Der Spitzel war immer dabei - Kath.de

Werner Kaltefleiter: Der Spitzel w ar immer dabei. Über den Kirchenkampf im Kalten Krieg
Die „Unmoral“ des Vatikans
Jedes Mittel war recht, um das antikirchliche Feindbild auszumalen, in der politischen
Schulung die künftigen Mitarbeiter für den Staatssicherheitsdienst „scharf“ zu machen.
Das begann in den ersten Winterjahren des Kalten Krieges. So wird in einer „Lektion“
aus dem Jahre 1956 „der Kampf der Organe für Staatssicherheit der
Deutschen Demokratischen Republik gegen die feindlichen Elemente
und die Agenturen der imperialistischen Geheimdienste
unter den katholischen und evangelischen Kirchenanhängern und
Sekten“ behandelt. Ein beliebtes Thema, wie auch in den nachfolgenden Jahren, waren
die angeblichen finanziellen Machenschaften der Papstkirche, ihre Beteiligungen an
Banken, Industriekonzernen und anderen Unternehmungen, die nicht ohne weiteres mit
den moralischen Grundsätzen der kirchlichen Lehre korrespondieren würden. Zum Beispiel
Anteile an der Spielbank von Monte Carlo.
Anschaulich wurde den Schülern dargelegt, was heute freilich auch Nicht-
Kommunisten eher amüsiert: „Der Jesuit Pater Leppich“ habe in Wiesbaden
geistvolle Reden gehalten und sich beschwert, dass die Frauen in der Sommerkleidung
unkultiviert und widerlich herumlaufen. In Ermangelung eines eigenen Zuhörers beriefen
sich die Genossen auf einen Artikel aus dem „Wiesbadener Tageblatt v.
7. August 1952“ und fügen süffisant hinzu, Pater Leppich habe höchstwahrscheinlich
nicht gewusst, dass der Vatikan auch Teilhaber eines Unternehmens sei, das „die
reizvollste Kunstseidenbekleidung fabriziert.“ Aber darauf kam es in
der Unterrichtsstunde nicht so sehr an; wichtiger war der Kernsatz der Klassenarbeit:
„Die Tätigkeit des Vatikans bei der Unterstützung des Imperialismus
im Kampf um die Weltherrschaft.“
Eine Papierflut
Eine eigene Bundesbehörde in Berlin verwaltet „die Unterlagen des Ministeriums für
Staatssicherheit der ehemaligen DDR“. Die Mitarbeiter überraschte der Umfang des
Materials, das den Austausch von Informationen zwischen den Nachrichtendiensten der
Staaten des Warschauer Vertrages umfasst, und zwar den Vatikan betreffend. Was immer
angebliche Insider erfahren, aus „zuverlässigen und geprüften Quellen“ geschöpft
werden konnte, Einschätzungen zu politischen Situationen, Dossiers über Prälaten,
„Maßnahmepläne“ und einzelne Operationen füllen die Akten aus den Beständen der
Hauptverwaltung Aufklärung HV A, dem Nachrichtendienst des MfS, und speziell aus
der Hauptabteilung XX und deren Abteilung 4, zuständig für die „katholische Linie“. 3
3 HV A: Hauptverwaltung Aufklärung. Auslandsnachrichtendienst der DDR, letzter Leiter: Generaloberst
Werner Großmann. Sein Vorgänger w ar der „legendäre“ Markus „Micha“ Wolf, der „Mann ohne
Gesicht“ (von 1952-1986). Aufgabengebiet: Aufklärung (Gegenspionage), Spionage-Abw ehr und aktive
Maßnahmen im Operationsgebiet. A II war zuständig für Aufklärung und Bearbeitung, u.a. auch
der Kirchen und religiösen Gemeinschaften, A VII für Ausw ertung, A IX für Abwehr – Gegenspionage
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