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Auf den Gipfel des<br />

Piz Buin<br />

von Robin Rahn<br />

© Powder Party Bergsport e.V.<br />

© Powder Party Bergsport e.V.<br />

Selten erlebt man ein Gefühl<br />

derartiger Ausgeglichenheit.<br />

Wenn man am Berg steht, umgeben<br />

von kilometerhohen Wänden<br />

aus Fels und Eis, alleine mit sich<br />

selbst und der übermächtig scheinenden<br />

Natur, die <strong>hier</strong> allgegenwärtig<br />

ist und keinen Platz für Sinnfragen<br />

oder Selbstzweifel lässt. Hier oben<br />

erscheinen mir alle Probleme, aller<br />

Zweifel und jede aufgeschobene Entscheidung,<br />

die mir zu Hause so wichtig<br />

vorgekommen wären, so klein und<br />

nichtig wie die einzelnen Schneeflocken,<br />

die unbemerkt auf meine Jacke<br />

fallen, um dort augenblicklich zu zerfallen<br />

und zu schmelzen.<br />

„Schluck Tee?“ – einer meiner Kameraden<br />

reißt mich unvermittelt aus<br />

meinen Gedanken. Ich beobachte ihn<br />

beim Abnehmen des schweren Rucksacks.<br />

Sichtlich erleichtert beginnt<br />

er augenblicklich darin herumzukramen<br />

und hält mir dann grinsend die<br />

verschlossene Thermoskanne hin, die<br />

ich dankbar mit leichtem Zögern entgegennehme.<br />

Mit vor Kälte zitternden<br />

Händen drehe ich den Deckel ab<br />

und schütte die dampfende Flüssigkeit<br />

hinein. Der intensive Duft der<br />

Kamillen-Pfefferminzmischung, der<br />

mir in die Nase steigt und die gleichzeitige<br />

Wärme, die in meinen Fingern<br />

zu wirken beginnt, lösen in mir<br />

sogleich Glücksgefühle aus. Nach<br />

drei Stunden beschwerlichem Aufstieg<br />

durch Schnee und Eis fühlt sich<br />

dieser erste Schluck Tee an, wie neu<br />

geboren zu werden.<br />

Wir kennen uns schon lange, haben<br />

schon unzählige Touren gemeinsam<br />

hinter uns gebracht und obwohl<br />

wir die letzten Stunden kaum ein<br />

Wort gewechselt haben, spürt doch<br />

immer einer, dass den anderen langsam<br />

die Kräfte verlassen. Ich reiche<br />

ihm den halbvollen Becher und auch<br />

er nimmt ihn dankbar entgegen. Ein<br />

Stück Schokolade tut den Rest und so<br />

begeben wir uns, gestärkt durch die<br />

kurze, aber wohltuende Pause, wieder<br />

auf unseren Weg nach oben – immer<br />

weiter nach oben.<br />

Die Baumgrenze hatten wir gestern<br />

schon lange hinter uns gelassen,<br />

um dann irgendwo an einer geeigneten<br />

Wechte unser Biwaklager aufzuschlagen.<br />

Das Bauen des Iglus und<br />

das Graben der Schneehöhlen hatte<br />

mehr Kraft gekostet, als ich es mir<br />

vorgestellt hatte und beim Schmelzen<br />

des Schnees auf dem Gaskocher stellte<br />

ich mir wieder einmal für einen<br />

kurzen Moment die Frage, warum ich<br />

das eigentlich alles mache. Hungrig<br />

vor Erschöpfung, nass und vollkommen<br />

durchgefroren <strong>hier</strong> mitten im<br />

Nirgendwo mit ein paar anderen Verrückten<br />

stundenlang zu warten, bis<br />

sich ein Topf voll Schnee endlich in<br />

kochendes Wasser verwandelt. Doch<br />

das Warten lohnt sich – immer. Unbemerkt<br />

war nämlich mittlerweile die<br />

Sonne untergegangen und während<br />

wir schweigend und gierig unseren<br />

Hunger mit Instant-Nudeln stillten,<br />

richtete sich mein Blick plötzlich gen<br />

Himmel, um dort versteinert zu verharren.<br />

Wolkenlos und hell erleuchtet<br />

von unzähligen Sternen bereitete<br />

mir dieser Anblick wahrhaft ein<br />

Bild der Götter. Niemals in meinem<br />

Leben habe ich mich unbedeutender<br />

und kleiner Gefühlt, als unter dem<br />

sternenbedeckten Himmel der Berge<br />

fernab von jeglicher Zivilisation.<br />

Eine vollkommene Erfahrung.<br />

Schritt für Schritt, Meter um Meter<br />

kämpfen wir uns weiter. Jeder<br />

Tritt kostet mich mittlerweile meine<br />

ganze Kraft und Überwindung.<br />

Wir laufen jetzt schon seit längerer<br />

Zeit im Nebel einer Wolke und es ist<br />

schwer geworden, sich weiter zu motivieren.<br />

Ohne Ziel vor Augen ist es<br />

immer schwer. Beim Queren des mir<br />

endlos erscheinenden Hangs rutsche<br />

ich mit einem Ski immer wieder aus<br />

der Spur, weil sich mein Fell irgendwann<br />

gelöst hat. Ich verfluche inner-<br />

20<br />

22. November: Neuer Pharao: Präsident Mursi schafft durch Verfassungszusätze<br />

die Gewaltenteilung in Ägypten faktisch ab. Extreme<br />

Unruhen und Ausschreitungen sind die Folge.

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