Der Spitzel war immer dabei - Kath.de
Der Spitzel war immer dabei - Kath.de
Der Spitzel war immer dabei - Kath.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Werner Kaltefleiter: <strong>Der</strong> <strong>Spitzel</strong> w ar <strong>immer</strong> <strong>dabei</strong>. Über <strong>de</strong>n Kirchenkampf im Kalten Krieg<br />
Mit „Tuch“ und „Händler“ kein Geschäft<br />
An dieser Stelle zur „Entspannung“ ein wenig Lektüre aus <strong>de</strong>m geplagten Alltag <strong>de</strong>r Stasi-Auswerter,<br />
die ja, wie ihre Kollegen von <strong>de</strong>r „an<strong>de</strong>ren Feldpost-Nummer“, stets auf<br />
<strong>de</strong>r Hut sein mussten, nicht irgen<strong>de</strong>iner Desinformation auf <strong>de</strong>n Leim zu gehen. Die<br />
Praktiken <strong>war</strong>en ihnen aus <strong>de</strong>m eigenen „La<strong>de</strong>n“ bekannt, von <strong>de</strong>n Spezialisten <strong>de</strong>r Abteilung<br />
X <strong>de</strong>r HV A her.<br />
Selbst beim Vatikan konnte man offenbar nicht sicher sein – obwohl man dort doch<br />
mit ehrlichen Leuten hätte rechnen können. O<strong>de</strong>r etwa nicht?<br />
In einem Arbeitsbericht aus <strong>de</strong>n frühen 60er Jahren wer<strong>de</strong>n „einige Fragen <strong>de</strong>r<br />
operativen Aufklärungstätigkeit in Bezug auf Einrichtungen <strong>de</strong>s<br />
Vatikans“ behan<strong>de</strong>lt. Als Beispiel dient ein Vorgang En<strong>de</strong> 50er Jahre. Agent „Knabe“<br />
<strong>de</strong>r römischen Resi<strong>de</strong>ntur bittet einen „operativen Mitarbeiter“ zum<br />
Treff. „Knabe“ teilt mit, er habe einen Verwandten, Deckname „Tuch“. Dieser wie<strong>de</strong>rum<br />
habe einen Freund, Deckname „Händler“. Dieser verfüge über Zugang zu<br />
wichtigen geheimen Dokumenten <strong>de</strong>s Vatikans. „Händler“ sei bereit, diese zu verkaufen.<br />
„Tuch“ soll einen Kaufinteressenten fin<strong>de</strong>n; „Knabe“ meint, sein „operativer<br />
Mitarbeiter“ könne behilflich sein. Ein Deal um Ecken herum, aber man kommt<br />
doch irgendwie mit. Später stellt sich heraus: „Knabe“ <strong>war</strong> eingeschleuster Agent.<br />
„Tuch“ trifft sich, auf Weisung <strong>de</strong>r römischen Resi<strong>de</strong>ntur, unter Ausschluss von<br />
„Knabe“ mit <strong>de</strong>m operativen Mitarbeiter. „Tuch“ erklärt, sein Freund „Händler“ sei<br />
Angestellter <strong>de</strong>s Staatssekretariats und bereit, für 500 bis 600 italienische Lire aus <strong>de</strong>m<br />
vatikanischen Archiv 40 bis 45 „uns interessieren<strong>de</strong> Materialien im Monat<br />
zu übergeben.“ Aber nur für zwei Stun<strong>de</strong>n. Dann müssen die Unterlagen<br />
wie<strong>de</strong>r zurück ins Archiv. „Händler“ meint, man müsse damit rechnen, dass sein<br />
Chef je<strong>de</strong>rzeit nach <strong>de</strong>n Akten verlangen könnte.<br />
Es kam also zu <strong>de</strong>m Geschäft, je<strong>de</strong>nfalls zunächst. Die Resi<strong>de</strong>ntur ist überzeugt, „einen<br />
wertvollen Agenten-Dokumentaristen“ gewonnen zu haben. Die ersten<br />
Dokumente erscheinen als glaubwürdig, erregen keinen Verdacht. Aber nach zwei Monaten<br />
schöpfen die Auswerter Verdacht: Das sind doch speziell für uns angefertigte Informationen.<br />
Die Unterlagen <strong>war</strong>en inhaltlich z<strong>war</strong> zuverlässig, aber nicht geheim; an<strong>de</strong>re<br />
Themen wur<strong>de</strong>n nur oberflächlich o<strong>de</strong>r zweitrangig behan<strong>de</strong>lt. Zur „Neuen NATO-<br />
Strategie“, die das MfS natürlich brennend interessierte, seien „Desinformationen<br />
untergeschoben“ wor<strong>de</strong>n.<br />
Schl<strong>immer</strong> noch: Gleiches Material sei auch an Vertreter <strong>de</strong>r Aufklärungen an<strong>de</strong>rer<br />
sozialistischer Län<strong>de</strong>r und an die „italienischen Freun<strong>de</strong>“ gegangen. <strong>Der</strong> Nuntiatur-Bericht<br />
sei auf ein und <strong>de</strong>rselben Maschine geschrieben wor<strong>de</strong>n. Die Unterschrift<br />
<strong>de</strong>s Kardinalstaatssekretärs Tardini stimme mit <strong>de</strong>r auf Original-Briefbögen nicht überein.<br />
Die Analysten <strong>de</strong>r Zentrale kommen zu <strong>de</strong>r „Erkenntnis“, dass sie es mit <strong>de</strong>n<br />
lichst lange „genießen“ konnten. Entsprechend ihr Fleiß, mit Produktionsaustausch, über Plansoll.<br />
Auch w enn Flaute w ar. „Vieles, w as die Agenten lieferten“, so Jakow lew ironisch, „w ar schlichtw eg<br />
Stuss.“<br />
Seite 28