Republik 9
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Schwerpunkt<br />
Schulpolitik<br />
„Auf EU-Ebene<br />
gibt es erstmals<br />
nationale Selbstverpflichtungen.“<br />
BMUKK<br />
Monika Goodenough-<br />
Hofmann, BMUKK<br />
erklärt Christian Dorninger, im Bundesministerium<br />
für Unterricht, Kunst und<br />
Kultur (BMUKK) mit Schulentwicklungsfragen<br />
befasst. Lernen soll also unter<br />
Begleitung des Lehrers so stattfinden,<br />
dass die Hauptaktivität bei den Schülern<br />
liegt und der Lehrende neben fachlichen<br />
Inputs die Rolle des Lerncoaches einnimmt.<br />
Mit dem Konzept des kompetenzorientierten<br />
Unterrichts ist zwangsläufig<br />
eine andere Sicht auf den Klassenverband<br />
und schlussendlich auch eine Reduktion<br />
der Klassengrößen verbunden.<br />
„Denn eines muss uns klar sein: Wenn<br />
ich in der Oberstufe bis zu 36 Schüler sitzen<br />
habe, wird Individualisierung schwer<br />
gelingen“, gibt Lehrergewerkschafterin<br />
Scholik zu bedenken. Sie fordert die<br />
rasche Umsetzung des pädagogischen Vorhabens,<br />
die Klassengrößen zu reduzieren<br />
und den Förderunterricht auszubauen.<br />
Dann besteht die Chance, dass individuelles<br />
Lernen tatsächlich in der Schule und<br />
nicht im Nachhilfeunterricht stattfindet.<br />
Erste Maßnahmen wurden bereits getroffen:<br />
Für die neunte Schulstufe führte man<br />
neue Teilungsmöglichkeiten bei Klassengrößen<br />
über 30 Schülern in Deutsch,<br />
Mathematik und einem typenbildenden<br />
Gegenstand ein.<br />
In der Berufsbildung gibt es seit<br />
2004 das Projekt „Qualitätsinitiative<br />
und Berufsbildung“. Gegenwärtig versucht<br />
man, dem Jahresthema „Förderung<br />
und Individualisierung des Unterrichts“<br />
gerecht zu werden: Zu Beginn eines Ausbildungsjahres<br />
werden Lernstandsdiagnosen<br />
durchgeführt, um zielgerichtet Unterstützungsleistungen<br />
für Schwächere und<br />
Programme zur Begabtenförderung anzubieten.<br />
„Individualisierung war lange Zeit<br />
kein Zielkonzept im Unterricht und in<br />
der Lehrerausbildung; nun ist das Thema<br />
hochaktuell“, sagt Ferdinand Eder, Erziehungswissenschaftler<br />
an der Universität<br />
Salzburg. Die mangelnde Differenzierung<br />
im Unterricht hänge u.a. mit der starken<br />
äußeren Differenzierung des österreichischen<br />
Schulsystems zusammen: „Ein<br />
14-jähriger Schüler hat in Österreich<br />
sechs verschiedene Wege, um zur Matura<br />
Ko m m e n ta r F e ri T h i e rr y<br />
Markus Tordik<br />
Schule braucht positive<br />
Kommunikation<br />
Die Wissenschaftlerin Renée Schroeder hat<br />
unlängst in einem Interview mit der Tageszeitung<br />
„Der Standard“ eine bessere PR für Lehrer eingefordert.<br />
Für Österreichs Lehrkräfte ist wahrlich<br />
einiges zu machen, um ihr Image zu verbessern.<br />
Sie verdienen es auch, sind doch sehr viele von<br />
ihnen außerordentlich engagiert. Unser Bildungssystem<br />
muss sie fördern, motivieren und<br />
ihr Engagement belohnen.<br />
Die öffentliche Debatte über die Schulen ist aber<br />
weitgehend ein Krisendiskurs. Wir debattieren<br />
schlechte Ergebnisse internationaler Vergleiche,<br />
überholte Verwaltungsstrukturen, Migrationsprobleme<br />
und die Sorgen verunsicherter Eltern.<br />
Schulpolitik war über viele Jahrzehnte Ausdruck<br />
großer ideologischer Konzepte und der Interessen<br />
der Lehrer-Standesvertretungen. Doch<br />
die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
verlangen nach anderen Zugängen. Die Frage,<br />
ob Ganztagesschule oder Gesamtschule gehört<br />
letztendlich zu den Strukturdebatten, die zweifellos<br />
ihre Berechtigung haben, an den wahren<br />
Reformthemen aber vorbeigehen.<br />
Die Herausforderungen für die Schulen sind<br />
in der Tat groß: Die Bildungspolitik soll nicht<br />
nur Wissen, Fertigkeiten und Werthaltungen<br />
vermitteln. Die Gesellschaft stellt auch enorme<br />
Anforderungen an die Schule wie Kinderbetreuung,<br />
Integration von Personen mit Migrationshintergrund,<br />
Erziehungsfunktion, das Beheben<br />
sozialer Mängel und Erziehungsdefiziten oder<br />
Gesundheitsförderung. Unabhängig davon, ob<br />
das aus persönlicher oder weltanschaulicher<br />
Sicht wünschenswert ist oder nicht, die Realität<br />
verlangt danach.<br />
Wir brauchen große kommunikative Anstrengungen,<br />
um die Leistungen unserer Schulen,<br />
unserer Lehrer, aber auch der anderen Schulpartner<br />
Eltern und Schüler deutlich zu machen.<br />
Zeigen wir positive Beispiele herausragender<br />
Leistungen, engagierter Lehrkräfte, motivierter<br />
und lernfreudiger Schüler, gelebter Schulpartnerschaft!<br />
Kommunikation im Bildungswesen<br />
braucht offene und dialogorientierte Formen.<br />
Die Schule leistet ungemein viel für unsere<br />
Gesellschaft und unsere Zukunft. Sie ist eine zentrale<br />
gesellschaftliche Institution, die wir stärken<br />
müssen. Dann werden auch Reformen leichter.<br />
Feri Thierry ist Kommunikations- und Public-<br />
Affairs-Berater sowie Geschäftsführer von Thierry<br />
Politikberatung. Daneben ist er Lehrgangsleiter<br />
des Masterstudiums „Lobbying / Public Affairs“<br />
an der BFI Wien Akademie und Vortragender an<br />
verschiedenen Bildungsinstitutionen.<br />
feri.thierry@thierry.at<br />
12 September 10