Der Spitzel war immer dabei - Kath.de

Werner Kaltefleiter: Der Spitzel w ar immer dabei. Über den Kirchenkampf im Kalten Krieg
„operativ interessantes Merkmal des IMS.“ 52 Kontakte zu höchsten vatikanischen
Kreisen machten ihn interessant. „Persönlich bekannt mit dem
Papst“ wurde fein säuberlich per Hand in seiner Akte notiert. Doch konnten sie wohl
nicht von der angenommenen Qualität sein, wenn man den Apostolischen Palast „von
innen kennt.“
Besuchern von außen, ob mit oder ohne Priester-Kollar, wurde a priori mit einer gewissen
Diskretion begegnet, und Besuchern aus Ländern des kommunistischen Machtbereichs
dürfte ein spezielles Misstrauen nicht entgangen sein. Konzelebration bei einem
Gottesdienst mit dem Papst in dessen Privatkapelle, wie „Martin“ als einen Augenblick
höchster Ehre erinnert, und anschließend ein paar freundschaftliche Worte über
diese und jene persönliche Erinnerung, machten aus ihm noch keinen Konfidenten.
Aber es hat Gespräche mit örtlichen MfS-Führungsoffizieren gegeben. Die Kontakte
mit den Sicherheitsorganen waren, folgt man seiner Aussage, wohl unumgänglich gewesen,
wollte man die eine oder andere „Genehmigung“ erreichen, ob zum Wohle der
ihm anvertrauten Gläubigen oder zur kurzfristigen Auslieferung eines „vor 13 Jahren
bestellten Pkw Wartburg“, nicht dem privaten Vergnügen zuliebe, sondern
in der Seelsorge eingesetzt. So kam eben beides zusammen, wie die allgegenwärtige
„Staatssicherheit“ wohl ganz richtig zur „politischen Einstellung“ ihres Opfers
notierte: „Als Geistlicher kath. Glaubens bezieht er immerhin
noch eine realistische Weltanschauung. Er geht Objektivitäten
nicht aus dem Weg. Ist allerdings ein echter Verfechter seines
Glaubens.“ Immerhin, Herr Stasi-Offizier, möchte man da hinzufügen. Denn in der
„Beurteilung“ 53 kam er nicht umhin festzustellen, grammatikalisch etwas hastig niedergeschrieben:
„Das Motiv über die Bereitschaft für die Zusammenkünfte
sind teils noch unklar.“
Die „Qualität“ des IMs dürfte sich also in Grenzen gehalten haben. Wie er beteuert,
hat er „niemals“ sich „zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet
oder einen Decknamen vereinbart“. Wohl aber seien „einige Treffs“ in
Bautzen (Hotel Lubin) vereinbart worden. „No big deal“ also. Mit dem Teufel zu tanzen
– schon eine schwere Sünde? Ja, er habe den Herren schon auch mal deutlich die Meinung
gesagt. Wie die Tschechen mit Priestern und Gläubigen umgingen, das sei eine
Schweinerei. Da seien seine Zuhörer ziemlich kleinlaut geworden. Die staatlichen Aufpasser
hatten also nicht so ganz unrecht, wenn sie „Martin“ „als katholischer
Geistlicher“ der IMS „eine kritische politische Haltung zugunsten
seines Glaubens“ bescheinigten. Aber ein Held will er doch wohl nicht gewesen
sein, der „Martin“. Und – er habe den „folgenschweren Fehler“ begangen,
52 IMS: Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantw ortungsbereiches.
Über dessen Funktion w ird u.a. gesagt: „Seine Arbeit muss der umfassenden, sicheren
Einschätzung und Beherrschung der politisch-operativen Lage im Verantw ortungsbereich und der Weiterführung
des Klärungsprozesses ‚Wer ist wer‘ dienen.“
53 Zum Kriterium „Beurteilung“ besagt eine Fußnote auf dem Bew ertungsbogen: „Es sind insbesondere
einzuschätzen: die operative Entw icklung des IM, seine operativen Fähigkeiten, tatsächliche Wirksamkeit,
Einsatzbereitschaft, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Einhaltung der Konspiration sow ie die Voraussetzungen
für die w eitere Zusammenarbeit.“
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