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Gemeindebrief der evangelischen ... - meinekirche.info

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Aus unserer Gemeinde<br />

Irmgard Powierski gibt dem Leiden<br />

in den Vernichtungslagern eine Stimme<br />

Worte gegen das Vergessen<br />

– und Schweigen<br />

„Die biblischen Psalmen sind zutiefst<br />

jüdisches Kulturgut. Sie begleiteten<br />

das Volk Israel auf seinem langen<br />

Weg durch die Zeiten – und bis<br />

heute auch uns Christen. Beide Religionen<br />

verehren und beten die Psalmen.<br />

Aus ihnen schöpfen die Menschen ihre<br />

Hoffnung, in ihnen und mit ihnen führen<br />

sie auch Klage gegen Gott.“ Mit<br />

einem Rückblick in die lange Geschichte<br />

<strong>der</strong> Psalmen leitete Pfarrer Rainer<br />

Schling den Abendgottesdienst am 14.<br />

November zur Erinnerung an den 70.<br />

Jahrestag <strong>der</strong> Reichspogromnacht 1938<br />

ein. Imgard Powierski (Kölln/Reisiek)<br />

las dabei aus ihrem Buch „Wi<strong>der</strong> das<br />

Vergessen – 7 x 7 Psalmen zwischen<br />

den Stelen“.<br />

Schriftstellern und Musikern dient<br />

<strong>der</strong> Psalter häufig als Quelle<br />

für ihre Inspira-<br />

tion – so<br />

auch Irmgard P o -<br />

wierski. Vor<br />

d e m<br />

Schreiben<br />

ihres<br />

Buches hat-<br />

te sie<br />

zusammen<br />

mit<br />

ihrem<br />

Mann<br />

einen<br />

Tag zwischen<br />

den<br />

Stelen des<br />

Holocaust-<br />

Mahnmals<br />

in Berlin<br />

verbracht. Da sei mitunter die Rede<br />

vom Geld gewesen, was es gekostet<br />

hätte. „Ich aber hörte niemanden, <strong>der</strong><br />

von dem millionenfachen Leiden <strong>der</strong><br />

einzelnen Menschen sprach. Mein<br />

Mann und ich begegneten uns zwischen<br />

den Stelen, fragten nach dem<br />

verborgenen Gott, und ich fragte mich<br />

schließlich: Warum wollte ich hierher<br />

kommen?“ Bei <strong>der</strong> Suche nach einer<br />

Antwort schrieb die Autorin ihre Empfindungen<br />

nie<strong>der</strong>. Sie hörte erst auf, als<br />

sie für sieben Sabbatjahre jeweils sieben<br />

Psalmen, insgesamt 49, geschrieben<br />

hatte.<br />

Bei <strong>der</strong> Lesung erinnerte Irmgard<br />

Powierski an die Opfer <strong>der</strong> Gewaltherrschaft,<br />

ließ Leidtragende jüdischer Abstammung<br />

zu Wort kommen, die sich<br />

in ihren Psalmen wie<strong>der</strong>fanden. So Esther<br />

Bejarano, die Auschwitz als Mitglied<br />

des Mädchenorchesters überlebt<br />

hatte. Sie schrieb im Vorwort: „So wie<br />

die Psalmen von Irmgard Powierski<br />

es ausdrücken, haben Leidende, Glaubende,<br />

Zweifelnde in Auschwitz gedacht,<br />

gesprochen und gesungen. Ich<br />

sehe mich mit <strong>der</strong> Autorin solidarisch<br />

im Wirken wi<strong>der</strong> das Vergessen.“<br />

Gegen das Vergessen: Atemlose Stille<br />

herrschte in unserer Kirche, als Irmgard<br />

Powierski das Grauen und Leiden<br />

<strong>der</strong> Menschen in den Vernichtungslagern<br />

in Worte fasste.1938 – 2008: Die<br />

Pogrommar-<br />

Elena Jung<br />

nacht vor 70 Jahren<br />

kierte den Übergang<br />

von <strong>der</strong><br />

Diskriminie-<br />

rung <strong>der</strong> Juden hin zu ihrer systematischen<br />

Verfolgung und zum Holocaust<br />

durch die Nationalsozialisten.<br />

Die Stelen des Denkmals in Berlin mahnen<br />

stumm. Irmgard Powierski gab<br />

dem Reden Raum, wo Menschen auch<br />

heute bedrückt, beschämt schweigen.<br />

Sie nahm den Hörer hinein in das Leiden<br />

<strong>der</strong> Erniedrigten und Verfolgten<br />

in Auschwitz und an<strong>der</strong>en Lagern und<br />

wies Wege <strong>der</strong> Ermutigung zur Klage,<br />

zum Trost und zur Hilfe.<br />

Musikalisch gestaltet wurde <strong>der</strong><br />

Abend von Elena Jung (27, Violoncello)<br />

und Arnold Fehlberg (Orgel) mit<br />

Werken von Vivaldi und Bach. Beiden<br />

begabten Musikern gelang es auf beindruckende<br />

Weise, das Klagen und Leiden<br />

<strong>der</strong> Worte in die Sprache <strong>der</strong> Musik<br />

umzusetzen. Die Großmutter von<br />

Elena ist übrigens deutsche Jüdin. Sie<br />

wurde 1939 aus Deutschland vertrieben<br />

und lebt seither in Brasilien.<br />

Arnold Pöhlker<br />

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