 rechts
oben) wird als Tabellenrelation abgebildet, wobei
der sich ergebende Lösungsraum zum Beispiel
wie folgt interpretiert werden kann: Wenn
Nenndruck max. bis 100 bar, dann Nennweite
max. bis 300 mm.
Der Zusammenhang zwischen Strömungsgeschwindigkeit,
Volumendurchfluss und Nennweite
wird als symbolische Relation mit dem
Relationsterm 0 = 4 · V – v abgebildet.
π · DN 2
Zusätzlich werden auch die jeweiligen Einheiten
der Merkmale angegeben, für die dieser Ausdruck
gültig ist.
6.2 Anwendung und Auswertung mit Software
Nach Abschluss der Wissensabbildung in Bibliothek
und Wissensbasis wurden die Wissensmodelle automatisch
formalisiert. Sie können nun im Auswahltool
eingelesen und verwendet werden. Über die Oberfläche
wählt der Anwender die in die Auswahl einzubeziehenden
Messprinzipien und Bauformen. Zudem befüllt
er die Eingabemaske, siehe Bild 5, per Datenimport in
Form einer Durchflussmessgeräte-Merkmalleiste mit
den Anforderungen seines konkreten Anwendungsfalls
(zum Beispiel einer bestimmten Messstelle). Alternativ
oder ergänzend kann die Dateneingabe manuell erfolgen.
Die folgende automatische Auswertung der Software
endet mit der Eignungsbewertung der Messprinzipien,
siehe Bild 5, und einer weitergehenden Ergebniserklärung.
Große Teile der Wissensbasis der Richtlinie VDI 2644
wurden auf die oben beschriebene Weise bereits abgebildet
und ausgewertet. Als nützlicher Nebeneffekt hat
sich dabei auch das Hinterfragen von Wissenselementen
und Zusammenhängen durch die strukturierte
Aufbereitung und Beschreibung erwiesen. Somit ließen
sich bereits in einem frühen Stadium Inkonsistenzen
und nicht plausible Aussagen entdecken, diskutieren
und korrigieren. Konzept und entwickelte Software
konnten bereits an vielen Anforderungsbeispielen der
Durchflussmessung erfolgreich getestet, das heißt das
hinterlegte Expertenwissen korrekt und mit erwartungsgemäßem
Ergebnis ausgewertet, werden. Dazu
wurden jeweils praxisrelevante Anforderungsfälle mit
Hilfe der benötigten Merkmale formuliert und die soft-
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HAUPTBEITRAG
waregestützte Eignungsbewertung auf Basis des Wissens
über verfügbare Prinziplösungen durchgeführt.
Die Richtigkeit der Ergebnisse wurde von Fachexperten
der Anwender- und Herstellerseite im GMA-Fachausschuss
2.40 geprüft und bestätigt – sowohl bezogen auf
das Ergebnis der Eignungsbewertung, als auch auf die
von der Software gelieferte Erklärung eventueller
Nichteignung beziehungsweise Hilfestellung für die
gezielte Anpassung der Anforderungen innerhalb gewisser
Spielräume der beschreibenden Merkmale. Die
Weiterentwicklung und Verbesserung in Zusammenarbeit
mit den Experten des Fachausschusses läuft darüber
hinaus weiter.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Die Spezifikation und Auswahl technischer Ressourcen
nimmt innerhalb der Planung und Modernisierung
von Anlagen und insbesondere innerhalb der PLT-Planung
eine bedeutende Rolle ein. Die Herausforderung
ist dabei, trotz der Komplexität dieser häufigen Engineeringaufgabe
im Einzelfall jeweils anforderungsgerecht
zu spezifizieren und auszuwählen. Um die Vielzahl
heterogener Wissensquellen dazu effektiv zu nutzen,
haben sich in der Praxis Vorgehensweisen entwickelt,
die diesen Prozess abkürzen oder den
Lösungsraum a priori stark einschränken. Um den
damit verbundenen und darüber hinaus identifizierten
Defiziten zu begegnen, wurde in diesem Beitrag ein
Konzept für eine wissensbasierte Auswahlunterstützung
beschrieben. Das Konzept beinhaltet die Nutzung
von Merkmalen zur Lösungsraumdarstellung, die Entwicklung
und Abbildung dafür notwendiger Modellelemente,
sowie die Formalisierung des Modells. Eine
Besonderheit stellt vor allem die Beschreibung und
Verarbeitung von Abhängigkeiten zwischen den Merkmalen
dar, die sich im Modellgedanken von Merkmalnetzen
wiederfinden. Abschließend wurde das Konzept
durch Implementierung in eine nutzbare Anwendung
überführt und am konkreten Praxisbeispiel der Auswahl
von Durchflussmessgeräten evaluiert.
Die Resultate zeigen, dass die aufgestellten Anforderungen
erfüllt werden und damit die Engineering-Auf-
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62
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gabe sinnvoll unterstützt wird: Qualität und Reproduzierbarkeit
des Planungsprozesses können bei gleichbleibendem
beziehungsweise sogar abnehmendem
Aufwand gesteigert werden.
Um die Universalität des Konzepts und der Implementierung
zu evaluieren, wurden diese vor kurzem
in den GMA-Fachausschuss 4.17 Energieeffizienz von
Antrieben der Montage- und Handhabungstechnik eingebracht,
der Kriterien zur Antriebsauswahl zusammengestellt
hat. Es konnte gezeigt werden, dass dieses
Expertenwissen in kurzer Zeit in dieses wissensbasierte
System überführt und darin korrekt ausgewertet
werden kann.
Die Autoren streben die Etablierung einer Plattform
an, auf der domänen- und aufgabenstellungsübergreifend
Prinziplösungen anhand formulierten Typwissens
anforderungsgerecht und softwareunterstützt ausgewählt
werden können.
MANUSKRIPTEINGANG
06.06.2014
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
[16] Wollschläger, M., Mühlhause, M., Runde, S., Lindemann,
L.: XML in der Automation: Systematisches
Sprachdesign. In: Tagungsband Entwurf komplexer
Automatisierungssysteme - EKA 2010, S. 21-30,. ifak,
2010
[17] Ahrens, W., Zgorzelski, P.: Elektronischer Austausch
von Produktdaten im PLT-Engineering. In: Tagungsband
Automation 2009, S. 413-416, VDI-Verlag, 2009
[18] Ahrens, W., Scheurlen, H.-J., Spohr, G.-U.: Informations-orientierte
Leittechnik: Informatikmethoden
angewandt
auf leittechnische Fragestellungen. Oldenbourg-
Industrieverlag, 1997
[19] Boersch, I., Heinsohn, J., Socher-Ambrosius, R.
Wissens verarbeitung. Elsevier, 2007
[20] Tripathi, K.P.: A Review on Knowledge-based Expert
System: Concept and Architecture. IJCA Special Issue
on Artificial Intelligence Techniques - Novel Approaches
& Practical Applications (4), S. 21–25, 2011
[21] Stark, M., Hausmann, M., Krost, G.: Expert System
for Component Selection of Self-Sufficient and
Regenerative Electricity Supply Systems with
Hydrogen Storage. In: Proc. Intelligent System
Applications to Power Systems (ISAP’09), S. 1-6.
IEEE, 2009. doi:10.1109/ISAP.2009.5352848
DANKSAGUNG
Die Autoren danken den Mitgliedern und Gästen des
GMA-Fachausschusses 2.40 Durchflussmesstechnik
für Volumen und Masse für wertvolle Anregungen
und konstruktives Feedback. Insbesondere danken
sie Herrn Dr. Brucker (BASF), dem Vorsitzenden
dieses Fachausschusses, auch für das Einbringen
von wertvollem Erfahrungswissen über Durchflussmessverfahren
aus dem Namur-Arbeitskreis 3.2
Durchflussmesstechnik.
AUTOREN
Dipl.-Ing. MAIK RIEDEL
(geb. 1983) ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der
Professur für Automatisierungstechnik
an der
Helmut-Schmidt-Universität/
Universität der Bundeswehr
Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt
ist die wissensbasierte
Unterstützung des Spezifikations- und
Auswahlprozesses technischer Ressourcen.
Institut für Automatisierungstechnik,
Helmut-Schmidt-Universität/
Universität der Bundeswehr Hamburg,
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,
Tel. +49 (0) 40 65 41 36 57,
E-Mail: maik.riedel@hsu-hh.de
Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER
FAY (geb. 1970) ist Professor
für Automatisierungstechnik
an der Fakultät für
Maschinenbau der Helmut-
Schmidt-Universität/
Universität der Bundeswehr
Hamburg. Sein
Forschungsschwerpunkt
sind Beschreibungsmittel, Methoden und
Werkzeuge für einen effizienten Entwurf von
Automatisierungssystemen.
Institut für Automatisierungstechnik,
Helmut-Schmidt-Universität/
Universität der Bundeswehr Hamburg,
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,
Tel. +49 (0) 40 65 41 27 19,
E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de
atp edition
11 / 2014
63
HAUPTBEITRAG
Robustheit industrieller
Produktionsnetze
Belastungstests für Ethernet-basierte Kommunikation
Ethernet-basierte Kommunikationssysteme unterliegen aufgrund ihrer Offenheit
und Anbindung an das Internet einer besonderen Sicherheitsbetrachtung. Aus Sicht
der IT sind vielfältige Erfahrungen vorhanden, um den Gefahren zu begegnen. Derzeit
gelangen auch risikobehaftete Schwachstellen direkt an den Automatisierungsgeräten
in den Blickpunkt, die sich entweder gezielt für Produktionsstörungen ausnutzen
lassen oder die Stabilität des Netzwerks beeinflussen können. Um einen
stabilen Netzwerkbetrieb zu gewährleisten, müssen Konzepte für Robustheitstests
und für ganzheitliche Analysen, insbesondere für Profinet-basierte Produktionsnetzwerke,
in Zusammenarbeit mit den Nutzerorganisationen erarbeitet werden. Für
eine weiterführende Bewertung und Ableitung von notwendigen Maßnahmen ist
dann die Formulierung von Anforderungen und Akzeptanzkriterien notwendig, die
neben der Analyse von Lasttestszenarien in diesem Beitrag behandelt werden.
SCHLAGWÖRTER Diagnose / Test / Profinet IO
Robust Industrial Production Networks –
Robustness Tests for Ethernet-based Communications
Because Ethernet-based communication systems have an open protocol standard
and Internet connections, they call for special security considerations. From the
standard IT point of view there are various ways of dealing with such risks. Attention
is increasingly being paid to weak spots of automation components which could be
targeted to interrupt production or to influence the stability of a network. In order
to ensure a stable network, concepts of robustness testing must be developed in
cooperation with the technology associations, in particular for Profinet based production
networks. For further analysis and to derive appropriate measures it is necessary
formulate requirements and approval criteria. These are considered in this
paper in addition to the analysis of robustness test scenarios.
KEYWORDS diagnosis / test / Profinet IO
64
atp edition
11 / 2014
GUNNAR HARTUNG, Audi
TINO DOEHRING, ifak e.V. Magdeburg
Die Automatisierungslösungen in den Produktionssystemen
sind schützenswerte Funktionseinheiten.
Diese können je nach Betrachtungswinkel
entweder einzelne Automatisierungsgeräte,
Teilanlagen aber ebenso Gesamtanlagen
sein, die in der Regel aus Hard- und
Softwareanteilen bestehen. Da keine Automatisierungslösung
fehlerfrei ist, existieren somit potenzielle,
risikobehaftete Schwachstellen, die sich durch
die zunehmende Vernetzung und den Einsatz Ethernet-basierter
Kommunikationsprotokolle auch missbräuchlich
ausnutzen lassen. Wie Anwender sich gegen
diese Angriffe aus IT-Sicht schützen können, zeigen
verschiedene Handlungsempfehlungen auf [5] und
sie dienen als solide Grundlage zum IT-Schutz des
Produktionssystems.
Ein Fehlverhalten kann aber auch aus einer Überlastsituation
herrühren, die nicht nur bei Angriff durch
Fremdeingriff ausgelöst wird. Beispielsweise ergeben
sich aus verschiedenen topologischen Strukturen, das
heißt der Art der Segmentbildung durch die Steuerungs-
und Switch-Hierarchie und die Anzahl von
Geräten, die diesen zugeordnet werden, unterschiedliche
Lastsituationen für die einzelnen Geräte. Die
Last ergibt sich zum Beispiel beim Ethernet-basierten
industriellen echtzeitfähigen Kommunikationsstandard
Profinet nicht nur aus der Größe und Häufigkeit
der Produktivdienste, sondern auch aus dem Dienstaufkommen
des Netzwerkmanagements. Bisher gibt
es für die Auslegung noch keine genügenden Richtlinien.
Auf dem Weg dahin, sollten die Anlagen einem
entsprechend ausgelegten Test unterzogen werden.
Bisherige Tests überprüfen zum Teil nur das konforme
Verhalten der vorliegenden Kommunikationslösung.
Das Verhalten der Geräte im Produktionssystem, also
an den verschiedenen Stellen der Anlagen-Topologie,
ist nur in ungenügendem Maße bekannt. Ein systemorientierter
Test könnte hierbei Ergebnisse zur Validierung
der Netzwerkauslegung an sich liefern und
Engpässe aufzeigen, die einer späteren Erweiterung
entgegenstehen. Voraussetzungen für solche systemorientierten
Tests sind:
Die eingespeiste Netzlast muss an den Prüfling
weitergeleitet werden (keine Filterung von beispielsweise
LLDP-Paketen in den Switches).
Die Testergebnisse sollen unabhängig von der Performance
der eingesetzten Netzwerkkarte im Testsystem
sein.
Es werden Akzeptanzkriterien für eine automatisierte
Bewertung des Device under Test (DUT) während
der Testdurchführung definiert.
Das Geräteverhalten muss den relevanten Testfällen
zugeordnet werden können.
Eine eindeutige Beschreibung der Points of Control
und Points of Observation für jeden einzelnen Testfall
ist vorhanden.
1. STAND DER TECHNIK BEI NETZWERKTOPOLOGIE
Die Kommunikationssysteme in Produktionsanlagen
der Automobilindustrie basieren auf dem industriellen
Feldbus Profinet. Ein entscheidendes Merkmal ist dabei
die Echtzeitkommunikation. Bei der Audi AG erfolgt
im Karosseriebau eine Segmentierung der Gesamtanlage
in verschiedene Teilanlagen. Die Topologieausprägung
in den Teilanlagen ist im Wesentlichen identisch.
An einem zentralen Switch befinden sich Steuerungskomponente
(Profinet-Controller) und Bedien-PC. Weiterhin
spannen sich verschiedene Netzwerklinien unterschiedlicher
Tiefe mit den Feldgeräten (Profinet-
Devices) auf, siehe Bild 1. Aufgrund des Mengengerüstes
in den Anlagen und der zunehmenden
Gerätefunktionen und -anwendungen rückt eine umfassende
Netzwerkanalyse und Anlagendiagnose immer
mehr in den Vordergrund.
Für eine notwendige Netzwerkanalyse gibt es aus
Sicht des Anlagenplaners verschiedene Motivationsaspekte
und Ziele, die verfolgt werden. So sollte die
Qualität des Profinet-Netzwerkes im Hinblick auf Konfiguration,
Verfügbarkeit, Protokollverteilung, Robustheit/Stabilität
und Kommunikationsanomalien bewertet
werden. Aber auch das Aufzeigen von Verbesserungspotenzial
ist zu berücksichtigen. Ein einheitlicher
atp edition
11 / 2014
65
HAUPTBEITRAG
Qualitätsstempel für die verwendeten Automatisierungskomponenten
mit definierten Qualitätskriterien
wäre hier wünschenswert.
Die Vorgehensweisen bei einer solchen Netzwerkanalyse
sind abhängig vom Aufbauzustand der Automatisierungsanlagen.
So muss beispielsweise eine erste
Messung direkt nach Anlagenaufbau durchgeführt
werden. Dabei wird das Ziel verfolgt, wichtige Basisdaten
zu erfassen und Grundkonfigurationen vorzunehmen.
Eine zweite Messung ist beim Start der Produktion
(SOP) durchzuführen. Dabei müssen Netzwerkdaten
erfasst und das Verhalten bei Grundlast
betrachtet werden. Eine dritte Messung wird beim Erreichen
der Kammlinie (Erreichen der Zielkapazität)
gefordert. Ziel hierbei sind die Analyse und Bewertung
verschiedener Lastszenarien.
Die Validierung einer Profinet-Netzwerkanalyse hinsichtlich
der Ergebnisdarstellung beinhaltet neben den
Teilnehmerlisten und der Darstellung der Netzwerktopologie
der verfügbaren Profinet-Geräte auch deren
wesentliche Merkmale wie:
Gerätenamen,
IP-Adressen und
Firmwarestände.
Entscheidend für die Beurteilung der Netzwerkcharakteristik
sind darüberhinaus die verbindungs- und portbezogene
Netzlast, die Protokollverteilung und die
Portstatistiken. Diese Lasttests sollten bereits Bestandteil
der Messungen nach Anlagenaufbau sein, um in
dieser frühen Lebensphase der Anlage qualitative Aussagen
zum Lastverhalten und der vorhandenen Netzreserve
machen zu können.
Herausforderungen für die durchzuführenden Netzwerktests
an realen Anlagen sind zum einen das unterschiedliche
Zusammenwirken von Komponenten und
Anwendungen und zum anderen das unterschiedliche
Lastverhalten der einzelnen Komponenten. Aber auch
ein automatisierter Testlauf mit Belastungstests bis an
die Systemgrenzen stellt hier eine Herausforderung dar.
Diese Aspekte müssen bei der Definition und Spezifikation
von relevanten Testfällen und -szenarien berücksichtigt
werden.
2. KONZEPT FÜR EINEN SYSTEMORIENTIERTEN TEST
Die im Rahmen eines systemorientierten Tests durchzuführenden
Testfälle sind zu spezifizieren. Besonderer
Fokus liegt hierbei auf der formalen Testspezifikation
für Security-relevante Tests. Weiterhin müssen Testszenarien
erarbeitet werden, die bereits Hersteller von AT-
Komponenten bei einer Geräteentwicklung unterstützen.
Aber auch Tests, die beispielsweise typische Anwendungsszenarien
in bestehenden AT-Anlagen adressieren
und so eine gewisse wirtschaftliche Relevanz haben,
stehen im Fokus der Betrachtungen. Der Wert eines zuverlässigen
Schutzes einer Industrieanlage vor IT-Sicherheitsangriffen
(wie unberechtigter Zugriff, DoS-Angriffe)
ist offensichtlich, da eine verbesserte Verfügbarkeit von
Komponenten aufgrund ihrer Resistenz gegenüber möglichen
Angriffen zu einer höheren Produktivität und
damit Wertschöpfung von Anlagen führt.
Im zu erarbeitenden Testkonzept müssen bestimmte
Anforderungen an den Prüfling spezifiziert werden. Es
werden Aussagen zum geforderten Ausgangszustand
hinsichtlich der AT-Anwendung und der Kommunikation
des Prüflings erwartet. Weiterhin sind Akzeptanzkriterien
zu definieren, um das Verhalten des Prüflings
während der Testdurchführung bewerten zu können.
Damit kann dann eine Testfallbewertung durchgeführt
werden. Für eine solche Bewertung des Prüflings müssen
eindeutige Bewertungskriterien wie Lastklassendefinitionen
oder Ausfallstufen beschrieben sein. Testfälle
sollen automatisiert durchführbar sein und das
beobachtete Geräteverhalten soll mit den durchzuführenden
Testfällen in Zusammenhang gebracht werden.
Zum Testkonzept gehört eine Beschreibung der Testumgebung.
Bei Tests in einer speziellen Testumgebung
müssen verschiedene Geräteeigenschaften berücksichtigt
und dementsprechend bewertet werden. Für die
Bewertung einer Gerätefunktionalität steht so die Verarbeitung,
für die Bewertung einer Switch-Funktionalität
allerdings das Weiterleiten von Nachrichten im
Vordergrund.
Bei der Einarbeitung in das Themenfeld IT-Security
im allgemeinen und das Testthema im speziellen wurden
bei der Erarbeitung des Testkonzepts bereits etablierte
Methoden und Techniken aus der Standard-IT
berücksichtigt, aber ebenso aus dem automatisierungstechnischen
Umfeld.
2.1 Testkonzept und Testumgebung
Im Forschungsprojekt VuTAT [2] wurden Grundlagen
zur Identifikation und Analyse von Sicherheitsschwachstellen
in Ethernet-basierten Automatisierungsgeräten
gelegt, um insbesondere Implementierungs- oder Konfigurationsschwachstellen
auf Geräteebene identifizieren
zu können. Im Rahmen von VuTAT wurden Endgeräte
und Infrastrukturgeräte der industriellen Automatisierungstechnik
auf Schwachstellen untersucht. Neben
den im industriellen Umfeld vorrangig zum Einsatz
kommenden Ethernet-basierten Standardprotokollen
wurden exemplarisch die Profinet-Protokolle betrachtet.
In diesem Vorhaben wurde unter anderem der Open-
Source Schwachstellenscanner OpenVAS weiterentwickelt
und angepasst. So wurde für die Realisierung von
Testfällen mit Layer2-Kommunikation das Scapy-Tool
in das modulare OpenVAS-Framework integriert und
eine Vermittlerschicht zum überlagerten OpenVAS-
Management implementiert. Mit Hilfe von Scapy können
skriptsprachenbasiert (Python) Datenpakete generiert,
gesendet und empfangen werden. Zusätzlich lassen
sich Pakete vieler Protokolle direkt erstellen, ohne
Rohdaten bearbeiten zu müssen. Außerdem lassen sich
mit Scapy Datenpakete mit falschem Inhalt (zum Beispiel
falsche Längenfelder) erstellen und senden. Scapy
ist kein Testtool im eigentlichen Sinne, es eignet sich
aber sehr gut zum skriptbasierten Erstellen von Testfäl-
66
atp edition
11 / 2014
BILD 1: Netzwerkkonzept im Audi-
Karosseriebau Audi A3 an den
Standorten Ingolstadt und Györ
BILD 2:
Testumgebung
nach ISCI
BILD 3: Exemplarische Ermittlung
von Bewertungskriterien
len, die beispielsweise die Robustheit von Automatisierungslösungen
testen. Das erarbeitete Testkonzept in
VuTAT orientierte sich außerdem an der Testspezifikation
des ISA Security Compliance Institute (ISCI), siehe
Bild 2, und an den Securitytest-Aktivitäten im AT-Umfeld
(Security Level 1 Tester; SL1T).
Die beschriebene Testumgebung und die spezifizierten
Testfälle der ISCI-Spezifikationen wurden im
VuTAT-Kontext angepasst und erweitert. Für die speziellen
Securitytests aus dem AT-Umfeld wurden ein
Reverseengineering durchgeführt und formale Testfallbeschreibungen
abgeleitet.
Im Rahmen der Testspezifikationsarbeiten wurden
dann mögliche Testgruppen definiert. So wurden definierte
Lasttests mit Standard-IT Protokollen und
Diensten, aber auch mit Protokollen und Diensten aus
dem industriellen Umfeld (beispielsweise Profinet)
beschrieben. Dies erfolgte unter anderem in Anlehnung
an die aktuelle SL1T-Umsetzung aus dem AT-
Umfeld. Außerdem wurden die spezifizierten CRT-
Tests (Communication Robustness Testing) nach ISCI
umgesetzt und in die OpenVAS-Testbibliothek integriert.
Nach wie vor können ebenso die existierenden
Securitytests aus dem IT-Umfeld aus der OpenVAS-
Testbibliothek ausgeführt werden.
Die exemplarische Ermittlung von Akzeptanzkriterien
zeigt das Bild 3. Zu diesen Kriterien gehören anwendungs-
und kommunikationsbezogene Kenngrößen wie
Zykluszeit, Übertragungszeit und die Paketverlustrate.
Eine Testapplikation (Test-APP) im Profinet-Controller
liest ein Triggersignal ein (Digital Input) und spiegelt das
Signal auf einen digitalen Ausgang des Profinet-Device.
Dabei wird der Wert des Triggersignals über die zyklische
Profinet-Kommunikation transportiert.
Eine Komponente zur Kenngrößenermittlung (ifak-
Multiface) speist das Triggersignal ein und greift es
auf der Deviceseite wieder ab. Die Messungen und die
Weiterverarbeitung erfolgen intern in dieser Komponente.
Randbedingungen für die Durchführung der
Messungen sind hier der Profinet-Zyklus, Profinet-
Applikationszyklus und der Triggerungszyklus des
Einspeisesignals. Für die Erzeugung einer definierten
Netzlast und eines definierten Inhalts kommt ein
Testwerkzeug zum Einsatz, das mit Hilfe von konfigurierbaren
Testdaten Netzlasten unterschiedlicher
Höhe und unterschiedlichen Inhalts erzeugt und in
das Netzwerk einspeist.
Außerhalb der VuTAT-Aktivitäten wurden weitere
Testszenarien definiert, um in kritischen Netzwerkpunkten
einer bestehenden Profinet-AT-Anlage (beispielsweise
bei großer Linientiefe) die mögliche Profinet-Netzreserve
ermitteln zu können. Kritische Netzwerkpunkte
sind beispielsweise Stellen innerhalb einer Netzwerktopologie,
in denen eine Anlagenerweiterung zu instabilem
Kommunikationsverhalten und somit zum Produktionsausfall
führen kann. Als Profinet-Netzreserve ist die Anzahl
weiterer möglicher Profinet-Komponenten mit typischem
Kommunikationsverhalten zur Erweiterung von
Netzwerktopologien zu verstehen. Dieser Use-Case wird
im folgenden Kapitel näher beschrieben.
atp edition
11 / 2014
67
HAUPTBEITRAG
2.2 Ermittlung der Netzreserve
Dieses beschriebene Anwendungsszenario kann sowohl
Bestandteil eines Interoperabilitätstests bei der
Zertifizierung von Automatisierungskomponenten als
auch ein systemorientierter Testfall in einer bestehenden
AT-Anlage sein. In kritischen Netzwerkpunkten,
das kann entweder das gesamte Netzwerk, eine kritische
Netzwerkstrecke oder lediglich ein Prüfling in
einer Laborumgebung sein, wird definierte Netzlast
injiziert, siehe Bild 4.
Ein Netzlastgenerator simuliert hier mit der injizierten
Netzlast zusätzliche Profinet-Komponenten innerhalb
der zuvor dargestellten Netzwerktopologie und
erweitert so virtuell die Mengengerüste in der
Netzwerk linie. Die Injektion erfolgt durch Erzeugung
und Einspeisung von spezifischer Profinet-Kommunikationslast
(zyklisch, azyklisch), wie sie typischerweise
in der kritischen Netzwerktopologie auftritt. Eine
Analyse der vorliegenden typischen Kommunikation
ist hierbei Voraussetzung. Zu den Parametern dieser
Profinet-Kommunikationslast gehören unter anderem
die Paketlängen und -zykluszeiten der zyklischen Profinet-Kommunikation
und die Datenlänge und der prozentuale
Anteil der azyklischen Profinet-Kommunikation.
Auf Grundlage dieser Information können weitere
Profinet-Teilnehmer simuliert werden, deren Netzlast
dann in die Linientopologie eingespeist wird. Die Anzahl
der zu simulierenden zusätzlichen Profinet-Komponenten
kann variiert werden, ebenso ob die eingespeiste
Kommunikation gerichtet oder ungerichtet sein
soll. So kann die Device- oder die Switch-Funktionalität
eines AT-Gerätes in den Tests geprüft werden.
3. UMSETZUNG UND ERSTE ERFAHRUNGEN
Die Ansätze des zuvor beschriebenen Konzepts wurden
zum Teil prototypisch umgesetzt und konnten bereits in
einer realen Produktionsanlage evaluiert werden, in der
eine Großzahl von Profinet-basierten Netzwerken existieren.
Im Rahmen der Tests wurde in diesen Profinet-
IO-Anlagensegmenten zunächst ein Topologiescan
durchgeführt, um die Topologie der einzelnen Produktionsanlagenteile
zu ermitteln. Dazu wurden Profinetspezifische
Protokolle und Dienste genutzt (DCP_
Identify(All), Implicite-RecordRead(Index=PDRealData)).
Als Netzwerkzugang wurde hierfür ein freier Service-
Port eines Switches in der Profinet-IO-Anlage verwendet.
Die zu sendenden Datenpakete und die empfangenen
Antworten wurden mit Hilfe von Scapy-Skripten realisiert,
analysiert und interpretiert. Anschließend wurden
die Datensätze speziell formatiert und mit einem Grafikwerkzeug
visualisiert. Über einen solchen Topologiescan
ist es dann möglich, kritische Netzwerkpunkte oder
-strecken zu lokalisieren. In diese kritischen Netzwerkpunkte
beziehungsweise -strecken konnte dann Netzlast
in Form von simulierten, zusätzlichen Profinet-Teilnehmern
injiziert werden, um eine Profinet-Netzreserve zu
ermitteln. Parallel zur Injektion der Netzlast wurden die
auftretenden Datenströme aufgezeichnet, um später das
Verhalten der AT-Geräte in der kritischen Netzwerkstrecke
bewerten zu können.
Weiterhin wurde für Diagnosetests kurzzeitig die
Netzwerkverbindung zwischen der Profinet-IO-Steuerung
und dem zentralen Netzwerk-Switch aufgetrennt
und ein passiver Netzwerk-TAP (Test Access Point) eingefügt,
um den gesamten Netzwerkverkehr von und zur
Profinet-IO-Steuerung aufzuzeichnen (Profinet-spezifischer
Datenverkehr und Standard-IT-relevanter Datenverkehr).
Diese Aufzeichnungen wurden unter anderem
dazu verwendet, um fehlende Information in der Topologieermittlung
zu ergänzen. Aus den Daten der gerätetypischen
Informationsbasis ließ sich dann eine eindeutige
Netzwerktopologie ermitteln und visualisieren.
Bestandteil der Messungen waren ferner Untersuchungen
der Anlagenteile auf Kommunikationsanomalien.
Hierzu wurden Datenströme an freien Service-
Ports eines Profinet-Switches und vor der Profinet-
Steuerung aufgezeichnet. Zu Kommunikationsanomalien
zählen unter anderem:
Unerwartetes Empfangen von bestimmten Paketen
an beispielsweise Service-Ports von Switches (zum
Beispiel Multicast/Broadcast-Pakete aus anderen
Netzwerksegmenten ohne Ziel innerhalb des analysierten
Segments)
Unerwartete Verbindungsabbrüche (Messung vor
SPS erforderlich)
Generell unerwartetes oder ungewolltes Verhalten
(clRPC Pings, Profinet-RTA-Wiederholungen,…)
Unbekannte Kommunikation von unbekannten
Anlagenteilnehmern (zum Beispiel Unicast-Pakete,
adressiert an einen unbekannten Netzwerkteilnehmer)
Auf Grundlage der vorliegenden Anlagentopologie wurde
dann eine möglicherweise kritische Netzwerklinie
auf Stabilität und Netzreserve analysiert. Am Ende der
Netzwerklinie wurde die in der Linie auftretende gerätetypische
Netzlast so injiziert, das Netzlast in Form
von zusätzlichen Profinet-Teilnehmern simuliert werden
konnte. Am Anfang der kritischen Netzwerklinie
wurden von einem Netzwerk-TAP die dort auftretenden
Datenströme gemessen und im Nachgang ausgewertet.
Dies ermöglicht eine Bewertung des Verhaltens der AT-
Komponenten mit und ohne zusätzliche Netzlast.
Gleichzeitig konnte für diese Netzwerklinie eine Aussage
über die mögliche Netzreserve getroffen werden.
3.1 Ergebnisse der Messungen und deren Bewertung
In der Visualisierung der Anlagentopologie, Ausschnitt
siehe Bild 5, wurden Netzwerklinien unterschiedlicher
Tiefe lokalisiert. Die Namen und IP-Adressen in dieser
Abbildung sind aus Sicherheitsgründen unkenntlich
gemacht. Der erste Netzwerkteilnehmer nach dem dargestellten
zentralen Switch muss alle Netzwerkpakete
der in der Linie dahinter liegenden Profinet-Geräte weiterleiten,
die zur Steuerung gehen und von der Steuerung
kommen. Dieser Teilnehmer ist demnach beson-
68
atp edition
11 / 2014
ders belastet, und es könnte hier ein Flaschenhals bei
hohen Netzlasten entstehen.
Mit Hilfe der durchgeführten Netzlasttests in einer
Netzwerklinie konnte das veränderte Kommunikationsverhalten
von einzelnen AT-Komponenten gemessen
und bewertet werden. Bild 6 veranschaulicht exemplarisch
die Streuung der zyklischen Profinet-Kommunikation
mit und ohne zusätzliche Netzlast. Die mit
rot gezeichneten Ergebnisse zeigen die Verteilungen der
gemessenen Übertragungszeiten. Ohne Netzlast zeichnen
sich eindeutige Cluster ab, Bild 6 oben links, hervorgerufen
durch die Asynchronität der Applikationsund
Kommunikationsmaschinen im Profinet-Gerät.
Diese Clusterung verschwindet unter Netzlast, die
Messungen zeigen hier eine breite Streuung der ermittelten
Kenngröße, Bild 6 oben rechts. Für die Interpretation
der Ergebnisgraphen sind unterschiedliche Darstellungsweisen
herangezogen worden, siehe Bild 6
unten links und rechts, um eine ganzheitliche Bewertung
der Tests gewährleisten zu können.
Mit dem vorgestellten Testkonzept von Performanceund
Robustheitstests kann künftig eine Netzreserve im
laufenden Betrieb einer AT-Anlage ermittelt werden.
Für einen Profinet-Strang, beispielsweise innerhalb
einer Linientopologie, können so Aussagen über eine
mögliche Profinet-Netzwerkreserve mit definierter
Profinet-Kommunikation getroffen werden.
Bei den Messungen und der anschließenden Analyse
in den Profinet-Anlagen konnten weiterhin folgende
Kommunikationsanomalien ermittelt werden, die im
Nachgang vom Anlagenbetreiber beseitigt wurden:
Trotz logisch getrennter Netzwerksegmente wurden
zyklische Profinet-Pakete aus einem anderem
Profinet-Netzwerksegment aufgezeichnet! Da die
Zugänge zu den einzelnen Netzwerksegmenten so
konfiguriert sein sollten, dass speziell Profinet-
Kommunikation aus anderen Netzwerksegmenten
nicht weitergeleitet wird, führt dieses Fehlverhalten
zu einer ungewollten und zusätzlichen Netzlast
BILD 4: Generierung und Einspeisung
von definierter Profinet-Netzlast
BILD 5: Topologieauschnitt
einer Profinet-Teilanlage
BILD 6: Verteilungskurven mit und
ohne zusätzlicher Profinet-Netzlast
atp edition
11 / 2014
69
HAUPTBEITRAG
AUTOREN
im analysierten Netzwerksegment, verursacht von
einem fehlerhaft arbeitenden Linien-Switch.
In allen Profinet-Anlagen wurden zyklisch gesendete
Broadcast UDP-Pakete aus anderen Netzwerksegmenten
aufgezeichnet. Die Verarbeitung dieser
verbreiteten Information war allerdings lediglich
für die Leitstation bestimmt. Diese Broadcast-Pakete
erzeugten in den Anlagen eine unnötige zusätzliche
Netzlast. Ursache waren falsch konfigurierte
AT-Komponenten. Durch ein Umkonfigurieren
dieser Geräte, was normalerweise nach der
Inbetriebnahmephase der Anlage passieren sollte,
Dipl.-Ing. TINO DOEHRING (geb. 1976)
studierte Elektrotechnik an der
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
mit dem Schwerpunkt Automatisierungstechnik.
Nach dem Studium
begann er Anfang 2006 seine Tätigkeit
am ifak für den Forschungsschwerpunkt
„Eingebettete und kooperative
Systeme“ und ist nun im Geschäftsfeld
„IKT und Automation“ aktiv. Seine Arbeitsschwerpunkte
sind unter anderem der industrielle Kommunikationsstandard
Profinet und IT-Security-Aspekte im Bereich der
industriellen Automation.
ifak e.V. Magdeburg,
Werner-Heisenberg-Str.1, D-39106 Magdeburg,
Tel. +49 (0) 391 990 14 88,
E-Mail: tino.doehring@ifak.eu
Dr.-Ing. GUNNAR HARTUNG (geb. 1962)
studierte Elektrotechnik an der TU
Ilmenau. Hier promovierte er 1990 im
Bereich Isolier- und Hochspannungstechnik.
Seine berufliche Tätigkeit
begann er am Fraunhofer IFF Magdeburg
im Bereich Automatisierungstechnik.
Nach Tätigkeiten bei BOS Systemhaus
und der ISIK mit den Schwerpunkten
Entwicklung datenbankgestützter Produktionsleitsysteme
zur Qualitäts- und Betriebsdatenerfassung und
Vernetzung von Maschinen und Anlagen in Produktionssystemen
übernahm er am 1.1.2012 die Leitung der Abteilung
Automatisierungstechnik Karosseriebau bei der Audi
AG. Arbeitsschwerpunkte sind die Planung und Realisierung
der Anlagensteuerung der Karosseriebauanlagen für
die Standorte Ingolstadt, Brüssel, Györ und Mexiko.
Audi AG,
I/PG-C62, D-85045 Ingolstadt,
Tel. +49 (0) 841 893 80 44,
E-Mail: gunnar.hartung@audi.de
konnte von Broadcast- auf Unicastkommunikation
umgestellt und somit die Netzlast in allen nicht
beteiligten Netzwerksegmenten reduziert werden.
AUSBLICK
Die gewonnenen Erfahrungen aus den durchgeführten
Tests und Messungen fließen aktuell in laufende
Foschungsaktivitäten ein. Im Rahmen des Vorhabens
DIA.LYSIS [6] soll ein verteiltes und modulares Framework
zur Netzwerkdiagnose und Prozessdatenanalyse für
Ethernet-basierte Automatisierungssysteme entwickelt
werden. Eine prototypische Umsetzung erfolgt mit Fokus
auf Profinet. Es sollen neue und typische Anwendungsszenarien
definiert und umgesetzt werden. Im Mittelpunkt
stehen hier Soll-Ist-Vergleiche, die automatisierte
Erkennung von Kommunikationsanomalien, erweiterte
Robustheits- und Stabilitätstests und eine automatische
Analyse der Protokollverteilungen. Weiterhin werden
Methoden zur wissensbasierten Messdatenanalyse, -auswertung
und -aufbereitung herangezogen und die Visualisierung
von Strukturen und Zuständen betrachtet. Das
Ziel ist, mit dem Einsatz des Frameworks speziell Anlagenbetreiber
bei systemorientierten Tests zu unterstützen,
um Störungen oder Anlagenausfallzeiten zu minimieren.
Der Einsatz des Frameworks soll zu jedem Zeitpunkt im
Lebenszyklus einer Automatisierungsanlage innerhalb
des Produktionsnetzwerkes möglich sein. Auch eine Erweiterung
des Testumfangs aufgrund neuer Anforderungen
ist vorgesehen.
MANUSKRIPTEINGANG
12.03.2014
REFERENZEN
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet
[1] IEC 64223: Security for industrial automation and
control systems - Network and system security.
Geneva 2011
[2] VuTAT: Vulnerability Tests of AT Components, Laufzeit:
10/2009 bis 12/2012, Förderkenn zeichen:16231 BG1
[3] ISA Security Compliance Institute;
http://www.isasecure.org/
[4] EDSA-310: Embedded Device Security Assurance
– Common requirements for communication robustness
testing of IP-based protocol implementations Version
1.7. ISA Security Compliance Institute, September 2010
[5] Bundesamt für Sicherheit in der Informaionstechnik:
IT-Grundschutz-Kataloge, Online auf
https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ITGrundschutz/ITGrundschutzKataloge/itgrundschutzkataloge_node.html
[6] DIA.LYSIS: Basissystem für verteilte Netzwerkdiagnose
und Prozessdatenanalyse. Gefördert durch
BMWI (INNO-KOM-OST, Modul: Vorlaufforschung),
Reg.-Nr.: VF120048
70
atp edition
11 / 2014
PRODUKT & UNTERNEHMEN
Profibus & Profinet International zeigt bei der SPS IPC Drives
mit etwa 100 Mitausstellern neue Technologien
Profibus & Profinet International
(PI) und rund 100 Mitaussteller
präsentieren bei der Messe
SPS IPC Drives in Nürnberg Geräte
und Technologien rund um
Profibus, Profinet und IO-Link.
Messehighlight soll ein Papierflieger-Modell
sein, das in Zusammenarbeit
mit der TU Darmstadt
erstellt wurde und anschaulich die
Funktionsweisen der Technologien
zeigt. Aus einem einfachen Blatt
Papier, das personalisiert bedruckt
werden kann, wird durch spezielle
Falt- und Wendemechanismen ein
präzises Flugobjekt.
Vielfalt und Breite der Technologien
spiegele sich auch in Live-Demos
wider. Mit einer technologieübergreifenden
Multivendor-Wand
zeigt PI die breitgefächerte Produktund
Herstellervielfalt. 15 % der gezeigten
Geräte seien neu zertifiziert.
Vorträge im Forum über neueste Entwicklungen, Trends, Einsatzbereiche
und Vorteile der PI-Technologien informieren die Besucher. Bild: PI
Die Live-Demo von Profibus und
Profinet für die Prozessautomatisierung
zeige den einfachen Gerätetausch
und die Diagnose gemäß der
NE107. Die Präsentation werde
durch FDI komplettiert.
IO-Link ist mit 140 Produkten auf
dem Gemeinschaftssand vertreten,
wovon 15 % der Geräte neu auf dem
Markt verfügbar sind. (gz)
www.profibus.com
Demonstration bei Messe:
The Connected Enterprise live erleben
Die Produktion der Zukunft stellt
Rockwell in den Mittelpunkt des
Messeauftritts. Bild: Rockwell
Wie sieht die Produktion der Zukunft
aus? Diese Frage steht im
Mittelpunkt des diesjährigen Messeauftritts
von Rockwell Automation
auf der SPS IPC Drives. Das Unternehmen
präsentiert „The Connected
Enterprise“, einen Ansatz,
der zeigt, wie die Prinzipien von
Industrie 4.0 in der Praxis genutzt
werden können.
An einer simulierten Produktionsstraße
können sich Besucher
über die Vorteile vernetzter Unternehmen
informieren. Sie können an
Software-Stationen am Stand direkt
Produktionsdaten aus der simulierten
Produktionsstraße auslesen
und die Vorteile von Echtzeitdaten
für eine schnelle Entscheidungsfindung
kennenlernen.
Teil der Produktionsstraße sind
ein Prozess-Skid, die Servoantriebslösung
iTrak und ein Trayfeeder.
Das iTrak-System ist ein modulares,
skalierbares Linearmotorsystem,
das die Leistungsfähigkeit bei vielen
Anwendungen erhöht. Das flexible
Palettenwechselsystem Trayfeeder
eines deutschen Maschinenbauers
demonstriert Flexibilität und
Leistung und wird komplett mit
dem Midrange-Portfolio von Rockwell
Automation gesteuert. (gz)
www.rockwellautomation.de
Führungswechsel
bei Phoenix Contact
um 1. Januar 2015 wird Frank
Z Stührenberg, Geschäftsführer
Vertrieb, Vorsitzender der Geschäftsführung
der Phoenix Contact
GmbH & Co KG. Er übernimmt damit
das Amt sowie die Aufgaben,
die bisher Klaus Eisert als geschäftsführender
Gesellschafter innehatte.
Die Zuständigkeit für den Geschäftsbereich
Vertrieb behält Stührenberg
weiterhin inne. Auch die
gemeinsame Verantwortung sowie
Zuständigkeiten der vier anderen
Geschäftsführer bleiben bestehen.
Klaus Eisert, der seit 2006 keinem
Geschäftsbereich mehr vorstand,
bleibt weiterhin dem Unternehmen
erhalten. Jetzt gilt sein Augenmerk
der Bildung eines Beirats, der sich
aus Gesellschaftern sowie externen
Personen zusammensetzt. Dieser
Beirat wird zukünftig das Bindeglied
zwischen der angestellten Geschäftsführung
sowie den Familien-
Gesellschaftern darstellen. (gz)
www.phoenixcontact.com
atp edition
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PRODUKT & UNTERNEHMEN
Scada-Lösungen
für Industrie 4.0
Copa-Data präsentiert auf der SPS
IPC Drives durchgängige Lösungen
für Industrie 4.0: Lösungen
für industrielle Umgebungen, die
vollständige Integration in Wertschöpfungs-
und Geschäftsprozesse
ermöglichen, sich durch Flexibilität
und Erweiterbarkeit auszeichnen,
ergonomisch sind und Ressourceneffizienz
zum Ziel haben.
Basis dafür ist die Zenon-Produktfamilie.
Damit sei es möglich,
Lösungen für die Steuerung, Visualisierung
und Datenanalyse aufzubauen,
die sich flexibel anpassen
und ergonomisch bedienen lassen.
Dank der Offenheit und Plattformunabhängigkeit
könnten Zenonbasierende
Anwendungen – horizontal
wie vertikal – sehr einfach
in bestehende wie neue Infrastrukturen
integriert werden. Zudem ermögliche
Zenon vernetzte, sichere
Kommunikation.
Möglich seien etwa Anlagen- und
unternehmensübergreifende Datenanalyse
mit Zenon in der Cloud.
Ebenso lasse sich die Ressourceneffizienz
steigern, da man mit Zenon
alle betrieblichen Energie- und Verbrauchsdaten
messen, erfassen,
sammeln, analysieren und weiterverarbeiten
könne. Einen weiteren
Messeschwerpunkt legt Copa-Data
in das Thema Security. (gz)
Auf Zenon-Basis lassen sich auch
Lösungen zum Energie-Management
realisieren Bild: Copa-Data
www.copadata.de
Kabel- und lüfterlos soll neuer Box-PC
auch im widrigen Umfeld bestehen
Kompakt, zuverlässig und robust –
mit diesen Eigenschafen soll der
DC-1100 überzeugen. Bild: Comp-Mall
Einen nach eigenen Angaben besonders
zuverlässigen und robusten,
lüfterlosen und kabellosen
Box-PC stellt Comp-Mall mit dem
Modell DC-1100 vor. Mit dem
4 Kern-Intel-Atom-Prozessor E3845
Quad Core, 1.91 GHz, soll es die industrielle
Nachfrage nach hoher
Leistungsdichte und Flexibilität bei
geringer TDP auf kleinem Raum be-
IO-Link 1.1 für den letzten Meter zu I4.0
B
&R stellt zwei neue Master-Module
zur digitalen Kommunikation
mit je 4 intelligenten Feldgeräten
über IO-Link 1.1 vor: Das X20D-
S438A gemäß Schutzart IP20 und
das X67DS438A in Schutzart IP67
für die Verwendung außerhalb des
Schaltschranks. Die Vision Industrie
4.0 postuliert, dass Werkstücke
selbstständig durch den Produktionsprozess
wandern und eigenständig
ihre Produktion steuern. Dazu
muss die Sensorik ausgebaut werden.
Selbst bei recht einfachen Sensoren
steigt die Intelligenz. Der digitale
Parametersatz ersetzt mehr und
mehr das Einstell-Potenziometer.
Für den letzten Meter vom I/O-
Modul zum Sensor oder Aktor setzt
B&R daher bereits seit Jahren auf
den internationalen Kommunikationsstandard
IO-Link. Als bidirektionale,
digitale Kommunikationsschnittstelle
für den Feldbereich
erlaubt dieser auch den Austausch
von Parameterdaten und Diagnoseinformationen
und ermöglicht so
eine intelligente Anbindung von
friedigen. Kabelloses Design verhindere
Ausfälle durch Kabelbruch,
gute Wärmeableitung lasse
den Lüfter überflüssig werden, und
das widerstandsfähige Metallgehäuse
biete mechanischen Schutz.
Mit 185 x 131 x 54mm sei das Modell
DC-1100 ideal für platzkritische
Verhältnisse beispielsweise
im industriellen Umfeld, in Sicherheitsanwendungen,
im mobilen
Einsatz oder in der Gebäudeautomation.
Der große Temperaturbereich von
–20°C bis 60°C und der Schutz gegen
Stöße und Vibration lasse auch
mobilen Betrieb in Pkw, Omnibus
oder Lkw, Schiff oder Zug zu. Für
den Internet-of-Things-Bereich eigne
sich das Modell DC-1100 durch
seine hohe Rechenleistung als intelligenter
Control Server. (gz)
www.comp-mall.de
Mit IO-Link 1.1 im X20-System von
B&R vereinfacht sich die Anbindung
der Sensorik. Bild: B&R
Sensoren und Schaltgeräten an die
Steuerungsebene. Die Vereinheitlichung
der Kommunikation zu den
Endgeräten vereinfacht entscheidend
deren Integration. Zudem erleichtert
die zentrale Parameterverwaltung
deren Austausch. Damit ist
IO-Link die ideale Ergänzung zum
industriellen Echtzeit-Ethernet Powerlink.
(gz)
www.br-automation.com
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atp edition
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Mit webbasierter Visualisierungssoftware
die Automatisierung komplett im Blick
Mit der webbasierten Visualisierungssoftware
PASvisu zeigt
Pilz den Anwendern bei der SPS IPC
Drives eine Software für den Bereich
Bedienen und Beobachten, die
zugleich leistungsstark und einfach
zu handhaben sei.
Die plattformunabhängige Visualisierung
beruhe auf aktuellsten
Webtechnologien wie HTML 5,
CSS3 und JavaScript. PASvisu ist
Pilz zufolge intuitiv zu bedienen
und biete gestalterische Freiheit für
Projekte: Mit PASvisu will Pilz seinen
Anspruch als Komplettanbieter
für die sichere Automatisierung
unterstreichen. Die Visualisierungssoftware
ermögliche es, über
den PASvisu Builder Visualisierungsprojekte
einfach zu erstellen
und zu konfigurieren.
Dank des Zugriffs auf alle Daten
eines Automatisierungsprojekts inklusive
aller Prozessvariablen und
OPC-Namensräume entfalle die fehleranfällige,
manuelle Eingabe sowie
Zuordnung von Variablen. So
ließen sich zum Beispiel auch Informationen,
wie die Checksumme des
Projekts oder die Firmware-Version
des Steuerungs-Kopfes abrufen.
Auswählbare Styles über CSS3
sorgen laut Pilz mit nur einem
Klick für ein einheitliches, projektweites
Erscheinungsbild. Vordefinierte
grafische Eingabe- und Anzeigeelemente,
sogenannte Kacheln,
böten bereits alle relevanten
Eigenschaften, wie Präfix, Suffix
und Fehlerstatus.
(gz)
www.pilz.com
Leistungsstark und einfach zu
bedienen sei die webbasiserte
Visualisierungssoft ware PASvisu,
betont der Hersteller. Bild: Pilz
Neue Lösungen für Softwareengineering und Mechatronik
sollen Maschinenaufgaben einfach und sicher umsetzen
Auf der SPS IPC Drives zeigt Lenze,
Spezialist für Motion Centric
Automation, neueste Lösungen aus
den Bereichen Softwareengineering
und Mechatronik, mit denen sich
Maschinenaufgaben möglichst einfach
und sicher umsetzen sowie
Engineering-Aufwände wesentlich
reduzieren lassen.
Highlights auf dem Messestand
sind Softwarebausteine für die Robotik
als aktuelle Ergänzung der
bewährten Application Software
Toolbox Lenze Fast, ein neuartiges
gestengesteuertes Bediensystem für
die Maschinenvisualisierung sowie
mechatronische Antriebspakete für
die Fördertechnik.
Stark sieht sich Lenze besonders
bei modularen, standardisierten
und wiederverwendbaren Softwarebausteinen.
Aktuellster Neuzugang
innerhalb der seit Jahren
bewährten Application Software
Toolbox Fast sind komplette vorgefertigte
Module für die Robotik.
Mit ihnen gelingt Lenze zufolge
die Integration der Kinematiken in
die Gesamtautomatisierung und
deren Bewegungsfunktionen sehr
einfach. Sie beinhalten Technologiemodule
für Pick & Place-Bewegungsfunktionen
sowie die entsprechende
Koordinatentransformation
für unterschiedliche Kinematiken,
basierend auf PLCopen
Part 4. Engineering und Support
würden auf diese Weise deutlich
vereinfacht.
Einfaches Bedienen und Beobachten
von Maschinen ermögliche das
neuartige und benutzerfreundliche
multitouchbasierte Bediensystem
für die Visualisierung. Es überzeuge
durch gestengesteuerte ergonomische
Bedienung wie sie bei Smartphones
und Tablets bekannt ist. (gz)
www.Lenze.com/de
Lenze will Maschinenbauern die Realisierung von Maschinenkonzepten
erleichtern und Freiräume für Alleinstellungsmerkmale geben. Foto: Lenze SE
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IMPRESSUM / VORSCHAU
IMPRESSUM
VORSCHAU
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Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple
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(VDI/VDE-Gesell schaft Messund
Automatisierungs technik)
und der NAMUR (Interessengemeinschaft
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der Prozessindustrie).
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Markus Hofelich (verantwortlich)
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Gerd Scholz (gz)
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Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas
(Chefredakteur, verantwortlich
für die Hauptbeiträge)
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Fakultät Elektrotechnik
und Informationstechnik
Professur für Prozessleittechnik
D-01062 Dresden
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Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite
Dr.-Ing. Bernhard Kausler
Dr.-Ing. Niels Kiupel
Prof. Dr.-Ing. Gerrit Meixner
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Praxis – rtp“ gegründet.
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MIT DEM SCHWERPUNKT
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Automatisierungsgeräte
werden I40-Komponenten
Smart FAT – Zur
Sicherheit automatisiert
Trends der Technik und
des Engineering
IT-Sicherheit in der
Automatisierung
Aus aktuellem Anlass können sich die Themen
kurzfristig verändern.
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74
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von −40 °C bis +70 °C
eXTRem spannungsfest bis 5 kV
eXTRem vibrationsfest bis 5g
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Kompakt, flexibel & modular:
Kleinste, feldbusunabhängige
Steuerung (SPS)
IEC-61131-3-programmierbar
500 verschiedene I/O-Module
Standard-I/O- und Ex-i-Module
kombinierbar
Einspeisungen verschiedener
Potentiale in einem Knoten
Entwickelt für den Ex-Bereich:
Zugelassen für den Einsatz in
Zone 2/22
Ex-i-I/O-Module zum Anschluss
eigensicherer Sensorik/Aktorik
Zertifiziert gemäß ATEX, IECEx,
UL, ANSI/ISA 12.12.01, UL508,
Schiffbau, Rostest usw.
IEC 60870
IEC 61850
NAMUR
STROMVERSORGUNG MIT SYSTEM
Leistungsstark und effizient
EPSITRON ®
EPSITRON ®
EPSITRON ®
EPSITRON ®
COMPACT Power
ECO Power
CLASSIC Power
PRO Power
Die Kompakten –
Die Wirtschaftlichen –
Die Robusten –
Die Leistungsstarken –
im flachen Reihen-
zur Standardversorgung
DC 12 V, 24 V, 48 V
mit TopBoost, PowerBoost
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mit DC 24 V,
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