Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut
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Kai Boeckmann<br />
Zur Eröffnung<br />
Es ist ein vielversprechender Ansatz, in einem Symposion von Theologen von Al-<br />
Azhar <strong>und</strong> deutscher Universitäten das Thema „Episteme der Theologie<br />
interreligiös“ mit dem Ziel zu behandeln, die Fragen von <strong>Offenbarung</strong> in der<br />
<strong>Religion</strong> wissenschaftlich zu durchdringen. Ich zolle den Veranstaltern von Al-<br />
Azhar <strong>und</strong> des <strong>Orient</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>Beirut</strong> meine Anerkennung für das innovative<br />
gemeinsame Bemühen, mehr Licht in gr<strong>und</strong>legende Fragen der Theologie <strong>und</strong><br />
besonders der Exegese zu bringen. Noch mehr an die Wurzeln von<br />
Erkenntnismöglichkeiten kann man kaum gehen. Die Wahl Kairos, geprägt durch<br />
die umwälzenden Ereignisse von Januar <strong>und</strong> Februar 2011, für die Durchführung<br />
dieser Veranstaltung, ist eine gute Wahl, denn Kairo steht seit einem Jahr für<br />
Offenheit, Neugier <strong>und</strong> Veränderung. Möge dieser „genius loci“ den Lauf der<br />
Konferenz beflügeln <strong>und</strong> neue Erkenntnis bringen!<br />
Die Ergebnisse des gemeinsamen Bemühens islamischer <strong>und</strong> christlicher Theologen<br />
auf diesem Symposion werden schon allein dadurch Frucht tragen, dass hier ein<br />
gemeinsamer Weg gegangen wird.<br />
Aristoteles hat den Begriff „Episteme“ in seinem Werk „Nikomachische Ethik“<br />
verwendet, <strong>und</strong> mit ihm das theoretische Wissen im Sinne von Erkenntnis<br />
bezeichnet, welches er von der „Techne“, dem praktischen Können, aber auch der<br />
bloßen unreflektierten Meinung, abgrenzte. Er hat damit früh eine Dualität<br />
zwischen dem Bemühen der reinen Wissenschaftler <strong>und</strong> dem Handeln derjenigen,<br />
welche für die praktische Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben verantwortlich<br />
sind – ich zähle uns Diplomaten dazu - , geschaffen.<br />
Gerade in Phasen, in denen es gilt, Neues zu gestalten, ist es besonders wichtig,<br />
nicht einfach tradierte Verhaltensweisen zu wiederholen, sondern reflektiert auf<br />
der Basis von Erkenntnis zu handeln. Daraus folgt für Deutschland ganz praktisch<br />
die Einführung von Lehrstühlen der Islamwissenschaften, deren Aufgabe es sein<br />
soll, Lehrer für den <strong>Religion</strong>sunterricht muslimischer Schüler auszubilden. Aus der<br />
Gesamtzahl von knapp 4 Millionen Muslimen, also fast 5% der Bevölkerung in<br />
Deutschland <strong>und</strong> der Notwendigkeit den muslimischen Schülern adäquaten<br />
<strong>Religion</strong>sunterricht anzubieten, ermisst sich die besondere Bedeutung des<br />
Vorhabens gerade zum jetzigen Zeitpunkt.<br />
Erlauben Sie mir jetzt in wenigen Sätzen den Ansatz zu rekapitulieren, den das<br />
Auswärtige Amt im Dialog mit dem Islam im letzten Jahrzehnt verfolgt hat. Dieser<br />
Ansatz war praktisch-menschlich ausgerichtet, was selten falsch sein kann. Ziel war<br />
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