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PDF Download - Tourismus Flandern-Brüssel

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F L A N D E R N S<br />

SCHÖNE<br />

SEITEN<br />

Magazin 2007<br />

Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong><br />

Schokolade<br />

der kleine leitFaden<br />

Comic<br />

rendeZ-VOuS in brÜSSel<br />

MODE<br />

MOdeParadieS antWerPen<br />

Rubens<br />

Helena VOn antWerPen


. inhalt . flandern 2007<br />

F L A N D E R N S S C H Ö N E S E I T E N<br />

Wer schon mal im Herzen einer flämischen Kunststadt auf einer Sommerterrasse an den Grachten seinen<br />

Kaffee getrunken hat, der kennt das einzigartige Flair dieser historischen Städte.<br />

Die Flamen leben eben gerne und gut – und das spüren und genießen Sie überall. Für dieses Magazin haben<br />

wir einige bekannte Reisejournalisten gebeten, dieses Lebensgefühl für Sie in Worte zu fassen. Sie haben das<br />

mit Freude getan und einige schöne Seiten der flämischen Kultur für Sie beschrieben.<br />

Es ist so einfach, <strong>Flandern</strong> zu entdecken. Den ersten Schritt machen Sie mit dieser Broschüre, den nächsten<br />

können Sie im Internet unternehmen: Unter www.flandern.com finden Sie die komplette Übersicht über die<br />

kulturellen Veranstaltungen, spezielle Hotelangebote und alles, was Sie jemals über <strong>Flandern</strong> wissen wollten.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen – und vergessen Sie auf dem Rückweg nicht, genug Pralinen mit-<br />

zunehmen, um sich an das flämische Urlaubsgefühl zu erinnern oder es mit Familie und Freunden zu teilen.<br />

Pascal De Laet<br />

Direktor <strong>Tourismus</strong> <strong>Flandern</strong>–<strong>Brüssel</strong><br />

11<br />

4 I N H A LT<br />

4 | beginenHöFe<br />

auf den Spuren der<br />

frommen Frauen<br />

Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong>,<br />

Inseln der Besinnung<br />

11 | antWerPen<br />

diamanten und thora<br />

Im Jerusalem des Nordens befin-<br />

det sich das größte Diamanten-<br />

zentrum der Welt<br />

18 | FlOHMärkte<br />

Paradies für Frühaufsteher<br />

Von kultig-bizarr bis edel-nostal-<br />

gisch – <strong>Flandern</strong>s Märkte lassen<br />

Herzen höherschlagen<br />

| MOde antWerPen<br />

„Hartelijk welkom“<br />

Die junge europäische Mode-<br />

metropole gilt als wichtiger<br />

Trendsetter und setzt Maßstäbe<br />

8 | FläMiScHe<br />

MeiSterköcHe<br />

interview: „Mein beruf<br />

ist mein Hobby“<br />

Felix Alen kocht mit Bier<br />

und Leidenschaft<br />

0 | bruegel<br />

Mit Pieter bruegel<br />

übers land<br />

Vor den Toren <strong>Brüssel</strong>s liegt das<br />

Bruegel-Freilichtmuseum<br />

| arcHitektur<br />

Jugendstil in brüssel<br />

Erinnerungen an die Belle Epoque<br />

7 | kuriOSeS<br />

<strong>Flandern</strong> steckt voller<br />

Merkwürdigkeiten<br />

8 | rubenS<br />

die schöne Helena<br />

von antwerpen<br />

Das Lieblingsmotiv des flämischen<br />

Klassikers war seine eigene Frau<br />

www.flandern.com<br />

40<br />

56<br />

51<br />

NORDSEE<br />

FRANKREICH<br />

BRÜGGE<br />

GENT<br />

FLANDERN<br />

BRÜSSEL<br />

MONS<br />

ANTWERPEN<br />

NIEDERLANDE<br />

LEUVEN<br />

BELGIEN<br />

NAMUR<br />

70<br />

HASSELT<br />

LIEGE<br />

AACHEN<br />

LUXEMBURG<br />

KÖLN<br />

DEUTSCHLAND<br />

40 | ScHOkOlade<br />

der kleine leitfaden zum<br />

Stückchen lebenslust<br />

Praktische Tipps für Schokophile<br />

in <strong>Brüssel</strong><br />

44 | belFriede<br />

glocken, die am<br />

Himmel hängen<br />

Die weithin sicht- und hörbaren<br />

Wahrzeichen <strong>Flandern</strong>s<br />

48 | graVenSteen<br />

königreich der Himmel<br />

Das Grafenschloss im Herzen von<br />

Gent ist die imposanteste Kreuzritterburg<br />

Europas<br />

51 | cOMic<br />

rendez-vous in brüssel<br />

Von Lucky Luke bis zu den<br />

Schlümpfen, der bunte Comic-<br />

Strip-Walk führt durch die<br />

Comic-Hauptstadt<br />

6<br />

56 | FietSen<br />

küstenwind<br />

Auf der Küstenradroute die 14<br />

Seebäder der flämischen Nordseeküste<br />

entdecken<br />

6 | <strong>Flandern</strong>S bier<br />

im bierhimmel<br />

Ein Paradies für Alchemisten<br />

und Trappisten<br />

66 | liMburg<br />

kirschen, äpfel und birnen<br />

Mit dem Drahtesel im Obstgarten<br />

<strong>Flandern</strong>s<br />

70 | VlaaMSe<br />

kunStcOllectie<br />

Meisterwerke aus sechs<br />

Jahrhunderten<br />

Die größte Sammlung flämischer<br />

Klassiker in drei herausragenden<br />

Museen<br />

7 | WaSSer<br />

<strong>Flandern</strong>s grachten<br />

Der Reichtum der flämischen<br />

Kunststädte kam über das Wasser<br />

74 | de Haan<br />

urlaubsgrüße aus de Haan<br />

Nostalgie im Seebad aus der<br />

Jahrhundertwende<br />

76 | HauSbOOt<br />

„Mann über bord“<br />

Als Freizeitkapitän(in) durch<br />

flämische Kanäle<br />

78 | terMine 007<br />

Veranstaltungstipps <strong>Flandern</strong><br />

80 | bÜcHerecke<br />

Buchtipps zu <strong>Flandern</strong>


4 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />

Auf den<br />

Spuren<br />

der frommen<br />

Frauen<br />

beginenHöFe:<br />

Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong><br />

Hinter schützenden Mauern,<br />

oft umflossen von stillen Grachten,<br />

lehnen sich die Häuser dieser Miniatur-<br />

städtchen im Schatten der Kirchtürme<br />

aneinander. Es sind idyllische architek-<br />

tonische Ensembles von seltener<br />

Geschlossenheit. Ihre beschauliche<br />

Atmosphäre wird den Kenner<br />

heutiger urbaner Zentren nach-<br />

denklich stimmen. Ulrich Traub<br />

Es gehört zu den schönsten Erlebnissen in flämischen Städten,<br />

von den belebten Plätzen der Altstädte zu den oft nur wenige<br />

Schritte entfernten Höfen zu spazieren. Durch ein geschmück-<br />

tes Portal oder ein einfaches Tor tritt man ein in diesen beson-<br />

deren Kosmos. Eine ungewohnte Stille überrascht den Gast.<br />

Man begegnet einzelnen, meist älteren Menschen. Auf ihrem<br />

Weg in die Stadt grüßen sie freundlich. Es scheint ihnen nicht<br />

unangenehm zu sein, in einer Sehenswürdigkeit zu leben.<br />

Andere verschnaufen auf den Bänken, die die Wiese im Zen-<br />

trum einiger Beginenhöfe säumen. Hier und da holpern Fahr-<br />

räder über die Kopfsteinpflastergassen. Und gelegentlich drin-<br />

gen Geräusche aus den Haushalten ans Ohr – das Klappern<br />

von Geschirr oder leise Musik. Urbanes Treiben wähnt man<br />

meilenweit entfernt.


6 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />

brÜgge – „ten WiJngaarde“<br />

(ZuM Weingarten)<br />

Verhaltenen Schrittes bummelt man über den baumbestan-<br />

denen Hof in Brügge, wo die Glocken des Kirchleins heute<br />

Benediktinerinnen zur Messe rufen. Gleich neben dem Ein-<br />

gang befindet sich ein kleines, als Museum eingerichtetes<br />

„Begijnhuisje“. Kein anderer Beginenhof wurde so oft be-<br />

schrieben. In Georges Rodenbachs bekannter Brügge-Erzäh-<br />

lung steht er als Beispiel für die einst „tote Stadt“. Auch<br />

andere Dichter konnten sich der Magie des Stiftes nicht ent-<br />

ziehen, wie etwa Rainer Maria Rilke oder Charles Baudelaire.<br />

Öffnungszeiten: April – September, täglich<br />

10 – 12 und 13.45 – 17 Uhr, Eintritt frei<br />

INFO: TOURISMUS BRÜGGE, TELEFON 0032-50-448686<br />

WWW.BRUGGE.BE<br />

Malerisch – der Beginenhof von Lier entstand schon 1258 unter der Schirmherrschaft<br />

der Herzogin Aleidis von Brabant und gilt als einer der ältesten <strong>Flandern</strong>s.<br />

beginenHOF VOn löWen –<br />

eine Stadt in der Stadt<br />

Im weitläufigen Beginenhof von Löwen, wo einst 1 500<br />

Beginen an den Ufern der Dijle ihr gottgefälliges Werk ver-<br />

richteten, leben heute Dozenten und Studenten Tür an Tür.<br />

Im Sommer werden Tische und Stühle auf die Wiesen vor<br />

den Häusern oder in die Vorgärten gestellt und man kommt<br />

bei einem Gläschen schnell ins Gespräch. Die Anonymität,<br />

die das Leben in unseren Städten charakterisiert, ist in den<br />

Beginenhöfen unbekannt. Und manch einer der Besucher<br />

würde sich wohl gerne hierhin zurückziehen.<br />

INFO: TOURISMUS LÖWEN, TELEFON 0032-16-211540<br />

WWW.LEUVEN.BE<br />

Heute dienen die gemütlichen Häuserreihen des Beginenhofes von Lier zum Teil als Sozialwohnungen.<br />

Andere werden privat vermietet. Der Katze scheint das ziemlich egal zu sein.<br />

www.flandern.com 7<br />

beginenHOF VOn lier –<br />

der MaleriScHSte VOn <strong>Flandern</strong><br />

Der „Mandelbaum von Lier“, wie der flämisches Volksdichter<br />

Timmermans das von Straßen und Gassen durchzogene Stift<br />

beschrieben hat, zählt zu den schönsten <strong>Flandern</strong>s.<br />

Der Beginenhof, das sind Häuser aus rotem Ziegelstein, weiß<br />

ausgefugt, mit halbrunden Pforten, an denen Namen stehen<br />

wie „Paradieske“, „Zum lieben Jesu“ oder „Zum unbefleckten<br />

Herzen“. Andere Gebäude tragen so poetische Namen wie<br />

„Stall von Bethlehem“, „Weinberg des Herrn“. Davor Haus-<br />

gärtchen mit Geranien, Samtkissen von Dahlien, Malven,<br />

Rosen in Rosa und Rot und viel Grün. Spät am Nachmittag,<br />

wenn Farben und Stimmung besonders gut mit dem Leben<br />

in alten Gemäuern harmonieren, leuchtet alles in einem<br />

besonderen Licht.<br />

Nicht ohne Grund pilgern Besucher aus aller Welt durch<br />

die Gassen, deren lauschige Winkel bereits Victor Hugo<br />

beschrieb, denn: „Hier glaubt man an Gott mit einem<br />

Stück Speck im Mund.“<br />

INFO: TOURISMUS LIER, TELEFON 0032-34-911393<br />

WWW.LIER.BE<br />

Der große Beginenhof von Mechelen wurde im 13. Jahrhundert gegründet und ist seit dem 16. Jahrhundert innerhalb der Stadtmauern angesiedelt. Kleine Häuschen und verwunschene<br />

Höfchen hinter kleinen Pforten bestimmen das Bild. Seit 1998 steht er – wie auch der Beginenhof von Diksmuide (kleines Foto) – unter dem Schutz der UNESCO.


8 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />

Die Frauen führten ein selbstbestimmtes<br />

Leben in einer frei gewählten Gemeinschaft<br />

und in wirtschaftlicher Unabhängigkeit.<br />

daS erbe der beginen<br />

Die Beginenhöfe sind Zeugnisse einer zu Ende gegangenen<br />

Bewegung, deren Anfänge im ausgehenden 12. Jahrhundert<br />

in den blühenden Städten <strong>Flandern</strong>s zu finden sind. Die Be-<br />

ginenhöfe führten lange Zeit ein Schattendasein. Das hat<br />

sich nun geändert. 1998 nahm die UNESCO 13 flämische<br />

Beginenhöfe in die Liste des Weltkulturerbes auf. Sie würdigt<br />

damit nicht nur den Wert dieser architektonischen Kleinode,<br />

sondern ruft auch die Verdienste der Beginen, einer vom Papst<br />

unabhängigen, laienreligiösen Vereinigung, der ausschließlich<br />

Frauen – begüterte wie arme – angehörten, in Erinnerung.<br />

Das Leben als Begine bot eine Alternative zu der Endgültig-<br />

keit, die die Entscheidung für ein Leben als Nonne hatte.<br />

Die Frauen gelobten zwar Keuschheit und verpflichteten sich,<br />

die Regeln, die von der demokratisch gewählten Vorsteherin<br />

festgelegt wurden, zu befolgen. Die Beginen hatten jedoch<br />

jederzeit die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu verlassen und<br />

zu heiraten.<br />

Alle waren in Rechten und Pflichten gleichgestellt, was auch<br />

hieß, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen<br />

hatten. Sie klöppelten Spitze, zogen Kerzen und webten<br />

Leinen – so erfolgreich, dass sie nicht selten zur Konkurrenz<br />

für das örtliche Handwerk wurden. Unter dem Leitsatz „ora<br />

et labora“ lebten diese „Haushälterinnen Gottes“ genannten<br />

Frauen in solidarischer Bescheidenheit. In sozialer und poli-<br />

tischer Hinsicht wies das Wirken der Beginen revolutionäre<br />

Züge auf. Die einen flüchteten vor der üblichen Zwangsheirat,<br />

andere rettete die Gemeinschaft in den Höfen vor Mittellosig-<br />

keit und Verfolgung. Die Beginen unterrichteten Kinder,<br />

kümmerten sich um die Alten oder pflegten Kranke. Manch<br />

ein Beginenhof hatte ein eigenes Krankenhaus.<br />

Die Frauen führten ein selbstbestimmtes Leben in einer frei<br />

gewählten Gemeinschaft und in wirtschaftlicher Unabhän-<br />

gigkeit. Die Beschlüsse, die in den Höfen getroffen wurden,<br />

erkannten die Magistrate der Städte an. Das war in jener Zeit<br />

alles andere als normal. Schnell fand die flämische Beginen-<br />

bewegung auch in anderen Ländern Anhänger. Der Erfolg<br />

schaffte Neider und es blieb nicht bei missgünstigen Blicken<br />

und ketzerischen Bemerkungen. Inquisition und Reformation,<br />

Aufklärung und Französische Revolution setzten den Beginen<br />

mächtig zu. Am längsten konnten sie sich in <strong>Flandern</strong><br />

behaupten.<br />

ÜbERNAcHtuNGS-tIpp<br />

Stilvoll übernachten in einer Wohnung des<br />

beginenhofes. Die 41 beginenhäuschen<br />

bilden ein geruhsames Dorf im Herzen der<br />

Altstadt von Kortrijk.<br />

Begijnhof 22 – 23, 8500 Kortrijk<br />

Telefon 0032-56-228374<br />

http://users.belgacom.net/begijnhofkortrijk<br />

Stille Einkehr im beginenhof<br />

der Hansestadt brügge


www.thalys.com<br />

Nächster Halt:<br />

Ganz<br />

Belgien.<br />

Egal, welcher Zielbahnhof in Belgien,<br />

Ihre Thalys-Fahrkarte genügt. Entdecken<br />

Sie den Tarif “Alle belgischen Bahnhöfe”<br />

Reisen Sie in ganz Belgien für ein paar Euro mehr. Mit dem Tarif "Alle belgischen<br />

Bahnhöfe" gilt Ihre Thalys-Fahrkarte auch für die innerbelgischen Züge ab<br />

<strong>Brüssel</strong>-Midi. Bedingungen für dieses Tarifangebot und Reservierungen an<br />

den üblichen Verkaufsstellen und unter www.thalys.com<br />

www.flandern.com 11<br />

Antwerpen:<br />

und Thora<br />

Auf dem quirligen Loos plaats radeln Männer in schwarzseidenen Kaftanen um<br />

die Wette. Auf den Köpfen tragen sie pelzverbrämte „schtrajml“-Hüte, ihre bleichen<br />

Gesichter schmücken kräftige bärte, die Schläfen zieren lange Korkenzieherlocken.<br />

Siggi Weidemann


1 . antwerpen . diamanten und thora<br />

Die „péjess“-Locken wehen beim eiligen Radeln wie Fähnchen im Wind.<br />

Von rechts kreuzt eine Gruppe von Halbwüchsigen mit Scheitelkäppchen auf den<br />

kurz geschnittenen Haaren. Frauen in züchtigen langen Röcken schieben Kinderwagen.<br />

Sie tragen „schtérntichlech“, Kopftücher mit perücken darunter. Die eigenen Haare<br />

dürfen sie nicht zeigen, das verbieten uralte jüdische Gesetze.<br />

Wir befinden uns im Getto von Antwerpen. Die Hafenstadt<br />

ist die einzige europäische Stadt, in der außer orthodoxen<br />

und sephardischen Gemeinden auch chassidische Gruppen<br />

streng nach den Geboten der jüdischen Gesetze leben und<br />

miteinander jiddisch sprechen.<br />

Das jüdische Leben spielt sich auf etwa einem Quadratkilo-<br />

meter links und rechts vom kathedralenähnlichen Bahnhof ab.<br />

Die Bahnhofskuppel, die wie ein überdimensionierter Reliqui-<br />

enschrein über den Bahnsteigen liegt, beherrscht das Getto,<br />

in dem die Thora den Rhythmus des Gehens und die Rock-<br />

länge der Frauen bestimmt. Der hebräisch-venezianische<br />

Name „Ghetto“, in vielen Sprachen ein Synonym für Juden-<br />

viertel und diskriminierende Abgrenzung, hat hier keinen<br />

faden Beigeschmack. In den Schaufenstern stehen siebenar-<br />

mige Chanukka-Leuchter. An vielen Türen und Fenstern kleben<br />

winzige „Mesua“-Kapseln, in denen Zitate aus den heiligen<br />

Schriften der Juden enthalten sind und die Schutz gewähren<br />

sollen vor bösen Geistern und bösen Menschen „Wir leben in<br />

der weltweit einzigen Stadt, in der sich die Herde Jacobs zu<br />

einer Gemeinde zusammengefunden hat“, sagt der 57 Jahre<br />

alte Gemeindedirektor Jacques Wenger.<br />

„Die Herde Jacobs“ ist das Synonym für die Gemeinschaft der<br />

Orthodoxen. „Die Tradition der Toleranz hier in Antwerpen<br />

hat es den Juden ermöglicht, dass sie hier ihre Wurzeln haben<br />

und sich wohl fühlen. Es gibt keine zweite Stadt in Europa, in<br />

der wir Juden ungezwungener und selbstverständlicher leben<br />

können als hier“, sagt Wenger. In der Scheldestadt hat Jerusa-<br />

lem seine nördliche Dependance.<br />

und Hier, iM JÜdiScHen Viertel, beFindet SicH<br />

daS gröSSte diaMantenZentruM der Welt.<br />

Hoveniersstraat, Welthauptstraße des Diamantenhandels. Bloß<br />

nicht stehen bleiben. Wer stehen bleibt, macht sich verdächtig.<br />

Manche der schwarz gekleideten Männer in der stark gesicher-<br />

ten Fußgängerzone haben Aktentaschen aus dunklem Rinds-<br />

leder mit silbernen Kettchen am Handgelenk oder am Gürtel<br />

befestigt. In den meisten dieser Taschen sind Vermögen – in<br />

Geld oder in Diamanten. Hier herrscht eine Atmosphäre wie<br />

in Mea Shearim, dem orthodoxen Viertel von Jerusalem.<br />

Die Männer tragen unter den pelzverbrämten „schtrajml“-<br />

Mützen eine „Jarmulke“, ein kreisförmiges Stück Stoff oder<br />

Leder, das mit einer Klammer am Haar befestigt ist. Aus dem<br />

langen schwarzen Kaftan schaut das krawattenlose weiße<br />

Hemd heraus. Wie vor Jahrhunderten tragen manche noch<br />

Kniebundhosen, weiße Strümpfe und ungeschnürte Schuhe.<br />

Bilder wie auf einem Vorkriegsfoto.


14 . antwerpen . diamanten und thora<br />

Gucken kostet nichts! Die Schaufenster in der Diamantenmetropole Antwerpen erstrahlen im Glanz kostbarer Edelsteine. Die Lupe ist übrigens das wichtigste Instrument<br />

der Diamantenhändler und -schleifer. Mit ihrer Hilfe werden die Steine zunächst begutachtet, bewertet und schließlich für den Verkauf bearbeitet.<br />

Acht von zehn Rohdiamanten der Weltproduktion und mehr<br />

als die Hälfte aller geschliffenen Steine werden hier verkauft.<br />

Der jährliche Umsatz liegt bei rund 25 Milliarden Euro. Doch<br />

die Menge der hier alljährlich umgeschlagenen Edelsteine<br />

passt in einen kleinen Lieferwagen.<br />

Im Antwerpener Edelsteingeschäft sind – direkt oder indirekt –<br />

etwa 26 000 Menschen beschäftigt. Diamantenmakler und<br />

-großhändler, Einzelhandelsverkäufer, Schleifer, Banker. Sie<br />

alle eilen und stehen im Dienst von Adamas, dem Unbezwing-<br />

baren – von diesem griechischen Wort leitet sich Diamant<br />

ab. Sie hasten von einem der vielen Juweliergeschäfte zum<br />

anderen oder zu einer der vier Antwerpener Diamantenbör-<br />

sen. Unterwegs rufen sie sich, ohne anzuhalten, Neuigkeiten<br />

und Börsenkurse zu. Fremde, die fotografieren oder zu lange<br />

starren, werden weggescheucht.<br />

Fremde gelten hier als Kipler, zu Deutsch: Plagegeister. Das<br />

ganze Viertel wird von Fernsehkameras überwacht, elektro-<br />

nisch gesicherte Drehkreuze versperren den freien Zutritt zu<br />

den Läden und Schleifereien. Die Türen öffnen sich erst, wenn<br />

man seinen Reisepass hinterlegt und eine Sesam-Karte in<br />

einen Schlitz geschoben hat. Jeder hat nur einen Versuch.<br />

Dann blockiert der Mechanismus. Ist mir auch passiert.<br />

Das Heiligtum in der „Beurs voor Diamantenhandel“ ist der<br />

Börsensaal. Er strahlt die Atmosphäre eines Lesesaals in einer<br />

öffentlichen Bibliothek aus. An den langen, breiten Holz-<br />

tischen in dem 46 Meter langen und neun Meter hohen Raum<br />

sitzen sich die Händler gegenüber. Der Händler Rafael Shafeld<br />

lässt mich, den Fremden, einen Blick in das offene Kuvert tun,<br />

das vor ihm auf dem Tisch liegt. Und vor meinen Augen liegt<br />

ein Schatz. Ein Haufen Rohdiamanten. So ein ungeschliffener<br />

Stein fühlt sich glatt und samtig an wie eine Quitte. Der 23-<br />

Jährige ist seit drei Jahren im Diamantenhandel tätig, man<br />

glaubt ihm gern, dass ihm der Handel mit den Steinchen Spaß<br />

macht. „Hier gewöhnt man sich an den Umgang mit großen<br />

Vermögen“, lacht er. Dann widmet er sich wieder seinem<br />

Handelspartner. Gemeinsam untersuchen sie die Steine mit<br />

der Lupe. Ihr Verkaufsgespräch führen Shafeld und sein Part-<br />

ner auf Jiddisch. Wer hier nicht Jiddisch kann, ist geschäftlich<br />

benachteiligt. Shafeld verabschiedet sich mit einem freund-<br />

www.flandern.com<br />

lichen „a gut johr“. Das heißt: „Guten Tag“. Die Diamanten-<br />

börse kennt keine Kurse, keine Elektronik und auch keinen<br />

bürokratischen Firlefanz. Man braucht keine Verträge, man<br />

schließt Geschäfte per Handschlag ab – auch mit Händlern<br />

anderer Religionen. Die Besiegelungsfloskel gilt auch für Inder,<br />

Araber, Japaner und Europäer: „Mazel U‘bracha“ – Glück und<br />

Segen. Wenn dieser jiddische Segensspruch ausgesprochen<br />

ist, ist der Handel nicht mehr rückgängig zu machen – auch<br />

wenn der Käufer hinterher feststellt, dass er ein schlechtes<br />

Geschäft gemacht hat. An Wandtafeln hängen nicht nur<br />

Lost-and-Found-Listen, auf denen verloren gegangene Steine<br />

beschrieben werden, sondern auch Steckbriefe unseriöser<br />

Händler. „Wer sich nur die kleinste Unehrlichkeit zuschulden<br />

kommen lässt, wird weltweit von allen 19 Diamantenbörsen<br />

ausgeschlossen“, erklärt uns Lucien Cornelissens, Direktor<br />

der Börse. Beim Lunch in der koscheren Kantine gehen die Ge-<br />

schäfte oft weiter. Dann liegt manchmal neben dem Teller mit<br />

„gefillte fish“ und dem Glas koscheren Bordeaux ein Papier-<br />

Noch schnell erfolgt eine Transaktion am Telefon, bevor sich dieser jüdische Diamantenhändler<br />

in den Trubel der Diamantenbörse von Antwerpen begibt. In der flämischen Hafenstadt<br />

werden acht von zehn Rohdiamanten der Weltproduktion und mehr als die Hälfte<br />

aller geschliffenen Steine verkauft.<br />

kuvert voller Diamanten. Besucher von Diamondland können<br />

bei Diamantenschleifer Frank Fabecke zusehen, wie aus einem<br />

rohen Stein von sieben Karat ein geschliffener Stein von 2,61<br />

Karat wird. „Für mich ist jeder Stein eine Persönlichkeit“, sagt<br />

der 42-jährige Handwerker. „Hier, siehst du, diese Kante muss<br />

man noch abschleifen. Die gesamte Schnittfläche weist noch<br />

ganz winzige Löcher auf. Da wird einiges geopfert werden<br />

müssen. Vielleicht kann ich ihn noch etwas trimmen.“ Bei der<br />

Beurteilung eines Steines sind die vier „C“ zu berücksichtigen:<br />

Colour (Farbe), Clarity (Reinheit), Cut (Schliff) und Carat<br />

(Gewicht). Daher sollte man Diamanten mit einem ADJA-<br />

oder HDR-Zertifikat kaufen.<br />

are a girl‘s<br />

best friend<br />

Es geht gut mit dem Verkauf von Diamanten in Antwerpen.<br />

Nicht nur, weil es hier die große Auswahl gibt, sondern weil<br />

sie hier auch billiger sind. Außerdem macht es Spaß, all die<br />

Glitzersteine zu sehen. Und so reisen am Wochenende vor<br />

allem Pärchen an, um sich beraten zu lassen und zu kaufen.<br />

Kostbare, mit Diamanten verzierte Geschmeide – in Antwerpen nichts Außergewöhnliches,<br />

aber nicht für jeden Geldbeutel erschwinglich. Allerdings sind Schnäppchen möglich, denn in<br />

Antwerpen ist die Auswahl riesig und man kauft billiger ein als in Deutschland.<br />

15


16 . antwerpen . diamanten und thora<br />

Experten untersuchen die Steine vor dem Verkauf und bewerten Farbe,<br />

Reinheit, Schliff und Gewicht. Der jährliche Umsatz beträgt etwa<br />

25 Milliarden Euro.<br />

Viele kaufen auch nur Steine, die sie dann von ihrem Juwe-<br />

lier daheim fassen lassen. Warum beflügeln Diamanten die<br />

Phantasie, warum entfesseln sie mehr Leidenschaften als jeder<br />

andere Stoff auf Erden? Marilyn Monroe hat es schön dahin-<br />

gehaucht: „Diamonds are a girl‘s best friend.“<br />

Nicht alle Juden leben vom Handel, Schleifen, Spalten, Abko-<br />

chen oder Verkauf der glänzenden „awóhim-yojw“, der guten<br />

Steine. Es gibt die „De Heimishe Bakkerij“, den Schlachter<br />

Mosche Steinmetz, den Apotheker Silberglanz, Konfektions-<br />

geschäfte und Kramläden. Alles, was hier verkauft wird, ist auf<br />

rituelle Reinheit überprüft worden – sogar das Waschpulver<br />

namens „Biwitt“. Es ist Hochbetrieb im koscheren Restaurant<br />

„Hoffy‘s Take Away“. Einige Juden und viele Fremde. Gastro-<br />

nom Benjamin Hoffman rückt sein schwarzes Keppeltje zu-<br />

recht, krault sich nachdenklich den Vollbart und sagt zuver-<br />

sichtlich: „Inzwischen haben uns die Touristen entdeckt.<br />

Das ist schön.“ Und wir wären nicht unter Juden, wenn wir<br />

nicht noch einen Witz erzählt bekämen: „Ein Rabbi bestellt<br />

eine neue Hose, der Schneider liefert sie aber erst nach sechs<br />

Alles, was in dem koscheren Restaurant „Hoffy’s Take Away“ verkauft wird,<br />

ist zuvor auf die rituelle Reinheit überprüft worden. Es schmeckt ausgezeichnet!<br />

Wochen. Der Rabbi fragt ihn vorwurfsvoll: „Warum brauchst<br />

du so viel Zeit für eine Hose? Gott schuf die Welt in sieben<br />

Tagen!“ Der Schneider antwortet: „Nebbich, Rabbi, schau dir<br />

doch nur die Welt an und vergleiche sie mit diesem Meister-<br />

werk von einer Hose.“<br />

DIAMANtEN-tIppS:<br />

Diamondland<br />

Appelmansstraat 33 A, 2018 Antwerpen<br />

Telefon 0032-3-2292990<br />

www.diamondland.be<br />

Diamantmuseum provincie Antwerpen<br />

Koningin Astridplein 19 – 23, 2018 Antwerpen<br />

Telefon 0032-3-202490<br />

www.diamantmuseum.be<br />

GAStRoNoMIE-tIpp:<br />

Hoffy‘s<br />

Lange Kievitstraat 52, 2018 Antwerpen<br />

Telefon 0032-3-2343535<br />

are a girl‘s<br />

best friend<br />

Wo’s hingeht …<br />

Wo’s langgeht …<br />

Was los ist …<br />

<strong>Flandern</strong>s Städte –<br />

Freilichtmuseen der anderen Art<br />

Antwerpen<br />

Plaza Hotel ||||<br />

2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />

Brügge<br />

Hotel Aragon ||||<br />

Pro Person im DZ ab º 102<br />

2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />

Pro Person im DZ ab º 124<br />

Bestimmen Sie!<br />

Antwerpen, Brügge, <strong>Brüssel</strong> und Gent bieten sich an, um Kunst vom Mittelalter, über die Renaissance bis in die Belle Epoque zu bewundern.<br />

Mit unserem Angebot an Urlaubs- und Erlebnisbausteinen im Katalog „DERTOUR Städtereisen“ Sommer 2007 reisen Kunstliebhaber<br />

und alle, die es werden wollen, in längst vergangene Zeiten.<br />

<strong>Brüssel</strong><br />

Silken Berlaymont Brussels ||||<br />

2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />

Pro Person im DZ ab º 102<br />

Gent<br />

Ibis Gent Centrum Opéra ||<br />

2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />

Pro Person im DZ ab º 70


18 . flohmärkte . paradies für frühaufsteher<br />

Paradies für<br />

Frühaufsteher Morgenstund<br />

Von kultig-bizarr bis edel-nostalgisch präsentieren sich die flämischen Flohmärkte.<br />

Kunst und Kitsch, Nippes und Ramsch, aber auch hochwertige Antiquitäten und<br />

Raritäten zu Spitzenpreisen lassen auf den Antik- und trödelmärkten die Herzen<br />

moderner Jäger und Sammler höherschlagen. Der Hauch der Geschichte, den<br />

besucher in Städten wie tongeren, brügge oder Antwerpen spüren, wird dort<br />

in kleinen und großen Alltags- und Luxusgegenständen sicht- und greifbar – und<br />

ist oft erschwinglich. Was Sie allerdings beachten sollten: Wer zuerst kommt,<br />

mahlt zuerst! Herbert Graf<br />

hat Gold im Mund! Das gute alte Grammophon<br />

wird nun bald das Wohnzimmer der jungen Dame schmücken.<br />

tOngeren – iMMer Wieder SOnntagS<br />

Jeden Sonntag wird <strong>Flandern</strong>s älteste Stadt – schon im<br />

1. Jahrhundert ließen sich hier die alten Römer nieder –<br />

zum Treffpunkt der Jäger und Sammler. Wie unsere Vorfahren<br />

streifen dann moderne Nomaden und Glücksritter schon in<br />

aller Herrgottsfrühe durch die romantisch-gemütliche Stadt,<br />

die nur rund 60 Kilometer von Aachen entfernt liegt. Entlang<br />

am mittelalterlichen Leopoldwall zieht es die aufmerksam<br />

beobachtenden Zeitgenossen hin zur Maastrichenstraat oder<br />

zum Veemarkt in der Altstadt. Dabei haben sie die Klapptische<br />

hunderter Händler stets fest im Blick: immer auf der Suche<br />

nach antiken Leuchtern, Schmuck, Silberwaren, Möbeln, aber<br />

auch einfachem und dennoch gut erhaltenem Trödel von<br />

anno dazumal. Der frühe Vogel fängt den Wurm, das ist ihre<br />

Selbst tim ist auf dem Flohmarkt von<br />

tongeren zu finden. Aber wo hat er seinen<br />

treuen Freund Struppi gelassen?<br />

Devise. Der Antik- und Flohmarkt von Tongeren gilt nicht<br />

umsonst als einer der größten Europas und ist auch internati-<br />

onal eine Institution. Auffallend viele Möbel und Kleinmöbel<br />

wie Beistelltische oder Kommoden sind hier aufgereiht – auch<br />

bei Wind und Wetter. Schnell flüchten sich dann die Besucher<br />

in die nahe gelegene gewaltige Eburonenhalle, in der eben-<br />

falls munter getrödelt wird. Unter der Woche bieten dort<br />

die Gemüse- und Fischhändler ihre frischen Waren an. Nicht<br />

alle Besucher sind jedoch auf der Jagd nach dem ultimativen<br />

Schnäppchen. Vielmehr kommen die meisten, um zu gucken,<br />

sich dem Hauch der Geschichte und der Patina der dargebo-<br />

tenen Gegenstände hinzugeben. Und erliegen dabei nicht<br />

selten dem Charme dieses außergewöhnlichen Marktes, um<br />

sich schließlich bei einem guten Bier oder einem Kaffee noch<br />

einmal über den soeben abgeschlossenen Handel zu freuen.


0 . flohmärkte . paradies für frühaufsteher<br />

brÜSSel – Jeden tag trödeln<br />

Das Wühlen in Schmuck und Strass, in Nippes und Plunder, in<br />

laut angepriesenen Ausverkäufen und unzähligen Haufen von<br />

Krimskrams ist nicht nur eine Leidenschaft der <strong>Brüssel</strong>er, son-<br />

dern aller Besucher des Flohmarktes am Place du Jeu de Balle.<br />

Im Herzen der Marollen – das Viertel des einfachen Volks –<br />

hofft jeder auf sein Schnäppchen, das sich vielleicht zu Hause<br />

und nach erfolgter Expertise doch noch als Glücksgriff erweist.<br />

Wo einst zum Tode Verurteilte öffentlich gehängt wurden,<br />

Prostituierte, Alkoholiker und verkannte Künstler gemeinsam<br />

ihr tristes Leben fristeten, hat der beliebte Trödelmarkt 1873<br />

seine Heimat gefunden. Täglich wechseln hier unzählige<br />

Gegenstände den Besitzer. Wenn allerdings an Sonntagen<br />

Touristen das Viertel bevölkern, kostet ein Plüsch-Elefant auf<br />

Rädern im Trubel der Menschenmassen schon einmal das<br />

Doppelte dessen, zu dem er werktags üblicherweise feilge-<br />

boten wird. Ein wenig gemächlicher geht es hingegen im<br />

Schatten der mächtigen Gotikkirche Notre-Dame am Place<br />

Du Grand Sablon zu. Antiquitätenliebhaber aus aller Herren<br />

Länder erstehen hier qualitativ hochwertige Möbel und Ge-<br />

mälde sowie Porzellan zu einem durchaus realistischen Preis,<br />

Fachwissen sollte allerdings mitgebracht werden. Natürlich<br />

gilt auch hier wie auf allen Märkten <strong>Flandern</strong>s: Wer zu lange<br />

schläft, wacht zu spät auf – für ein wirkliches Schnäppchen<br />

oder zumindest für eine Entdeckung!<br />

Einkaufsmeile: Jeden Sonntag<br />

wird in tongeren gebummelt.<br />

Reges treiben auf dem Flohmarkt<br />

am place du Jeu de balle in brüssel.<br />

tIppS: FLoH- uND ANtIKMäRKtE IN FLANDERN<br />

ANtWERpEN Samstags (9 – 17 Uhr) Lijnwaadmarkt,<br />

sonntags (Ostern – Oktober, 9 – 17 Uhr) St. Jansvliet,<br />

sonntags (8 – 13 Uhr) Arsenaalplaats<br />

bRÜGGE Samstags & sonntags (15.03.–15.11.,10 – 18<br />

Uhr) am Dyver; 3.7.,14.8., 25.9. (7 – 19 Uhr) ‘t Zand<br />

bRÜSSEL Samstags (9 – 18 Uhr), sonntags (9 – 14 Uhr)<br />

Place du Grand Sablon; Place du Jeu de Balle täglich<br />

GENt Freitags – sonntags (8 – 13 Uhr), an der St. Jakobskirche;<br />

Vogelmarkt sonntags (7 – 13 Uhr) Vrijdagmarkt<br />

toNGEREN Sonntags (5 – 13 Uhr) historische Stadtmauer,<br />

Altstadt<br />

<strong>Flandern</strong> – FlOHMärkte Satt<br />

Nahezu in jeder Stadt wird – meist sonntags – ein Trödelmarkt<br />

ausgerichtet. Zu den bekanntesten zählen neben dem Ton-<br />

gerer und den <strong>Brüssel</strong>er Märkten die von Gent, Brügge und<br />

Antwerpen. Gut besucht sind jedoch auch Spezialmärkte wie<br />

etwa der berühmte Blumenmarkt von Gent auf dem Kouter,<br />

wo die schönsten Blumengebinde in leuchtenden Farben er-<br />

strahlen. <strong>Flandern</strong>s größter Antiquitäten- und Flohmarkt findet<br />

dagegen dreimal im Jahr im historischen Zentrum der Hanse-<br />

stadt Brügge statt, während der Rubensmarkt in Antwerpen<br />

der seltenste <strong>Flandern</strong>s ist: Er lockt lediglich einmal im Jahr die<br />

Scharen, am 15. August, Mariä Himmelfahrt. Die der Meister<br />

schon um 1625 so unvergessen auf die Leinwand bannte.


Hartelijk<br />

welkom!<br />

www.flandern.com<br />

Futuristisches Ambiente im hippen Antwerpen: Der „Fish & Chips”-Fashion-Store in<br />

der Kammenstraat ist ein beliebter Treffpunkt der gestylten Jugend. Hier werden bei<br />

schrillen Beats die neuesten Streetware-Trends verkauft. Recht schrill präsentiert sich<br />

auch Walter Van Beirendonck (Foto links).<br />

Dieser Typ ist eine Wucht: Walter Van Beirendonck – ein Name<br />

wie ein Felsbrocken, Statur und Outfit wie ein Biker. Mit dem<br />

aufgetakelten Modevolk hat der Mann so wenig gemein wie<br />

der spindeldürre Lagerfeld mit einem Bauarbeiter. Und doch<br />

ist Van Beirendonck Designer, Kurator, Künstler, Dozent und<br />

Strippenzieher der belgischen Modeszene, der gerade überall<br />

bejubelt wird. Raf Simons, einer seiner Zöglinge, ist seit<br />

kurzem Chef-Designer von Jil Sander, und der erst 29-jährige<br />

Olivier Theyskens aus <strong>Brüssel</strong> entwirft mit großem Erfolg für<br />

das französische Modehaus Rochas. Im Gegensatz zu Karl<br />

Lagerfeld ist Van Beirendonck mit beiden Beinen auf dem<br />

Boden geblieben, zwar auf dem seiner eigenen, total verrück-<br />

ten Walter-Welt, aber doch immerhin. Anders kann ich mir die<br />

Tatsache nicht erklären, dass ich ihn an diesem stinknormalen<br />

Samstag rein zufällig in seinem galerieähnlichen Geschäft in<br />

Mut zuM experiMent Mit neuen Farben und Schnitten in der<br />

total verrückten Walter-Welt: die kollektion Walter van<br />

beirendonckS in SeineM kunStvoll auSStaFFierten MiultiStore<br />

„Walter“ in der St. antoniuSStraat.<br />

Wer Mal da War, kOMMt iMMer Wieder ZurÜck. antWerPen Hat näM-<br />

licH MeHr Zu bieten, alS in einen einZigen WOcHenendtriP HineinPaSSt:<br />

reiZende MenScHen, auFregende MOde, cOOle geScHäFte. kultur, WOHin<br />

Man ScHaut – und Jede Menge ÜberraScHungen. Kerstin Moeser<br />

der St. Antoniusstraat treffe. Mich einfach so durch Antwerpen<br />

treiben zu lassen – das hatte ich mir morgens beim Aufstehen<br />

vorgenommen. Ein paar hübsche Cafés in der Altstadt testen,<br />

an der Uferpromenade der Schelde entlangspazieren und<br />

natürlich die grandiosen Geschäfte durchkämmen. Dass<br />

sich nicht viel später die mit klobigen Silberringen besteckte<br />

Pranke des mächtigen Walter (der Name kommt übrigens von<br />

dem althochdeutschen Wort „walten“, was so viel bedeutet<br />

wie herrschen) auf meine Schulter legen würde, hätte ich im<br />

Leben nicht gedacht.<br />

Als ich kurz zuvor bei „Walter“ – wie sein kunstvoll ausstaffie-<br />

rter Multilabel-Store heißt – eingerückt war, rauschte sofort<br />

eine japanische Verkäuferin heran, drückte mir ein Gläschen<br />

Prosecco in die Hand und zwitscherte mit breitem Grinsen


4 . mode in antwerpen . hartelijk welkom<br />

wieder ab. Beschwingt und bester Dinge setzte ich meine<br />

Reise durch den riesigen Laden fort, tagträumte von einem<br />

Geldregen und traf plötzlich auf den Großmeister höchst-<br />

persönlich. Jetzt nicht lange fackeln, hin da, dachte ich<br />

mir, und voilà! Nach kurzem Begrüßungsgeplänkel frage<br />

ich, ob wir ein Foto von ihm machen dürfen. „Klar“, sagt<br />

er und bringt sich in Pose. „Aber was ist mit dir, willst du<br />

zum Andenken nicht auch mit drauf?“, ruft er dann. Puh,<br />

unverhofft kommt in dieser Stadt wirklich oft. Was soll’s:<br />

Ich rücke näher und bin tief beeindruckt, wie entspannt<br />

und reizend dieser Mann ist. Denn eigentlich gilt Walter<br />

Van Beirendonck als Enfant terrible der „AntwerpSix“, jener<br />

legendären Designer-Truppe, zu der noch Ann Demeule-<br />

meester, Dirk Bikkembergs, Dries Van Noten, Marina Yee<br />

und Dirk Van Saene zählten – die Mitte der 80er Jahre mit<br />

Antwerpen hat Stil.<br />

Und das Beste: Man braucht nicht<br />

mal einen Stadtplan, so nah liegt<br />

hier alles beieinander.<br />

ihrer Anti-Mode international für Aufsehen sorgten. Durch<br />

ihre entschlossene Abkehr vom Gefälligen und ihren Mut<br />

zum Experimentieren mit Farben und neuen Schnitten<br />

eroberten die sechs Absolventen der renommierten König-<br />

lichen Akademie der Schönen Künste die Modewelt.<br />

Und brachten einen Ort ins Gespräch, der bis dahin im<br />

internationalen Designer-Zirkus keine Rolle gespielt hatte.<br />

Heute, gut 20 Jahre später, hat sich Antwerpen seinen<br />

www.flandern.com 5<br />

Status als das Mekka der Mode-Avantgarde gesichert. Die<br />

450 000-Einwohner-Stadt hat aber nicht nur Style, sondern<br />

auch Stil. Die Gemütlichkeit der gotischen Gildehäuser, das<br />

majestätische Flair der Jugendstilvillen im Süden der Stadt,<br />

die edlen Konsumtempel und die urigen Art-déco-Läden<br />

versprühen unvergleichlichen Charme. Eine Weltstadt,<br />

aber überschaubar. Wer shoppen will, braucht nicht mal<br />

einen lästigen Stadtplan, so nah liegt hier alles beieinander.<br />

Unbedingt empfehlenswert ist aber das Büchlein „Antwerp<br />

Fashion Walk“ (gibt’s in der Touristeninformation oder im<br />

Buchladen „Copyright“ des Modemuseums auf der Natio-<br />

nalestraat). Mit dieser Lektüre beginne ich den Tag am Het<br />

Dagelijks Brood, einem wunderhübschen Bäckerei-Café in<br />

der Steenhouwersvest. Bevor morgens die Geschäfte auf-<br />

machen, trifft sich hier die Modegemeinde. Man frühstückt<br />

an einem langen Holztisch vor einer hellen Marmortheke<br />

im Jugendstildekor. Es duftet nach frischen Kaffeebohnen<br />

und warmen Croissants. Das Brot wird im Weidenkorb<br />

serviert, der Milchkaffee in einer Keramikschale. Hätte mir<br />

nicht zufällig jemand erzählt, dass dieses Café ein Ableger<br />

der Franchise-Kette Le Pain Quotidien ist, ich hätte mich<br />

in einem der ältesten Familienbetriebe der Stadt gewähnt.<br />

Nach dem Frühstück begebe ich mich auf Shopping-Tour.<br />

Doch weit komme ich nicht. Zwei Häuser nebenan, bei Epi-<br />

sode, dem besten Secondhand-Laden, den ich je gesehen<br />

habe, muss ich zunächst die Regale plündern. Meine pass-<br />

able Ausbeute: ein enges gepunktetes Kleid, ein giftgrüner<br />

Trenchcoat und eine hippe Tunika für insgesamt 60 Euro –<br />

was für geniale Schnäppchen! Ich ziehe weiter Richtung<br />

Nationalestraat, über die bekannteste Designer-Meile


6 . mode in antwerpen . hartelijk welkom<br />

Antwerpens. Hier befindet sich auch das barocke Modepalais<br />

des grandiosen Avantgarde-Designers Dries Van Noten. Nicht<br />

nur die Mode-Journalisten lieben Van Notens opulent-fröhlichen<br />

Stil, der ganz ohne Werbung, ja sogar ohne Logo auskommt.<br />

Und über die Kammerstraat gelange ich schließlich<br />

in die Lombardenstraat.<br />

Die Boutique AVe, von außen unscheinbar, entpuppt sich<br />

als mein persönliches Shopping-Paradies. Inhaberin Annick<br />

Vande-Cappelle schneidert aus antiken Stoffen und alten Klamotten<br />

umwerfende Glockenröcke und Kostüme im 50er-<br />

Jahre-Stil. „Ich entwerfe Mode für Cinderellas“, sagt sie. Wahrscheinlich<br />

meint sie mich, denn ich werde schwach bei dem<br />

Anblick der korallenfarbenen Strickjäckchen mit Marienkäfer-<br />

Insider-Tipps für Antwerpen<br />

EINKAuFEN<br />

aVe, Lombardenstraat 18,<br />

Telefon 0032-3-2274401<br />

Öffnungszeiten:<br />

Do., Fr. + Sa., 11 – 18 Uhr<br />

Märchenhaft verspielte Vin-<br />

tage-Couture und Accessoires<br />

im 50er-Jahre-Stil<br />

chucks von bernhard Willhelm<br />

im „Walter“–Store<br />

clinic, De Burburestraat 5,<br />

www.clinicantwerp.com<br />

Multilabel-Store mit Café<br />

im Süden der Stadt<br />

cocodrillo,<br />

Schuttershofstraat 9,<br />

Telefon 0032-3-2332093<br />

Bester Schuhladen in<br />

Antwerpen (u. a. Sergio Rossi,<br />

Dries Van Noten)<br />

episode,<br />

Steemjpiwersvest 34 a,<br />

Telefon 0032-3-2343414<br />

Bester Secondhand-Laden,<br />

riesige Auswahl, gute Preise<br />

Fish & chips,<br />

Kammenstraat 36 – 38,<br />

www.fishandchips.be<br />

Erste Street-Fashion-Adresse<br />

Zoé & James, Kammenstraat<br />

69, Telefon 0032-3-2880915<br />

Flagship-Store der Designerin<br />

Ann-Sophie de Campos<br />

knöpfen und bin entzückt von den Broschen der Schmuck-<br />

Künstlerin Lea Stein. „Will ich alles haben“, schreit es aus den<br />

Tiefen meiner Seele. Mein letzter Weg führt ins Strantwerpen,<br />

Antwerpens ersten und einzigen Beach-Club.<br />

Er liegt direkt am Scheldeufer, nicht weit von Het Zuid entfernt,<br />

dem trendigen Szeneviertel im Süden der Stadt. Nach<br />

einem kurzen Gespräch mit Inhaber Karim kommt seine<br />

Freundin auf mich zu: „Hallo“, sagt sie, „du bist also auch aus<br />

Hamburg.“ Ein Bier später stellen wir fest, dass wir gemeinsame<br />

Bekannte haben. Ihren Job für Gucci hat Ann lange Zeit<br />

von Hamburg aus gemacht, erst vor kurzem kam sie nach<br />

Antwerpen. „Die Stadt ist einfach der Wahnsinn“, sagt sie.<br />

Ich würde eher sagen: eine Wucht!<br />

Verso,<br />

Lange Gasthuisstraat 9 – 11<br />

www.verso.be<br />

Edler Shopping-Tempel im<br />

Art-déco-Stil<br />

AuSGEHEN<br />

entrepot du congo,<br />

Vlaamsekaai 42,<br />

Telefon 0032-3-2389232<br />

Gutes Restaurant<br />

Het dagelijks brood,<br />

Steenhouwersvest 48,<br />

Telefon 0032-3-2267613<br />

Das perfekte Frühstück<br />

Strantwerpen, Scheldekaai<br />

14 B , Tel. 0032-3-6103630,<br />

www.strantwerpen.be<br />

Beach-Club an der Schelde<br />

Vasen-Deko bei AVe<br />

ÜbERNAcHtEN<br />

charles rogier Xl,<br />

Karel Rogierstraat 11,<br />

mobil 0032-475-299989<br />

www.charlesrogierxi.be<br />

Superschönes Bed & Breakfast,<br />

am besten lange im<br />

Voraus buchen<br />

Miauw Suites,<br />

für Mode-Freaks, Reservierung<br />

unter: suites@analik.com<br />

<strong>Flandern</strong>s Küste, alles was zu<br />

einem schönen Urlaub<br />

dazugehört.<br />

Ob zu zweit oder mit der ganzen Familie.<br />

An <strong>Flandern</strong>s Küsten finden Familien bei jeder Wetterlaune<br />

Ihren feuchtfröhlichen Badespaß. Ob an der Küste<br />

oder im tropischen Badeparadies "Aquafun" in den<br />

beiden Sunparks in De Haan und Oostduinkerke.<br />

Sie möchten die flämische Gastfreundschaft, Kultur und<br />

Küche genießen? z.B. im Grand Hotel Bellevue e<br />

1 Woche mit Frühstück ab € 235.<br />

Weitere Informationen unter www.tui-autoreisen.de


„Mein<br />

Beruf ist<br />

auch mein<br />

Hobby“<br />

Dass die belgische Küche zu den besten der Welt zählt, ist unter Feinschmeckern längst<br />

kein Geheimnis mehr. Ganz oben an der Spitze der belgischen Kochelite bringt Meister-<br />

koch Felix Alen ganz belgien immer wieder aufs Neue „auf den feinen Geschmack“.<br />

bekannt wurde Alen, der schon in jungen Jahren am belgischen Königshof kochte, vor<br />

allem durch seine tV-Sendungen und zahlreiche Kochbücher. Ein guter Grund, den sympathischen<br />

Koch auf seinem weitläufigen und idyllisch gelegenen Anwesen Hof te Rhode<br />

in Flämisch-brabant zu besuchen. Interview mit Dieter Knaut<br />

ein kulinariScHeS geSPräcH<br />

Mit belgienS MeiSterkOcH FeliX alen<br />

Herr Alen, was ist das Geheimnis Ihres anhaltenden Erfolges?<br />

Felix Alen: Der Hauptgrund liegt sicher darin, dass mein Beruf<br />

für mich auch mein Hobby ist. Wissen Sie, Kochen ist immer<br />

wieder eine spannende Sache. Jeden Tag probiere ich andere<br />

Tendenzen und neue Rezepte aus. Kurz, ich bleibe zwar der<br />

klassischen Küche treu, probiere aber neue Trends wie etwa<br />

die molekulare Küche aus. Wir haben hier alle notwendigen<br />

Küchenwerkzeuge im Haus und experimentieren damit.<br />

Was zeichnet Ihrer Meinung nach die regionale Küche von<br />

Flämisch-Brabant besonders aus?<br />

Alen: Das Besondere ist, dass unsere Küche unverfälscht ist.<br />

Diest ist eine Bierstadt. Unsere Rezepte enthalten deshalb<br />

viel Bier. Außerdem haben wir hier im Hageland eine eigene<br />

Weinkultur, viel Gemüse und Obst wie Äpfel und Beeren, dazu<br />

Federvieh und Wild. All diese Zutaten finden sich auch in<br />

meinen Menüs wieder.<br />

Ist Ihre Küche saisonal ausgerichtet?<br />

Alen: Ja, ich finde, dass viel zu wenige Köche die Jahreszeiten<br />

„spielen lassen“. Wir tun dies. Jede Jahreszeit hat doch ihre<br />

eigene Philosophie in der Küche und jedes Produkt hat seine<br />

eigene Saison. Für mich heißt das auch, dass kein Chicorée im<br />

www.flandern.com 9<br />

Sommer oder Spargel im Winter auf die Speisekarte darf, Wild<br />

und Pilze gibt es im Herbst.<br />

Auf Ihrem Anwesen duftet es herrlich nach Kräutern. Mit wel-<br />

chen kochen Sie am liebsten?<br />

Alen: Jedes der Kräuter hat seinen eigenen Charakter. Mein<br />

persönlicher Favorit ist Salbei, den ich für alle möglichen<br />

Fleischgerichte nutze. Auch zum Aromatisieren von Sahne,<br />

die wir auf die Fischsuppe gießen und dann unter dem Grill<br />

glacieren, greife ich auf Salbei zurück.<br />

REISE-tIppS:<br />

Kommen wir noch einmal zurück zum Kochen mit Bier, wofür<br />

die flämische Küche ja bekannt ist. Gibt es Biersorten, die Sie<br />

bei der Zubereitung bestimmter Menüs bevorzugen?<br />

Alen: Ich koche mit allen Sorten von Bier. Ragouts etwa<br />

mit Pilsener oder Wildgerichte zusammen mit Beeren und<br />

dunklem Bier, das ja ein bisschen bitterer schmeckt. Für eine<br />

kalte Sauce nehme ich Kriek, Lambic oder Gueze. Wie die<br />

Kräutern hat auch jedes Bier seinen eigenen Charakter.<br />

In der flämischen Küche spielt Chicorée eine ganz besondere<br />

Rolle. Ist auch in Ihrer Küche „Witloof“ vertreten?<br />

Hof te Rhode in Schaffen-Diest ist kein öffent-<br />

liches Restaurant. Wer allerdings eine besondere<br />

Festivität plant, ist auf dem Anwesen von Felix<br />

Alen gerne willkommen. Wegen der großen<br />

Nachfrage sollte etwa ein Jahr im Voraus gebucht<br />

werden. Infos unter www.hofterhode.be<br />

Alen: Und ob, ich liebe Chicorée. Wissen Sie, man muss mit<br />

Witloof groß geworden sein. Er ist ein ausgesprochen viel-<br />

seitiges Gemüse, das wir sogar zur Zubereitung von Eis oder<br />

süßer Torte verwenden. Persönlich esse ich unseren Chicorée,<br />

den man übrigens auch panieren oder frittieren kann, ange-<br />

schwitzt mit guter Butter. Einfach großartig!<br />

Wo wir gerade beim Thema sind, Sie sind Mitglied der Xaverius-<br />

Bruderschaft für Ess- und Tischkultur im stillen Beginenhof von<br />

Diest. Bruderschaft, das klingt irgendwie geheimnisvoll …<br />

Alen: Im Jahre 1999 sind wir mit dem ersten kulinarischen<br />

Kulturzentrum Belgiens im Beginenhof gestartet. Pro Jahr ver-<br />

anstalten wir ca. 30 bis 40 Events zum Thema Esskultur. Das<br />

Clubhaus, zu dem eine kulinarische Bibliothek gehört und in<br />

dem TV-Sendungen aufgezeichnet werden, ist der Mittelpunkt<br />

unserer gar nicht so geheimnisvollen Bruderschaft.<br />

Herr Alen, man spürt, Sie sprühen geradezu vor Leidenschaft,<br />

wenn es ums Thema Kochen geht. Neue Projekte in Planung?<br />

Alen: Zurzeit arbeite ich an mehreren Buchprojekten. In einem<br />

davon, das ich gemeinsam mit dem Teamkoch der Fußball-<br />

Nationalmannschaft vorbereite, werden elf junge Fußballspie-<br />

ler nach ihren kulinarischen Vorlieben gefragt. Ein Buch wird<br />

unter dem Titel „Felix alles pur“ erscheinen. Außerdem habe<br />

ich noch ein Witloof-Buch im Miniformat in Planung.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Neben dem charmanten Städtchen Diest<br />

mit seinem jahrhundertealten Beginenhof lohnt<br />

in Flämisch-Brabant auch ein Besuch des Zucker-<br />

museums der Zuckerstadt Tienen, der Wallfahrts-<br />

kirche Scherpenheuvel und eine Brauereiführung<br />

in der Bierstadt Hoegaarden.<br />

Infos unter www.flandern.com


0 . bruegel . mit pieter bruegel übers land<br />

MIT PIETER BRUEGEL<br />

ÜBERS LAND<br />

ob bruegel die wilden Hefen gekannt hat, ist nicht überliefert. Ziemlich sicher ist aber,<br />

dass er das produkt, das sich bis heute ihrer Mithilfe verdankt, verköstigt haben wird.<br />

ob es Lambics und Gueuzes sind, diese besonderen biere, die es nur in der Heimat des<br />

berühmten flämischen Malers gibt, die auf seinen bildern wie der „bauernhochzeit“ ausgeschenkt<br />

werden? tatsache ist jedenfalls, dass bruegel heimatverbundener war, als es<br />

seine fantastischen Landschaftskompositionen vermuten lassen. Ulrich TraubDer Westen von <strong>Brüssel</strong>,<br />

www.flandern.com 1<br />

Das immer noch bäuerlich geprägte Pajottenland ist zwar ein<br />

Wallfahrtsort für Bier-Liebhaber, darüber hinaus aber kaum<br />

bekannt. Dass Pieter Bruegel der Ältere, der so genannte Bau-<br />

ern-Bruegel, hier im 16. Jahrhundert wesentliche Anregungen<br />

zu seinem Werk gefunden hat, war nur noch eine Fußnote in<br />

seiner Biografie – bis sich Albrecht de Schrijver und seine Un-<br />

terstützer an die Arbeit gegen das Vergessen machten. „Das<br />

waren wir Bruegel, der für mich der größte Maler <strong>Flandern</strong>s<br />

ist, schuldig“, erklärt der engagierte Herr mit Nachdruck. Sein<br />

Werk habe einen wichtigen Beitrag zur Schaffung flämischer<br />

Identität geleistet. Nun lädt in der weit verzweigten Land-<br />

gemeinde Dilbeek ein Freilichtmuseum zum Kennenlernen<br />

von Bruegels Malerei und der Landschaft ein. Rundwege für<br />

Wanderer und Radler führen zu insgesamt 19 Stationen, an<br />

denen Reproduktionen, die mehr oder weniger Originalgröße<br />

aufweisen, aufgestellt worden sind. Es geht über Wiesen und<br />

Felder und durch die kleinen Ortsteile, in denen manch<br />

Verblüffende Ähnlichkeit. Pieter Bruegels „Das Gleichnis des Blinden”<br />

vor der Kirche Sint-Anna-Pede<br />

stattliches Eigenheim auf neue Bewohner hindeutet. Auch<br />

die EU-Bürokraten schätzen die Ruhe der Landschaft vor den<br />

Toren der Hauptstadt. „Sieht die Kirche hier in Sint-Anna-Pede<br />

nicht genauso aus wie auf Bruegels Gemälde?“, fragt Albrecht<br />

de Schrijver und zeigt auf „Das Gleichnis von den Blinden“,<br />

das vor dem Gotteshaus steht. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit<br />

verblüffend. Auch Mühlen und Höfe, wie sie noch heute im<br />

hügeligen Pajottenland zu finden sind, lassen sich in den Ge-<br />

mälden entdecken. Und dann ist da ja noch das Bier. Bruegel-<br />

Kenner de Schrijver weiß aber natürlich, dass dem Maler kein<br />

Abbild der Landschaft vorschwebte, sondern dass er Kom-<br />

mentare zu einer sehr schweren Zeit des Umbruchs schuf, die<br />

er in visionären Landschaften verschlüsselte. Wo hat man in<br />

<strong>Flandern</strong> auch schon mal solche dramatischen Gebirgskulissen<br />

gesehen? So geht es bei der Bruegel-Route dann auch weni-<br />

ger darum, das Original eines Bildmotivs zu suchen. Vielmehr<br />

sollte man sich einlassen auf das Spiel der Gedanken, auf das<br />

Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dabei<br />

wird man feststellen, dass diese Landschaft ihren Charakter<br />

noch nicht verloren hat. So gesehen, ist die Bruegel-Route ein<br />

Beitrag zum Landschaftsschutz. „Und die Bruegel-Fans dürfen<br />

sich darüber freuen, dass sie so viele Werke betrachten können<br />

wie in keinem Museum der Welt“, schmunzelt Albrecht de<br />

Schrijver. Es besteht folglich kein Grund, so ernst zu sein wie<br />

die Menschen in den Bruegel-Szenen, deren Sorgen und Nöte<br />

sich trotz Feier und Tanz in ihren Mienen widerspiegeln.<br />

Da half auch das Bier nichts. Das ist heute anders. Auch wenn<br />

nur eine Handvoll Lambic-Betriebe im Pajottenland das Brau-<br />

ereisterben überlebt hat – zu Bruegels Zeiten gab es in jedem<br />

Dorf gleich mehrere –, erfreut sich diese Spezialität hoher<br />

Wertschätzung.<br />

bruegel-Route, Zugang gratis. Die broschüre<br />

kann man für 2,50 Euro bestellen beim:<br />

Cultuurdienst Dilbeek, Gemeenteplein 1,<br />

1702 Groot-Bijgaarden, www.dilbeekserfgoed.be<br />

Lambic-brauerei 3 Fonteinen: besichtigung<br />

nach Voranmeldung, Telefon 0032-2-3067103<br />

(deutschsprachig), www.3fonteinen.be; das Restaurant<br />

bietet gute Küche zu zivilen preisen.<br />

Übernachtung: Hof ter Vrijlegem, Mollem bei Asse:<br />

DZ/F 74 Euro, Telefon 0032-2-4528545<br />

(deutschsprachig), www.hoftervrijlegem.be


. architektur . jugendstil in brüssel<br />

Jugendstil<br />

in BRÜSSEL<br />

Dieter Knaut<br />

die grOSSe leidenScHaFt der<br />

MadaMe Feryn<br />

„Junger Mann, klappen Sie Ihren Reiseführer<br />

zu, ich würde Ihnen sehr gerne einige per-<br />

sönliche Ratschläge für Ihren Aufenthalt in<br />

meinem <strong>Brüssel</strong> geben“, sagt eine freundliche<br />

Dame am Nebentisch, während ich vor einem<br />

gemütlichen Bistro im Herzen <strong>Brüssel</strong>s gerade<br />

Sahne in meinen Kaffee rühre und dabei lese.<br />

„Wenn Sie sich für Jugendstil, oder wie wir<br />

hier sagen, für Art nouveau interessieren, dann<br />

bin ich eine perfekte Ratgeberin. Wissen Sie<br />

eigentlich, dass <strong>Brüssel</strong> heute noch über das<br />

reichste und vielfältigste Erbe des Jugendstils<br />

in Europa verfügt?“ Die nette ältere Dame<br />

lädt mich dazu ein, an ihrem Tisch Platz zu<br />

nehmen, ich bestelle uns zwei weitere Tassen<br />

Kaffee – und Madame Feryn fängt an zu<br />

erzählen. „Die meisten Gäste, die mein <strong>Brüssel</strong><br />

heute besuchen, haben ein vollkommen<br />

falsches Bild von der Stadt. Denn hier gibt es<br />

nicht nur moderne Hochhäuser und euro-<br />

kratische Hektik, sondern auch mehr als 450<br />

Häuser, die noch aus der Zeit des Jugendstils<br />

(1893 – 1910) erhalten geblieben sind. In den<br />

60er Jahren, als während des unsäglichen Bau-<br />

booms viele historische Baudenkmäler einfach<br />

abgerissen wurden, war ich übrigens in einer<br />

Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des<br />

kulturellen Erbes der Belle Epoque einsetzte.<br />

Gott sei Dank ist doch noch vieles erhalten ge-<br />

blieben. Bummeln Sie nachher mal durch die<br />

Straßen der Stadtviertel Schaerbeek, St. Gilles<br />

und Ixelles, da können Sie von der pracht-<br />

vollen Architektur aus der Zeit der Jahrhundert<br />

wende noch einige sehr schöne Bauten zu<br />

sehen bekommen.“


4 . architektur . jugendstil in brüssel<br />

Selbst das Licht ist stilisiert –<br />

Art-nouveau-Leuchte in brüssel.<br />

Orte VOller nOStalgie …<br />

Während unseres Gesprächs fällt mir immer mehr auf, dass<br />

Jugendstil die große Leidenschaft meiner Tischnachbarin sein<br />

muss, mit der sie viele persönliche Erinnerungen verbindet.<br />

„Wissen Sie, am meisten liebe ich in meinem <strong>Brüssel</strong> Orte<br />

voller Nostalgie wie das Café Le Cirio in der Rue de la Bourse,<br />

in dem ich in den 50er Jahren meinen Mann kennenlernte. Es<br />

würde mich interessieren, wie Ihnen die ein bisschen kitschig<br />

und plüschig anmutende Atmosphäre und das in dunklem<br />

Holz gehaltene Interieur, der glockenartige Glasleuchter und<br />

der ganze Nippes dort gefällt. Im Le Cirio können Sie übrigens<br />

auch sehr gut essen – probieren Sie dort mal den Croque Cirio<br />

oder ein Orval zum Thunfischsalat. Einfach köstlich. Auf der<br />

Terrasse gegenüber dem Café Le Cirio kann man übrigens sehr<br />

schön sitzen und bei einem kühlen Glas Leffe quasi in das Café<br />

hineinschauen und dabei den Straßenmusikanten zuhören.<br />

Unweit des Cafés gibt es, ebenfalls in direkter Börsen-Nähe,<br />

noch ein anderes sehr schönes Restaurant mit Jugendstil-Ein-<br />

richtung, das Café Falstaff.“<br />

HöHePunkte deS art nOuVeau<br />

Auf meine Frage hin, welche besonderen Jugendstil-Bauten<br />

<strong>Brüssel</strong> zu bieten hat, empfiehlt Madame Feryn das „Old Eng-<br />

Ein Meister der Glaskunst schuf dieses<br />

vom Licht durchflutete Jugendstil-Fenster.<br />

land“ in der Hofberg 2, ein im Jahre 1898 von Paul Saintenoy<br />

erbautes Warenhaus für Damen- und Herrenbekleidung, das<br />

heute das bekannte Musikinstrumenten-Museum beherbergt.<br />

Bei meinem späteren Besuch dort gefallen mir besonders die<br />

Innendekors im Art-nouveau-Stil wie die über stählernen Trä-<br />

gern rankenden Disteln und das Treppengeländer aus stilisier-<br />

ten Pflanzen, die aus Mosaiksteinchen geschlungenen Bänder<br />

in den Farben Gelb, Orange und Lila. Einen schönen Ausblick<br />

bietet im „Old England“ die Dachterrasse im fünften Stock-<br />

werk, wo es bei aufkommendem Wind allerdings manchmal<br />

etwas zugig werden kann. Wem die Treppen zu anstrengend<br />

sind, der kann den Fahrstuhl nutzen.<br />

Ein anderer wertvoller Besucher-Tipp meiner netten <strong>Brüssel</strong>er<br />

Tischnachbarin ist das 1903 von Victor Horta entworfene<br />

heutige Comic-Museum, das einst eine Kaufhausgalerie war.<br />

Typisch Jugendstil ist die sandfarbene Fassade mit ihren<br />

übergroßen Fenstern im Erdgeschoss – nicht floral verspielt,<br />

sondern eher schlicht gehalten. Im Gebäude selbst fallen<br />

besonders die eisernen Säulchen mit Blattkapitellen und die<br />

ausladende Laterne im von Licht durchfluteten Foyer ins Auge.<br />

Auch die große Steintreppe mit ihrer organisch fließenden Ba-<br />

lustrade aus Eisen und Holz ist wirklich sehenswert. Dass heute<br />

hier solche berühmten Comic-Helden wie Tim und Struppi<br />

oder Lucky Luke gezeigt werden, ist ein sehr interessanter,<br />

www.flandern.com 5<br />

Der Eingangsbereich des von Victor Horta<br />

entworfenen heutigen comic-Museums.<br />

aber keineswegs störender Kontrast. Denn hier treffen Art<br />

nouveau und neue Kunst gekonnt aufeinander. Wer im<br />

Comic-Museum mehr über Art nouveau erfahren möchte,<br />

sollte den kleinen Raum im Erdgeschoss rechts neben der<br />

Treppe besuchen. Dass Comic-Freunde im altehrwürdigen<br />

Haus auf ihre Kosten kommen, versteht sich von selbst.<br />

eiSen alS dekOratiVeS – und<br />

uMStritteneS – bauMaterial<br />

Ganz sicher, meint Madame Feryn, ist auch das einstige<br />

Wohnhaus und Atelier des wohl bekanntesten belgischen<br />

Jugendstil-Architekten Victor Horta (1861 – 1947) einen Besuch<br />

wert. Denn hier hat alles begonnen. Im heutigen Musée Horta<br />

in der Rue Americaine 25 können Liebhaber des Jugendstils<br />

nach vorheriger Anmeldung die Verliebtheit in die rhyth-<br />

mischen Harmonien des Art nouveau bewundern. Ein weiteres<br />

sehenswertes Gebäude Victor Hortas ist das Herrenhaus „Van<br />

Eetvelde“ in der Palmerstonlaan 2 – 6. Der ehemalige General-<br />

sekretär des Kongo, Van Eetvelde, der viele Hölzer für die In-<br />

nenausstattung mitbrachte, beauftragte Horta im Jahre 1895<br />

mit dem Bau des Hauses, das dann in zwei Bauabschnitten<br />

entstand. Während dieser architektonisch geradezu revoluti-<br />

onären Jahre musste Horta übrigens viele Menschen davon<br />

überzeugen, dass auch im Inneren eines Hauses Eisen, das<br />

viele eher an Bahnhöfe erinnerte, sehr wohl als dekoratives<br />

Baumaterial dienen kann. Will man die ganze Vielfalt der<br />

Metropole des Jugendstils entdecken, empfiehlt mir Madame<br />

Feryn noch, sollte man am besten eine organisierte Stadtwan-<br />

derung mit einem kundigen Führer unternehmen.<br />

Denn manche Jugendstil-Bauten „verstecken“ sich geradezu<br />

in Straßen, in denen man sie nicht vermuten würde. Beispiels-<br />

weise „De Ultieme Hallucinatie“ in der Koningsstraat 316 am<br />

Rande von Schaerbeek, wo heute an vielen Bauten sichtbar<br />

der Zahn der Zeit nagt. Aber schon beim Eintritt ins „De Ultie-<br />

me Hallucinatie“ atmet der Besucher die Zeit des Jugendstils<br />

und kann viele Stilelemente der Epoche bestaunen. Sehr nett<br />

ist auch der kleine Biergarten des Hauses, der dem Gast nur<br />

wenige Meter von der Hektik der Straße entfernt eine kleine<br />

Oase der Ruhe bietet.<br />

Eines ist jedenfalls sicher: Wer sich für die von Licht und von<br />

fließenden Linien erfüllte belgische Architektur des Jugend-<br />

stils interessiert, geboren aus Eisen, Gusseisen und Glas, ist<br />

in <strong>Brüssel</strong> genau richtig. Denn hier hat mit den mutigen und<br />

geradezu revolutionären Ideen der Architekten Victor Horta<br />

und Paul Hankar (um nur zwei zu nennen) alles seinen Anfang<br />

genommen. Ob Horta, Hankar, Strauven oder Cauchie – sie<br />

alle genossen es auf ihre Art, innovativ zu sein und architekto-<br />

nische Zeichen zu setzen.<br />

Harmonisch schwelgt das treppenhaus<br />

ganz im Stil der belle Epoque.


unSERE BRÜSSELER ARt-<br />

nouvEAu-tippS Auf EinEn BLick<br />

reStaurantS iM JugendStil<br />

de ultieme Hallucinatie<br />

Koningsstraat 316,<br />

1210 <strong>Brüssel</strong><br />

Telefon 0032-2-217064<br />

Restaurantbetrieb außer Sa. und So.,<br />

12 – 14.30 Uhr, 19.30 – 22.30 Uhr<br />

Taverne ab 11 Uhr, Sa. ab 16 Uhr<br />

le cirio<br />

Beursstraat 20,<br />

1000 <strong>Brüssel</strong><br />

Telefon 0032-2-5121395<br />

café Metropole<br />

Brouckere Plein 31,<br />

1000 <strong>Brüssel</strong><br />

Telefon 0032-2-2192384<br />

(schöne Terrasse, allerdings<br />

auch nicht ganz billig)<br />

le Perroquet<br />

Watteaustraat 31, 1000 <strong>Brüssel</strong><br />

Telefon 0032-2-5129922<br />

Täglich 10.30 – 1.30 Uhr<br />

(leckere Torten)<br />

StadtFÜHrungen<br />

(buStOuren) art nOuVeau<br />

z. B. ARAU<br />

Telefon 0032-2-2193345<br />

SHOPPing iM JugendStil<br />

Senses<br />

Lebeaustraat 31 (Zavel)<br />

1000 <strong>Brüssel</strong><br />

www.senses-artnouveau.com<br />

(Reproduktionen von Jugendstil-<br />

objekten und -schmuck und vom Ju-<br />

gendstil inspirierte Modeaccessoires)<br />

Pallissandre<br />

Drievuldigheidsvoorplain 4, 1050<br />

<strong>Brüssel</strong> (Art-nouveau- und Art-déco-<br />

Antiquitäten, u. a. Jugendstil-Vasen)<br />

ÜbernacHtung iM JugendStil<br />

astoria<br />

(Reichhaltiges Frühstück im Art-nou-<br />

veau-Ambiente) Koningsstraat 103<br />

(Nähe Botanischer Garten),<br />

1000 <strong>Brüssel</strong>, www.sofitel.com<br />

Metropole<br />

Brouckere Plein<br />

1000 <strong>Brüssel</strong><br />

www.metropolehotel.be<br />

taScHenFÜHrer<br />

„den Jugendstil erleben“<br />

(Zu Fuß oder mit dem Fahrrad)<br />

Für 3 Euro erhältlich in den Fremden-<br />

verkehrsbüros der Innenstadt<br />

www.bruxelles-art-nouveau.be<br />

biennale art nOuVeau 007<br />

die ursprünge des art nouveau<br />

(St. Gilles und das Viertel Louise)<br />

Am 6. und 7. 10. 2007<br />

aufschwung des art nouveau<br />

(Schaerbeek und der Norden von<br />

<strong>Brüssel</strong>) Am 13. und 14. 10. 2007<br />

erfindergeist des art nouveau<br />

(Etterbeek, die Teiche von Ixelles<br />

und das Viertel der „Squares“)<br />

Am 20. und 21. 10. 2007<br />

www.flandern.com<br />

Belgien in Zahlen<br />

1/4 der <strong>Brüssel</strong>er sind Ausländer.<br />

24 Dollar war der Preis, den der Belgier Pierre<br />

Minuit den Indianern im Jahre 1624 für die<br />

Insel Manhattan bezahlte. Er wurde der Gouverneur<br />

von „Nova Belgica“, das heute New<br />

York genannt wird.<br />

80 % aller Billardkugeln kommen aus Belgien.<br />

108 Michelin-Sterne zählt Belgien. Auf den<br />

Einwohner gesehen schlägt Belgien damit das<br />

Gourmetland Frankreich.<br />

600 Sorten Bier – von Kirsch- bis zu den legendären<br />

Trappistenbieren – brauen die Belgier.<br />

185 Millionen Spiele im Jahr, das sind 200<br />

Spielkarten pro Sekunde, werden in der Spielkartenstadt<br />

Turnhout hergestellt.<br />

165-milliardenfach größer als ein Eisenmolekül<br />

ist das Atomium.<br />

Beliebteste Belgier<br />

Manneken Pis<br />

Den politisch korrekten Gutmenschen<br />

und Regierenden ein Dorn im Auge.<br />

Schamlos, anarchisch, aber unbekümmert<br />

und glücklich. Weiter so!<br />

Sympathiepunkte 8 121<br />

Tim & Struppi<br />

Der wohl faulste Journalist aller Zeiten –<br />

er hat noch nie eine Reportage zu Ende<br />

geschrieben – reist mit seinem Hund in<br />

alle Länder dieser Welt und hat deshalb<br />

eine internationale Fangemeinde.<br />

Sympathiepunkte 5 742<br />

Rubens<br />

Der Malerfürst und seine drallen weiblichen<br />

Schönheiten sind ein wohltuender<br />

Gegenpol zu dem Schlankheitswahn und<br />

den magersüchtigen Models.<br />

Sympathiepunkte 3 693<br />

Schokophilie<br />

13 kg der belgischen Schokolade verzehrt ein<br />

<strong>Brüssel</strong>er pro Jahr.<br />

Reinheitsgebot für Schokolade<br />

Warum ist belgische Schokolade weltberühmt?<br />

In Belgien darf, anders als in allen anderen<br />

Ländern, nur echte Kakaobutter zum Schokolademachen<br />

verwendet werden. Das Ergebnis ist<br />

viel edler als bei der Verwendung anderer Fette.<br />

Frittologie<br />

Durchschnittlich verbraucht ein Friturist<br />

65 kg Kartoffeln pro Tag. Alle flämischen<br />

Frituristen zusammen (= etwa 2 700)<br />

verarbeiten täglich 175 500 kg Kartoffeln.<br />

Mit einem durchschnittlichen Ertrag von<br />

42 Tonnen pro Hektar sind hierfür täglich<br />

4,18 Hektar Kartoffelanbaufläche nötig.<br />

Um ganz <strong>Flandern</strong> ein ganzes Jahr hindurch<br />

mit Pommes aus der „Frituur“ zu ernähren,<br />

bräuchte man 1 525 Hektar oder 3 052<br />

Fußballfelder Kartoffeln ...<br />

Rekord im Frittenbacken<br />

Den Rekord im Dauer-Pommesbacken hält<br />

Ludwig Reynen aus Kalmthout (Belgien).<br />

Vom 2. bis 5. April 1987 frittierte er 72<br />

Stunden lang 15 000 Schälchen Pommes.<br />

Die längste Fritte<br />

Stephan Tyvaert aus Gent bastelte in einem<br />

Zeitraum von vier Stunden eine Pommes<br />

aus Kartoffelpüree zusammen, die am<br />

Ende 9,79 Meter lang und 2 x 2 Zentimeter<br />

dick war. Er verkaufte sie anschließend in<br />

Stückchen.<br />

7


Die schöne Helena<br />

von Antwerpen<br />

Stille Tage<br />

an der Wapper:<br />

der Malerfürst im<br />

Sinnenrausch und<br />

die Bürgerstochter<br />

als angebetete<br />

Liebesgöttin<br />

Manfred Schwarz<br />

Am Anfang steht ein frommer Wunsch: „Nichts erschüttere<br />

dich, weder Zorn noch Begierde.“ Peter Paul Rubens hat<br />

diese Inschrift, die zu einem maßvollen und gelassenen Leben<br />

mahnt, weithin sichtbar am Torgiebel seines Stadthauses<br />

in Antwerpen anbringen lassen. Für einen Hofmaler und Groß-<br />

unternehmer, der hohen Besuch hier zu empfangen gedenkt,<br />

für einen wahren Mann von Welt und belesenen Humanisten<br />

war dies weit mehr als ein hübsches Motto. Es äußert sich da-<br />

rin, wie überall in der Anlage und Ausstattung seines Palastes<br />

an der Wapper, eine ganze Lebenshaltung, ein Verhaltensideal<br />

aus klassischen Zeiten: niemals die Fassung, die Haltung verlie-<br />

ren, auch nicht in den wildesten Stürmen des Lebens.<br />

Erst 1630, als er sich endgültig ins geliebte Antwerpen, in sein<br />

so komfortabel ausgestattetes Stadt-Palais zurückziehen und<br />

den Rest seines Lebens in gediegener Ruhe verbringen will,<br />

lässt er sich von einem Ereignis völlig überwältigen – in seinem<br />

tiefsten Innern erschüttern. Dieses Ereignis aber, das ihn auf so<br />

wunderbare Weise seinen Gleichmut, bisweilen vielleicht sogar<br />

die Haltung verlieren lässt, hat rosige Haut, eine rotblonde<br />

Lockenpracht und, in wirklich atemberaubenden Übermaß:<br />

Kurven. Überall Kurven. Ein ganzer Tumult von Kurven. Eine<br />

flämische Schönheit wie aus dem Bilderbuch – ein Bilderbuch<br />

www.kulturflandern.com 9<br />

von Rubens. Frisch und gesund, süß und üppig. Blutjung<br />

mit ihren zwar erst 16 Jahren. Aber offensichtlich frühvollen-<br />

det. Voll erblühte, ausgereifte Weiblichkeit, die den Malerfürs-<br />

ten mit sich reißt: natürlich nicht im Zorn, aber in unersättli-<br />

cher Begierde. Das vornehme Haus an der Wapper, wo Rubens<br />

einen exquisiten großbürgerlichen Lebensstil pflegt, wo er<br />

seine Werkstatt betreibt und seine ausgedehnten Kunstsamm-<br />

lungen aufbewahrt, wird nun für die letzten zehn Jahre seines<br />

Lebens zu einem wahren Liebesnest. Zum Schauplatz entfes-<br />

selter, allem Anschein nach erfüllter und heiterer Sinnlichkeit.<br />

Eines Sinnenrauschs überdies, dem wir eine ganze Anthologie<br />

von Meisterwerken verdanken. Die gefeierten Gemälde aus<br />

dem Spätwerk des Malers, insbesondere die mythologischen<br />

Szenen mit ihren epochalen weiblichen Aktdarstellungen –<br />

etwa die „Drei Grazien“, das „Parisurteil“, das „Venusfest“<br />

oder der „Liebesgarten“ – , wären ohne diese Erschütterung<br />

nicht denkbar. So ist das Rubenshaus in Antwerpen, dies<br />

übersieht man leicht, nicht nur das ehrwürdige Denkmal eines<br />

der größten Maler aller Zeiten. Es ist auch der Erinnerungsort<br />

einer erstaunlichen Liebe, einer Leidenschaft, die den allmäh-<br />

lich alternden, vom Weltgeschehen ermüdeten Künstler zu<br />

seiner letzten und wohl auch bedeutendsten Schaffensphase<br />

inspiriert. Der mythologische „Liebesgarten“ meint ja nichts<br />

anderes als den idyllischen Garten seines Antwerpener Hauses.<br />

Und der ebenso erschütternde wie beflügelnde Einbruch im<br />

Leben des Malers – das ist natürlich seine zweite Ehefrau:<br />

Hélène Fourment, Meisterwerk der Natur und Tochter aus<br />

gutbürgerlichem Hause, einer alteingesessenen Antwerpen-<br />

er Patrizierfamilie. In ihrer blühenden Leibespracht, in ihrer<br />

ganzen ebenso frischen wie sinnlichen Anmutung überdies<br />

der damalige Inbegriff flämischer Schönheit, wie wir ihm nicht<br />

nur in den Werken des barocken Meisters begegnen, sondern<br />

auch, schon seit dem späten Mittelalter, in den Berichten von<br />

entzückten Reisenden aus dem Ausland, von italienischen<br />

Kaufleuten und spanischen Diplomaten – oder vom deutschen<br />

Kaiser. Maximilian von Habsburg etwa war so begeistert von<br />

den schönen „Frauenzimmern“ aus <strong>Flandern</strong>, dass er darüber<br />

fast seine Kriegszüge und den weniger erfreulichen Rest des<br />

Heiligen Römischen Reiches vergaß. Glücklicherweise war<br />

die junge Ehefrau nicht nur die angebetete Liebesgöttin im<br />

privaten Leben des Meisters, in seinem Arkadien an der Wap-<br />

per. Er hat sie unermüdlich immer wieder gemalt, als kecke<br />

Braut, als glückliche Mutter, als elegante Dame oder, wie im<br />

Meisterwerk „Het Pelsken“, als irdische Venus im Pelz. Vor<br />

allem jedoch posierte sie, die stadtbekannte Beauty-Queen,<br />

die von den einheimischen Dichtern als „Schöne Helena von<br />

Antwerpen“ gepriesen wurde, ganz und gar unverhüllt als<br />

Aktmodell für die mythologischen Göttinnen und Nymphen<br />

in den Werken von Rubens, die ohne dieses Vorbild gewiss<br />

nicht so rauschhaft, vielleicht sogar niemals entstanden wären.<br />

Denn der Maler konnte sich, genau wie wir, an ihrer Pracht<br />

einfach nicht sattsehen. Rubens war so stolz, so verliebt, so<br />

völlig überwältigt, dass er jegliche Contenance und Diskretion<br />

verlor. Dass die nackten Göttinnen auf seinen Gemälden nie-<br />

mand anders zeigen als seine eigene und, nun ja, völlig nackte<br />

Ehefrau, wusste man in der ganzen Stadt; man nahm es amü-<br />

siert zur Kenntnis. Immerhin war sie ja „die schönste Frau, die<br />

man hier finden kann“, wie der Statthalter an den spanischen<br />

König schrieb: die Venus Antwerpens. Und das Rubenshaus –<br />

das war das Reich dieser flämischen Liebesgöttin.<br />

MuSEuMS-tIpp:<br />

Rubenshaus, Wapper 9 – 11,<br />

Telefon: 0032-3-232 47 47<br />

http://museum.antwerpen.be/rubenshuis


Schokolade: der kleine<br />

leitfaden zum Stückchen<br />

lebenSluSt<br />

„Ich verkaufe träume, kleine trostspender,<br />

harmlose süße Versuchungen, die all die<br />

kleinen Heiligen zwischen pralinen und<br />

trüffeln schwach werden lassen“, lässt<br />

Joanne Harris ihre chocolatière Vivianne<br />

Rocher in dem Roman „chocolat“ sagen.<br />

Andreas Meyer<br />

Bezeichnenderweise spielt der nicht etwa in Belgien, sondern<br />

in Frankreich. Kein Wunder. Ein Pfarrer, der gegen die Eröffnung<br />

eines Pralinengeschäfts weihrauchschwenkend zu Felde<br />

zieht? Zwischen <strong>Brüssel</strong>, Knokke und De Panne ein absurder<br />

Gedanke. Dieser Mann hätte wahrlich viel zu tun, Belgien ist<br />

schließlich ein Schokoladenland. Nirgendwo werden Pralinenliebhaber<br />

besser bedient als hier. Dabei überzeugt nicht nur<br />

die schier unglaubliche Dichte an Chocolatiers. Schokolade<br />

kaufen macht in Belgien definitiv am meisten Spaß.<br />

Und so funktioniert’s:<br />

Schritt 1: Die Rahmenbedingungen des Pralinenkaufs klären.<br />

Niemand kauft irgendein Kleid, irgendeinen Whisky oder<br />

irgendwelche Schuhe. Bei Pralinen muss das nicht anders<br />

sein. Denn Belgiens Spezialisten liefern die ganze glanzvolle<br />

Bandbreite – und das für jeden Anlass, jede Vorliebe und<br />

jeden Geldbeutel. Was, bitte, sollte es also sein? Die schnelle<br />

Nougatmuschel für zwischendurch? Eine feine Tafelschokolade<br />

mit orientalischen Früchten in schmucker Geschenkverpa-<br />

ckung für die liebe Familie? Oder zur eigenen Belohnung für<br />

egal was die noble Design-Praline mit ausgeklügelter Rezeptur,<br />

die die Geschmacksnerven verblüfft?<br />

Schritt 2: Läden suchen, Schaufenster gucken. Hier beginnt<br />

die Verzauberung. Imposant und stolz etwa residiert Neuhaus<br />

mit seinem Stammhaus in der St.-Hubertus-Galerie, in dem<br />

Jean Neuhaus 1912 die erste Praline erfand. Einem Rokoko-<br />

Schmuckkästchen hingegen gleicht Mary, wo sahnige Kreati-<br />

onen in blau-goldener Atmosphäre angeboten werden. Antik<br />

mutet der Zugang zum Salon de Thé und Schokoshop „A<br />

M Sweet“ an. Laurent Gerbaud, ein Spezialist für raffinierte


Schokoladentafeln mit versunkenen Macadamia-Nüssen oder<br />

Früchten, vertreibt hier seine ausgefallenen Produkte, für<br />

die er einen speziellen Fünfziger- bzw. Siebziger-Kakaoboh-<br />

nenblend exklusiv bei Domori in Genua fertigen lässt. Pierre<br />

Marcolini stellt seine Kreationen am Place du Grand Sablon<br />

in edlem Boutique-Ambiente aus. Frederic Blondeel, der seine<br />

maritim inspirierten Pralinen zunächst in Oostduinkerke und<br />

Koksijde vertrieb, ließ sich inzwischen mit seinem neuesten<br />

Shop auch am Quais aux Briques nieder. Auf die äußerst<br />

praktische Mischung aus Geschäft und Café setzt wiederum<br />

das etablierte Haus Wittamer. Allen gemein sind aufwendig<br />

dekorierte Auslagen, die unweigerlich ins Innere locken.<br />

Schritt 3: Laden betreten. Direkt hinter der Eingangstür um-<br />

fängt einen dieser spezielle Duft aus Schokolade, Vanille und<br />

Frucht. Hinter Glas in Vitrinen liegt sorgfältig aufgeschichtet<br />

die seidig glänzende Pracht. Der Eilige greift einfach zu einer<br />

der bereits fertig verpackten Pralinenmischungen, wahlweise<br />

aus dem ganzen Sortiment oder aus einer der speziellen<br />

„Collectionen“, die viele Chocolatiers – einem Modeschöpfer<br />

nicht unähnlich – regelmäßig neu entwickeln. So brachte<br />

Pierre Marcolini im Sommer 2006 mit der „Collection Eph-<br />

émère Eté 2006“ eine Reihe von fünf schlanken Pralinen in<br />

frischen, blumigen Geschmacksrichtungen auf den Markt.<br />

Auch Galler mag es duftig, ließ sich vom „Zauberer von Oz“<br />

inspirieren und entwarf die Serie „Les Florales“. Ungleich<br />

reizvoller ist es jedoch, vor den Tresen zu treten und sich<br />

seine persönliche Mischung zusammenstellen zu lassen.<br />

Natürlich kann man einfach auf die gewünschte Praline<br />

zeigen – wenn auch bitte nicht so ungeniert raumgreifend,<br />

wie Präsident Bush es anlässlich seines Besuchs bei Mary tat<br />

(www.mary.be). Man kann sie aber auch beim Namen nen-<br />

nen. Denn die großteils noch handgefertigten Kunstwerke<br />

besitzen oft wie selbstverständlich einen. Bei Neuhaus heißen<br />

sie etwa „Méphisto“, „Othello“, „Bonaparte“; bei Mary<br />

„Marguerite“ oder „Pompadour“. Marcolini gibt sich mit<br />

„Madagascar“ oder „Vénézuela“ exotisch, Léonidas hinge-<br />

gen verführt mit „Eve“, „Irrésistible“ oder „Désirées“. Dass<br />

auch prominenten Mitgliedern des belgischen Königshauses<br />

eigene Pralinen gewidmet sind, ist zudem keine Seltenheit.<br />

Wählen Sie einfach, was Ihnen gefällt. Vorsichtig werden weiß<br />

behandschuhte Verkäuferinnen die ausgewählten Stücke in so<br />

genannte „Ballotins“ legen, diese typisch belgischen Pralinen-<br />

schachteln, die Jean Neuhaus 1915 zum Schutz seiner Köst-<br />

lichkeiten zusammen mit Gattin Louise Agostini erfand – sich<br />

unwiderstehlich – brüssel ist die Hochburg berühmter chocolatiers.<br />

Ihre handgeschöpften Kreationen sollte man auf jeden Fall probieren!<br />

aber nicht patentieren ließ. Eine Lage Seidenpapier deckt das<br />

Konfekt am Ende zu. Noch eine letzte Dekorschleife um die<br />

Schachtel, dann verschwindet das Paket in einer schicken<br />

Lacktüte, die draußen vor der Tür von der eines Modedesi-<br />

gners kaum zu unterscheiden ist.<br />

Schritt 4: Ein letzter Tipp. Sie sitzen mit dem süßen Schatz<br />

daheim, haben soeben eine perfekte Komposition aus dunkler<br />

Schokolade, Orange und Thymian auf ihrer Zunge zergehen<br />

lassen und sind glücklich. Da tritt jemand Unangenehmes auf<br />

die Spaßbremse, indem er an die Kalorienzahl der genossenen<br />

Köstlichkeit erinnert. Bleiben Sie entspannt. Setzen Sie Ihr<br />

charmantestes Zartbitterlächeln auf und kontern Sie mit fol-<br />

gendem Ausspruch: „Was Sie von mir sehen, ist das Ergebnis<br />

eines lebenslangen Genusses von Schokolade.“ Dass diesen<br />

Katherine Hepburn im Alter von 70 Jahren prägte, dürfen Sie<br />

diskret verschweigen.<br />

SHop-ADRESSEN:<br />

A M Sweet (Laurent Gerbaud),<br />

Kartuizerstraat 4, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-5135131,<br />

www.chocolatsgerbaud.be<br />

Frederic blondeel, Baksteenkaai 24,<br />

1000 <strong>Brüssel</strong>, Telefon 0032-2-5022131,<br />

www.frederic-blondeel.be<br />

Galler, Boterstraat 44, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-5020266, www.galler.com<br />

Godiva, Koniginnengalerij 1, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-5113232, www.godiva.com<br />

Léonidas, Tongerenstraat 34, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-7368408, www.leonidas.com<br />

pierre Marcolini, Grote Zavel 39,<br />

1000 <strong>Brüssel</strong>, Telefon 0032-2-5141206,<br />

www.marcolini.be<br />

Mary, Koningsstraat 73, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-2174500, www.mary.be<br />

Neuhaus, St. Hubertus Galerijen 25 – 27,<br />

1000 <strong>Brüssel</strong>, www.neuhaus.be<br />

MuSEuM:<br />

Musée de cacao et chocolat,<br />

Guldenhoofdstraat 9 – 11, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />

Telefon 0032-2-5142048, www.mucc.be


44 . belfriede . glocken, die am himmel hängen<br />

GLocKEN, DIE AM<br />

HIMMEL HäNGEN<br />

trutzig thronen sie über den Städten, mal elegant, mal<br />

wuchtig überragen sie jede noch so kleine Gemeinde:<br />

die belfriede, weithin sichtbare steinerne Wahrzeichen<br />

<strong>Flandern</strong>s. Seit 1999 sind sie geschützt, diese zunächst als<br />

Wachtürme angelegten, schier uneinnehmbaren Festungen,<br />

geschützt als Weltkulturerbe der uNESco. Noch heute symbolisieren<br />

sie die unerschütterliche Macht, die Freiheit und<br />

den Reichtum der Städte, die einst die Emanzipation des<br />

bürgertums von den Feudalherren möglich machten.<br />

Herbert Graf<br />

der belFried VOn brÜgge<br />

„Und oben blieb? – Die Stille nur, ich glaube,<br />

und kostet langsam und von nichts gedrängt<br />

Beere um Beere aus der süßen Traube<br />

des Glockenspiels, das in den Himmeln hängt.”<br />

So beschrieb einst Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Quai du Rosaire“ das<br />

Glockenspiel des Stadtturms von Brügge, eines der berühmtesten Belfriede<br />

<strong>Flandern</strong>s, den er 1906 besuchte. 1240 erbaut, wurde auf den steinernen, an<br />

eine grazile Tänzerin erinnernden Turm eine hölzerne Spitze gesetzt, die jedoch<br />

40 Jahre später abbrannte. 1296 wurde sie wieder aufgebaut, um 1493 erneut<br />

abzubrennen, diesmal zusammen mit der Stadtglocke. Auch die dritte Turmspitze<br />

wurde 1741 ein Opfer der Flammen und 1822 schließlich wurde statt der Spitze<br />

eine neogotische steinerne Krone auf den mittelalterlichen Turm gesetzt. Das Ca-<br />

rillon, wie sich das von Rilke beschriebene Glockenspiel nennt, stammt aus dem<br />

www.flandern.com 45<br />

Der belfried von brügge beherrscht wie kein<br />

anderes bauwerk die Silhouette des nächtlichen<br />

brügge. Noch heute ist er das steinerne Symbol<br />

für die Macht des mittelalterlichen bürgertums.


46 . belfriede . glocken, die am himmel hängen<br />

<strong>Flandern</strong>s ältestes Schöffenhaus<br />

neben dem belfried von Aalst, dessen<br />

Glockenspiel 52 Glocken schmücken.<br />

Fast ein wenig zierlich wirkt der belfried<br />

von Dendermonde. Der turm wurde im<br />

Ersten Weltkrieg schwer beschädigt.<br />

Die neogotische steinerne<br />

Krone erhielt der belfried von<br />

brügge erst 1822.<br />

Lebensfreude vor historischer Kulisse: 1914<br />

geschah unglaubliches – beim Läuten für die<br />

„Genter Feste“ zerbarst die Glocke „Roland”.<br />

www.flandern.com<br />

17. Jahrhundert. Die Glocken erklangen allerdings schon viel<br />

früher von <strong>Flandern</strong>s Belfrieden: Immer dann, wenn der Feind<br />

im Anzug war, wurden die Bürger mit Geläut zum Waffengang<br />

aufgefordert. Aber auch bei Feuer, Hinrichtungen, hohem Be-<br />

such oder der Öffnung der Märkte wurden die Bewohner mit<br />

den Glocken alarmiert. Heute klingen zu jeder vollen Stunde<br />

die 47 Glocken durch die Gassen des „Venedigs des Nordens“.<br />

Einige Male im Jahr werden sie aber auch für Konzerte ge-<br />

nutzt. Wenn der Wind günstig steht, ist die Musik bis in den<br />

Hafen von Zeebrügge zu hören, sagt man. Und sind die 366<br />

Stufen bis auf 83 Meter Höhe erst einmal erklommen – vorbei<br />

an der Schatzkammer und dem riesigen Uhrwerk –, blickt man<br />

hinunter auf die eiförmige Innenstadt, die durch die leicht<br />

erhöhte und mit Bäumen bewehrte Stadtbefestigung einge-<br />

schlossen ist. Ein atemberaubender Anblick, bei dem man gar<br />

nicht bemerkt, dass sich der Turm mehr als einen Meter nach<br />

Südosten neigt!<br />

der belFried VOn gent<br />

Der Belfried am Botermarkt direkt an der Tuchhalle entstand<br />

zwischen 1313 und 1380. Im Laufe der Jahrhunderte erhielt<br />

er sieben unterschiedliche Bekrönungen, um so der wachsen-<br />

den Zahl der Glocken des Glockenspiels Platz zu bieten. Heute<br />

trägt der 95 Meter hohe Turm ein Glockenspiel des berühm-<br />

ten Löwener Glockengießers Peter Hemony. Das Spiel der<br />

54 Glocken wird mit dem Uhrmechanismus und einer kupfer-<br />

nen Spieltrommel betrieben, vergleichbar einer Spieldose.<br />

Jede Viertelstunde wird die Trommel in Gang gesetzt, dann<br />

ertönen Glockenspielfragmente, Bearbeitungen von klas-<br />

sischen oder modernen Musikstücken oder neue Kompositi-<br />

onen des Stadtglockenspielers. Kurios: Die 6 070 Kilogramm<br />

schwere Glocke „Roland“, die seit 1660 ertönte, zerbarst im<br />

Jahre 1914 während des Läutens anlässlich der „Genter Feste“.<br />

Seit 1950 kann die alte Glocke nun auf dem Goudenleeuw-<br />

plein bewundert werden. Der Aufstieg zum Belfried ist übri-<br />

gens besonders dann lustig, wenn auf dem schmalen Rund-<br />

gang auf der obersten Ebene Gruppen von Touristen partout<br />

in die Gegenrichtung marschieren wollen. Das geht nämlich<br />

nicht, der Gang ist dafür einfach zu schmal. Allerdings hat<br />

man von hier aus nicht nur eine herrliche Sicht auf die Leie<br />

und das Grachten-Labyrinth Gents, sondern auch auf die<br />

Spitze des Turms. Dort schwebt als Wetterfahne ein über drei<br />

Meter langer vergoldeter Drache, der sich vormals auf der So-<br />

phienkirche in Konstantinopel befand und im Jahre 1204 nach<br />

der Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer von Balduin<br />

IX., dem Grafen von <strong>Flandern</strong>, nach Gent geschickt wurde.<br />

die belFriede VOn aalSt und denderMOnde<br />

Die Geschichte des Belfrieds der Blumenstadt Aalst – zwischen<br />

Gent und <strong>Brüssel</strong> an der Dender gelegen – geht auf das Jahr<br />

1125 zurück, als das Schöffenhaus, das älteste <strong>Flandern</strong>s, aus<br />

Sandstein erbaut wurde. Der Belfried wurde 1460 vollendet<br />

und erhielt ein Jahr später das erste Glockenspiel eines Meche-<br />

lener Meisters. Heute erklingen hier insgesamt 52 Glocken.<br />

Nicht weit von Aalst liegt auch Dendermonde. Der Belfried<br />

aus dem 14. Jahrhundert war ursprünglich ein Eckturm der<br />

Tuchhalle, mit deren Bau 1337 begonnen worden war. Als im<br />

Ersten Weltkrieg Dendermonde schwer beschädigt wurde,<br />

ging auch das Carillon verloren. Es wurde erneuert und heute<br />

erklingt wieder das himmlische Glockenspiel über der Stadt.<br />

tIpp: bELFRIED VoN bRÜGGE<br />

Öffnungszeiten: täglich 9.30 – 17.30 uhr<br />

Eintritt: Erwachsene 5 Euro, Kinder 3 Euro, unter<br />

13 Jahren freier Eintritt, Infos unter www.brugge.be<br />

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Öffnungszeiten: 15. März bis 14. November,<br />

10 – 12.30 uhr / 14 – 17.30 uhr<br />

Eintritt: 3 Euro, Infos unter www.gent.be<br />

47


Konigreich<br />

der Himmel<br />

Die düstergrauen Steine, die sich zu einem angsteinflößenden<br />

bollwerk über die Stadt Gent erheben, erzählen aus<br />

dem Dunkel der Vergangenheit, geschwärzt von dem Feuer<br />

brandschatzender und mordender Normannen, die auf ihren<br />

Schiffen die Leie zum plündern heraufzogen. Herrscherwille<br />

und Macht haben diese Steine zusammengehalten. Herbert Graf<br />

www.kulturflandern.de<br />

www.flandern.com<br />

Auch heute, wenn Ausflugsboote voller Touristen auf der<br />

Leie unterhalb der gewaltigen Wasserburg Gravensteen her-<br />

fahren, wirkt diese Ritterburg unter dem Himmel der flachen,<br />

eher kühlen Landschaft exotisch und fremd. In Syrien stehen<br />

ähnlich schroffe Kreuzritterburgen unter der gleißenden<br />

Sonne des Nahen Ostens. Der Erbauer, Graf Philipp von<br />

<strong>Flandern</strong>, war Kreuzritter und ließ auf den Grundfesten eine<br />

echte Kreuzritterburg errichten. Der dritte Kreuzzug ins Heilige<br />

Land endete allerdings in einem Desaster. Graf Philipp sollte<br />

König des Königreiches von Jerusalem werden, fiel aber in<br />

Syrien, und die Kreuzritterburgen stehen nun wie ein stummes<br />

Mahnmal unter dem Zeichen des Halbmondes. Nach den<br />

verlorenen Kämpfen besannen sich die Grafen von <strong>Flandern</strong><br />

auf ihre Heimat und schauten von den 24 Zinnen auf ihre<br />

Untertanen herab, ließen ihre Macht spielen.<br />

Gegen die Steuererhöhung von Kaiser Karl V. aber lehnten sich<br />

die selbstbewussten Genter auf. Der bestrafte daraufhin die<br />

Aufständischen seiner Heimatstadt. Er ließ 50 Bürger barfuß<br />

durch die Stadt laufen, nur mit einem weißen Stück Leinen<br />

bekleidet und mit einem Strick um den Hals, um Gnade bet-<br />

telnd. Daher stammt auch der Spottname aller Genter:<br />

„stroop-dragers“ – Strickträger. Während der „Genter Feste“<br />

im Sommer laufen die Strickträger barfuß durch die Stadt.<br />

Über den Torbau, der quasi eine Burg in der Burg bildet,<br />

gelangt man<br />

Geschichtsträchtig – während der „Genter Feste“ laufen 50 Bürger in weißem<br />

Leinen und mit einem Strick um den Hals barfuß durch die Stadt.<br />

Gruselig – im Museum sorgen die mittelalterlichen Folterinstrumente<br />

und deren Gebrauchsanweisungen für Gänsehaut.<br />

in die Ringburg und in deren Herz, den Donjon, einen<br />

klobigen Wehrturm. Über die unteren Hallen geht es in den<br />

größten und festlichsten Saal. Dutzende Ritterrüstungen,<br />

riesige Schwerter und Helme strahlen im Licht, das durch die<br />

riesigen Fenster fällt. Eine Wendeltreppe führt hinauf auf das<br />

Dach des Donjons. Hinab vom Himmel führen die ausge-<br />

tretenen Stufen, direkt in die Hölle. Nicht zufällig befindet<br />

sich hier das Foltermuseum, denn die Burg diente von 1407<br />

bis 1708 als Gerichtssitz. Kerker und Folterkammer wurden<br />

eingerichtet und deshalb heißt das Museum offiziell auch<br />

„Gerechtsmuseum“. Beim Anblick der Streckbank, auf der die<br />

Inhaftierten langsam gestreckt wurden, bis die Gelenke krach-<br />

ten, oder der Mundbirne, die den Wehrlosen in den Mund<br />

gesteckt wurde, um die Schreie zu ersticken, meint man noch<br />

heute das stumme Wimmern der Gepeinigten zu hören.<br />

tIpp: GRAVENStEEN (GRAFENbuRG)<br />

St.-Veerleplein 11, 9000 Gent<br />

Telefon 0032-9-2259306<br />

Geöffnet: 1. April bis 20. September<br />

täglich 9 – 18 uhr, 1. oktober bis<br />

31. März täglich 9 – 17 uhr<br />

Geschlossen: 25. – 26. Dezember + 1. – 2. Januar<br />

49


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in Brussel<br />

topfrisur, frischgebackener Nichtraucher<br />

und sensibel im umgang mit Mensch und tier.<br />

Der Mann meiner träume, der cowboy, der<br />

schneller schießt als sein Schatten, erwartet mich<br />

in brüssel. und ja – ich bin nervös, schließlich<br />

haben wir uns noch nicht persönlich kennen-<br />

gelernt. Im Zug, bei einer tasse Kaffee, lasse ich<br />

mir noch einmal meinen plan durch den Kopf<br />

gehen. Erst taste ich sein umfeld ab, lerne seine<br />

Freunde kennen, und dann werde ich rein zufällig<br />

an seinem Haus vorbeischlendern.<br />

Der Rest ergibt sich von allein …<br />

Sarah Stock


Bei der Touristeninformation bekomme ich gratis einen Stadtplan<br />

und, worüber ich mich besonders freue, einen „Stripwalk-Plan“<br />

durch die Stadt. Hier sind alle Comic-Fassaden von<br />

<strong>Brüssel</strong> eingezeichnet, die man bei einem Spaziergang durch<br />

die Stadt bewundern kann. Der so genannte „Comic-Walk“<br />

ist einzigartig in Europa. Wo hat man schon die Gelegenheit,<br />

alle belgischen Comic-Helden von dem Marsupilami bis zu<br />

den Schlümpfen überlebensgroß auf der Straße zu treffen?<br />

Das kommt nicht von ungefähr, denn <strong>Brüssel</strong> ist die Heimat<br />

vieler Comic-Zeichner. Nicht nur Hergé, der geistige Vater<br />

von Tim & Struppi, ließ sich von <strong>Brüssel</strong> und seinen Museen<br />

inspirieren. Die 6 km lange Route führt an insgesamt 32 großformatigen<br />

Comic-Malereien an Hauswänden vorbei und gibt<br />

einen Überblick über die vielfältige Comic-Kultur <strong>Brüssel</strong>s. Als<br />

Erstes entdecke ich die Comic-Wand, auf der „Nero“ versucht,<br />

auf einen Baum zu klettern – Nero ist sympathisch, aber ein<br />

typisch flämischer Pantoffelheld, der dicke Waffeln futtert, also<br />

nichts für mich. Im Marollenviertel laufen mir auf einer bunten<br />

Comic-Wand Schnieff und Schnuff entgegen. Der Platz ist<br />

gut gewählt, denn in der Welt des kleinen Jungen mit seinem<br />

Hund erinnert vieles an das typische <strong>Brüssel</strong>. Die beiden heißen<br />

hier Boule & Bill und sind das Werk des zweiten großen<br />

Comic-Meisters, Jean Roba. Ultramarinblau leuchtet die Comic-Fassade<br />

mit meiner Lieblings-Comic-Heldin, der schönen,<br />

jungen und intelligenten Detektivin Caroline Baldwin.<br />

Der Mann, der schneller schießt als sein Schatten:<br />

„Lucky Luke” von Morris hat für alles eine Lösung – seine<br />

Lieblingsfeinde: die Daltons (Foto l.). Bei Kindern sehr beliebt:<br />

Führungen durch das Comic-Museum (Foto r.) und natürlich<br />

der Hergé-Klassiker „Tim & Struppi”, hier ohne Struppi, dafür<br />

aber mit Professor Bienlein (ganz r.).<br />

Das Schatzsuch-Fieber hat mich gepackt, schnell zur nächsten<br />

Wand. Eins der Highlights meiner Reise ist das Comic-Museum.<br />

Allein das Gebäude ist ein Museumsstück, wurde es doch<br />

von Victor Horta, einem Jugendstil-Architekten, Anfang des<br />

20. Jahrhunderts für einen Textilhändler entworfen. Im Museum<br />

fällt mir zuerst der schöne überdachte „Innenhof“ auf. Von<br />

hier aus führt eine Treppe zu den Ausstellungsräumen. Hier<br />

werden sowohl permanente Ausstellungen über die Klassiker<br />

und Comic-Veteranen als auch wechselnde Ausstellungen<br />

zu verschiedenen anderen Themen gezeigt. Ich bin aber vor<br />

allem an Werken des berühmten Morris, meines Schwiegervaters<br />

in spe, interessiert, der 1949 mit zwei anderen Comic-<br />

Zeichnern in den Wilden Westen reiste. Diese Reise hat ihn<br />

bestimmt zu dem Namen, den er später seinem Sohn gab,<br />

inspiriert. So „lucky“ war dieser damit vielleicht nicht, aber<br />

bestimmt hat gerade das ihn so moralisch und stark gemacht.<br />

Er hat einfach Charakter! Nervös oder nicht, ich muss ihn jetzt<br />

endlich finden. Der Tag neigt sich dem Ende zu und mein Zug<br />

wartet leider nicht. Endlich! An der Straße „Rue de la Buanderie“<br />

sehe ich meinen Cowboy, „poor“ und „lonesome“ steht er<br />

da. Ich spüre ganz deutlich: Wir sind ein Herz und eine Seele –<br />

ja, wir verstehen uns. Ich trage zwar keinen Ring an meinem<br />

Finger, aber ihr könnt mich ab jetzt Mrs. Luke nennen.<br />

Happy End<br />

www.flandern.com 5<br />

in der „brasserie Horta“ im comic-Museum treffe<br />

ich den jungen Pressechef und leidenschaftlichen<br />

comic-Fan Willem de graeve.<br />

Warum ist ausgerechnet <strong>Brüssel</strong> die Comic-Stadt?<br />

De Graeve: Belgien ist schon immer ein besonderes und multikulturelles<br />

Land gewesen. Auch jetzt noch werden hier drei<br />

Sprachen gesprochen: Flämisch, Französisch und Deutsch.<br />

Diese Multikulturalität hatte aber zur Folge, dass die Kommunikation<br />

untereinander oft schwierig war. Bilder wurden<br />

von allen verstanden. So entstand eine ganz spezielle „Bild-<br />

Erzähl-Kultur“, vor allem in der Hauptstadt <strong>Brüssel</strong>. Als aus<br />

Amerika der Comic-Stil herüberschwappte, wurde dieser hier<br />

mit offenen Armen empfangen und weiterentwickelt.<br />

Hat <strong>Brüssel</strong> einen besonderen Humor?<br />

De Graeve: Belgier, und somit auch <strong>Brüssel</strong>er, besitzen in der<br />

Tat einen ganz speziellen Humor. Sie sind sehr anarchistisch<br />

und ironisch. Nimmt sich jemand zu ernst, wird er auf die<br />

Schippe genommen. Über jeden werden Witze gemacht.<br />

Gibt es in einer anderen europäischen Stadt<br />

eine vergleichbare Comic-Kultur?<br />

De Graeve: In keiner anderen Stadt in Europa werden so<br />

viele Dauerausstellungen und Veranstaltungen zum Thema<br />

Comic geboten. Es gibt mindestens 25 Comic-Shops, mehrere<br />

Comic-Festivals und natürlich das Comic-Museum. In Frankreich<br />

werden zwar auch viele Festivals und Ausstellungen zum<br />

Thema Comic organisiert, aber die Comic-Kunst ist nicht, wie<br />

in <strong>Brüssel</strong>, ein ständiges Thema.<br />

Was gefällt dir persönlich an <strong>Brüssel</strong> am besten?<br />

De Graeve: Das Multikulturelle. Die Stadt spricht zwei Sprachen,<br />

Flämisch und Französisch. Das bringt schon ein besonderes<br />

Flair mit sich. Außerdem ist <strong>Brüssel</strong> eine sehr internationale<br />

und tolerante Stadt.<br />

Hast du für Comic-Touristen noch einen Geheimtipp?<br />

De Graeve: Das Buch „<strong>Brüssel</strong> gestript“ (ein spezieller Comic-<br />

Stadtführer, in Englisch, Französisch oder Niederländisch in<br />

den Comic-Shops zu bekommen) kann ich nur jedem<br />

empfehlen.


54 . comic . rendez-vous in brüssel<br />

Hast du eine Lieblings-Comic-Serie und wer sind deine<br />

Lieblingshelden?<br />

De Graeve: Am allerliebsten lese ich Gaston LaGaffe und Nero.<br />

Beide Serien sind sehr humorvoll und überraschend, alles ist<br />

möglich. Diese beiden sind auch meine Lieblingshelden oder<br />

eher meine Lieblings-Antihelden.<br />

Wenn du ein Comic-Held sein könntest, welcher wärest du<br />

dann gerne?<br />

De Graeve: Ich denke, ich wäre am liebsten Tim (Tim &<br />

Struppi von Hergé). Er reist viel und er kann alles: Flugzeug<br />

fliegen, tauchen, und er hat immer für alle Probleme eine<br />

gute Lösung.<br />

Jean Robas „Schnieff und Schnuff”<br />

erleben aufregende Abenteuer –<br />

selbst an einer Wohnhausfassade.<br />

Das ist nicht der cowboy!<br />

Aber wo ist er? Vor dem<br />

Wandbild von Marc Sleen.<br />

Wann gibt es im Museum wieder eine Ausstellung<br />

mit Nachwuchskünstlern?<br />

De Graeve: Immer zum Schuljahresende, d. h. Ende Juli,<br />

zeigen wir Werke der Absolventen von Universitäten, die<br />

Comic-Zeichnen als Unterrichtsfach anbieten.<br />

Kennst du ein Nachwuchstalent, von welchem du<br />

denkst, dass es ein Talent mit Zukunft ist?<br />

De Graeve: Da fällt mir auf jeden Fall Pieter de Poortere ein.<br />

Seine Serie „Bourke“ kommt ganz ohne Worte aus und ist so-<br />

mit auch international leicht zu vermarkten. Seine Geschichten<br />

sind sehr humorvoll und individuell gezeichnet. Zwei seiner<br />

Bücher sind jetzt schon im Handel.<br />

Hier ermittelt taymans<br />

caroline baldwin – die<br />

coolste Detektivin<br />

überhaupt.<br />

Wo’s hingeht …<br />

Wo’s langgeht …<br />

Was los ist …<br />

Entdecken Sie mit unseren Urlaubs- und Erlebnis-<br />

bausteinen <strong>Flandern</strong> – die Urlaubsregion im Norden<br />

Belgiens und entscheiden Sie selbst: Ob Strandle-<br />

ben oder kulturelles Flair in den historischen Städ-<br />

ten, für jeden gibt es das passende Angebot z. B.:<br />

Erlebnisangebot „Historisches Gent“<br />

Sie übernachten im Hotel Monasterium Poortackere |||.<br />

Das historische Gebäude aus dem 13. Jahrhundert mit neogotischer<br />

Kirche und Innengarten wurde in ein Hotel umgestaltet,<br />

wobei die mystische Atmosphäre und der authentische<br />

Charakter bewahrt blieben. Zuvor waren in dieser stillen<br />

Oase Jahrhunderte lang der Beginenhof „Sint Autbertus“ und<br />

das Kloster „Poortackere“ beheimatet.<br />

2 Nächte inklusive Frühstück, ein Willkommenskörbchen mit<br />

regionalen ost-flämischen Produkten, ein Stadtspaziergang<br />

im historischen Gent auf den Spuren des heiligen Autbertus<br />

mit drei „Drink Stops“ in typischen „Genter Cafés“ und ein<br />

Infopaket über Gent<br />

Pro Person im DZ ab º 143<br />

Oostende<br />

Thermae Palace Hotel ||||<br />

Das elegante Hotel mit eigener Kunstgalerie und großzügigen<br />

Aufenthaltsräumen erinnert an den Luxus der Gründerjahre<br />

und liegt direkt an der Seepromenade. 1 Nacht inkl. Frühstück<br />

Blankenberge<br />

Bestimmen Sie!<br />

Pro Person im DZ ab º 83<br />

Hotel Richmond Thonnon ||||<br />

Das familiär geführte Hotel befindet sich im Zentrum, nur ca.<br />

200 m vom Strand entfernt. Die komplett renovierten Zimmer<br />

sind komfortabel eingerichtet. 2 Nächte inkl. Frühstück<br />

Pro Person im DZ ab º 96


56 . fietsen . küstenwind<br />

Kusten<br />

Wind<br />

Wie perlen auf einer Schnur liegen die weißen Strände<br />

der Seebäder an der flämischen Küste. Die schönste Art,<br />

die unterschiedlichen badeorte zwischen Frankreich und<br />

den Niederlanden kennenzulernen, ist eine tour auf der<br />

Küstenradroute – 86 Kilometer zwischen De panne und<br />

Knokke-Heist, die ein urlaubsgefühl bieten, das man einfach<br />

nur am Meer erleben kann.<br />

Nils Flieshardt<br />

Passagierfähren liegen am Kai, Himmel und See wetteifern um das schönste Blau<br />

und Möwen grüßen aus der salzigen Luft. Schon die Einfahrt in die „Stadt am<br />

Meer“ ist ein maritimes Erlebnis, doch der Ruck kurz vor der Ankunft bedeutet<br />

nicht etwa den Kontakt mit der Kaimauer, sondern den abrupten Halt im Bahnhof<br />

von Oostende. Das größte Seebad an der flämischen Küste begrüßt seine Gäste,<br />

die aus dem Inland angeschwemmt werden, mit einem imposanten Bau.<br />

Der liegt direkt am Wasser und seine Gleise neben dem Hafen wirken fast wie Liegeplätze<br />

für Züge. Doch die Verabredung mit der Stadt muss noch warten, denn<br />

Oostende ist das quirlige Zentrum der 67 Kilometer langen Küste. Der Ausgangspunkt<br />

für die Tour auf der Küstenradroute liegt am westlichen Ende, nahe der<br />

Grenze zu Frankreich. Und um dort hinzugelangen, steigt man am besten in die<br />

„Kusttram“, die Küstenstraßenbahn, die alle flämischen Orte an der See verbindet.<br />

Auf der Fahrt nach Westen zum Startpunkt De Panne gibt es so schon einen<br />

Vorgeschmack auf die Aussichten der anstehenden Radtour.<br />

Strand Oder Strecke?<br />

In De Panne kommt es zum ersten Mal zu dem besonderen Konflikt, den ein<br />

Radurlaub am Meer mit sich bringt. Der breite Strand lockt und so stehen die<br />

Räder noch eine Weile still. Außerdem gilt es, zunächst ein Stück flämischer Kultur<br />

zu erleben, das zwar nach Klischee klingt, aber zu einem <strong>Flandern</strong>-Urlaub einfach<br />

dazugehört: die typischen Pommes frites. Sie sind überall zu finden und leicht zu<br />

identifizieren – der Rest der riesigen Auslagen jedoch macht Appetit und ratlos


58 . fietsen . küstenwind<br />

Meerblick – 86 Kilometer Radwege winden sich an<br />

der Nordsee entlang und wollen entdeckt werden.<br />

zugleich, denn auf den ersten Blick bleibt verborgen, was<br />

sich unter den verschiedenen Panaden verbirgt. Da hilft nur<br />

probieren und schnell wird klar, dass „Frikandel“ keine Fri-<br />

kadelle ist und dass „Kroketje“ nichts mit Kartoffeln zu tun<br />

haben. Zugegeben, die frittierten Fleischspezialitäten sind<br />

nicht gerade eine leichte Radlermahlzeit, aber schließlich<br />

warten noch genügend Kilometer, um die Kalorien wieder<br />

loszuwerden. Schade, dass man nicht schon vom Zuschauen<br />

abnimmt – innerhalb kürzester Zeit hätte man am Strand<br />

von De Panne Traummaße. Kitesurfer lassen sich von ihren<br />

Drachen über die Wellen tragen, Jogger pflastern den Sand<br />

mit Fußabdrücken und Strandsegler flitzen auf drei Rädern<br />

über die natürliche Rennstrecke.<br />

Auf zwei Rädern geht es nun in Richtung Osten – nach<br />

Knokke-Heist an der holländischen Grenze. Die Küstenrad-<br />

route führt auf ruhigen Nebenstraßen durch das Ortsinnere<br />

von De Panne und schlängelt sich von hier aus durch wunder-<br />

schöne Wohnviertel mit Häusern im Cottagestil und liebevoll<br />

gestalteten Gärten nach Sint-Idesbald und Koksijde. Am Strand<br />

von Oostduinkerke kann man abgehärteten Männern bei ihrer<br />

Arbeit zusehen. Im gelben Ölzeug ziehen die Fischer bei Ebbe<br />

Malerisch – der Leuchtturm von<br />

Nieuwpoort überragt die höchsten Dünen.<br />

weit aufs Meer hinaus, um Krabben aus der See zu fischen<br />

und zu kontrollieren, ob Fische in die auf-gestellten Netze<br />

gegangen sind. Bis zur Hüfte stehen sie in der Brandung, um<br />

ihr die geschuppten Schätze zu entlocken. An manchen Tagen<br />

im Sommer kann man hier eine weltweit einzigartige Fang-<br />

methode beobachten: Auf Pferden ziehen die Fischer dann<br />

durchs Wasser, um ihre Krabbenkörbe zu füllen. Die kleinen<br />

Köstlichkeiten werden per Pferd an den Strand gebracht, dort<br />

zubereitet und an die hungrigen Zuschauer verkauft. Heute ist<br />

leider nichts zu holen – die Fischer behalten ihren verdienten<br />

Fang für sich.<br />

Auf wenig befahrenen Straßen führt die Küstenradroute<br />

immer flach durch Polderlandschaften auf die Ijzer zu, die bei<br />

Nieuwpoort in die Nordsee mündet. Hier dreht sich alles um<br />

kleine Jollen, ausgewachsene Segler und kraftstrotzende Mo-<br />

torboote – über 2 000 Liegeplätze gibt es im größten Jacht-<br />

hafen Nordeuropas. Wer genügend Geld in der Reisekasse hat,<br />

kann aus einem Abstecher zum Hafen auch eine Shoppingtour<br />

machen – dann gilt es, nur noch die Entscheidung zwischen<br />

Segel- und Motorjacht zu fällen, und eines der brandneuen<br />

Modelle hinter den Schaufenstern der Showrooms hat einen<br />

Kusten www.radflandern.com<br />

Wind<br />

59<br />

Witzig – die krummen Räder im „lustigen<br />

Velodroom” in blankenberge sind ein Spaß<br />

für Jung und Alt. Auch sehr beliebt: Drachen<br />

steigen lassen am Strand.<br />

neuen Kapitän. Das eigene Budget lässt den Wechsel vom<br />

Bike aufs Boot nicht zu, und so rollen die Räder weiter am<br />

befestigten Ufer entlang nach Westende und Middelkerke.<br />

Der Blick schweift gen Meer und über mehrere Kilometer kann<br />

man die Wellen beobachten, wie sie an die Mauer unterhalb<br />

des Radwegs schlagen. Dann kündigt sich ein Wiedersehen<br />

an: Oostende liegt auf dem Weg und dieses Mal gibt es kei-<br />

nen schnellen Abschied – zu viel hat diese Stadt zu bieten.<br />

die königin der Seebäder<br />

Das Rad hat jetzt Pause, zu Fuß geht es auf einen Stadtbum-<br />

mel durch die belebten Gassen und Fußgängerzonen des<br />

Zentrums. Kleine Geschäfte, abwechslungsreiche Gastronomie<br />

und Kaufhäuser warten auf Kundschaft. Die Museen bieten<br />

sehenswerte Ausstellungen. Am Visserskai direkt am Bahnhof<br />

liegen mehrere historische Schiffe und an zahlreichen Buden<br />

werden frische und frittierte Meeresfrüchte angeboten. Fast<br />

alle Verkäufer rühren in großen Töpfen vor ihren Ständen,<br />

aus denen es würzig lecker duftet. „Warme Wulloks“ ist auf<br />

Schildern zu lesen, und was sich auf Nachfrage als See-<br />

schnecken entpuppt, sollten Fischfreunde unbedingt probie-<br />

ren. Die Mischung aus muschelähnlichem Geschmack und<br />

Kalamariskaugefühl ist lecker und kostet nicht viel. Nobler<br />

geht es hingegen im frisch renovierten Casino von Oostende<br />

zu. Hier kann man in der Fischbrasserie „Oostend Queen“ die<br />

edelsten Meerestiere kosten und bekommt dazu einen fan-<br />

tastischen Blick auf die Nordsee geschenkt. Die Küche ist her-<br />

vorragend, aber wirklich bekannt wurde das Restaurant durch<br />

eine kuriose Geschichte: Der gute Ruf der „Oostend Queen“<br />

eilte ihr derart weit voraus, dass sie schon eine Erwähnung im<br />

renommierten französischen Restaurantführer „Guide Rouge“<br />

von Michelin bekam, bevor überhaupt Eröffnung gefeiert<br />

werden konnte. Peinlich für den Verlag – das Restaurant wurde<br />

durch die Episode jedoch weltberühmt und beweist heute,<br />

dass es die Vorschusslorbeeren nicht nötig gehabt hätte.<br />

Wieder auf dem Rad, bleibt Oostendes Trubel zurück und<br />

schon nach wenigen Kilometern ist Bredene erreicht. Der Ort<br />

ist Natur pur, und das in allen Belangen: Am kilometerlangen<br />

Strand gibt es keine Uferbefestigung, und auch die Badegäste<br />

können sich im FKK-Abschnitt ganz natürlich geben. Bredene<br />

eignet sich außerdem hervorragend, um auf dem Fahrradnetz-<br />

werk der Region einen Ausflug ins Brügger Umland zu starten.


60 . fietsen . küstenwind<br />

Mit De Haan liegt eine weitere Perle der Küstenkette auf der<br />

Route. Die Fahrt durch den beschaulichen Ort führt vorbei an<br />

kleinen Türmchen, Fachwerkhäusern und verspielten Bauten<br />

im Belle-Epoque-Stil – hohe Appartementgebäude gibt es hier<br />

nicht. Wer Ruhe sucht, der findet sie hier.<br />

WeiSSe Villen und luXuSläden<br />

Die Radroute führt an der Strandpromenade entlang zum<br />

letzten Seebad vor der niederländischen Grenze. Knokke-Heist<br />

ist wahrlich der krönende Abschluss für die Entdeckungstour<br />

entlang der flämischen Küste. Der mondäne Ort trägt immer<br />

seinen Sonntagsanzug – besonders im Ortsteil Het Zoute, wo<br />

in den ausschließlich weißen Villen und Ferien-Appartements<br />

die internationale High Society wohnt. Das Zentrum von<br />

Knokke ist ein echtes Shoppingparadies: Stores der edelsten<br />

Designer und Juweliere bieten sündhaft teure Urlaubser-<br />

innerungen an, und exklusive Läden für Inneneinrichtung<br />

inspirieren zur Umgestaltung des eigenen Domizils. Aber es<br />

gibt auch Bezahlbares in den Shops der angesagten Surf- und<br />

Streetwear-Marken. Kunstinteressierte dagegen stöbern in den<br />

rund 50 Galerien. Übrigens schützt hier auch das Wochenen-<br />

Kusten Wind<br />

de nicht vor einer leeren Urlaubskasse – sonntags haben die<br />

Geschäfte ebenso geöffnet wie an Feiertagen. Ganz umsonst<br />

hingegen ist ein Bummel über die wunderschöne Strandpro-<br />

menade und ein Strandspaziergang zum „Surfers Paradise“.<br />

Hier kann man den Kitesurfern bei ihren waghalsigen Flugma-<br />

növern über dem Meer zusehen und an manchen Tagen wird<br />

der Club zum Set für Film- und Fotoaufnahmen – dann stehen<br />

eher die Models als die Männer in Neopren im Mittelpunkt.<br />

Für Naturfreunde hingegen ist ein Besuch des Schlick- und<br />

Salzwiesengebiets „Het Zwin“ Pflicht. Ist dies bei Flut zum Teil<br />

vom Nordseewasser überspült, flattern und schnattern hier<br />

über 100 Vogelarten wild durcheinander. Bänke laden zum<br />

Verweilen und Beobachten ein, und mit Gummistiefeln an den<br />

Füßen kann man auch den Wanderführern des Naturschutz-<br />

gebiets durch die Landschaft folgen. Ein letztes Mal wird die<br />

Kamera gezückt, und das violette Blütenmeer der Strandnel-<br />

ken kommt als Urlaubserinnerung mit nach Hause.<br />

KÜStEN-RADRoutE<br />

<strong>Download</strong> der Radwegenetzkarte<br />

„Küste“ als pDF-Datei unter<br />

http://www.radflandern.de/karte<br />

Wann<br />

kommst<br />

Du?<br />

Urlaub in <strong>Flandern</strong><br />

Familienfreundliche Ferienparks, Funparks mit subtropischem Badeparadies<br />

und attraktive Städte- und Badehotels<br />

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Übernachtung ab € 445,-<br />

Badeparadies „Aqua Mundo“: Wellenbad, Wildwasserbahn,<br />

Spielewelt „Discovery Bay“, Kids Club, Beauty- & Wellnessbereich<br />

„Aqua Sana“, Hochseilgarten, Tennis u.v.m.<br />

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Imposantes Gebäude aus der „Belle Époque“, nur wenige Gehminuten<br />

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Kinder bis 11 Jahre gratis.<br />

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Wer im Schutz deS deutSchen reinheitSge-<br />

botS aufgeWachSen iSt, betrachtet fremde<br />

biere mit SkepSiS. doch die belgier haben daS<br />

brauen und zechen zur kunStform erhoben.<br />

Burkhard Strassmann<br />

im bierhimmel<br />

www.flandern.com 6<br />

Mitten in Belgien, in der Provinz Brabant, liegt die Stadt Leu-<br />

ven. Leuven oder Löwen ist eine Universitätsstadt, vital, lustig,<br />

mit spätgotischem Rathaus und einer prachtvollen Universi-<br />

tätsbibliothek, die im Ersten Weltkrieg zerstört und in einem<br />

schrillen Neorenaissancestil wiedererrichtet wurde. In dieser<br />

Stadt kann man lecker essen und prima shoppen. Doch wir<br />

spazieren ins Gewerbegebiet. Denn wir sind auf Recherche.<br />

Es geht um Bier. Belgisches Bier.<br />

Unter den vielen Gründen, nach Belgien zu reisen (gelbe<br />

Autobahnbeleuchtung, Grabenkrieg zwischen Flamen und<br />

Wallonen, Plattenbauten an der Nordseeküste), erscheint<br />

einem Deutschen das belgische Bier als der hinterletzte.<br />

Nicht umsonst ist man im Geltungsbereich des deutschen<br />

Reinheitsgebots aufgewachsen. Man hält Deutschland für<br />

den Weltmeister im Bierbrauen und im Biertrinken, ist stolz<br />

auf eine sorgfältig aufgebaute, über 15 Minuten lang stand-<br />

feste Schaumkrone auf dem Pils und hütet im Wortschatz den<br />

schönen Begriff „bierernst“. Ausgerechnet ein Dutzend deut-<br />

scher Journalisten hatte das Flämische <strong>Tourismus</strong>büro in<br />

Köln zu einer „Pressereise Bier“ eingeladen. Wir waren gekö-<br />

dert worden mit eigenartigen Assoziationen („B wie Belgien<br />

und Bier“) und beunruhigenden Begriffen wie „Himbeerbier“.<br />

Wir ahnten: Uns standen drei harte Tage bevor. Im Löwener<br />

Gewerbegebiet residiert eine Brauerei mit dem unbelgischen,<br />

an Bier zuallerletzt erinnernden Namen Interbrew. Interbrew<br />

trug früher den schönen Namen Stella Artois. Unter dem neu-<br />

en, hässlichen Namen kauft Interbrew alle Brauereien auf,<br />

deren Eigentümer gerade Bargeld brauchen (Beck & Co.,<br />

Diebels, Franziskaner). Die Betriebsbesichtigung besteht aus<br />

drei Teilen: Bier trinken, durch riesige Hallen mit glänzenden<br />

Kesseln und Rohrleitungen gehen, Bier trinken. Erinnerlich<br />

bleibt der säuerliche Nachgeschmack des mit Mais gebrauten<br />

Stella. Und ein Satz des Führers, der uns Becks-Trinkern noch<br />

saurer aufstößt: „Jedes Mal, wenn Interbrew eine Brauerei<br />

aufkauft, bleiben Name und regionale Eigenheiten erhalten.<br />

Nur die Produktion unterliegt ab sofort den hohen Interbrew-<br />

Qualitätsansprüchen.“<br />

trOckeneS MundgeFÜHl, bitterer abgang<br />

Ein Tiefschlag, in dessen Folge wir die Brauerei schwankend<br />

verlassen. Doch es soll noch schlimmer kommen. Domus<br />

heißt die nächste Herausforderung, eine Hausbrauerei in der


64 . flanderns bier . im bierhimmel<br />

umwerfend – <strong>Flandern</strong>s hochprozentige biere verfehlen ihre<br />

Wirkung nicht und verfeinern zudem die Spitzenküche.<br />

Innenstadt mit einer Pipeline direkt ins Wirtshaus zu den Zapf-<br />

hähnen. Der Wirt reicht uns die Getränkekarte. Fassungslos<br />

starren wir auf das Angebot: „tiefrotbraun, karamellwarm, voll<br />

und rund, sanfter Abgang, mit einer Spur reifer Waldfrüchte“.<br />

Es geht hier nicht um einen Bordeaux. Sondern um Engel, ein<br />

Bier mit 7 Prozent Alkoholgehalt. Wir halten offenbar eine Bier-<br />

karte in der Hand! Neben dem Engel steht das Düvel („8,5<br />

Prozent, trockenes Mundgefühl, bitterer Abgang“). Es gibt<br />

auch ein Kirschbier und ein anderes mit „angenehm warmem,<br />

alkoholischem Abgang“ (10 Prozent). Eine Sorte heißt Mort<br />

subite, was auf nichts anderes verweisen kann als den plötz-<br />

lichen Tod an der Frischluft.<br />

Was wir erleben, ist nicht weniger als ein Kulturschock. Hop-<br />

fen und Malz wurden an unserer Wiege besungen, und nun<br />

das: Zucker und Mais, Honig und Reis, Kräuter und Obst! All<br />

das im Bier! Und die Hausmarken der Domusbrauerei nennen<br />

sich Nostra Domus und Con Domus. Belgier finden so was<br />

lustig. Deutsche irgendwann auch. Der spätere Abend be-<br />

schert weitere, noch üppigere Erfahrungen: Man kann Bier aus<br />

rosa Gläsern trinken; der rechtsradikale Vlaams Blok hat über<br />

10 Prozent der Ratssitze; Sandra von der Agentur hat Schrau-<br />

Voraussetzung – der Hopfen aus poperinge gilt als der beste <strong>Flandern</strong>s<br />

und verleiht dem bier den charakteristischen, leicht bitteren Geschmack.<br />

ben im Knie; Bier kann fast 13 Umdrehungen haben; und<br />

Wallonen wohnen wenige Kilometer von Löwen entfernt, aber<br />

kommen nicht hierher, weil man hier Niederländisch spricht.<br />

Zu Ende geht der erste Biertag, sagen wir: unstrukturiert. In<br />

Deutschland ist Biertrinken eine eher trockene Angelegenheit,<br />

ein beinahe nüchterner Vorgang, selbstverständlich und sau-<br />

ber. In Belgien dagegen Kultur. Und mehr: Kult. Löwen zum<br />

Beispiel ist stolz darauf, den Ehrentitel „Bierstadt“ zu tragen.<br />

Die Stadt bietet ihren Gästen Bierfeste und allen Ernstes das<br />

Pauschalangebot „Löwener Bierwochenende“ an, einschließ-<br />

lich eines dreigängigen „Biermenüs“ mit drei Biersorten und<br />

eines „Probebettchens“ bei Domus (drei Gläser Bier in einem<br />

Holzbettchen). Für das ganze Land gibt es zur Planung mono-<br />

thematischer Bierreisen regelrechte Bierkarten mit Bierrouten.<br />

600 Sorten Bier werden in Belgien gebraut, über 100 Braue-<br />

reien können theoretisch aufgesucht und ausprobiert werden.<br />

Das kann die Kategorie Interbrew sein, aber auch eine Dorfk-<br />

litsche wie De Dolle Brouwers in Diksmuide.<br />

De Dolle Brouwers ist eine schräge Hobbybrauerei in Familien-<br />

hand, die insbesondere eine Biersorte herstellt, das Oerbier.<br />

Gern lachen belgische und holländische Gäste über diesen<br />

Namen, der in ihren Ohren wie „Hurenbier“ klingt und zu<br />

allerlei Wortspielen einlädt. Im Winter wird hier auch „Stille<br />

Nacht“ gebraut, ein Hammer von einem Bier (11,6 Prozent),<br />

mit weißem und braunem Kandis und Honig versetzt und<br />

entsprechend pappsüß und bleischwer. Es trinkt sich likörartig<br />

und beschert dem Trinker vermutlich schlagartig eine stille<br />

Nacht. Apropos Blei: Gern zeigt Brauherr Kris Herteleer, ge-<br />

lernter Architekt, seinen Gästen Tische, aus denen der Schrei-<br />

ner Blei herauskratzen musste. Das Blei erinnert wie unzählige<br />

Gräber, bleihaltige Bäume, noch vorhandene Schützengräben<br />

und knochenhaltige Äcker in dieser Gegend an das entsetz-<br />

liche Abschlachten im Stellungskrieg 1914/15 rund um die<br />

flandrischen Orte Ypern/Ieper und Langemarck. Tatsächlich<br />

spielt in dieser Region bis heute weder der Biertourismus noch<br />

der ebenfalls geförderte Fahrradtourismus die wichtigste Rolle.<br />

Die meisten ausländischen Touristen kommen aus England<br />

und interessieren sich nur für eins: Militärgeschichte.<br />

Es gäbe einen weiteren Grund für Touristen, sich hier her-<br />

umzutreiben. Wer bei Belgien an Pommes frites denkt und<br />

glaubt, dass überall dort, wo man Niederländisch spricht,<br />

die gastronomischen Highlights beim Chinesen zu finden<br />

sind, muss umdenken. Die belgische Küche ist fantastisch. In<br />

Belgien sind nicht nur Antialkoholiker fehl am Platze, sondern<br />

auch Menschen, die auf ihre Linie achten. Man kann ohne<br />

Quälerei in drei Tagen zwei Kilo zunehmen. Dass es so gut<br />

schmeckt, hängt ebenfalls mit Bier zusammen. Die so genann-<br />

te belgische Bierküche lässt keine Gelegenheit aus, Speisen<br />

mit den unterschiedlichsten Biersorten zu akzentuieren. Zum<br />

Abendessen lassen wir uns im ’t Hommelhof im Bierstädtchen<br />

Watou nieder. Eine Spitzenbierküche wird dem Restaurant<br />

nachgesagt. Tatsächlich traktiert man uns zum Hauptgang mit<br />

in Bier gegartem Wildschweinfilet, biergetränkter Fasanenkeule<br />

und in Bier eingelegtem Hasenrücken. Umwerfend! Dazu trin-<br />

ken wir aus Gläsern, die wie Weingläser aussehen, Biere wie<br />

das St. Bernhardus Abt, ein sehr exklusives, nach Champag-<br />

nerart hergestelltes Gebräu. Es hat Sektkorken und wird vom<br />

gepflegten Kellner so elegant eingeschenkt (freie Hand hinter<br />

dem Rücken), wie wir es sonst nur von Sommeliers kennen.<br />

An den geheimnisvollen und innigen Zusammenhang<br />

zwischen Mönchstum und Alkohol wird man in Belgien auf<br />

Schritt und Tritt erinnert. Als am dritten Tag unser sorgsam<br />

gehaltener Alkoholspiegel für einen Augenblick zu sinken<br />

beginnt, erreichen wir gottlob die Abtei St. Sixtus in West-<br />

vleteren. Sie ist eins der sechs berühmten belgischen Trappi-<br />

stenklöster, die das noch berühmtere dunkle Trappistenbier<br />

herstellen, das aufgrund seiner vielen Kalorien den Mönchen<br />

über die Fastenzeit hilft. Wahrscheinlich hilft das Bier auch<br />

über die Einsamkeit hinweg. Trappisten dürfen nämlich nur<br />

ausnahmsweise reden, ansonsten unterhalten sie sich mit<br />

Gebärden. Da die meisten Gäste aber keine Gebärdensprache<br />

verstehen, entfällt bei St. Sixtus die Brauereiführung. Für uns<br />

Gäste steht außerhalb der Klostermauern eine Schänke, in<br />

der uns das hochprozentige, dunkle Gebräu – überraschend<br />

fein zwischen malzig und bitter ausbalanciert – durch die<br />

Kehlen rinnt. Im gleichen Gebäude gibt es einen Laden. Zu<br />

den Öffnungszeiten ist der rammelvoll, und draußen auf dem<br />

Parkplatz werden ganze Kofferräume mit den kleinen Flaschen<br />

vollgeladen. Trappistenbier scheint sehr populär zu sein, Wei-<br />

terverkauf ist verboten, das Angebot limitiert. Kluge Bierkäufer<br />

stellen vorher sicher, dass die gewünschte Sorte auf Lager ist.<br />

Sie rufen das klostereigene Biertelefon an.<br />

Wieder zurück in Deutschland. Umsteigen in Dortmund.<br />

Drei Tage lang haben wir ununterbrochen belgisches Bier<br />

getrunken. Nach deutscher Definition unreines Bier. Weder<br />

die Hand ist uns abgefault noch die Zunge verpilzt, selbst die<br />

Eingeweide arbeiten noch. Doch etwas anderes ist passiert.<br />

In der Bahnhofsgaststätte stellen wir fest, dass deutsches Bier<br />

labberig schmeckt, fade und uninteressant. Das Trinken macht<br />

keinen Spaß. Die Biertrinker wirken unfroh. Kein Zweifel: Das<br />

deutsche Reinheitsgebot ist ein Desaster. Weg damit!<br />

© DIE ZEIT 15.01.2004 Nr. 4 04/2004<br />

65<br />

bRAuEREIbESIcHtIGuNG:<br />

De Dolle brouwers, Roeselarestraat 12 b<br />

in Esen, Telefon 0032-51-502781 (Sa. + So.)<br />

GAStRo-tIpp:<br />

belgische bierküche: t’ Hommelhof,<br />

Watouplein 17 in Watou,<br />

Telefon 0032-57-388024


66 . limburg . kirschen, äpfel und birnen<br />

Kirschen,Äpfel<br />

und Birnen<br />

DER HASpENGAu ISt EIN LANDStRIcH, DER SIcH NIcHt JEDEM SoFoRt ERScHLIESSt.<br />

WIE EINE JuNGFRAu MuSS MAN DIESEN obStGARtEN FLANDERNS GANZ bEHutSAM<br />

ERobERN. AuF DEM DRAHtESEL ERKäMpFt MAN SIcH DIESE FRucHtbARE REGIoN,<br />

StEtS MIt DEM bLIcK AuF DEN WEItEN HoRIZoNt uND DEN FÜSSEN FESt AuF DEN<br />

pEDALEN. ES ISt EINE uRSpRÜNGLIcHE uND GäNZLIcH uNbERÜHRtE LANDScHAFt<br />

oHNE touRIStIScHE INSZENIERuNGEN. AuF ENtDEcKuNGSREISE GEHt ES IN DEN<br />

SÜDEN VoN bELGIScH LIMbuRG. Esther Bakker<br />

www.radflandern.com<br />

So geht es schon die ganze Zeit. Nichtsahnend auf einem<br />

Weg radeln, sich kurz umschauen und schon steht da ein Ka-<br />

stell auf einem Hügel, mit Zinnen, die keck in der Sonne fun-<br />

keln. Wir, mein Partner mit seiner Kamera und ich mit meinem<br />

Stift, wären beinah daran vorbeigeradelt, ohne es zu sehen.<br />

Glänzende, reife Beeren hängen in Trauben, hellrot leuchten<br />

sie auf dem Feld mit den dunkelgrünen Johannisbeerbüschen.<br />

Würdest du die leckeren Johannisbeertrauben nicht am lieb-<br />

sten am Stielchen packen, in deinen Mund fallen lassen und<br />

die Beeren mit den Zähnen abreißen ... Dann ein schläfriges<br />

Dorf in der Mittagshitze, die Fensterläden geschlossen. Aber<br />

am Ende des Dorfes entfaltet sich die Pracht einer pastoralen<br />

Szene. Eine Kuhherde im Schatten der Laubbäume. Hügel mit<br />

Obstgärten und darüber geschwungene Mauern, so als wäre<br />

es eine Burg – ein befestigter Bauernhof.<br />

Der Haspengau, der fruchtbare<br />

obstgarten <strong>Flandern</strong>s.<br />

„Du musst es sehen wollen“, sagt eine Limburger Dame<br />

stolz, als sie unseren Weg kreuzt. Nichts auf den ersten Blick,<br />

nichts Atemberaubendes. Aber die, die gut aufpassen, kom-<br />

men aus dem Staunen nicht heraus. Noch ein kleinerer Weg<br />

und weiter über den Feldweg. Was für eine Aussicht mit den<br />

feinen Turmspitzen und den Feldern voller Getreidegarben!<br />

Das perfekte Verkehrsmittel ist das Rad. Mit dem schnellen<br />

Auto würdest du alles verpassen. Die Äpfel voller Tautropfen,<br />

die mit Früchten überladenen Zweige der Kirschbäume, die<br />

Feldwege, die Kornfelder, der heimliche Blick in den Innen-<br />

hof eines uralten Bauernhofs und die unzähligen Schlösser:<br />

einige groß ausgeschildert, andere geheimnisvoll verborgen<br />

im Gehölz wie das Schloss von Dornröschen. Und doch ist die<br />

Zeit seit dem Mittelalter nicht stehengeblieben. Wir sitzen auf<br />

dem Rad mit einem Navigationssystem am Lenker. Als wir uns<br />

67


68 . limburg . kirschen, äpfel und birnen<br />

Schloss Aldenbiesen, einst Sitz des<br />

Deutschen Ritterordens.<br />

verfahren, hören wir direkt die Anweisung aus dem Kopfhörer:<br />

„Sie verlassen die Route. Kehren Sie um!“ Ich kenne die Rou-<br />

tenplaner und die satellitengestützten „Navis“ im Auto, aber<br />

eine Radroute mit GPS und einem persönlichen Audio- und<br />

Video-Reiseleiter? Das ist neu für mich.<br />

„Terra fecunda“ heißt diese Route und bedeutet so viel wie<br />

„fruchtbares Land“. Im Gemeindehaus von Alken, im Norden<br />

von Limburg, bekommt man so ein Gerät, klemmt es an sein<br />

Leihfahrrad und los geht‘s: Radeln mit dem „Verhalenfluister-<br />

aar“, dem Geschichten erzählenden Reiseleiter. Erklärungen,<br />

Musik, ein Hörspiel mit Tipps. Der kleine Monitor zeigt<br />

auch Filmfragmente an besonderen Punkten der Route. Der<br />

„Geschichtenerzähler“, wie das digitale Gerät von <strong>Tourismus</strong><br />

Limburg genannt wird, ist eine Erleichterung für die, die keine<br />

Lust haben, alle paar Minuten mit den unhandlichen Karten<br />

im Wind stehenzubleiben, um den Weg zu finden. Ab und zu<br />

aufpassen, dass man bei den Geschichten den Verkehr nicht<br />

vergisst, den es auf Teilstrecken der Route gibt. Zum Glück<br />

führt die Route vor allem über einsame Feldwege. Außerdem<br />

lässt sich das Ding ganz einfach abschalten, wenn man mal<br />

die Ruhe der Landschaft genießen möchte. Ruhe, davon gibt<br />

es hier genug. Der Haspengau ist eine dünnbesiedelte Region<br />

im Süden von Belgisch Limburg und steht ganz im Zeichen<br />

des Obstbaus. Mit den Äpfeln (Jonagold), den Birnen (Con-<br />

férence), den Süß- und Sauerkirschen, den Johannisbeeren,<br />

den Pflaumen und Erdbeeren. Ein fruchtbares Fleckchen<br />

<strong>Flandern</strong>. Auch Weintrauben, aus denen Haspengauer Wein<br />

gekeltert wird, werden hier schon seit der Römerzeit ange-<br />

baut. Es würde nicht <strong>Flandern</strong> sein, wenn hier nicht auch seit<br />

Urzeiten reichlich Bier gebraut würde. Es ist ein Wochenende<br />

im Hochsommer, an dem wir den Haspengau kennenlernen.<br />

Das Korn reift auf den Feldern, die Kirschen werden gepflückt,<br />

am Stamm stehen hohe Leitern. Rund um den Obstgarten mit<br />

grünen Äpfeln steht eine Hecke voller Johannisbeersträucher.<br />

Ich nasche eine Traube, es ist strengstens verboten, aber für<br />

eine gute Geschichte riskiere ich alles. Sie sind unglaublich!<br />

So süß ...<br />

Im Frühjahr muss es hier ein richtiges Obstblütenfest geben.<br />

Auch der Herbst hat seinen Charme. Dann ist die Apfel- und<br />

Birnenzeit. Vor allem für die berühmten Sirupkocher eine<br />

wichtige Zeit. Nach diesem Wochenende wollen wir unbe-<br />

Auf einsamen Feldwegen lässt sich der Haspengau,<br />

die grüne Lunge <strong>Flandern</strong>s, am besten genießen.<br />

dingt die traditionellen Sirupkocher in Wellen sehen. Diese<br />

Familie kocht seit 1843 Apfel- und Birnensirup. Die alten Kup-<br />

ferkessel sind eindrucksvoll, aber leider fehlt der leckere Sirup.<br />

Das heißt, wir müssen im Oktober zurückkommen, wenn der<br />

karamellbraune Apfelsirup in den Kesseln köchelt.<br />

DER HASpENGAu,<br />

DER obStGARtEN FLANDERNS<br />

KuLINARIScHE SpEZIALItätEN<br />

Mit ihren fruchtigen Spezialitäten zählt die<br />

Haspengauer Küche zu den ehrlichsten und<br />

besten in <strong>Flandern</strong>. probieren Sie das legendäre<br />

„Stroop“ (Apfel- und birnenmus), das aus<br />

birnen und äpfeln gekocht wird, die leckeren<br />

Fruchtkonfitüren und Weine. Nehmen Sie eine<br />

Fahrradtasche mit, denn am Wegesrand kann<br />

man je nach Jahreszeit süße beeren, Kirschen<br />

und „Stroop“ kaufen.<br />

ScHLÖSSER<br />

Aldenbiesen, die imposante burg des Deut-<br />

schen Ritterordens, ist das tor zum Haspen-<br />

gauer Schlösserland.<br />

tERRA FEcuNDA<br />

Der Geschichtenerzähler, ein persönlicher<br />

Reiseleiter mit GpS, Hörspiel und Video-clip<br />

führt durch den obstgarten belgiens. Ein<br />

Leihfahrrad mit GpS-Audio-Guide bekommen<br />

Sie bei <strong>Tourismus</strong> Alken, Hoogdorpstraat 38,<br />

3570 Alken, Telefon 0032-11-599976<br />

Weitere Infos unter www.radflandern.com,<br />

www.toerismelimburg.be


70 . vlaamse kunstcollectie . meisterwerke aus sechs jahrhunderten<br />

vlaamsekunstcollectie<br />

DIE KUNSTSTÄDTE ANTWERPEN, GENT, BRÜGGE<br />

www.kulturflandern.de 71<br />

<strong>Flandern</strong>s Kunststädte gehören zu den faszinierendsten Stadtlandschaften Europas.<br />

brügge, Gent und Antwerpen bewahren bis heute einen unübertroffenen Reichtum an<br />

mittelalterlicher und barocker Kunst. Auf den historischen Marktplätzen und Straßen ist<br />

die Kunst allgegenwärtig. Die Museen und Kirchen sind Schatztruhen voller Meisterwerke,<br />

von Van Eyck und Memling über Rubens und Van Dyck bis hin zu den Surrealisten<br />

wie Ensor und Magritte. Hans-Helmut Schild<br />

VlaaMSe kunStcOllectie<br />

Diese Dachmarke steht für die Zusammenarbeit der drei<br />

großen kunsthistorischen Museen in <strong>Flandern</strong>: das König-<br />

liche Museum für Schöne Künste Antwerpen, das Groeninge-<br />

Museum Brügge und das Museum für Schöne Künste Gent.<br />

Die hochkarätigen Sammlungen der Häuser ergänzen sich<br />

in idealer Weise. Zusammen bieten sie einen einzigartigen,<br />

repräsentativen Überblick über die bildende Kunst der süd-<br />

lichen Niederlande vom 14. bis zum 20. Jahrhundert:<br />

– mehr als 200 Jahre Museumsgeschichte<br />

– 6 750 Gemälde und 40 000 Zeichnungen<br />

– 2 000 Skulpturen, zwölf Ausstellungen pro Jahr<br />

MuSeuM FÜr ScHöne kÜnSte gent<br />

Die Sammlung spiegelt die Kunst vom Mittelalter bis hin zur<br />

ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider. Mit ihrer Kombina-<br />

tion aus flämischer Kunst und zahlreichen Werken aus der<br />

europäischen Kunstgeschichte ist diese Sammlung einzigartig<br />

in Belgien. Hier kann man das berühmte Meisterwerk von<br />

Hieronymus Bosch „Christus trägt das Kreuz“ bewundern.<br />

grOeninge-MuSeuM brÜgge<br />

Das Museum bietet einen umfangreichen und faszinierenden<br />

Einblick in sechs Jahrhunderte flämischer bildender Kunst –<br />

von Jan Van Eyck bis Marcel Broodthaers. Höhepunkte sind<br />

die weltberühmte Sammlung der flämischen Meister, Werke<br />

von zahlreichen Renaissance- und Barockmeistern, eine Aus-<br />

lese aus der neoklassizistischen und realistischen Periode des<br />

19. Jahrhunderts, Meilensteine des belgischen Symbolismus,<br />

Modernismus und Expressionismus.<br />

Zusätzlich finden Ausstellungen aus der Sammlung der<br />

modernen Kunst von 1940 bis 1945 statt.<br />

INFO: DIJVER 12, Telefon 0032-50-448743, www.brugge.be<br />

königlicHeS MuSeuM FÜr<br />

ScHöne kÜnSte antWerPen<br />

Dieser im 19. Jahrhundert erbaute Kunsttempel im Stadtteil<br />

Het Zuid bietet eine nahezu vollständige Übersicht über die<br />

flämische und belgische Kunst vom 14. bis zum 20. Jahrhun-<br />

dert. Wichtige Sammlungen der flämischen Meister, monu-<br />

mentale Werke von Peter Paul Rubens und aus der Epoche<br />

des Barocks charakterisieren dieses Museum. Auch die bedeu-<br />

tendste Ensor-Sammlung sowie die weltgrößte Sammlung von<br />

Rik Wouters sind hier zu sehen. Neben Kunstwerken aus den<br />

südlichen Niederlanden, die den größten Anteil der Samm-<br />

lung bilden, gibt es eine Anzahl wichtiger internationaler<br />

Meisterwerke, u. a. von Jean Fouquet, Tizian Amadeo Modig-<br />

liani sowie Skulpturen von Ossip Zadkine und Auguste Rodin.<br />

INFO: LEOPOLD WAELPLAATS, Telefon 0032-3-2420416,<br />

www.kmska.be


7 . wasser . flandern grachten<br />

Gent, einst Hauptstadt der mittelalterlichen Grafschaft <strong>Flandern</strong>,<br />

wird wie das nahe gelegene brügge vom Wasser regiert. Die Schifffahrt<br />

ließ die Geburtsstadt Karls V. zu einer prächtigen Handelsstadt<br />

aufsteigen. Heute wird fröhliche Geselligkeit zelebriert. Herbert Graf<br />

www.flandern.com<br />

Wasser dominiert auch die<br />

alte Hansestadt brügge.<br />

inSelStadt an ScHelde und leie<br />

Wasser ist ein Lebenselixier der Menschen – nicht nur wichtig<br />

für den Flüssigkeitshaushalt des Körpers, sondern auch für die<br />

Mobilität. Frühe Siedlungen oder Abteien entstanden deshalb<br />

bevorzugt an Flüssen. Im Laufe der Jahrhunderte machte sich<br />

der Mensch das Wasser zu Nutze, er erfand Bewässerungssy-<br />

steme, Wasserleitungen und Kanäle. Allerdings hatte das kühle<br />

Nass neben dem Nutzwert auch immer etwas Unvorherseh-<br />

bares, fast Bedrohliches. Flüsse veränderten sich ständig, wur-<br />

den breiter oder änderten ihren Lauf. Sie konnten ganze Städ-<br />

te ernähren und wachsen lassen, aber auch wieder zerstören.<br />

Schon zur Zeit Karls des Großen blühte Gent auf. Dank des<br />

direkten Anschlusses an die Wasserstraßen entstand eine flo-<br />

rierende Handelsstadt, Wolle und das weltberühmte „Genter<br />

Tuch“ brachten Wohlstand. Ende des 13. Jahrhunderts war die<br />

Stadt einer der wichtigsten Handelsplätze nördlich der Alpen.<br />

Davon zeugen die prächtigen mittelalterlichen Zunfthäuser,<br />

die sich majestätisch im Wasser der Grachten und Kanäle<br />

spiegeln, die wie ein Labyrinth die Stadt durchziehen. Eines<br />

ist dabei allen gemeinsam: Sie fließen hin zur Graslei, an der<br />

die eleganten Fassaden so manche Geschichte vom Handels-<br />

Gent lässt sich am besten<br />

mit dem boot erkunden.<br />

sinn der selbstbewussten Genter Bürger erzählen könnten, die<br />

heute wie damals die Freude an der Geselligkeit leben. Offen<br />

und tolerant präsentieren sich die Bewohner der alten Univer-<br />

sitätsstadt, die viele Jahrhunderte das Tor zur Welt war. Selbst<br />

wenn die Sonne nur kurz hervorlugt, zieht Jung und Alt an die<br />

Graslei, lässt am Wasser die Seele baumeln. Von der Uferpro-<br />

menade fahren die Boote zur Stadtrundfahrt ab, denn die<br />

Altstadt erkundet man am besten mit dem Boot. Feste feiern<br />

kann man an der Leie, das zeigen die „Genter Feste“, die jedes<br />

Jahr im Juli zehn Tage am Stück ausgelassen zelebriert werden.<br />

Dann verwandelt sich das historische Zentrum in eine riesige<br />

Bühne für Weltmusik, Jazz, Theater, Puppenspiel und Kabarett.<br />

Mit rund zwei Millionen Besuchern sind die „Genter Feste“<br />

das größte Volksfest <strong>Flandern</strong>s. Sogar auf dem Wasser ziehen<br />

die Musikbands dann in Booten durch das Stadtzentrum. Und<br />

ihren Flüssigkeitsbedarf stillen die Menschen in dieser Zeit<br />

nicht mit Wasser, sondern mit dem süffigen flämischen Bier.<br />

tIpp: GRAcHtENFAHRt<br />

Von März bis November zwischen 10 uhr und<br />

18 uhr ab Graslei, Preis für ca. 40 Minuten:<br />

Erwachsene 5 Euro, Kinder 2,50 Euro. Weitere Touren<br />

(auch im Winter): www.gent-watertoerist.be<br />

7


74 . de haan . urlaubsgrüße aus de haan<br />

Urlaubsgrüße<br />

aus De Haan<br />

Dieter Knaut<br />

Meine liebe Josephine,<br />

wie in jedem Jahr verbringe ich auch diesen Spätsommer im<br />

nostalgischen Seebad De Haan an der belgischen Nordseekü-<br />

ste. Hatte ich Dir in den letzten Jahren meine Urlaubsgrüße<br />

immer nur per Postkarte übersandt, so möchte ich Dir heute<br />

einmal etwas mehr über den nostalgischen Charme und die<br />

Geschichte des beschaulichen Städtchens berichten, dessen<br />

mildes Klima und die von gesundem Jod geschwängerte Luft<br />

bereits König Leopold II. zu schätzen wusste. Während ich Dir<br />

diesen Brief schreibe, sitze ich vor der Brasserie Paname an<br />

der Promenade, trinke ein Glas Bier (oder vielleicht werden<br />

es auch zwei) und lausche dem Geschrei der Möwen. Gestern<br />

habe ich den ganzen Tag mit Philippe verbracht, Du erinnerst<br />

Dich sicher noch an meinen „alten“ Urlaubsbekannten aus<br />

<strong>Brüssel</strong>, den es so wie mich in jedem Spätsommer wieder<br />

hierher verschlägt. Gleich morgens hatten wir uns getroffen,<br />

um – von einer leichten Brise umweht – den längsten Sand-<br />

strand an <strong>Flandern</strong>s Nordseeküste in aller Ruhe zu erwandern.<br />

Auf unserem Weg genossen wir die Weite der Nordsee und<br />

haben uns darüber amüsiert, wie Kinder ihre bunten Dra-<br />

chen in der Luft tanzen ließen. Gemütlich sind wir dann mit<br />

der Küstentram zurückgefahren. Als wir an der historischen<br />

Tramstation ankamen, fühlten wir uns wie im Film „Die Ferien<br />

des Monsieur Hulot“ von Jacques Tati und mussten an die<br />

goldene Zeit der Belle Epoque denken. Der süße Bahnhof „de<br />

blekken statie“ (der blecherne Bahnhof) im Art-nouveau-Stil<br />

ist ein kleines Symbol für die Anfänge des Seebads De Haan.<br />

Heute ist der Bahnhof ein nostalgisches Postkartenmotiv,<br />

aber damals war er der Inbegriff des Fortschritts. Schließlich<br />

www.flandern.com 75<br />

war die Küstenstraßenbahn der Auslöser dafür, dass sich das<br />

Fischerdörfchen zum malerischsten Seebad entwickelte. Mit<br />

dem Anschluss an die Dampfstraßenbahnverbindung Oost-<br />

ende–Blankenberge stellte die Gemeindeverwaltung De Haan<br />

die Weichen für eine neue Ära der Stadt. Zeitgleich mit dem<br />

ersten Hotel, dem „Hotel du Coq“, das auf dem heutigen<br />

Marktplatz steht, wurde im Juli 1889 der Badeort eröffnet.<br />

Nachdem Philippe und ich am gestrigen Mittag mit von Sand<br />

gepuderten Schuhen von unserer Wanderung zurück in die<br />

Stadt gekommen waren, haben wir uns zunächst einmal in<br />

einem der kleinen Restaurants mit einer der typischen Spezi-<br />

alitäten der belgischen Küste gestärkt. Einfach köstlich waren<br />

diese Nordseekrabbenkroketten.<br />

Nachmittags sind wir dann durch die Sträßchen der „Stadt<br />

der Villen“ geschlendert, wobei wir neben der eigenwilligen<br />

Kombination normannischen Cottagestils mit Art déco und<br />

Art nouveau die für De Haan so typischen Dachbauten und<br />

Zuckerbäckertürmchen bestaunen konnten. Unterwegs erzähl-<br />

te mir Philippe ein paar sehr interessante Geschichten über die<br />

Stadt. Eine dieser Geschichten ist die eines Hahnes, dem einer<br />

Legende nach De Haan seinen Namen zu verdanken hat. Wie<br />

man erzählt, hat das nächtliche schrille Krähen des Hahnes<br />

einst die Einwohner an den Strand gelockt und damit einer<br />

Schiffsbesatzung das Leben gerettet.<br />

Wenn ich mich noch richtig erinnere, bist Du immer schon<br />

eine große Bewunderin von Albert Einstein gewesen. Deshalb<br />

lass Dir noch kurz berichten, dass Einstein von März bis<br />

September 1933 mit Frau und Töchtern in De Haan lebte.<br />

Um genau zu sein, in der Villa „Savoyarde“ in der Shake-<br />

spearelaan. Übrigens liebte es der Nobelpreisträger, der mit<br />

der belgischen Königsfamilie befreundet war, zwei- bis dreimal<br />

täglich zu wechselnder Zeit am Meer entlang- und durch die<br />

Dünen zu spazieren. Kein schlechter Gedanke – das werde ich<br />

jetzt auch tun, denn ich möchte nachher noch ein paar Fotos<br />

von der ins Meer versinkenden Sonne machen.<br />

Es grüßt Dich aus De Haan<br />

Dein alter Freund<br />

Alexander<br />

pS: Anbei habe ich für Dich noch ein paar<br />

Reiseinfos in Kurzform aufgeschrieben.<br />

tipps zu Spazierwegen und Radfahrrouten<br />

erhältst Du beim Verkehrsamt De Haan in der<br />

Leopoldlaan 24.<br />

Für Dich als Freundin der Nostalgie wäre<br />

übrigens der August eine passende Reise-<br />

zeit. Am ersten Samstag dieses Monats wer-<br />

den in De Haan jedes Jahr die uhren zurückgedreht<br />

und die goldenen Zeiten der belle<br />

Epoque werden wieder lebendig.


76 . hausboot . „mann über bord“<br />

„Mann Über bord“<br />

Die bilanz scheint schrecklich: Mann über bord, Handy „ertrunken“,<br />

boot beschädigt. Fazit: Ein bisschen Verlust ist immer, aber Schippern<br />

im Hausboot über <strong>Flandern</strong>s Kanäle ist ein Riesenspaß. Iris Zilkens<br />

Der Schleusenwärter rauft sich die Haare: „Frau am Steuer!“<br />

Ich habe ja gleich gesagt, dass ich nicht Boot fahren kann.<br />

Und so eine Luxusjacht schon gar nicht! Wo kam plötzlich<br />

diese Strömung auf dem harmlosen Kanal her und wieso<br />

steht da ein Poller so blöd im Wasser? Nie hätte ich mir unter<br />

einem „Hausboot“ so ein makelloses Riesenschiff vorgestellt,<br />

das jetzt hinten links unter einer unschönen Schürfwunde<br />

in der weißen Außenhaut leidet. Der Herr vom Bootsverleih<br />

tröstet telefonisch: kein Problem, nur ein Schutzblech. Sie<br />

sind versichert.“ Es lebe die Vollkaskoversicherung! Nach einer<br />

Probefahrt mit Einweisung in die Geheimnisse der Schifffahrt<br />

durch den Verleiher kommt „Frau“ eben gefährlich schnell in<br />

Fahrt: Das 13-Meter-Schiff, das bei der Abfahrt im belgischen<br />

Küstenort Nieuwpoort noch so unhandlich und lang zu sein<br />

schien, ist nach den ersten Fahrkilometern zu einem über-<br />

schaubaren und folgsamen Gefährt geworden. Brücken öffnen<br />

sich auf (Handy-)Anruf, die Schleusenwärter winken, die Fahrradfahrer<br />

auch, die Stimmung steigt und schwappt fast über.<br />

Beste Voraussetzungen für Übermut mit Crash-Folgen.<br />

Die Idee, im kleinen Kollegenkreis einige Tage auf <strong>Flandern</strong>s<br />

wenig befahrenen Kanälen durch die Küstenregion Westhoek<br />

zu tuckern, war gut. Die Idee, sich auf ein „Männer-“ und ein<br />

„Frauenboot“ zu verteilen, noch besser. Wer im selben Boot<br />

sitzt, lernt sich kennen, manchmal vielleicht sogar näher, als<br />

man möchte. Während die Damen mit Gelassenheit auftrumpfen<br />

und dem Motto folgen: „Wir können alle nicht Boot<br />

fahren, aber Hauptsache, es macht Spaß“, gehen die Herren<br />

die Sache mit theoretisch-technischem Know-how an. Jeder<br />

ist Kapitän, jeder weiß alles und alles besser, jeder wurde mit<br />

www.flandern.com 77<br />

einem Navigationssystem im Gehirn geboren. Nach den ers-<br />

ten Stunden im vorsichtigen Schneckentempo kommt für die<br />

Freizeit-Kapitäne bereits das entscheidende, schockierende<br />

Erlebnis: Auf der Landstraße nebenan ziehen winkende Kinder<br />

auf kleinen Fahrrädern vorbei. Da fühlt man sich doch bei<br />

der Ehre gepackt und drückt den Gashebel durch, so dass die<br />

Graureiher nur so aus dem Schilf fliehen.<br />

Auch das An- und Ablegen an Schleusenwänden und Stegen,<br />

das noch vor Stunden den Angstschweiß auf die Stirn trieb,<br />

ist nach kurzem schon Routine. Manchmal allerdings auch<br />

nicht: ein sportlicher, aber leider voreiliger Sprung Richtung<br />

Steg und … Mann über Bord! Das Bad im kalten Wasser, das<br />

„ertrinkende“ Handy in der Hosentasche – alles könnte<br />

„Mann“ ertragen. Aber das hämische Lachen aus dem Frau-<br />

enboot kühlt die Stimmung vorübergehend ab. In solchen<br />

Zeiten bewährt sich der Vorteil des Hausbootfahrens: Wer<br />

will, kann sich aus dem Weg gehen, denn es darf fast überall<br />

angelegt werden, wo’s schön ist. Die Bootsfirma gibt jedem<br />

Kanalfahrer eine dicke Mappe mit Vorschlägen für kleine<br />

Landausflüge mit. Ein Stopp im mittelalterlichen Städtchen<br />

Veurne, ein bisschen Backsteinromantik in der fast tausend-<br />

jährigen Ortschaft Loo, eine Begegnung mit dem „Männchen<br />

im Mond“ in der Butterstadt Diksmuide, eine Fahrradtour mit<br />

zünftigem „Bruegel-Buffet“ in Stavele, Kultur und Geschäfte-<br />

gucken im historischen Brügge bieten sich an der Wasserstrasse<br />

an. Während sich im Frauenboot die Lust an der Langsamkeit<br />

längst breitgemacht hat, das Steuer mit links und die Kaffee-<br />

tasse mit rechts gehalten werden, testen die Männer die Mög-<br />

lichkeiten des Motors, kreuzen unruhig vor geschlossenen<br />

Schleusentoren und Brücken hin und her, um im falschen<br />

Moment am richtigen Ort zu sein: unter einer sich schnell<br />

senkenden Hebebrücke. Der Rückwärtsgang rettet das Boot<br />

in letzter Sekunde, der Brückenwärter flucht auf Flämisch, die<br />

Damen haben ihre Freude, die Herren das Nachsehen. Nur<br />

die Aussicht auf ein außergewöhnliches Bier-Menü in Brügge<br />

stimmt versöhnlich. Nach belgischem Bier vom Aperitif bis<br />

zum Dessert bleibt auch der Reiselustigste besser festgezurrt<br />

am Liegeplatz, denn bei Alkohol am Schiffssteuer hilft auch<br />

die beste Vollkaskoversicherung nicht. Die neuen Schiffe des<br />

Hausboot-Spezialisten, der Firma Connoisseur, machen den<br />

Aufenthalt an Bord angenehm: Außen- und Innen-Steu-<br />

erstand, schöne Räume mit Heizung, Mini-Nasszellen mit<br />

warmem Wasser in jeder Kabine und eine voll eingerichte-<br />

te Bordküche. Für uns weibliche Leichtmatrosen wird diese<br />

vergnügliche Bootsfahrt durch die friedliche Polderlandschaft<br />

nicht die letzte gewesen sein, doch die Kapitäne lassen wir<br />

demnächst an Land.<br />

© Artikel aus der Rheinischen Post vom 21. Mai 2005<br />

Wichtig: Hausboote dürfen ohne Bootsführerschein gefahren<br />

werden. Anfänger sollten auf ein Schiff mit Bugstrahlruder ach-<br />

ten. Während der Sommermonate nur Wochenbuchungen.<br />

REStAuRANt-tIppS<br />

Restaurant Martinique, Brugse Steenweg 7,<br />

8620 Nieuwpoort, Bier-Menü im Restaurant<br />

„Den Dyver”, Dyver 5, Brügge<br />

(beide für Feinschmecker)<br />

HAuSboot-VERLEIH:<br />

Fa. connoisseur, c/o Arns France GmbH,<br />

Marktplatz 4, 61118 Bad Vilbel, Telefon<br />

06101-5579133, www.connoisseur.de<br />

LItERAtuR-tIpp:<br />

bootsferien in belgien und Holland<br />

Verlag Pietsch, ISBN 3-613-50397-2


78 . termine 007 . veranstaltungstipps flandern<br />

terMine 007<br />

09.0 . 007<br />

l’uOMO dal FiOre in bOcca<br />

brüssel, LaMonnaie, www.brewaeys.be<br />

www.lamonnaie.be<br />

1988 gewann Luc Brewaeys den Prix de<br />

Musique Contemporaire du Québec und<br />

1996 zeichnete ihn die belgische Musik-<br />

presse für die Einspielung seines sympho-<br />

nischen Werks mit gleich zwei Preisen aus.<br />

Anfang Februar wird im <strong>Brüssel</strong>er Opernhaus<br />

die erste Oper des flämischen Komponisten<br />

uraufgeführt. „L’uomo dal fiore in bocca“<br />

basiert auf einem Text von Luigi Pirandello.<br />

Brewaeys verwandelt die Vorlage – einen er-<br />

schütternden Dialog zweier Männer über den<br />

Sinn des Lebens – in 40 Minuten Musikthea-<br />

ter für Tenor, Bass und Orchester.<br />

16. – 5.0 . 007<br />

aniMa 007<br />

brüssel, www.folioscope.be<br />

Mit seinem Showcase-Programm, internati-<br />

onalen Wettbewerben, Retrospektiven und<br />

Workshops ist das „Anima“-Festival eine der<br />

bekanntesten internationalen Plattformen für<br />

qualitativ hochwertige Zeichentrick-Produk-<br />

tionen. Jedes Jahr werden aus der europä-<br />

ischen Auswahl Kandidaten für den „Cartoon<br />

d’or“ nominiert. Über 650 Filme bewerben<br />

sich jährlich um eine Ausstrahlung im Rah-<br />

men des Festivals.<br />

16.0 . – 1 .08. 007<br />

100 JaHre Hergé<br />

brüssel, Königlich-belgische Kunstmuseen<br />

www.fine-arts-museum.be<br />

Der geistige Vater von Tim & Struppi, der<br />

berühmte belgische Comic-Strip-Zeichner<br />

Hergé, würde am 22. Mai 2007 seinen hun-<br />

dertsten Geburtstag feiern. Anlässlich dieses<br />

Jubiläums ehrt <strong>Brüssel</strong> seinen berühmten<br />

Sohn mit einer Retrospektive. Die Ausstellung<br />

beleuchtet den wechselseitigen Einfluss zwi-<br />

schen Hergés Comic-Art und der modernen<br />

Kunst. An über 50 Originalzeichnungen wird<br />

die künstlerische Qualität seines revolutio-<br />

nären und reduzierten Stils, der „ligne claire“,<br />

sichtbar.<br />

08.04. 007<br />

runde VOn <strong>Flandern</strong><br />

Start: brügge – Ziel: Ninove, www.rvv.be<br />

Die „Runde von <strong>Flandern</strong>“ ist eine der<br />

zwölf Radrennweltmeisterschaften. Berühmt<br />

und berüchtigt ist die legendäre „Mauer<br />

von Geraardsbergen“, ein Anstieg mit Kopf-<br />

steinpflaster.<br />

16. – 5.0 . 007<br />

internatiOnaler<br />

MuSikWettbeWerb<br />

„königin eliSabetH“<br />

brüssel, www.concours-reine-elisabeth.be<br />

Königin Elisabeth, selbst eine bemerkens-<br />

werte Geigerin, gründete 1937 zusammen<br />

mit dem Violinisten Eugène Ysaye einen<br />

Wettbewerb zur Förderung junger Musiker<br />

unter 30 Jahren. Inzwischen gehört die unter<br />

der Schirmherrschaft von Königin Fabiola<br />

stehende Veranstaltung zu den berühmtesten<br />

Musikwettbewerben der Welt. Zu den<br />

Preisträgern gehören legendäre Interpreten<br />

wie Leon Fleisher, Emil Gigels oder David<br />

Oistrakh. Baiba Skride und Nikolaj Znaider,<br />

Gewinner des Jahres 2001, haben bereits ihre<br />

Weltkarrieren angetreten. Neben den Sparten<br />

Klavier, Violine und Komposition wurde der<br />

Wettbewerbskanon 1988 auf Anregung<br />

von Gérard Mortier um die Klasse Gesang<br />

erweitert.<br />

0. – .04. 007<br />

art bruSSelS<br />

brüssel, Messe, www.artbrussels.be<br />

Die Kunstmesse ist für jeden Kunstinteressier-<br />

ten zugänglich. Und verbindet perfekt span-<br />

nende Malerei, Photographie und Design<br />

mit belgischer Lebensart. Das Ergebnis: eine<br />

Kunstschau, die lässig und unkompliziert auf-<br />

tritt und schnell den verbissenen Ernst etwa<br />

einer Art Cologne vergessen lässt. Eingeteilt<br />

in Rubriken wie „Etablierte Galerien“, „Junge<br />

Galerien“ oder „First Call“, informiert die<br />

Schau über die Trends des weltweiten Kunst-<br />

marktes. Wer nicht auf eigene Faust durch die<br />

vielen Kojen schlendern möchte, kann sich<br />

einer der täglich stattfindenden Führungen<br />

anschließen. Ideal in Verbindung mit einem<br />

Wochenendtrip nach <strong>Brüssel</strong>.<br />

Mai 007<br />

OOStende VOr anker<br />

www.oostendevooranker.be<br />

Das seit 2002 jährlich ausgerichtete bunte<br />

Volksfest gilt als eins der größten Seefahrts-<br />

feste im Nordseeraum. Segelschiffe unter-<br />

schiedlicher Nationen schmücken den<br />

Oostender Hafen und werden teilweise dem<br />

Publikum zugänglich gemacht. Über die Kais<br />

und Plätze der Stadt verteilt spielen Rock-,<br />

Blues- und Folkgruppen. Theatralische Wal-<br />

king Acts beleben die Straßen, ein Flohmarkt<br />

mit maritimen Antiquitäten und Kuriositäten<br />

rundet das Angebot ab. Jedes Jahr steht ein<br />

anderes Land im Zentrum des Interesses.<br />

Nach unter anderem Großbritannien (2002)<br />

www.flandern.com<br />

und Frankreich (2005) wird sich 2007 voraus-<br />

sichtlich Italien in Oostende präsentieren.<br />

Mai – nOVeMber 007<br />

<strong>Flandern</strong>-FeStiVal<br />

www.festival.be<br />

Das <strong>Flandern</strong>-Festival findet jährlich in acht<br />

Städten, darunter natürlich Antwerpen, Brüg-<br />

ge und Gent, statt. Die Spielorte für haupt-<br />

sächlich klassische Konzerte jedweder Form<br />

sind unter anderem <strong>Flandern</strong>s historische<br />

Bauten wie Kirchen, Bibliotheken und Gilde-<br />

häuser. Das Programm bietet alte wie neue<br />

Musik, interpretiert von Einheimischen und<br />

ausländischen Gästen von internationalem<br />

Rang, darunter 2006 etwa das Kronos Quar-<br />

tet oder Wim Vandekeybus. Die Veranstal-<br />

tungen des <strong>Flandern</strong>-Festivals – eine reizvolle<br />

Alternative, die zahlreichen Denkmäler und<br />

Prachtbauten einmal nicht per Führung, son-<br />

dern im Rahmen eines Konzertes zu betreten.<br />

Und die beeindruckenden Innenräume über<br />

die Musik für sich zu entdecken.<br />

17.05. 007<br />

Heiligblut-PrOZeSSiOn<br />

brügge, www.holyblood.com<br />

Es war im Jahre 1150, als Dietrich von Elsass,<br />

Graf von <strong>Flandern</strong> von einem Kreuzzug zu-<br />

rückkam und einige Tropfen des Blutes Christi<br />

aus Jerusalem mit nach Brügge brachte.<br />

Noch heute wird die Reliquie in der Heilig-<br />

blut-Kapelle verwahrt. Einmal im Jahr, immer<br />

am Himmelfahrtstag, wird die Kostbarkeit in<br />

einer ebenso feierlichen wie prunkvollen Pro-<br />

zession durch Brügge getragen. Laienschau-<br />

spieler aus Brügge stellen in Fußgruppen und<br />

auf Wagen nicht nur Szenen des alten und<br />

neuen Testaments nach. Auch der historische<br />

Hintergrund des Geschehens ist Teil des Um-<br />

zugs. Der hat übrigens Tradition: Erstmals<br />

urkundlich erwähnt wird die Prozession im<br />

Jahr 1291.<br />

Juli 007<br />

genter FeSte<br />

Gent, www.gentsefeesten.be<br />

Die „Genter Feste“ sind nicht einfach ein<br />

Straßenfest. In den rund 150 Jahren seiner<br />

jüngeren Geschichte hat sich das Fest zu<br />

einem wahren Open-Air-Spektakel mit vier<br />

international besetzten Festivals entwickelt.<br />

1,5 Millionen Zuschauer kommen jährlich<br />

nach Gent, um auf den Straßen und Plätzen<br />

zehn Tage lang kostenlos Musik, Theater,<br />

Comedy, Tanz und Unterhaltung zu erleben.<br />

Das Internationale Straßentheater-Festival<br />

(www.istf.be) präsentiert in diesem Rahmen<br />

außergewöhnliche Outdoor-Performances,<br />

das International Puppet Buskers Festi-<br />

val (www.eftcgent.be) widmet sich dem<br />

Puppen- und Objektspiel. „10 Days Off“<br />

(www.10daysoff.be) gilt als das renommier-<br />

teste Meeting für elektronische Musik in<br />

Belgien. Und das Blue Note Records Festival<br />

(www.bluenoterecordsfestival.be) steht ganz<br />

im Zeichen des Jazz. An sechs Tagen stellen<br />

sich allabendlich vier Bands vor.<br />

Juni – SePteMber 007<br />

internatiOnaleS<br />

cartOOnFeStiVal<br />

Knokke-Heist, www.cartoonfestival.be<br />

Subtil, drastisch, ironisch, sarkastisch. Doch<br />

wie sehen Cartoons in China aus? Wie im<br />

Iran oder in Japan? Das renommierte interna-<br />

tionale Cartoonfestival in Knokke-Heist stellt<br />

jedes Jahr die weltbesten Cartoons aus. Das<br />

Bilder-Meeting ging seinerzeit aus dem<br />

„Salon van de Humor“ hervor, der 1962<br />

erstmals in Heist ausgerichtet wurde. Seit<br />

nunmehr 1964 treffen sich die Cartoonisten<br />

regelmäßig. Mehr als 800 Künstler aus über<br />

60 Ländern reichen für den Wettbewerb<br />

inzwischen mehr als 4 000 Zeichnungen<br />

ein. Neben dem Preis des Cartoonfestivals<br />

wird auch der Preis „Press Cartoon Belgium“<br />

ausgelobt. Jedes Jahr erscheint zudem das<br />

prächtige, vom Davidsfonds herausgegebene<br />

„Cartoonboek“, das einen repräsentativen<br />

Überblick über die internationale Cartoon-<br />

szene verschafft.<br />

Okt. 007 – Feb. 008<br />

eurOPalia<br />

brüssel, www.europalia.be<br />

Seit 1969 richtet <strong>Brüssel</strong> alle zwei Jahre für ein<br />

spezielles europäisches Land das Kunst- und<br />

Kulturfest „Europalia“ aus. 2005 stellte sich<br />

Russland insgesamt 1 109 536 Besuchern vor.<br />

Außergewöhnliches planen die Organisatoren<br />

nun für das nächste Festival 2007: Denn dann<br />

ist Europa zu Gast bei Europalia – und somit<br />

erstmals mehrere Nationen. Anlass für diese<br />

Ausnahmeregelung ist der 50. Jahrestag der<br />

Verträge von Rom, mit denen am 25.03.1957<br />

in den Musei Capitolini die Gründung der<br />

Europäischen Union besiegelt wurde. Im<br />

Zentrum des Festivals werden Ausstellungen<br />

stehen, die die Kunstgeschichte Europas illus-<br />

trieren sollen. Zeitgenössische Strömungen<br />

finden ihren Niederschlag in Theater-, Tanz-,<br />

Musik-, Literatur- und Filmvorführungen.<br />

79


80 . bücherecke . buchtipps zu flandern<br />

bÜcHerecke<br />

radatlaS liMburg<br />

Auf gut ausgebauten und ausgeschilderten Radrouten beglei-<br />

tet Sie dieses Buch durch das Radparadies Belgisch Limburg.<br />

Rund 700 Kilometer Radwege entlang von Obstwiesen, Kanä-<br />

len, Heide und Wald erwarten Sie im grünen Limburg. Stre-<br />

ckenbeschreibungen, Stadtpläne und ein Übernachtungsver-<br />

zeichnis – in diesem Atlas finden Sie die wichtigsten kulturellen<br />

und touristischen Tipps für eine Radtour durch Limburg.<br />

Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />

122 Seiten, Karten 1 : 75 000<br />

Preis: 12,90 Euro<br />

ISBN-13 978-3-85000-197-7<br />

bed & bike <strong>Flandern</strong><br />

Ob Sie auf Ihrer Radtour durch <strong>Flandern</strong> ein Quartier für eine<br />

Nacht suchen oder Radausflüge in die nähere und weitere<br />

Umgebung unternehmen möchten – die in „bed & bike“ auf-<br />

geführten Gastbetriebe sind besonders fahrradfreundlich. Alle<br />

verfügen über Fahrradgarage, Trockenraum und Werkzeug,<br />

und ein reichhaltiges Frühstück macht Lust aufs Radeln.<br />

Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />

ca. 132 Seiten,<br />

Preis: 4,90 Euro<br />

ISBN: 978-3-85000-225-7<br />

<strong>Flandern</strong>-rOute<br />

Von Tongeren – der ältesten Stadt <strong>Flandern</strong>s – führt Sie diese<br />

Rundtour vorbei an saftigen Weiden, flachen Polderland-<br />

schaften und flämischen Dörfern bis an die Nordseeküste.<br />

Entlang der Kanäle geht es auf alten Treidelpfaden von<br />

Brügge, dem Venedig des Nordens, über das mittelalterliche<br />

Gent zurück zur Maas.<br />

Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />

140 Seiten, Karten 1 : 75 000<br />

Preis: 12,90 Euro<br />

ISBN-13 978-3-85000-215-8<br />

unterWegS an der belgiScHen kÜSte<br />

Dieses Buch ist mehr als ein Reiseführer, es ist eine Liebeser-<br />

klärung an das flämische Land am Meer. So geht es auf zwölf<br />

ausgewählten Routen auch um die einst ebenfalls zu <strong>Flandern</strong><br />

gehörenden angrenzenden französischen und niederlän-<br />

dischen Regionen. Genießen Sie die beschauliche flämische<br />

Landschaft und reisen Sie in die weltberühmten Kunststädte<br />

Brügge, Gent und Antwerpen. Entdecken Sie den Welthafen<br />

Antwerpen, das niederländische Deltawerk an der Oosterschel-<br />

de oder den Eurotunnel bei Calais. Eingebettet sind diese Rou-<br />

ten, zu denen praktische Informationen, Tipps, Adressen und<br />

Hinweise gehören, in zahlreiche feuilletonistische Beiträge.<br />

Grenzecho Verlag,<br />

Christoph & Corinna Wendt,<br />

336 Seiten<br />

Preis: 19,80 Euro<br />

ISBN-13 978-3-867 12-004-3


8 . impressum . www.flandern.com<br />

I M P R E S S U M<br />

VerantWOrtlicHer<br />

HerauSgeber<br />

J. Vercruysse<br />

Generalverwalter a. I. <strong>Tourismus</strong><br />

Zentrale <strong>Flandern</strong><br />

Grasmarkt 61<br />

1000 <strong>Brüssel</strong>, Belgien<br />

realiSatiOn<br />

& kOOrdinatiOn<br />

<strong>Tourismus</strong><br />

<strong>Flandern</strong> – <strong>Brüssel</strong><br />

Cäcilienstraße 46<br />

50667 Köln, Deutschland<br />

kOnZePt, deSign<br />

& PrePreSS<br />

Framework GmbH<br />

Venloer Straße 21<br />

50672 Köln, Deutschland<br />

druck<br />

Gillrath Print-Consult24<br />

Im Mediapark 4 a<br />

50670 Köln, Deutschland<br />

cOPyrigHt FOtOS<br />

Brueghel06, Westtoer, Toerisme<br />

Antwerpen, BITC, Stad Gent,<br />

Vlaamse Kunstcollectie, Rys (TVL),<br />

De Brie (TVL), De Kievith (TVL),<br />

Monney (TVL), A.Kouprianoff<br />

(TVL), A. Lornier (TVL), Potigny<br />

(TVL), Sarah Stock (TVL), Daniel<br />

Fouss (Centrum voor Beeldverhaal),<br />

Joel Etzold (TVL), Jens<br />

Rufenach (TVL), Diamondcouncil<br />

Antwerpen, Diamantmuseum<br />

Antwerpen, Bas Jongerius<br />

(Toerisme Limburg), Weichselbaum<br />

(TVL), Palenicek (TVL),<br />

Connoisseur, Johan Jacobs<br />

(BITC), Matsumoto (TVL),<br />

Herbert Graf, J. Almblad (TVL),<br />

Fotodienst (Stedelijke Musea<br />

Antwerpen), Dieter Knaut (TVL),<br />

Werner Bastian<br />

D/2007/5635/9/3:<br />

Duitse magazine<br />

A U T O R E N<br />

1 ) dr. PHil. iriS ZilkenS<br />

Kunsthistorikerin, schreibt als<br />

freie Journalistin für den Reiseund<br />

Magazinteil der Rheinischen<br />

Post, Düsseldorf. Sie liebt Belgien<br />

im Allgemeinen und die belgischen<br />

Pralinen im Besonderen.<br />

2 ) dieter knaut<br />

Autor verschiedener Reisebücher<br />

mit Schwerpunkt südliches Afrika<br />

und freier Chefredakteur des<br />

Rhein-Ruhr MAGAZINs. Lieblingszitat:<br />

„Den Charakter eines Volkes<br />

erkennt man daran, wie es seine<br />

Tiere behandelt.“ (Alexander von<br />

Humboldt)<br />

3 ) kerStin MOeSer<br />

Nach Modestudium und Journalistenschule<br />

betreute Kerstin<br />

Moeser, 28, bei „Woman“ das<br />

Ressort Lifestyle & Trend. Seit<br />

September 2006 lebt sie in<br />

München und arbeitet für die<br />

Zeitschrift „Elle“.<br />

4 ) Siggi WeideMann<br />

hat <strong>Flandern</strong> vor 22 Jahren bei<br />

„Aal in het groen“ und dem<br />

Genuss von Trappistenbier<br />

zum ersten Mal kennen- und<br />

schätzen gelernt. Seitdem ist er<br />

beim liebenswerten Nachbarn<br />

regelmäßig zu Gast. Zahlreiche<br />

Reportagen und Reisebücher<br />

sind das Ergebnis. Der mehrfach<br />

ausgezeichnete Journalist ist<br />

Autor der Süddeutschen Zeitung,<br />

studierte Kunstgeschichte und<br />

Archäologie.<br />

5 ) nilS FlieSHardt<br />

Redakteur der „Radwelt“, des<br />

Mitgliedermagazins des Allgemeinen<br />

Deutschen Fahrrad-<br />

Clubs, und freier Journalist. Seine<br />

Radsportbegeisterung hat er mit<br />

den Flamen gemein, und durch<br />

seine Tour an der Küste wurde er<br />

endgültig zum <strong>Flandern</strong>-Fan.<br />

6 ) ulricH traub<br />

Bekommt von Bier und Pommes<br />

immer noch keine Magenschmerzen<br />

und liebt die einzigartige<br />

Städtelandschaft <strong>Flandern</strong>s.<br />

7 ) HanS-HelMut ScHild<br />

Leitete viele Jahre das Institut für<br />

Bildungsreisen und war Geschäftsführer<br />

der Düsseldorf Marketing<br />

<strong>Tourismus</strong> GmbH. Belgien kennt<br />

er wie seine Westentasche. Insbesondere<br />

Antwerpen ist ihm ans<br />

Herz gewachsen.<br />

8 ) andreaS Meyer<br />

Journalist, verbrachte Mitte der<br />

70er Jahre mit der Familie den<br />

ersten Urlaub in Oostende, seither<br />

ist er bekennender <strong>Flandern</strong>-,<br />

Ensor- und Pralinen-Enthusiast.<br />

Er lebt in Bochum und arbeitet<br />

als Redakteur für die Ruhrgebietund<br />

Düsseldorf-Ausgabe des<br />

Lifestylemagazins PRINZ.<br />

9 ) eStHer bakker<br />

Die reiselustige Niederländerin<br />

(1965*) verbrachte den größten<br />

Teil ihres Lebens in einsamen<br />

Re-gionen der Welt, die sie auf<br />

ihren Wanderungen entdeckte.<br />

Bekannt wurde sie vor allem<br />

durch ihr Buch über historische<br />

Reiseberichte von niederländischen<br />

Frauen.<br />

10) Herbert graF<br />

1963 in Köln geboren, arbeitet<br />

als freier Autor von Reisereportagen.<br />

Er lebt mit seiner Frau<br />

und seinen zwei Kindern an der<br />

belgischen Nordseeküste.<br />

11) ManFred ScHWarZ<br />

(*1962) ist Kunstkritiker und lebt<br />

in Köln. Von dort aus beobachtet<br />

er seit vielen Jahren die Kunst<br />

und Lebenskultur in diesem bedeutendsten<br />

Land der Welt mit<br />

dem allergrößten Vergnügen.<br />

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Kunst und Shopping in einzigartigen Kulturstädten<br />

Weltoffenes <strong>Brüssel</strong>, historisches Brügge und Diamanten in Antwerpen. Entdecken Sie diese und<br />

viele weitere spannende Metropolen mit TUI. Ganz individuell oder mit abwechslungsreichen Städte-<br />

Programmen. Und neu: TUI City Tipps für jeden Geschmack und Geldbeutel. Mehr dazu im TUI<br />

Weltentdecker Katalog Städte erleben, in Ihrem TUI Reisebüro oder auf www.tui.com<br />

Antwerpen, Hotel Agora <br />

Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 55<br />

<strong>Brüssel</strong>, Crowne Plaza Brussels Le Palace <br />

Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 57<br />

Neu: Brügge, Hotel Martin‘s Brügge <br />

Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 63<br />

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Alles über <strong>Flandern</strong> unter:<br />

WWW.FLANDERN.coM<br />

<strong>Flandern</strong> für Radfahrer:<br />

RADFLANDERN.coM<br />

<strong>Flandern</strong> für Entdecker:<br />

KuLtuRFLANDERN.coM<br />

<strong>Flandern</strong> für Golfer:<br />

GoLFFLANDERN.coM<br />

t o u R I S M u S F L A N D E R N – b R Ü S S E L Cäcilienstraße 46 D – 50667 Köln

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