FSB 2009 - Freizeit und Spiel
FSB 2009 - Freizeit und Spiel
FSB 2009 - Freizeit und Spiel
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Ausgabe<br />
2/<strong>2009</strong><br />
9. Jahrgang<br />
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FreeLounge<br />
Fachmagazin für kommunale Frei-Räume<br />
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Foto: Stadt Oldenburg<br />
Foto: Balancity.de<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />
in den letzten Jahrzehnten haben sich die Straßenzüge der Innenstädte immer<br />
mehr vereinheitlicht: Allerorts fi nden sich gleiche <strong>und</strong> ähnliche Handelsketten <strong>und</strong><br />
machen das Einkaufserlebnis in den City-Freiräumen immer verwechselbarer.<br />
Inzwischen ist glücklicherweise das Bewusstsein dafür gewachsen, dass es schade<br />
ist, den individuellen Charakter der Städte zu opfern. Ob futuristisch oder historisch:<br />
Städte werden wieder inszeniert! Mit Licht <strong>und</strong> Klang, mit Stadtmöbeln <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>geräten,<br />
in der Landschaft <strong>und</strong> auf Friedhöfen, mit Projekten <strong>und</strong> Konzepten.<br />
Unsere Recherche zeigt, dass in dieser Hinsicht überall viel in Bewegung ist:<br />
Hoyerswerda bekommt eine grüne Kulisse, Schmalkalden spiegelt seine Geschichte<br />
in Bodenplatten <strong>und</strong> im österreichischen Linz wird der Freiraum mit Klang gestaltet.<br />
Auch die Inszenierung als Wissenschaftsstadt spielt eine Rolle bei der neuen<br />
Individualisierung des kommunalen Charakters: So grenzt sich Oldenburg in diesem<br />
Jahr als „Übermorgenstadt“ von anderen ab. Lassen Sie sich von den zahlreichen<br />
Beispielen in diesem Heft inspirieren.<br />
Ab sofort fi nden Sie in der FreeLounge auch Fachartikel externer Autoren: Neben<br />
mehreren Beiträgen zu verschiedenen Themen der Stadtplanung <strong>und</strong> Architektur<br />
machte sich Professor Dr. Guido Spars Gedanken über den Image- <strong>und</strong> Wertgewinn<br />
durch Freiraumentwicklung, Dipl.-Ingenieurin Ruth Esther Gilmore startet eine<br />
vierteilige Serie zur kinderfre<strong>und</strong>lichen Stadtplanung <strong>und</strong> die Landschaftsplaner des<br />
Kasseler Büros Planrat berichten aus der Praxis einer <strong>Spiel</strong>platzsanierung.<br />
Mit dieser Ausgabe der FreeLounge halten Sie wieder ein inspirierendes Paket<br />
voller Ideen in Händen, wovon sich das ein oder andere sicher auch in Ihrer Planung<br />
umsetzen lässt.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />
Ihre FreeLounge-Redaktion<br />
Editorial | 3
4 | Inhalt<br />
Inhalt<br />
TOP THEMA<br />
Städte gekonnt in Szene setzen 6<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de 14<br />
Sind wir nicht alle ein bißchen urbanophil? 17<br />
Image- <strong>und</strong> Wertgewinn der Stadtquartiere<br />
durch Freiraumentwicklung 19<br />
Entwicklung der Innenstädte 22<br />
Neuinszenierung in Bayreuth 25<br />
Jungbrunnen für den Jungbusch 27<br />
Oldenburg – die Übermorgenstadt 30<br />
Marktmonitor 34<br />
Gummi <strong>und</strong> Stahl im Zusammenspiel 40<br />
GESELLSCHAFT<br />
Freifl äche Friedhof 44<br />
<strong>Spiel</strong>platz als alkoholfreie Zone? 51<br />
Shared Space 52<br />
REPORT<br />
Balancity in Shanghai 56<br />
Stadtplanung in der Balance 58<br />
Inszenierung der Landschaft 62<br />
Der Liebesbankweg im Harz 63<br />
Umbau statt Neubau 64<br />
Kinderwanderwege – <strong>Freizeit</strong>spaß ohne Gequengel 67<br />
SPIELRAUM<br />
Kinderfre<strong>und</strong>liche Stadtplanung – Teil 1 70<br />
Parkours – Überwindung der Schwerkraft 74<br />
STADT & KUNST<br />
Eine Lobby für das Hören 76<br />
Luftverschmutzung war auch lange kein Thema 80<br />
Buchtipps 82<br />
Oper am Unort 84<br />
MESSE<br />
<strong>FSB</strong> <strong>2009</strong> 88<br />
Kommunen als Konjunktur-Motor 92<br />
Ökologie <strong>und</strong> Ökonomie im Einklang 94<br />
RECHT<br />
Produktsicherheit <strong>und</strong> Rechtssicherheit 96<br />
Der neue B<strong>und</strong>esverband für Freiraumgestaltung 100<br />
Haftungsbeschränkung durch AGB 101<br />
Wettbewerb<br />
Kommunen in neuem Licht 103<br />
TIVOLI<br />
Branchen- <strong>und</strong> Herstellerverzeichnis 101<br />
TERMINKALENDER 104<br />
ENTDECKT! 110<br />
FreeLounge<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
freizeit&spiel Verlagsgesellschaft<br />
Gewerbegebiet Larsheck, 56271 Kleinmaischeid<br />
Telefon: +49 (0) 2689 9591-37<br />
Telefax: +49 (0) 2689 9591-38<br />
Erscheinungsweise:<br />
vierteljährlich<br />
Chefredaktion:<br />
Maike Söltl (V.i.S.d.P.)<br />
E-Mail: redaktion@free-lounge.de<br />
E-Mail: anzeigen@free-lounge.de<br />
Anzeigenleitung:<br />
Martina Müller<br />
E-Mail: anzeigen@free-lounge.de<br />
DTP, Bildredaktion:<br />
Maike Söltl (verantwortlich)<br />
Textredaktion:<br />
Dr. Anke Münster, Lutz Keißner,<br />
Dagmar Thiemann<br />
Titelfoto:<br />
Mike Haufe – fotolia.com<br />
z. Zt. gilt die Anzeigenpreisliste vom<br />
1. Mai <strong>2009</strong><br />
Internet: www.free-lounge.de<br />
www.free-lounge.com<br />
Copyright:<br />
freizeit&spiel Verlagsgesellschaft mbH.<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Terminveröffentlichungen kostenlos,<br />
aber ohne Gewähr. Keine Haftung bei<br />
unverlangt eingesandten Manuskripten.<br />
Namentlich gekennzeichnete Berichte<br />
<strong>und</strong> Artikel geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder.<br />
Quellennachweis:<br />
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Produkte zur Bodengestaltung<br />
Produkte zur Beleuchtung<br />
Messevorschau- <strong>und</strong> Rückblicke<br />
Normen <strong>und</strong> Vorschriften<br />
Rechtliches<br />
uninteressant interessant sehr interessant<br />
Gibt es ein Beispiel eines gelungenen (Stadtentwicklungs-)Projektes, auf das<br />
Sie uns aufmerksam machen möchten?
6 | Top Thema<br />
Foto: © boris storz
Städte gekonnt<br />
in Szene setzen<br />
Die Zukunft gehört den Städten <strong>und</strong> Gemeinden, denen es gelingt,<br />
ihren individuellen Charakter zu bewahren oder auszubauen. Sie bieten<br />
eine interessante Bühne sowohl für das alltägliche Leben als auch<br />
für die Entdeckungen der Touristen. Vielfältig sind die Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> das Engagement, mit denen die Inszenierung des öffentlichen<br />
Raums erfolgt.<br />
Keine Frage: Der Bevölkerungsrückgang <strong>und</strong> die<br />
Krise des Einzelhandels setzen den Städten zu.<br />
Außerdem sorgen die immer gleichen Geschäfte<br />
oft für eine ungewollte Uniformität der Fußgängerzonen.<br />
Die Auswirkungen von Bausünden<br />
<strong>und</strong> Planungsfehlern der Vergangenheit treten<br />
deutlicher zu Tage, wenn Innenstädte durch<br />
die Einkaufszentren auf der grünen Wiese <strong>und</strong><br />
durch den Internethandel in ihrer Struktur bedroht<br />
sind. Doch gleichzeitig wächst die Zahl<br />
nachhaltiger Konzepte, wie durch eine Inszenierung<br />
des öffentlichen Raums das Leben in<br />
Städten attraktiver gestaltet werden kann. Ein<br />
wichtiges Kennzeichen aktueller Stadtplanung<br />
ist, dass die ad-hoc-Planung früherer Jahrzehnte<br />
zugunsten von strategischer Planung in den<br />
Hintergr<strong>und</strong> tritt. Es werden Masterpläne oder<br />
integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte<br />
aufgelegt <strong>und</strong> langfristig wirkende Ideen<br />
entwickelt. Dahinter steht ganz offenk<strong>und</strong>ig der<br />
Wille, die begrenzten Mittel dort einzusetzen,<br />
wo sie den größten Nutzen bringen. Außerdem<br />
reagieren viele Städte <strong>und</strong> Gemeinden darauf,<br />
dass in den letzten zehn Jahren das Leben im<br />
städtischen Freiraum eine ganz andere Bedeutung<br />
bekommen hat. Die Bürger nutzen in ihrer<br />
<strong>Freizeit</strong> die Plätze <strong>und</strong> Parks in ihrer Stadt<br />
sowie die Zonen an Gewässern viel intensiver.<br />
Ganz häufi g ist ein interdisziplinäres Denken<br />
notwendig, um die Städte so zu inszenieren,<br />
dass all diesen Faktoren Rechnung getragen<br />
wird. Dass sich ein solcher Einsatz lohnt, zeigt<br />
eine Reihe von Beispielen, die von städtebaulichen<br />
Maßnahmen bis hin zu Ideenwettbewerben<br />
reichen.<br />
Zeitspuren <strong>und</strong> Zeit spüren<br />
in Schmalkalden<br />
Bodenbeläge haben ähnlich wie die Beleuchtung<br />
einen immer wieder überraschend großen<br />
Anteil an der Gesamtwirkung der Innenstädte.<br />
Dass sie sogar einen Beitrag dazu leisten können,<br />
Geschichte lebendig werden zu lassen,<br />
zeigt das Beispiel der knapp 18.000 Einwohner<br />
zählenden Stadt Schmalkalden in Thüringen.<br />
Der Umbau befi ndet sich in der dritten Projektphase<br />
<strong>und</strong> wurde durch ein B<strong>und</strong>-Länder-<br />
Programm möglich gemacht. Das Konzept der<br />
Bodengestaltung wird hier zum Spiegel der<br />
stadtgeschichtlichen Entwicklung, die nun bei<br />
jedem Gang durch die Stadt gegenwärtig ist. In<br />
ganz herausragender Weise macht das Konzept<br />
aber nicht nur die Stadtgeschichte erlebbar,<br />
sondern schafft zugleich moderne Stadtansichten<br />
<strong>und</strong> entwickelt eine Art Corporate Design<br />
für die historische Mitte von Schmalkalden.<br />
Verdient erhielt das Projekt im Juni in dem<br />
Wettbewerb „Stadt bauen. Stadt leben“ einen<br />
ersten Preis in der Kategorie „Städte besser<br />
gestalten“. Geplant wurde die weitreichende<br />
Umgestaltung von Peter Wich <strong>und</strong> dem Team<br />
des Münchener Büros Terranova Landschaftsarchitektur.<br />
Die Bereiche der Alt- <strong>und</strong> der<br />
Neustadt sind als Gr<strong>und</strong>element je mit einem<br />
eigenen homogenen, ruhigen Bodenbelag gestaltet.<br />
Während in der Altstadt entsprechend<br />
der stark variierenden Zuschnitte der Freiräume<br />
eine unregelmäßige Verlegeweise (Wilder<br />
Verband) Anwendung fi ndet, wurde der Bereich<br />
der Neustadt mit einem regelmäßigen Belagsmuster<br />
(Reihen- <strong>und</strong> Netzverband) gestaltet. So<br />
Top Thema | 7
Foto: © boris storz<br />
Stadtgeschichte wird in Schmalkalden durch die Bodengestaltung sowie die Brunnen <strong>und</strong> Wasserläufe auf Schritt <strong>und</strong> Tritt erlebbar.<br />
8 | Top Thema<br />
wird die jeweilige epochale Entstehung durch<br />
eine Art ‘Teppich‘ sichtbar. Deutlich erkennbar<br />
sind innerhalb der Gestaltung die historischen<br />
<strong>und</strong> heutigen Marktplätze - der Altmarkt <strong>und</strong><br />
der Neumarkt - als zentrale Orte des kulturellen<br />
<strong>und</strong> öffentlichen Lebens hervorgehoben. Stadtgeschichte<br />
wird beispielsweise zudem durch die<br />
effektvoll beleuchteten Wasserläufe visualisiert,<br />
die sich an dem Netz der historischen Entwässerungsgräben<br />
orientieren. Alte Brunnenstandorte<br />
spiegeln sich durch einfache geometrische<br />
Elemente, Bodenreliefs, Wasserteppiche oder<br />
Wassersäulen. Schlicht <strong>und</strong> wirkungsvoll ist die<br />
sorgfältig auf das Gesamtkonzept ausgewählte<br />
Stadtmöblierung. Baubronze kommt zum<br />
Einsatz, um auf Metallgießerei als bedeutende<br />
handwerkliche Tradition in Schmalkalden hinzuweisen.<br />
Aufschwung Innenstadt in Bayreuth<br />
Bis sich der Vorhang für die neu gestaltete Innenstadt<br />
in Bayreuth öffnet, wird noch einige<br />
Zeit vergehen <strong>und</strong> die Bürger <strong>und</strong> Gewerbetreibenden<br />
müssen Unannehmlichkeiten hinnehmen.<br />
Aktuell sind Teile der Fußgängerzone in<br />
Bayreuth eine Baustelle, denn vor etwa einem<br />
Jahr wurde mit einem weitreichenden Umbau<br />
dieses zentralen städtischen Areals begonnen.<br />
Bis 2011 entsteht dort nach dem Entwurf des<br />
Münchener Architekturbüros Hirner + Riehl eine<br />
architektonisch städtebauliche Aufwertung der<br />
Innenstadt, die vor allem auch darauf abzielt,<br />
das urbane Leben zu bereichern. Als zentrale<br />
Fläche wird ein sogenanntes Stadtparkett für<br />
Veranstaltungen <strong>und</strong> Märkte eingerichtet, das<br />
von der Struktur unterschiedliche Nutzungen<br />
ermöglicht <strong>und</strong> unterstützt. So kann die Fläche<br />
zum Beispiel durch Schirme überdacht werden.<br />
In die Fußgängerzone werden Wasserspielelemente<br />
<strong>und</strong> Klangkörper integriert, um den<br />
Foto: © boris storz<br />
Aufenthaltswert für Kinder in optisch ansprechender<br />
Form zu verbessern. Außerdem werden<br />
ein neues Lichtkonzept, eine moderne Stadtmöblierung<br />
<strong>und</strong> ein Fußgängerleit- <strong>und</strong> Informationssystem<br />
die Gesamtwirkung abr<strong>und</strong>en. Die<br />
umfangreiche Umgestaltung war durch die Verlegung<br />
des zentralen Busbahnhofs möglich geworden<br />
<strong>und</strong> wird einen wichtigen Beitrag dazu<br />
leisten, dass Bayreuth mit seinem schönen,<br />
historisch geprägten Stadtbild weiter an Profi l<br />
gewinnt. Parallel zur Planung der städtebaulichen<br />
Maßnahmen wurde auf Einladung des<br />
Oberbürgermeisters das Beteiligungsverfahren<br />
„Aufschwung Innenstadt“ für die Bürger <strong>und</strong><br />
Gewerbetreibenden auf den Weg gebracht. Der<br />
von dem in Bayreuth ansässigen Unternehmen<br />
Geoplan moderierte Prozess ist sozusagen die<br />
zweite Säule der Innenstadt-Aufwertung, die die<br />
Bürger mit ihren Ideen aktiv einbezieht. In einer<br />
Bilanzkonferenz der Initiative „Aufschwung Innenstadt“<br />
im März wurde vorgestellt, welche<br />
Fortschritte Projekte wie die Entwicklung von<br />
einer Gestaltungsrichtlinie für ein einheitliches<br />
Stadtmobiliar oder die Planung eines Fußgängerleitsystems<br />
machen. Als dritte Säule – nicht<br />
nur für die Innenstadt, sondern für das gesamte<br />
Stadtgebiet - kommt das Integrierte Städtebauliche<br />
Entwicklungskonzept (ISEK) hinzu,<br />
dem der Stadtrat von Bayreuth im Mai diesen<br />
Jahres zugestimmt hat. In dem von einem interdisziplinären<br />
Gutachterteam entwickelten<br />
Konzept wurden räumliche <strong>und</strong> thematische<br />
Schwerpunkte der künftigen Stadtentwicklung<br />
herausgearbeitet, die schrittweise umgesetzt<br />
werden sollen. Dass die Stadt zudem den Zuschlag<br />
für die Landesgartenschau 2016 bekommen<br />
hat, passt zu der Aufbruchstimmung <strong>und</strong><br />
wird sicherlich weitere interessante Impulse für<br />
die Stadtentwicklung geben. (Detailinformationen<br />
zum Projekt: S. 25)
Grüne Mitte <strong>und</strong> grüner Saum<br />
für Hoyerswerda<br />
Was macht man mit einer Bühne, von der immer<br />
mehr Kulissen verschwinden? In dem für<br />
die DDR bedeutenden Kohle- <strong>und</strong> Energiezentrum<br />
Hoyerswerda ist das zentrale Thema der<br />
Rückbau von Wohngebieten, da der Bevölkerungsrückgang<br />
von ca. 70.000 Einwohnern in<br />
den 80er Jahren auf geschätzte 30.000 um 2020<br />
bewältigt werden muss. Laut dem integrierten<br />
Stadtentwicklungskonzept (InSEK) sollen in der<br />
Neustadt insgesamt 12.100 Wohneinheiten abgerissen<br />
werden. Brachfl ächen können Städte<br />
zerfasern <strong>und</strong> täglich den Verlust zum Thema<br />
machen. Die Stadt Hoyerswerda hatte nach den<br />
Erfahrungen mit verschiedenen Rückbauprojekten<br />
bei der Technischen Universität Dresden ein<br />
„Städtebauliches Leitkonzept zum – durch Rückbau<br />
entstandenen – unbebauten Stadtraum“ in<br />
Auftrag gegeben. Seit 2008 orientiert sich nun<br />
die Entwicklung der neuen Freiräume an diesem<br />
umsichtigen Konzept, das die Zielsetzung<br />
hat, die Freiraum- <strong>und</strong> Stadtstruktur nachhaltig<br />
zu verbessern. Wesentlich für die Lebensqualität<br />
in der Stadt wird die Aufwertung des Zentrums<br />
durch die sogenannte „grüne Mitte“ sein.<br />
Damit wird die Verbindung zwischen Alt- <strong>und</strong><br />
Neustadt gestärkt <strong>und</strong> dem durch den Rückbau<br />
verursachten Auseinanderdriften der Stadtteile<br />
entgegengewirkt. Die Lage am Fluss „Schwarze<br />
Elster“ soll stärker im Stadtbild verankert<br />
<strong>und</strong> die Grünraumvernetzung verbessert werden.<br />
Einen wichtigen Part im Gesamtkonzept<br />
nimmt der neue grüne Saum am Stadtrand ein.<br />
Das Leitkonzept zeigt auf, wie durch Aufforstungen<br />
<strong>und</strong> Wiesen eine attraktive stadtnahe<br />
Erholungslandschaft entstehen kann. Als dritter<br />
Baustein kommt der Aufbau von Kleingarteninseln<br />
in den Obstwiesen hinzu. Es ist geplant,<br />
dass durch den Bevölkerungsrückgang leerstehende<br />
Kleingärten in Streuobstwiesen umgewandelt<br />
werden. Das Konzept „Neue Freiräume<br />
Hoyerswerda“ gibt eine städtebauliche Klarheit,<br />
die allen Akteuren in der Stadt die Zusammenarbeit<br />
erleichtert. Die für den Rückbau verantwortlichen<br />
Wohnungsunternehmen arbeiten<br />
Hand in Hand mit der Stadtverwaltung <strong>und</strong><br />
den städtischen Versorgungsunternehmen. Das<br />
zeigt sich auch bei dem nächsten anstehenden<br />
Projekt. In der „grünen Mitte“ wird voraussichtlich<br />
ab Oktober eine Brache zu einer attraktiven<br />
Freiraumfl äche mit Promenade, Stadtgarten <strong>und</strong><br />
einer Open-Air-Fläche umgebaut. Das Gelände<br />
befi ndet sich zu 70 Prozent im Besitz der Stadt,<br />
die anderen Besitzanteile liegen überwiegend<br />
In Bayreuth wird das sogenannte Stadtparkett die Innenstadt aufwerten.<br />
Perspektiven für Hoyerswerda: Am Stadtsee in der Grünen Mitte.<br />
Foto: Hirner + Riehl Architekten<br />
Foto: TU Dresden Studie NEUE FREIRAEUME HOYERSWERDA<br />
Top Thema | 9
Foto: Stadt Flensburg<br />
Preisgekrönte Umgestaltung: Die mit dem BID-Award ausgezeichnete Fußgängerzone in Flensburg.<br />
10 | Top Thema<br />
bei einem der zwei Wohnungsunternehmen von<br />
Hoyerswerda.<br />
Business Improvement Districts (BIDs)<br />
Die drei bisher genannten Beispiele sind sehr<br />
stark durch gravierende bauliche Veränderungen<br />
geprägt. Versteht man die Stadt als eine<br />
Bühne, dann sind auch kleinere Nebenschauplätze<br />
oft wichtig für die Gesamtwirkung. Das<br />
führt zu der Frage, was die exklusive Hamburger<br />
Einkaufsmeile Neuer Wall mit der Holsteiner<br />
Straße in Rendsburg verbindet. Beim Neuen<br />
Wall passte die Straßengestaltung nicht zu den<br />
mondänen Shops. Es waren einige Baumaßnahmen<br />
<strong>und</strong> Verschönerungen notwendig, um Gehwege<br />
einzurichten, die zum Flanieren einladen.<br />
In Rendsburg sind die Vorzeichen natürlich ganz<br />
andere <strong>und</strong> es standen zunächst einmal Maßnahmen<br />
wie beispielsweise eine ansprechende<br />
Weihnachtsbeleuchtung auf dem Programm,<br />
um die Stadt als sympathische Einkaufsadresse<br />
zu positionieren. Doch beide Projekte kamen<br />
aufgr<strong>und</strong> eines relativ neuen Lösungsansatzes<br />
zustande, der in Deutschland seit fünf Jahren<br />
zum Einsatz kommt. Business Improvement<br />
Districts (BID) sind private Eigeninitiativen von<br />
örtlichen Gewerbetreibenden <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümern,<br />
die sich in einer besonderen Form von<br />
Public Private Partnership (PPP) organisieren.<br />
Sie verpfl ichten sich, in einem räumlich genau<br />
begrenzten Gebiet Verbesserungen für das<br />
Quartier zu realisieren. Die Ziele sind ganz unterschiedlich,<br />
beziehen sich immer ganz individuell<br />
auf die jeweilige Situation: Maßnahmen<br />
der Wirtschaftsförderung können ebenso dazu<br />
gehören wie Freiraumgestaltung, Stadtentwicklung,<br />
Instandhaltung oder die Realisation<br />
von Sicherheitskonzepten. In der Regel wird<br />
dafür ein Zeitraum von fünf Jahren angesetzt.<br />
Informationen erhalten die Gewerbetreibenden<br />
über die Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern,<br />
die Veranstaltungen zu diesem Thema durchführen.<br />
In einem ersten Schritt ist zunächst<br />
eine landesgesetzliche Gr<strong>und</strong>lage erforderlich,<br />
damit die kommunalen Aufgaben auf das BID<br />
übertragen werden können. Bislang haben<br />
Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Hessen,<br />
das Saarland <strong>und</strong> seit 2008 auch Nordrhein-<br />
Westfalen ein solches Gesetz verabschiedet. In<br />
diesen Ländern steht das Drehbuch damit. Die<br />
Akteure in den Städten müssen jetzt sehen, wie<br />
sie zusätzlich zum kommunalen Engagement<br />
Akzente setzen können.
Demokratische Entscheidungen<br />
für das Quartier<br />
Manche Kritik wurde anfangs an dem Modell<br />
der BIDs geübt, weil mit der Entscheidung für<br />
diese Form der Aufwertung von Innenstädten<br />
eine Zwangsabgabe verb<strong>und</strong>en ist. Wenn eine<br />
qualifi zierte Mehrheit der Gewerbetreibenden<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümern für das BID stimmt,<br />
dann wird eine kommunale Sonderabgabe fällig,<br />
die mit der Gr<strong>und</strong>steuer erhoben wird. In<br />
der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass der<br />
Abstimmung ein breiter demokratischer Prozess<br />
vorausgeht, <strong>und</strong> es sich vom Wesen her eher<br />
um eine Selbstverpfl ichtung handelt. „Bei den<br />
bisher eingerichteten BIDs lag die Zustimmung<br />
bei über 90 Prozent“, erklärt Tine Fuchs, Referatsleiterin<br />
Stadtentwicklung, Planungsrecht,<br />
Bauleitplanung, nationale Verbraucherpolitik<br />
bei der Deutschen Industrie- <strong>und</strong> Handelskammer<br />
(DIHK). „Die Initiative geht von den Gewerbetreibenden<br />
aus, bringt alle örtlichen Player<br />
an einen Tisch <strong>und</strong> wird vor einer Abstimmung<br />
über einen längeren Zeitraum vorbereitet. Es<br />
gab in Wiesbaden <strong>und</strong> Kiel die Situation, dass<br />
der Versuch ein BID einzurichten scheiterte. Das<br />
ist Basisdemokratie, denn das Gelingen dieses<br />
Instruments der integrativen Stadtentwicklung<br />
hängt davon ab, alle Beteiligten in ein Boot<br />
zu bekommen. In Nordrhein-Westfalen wurde<br />
zunächst die Entscheidung getroffen, dass der<br />
BID-Ansatz auf dem Prinzip der Freiwilligkeit<br />
über Immobilien- <strong>und</strong> Standortgemeinschaften<br />
(ISG) realisiert werden sollte. Doch aufgr<strong>und</strong><br />
des Projektverlaufs forderten die ISGs sowie die<br />
IHKs sehr bald eine landesgesetzliche Gr<strong>und</strong>lage.“<br />
Warum BIDs von Vorteil sind<br />
Ein wichtiger Pluspunkt der BIDs besteht darin,<br />
dass alle beteiligt sind <strong>und</strong> gemeinsam von der<br />
Aufwertung eines Quartiers profi tieren. In der<br />
Regel gibt es bei PPP-Modellen sonst eine bestimmte<br />
Anzahl engagierter Unternehmer, die<br />
viel Zeit <strong>und</strong> Geld in ihre Stadt oder Gemeinde<br />
investieren. Und es gibt Nutznießer, die ohne<br />
eigenes Engagement an den Erfolgen partizipieren.<br />
Außerdem gibt der Zeitrahmen von fünf<br />
Jahren eine Planungssicherheit, dass die defi -<br />
nierten Projekte auch alle tatsächlich realisiert<br />
werden können. Wichtig ist jedoch, dass BIDs<br />
„On-Top-Leistungen“ sein müssen. Es darf nicht<br />
dazu kommen, dass klassische kommunale Aufgaben<br />
übernommen werden <strong>und</strong> die Verantwortung<br />
somit übertragen wird.<br />
Ausgezeichnete Ideen in Flensburg<br />
Da die ersten Erfahrungen aus realisierten Projekten<br />
jetzt vorliegen <strong>und</strong> das Interesse stetig<br />
wächst, hat der DIHK Ende Juni einen ersten<br />
BID-B<strong>und</strong>eskongress in Hamburg veranstaltet.<br />
Neben Fachvorträgen gab es zwei Foren, in denen<br />
sich zum einen Städte <strong>und</strong> Gemeinden mit<br />
„BIDs to come“ zum anderen die BIDs in den<br />
unterschiedlichen Phasen der Realisation austauschen<br />
konnten. Außerdem wurde der erste<br />
BID-Award verliehen. Der Sieger Flensburg<br />
überzeugte durch seinen ganzheitlichen Ansatz<br />
<strong>und</strong> die schnelle Umsetzung. Die gesetzlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen für diese BID-Initiative waren vom<br />
Land Schleswig-Holstein Mitte 2006 geschaffen<br />
worden. Daraufhin begann bereits im März<br />
2007 nach breiter Zustimmung der Gr<strong>und</strong>eigentümer<br />
der Umbau der gesamten Flensburger<br />
Innenstadt: Die Fußgängerzone erhielt<br />
beispielsweise eine Bepfl asterung mit Blindenleitsystem,<br />
einheitliche Straßenlaternen <strong>und</strong><br />
Pfl anztöpfe sowie barrierefreie Zugänge zu den<br />
Geschäften. Die Bauarbeiten erstreckten sich<br />
über zwei Jahre. Das BID in Flensburg hatte ein<br />
Finanzvolumen von vier Millionen Euro.<br />
BIDs beruhen klassischerweise auf privatem Engagement<br />
<strong>und</strong> benötigen keine fi nanzielle Förderung<br />
durch öffentliche Institutionen. Doch ist<br />
es durchaus üblich, dass staatliche Förderprogramme<br />
wie beispielsweise „Aktive Stadt- <strong>und</strong><br />
Ortsteilzentren“ eingeb<strong>und</strong>en werden, um die<br />
Handlungsspielräume zu erweitern.<br />
Ein Wettbewerb macht Karriere<br />
Eine wirksame Inszenierung der Innenstädte<br />
muss nicht immer mit städtebaulichen Maßnahmen<br />
verb<strong>und</strong>en sein. Seit 1999 gibt „Ab in<br />
die Mitte! Die City-Offensive NRW“ Motivation<br />
<strong>und</strong> fi nanzielle Mittel für eine “weiche”<br />
Standortbelebung. Im ersten Jahr waren zehn<br />
nordrhein-westfälische Städte angesprochen<br />
Top Thema | 11
Foto: Stadt Oldenburg<br />
Oldenburg inszeniert sich in diesem Jahr als „Stadt der Wissenschaft“ ...<br />
Foto: Stadt Oldenburg<br />
... <strong>und</strong> belebt verschiedene Plätze durch temporär angelegte Wissenschaftsgärten.<br />
12 | Top Thema<br />
worden, sich zu beteiligen. 2000 wurde „Ab<br />
in die Mitte!“ zum ersten Mal als Wettbewerb<br />
ausgeschrieben. Seitdem ist die positive Resonanz<br />
ungebrochen <strong>und</strong> es sind über die Jahre<br />
viele innovative Ideen auf den Weg gebracht<br />
worden, die eine Attraktivitätssteigerung von<br />
Innenstädten, Stadtteilzentren <strong>und</strong> Ortskernen<br />
erreicht haben. Mittlerweile wurde das Konzept<br />
von Berlin, Sachsen, Niedersachen <strong>und</strong> Hessen<br />
übernommen. Die Zielsetzung der Initiative ist<br />
es, in enger Zusammenarbeit der unterschiedlichen<br />
Initiativgruppen in Verantwortung der<br />
beteiligten Kommunen Attraktivität, Nutzungsvielfalt,<br />
Urbanität <strong>und</strong> Lebendigkeit der Innenstädte<br />
zu steigern. Im Mittelpunkt steht dabei<br />
die Verbindung von <strong>Freizeit</strong>gestaltung, Entertainment,<br />
Kommunikation <strong>und</strong> Kultur. Bei der<br />
Auswahl der Projekte geht es immer auch um<br />
die nachhaltige Wirkung der Maßnahmen. Die<br />
Förderung der Projekte wird durch eine PPP-<br />
Initiative realisiert.<br />
Stadt der Wissenschaft<br />
Dass auch eine gemeinsame Idee dabei helfen<br />
kann, wichtige Impulse für die Stadtentwicklung<br />
zu setzen, zeigt der Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“,<br />
der aktuell für 2011 vom Stifterverband<br />
für die Deutsche Wissenschaft ausgelobt<br />
worden ist. Ziel des bislang fünf Mal verliehenen<br />
Titels ist, Wissenschaft <strong>und</strong> Bildung in den<br />
Regionen sichtbar zu machen <strong>und</strong> zu stärken,<br />
<strong>und</strong> die Stadt als Akteur für die Stärkung der<br />
Wissenschaft zu mobilisieren. Die Menschen in<br />
der Region sollen für das Thema Wissenschaft<br />
begeistert werden. Der Jury kommt es auf Konzepte<br />
an, die neue Formen der Zusammenarbeit<br />
zwischen städtischen Akteuren, Unternehmen<br />
sowie Bildungs- <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen<br />
anstoßen. Die Städte erhalten die Möglichkeit,<br />
sowohl auf nationaler als auch auf internationaler<br />
Ebene, ihre Bekanntheit als Wissenschaftsstandort<br />
zu stärken. „Es hat sich gezeigt,<br />
dass einer „Stadt der Wissenschaft“ in der Regel<br />
ein Gesamtbudget zur Verfügung steht, das zwischen<br />
einer <strong>und</strong> eineinhalb Millionen Euro liegt.<br />
Das Preisgeld beträgt 250.000 Euro. Die Städte,<br />
als Vermittler <strong>und</strong> Leiter der Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Informationsprozesse, sind sehr erfolgreich<br />
darin, die beteiligten Wirtschaftsunternehmen<br />
auch als Sponsorpartner zu gewinnen. Dass bei<br />
der Planung in den Städten viel Motivation <strong>und</strong><br />
Enthusiasmus mit dabei ist, zeigt sich auch in<br />
der Höhe der zusätzlichen Förderung“, erklärt<br />
Andrea Frank, Programmleiterin Forschung <strong>und</strong><br />
Wissenschaftsdialog beim Stifterverband für<br />
die Deutsche Wissenschaft.<br />
Oldenburg – Die Übermorgenstadt<br />
Für das Jahr <strong>2009</strong> trägt Oldenburg den Titel<br />
„Stadt der Wissenschaft“. Die Stadt konnte<br />
sich mit einem sehr zukunftsorientierten Konzept<br />
unter dem Motto „Übermorgenstadt“ gegen<br />
konkurrierende Bewerber durchsetzen, die<br />
teilweise von einer viel breiteren Basis wissenschaftlicher<br />
Forschung in ihrer Region ausgehen<br />
konnten. Entscheidende Pluspunkte des<br />
Konzepts der Oldenburger waren zum einen<br />
gute Ideen, die Verankerung in der Bevölkerung<br />
<strong>und</strong> die Entwicklung einer Linie, bei der die<br />
Auszeichnung als Stadt der Wissenschaft nicht<br />
das Ende, sondern nur einen Punkt auf einem<br />
längeren Weg markiert. Unter den drei Schlüsselbegriffen<br />
„Talente“, „Toleranz“ <strong>und</strong> „Technologie“<br />
sind 16 Leitprojekte angesiedelt, die in<br />
diesem Jahr durch Aktionen <strong>und</strong> ungewöhnliche<br />
Ausblicke Wissenschaft in den Alltag einbeziehen.<br />
Ganz konkret haben solche Ideen auch
Einfl uss auf die Freiraumgestaltung. Dieses Jahr<br />
können die Bürger <strong>und</strong> Besucher von Oldenburg<br />
beispielsweise die Wissenschaftsgärten erleben.<br />
An verschiedenen Orten der Stadt sind Themengärten<br />
angelegt, die zum einen Wissenschaft<br />
visualisieren <strong>und</strong> zum anderen den Blick auf<br />
die Stadt ebenso verändern wie das Lebensgefühl.<br />
Außerdem können die Menschen an einer<br />
temporären Installation auf einem zentralen<br />
Platz viele interessante Details zum Energiebedarf<br />
der Stadt erfahren. Wie viel Strom wird in<br />
diesem Moment benötigt <strong>und</strong> wie hoch ist der<br />
Anteil der Windenergie bei der bereitgestellten<br />
Strommenge? Das führt die Menschen auf den<br />
Platz <strong>und</strong> sorgt für Diskussionsstoff: Auch das<br />
ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Stadt zur<br />
Bühne werden kann. (Detailinformationen zum<br />
Projekt: S. 30)<br />
Entscheidend: Der nachhaltige Nutzen<br />
Der Stifterverband legt schon in der Ausschreibung<br />
Wert darauf, dass die Ideen in der Stadt<br />
der Wissenschaft <strong>und</strong> der Region weiterwirken.<br />
Nach den ersten fünf Jahren der Durchführung<br />
mit den Preisträgern Bremen, Dresden, Braunschweig,<br />
Jena <strong>und</strong> eben Oldenburg wird derzeit<br />
an einer Evaluation gearbeitet, die aufzeigt,<br />
welchen langfristigen Nutzen das Engagement<br />
den Städten gebracht hat. Erste Ergebnisse<br />
wurden im Juni in Saarbrücken, bei einem<br />
Workshop zur neuen Ausschreibung vorgestellt.<br />
Es zeigt sich, dass der Wettbewerb in vielen<br />
Fällen als Impulsgeber diente <strong>und</strong> die neuen Allianzen<br />
der tatsächliche Gewinn der Städte war.<br />
Die Netzwerke, die im Rahmen der Bewerbung<br />
gebildet wurden, halten die Themen präsent<br />
<strong>und</strong> geben weitere Anregungen für die Zukunft.<br />
Davon profi tieren sogar vielfach Städte, die<br />
sich um den Preis beworben haben, aber nicht<br />
ausgezeichnet wurden. So hat beispielsweise<br />
die Stadt Rostock mit dem gegründeten Verein<br />
„Rostock denkt 365 Grad“ basierend auf dem<br />
Bewerbungskonzept ein eigenes Wissenschaftsjahr<br />
realisiert <strong>und</strong> wurde dafür aktuell mit dem<br />
Preis für bestes Standortmarketing ausgezeichnet.<br />
Auch die Städte Konstanz <strong>und</strong> Kreuzlingen<br />
haben ihr Konzept im Jahr <strong>2009</strong> umgesetzt <strong>und</strong><br />
machen sich für die Wahrnehmung der Region<br />
als Wissenschafts- <strong>und</strong> Bildungsstandort stark.<br />
Diese beiden Beispiele zeigen, dass der Prozess,<br />
der alleine durch die Bewerbung losgetreten<br />
wird, letztendlich wesentlich ist <strong>und</strong> unabhängig<br />
von der Fördersumme <strong>und</strong> der Auszeichnung<br />
einen wichtigen Wert darstellt.<br />
Andrea Frank weist auf weitere Nutzen für<br />
die „Stadt der Wissenschaft“ hin: „Neben den<br />
Netzwerken bleibt in vielen Städten nach dem<br />
Aktionszeitraum dauerhaft ein zentraler Anlaufpunkt,<br />
um den Dialog zwischen Wissenschaft,<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft fortzusetzen.<br />
Braunschweig <strong>und</strong> Bremen haben zum<br />
Beispiel ihr Haus der Wissenschaft bestens in<br />
die Stadtkultur integriert. Neben diesen Orten<br />
übernehmen die Städte auch die interessanten<br />
Formate der Wissenschaftsvermittlung für die<br />
Zukunft.“<br />
Bilderbogen im Internet<br />
Nach all diesen breit angelegten städtebaulichen<br />
Konzepten <strong>und</strong> durchdachten Maßnahmen<br />
ist es vielleicht inspirierend, kleinere gute<br />
<strong>und</strong> schlechte Beispiele aus dem täglichen<br />
Alltag nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei<br />
kann eine Website helfen, die eigentlich<br />
nicht an Stadt- oder Freiraumplaner adressiert<br />
ist. Das fotografi sche „Baukultur ABC“ (www.<br />
baukultur-abc.de) im Netz lenkt den Blick auf<br />
die Vielzahl der von Menschen für Menschen<br />
gestalteten Orte, Plätze <strong>und</strong> Landschaften in<br />
unseren Städten. Die Internetplattform visualisiert<br />
wie ein fotografi scher Bilderbogen die<br />
gestaltete Umwelt <strong>und</strong> versteht sich als Schritt<br />
zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die<br />
gebaute Umwelt – von der unterbewussten<br />
Wahrnehmung zur Bewussteren. Die Art der<br />
Präsentation hat Charme <strong>und</strong> lädt auch dazu<br />
ein, eigene Beispiele einzureichen.<br />
Viele Städte überzeugen derzeit in ihrer Rolle<br />
als „Bühnenbildner“ in eigener Sache. Ein guter<br />
Teil der jetzt sichtbaren Veränderungen, wurde<br />
jedoch in den wirtschaftlich glücklichen Zeiten<br />
in die Wege geleitet. Es bleibt zu hoffen, dass<br />
nicht zu viele der positiven Entwicklungen den<br />
dramatisch sinkenden Gewerbesteuereinnahmen<br />
zum Opfer fallen. Jede Bühne braucht ihr<br />
Budget. A.M.<br />
Hightech <strong>und</strong><br />
Heimatk<strong>und</strong>e<br />
Die Zusammenarbeit funktioniert,<br />
wenn umtriebige<br />
„Schnittstellenaktivisten“,<br />
Unternehmer <strong>und</strong> in alle Richtungen<br />
bewegliche Forscher<br />
zusammentreffen <strong>und</strong> neue<br />
Verbindungen eingehen. Das<br />
Buch zeigt, wie wichtig die<br />
regionale Verankerung von<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Hochschulen<br />
ist, die wechselseitig<br />
Problemlöser sein können.<br />
Im Mittelpunkt stehen jene<br />
Regionen, die man nicht ohne<br />
Weiteres als Innovationsschmieden<br />
auf der Rechnung<br />
hat: das Ruhrgebiet, die Städte<br />
der Wissenschaft Bremen,<br />
Oldenburg <strong>und</strong> Braunschweig,<br />
Deutschlands „forscher Osten“<br />
(Jena <strong>und</strong> Dresden), Berlin <strong>und</strong><br />
Brandenburg.<br />
Susanne Weiss –<br />
Hightech <strong>und</strong> Heimatk<strong>und</strong>e<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft<br />
in den Regionen<br />
Edition Stifterverband.<br />
Essen <strong>2009</strong><br />
176 Seiten.<br />
ISBN 978-3-922275-27-5<br />
24,90 Euro<br />
Top Thema | 13
Mehr Baukultur in deutschen Tourismus-<br />
Regionen durch Vernetzung:<br />
Nicht nur Experten sind sich darin einig, dass Deutschland in der<br />
Qualität seiner Hotellerie <strong>und</strong> Tourismusinfrastruktur keineswegs<br />
optimal dasteht. Und das betrifft ganz besonders die Architektur<br />
(innen <strong>und</strong> außen!) <strong>und</strong> nicht selten auch die städtebauliche Struktur<br />
ganzer Ortsteile. Das Meiste ist in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren des<br />
letzten Jahrh<strong>und</strong>erts relativ ungeplant gewachsen. Aus Dörfern wurden<br />
Kurorte, aus Pensionen durch Anbauten größere Hotels. Ergebnis<br />
war ein hässliches MischMasch. Akzeptable Planungen gezielt für<br />
den Tourismus blieben die Ausnahme.<br />
14 | Top Thema<br />
die Plattform<br />
tourismusarchitektur.de<br />
In den alpinen Nachbarländern ist gute <strong>und</strong><br />
innovative Tourismus-Architektur seit Jahren<br />
ein wichtiges Thema in Fachpolitik <strong>und</strong> Öffentlichkeit.<br />
1 Moderne Architektur zieht dort auch<br />
selbst immer mehr Touristen an! Es muss keineswegs<br />
immer ein spektakuläres Museum sein.<br />
Der sog. „Bilbao-Effekt“ (das Guggenheim-Museum<br />
in Bilbao katapultierte die bis dahin recht<br />
unbekannte Stadt in wenigen Jahren auf die<br />
touristische Landkarte der absoluten „Musts“)<br />
läuft sich langsam tot. Mit der Finanzkrise sind<br />
die fi nanziellen <strong>Spiel</strong>räume für spektakuläre<br />
Bauten ohnehin erst einmal geschlossen.<br />
Deutschland hat vielmehr in der „Alltagsarchitektur“<br />
seiner Tourismusorte Nachholbedarf.<br />
Hotels, Pensionen <strong>und</strong> Ortsbilder strahlen<br />
vor allem in Westdeutschland noch zu häufi g<br />
den baulichen „Charme“ der Boomzeiten des<br />
Deutschland-Tourismus in den 1970ern <strong>und</strong><br />
danach aus. Wie lange kann man sich hier auf<br />
das Stammpublikum verlassen, das Modernisierungs-Defi<br />
zite übersieht?
In Ostdeutschland ist nach der Wende viel in<br />
die touristische Infrastruktur investiert worden,<br />
so dass die neuen Länder heute teilweise besser<br />
dastehen.<br />
Insgesamt ist die gerade beginnende breite Diskussion<br />
über die Bedeutung von guter Architektur<br />
für den Erfolg von Tourismus-Orten längst<br />
überfällig.<br />
Denn „Architektur macht Gäste“, wie eine Studie<br />
in Österreich 2007 nachweisen konnte. 2<br />
Gute Architektur erhöht die Belegungs- <strong>und</strong><br />
Besucherzahlen <strong>und</strong> bringt mehr Umsatz, verbessert<br />
also die wirtschaftliche Situation der<br />
Betriebe <strong>und</strong> Orte. Diese Verbindung wird noch<br />
zu selten gesehen. Architekten planen <strong>und</strong> bauen,<br />
<strong>und</strong> Touristiker verfolgen ihr Geschäft. Das<br />
Zusammenspiel wird auch nicht gelehrt: sowohl<br />
in den Architektur-Ausbildungen als auch in<br />
den Hotel- <strong>und</strong> Tourismus-Studiengängen gibt<br />
es den Link zueinander äußerst selten. 3<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de will die<br />
Brücke schlagen zwischen den Fachgebieten<br />
Planung <strong>und</strong> Architektur einerseits <strong>und</strong> Tourismusmanagement<br />
andererseits.<br />
Wie sehen die Touristen Architektur?<br />
Es ist nachgewiesen, dass mit zunehmender<br />
Bildung die ästhetischen Ansprüche wachsen.<br />
Im Urlaub haben die Menschen Zeit, ihre Umwelt<br />
bzw. das Ambiente bewusst zu betrachten.<br />
Selbst wenn sie es nicht ausdrücklich artikulieren:<br />
eine zeitgemäße Ästhetik trägt für<br />
viele Gäste zum Wohlbefi nden bei. Das betrifft<br />
insbesondere die Angehörigen der höheren Einkommensgruppen,<br />
die für jede Tourismus-Destination<br />
zu den begehrten Gästen gehören, <strong>und</strong><br />
die jüngeren Gäste, die mit modernem Design<br />
aufgewachsen sind.<br />
Wir wissen allerdings recht wenig über Wahrnehmung<br />
<strong>und</strong> Präferenzen der Touristen in<br />
Bezug auf Architektur. Dieser Wissensmangel<br />
verleitet leider viele Bauherren dazu, in vermeintlich<br />
traditioneller Weise zu bauen, was<br />
dann häufi g in ein gebautes Klischee von „Gemütlichkeit“<br />
oder „regional typisch“ mündet.<br />
Während in den Städten zunehmend moderne<br />
Architektur verwirklicht wird, bleibt man<br />
in ländlichen Regionen – <strong>und</strong> aus ihnen besteht<br />
das touristische Angebot in Deutschland<br />
hauptsächlich - aus Ratlosigkeit lieber „konservativ“.<br />
Die Qualität eines Urlaubs oder eines Wochenendes<br />
in Deutschland hängt extrem von den<br />
Wetterbedingungen ab. In vielen Quartieren,<br />
seien es Privatvermieter <strong>und</strong> Pensionen oder<br />
Tourismus-Architektur hat viele Bausünden hevorgebracht.<br />
Hotels ist die Aufenthaltsqualität im Zimmer/<br />
Haus jedoch keineswegs optimal. In der Vergangenheit<br />
wurde das mit öffentlicher Infrastruktur<br />
(vor allem Bäder, Häuser des Gastes)<br />
relativ aufwändig zu kompensieren versucht.<br />
Inzwischen sind Wellness-Bereiche fast Standard,<br />
auch wenn sie in ihrer Qualität stark variieren.<br />
Das Zentrum des Urlaubs in einem Land ohne<br />
Sonnengarantie bleibt jedoch der private<br />
Wohnbereich. Gäste brauchen vermehrt ganz<br />
persönliche Rückzugsräume <strong>und</strong> wollen das<br />
Zusammensein mit anderen gezielt selektieren<br />
können. Das bevorzugte Ambiente unterscheidet<br />
sich nach Lebensstil-Gruppen, die ja immer<br />
auch Wohnkultur-Gruppen sind. Auf die<br />
unterschiedlichen ästhetischen Codes muss in<br />
Zukunft in der Hotellerie viel stärker Bezug genommen<br />
werden.<br />
Da ist in der Praxis viel Ratlosigkeit zu beobachten.<br />
Hier fehlt es an intelligenten Lösungen, die<br />
z. B. bei Renovierungen zum Einsatz kommen,<br />
ohne dass zuviel investiert werden muss. Privatvermieter<br />
<strong>und</strong> Betriebe im unteren Sterne-<br />
Bereich brauchen Hilfestellungen, wie sie mit<br />
kleiner Investition viel bewirken.<br />
Was tut die Plattform<br />
tourismusarchitektur.de konkret?<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de stößt<br />
Forschung zu Urlaubswohnbedürfnissen <strong>und</strong><br />
Architekturwahrnehmung von Touristen an <strong>und</strong><br />
gibt Investoren <strong>und</strong> Tourismus-Unternehmen<br />
Hinweise, wie sie ihr Angebot hinsichtlich der<br />
Architektur bedürfnisgerecht gestalten. Das betrifft<br />
nicht nur die Ästhetik, sondern auch die<br />
Funktionalität.<br />
Foto: fotolia.com<br />
Top Thema | 15
Foto: www.holzbox.at<br />
Aus Österreich stammen originelle Lösungen wie die Camparchitektur der Firma Holzbox.<br />
1 Österreich vergibt einen Tourismus-Architektur-<br />
Preis, in Tirol <strong>und</strong> Vorarlberg entstanden in den<br />
letzten Jahren innovative Tourismus-Bauten, in<br />
Südtirol gibt es einen Beirat für Tourismus-Architektur.<br />
Vorarlberg hat einen eigenen Tourismus-<br />
Führer zu neuer Architektur aufgelegt, in Tirol gibt<br />
es ihn seit Jahren. Südtirol veranstaltet regelmäßig<br />
einen Wettbewerb zu neuer alpiner Architektur.<br />
2 Hromas,B. , Architektur macht Gäste, in:<br />
Romeiß-Stracke,F. (Hrsg.) Tourismus Architektur.<br />
Baukultur als Erfolgsfaktor, Berlin 2008, S. 17-29<br />
3 Das Ergänzungsfach „<strong>Freizeit</strong> <strong>und</strong> Tourismuswissenschaft“<br />
in der Architekturfakultät der TU<br />
München, das die Autorin vertritt, ist hier eines der<br />
wenigen Angebote.<br />
16 | Top Thema<br />
Stadt- <strong>und</strong> Ortssanierung erfolgt heute selten<br />
explizit unter dem Gesichtspunkt des Tourismus,<br />
weil Planer diesen Bereich einfach nicht<br />
auf ihrer Festplatte haben. Tourismus-Fachleute<br />
vor Ort werden in der Regel erst gar nicht<br />
in den Planungsprozess einbezogen, aber es ist<br />
auch schwierig, weil sie eine andere Sprache<br />
sprechen. Vielerorts wäre eine besuchergerechte<br />
Umgestaltung von Fußgängerzonen <strong>und</strong><br />
Promenaden notwendig oder die Ordnung von<br />
Wege- <strong>und</strong> Blickbeziehungen sowie der Abriss<br />
<strong>und</strong> die Neugestaltung von Kur-Bezirken. Auch<br />
kommunale Sporthallen, Bäder, <strong>Spiel</strong>plätze<br />
brauchen häufi g ein „face-lifting“.<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de ist deshalb<br />
eine Anlaufstelle für alle überwiegend vom<br />
Tourismus lebenden Gemeinden, die sich ihrer<br />
städtebaulichen Defi zite bewusst sind <strong>und</strong> etwas<br />
dagegen tun wollen.<br />
Der Rückzug von Landwirtschaft <strong>und</strong> Industrie<br />
bietet in vielen schrumpfenden Regionen<br />
Deutschlands Chancen für <strong>Freizeit</strong>- <strong>und</strong> Tourismus-Nutzungen.<br />
Die Aufhebung der Trennung<br />
von Arbeit <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong> bzw. von Arbeitsort <strong>und</strong><br />
<strong>Freizeit</strong>ort (mobiles Arbeiten) bietet enorme<br />
Chancen. Zweitwohnsitze als Kreativ-Räume<br />
sind heute schon ein lukrativer Markt, werden<br />
in vielen Regionen jedoch immer noch mit großer<br />
Skepsis betrachtet (Angst vor „Überfremdung“).<br />
Vielfach wird hier relativ kurzsichtig<br />
operiert oder die betroffenen Kommunen sind<br />
in der Auswahl ihrer Partner schlecht beraten.<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de hilft,<br />
Partner zu fi nden, die baulich <strong>und</strong> ökonomisch<br />
tragfähige Modelle entwickeln können.<br />
Die Plattform tourismusarchitektur.de steht<br />
noch am Anfang <strong>und</strong> entwickelt sich ständig<br />
weiter. Geplant ist eine Datenbank von Best<br />
Practice-Beispielen <strong>und</strong> – weil es die Sicht auf<br />
die Probleme schärft – auch von Bad Practice<br />
Beispielen. In diesem Zusammenhang wird auch<br />
die Ausschreibung eines Preises für Tourismus-<br />
Architektur vorbereitet, wie es ihn in Österreich<br />
schon länger gibt.<br />
Die Plattform ist ein offenes Netzwerk – Partner,<br />
die sich für die Verbesserung der touristischen<br />
Baukultur in Deutschland einsetzen, sind<br />
jederzeit willkommen.<br />
Felizitas Romeiß-Stracke<br />
Prof. Dr. Felizitas Romeiß-Stracke<br />
Frau Romeiß-Stracke studierte Soziologie<br />
<strong>und</strong> im Postgraduate-Studium in England<br />
Urban Design.<br />
Von 1970 bis 1977 arbeitete sie als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin bzw. Sachgebietsleiterin<br />
in Stadtentwicklungsreferat<br />
<strong>und</strong> Sozialreferat der Landeshauptstadt<br />
München (<strong>Freizeit</strong>, Soziale Brennpunkte,<br />
Stadtsanierung).<br />
1977 -2007 leitete sie das „BSF-Büro für<br />
Sozial- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>forschung“, spezialisiert<br />
auf die Beratung von öffentlichen<br />
Institutionen <strong>und</strong> privaten Unternehmen<br />
in der <strong>Freizeit</strong>- <strong>und</strong> Tourismuswirtschaft<br />
(Entwicklung von Zukunfts-Strategien,<br />
Erfolgspfade für Destinationen <strong>und</strong><br />
innovative Infrastrukturen). Projekte in<br />
Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol<br />
<strong>und</strong> Norditalien.<br />
Seit 1990 ist Frau Romeiß-Stracke in der<br />
Lehre tätig: von 1990 bis 1999 im Fachbereich<br />
Tourismus an der FH München,<br />
2002 bis 2006 im Laureats-Studiengang<br />
Tourismus der Freien Universität Bozen,<br />
seit 2001 in der Architektur-Fakultät der<br />
Technischen Universität München.
Sind wir nicht alle ein bisschen<br />
urbanophil?<br />
Urban<br />
1. städtisch, die Stadt betreffend 2. weltläufi g, gebildet<br />
...phil<br />
Wortteil bei der Bildung von Adjektiven: ‚etwas zugeneigt, ...liebend‘<br />
“Urbanophil ist ein Netzwerk von Stadtplanern<br />
<strong>und</strong> Architekten, die sich gemeinsam auf die<br />
Suche nach Entwicklungen im Kontext des Urbanen<br />
begeben. Denn Städte begreifen wir als<br />
besondere Lebensräume, <strong>Spiel</strong>wiese, Nährboden<br />
für Ideen <strong>und</strong> Experimente - Pool unterschiedlichster<br />
Lebensgefühle.“ In Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema Stadt, ihrer baulichen Manifestation,<br />
aber auch den sich darin abspielenden<br />
Prozessen, entwickelten wir eine Leidenschaft<br />
für „das Urbane“. Eine Leidenschaft für die dort<br />
entstehenden kreativen Ideen, die besonderen<br />
Momente, die Vielfalt <strong>und</strong> die so unterschiedlichen,<br />
uns immer wieder inspirierenden Menschen.<br />
Wir wurden urbanophil.<br />
Um diesen vielfältigen Interessen <strong>und</strong> unserer<br />
Neugier Ausdruck zu verleihen, sie zu bündeln<br />
<strong>und</strong> zu kommunizieren, gründeten wir den<br />
Weblog urbanophil.net. Wir wollten Themen<br />
entdecken, Diskussionen führen <strong>und</strong> neue Ideen<br />
entwickeln. Denn gerade an den – zu den<br />
klassischen Disziplinen - angrenzenden Feldern<br />
<strong>und</strong> deren Schnittstellen, eröffnen sich neue<br />
Wege, die wir entdecken <strong>und</strong> begehen möchten.<br />
Eine gute Möglichkeit, um diese Ideen zu<br />
verwirklichen, bietet uns das Internet. Denn<br />
nirgends können wir schneller neue Themen<br />
fi nden, selbst publizieren <strong>und</strong> uns mit weiteren<br />
Aktiven vernetzen. Mit unserem kollektiven<br />
Weblog leisten wir redaktionelle Arbeit in den<br />
Bereichen Urbanismus, Architektur <strong>und</strong> urbane<br />
Kultur - <strong>und</strong> stellen damit sowohl eine Kommunikationsplattform,<br />
als auch ein Archiv einer<br />
wachsenden Leserschaft zur Verfügung. Und<br />
mit jedem Beitrag füllte sich unser Online-Archiv<br />
zu einer Sammlung von zur Zeit etwa 350<br />
Artikeln.<br />
Inspiriert durch die gemeinsame Begeisterung<br />
<strong>und</strong> positive Resonanz, entwickelten wir die<br />
Idee eines Film- <strong>und</strong> Diskussionsabends. Wir<br />
wollten unsere Idee aus der digitalen in die<br />
„echte“ Welt übertragen – <strong>und</strong> eine Veranstaltung<br />
etablieren, die das facettenreiche Angebot<br />
in Berlin erweitert. Mit unserer Filmreihe urbanoFILMS<br />
organisieren wir ein Abendprogramm,<br />
bei dem das Medium Film mit einer spannenden<br />
Podiumsdiskussion verb<strong>und</strong>en wird. Den Einstieg<br />
in das (stadtbezogene) Thema leistet dabei<br />
der Film, im späteren Verlauf diskutieren dann<br />
Experten <strong>und</strong> das Publikum. Neben dem Zusammenbringen<br />
von Interessierten ist es auch Ziel,<br />
besondere Orte in der Stadt kennen zu lernen.<br />
Daher bespielten wir bereits die tentstation,<br />
den Szeneladen Möbelfabrik <strong>und</strong> den Kult(ur)<br />
ort Gelegenheiten in Neukölln. Die Filmreihe<br />
setzte sich in unregelmäßigen Abständen fort<br />
<strong>und</strong> feiert bald ihr zweijähriges Bestehen.<br />
Top Thema | 17
18 | Top Thema<br />
Neben der Filmreihe sind wir in anderen Bereichen<br />
aktiv: So zeigen wir unsere Stadtliebe<br />
bei unserer Reihe von Stadtspaziergängen, den<br />
sogenannten urbanoTOURS, welche wir bei unterschiedlichsten<br />
Anlässen durchführten <strong>und</strong><br />
in deren Rahmen wir neue, unbekannte <strong>und</strong><br />
abseits liegende Orte erlaufen.<br />
Durch die vielfache Aktivität erweiterte sich das<br />
Netzwerk. Anfangs war urbanophil eine Gruppe<br />
von sechs Personen, welche dieselben Interessen<br />
verfolgten. Mittlerweile werden die urbano-<br />
FILMS von weiteren Mitstreitern mitorganisiert<br />
<strong>und</strong> für den Blog schreiben neue Autoren aus<br />
verschiedenen Städten (Dortm<strong>und</strong>, Amsterdam,<br />
Warschau). Einzelbeiträge von Gastautoren<br />
komplettieren das Bild (z.B. aus Mumbai).<br />
Ziel ist einerseits der Ausbau des Weblogs, die<br />
Weiterentwicklung der Reihe urbanoFILMS <strong>und</strong><br />
weitergehend der Austausch mit anderen urbanen<br />
Visionären. Denn wir wollen weitere Ideen<br />
abseits der klassischen Pfade entwickeln <strong>und</strong><br />
unsere Stadtliebe mit anderen teilen.<br />
Wir freuen uns auf eine spannende Zukunft!<br />
Galene Haun, Stefan Höffken<br />
Galene Haun ist bei urbanophil als<br />
Autorin <strong>und</strong> Organisatorin verschiedener<br />
Veranstaltungen tätig <strong>und</strong> für den Bereich<br />
Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sie studiert<br />
Stadt- <strong>und</strong> Regionalplanung an der<br />
TU Berlin <strong>und</strong> arbeitet als freie studentische<br />
Mitarbeiterin in der Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung.<br />
Stefan Höffken hat das Forum urbanophil<br />
gegründet <strong>und</strong> ist als Autor, Webmaster<br />
<strong>und</strong> Redakteur tätig. Der Diplom<br />
Ingenieur für Stadt- <strong>und</strong> Regionalplanung<br />
arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
an der TU Berlin. Mit digiphil.de betreibt<br />
er zudem einen Weblog, der sich mit dem<br />
Thema Stadtplanung <strong>und</strong> Digitalkultur<br />
auseinandersetzt.
Die Qualität urbaner Freiräume<br />
aus immobilienwirtschaftlicher Sicht<br />
Image- <strong>und</strong> Wertgewinn<br />
der Stadtquartiere durch Freiraumentwicklung<br />
Dass ein grünes Umfeld für Immobiliennutzungen<br />
eine besondere Qualität<br />
aufweisen kann, die wirtschaftliche<br />
Vorteile aufweist, ist nicht mehr nur die<br />
Meinung einiger „grüner“ Freiraumgestalter.<br />
Zunehmend wird auch von<br />
der Immobilienbranche erkannt, dass<br />
Grün- <strong>und</strong> Freiraumqualitäten ein die<br />
Immobilie <strong>und</strong> die Quartiere qualifi -<br />
zierendes Merkmal darstellen, das für<br />
Immobiliennutzer <strong>und</strong> -käufer eine<br />
große Bedeutung aufweist.<br />
Insbesondere für zahlungskräftige neue<br />
Urbaniten bzw. Bewohner der Innenstädte<br />
stellt das grüne Umfeld <strong>und</strong> die Erreichbarkeit<br />
von ansprechenden Erholungsfl ächen in den<br />
Wohnquartieren eine besondere Wichtigkeit<br />
dar. So stimmen z. B. 47,2 % der Befragten<br />
in einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik<br />
(Difu) in München der Aussage zu, dass<br />
mehr Grünfl ächen in der Wohnumgebung notwendig<br />
sind, um die Wohn- <strong>und</strong> Lebensqualität<br />
des Stadtteils zu verbessern. Damit liegt diese<br />
Antwortmöglichkeit auf Platz 2 der „Dringlichkeitsliste“.<br />
In einer weiteren, repräsentativen<br />
Befragung unter 2 000 Bürgern (über 14 Jahren)<br />
nach wichtigen Dingen für das Leben <strong>und</strong><br />
Wohnen in der Stadt kamen „gepfl egte Park-<br />
<strong>und</strong> Grünanlagen“ in der Innenstadt mit einer<br />
Zustimmungsquote von 71 % auf den ersten<br />
Platz. Damit rangieren sie vor der „Erreichbarkeit<br />
der Innenstadt“, den „<strong>Freizeit</strong>- <strong>und</strong> Kulturangeboten“<br />
<strong>und</strong> den Themen „Sicherheit“ <strong>und</strong><br />
„Sauberkeit“ etc..<br />
Die Immobilieneigentümer <strong>und</strong> die Projektentwickler<br />
achten zunehmend darauf, dass<br />
bei ihren Projekten die Grün- <strong>und</strong> Freifl ächen<br />
nicht mehr nur eine Alibi-Funktion im Sinne<br />
von „Abstandsgrün“ oder natürlich wirkendem<br />
Accessoire übernehmen. Ein Zusammenhang<br />
zwischen Immobilienwert <strong>und</strong> Erreichbarkeit<br />
schöner <strong>und</strong> interessanter Frei- <strong>und</strong> Grünfl ächen<br />
lässt sich nachweisen. Es ist z. B. auffällig,<br />
dass die Bauträger <strong>und</strong> Entwickler im Rahmen<br />
der Projektentwicklungsschritte von Bauprojekten<br />
häufi g den „Stadtpark“ inmitten des<br />
Projektgebiets bereits recht frühzeitig anlegen<br />
lassen, um den neuen Bewohnern zu signalisieren,<br />
dass bereits erste Qualitäten Einzug in<br />
das Baugebiet gehalten haben. Dies wird insbesondere<br />
aus der Perspektive des Marketings als<br />
wichtiger Schritt angesehen.<br />
Top Thema | 19
Foto: fotolia.com<br />
Foto: fotolia.com<br />
Gestaltung urbaner Freiräume<br />
Eine Vielzahl interessanter Beiträge zur Gestaltung urbaner Freiräume bietet die<br />
folgende Publikation: Werkstatt: Praxis Heft 61, Hrsg.: BMVBS/BBR, Bonn 2008.<br />
Sie zeigen, dass es einer integrierten Planung bedarf, um Freiräume für Jung <strong>und</strong><br />
Alt zu schaffen: nötig ist ein offener Prozess, der schon bei der Programmfi ndung<br />
beginnt, eine umfassende Vermittlung an alle Nutzer, eine qualitätvolle bauliche<br />
Lösung. Da die öffentliche Hand nicht mehr in der Lage ist, all diesen Anforderungen<br />
nachzukommen, stellt sich immer wieder die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />
des Um- <strong>und</strong> Ausbaus <strong>und</strong> der Unterhaltung. Hier ist eine Aktivierung <strong>und</strong><br />
Beteiligung aller Quartiersakteure, junger <strong>und</strong> alter Bewohner ebenso wie der<br />
Gewerbetreibenden nötig. In der Ausgabe von Werstatt: Praxis werden neue Ideen<br />
<strong>und</strong> neue Partnerschaften aufgezeigt, die solche sozialen <strong>und</strong> räumlichen Gestaltungsprozesse<br />
in Gang zu setzen. Das Heft ist vergriffen, kann von der Website<br />
des B<strong>und</strong>esamts für Bauwesen <strong>und</strong> Raumordnung (BBR) als Download bezogen<br />
werden: http://www.bbsr.b<strong>und</strong>.de<br />
Der Beitrag „Image- <strong>und</strong> Wertgewinn der Stadtquartiere durch Freiraumentwicklung“<br />
von Prof. Dr. Guido Spars ist in dieser Publikation erstmals erschienen <strong>und</strong><br />
wurde der FreeLounge vom BBSR fre<strong>und</strong>licherweise zur Verfügung gestellt.<br />
20 | Top Thema<br />
Freiräume als Basis für Kreativität<br />
<strong>und</strong> Identität<br />
Bei dem Bedeutungszuwachs von Grün- <strong>und</strong><br />
Freifl ächen geht es jedoch nicht nur um Marketingargumente.<br />
Es wird immer deutlicher, dass<br />
eine wachsende Gruppe der potenziellen neuen<br />
Innenstadtbewohner Wert auf Erlebnis- <strong>und</strong><br />
Erholungsfl ächen in der Nähe ihrer Wohnquartiere<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungsarbeitsplätze legt.<br />
Insbesondere „neue“ Dienstleistungsbranchen<br />
wie z. B. die Medien- <strong>und</strong> Kreativbranche<br />
suchen ein qualitätvolles <strong>und</strong> spannungsreiches<br />
Umfeld, um kreativ <strong>und</strong> damit produktiv<br />
zu sein. Dies lässt sich ebenfalls für die neuen<br />
Standorte der Wissensökonomie in den Städten<br />
nachweisen. Will man diese Klientel als Nutzer<br />
oder Käufer eigener Immobilienprojekte gewinnen,<br />
so sollte man sich aus¬reichend Gedanken<br />
über diese Freiraumqualitäten machen.<br />
Der Anspruch, den die modernen Städter an<br />
die Freiräume stellen, steigt ebenfalls an. Freiräume<br />
sollten so gestaltet sein, dass es keine<br />
Ansätze für die Entstehung von Angsträumen<br />
mehr gibt. Ziel sollte es sein, sichere Räume<br />
mit guter, offener Gestaltung zu offerieren, die<br />
mit einer ausreichenden Vielfalt an Angeboten<br />
verb<strong>und</strong>en sind. Dazu gehören beispielsweise<br />
gastronomische Angebote <strong>und</strong> Angebote zur<br />
<strong>Freizeit</strong>nutzung. Auch die Einbindung von<br />
leichten bzw. temporären Bauten für öffentliche<br />
Events (z. B. Open-Air-Bühnen, Sportfl<br />
ächen, Angebote für Kinder, improvisierte<br />
Flächennutzungen unterschiedlicher Art) kann<br />
eine wichtige Ergänzung der Grün- <strong>und</strong> Freiraumgestaltung<br />
darstellen. Hierbei ist freilich<br />
aus der Perspektive der Nutzer <strong>und</strong> Eigentümer<br />
darauf zu achten, dass es nicht zu Konfl ikten<br />
mit der Wohnnutzung kommt.<br />
Eine erfolgreiche Gestaltung des Wohnumfeldes<br />
<strong>und</strong> der erreichbaren Grün- <strong>und</strong> Freifl ächen<br />
entfalten auch aus der Sicht der Wohnungs-<br />
<strong>und</strong> Immobilienwirtschaft soziale Qualitäten,<br />
die sich in einer steigenden Identifi kation der<br />
Bürger mit ihrem Quartier, in geringeren Fluktuationsraten,<br />
abnehmendem Vandalismus <strong>und</strong><br />
höherer Sicherheit der Anlagen zeigen.<br />
Ausstrahlungseffekte öffentlicher<br />
Freiräume<br />
Zudem haben Investitionen in das Wohnumfeld<br />
<strong>und</strong> die näheren Grün- <strong>und</strong> Freifl ächen so<br />
genannte Spillover- bzw. Ausstrahlungseffekte,<br />
die dazu führen können, dass andere Eigen tümer<br />
<strong>und</strong> Nutzer benachbarter Liegenschaften dem<br />
guten Beispiel folgen <strong>und</strong> ebenfalls Investitionen
in ihre Bestände vornehmen. Häufi g kann in<br />
(insbeson¬dere problematischen) Quartieren<br />
abwartendes Verhalten der Investoren festgestellt<br />
werden. Dieses strategische Verhalten<br />
lässt sich mithilfe des Begriffs des „Gefangenendilemmas“<br />
beschreiben. Letztlich führt<br />
das Warten auf das Investieren anderer zu<br />
einem Stillstand im Gebiet: Niemand will der<br />
erste sein, der „gegen den Strom“ <strong>und</strong> damit mit<br />
einem höheren Risiko zum Wohle der anderen<br />
investiert. Mit einer gut geplanten gemeinsamen<br />
Umfeld- <strong>und</strong> Freiraumstrategie kann eine<br />
derartige Handlungsblockade aufgebrochen<br />
<strong>und</strong> eine Negativentwicklung von Quartieren<br />
ins Gegenteil gedreht werden. Hierzu sind<br />
jedoch ein gutes Konzept, eine gemeinsame<br />
Überzeugung der Akteure <strong>und</strong> meist auch eine<br />
öffentliche Unterstützung vonnöten.<br />
Prof. Dr. Guido Spars<br />
Stadt- <strong>und</strong> Immobilienökonom, hat den<br />
Lehrstuhl „Ökonomie des Planens <strong>und</strong><br />
Bauens“ an der Bergischen Universität<br />
Wuppertal inne <strong>und</strong> arbeitet zu Themen<br />
an der Schnittstelle zwischen Raumplanung<br />
<strong>und</strong> Stadt- <strong>und</strong> Immobilienwirtschaft.<br />
Er ist Autor zahlreicher Bücher<br />
<strong>und</strong> Fachartikel, berufenes Mitglied der<br />
Deutschen Akademie für Städtebau <strong>und</strong><br />
Landesplanung, stellvertretender Studiengangleiter<br />
des REM/CPM-Masterstudienganges<br />
an der BU Wuppertal <strong>und</strong> Mitglied<br />
des wissenschaftlichen Beirats des Berliner<br />
Stadtforums der Senatorin für Stadtentwicklung.<br />
Neue Strategien zur erfolgreichen Entwicklung<br />
von Grün- <strong>und</strong> Freifl ächen können z. B. durch<br />
das erfolgreiche Branding bzw. Place-Making<br />
durch entsprechende Einrichtungen oder auch<br />
Happenings erfolgen. Die Fallstudie Mannheim<br />
zeigt hier mit der Pop-Akademie <strong>und</strong> dem<br />
Gründerzentrum „Musikpark Mannheim“ als<br />
Initiatoren/Inkubatoren eindrucksvoll, wie ein<br />
solches Place-Making vonstatten gehen kann.<br />
Aber auch die Aufwertung von Straßen <strong>und</strong><br />
öffentlichem Raum mithilfe des Shared-Space-<br />
Konzeptes in Bohmte zeigt einen interessanten<br />
Ansatz zur Gewinnung neuer Nutzungspotenziale<br />
von öffentlichen Räumen durch die Einbindung<br />
von Bürgern <strong>und</strong> ihren Interessen.<br />
Prof. Dr. Guido Spars<br />
Foto: fotolia.com<br />
Top Thema | 21
Entwicklung der Innenstädte<br />
Positionspapier der AKNW zur Nachverdichtung<br />
<strong>und</strong> Baulückenschließung<br />
22 | Top Thema<br />
Strukturelle Verbesserungen durch Baulückenschließung,<br />
Nachverdichtung <strong>und</strong><br />
Entwicklung von Konversionsfl ächen<br />
Baulücken stellen ein erhebliches Stadtentwicklungspotential<br />
dar. Dabei wird die Baulückenproblematik<br />
oft ausschließlich unter dem<br />
Blickwinkel der Erschließung einer klassischen<br />
Baulücke mit Wohnungsnutzung betrachtet.<br />
Neben der klassischen oder suboptimal<br />
genutzten Baulücke besteht ein besonderes<br />
Potential in der städtebaulichen Erneuerung<br />
größerer Arrondierungsfl ächen oder Nachverdichtungsfl<br />
ächen. Insgesamt sind hier die<br />
Chancen für Wohnumfeldverbesserungen oder<br />
Quartiersverbesserungen in innerstädtischen<br />
Lagen möglich. Es ist eine originäre kommunale<br />
Aufgabe, diese Potentiale zu identifi zieren <strong>und</strong><br />
ihre Entwicklung anzustoßen.<br />
Qualitative, wirtschaftliche <strong>und</strong><br />
umweltbezogene Vorteile der Nachverdichtung<br />
<strong>und</strong> Baulückenschließung<br />
Maßnahmen der Nachverdichtung <strong>und</strong> Baulückenschließungen<br />
bieten zahlreiche Vorteile<br />
für die Kommunen. Die Stadtgestaltung kann<br />
sich verbessern, weil sich mit dem kleinteiligen<br />
Eingreifen in innerstädtischen Strukturen<br />
Bausünden wie ungestaltete Garagenhöfe, Gewerbebrachen,<br />
untergenutzt Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong><br />
Baulücken gestalterisch aufarbeiten lassen <strong>und</strong><br />
die Gestaltqualität ganzer Stadtviertel gesteigert<br />
wird. Das Wohnumfeld wird verbessert. Mit<br />
der Nachverdichtung häufi g desolat genutzter<br />
Blockinnenbereiche lassen sich neben der<br />
Schaffung hochwertiger Wohnungen durchgrünte,<br />
von Parkplätzen <strong>und</strong> Schuppen befreite<br />
Lebensbereiche schaffen. Dem durch den de-<br />
mographischen Wandel verursachten Bevölkerungsrückgang<br />
kann durch qualitätvolle, innerstädtische<br />
Neubauangebote entgegnet werden,<br />
die Innenstädte werden mit altersgemischter<br />
Bevölkerung revitalisiert. Die städtebauliche<br />
Nachverdichtung reagiert zudem fl exibel auf<br />
die Angebotslücke in vielen Kommunen, mit<br />
der im innerstädtischen Geschosswohnungsbau<br />
gerechnet wird. Die Nachverdichtung <strong>und</strong><br />
Baulückenschließung bietet auch ökonomische<br />
Vorteile <strong>und</strong> fördern den lokalen Mittelstand.<br />
Nach einem aktuellen Kostenvergleich der<br />
Siedlungsentwicklung im Innen- <strong>und</strong> Außenbereich<br />
liegen die Baulandentwicklungskosten im<br />
Außenbereich je nach Vergleichsgröße bis zum<br />
25-fachen der Innenentwicklung (siehe Nr. 3).<br />
Kleinteilige quartierbezogene Projekte sind in<br />
der Regel ohne hohe Vorlaufkosten von mittelständischen<br />
Unternehmen realisierbar. Die<br />
vorhandene Infrastruktur wird weiter genutzt.<br />
In allen Nachverdichtungsgebieten wird das<br />
komplette Angebot an Infrastruktureinrichtungen<br />
mit Straßen <strong>und</strong> Wegen, Fernwärme, Gas,<br />
Wasser, Telekommunikation, Strom, Müllentsorgung,<br />
Abwasserbeseitigung etc. komplett<br />
vorgehalten, Neuinvestitionen sind nicht notwendig,<br />
durch die Intensivierung der Nutzung<br />
wird der Bestand erhalten, die Gebühren sinken.<br />
In allen Nachverdichtungsgebieten ist ein<br />
komplettes Angebot sozialer Infrastruktur mit<br />
Kindergärten, Schulen, Nahversorgung etc. vorhanden.<br />
Die Nutzung der in allen Nachverdichtungsgebieten<br />
vorgehaltenen umfangreichen<br />
Angebote des ÖPNV wird intensiviert, kostenträchtige<br />
Neuinvestitionen im Außenbereich<br />
entfallen. Unbestritten sind die ökologischen<br />
Vorteile. Die in den Stadtbereichen vorgehaltenen<br />
Nachverdichtungsfl ächen <strong>und</strong> Baulücken<br />
können den gesamten Zusatzbedarf an Wohn-<br />
<strong>und</strong> Nutzfl ächen ohne zusätzlichen Flächenverbrauch<br />
decken. Die Bebauung von Baulücken in<br />
Innenstadtgebieten mit geschlossener Bauweise<br />
ist oft energieneutral, da die zusätzlichen
Außenfl ächen weniger Energieverluste als die<br />
freistehenden Brandwände aufweisen. Innerstädtische<br />
Wohnformen vermeiden zudem Verkehr.<br />
Ein Beispiel: Ein Stadtquartier mit 400<br />
WE im Außenbereich produziert bei nur einer<br />
Hin- <strong>und</strong> Rückfahrt von 10 km je WE <strong>und</strong> Tag<br />
r<strong>und</strong> 2,5 Mio. zusätzlicher Kilometer im Jahr<br />
mit dem entsprechenden CO2-Ausstoss. Die<br />
Innenentwicklung unserer Städte sollte daher<br />
eine Pfl ichtaufgabe jeder Kommune sein, um<br />
hochwertigen, preiswerten Wohnraum bereitzustellen.<br />
Konkreter Kostenvergleich: Innenentwicklung<br />
gegenüber Außenentwicklung<br />
Im Auftrag der AKNW hat das Büro Drees <strong>und</strong><br />
Huesmann anhand vergleichbarer Innen- <strong>und</strong><br />
Außenentwicklungsplanungen konkret nachgewiesen,<br />
um welchen Betrag Innenentwicklung<br />
günstiger sein kann als Außenentwicklung.<br />
Der Vergleich behandelte eine Nachverdichtungsfl<br />
äche, die ohne erheblichen Infrastruktur-aufwand<br />
auskommt. In dem Areal sind<br />
14 Baulücken als sofort bebaubar eingestuft.<br />
Fünf Flächen sind in den Blockinnen- bzw.<br />
Randbereichen nach einer Neuordnung bebaubar.<br />
Zwei Flächen sind als Freibereiche mit einer<br />
Blockrandbebauung als Ergänzung zu nutzen.<br />
Insgesamt sollten 463 neue Geschosswohnungen<br />
entstehen. Als Beispiel für die Außenentwicklung<br />
wurde eine Neubausiedlung gewählt,<br />
in der 417 neue Wohnungen entstehen sollten,<br />
hiervon 90 % ebenfalls als Mehrfamilienhäuser.<br />
Verglichen wurden die Kosten für - Gr<strong>und</strong>erwerb<br />
(allgemein, nicht refi nanzierbarer Anteil als verbleibende<br />
Fläche bei der Kommune, Bereich mit<br />
Erbauzins), - Planungskosten / Fachgutachten<br />
einschließlich Gebühren / Vermessung - Bürgschaften<br />
für Erschließungsanlagen <strong>und</strong> Kosten<br />
Altlastensanierung - Erschließungsanlagen<br />
(Verkehrsfl ächen, Trinkwasser, Schmutzwasserkanal,<br />
Oberfl ächenentwässerung, Zusätzlicher<br />
Ausbau, Gasnetz, Elektrizitätsversorgung) -<br />
Straßenerschließung (Gr<strong>und</strong>stückskosten allgemein,<br />
kommunaler Anteil der Straßener-schließung,<br />
Sonstige Wegeerschließung) - Errichtung<br />
öffentliche Infrastrukturen für Beleuchtung<br />
<strong>und</strong> Telekommunikation - Erwerb von Kompensationsfl<br />
ächen - ÖPNV-Anbindung - Ausbau<br />
<strong>und</strong> Betriebskosten eines Kindergartens, Schulversorgung,<br />
(v. a. Gr<strong>und</strong>schule) <strong>und</strong> weiterer<br />
Gemeinbedarfseinrichtungen - Unterhaltung<br />
der Straßen, Grünfl ächen <strong>und</strong> öffentlicher Infrastrukturen:<br />
Zu besseren Vergleichbarkeit wurden die Kostenpositionen<br />
auf verschiedene Maßgrößen<br />
bezogen. Die Kosten für die Außenentwicklungsfl<br />
äche betrugen 410.408 EUR/ha Brutto-<br />
Baufl äche (980.805 EUR/ha Nettobauland), bei<br />
der Innenentwicklungsfl äche 215.000 EUR/ha<br />
Brutto-Baufl äche (329.667 EUR/ha Nettobauland).<br />
Noch drastischer fällt der Vergleich aus,<br />
wenn die Kosten auf die Wohneinheiten bezogen<br />
werden. Dann stehen 26.008 EUR/WE bei<br />
der Außenbereichsentwicklung lediglich 1.068<br />
EUR/WE für die Innenbereichsentwicklung gegenüber.<br />
Tabelle: Ergebnis einer Vergleichsrechnung<br />
Kostenkriterium Außenentwicklungsfl<br />
äche<br />
1) Selbst wenn die Gr<strong>und</strong>erwerbskosten für die Blockinnenbereiche <strong>und</strong> Freifl ächen mit<br />
einem Neuordnungsbedarf einbezogen werden, beläuft sich die Innenentwicklung nur<br />
auf 5.928 EUR/WE. Dies ist eine Folge des hohen Richtwertes für die zu erwerbenden<br />
Gr<strong>und</strong>stücksfl ächen in der Innenstadtlage.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Innenentwicklung der<br />
Außenentwicklung kostenmäßig deutlich überlegen.<br />
Auch wenn der Kostenvergleich nur für<br />
einen Einzelfall ermittelt wurde, wird es in<br />
anderen Fällen zu vergleichbaren Ergebnissen<br />
kommen, wenn eine Kommune ihre eigenen<br />
spezifi schen Daten zugr<strong>und</strong>e legt.<br />
Baulückenkataster<br />
Es ist von besonderer Bedeutung, vorhandene<br />
Baulücken identifi zieren zu können. Nach einer<br />
Studie der Universität Bonn verfügen 40 % der<br />
befragten Gemeinden über ein Baulückenkataster,<br />
bei den Großstädten sind es sogar 75 %.<br />
Diejenigen Kommunen, die noch kein Baulückenkataster<br />
erstellt haben, werden hierzu aufgefordert.<br />
Gleiches trifft auf Kommunen zu, die<br />
zwar ein Baukückenkataster besitzen, dieses<br />
aber nicht mehr pfl egen. Nach der vom Land fi -<br />
nanzierten Studie der Universität Bonn werden<br />
immerhin ca. 78.500 Baulücken für NRW mit<br />
einer Gesamtfl äche von 7.100 ha geschätzt.<br />
Das Baulückenkataster muss zusätzlich auch<br />
f<strong>und</strong>ierte Aussagen zur Bebaubarkeit der<br />
Baulücke treffen können. Dabei darf die Bau-<br />
Innenentwicklungsfl<br />
äche<br />
EURO/ha Bruttobauland 14.0408 215.000<br />
EURO/ha Nettobauland 980.805 329.667<br />
EURO/WE 26.008 1.068<br />
EURO/WE1 26.008 2.9281 Top Thema | 23
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24 | Top Thema<br />
lückenproblematik nicht ausschließlich unter<br />
dem Blickwinkel der Wohnungsnutzung<br />
betrachtet werden. Neben der Wohnraumnutzung<br />
muss immer wieder auch<br />
eine andere mögliche Nutzung im Einzelfall<br />
betrachtet werden. Im Einzelfall können dies<br />
auch adäquate Zwischennutzungen sein.<br />
Kommunale Baulückenberatung<br />
Neben der für die Kommune wichtigen kommunalwirtschaftlichen<br />
Betrachtung (siehe Nr. 3) ist<br />
für die Einzelentscheidung eines Besitzers oder<br />
eines potenziellen Bauherrn einer Baulücke immer<br />
die eigenwirtschaftliche Betrachtung von<br />
Bedeutung. Nach Vorbild früherer Beratungsleistungen<br />
bei der Stadt Köln sollten Bauherrenberater<br />
aufgr<strong>und</strong> einfacher Parameter<br />
(ungefähre Nutzfl äche, ungefährer umbauter<br />
Raum) einen Kostenrahmen nennen, aus denen<br />
sich die monatlichen Belastungen für Kapitalkosten,<br />
Instandhaltungsrückstellungen, Verwaltungsgebühren<br />
usw. ergeben. Dem gegenüber<br />
stehen im Mietwohnungsbau Mieteinnahmen,<br />
Steuererstattungen, Zuschüsse usw. Damit lässt<br />
sich leicht die Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />
darstellen. Hinzu kommen immaterielle Vorteile<br />
der Lebens- <strong>und</strong> Wohnqualität <strong>und</strong> in der Regel<br />
nicht bezifferbare Einsparungen für den Individualverkehr.<br />
Baulückenberatung lohnt sich für<br />
die Kommune: Aus Untersuchungen der Stadt<br />
Köln ergeben sich Kosten für Beratungsleistungen<br />
von ca. 230 bis 400 EUR pro Wohneinheit.<br />
Solche Beratungsleistungen könnten aus Mitteln<br />
der Städtebauförderung fi nanziert werden<br />
<strong>und</strong> mit kommunalem Personal organisiert oder<br />
an freischaffende Büros vergeben werden. Mit<br />
diesen Beratungsaufwendungen könnten vielfach<br />
Bauherren davon überzeugt werden, in ein<br />
innerstädtisches Projekt zu investieren statt auf<br />
die grüne Wiese zu ziehen. Gerade im Vergleich<br />
zu den unter Nr. 3 ermittelten kommunalen<br />
Kosten von ca. 26.000 EUR/WE für Außenentwicklungen<br />
sind ca. 400 EUR/WE für diese<br />
Überzeugungsarbeit gut investiertes Geld. Die<br />
unmittelbaren fi nanziellen Vorteile der Baulückenschließung<br />
für die Kommune überwiegen<br />
bei weitem die entstehenden Kosten für eine<br />
Baulückenberatung.<br />
Nachverdichtung <strong>und</strong> Baulückenschließung<br />
als originäre Aufgabe für<br />
Architekten<br />
Gerade die Nachverdichtung <strong>und</strong> Baulückenschließung<br />
sind komplexe, langwierige<br />
<strong>und</strong> komplizierte Angelegenheiten. Wegen der<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Probleme sind sie für Bauträger<br />
oder renditeorientierte Investoren kaum<br />
von Interesse. Insoweit stellen gerade solche<br />
Projekte ein besonderes Tätigkeitsfeld für Architekten<br />
dar, die mit den besonderen Problemlagen<br />
sehr viel besser umgehen können.<br />
Unterstützung durch das Land NRW<br />
Das Land wird in seiner Politik bestärkt, die<br />
Innenentwicklung der Kommunen vor die Außenentwicklung<br />
zu stellen. Dabei muss aber<br />
ergänzend in besonderer Weise für Nachverdichtung<br />
<strong>und</strong> Baulückenschließung geworben<br />
werden. Das Land sollte daher die Kommunen<br />
durch Anschubfi nanzierung oder aus den Mitteln<br />
der Städtebauförderung fi nanziell un-terstützen,<br />
wenn sie eine besondere Bauherrenberatung<br />
für die Baulückenproblematik anbieten.<br />
Den Kommunen, die unter Haushaltssicherung<br />
stehen, muss es gestattet werden, zusätzliche<br />
Aufwendungen für dieses aktive Angebot zu<br />
betreiben.<br />
Düsseldorf, Januar <strong>2009</strong>
Neuinszenierung in Bayreuth<br />
Von Inszenierungen verstehen die Bayreuther ja Einiges. Schließlich ist die<br />
Stadt seit 1876 Schauplatz der Wagner-Festspiele. Seit 1888 haben sich die<br />
Bayreuther Festspiele im kulturellen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Leben Europas<br />
fest etabliert. Heute ist Bayreuth mit 74.000 Einwohnern die größte Stadt<br />
Oberfrankens <strong>und</strong> sieht sich den gleichen kommunalen Problemen gegenüber<br />
wie andere Städte auch. Eine zentrale Frage lautet: Wie lässt sich die Attraktivität<br />
der Innenstadt steigern?<br />
Schon vor einigen Jahren hat der Stadtrat beschlossen,<br />
einen Ideen- <strong>und</strong> Realisierungswettbewerbes<br />
zur Umgestaltung der Bayreuther<br />
Innenstadt auszuschreiben, um die Maximilianstraße<br />
zukunftsgemäß in Szene zu setzen.<br />
Die Zielsetzung aus diesem Wettbewerb war es,<br />
eine attraktive, frequenzbringende, vitale Weiterentwicklung<br />
der Innenstadt zu erreichen.<br />
Durch architektonisch-städtebauliche Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> durch Marketing-Ideen sollte die<br />
Innenstadt eine Aufwertung des Erscheinungsbildes<br />
<strong>und</strong> der Aufenthaltsqualität erfahren. Als<br />
1. Preisträger gingen die Münchner Architekten<br />
Hirner & Riehl aus dem Wettbewerb hervor.<br />
Drei Elemente: Grün. Wasser. Licht<br />
Das Konzept des Architektenteams baut auf die<br />
Gr<strong>und</strong>elemente: Grün, Wasser <strong>und</strong> Licht. Vom<br />
Ehrenhof bis zum Beginn des so genannten<br />
Stadtparketts zieht sich eine Baumreihe auf der<br />
nördlichen Seite Marktplatzes hin. Dort geht sie<br />
in einen großen Schirm von dicht gepfl anzten<br />
Bäumen über. Am Neptunbrunnen wechselt die<br />
Baumreihe auf die Südseite.<br />
Vom Bereich des großen Baumschirms zurück<br />
bis zum Ehrenhof zieht sich ein Wasserlauf.<br />
Einen solchen gab es in der Maximilianstraße<br />
eigentlich nie, sieht man von einem künstlich<br />
eingeleiteten Bach zur Spülung der Kanalisation<br />
ab, der im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert existierte.<br />
Ursprünglich waren die Stadtbrunnen der Mittelpunkt<br />
der Straße. Im Zuge der Verkehrsentwicklung<br />
der 1960er Jahre wurden sie an den<br />
Straßenrand versetzt. Der Verkehr fl oss noch bis<br />
in die 1970er Jahre vierspurig durch die Innenstadt.<br />
Erst Ende des Jahrzehnts wurde die Straße<br />
verkehrsberuhigt. Heute werden die Brunnen<br />
wieder in die Mitte der Straße zurückverlegt<br />
<strong>und</strong> durch einem Wasserlauf miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />
Die Linie von Brunnen <strong>und</strong> Wasserlauf<br />
schafft eine neue Gliederung <strong>und</strong> folgt dem<br />
Schwung der Bebauung wie ein Rückgrat – eine<br />
der Gr<strong>und</strong>ideen der Architekten. Die Wasserlinie<br />
als verbindendes Element zwischen den historischen<br />
Brunnen wird nachts indirekt mit LEDs<br />
beleuchtet <strong>und</strong> bildet die Bestuhlungsgrenze<br />
der Gastronomie. Sieben 150 cm breite Brücken<br />
queren den Wasserlauf.<br />
Was wäre Wasser ohne <strong>Spiel</strong>möglichkeiten? So<br />
gibt es einen Wasserspielplatz mit Archimedischer<br />
Schraube, Sprudel, Schleuse zum Aufstauen,<br />
Inselsteinen <strong>und</strong> Sitzbänken. Unweit<br />
davon lädt ein Klangspielplatz mit Meeresrauschen<br />
<strong>und</strong> einem Tanzglockenspiel zum Experimentieren<br />
mit Klängen ein.<br />
Mehr Leben auf dem Markt<br />
Der Viktualienmarkt zieht auf das Stadtparkett<br />
um <strong>und</strong> erhält eine Erweiterungsfl äche. Die<br />
Wagen <strong>und</strong> Stände werden dabei in Gruppen<br />
angeordnet. Jeder Gruppe erhält eine Strom-<br />
<strong>und</strong> Wasserversorgung aus einem versenkbaren<br />
Poller. Für Veranstaltungen wie Pop-Konzerte,<br />
K<strong>und</strong>gebungen oder Public Viewing sind vier<br />
temporäre Großschirme auf dem Stadtparkett<br />
mit einer überdachten Fläche von jeweils 8 x 8<br />
Metern geplant, deren Entwässerung über die<br />
Mittelsäule erfolgt. Insgesamt steht damit eine<br />
überdachte Fläche von 256 Quadratmetern bei<br />
einer lichten Raumhöhe von 4 - 4,5m zur Verfügung<br />
– Platz genug für bis zu 300 Besucher.<br />
Die Schirme sind leicht auf- <strong>und</strong> abzubauen<br />
<strong>und</strong> können auch für klassische Konzerte auf<br />
dem Ehrenhof genutzt werden.<br />
Fiat Lux!<br />
Die Lichtplanung der Bayreuther Innenstadt<br />
übernahm das Münchner Büro Werning Day &<br />
Light. Neu an dem Konzept sind zwei Reihen<br />
von Lichtstelen, die sehr variabel eingesetzt<br />
werden können. Neben ihrer eigentlichen Funktion<br />
lassen sie sich zur selektiven Fassadenanstrahlung,<br />
als Akzentbeleuchtung von Straßenecken<br />
<strong>und</strong> Stadtparkett, zur Baumanstrahlung<br />
Top Thema | 25
Foto: Stadt Bayreuth<br />
Foto: hirner & riehl architekten<br />
26 | Top Thema<br />
<strong>und</strong> Beleuchtung des Baumschirms sowie zur<br />
Beleuchtung des Wasserlaufs <strong>und</strong> der Brunnen<br />
<strong>und</strong> schließlich zur Beleuchtung der Großschirme<br />
auf dem Stadtparkett nutzen.<br />
Mit diesem Konzept wird das Bemühen unterstützt,<br />
im Rahmen des Programms Soziale Stadt<br />
das soziale Gefüge wieder ins Lot zu bringen.<br />
Dazu gehören Änderungen der gesellschaftlichen<br />
<strong>und</strong> sozialen Situation <strong>und</strong> auch der<br />
baulichen Situation – hier die Schaffung einer<br />
wohligeren Atmosphäre durch ein ausgeklügeltes<br />
Lichtkonzept. Man geht weg vom möglichen<br />
Angstraum, der oft mit einem Wechsel<br />
von sehr hellen <strong>und</strong> dunklen Stellen verb<strong>und</strong>en<br />
ist. Es wird ein freier Platz, dessen Dimensionen<br />
auch nachts überblickt werden können. Immer<br />
wieder gibt es eine beleuchtete Fassade, die<br />
die Grenzen des Platzes aufzeigt. Für sehbehinderte<br />
<strong>und</strong> blinde Besucher <strong>und</strong> Bürger wird<br />
auf beiden Seiten des Platzes eine Blindenspur<br />
eingerichtet, die sich durch ihre Gestaltung gut<br />
ertasten lässt.<br />
Bei der Stadtmöblierung setzt Bayreuth auf<br />
Vandalismussicherheit – soweit es das überhaupt<br />
geben kann. Alle Stadtmöbel basieren<br />
auf Betonwürfeln, die beispielsweise mit Sitzfl<br />
ächen aus Holz <strong>und</strong> Abfallbehältern aus hochwertigem<br />
Edelstahl ausgestattet werden. Das<br />
gilt auch für die Informationsstelen.<br />
Planung mit breiter Beteiligung<br />
Großen Wert haben Rat <strong>und</strong> Verwaltung bei<br />
dem gesamten Projekt auf die Beteiligung<br />
von Bürgern, Händlern <strong>und</strong> Gastwirten gelegt.<br />
Nach Vorstellung der Vorschläge des 1. Preisträgers<br />
zur gestalterischen Verbesserung des<br />
Marktplatzes wurde 2004 die Verwaltung mit<br />
der Ausarbeitung einer Gestaltungssatzung für<br />
eine Stadtmöblierung/Schirmsystem beauftragt.<br />
Von 2005 bis 2007 konkretisierten die<br />
Preisträger die Planung Schritt für Schritt bis<br />
zur Ausführungsplanung, während eine verwaltungsinterne<br />
Arbeitsgruppe die Gr<strong>und</strong>lagen<br />
einer „Gestaltungssatzung Innenstadt“ erarbeitete.<br />
2007 wurde mit der Aktion Aufschwung<br />
Innenstadt ein Beteiligungsprozess angestoßen,<br />
um möglichst alle Beteiligten aktiv einzubeziehen.<br />
Projektgruppen entwickelten gemeinsam<br />
Leitprojekte <strong>und</strong> stimmten sie auf vorhandene<br />
Planungen ab. Im November desselben Jahres<br />
konnten die Ergebnisse vorgestellt werden. Der<br />
Stadtrat beschloss, die Projekte im Rahmen der<br />
Gestaltungsplanungen für die Innenstadt auf<br />
Umsetzung/Integration zu prüfen. Die „Aufschwung<br />
Innenstadt“-Projekte: Einheitliches<br />
Stadtmobiliar <strong>und</strong> Gestaltungsrichtlinien wur-<br />
den verwaltungsintern abgestimmt <strong>und</strong> sind in<br />
die Ausführungsplanung des Architekturbüros<br />
Hirner & Riehl eingefl ossen.<br />
Umfassende Informationen<br />
Am 22.07 2008 wurde das Konzept auf einer<br />
Informationsveranstaltung dem Einzelhandel,<br />
der Gastronomie <strong>und</strong> den Immobilieneigentümern<br />
vorgestellt. Es informierten sich insgesamt<br />
116 Besucher, davon 47 Einzelhändler, 16<br />
Gastronomen <strong>und</strong> 41 Immobilieneigentümer.<br />
Die einzelnen Maßnahmen <strong>und</strong> Bauabschnitte<br />
wurden vorgestellt In 5 Bauabschnitten werden<br />
die Arbeiten bis 2011 durchgeführt. Um<br />
eine einheitliche Gestaltung nicht in ein buntes<br />
Chaos von Werbung ausarten zu lassen, gibt es<br />
eine Gestaltungsrichtlinie<br />
Es bleibt bei einigen Beteiligten – oder wie<br />
sie selbst sich sehen - Betroffnen immer noch<br />
Skepsis darüber, ob ihnen während der Umbauarbeiten<br />
nicht unzumutbare Härten entstehen.<br />
Aber auch hier ist die Stadt behutsam<br />
<strong>und</strong> gesprächsbereit. So wurde die Sondernutzung<br />
zwar aufgehoben, man drückt aber<br />
ein Auge zu. Ein Umbaubüro in direkter Nähe<br />
steht als Anlaufstelle zur Verfügung. Derzeit<br />
ist ohnehin noch nicht viel von großfl ächigen<br />
Baumaßnahmen zu sehen, da zunächst Wasser-<br />
<strong>und</strong> Gashauptleitungen erneuert <strong>und</strong> eine<br />
Brauchwasserleitung für die Brunnen <strong>und</strong> den<br />
Bachlauf installiert werden. Bei der Gelegenheit<br />
werden auch sämtliche Kabel <strong>und</strong> wesentliche<br />
Teilstücke der Abwasserleitungen erneuert. Mit<br />
Baustellenfesten <strong>und</strong> Werbemaßnahmen unterstützt<br />
die Stadt in dieser Phase die Händler<br />
<strong>und</strong> Wirte.<br />
Bayreuth <strong>und</strong> seine Markgräfi n<br />
Während die Umbauarbeiten auf der Maximilianstraße<br />
noch in der Aufwärmphase sind,<br />
macht die Stadt bereits jetzt mit einer temporären<br />
Inszenierung von sich reden. Immerhin<br />
feiert man den 300. Geburtstag der Markgräfi<br />
n. Um genauer zu sein, den von Wilhelmine<br />
Friederike Sophie, Markgräfi n von Bayreuth. Sie<br />
war die Lieblingsschwester des Preußenkönigs<br />
Friedrich II. Sie ist die „Schöpferin des Bayreuther<br />
Rokoko“, machte sich als Gartengestalterin<br />
<strong>und</strong> Schriftstellerin verdient <strong>und</strong> gilt als<br />
eine der geistreichsten Fürstinnen ihrer Zeit. Zu<br />
Lebzeiten hatten die Bayreuther kein so richtig<br />
inniges Verhältnis zur ihrer Markgräfi n. Aber die<br />
Zeit lässt im Rückblick Vieles in milderem Licht<br />
erscheinen. Und so schmücken <strong>2009</strong> zahlreiche<br />
Lichtobjekte die ganze Stadt. L.K.
Mit städtebaulichen Verbesserungen,<br />
der Ansiedlung von Kreativ-<br />
Unternehmen <strong>und</strong> durch zahlreiche<br />
soziokulturelle Maßnahmen arbeitet<br />
die Stadt Mannheim an einer Verbesserung<br />
der Strukturen im Stadtteil<br />
Jungbusch.<br />
Jungbrunnen<br />
für den Jungbusch<br />
Chancen <strong>und</strong> Probleme liegen im Jungbusch<br />
eng beieinander. Der Stadtteil befi ndet in der<br />
Nähe des ehemaligen Hafengeländes <strong>und</strong> direkt<br />
an dem Verbindungskanal, der zwischen dem<br />
Rhein <strong>und</strong> dem Neckar fl ießt. Der Jungbusch ist<br />
also für Mannheim eine Tür zum urbanen Leben<br />
am Wasser, doch wäre in der Vergangenheit<br />
kaum jemand auf die Idee gekommen, diese Tür<br />
zu öffnen. Wenig einladend präsentierte sich<br />
das Ufer des Kanals. Auch der Stadtteil Jungbusch<br />
wurde von vielen Mannheimern kaum<br />
noch wahrgenommen. Durch den Wegfall von<br />
Arbeitsplätzen im Hafen hatte sich die deutsche<br />
Mittelschicht aus dem Stadtteil zurückgezogen.<br />
Heute haben 63 Prozent der Einwohner vom<br />
Jungbusch einen Migrationshintergr<strong>und</strong>. Das<br />
schlechte Image des Stadtteils fußt noch immer<br />
auf einer hohen Kriminalitätsrate in den 80er<br />
Jahren <strong>und</strong> der Zeit als Rotlichtbezirk. Obwohl<br />
das längst Geschichte ist, <strong>und</strong> die Polizeiwache<br />
vor Ort zuletzt sogar geschlossen wurde, meiden<br />
viele Mannheimer den Stadtteil am Rand<br />
der Innenstadt.<br />
Impulse durch die Popakademie<br />
<strong>und</strong> den Musikpark<br />
Ein wichtiger, erster Schritt war vor einigen<br />
Jahren die Ansiedlung der ersten deutschen<br />
Popakademie <strong>und</strong> des Musikparks, der eine perfekte<br />
Infrastruktur für Start-Up-Unternehmen<br />
aus der Musikbranche bietet. Inzwischen gilt<br />
Foto: STADTMANNHEIM2<br />
Top Thema | 27
Foto: STADTMANNHEIM2<br />
Das alte Hafengelände im Stadtteil Jungbusch lädt heute zum Aufenthalt am Wasser ein.<br />
Foto: STADTMANNHEIM2<br />
Der nördliche Teil ist ein beliebter Szene-Treffpunkt geworden.<br />
28 | Top Thema<br />
Mannheim als heimliche Hauptstadt für die<br />
aktuelle Musikszene. Es zeigt sich heute, dass<br />
der Stadtteil bei den jungen Kreativen auch als<br />
Wohnort gefragt ist <strong>und</strong> sich die festgefahrenen<br />
Strukturen anfangen zu lösen. Erfreulich ist<br />
auch, dass viele der Neuangesiedelten sich um<br />
den Stadtteil bemühen <strong>und</strong> sich im kulturellen<br />
Bereich engagieren.<br />
Mehr als nur eine Promenade am<br />
Verbindungskanal<br />
Das Ziel der Baumaßnahmen war, Konversionsfl<br />
ächen in städtische Freiraumareale zu wandeln.<br />
Um das Ufer attraktiver zu gestalten war<br />
zunächst nur der Bau einer Promenade geplant.<br />
An diesem Punkt hakten jedoch die Bewohner<br />
des Stadtteils mit ihrem sehr aktiven Quartiersmanagement<br />
ein. Bei den folgenden Beteiligungsverfahren<br />
kristallisierten sich die Bedürfnisse<br />
der Menschen vor Ort klar heraus. Es<br />
ging ihnen darum Flächen zu schaffen, die die<br />
Lebensqualität im Quartier verbessern, <strong>und</strong> aus<br />
dem Jungbusch einen Stadtteil mit einer eigenen<br />
Identität zu machen. Die Promenade wurde<br />
so geplant, dass sogenannte Freiraumtaschen<br />
zum Aufenthalt am Kanal einladen. Wichtig für<br />
das öffentliche Leben im Jungbusch war zudem<br />
die Entscheidung, einen Quartiersplatz anzulegen,<br />
der sowohl für alltägliche Nutzungen<br />
als auch für besondere Anlässe wie Konzerte<br />
oder kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung<br />
steht. Der Platz ist mit einer festen Möblierung<br />
<strong>und</strong> einer Stadtloggia mit beweglichem Dach<br />
ausgestattet. Eine Terrasse mit Holzplattform<br />
<strong>und</strong> technischen Anschlüssen kann als Bühne<br />
genutzt werden. Bei der architektonischen<br />
Planung wurde insgesamt Wert darauf gelegt,<br />
dass der Hafencharakter bleibt. So wurden alte<br />
Schienentrassen erhalten <strong>und</strong> in die neue Promenade<br />
integriert.<br />
Den Wandel leben <strong>und</strong> gestalten<br />
Ein besonderer Pluspunkt bei der Umgestaltung<br />
des Jungbuschs ist das weitreichende soziokulturelle<br />
Engagement, das zum einen durch die<br />
Arbeit des Quartiermanagements, zum anderen<br />
durch die Fördermittel des EU-Urban II Programms<br />
möglich gemacht wurde. Maßnahmen<br />
wie “Die Teppichmacher“ haben dafür gesorgt,<br />
dass die Umgestaltung für die Anwohner nachvollziehbar<br />
<strong>und</strong> erlebbar wurde. Konkret ging<br />
es darum, dass die Anbindung der neuen Freifl<br />
ächen an den Stadtteil noch nicht im Alltag<br />
angekommen war. Zusammen mit Kindern aus<br />
dem Quartier fanden Workshops statt, bei de-
nen Ornamente gezeichnet wurden, die dann als<br />
farbige Asphaltprägung umgesetzt wurden. An<br />
drei Übergängen weisen diese farbigen Ornamente<br />
nun als Teppiche den Weg zu der neuen<br />
Promenade. Es gibt Sidewalk-Theateraufführungen,<br />
die alte <strong>und</strong> neue Plätze, Straßen <strong>und</strong><br />
Wege zur Kulisse von Stücken über das Leben<br />
in dem Quartier werden lassen. Und in diesem<br />
Jahr fi ndet zum Beispiel zum sechsten Mal die<br />
Veranstaltung Nachtwandel statt, bei der nicht<br />
auf den Import von kulturellen Highlights, sondern<br />
sehr stark auf die kulturelle Produktivität<br />
der Menschen im Quartier gesetzt wird. Auch<br />
hier geht es darum, die eigene Identität des<br />
Stadtteils zu fördern <strong>und</strong> der Ausgestaltung von<br />
Parallelgesellschaften aktiv entgegenzuwirken.<br />
Zwischenbilanz der Umgestaltung<br />
Von 2007 an wurden die ersten Bauabschnitte<br />
der Umgestaltungen fertiggestellt. Jetzt im<br />
zweiten Sommer zeigt sich, dass die Promenade<br />
mit den Freiraumfl ächen mehr <strong>und</strong> mehr<br />
genutzt werden. Dabei gibt es verschiedene<br />
Zonen, die von unterschiedlichen Gruppen „in<br />
Besitz“ genommen worden sind. Der nördliche<br />
Bereich zum Neckar hin „gehört“ mit einer<br />
trendigen Bar sowie der Nähe zur Akademie <strong>und</strong><br />
zum Musikpark den Kreativen. Es gibt Bereiche,<br />
in denen sich Eltern mit Kindern treffen. Menschen<br />
unterschiedlichster sozialer Verhältnisse<br />
fi nden ihre Zone, in der sie am neuen öffentlichen<br />
Leben im Quartier teilnehmen. Hinter der<br />
Promenade gibt es Bereiche, die den muslimischen<br />
Frauen des Quartiers mit ihren Bedürfnissen<br />
nach geschützten, weniger öffentlichen<br />
Flächen entgegenkommen. Und es zeichnet sich<br />
noch eine positive Tendenz ab: Vandalismus,<br />
der zunächst festzustellen war, gibt es heute<br />
viel weniger.<br />
Mitte Juli <strong>2009</strong> wurde nun auch die neue „Turnhalle<br />
plus x“ eingeweiht. Mit ihrem futuristisch<br />
gestalteten Bolzplatz auf dem Dach sowie den<br />
Räumen für private <strong>und</strong> öffentliche Nutzung<br />
ist sie an den Bedürfnissen der Menschen im<br />
Stadtteil orientiert gebaut worden. In den kommenden<br />
Jahren steht nun die Überarbeitung der<br />
Freifl ächen um die Halle herum an. Die Stadt<br />
Mannheim plant derzeit für die Weiterentwicklung<br />
des Rahmenplans eine Raumnutzungsanalyse,<br />
die genauere Auskunft über die Frequentierung<br />
der Flächen am Verbindungskanal <strong>und</strong><br />
daraus abgeleitet über die weiteren Bedürfnisse<br />
der Anwohner geben soll. Die Tür zum Wasser<br />
hat sich für die Mannheimer auf jeden Fall<br />
schon ein weites Stück geöffnet. A.M.<br />
Top Thema | 29<br />
Foto: STADTMANNHEIM2
30 | Top Thema<br />
Oldenburg –<br />
die Übermorgenstadt<br />
Oldenburg ist Stadt der Wissenschaft <strong>2009</strong>.Der Titel ist begehrt <strong>und</strong> die Anforderungen<br />
hoch. Nur jede 10. Bewerbung führt zum Erfolg. Für dieses Jahr<br />
hat Oldenburg das Rennen gemacht <strong>und</strong> erlebt eines der aufregendsten <strong>und</strong><br />
spannendsten Jahre der jüngeren Geschichte.<br />
Die bisherigen Titelträger: Bremen/Bremerhaven,<br />
Dresden, Braunschweig <strong>und</strong> Jena. Allen<br />
Siegerstädten ist es gelungen, die Auszeichnung<br />
für das eigene Stadtmarketing zu nutzen. Denn<br />
für die Stadtentwicklung hat das Thema Wissenschaft<br />
mittlerweile eine ähnliche Bedeutung<br />
wie der Tourismus erlangt.<br />
„Wir haben eine junge Universität, eine lebendige<br />
Wissenschaftsszene. Wir sind eine Stadt<br />
voller kreativer <strong>und</strong> kluger Köpfe – <strong>und</strong> wollen<br />
es auch in Zukunft bleiben“ – mit diesen Worten<br />
verdeutlicht Oberbürgermeister Prof. Dr.<br />
Gerd Schwandner, warum die Wahl Oldenburgs<br />
zu Deutschlands „Stadt der Wissenschaft <strong>2009</strong>“<br />
eine gute war. Er zitiert den Filmregisseur <strong>und</strong><br />
Schauspieler Woody Allen, der einmal sagte:<br />
„Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort<br />
ist, wo ich den Rest meines Lebens zubringen<br />
werde“.<br />
Unter dem Thema der Übermorgenstadt stehen<br />
16 Projekte im Mittelpunkt der Aktivitäten.<br />
Die Zukunftsfrage<br />
Was wird übermorgen sein? Wie machen wir<br />
Oldenburg zu einer lebendigen <strong>und</strong> lebenswerten<br />
Stadt? Dies ist die Frage, die aus über 150<br />
eingegangenen der Oldenburger von einer Jury<br />
als Zukunftsfrage ausgewählt wurde. In dem<br />
Projekt geht es nun darum, Antworten <strong>und</strong><br />
praktische Lösungsansätze auf die Unterfragen<br />
zu fi nden:<br />
Wie kann eine Übermorgenstadt allen Einwohnern<br />
gleiche Chancen bieten?<br />
Was kann eine Übermorgenstadt tun, um<br />
den Klimawandel zu stoppen?<br />
Wie machen wir Oldenburg übermorgen<br />
zu einem guten Wissenschafts- <strong>und</strong> Wirtschaftsstandort?<br />
Eine Aufgabenstellung, die deshalb so spannend<br />
ist, weil die Fragen nicht von gelernten<br />
Fachleuten beantwortet werden, sondern von<br />
Bürgern. Die sind die geborenen Experten, weil<br />
sie in Oldenburgs Zukunft leben werden.<br />
Energie für Übermorgen<br />
Wie sieht die Energie-Infrastruktur heute aus?<br />
Wie wird die Energieversorgung der Zukunft<br />
funktionieren? Die Lebensadern der Übermorgenstadt<br />
<strong>und</strong> die Wissenschaftsbox geben<br />
Antworten auf diese Fragen. „Lebensadern<br />
der Übermorgenstadt“ ist eine Medien- <strong>und</strong><br />
Lichtinstallation auf dem Julius-Mosen-Platz,<br />
die demonstriert, wann in Oldenburg wie viel<br />
Energie verbraucht wird <strong>und</strong> wie eigentlich die<br />
unterirdischen Leitungen aussehe. In der täglich<br />
von 10 bis 20 Uhr geöffneten Wissenschaftsbox<br />
auf dem Schlossplatz werden die Energiethe-
men der Zukunft vorgestellt. Spannende Exponate<br />
zum Ausprobieren erklären die Energieforschungsthemen<br />
Photovoltaik, Brennstoffzellen<br />
<strong>und</strong> Offshore-Windenergie. Dritter Bestandteil<br />
des Projektes ist die „Spur der Wissenschaft“.<br />
Sie besteht aus 10 Stelen in der Innenstadt,<br />
die jeweils über eine Oldenburger Energieforschungseinrichtung<br />
informieren.<br />
Tatort Alltag & Traumgärten <strong>2009</strong><br />
Natur schafft Wissen. Unter diesem Motto<br />
wandelten Garten- <strong>und</strong> Landschaftsbauer sowie<br />
Künstler Straßen <strong>und</strong> Plätze der Fußgängerzone<br />
zu Orten der Flora <strong>und</strong> des pfl anzlichen<br />
Wachstums um. Beispielsweise in einen<br />
Garten der Kontinente, in dem man in kurzer<br />
Zeit vom Präriegarten Nordamerikas über die<br />
faszinierende afrikanische Vegetation, die unvergleichliche<br />
australische Flora <strong>und</strong> die asiatische<br />
Gartenkunst bis zur tropischen Vegetation<br />
Südamerikas wandeln konnte. Oder der<br />
große Labyrinthgarten, der verdeutlichte, dass<br />
Forschung häufi g nicht gradlinig verläuft, dass<br />
man oft um die Ecke denken muss <strong>und</strong> nicht<br />
selten in der Sackgasse landet. Nur zwei Beispiele<br />
von vielen.<br />
Ab 5. September erwartet den Besucher im<br />
Wissenschaftsturm auf dem Kasinoplatz sowie<br />
in zahlreichen Geschäften der Innenstadt der<br />
Tatort Alltag mit Themen wie „Wieso können<br />
wir über große Distanzen digital miteinander<br />
sprechen?“ „Wieso perlt Wasser von Jacken ab?“<br />
„Wie funktioniert ein mp3-Player <strong>und</strong> welche<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung war hierfür notwendig?“<br />
Das Schlaue Haus<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> moderne Technik im Alltag der<br />
Zukunft sind Thema des temporären „Schlauen<br />
Hauses“. Intelligente Haustechnik wird uns<br />
künftig in unseren Tätigkeiten entlasten <strong>und</strong><br />
für mehr Komfort sorgen. Gleichzeitig schafft<br />
die kluge Verknüpfung von Informations- <strong>und</strong><br />
Energietechnologie eine effi ziente Versorgung<br />
mit Wärme <strong>und</strong> Strom in unseren vier Wänden.<br />
Die Wissenschaftsbox am Schlossplatz stellt<br />
eine Auswahl solcher technischer Visionen im<br />
Bereich Energie <strong>und</strong> Wohnen vor, die schon<br />
heute im OFFIS-Labor <strong>und</strong> im „Zentrum Zukunft“<br />
der EWE in Emstek erprobt werden.<br />
Die Wissenschafts-Geisterbahn<br />
Eine Reise durch ein unterirdisches Labyrinth<br />
verspricht die Wissenschafts-Geisterbahn. Innerhalb<br />
der Stadt <strong>und</strong> doch nahezu unsichtbar<br />
gibt es einen Ort, der von Beschaulichkeit<br />
weit entfernt ist <strong>und</strong> den bisher nur wenige<br />
Menschen zu Gesicht bekommen haben. Jetzt<br />
kommt Licht in dieses Dunkel. Gut getarnt durch<br />
ein unterirdisches Behelfskrankenhaus der 80er<br />
Jahre eröffnen sich die „Abgründe der Wissenschaft“.<br />
Beim Gang durch ein unterirdisches<br />
Labyrinth, gebaut aus Phantasie, Wirklichkeit<br />
<strong>und</strong> Vision, lernt der Besucher eine forensische<br />
Psychiaterin/Gutachterin kennen, die im Kontext<br />
der Stressforschung der Frage nachgeht,<br />
ob ethische Grenzen überschritten wurden.<br />
Oder den Genetiker, der den Typus des smarten<br />
modernen Menschen-Designers vertritt.<br />
Junge Utopien in Europa<br />
Theater kann helfen, Dinge auf den Punkt zu<br />
bringen <strong>und</strong> klarer zu sehen. Unter dem Titel<br />
„Junge Utopien in Europa“ fi nden in diesem<br />
Jahr vier Projektwerkstätten mit Teilnehmern<br />
aus acht Ländern statt. Sie sollen unter Leitung<br />
des Vereins Jugendkulturarbeit e.V. den Blick<br />
auf die positiven Seiten von Forschung, Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Wissenschaft lenken <strong>und</strong> jungen<br />
Leuten neue Perspektiven aufzeigen – etwa in<br />
der Produktion „Nicht Zeit! Nicht Ort!“ oder anlässlich<br />
eines Theaterstücks <strong>und</strong> einer Ausstellung<br />
zu einem Schülerbesuch der Gedenkstätten<br />
in Auschwitz.<br />
De nederlandse visie op de wereld<br />
Menschen aus Oldenburg <strong>und</strong> der niederländischen<br />
Partnerstadt Groningen kommen zusammen,<br />
um sich gegenseitig zu informieren,<br />
auszutauschen <strong>und</strong> vom Nachbar zu lernen.<br />
Bei Themen wie Alter, Bildung, Wirtschaft <strong>und</strong><br />
multikulturelles Zusammenleben wird es immer<br />
wichtiger, ganzheitliche Konzepte <strong>und</strong><br />
Lösungsmöglichkeiten zu fi nden. Dieses Projekt<br />
zeigt dafür neue Aspekte auf. Lehrer, Schüler<br />
<strong>und</strong> Studenten kommen auf dem Uni-Campus<br />
zusammen, um neue Schul- <strong>und</strong> Lernformen zu<br />
erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zu präsentieren.<br />
Wo liegt Übermorgen?<br />
Die Science-Roadshow zeigt, wie wir - nicht<br />
erst in der Zukunft - lernen werden: fl exibel <strong>und</strong><br />
individuell. Und der Perspektivwechsel verdeutlicht:<br />
Wer die Welt verändern will, muss sie mit<br />
anderen Augen sehen. Der rasante technische<br />
Fortschritt, die erhöhte Ortsungeb<strong>und</strong>enheit<br />
der Menschen <strong>und</strong> die steigende Bedeutung<br />
der Wissenschaft für die Berufswelt prägen die<br />
Lernformen von Übermorgen: Lebenslanges Lernen<br />
<strong>und</strong> das orts- <strong>und</strong> zeitunabhängige eLearning<br />
werden im Rahmen der Science-Roadshow<br />
Top Thema | 31
Foto: Stadt Oldenburg<br />
32 | Top Thema<br />
durch den Verband „eLearning Business Norddeutschland“<br />
präsentiert.<br />
Grenzenlose Klangwelten<br />
Wie hören wir unter Wasser? Was hören wir<br />
dort? Die „Grenzenlosen Klangwelten“ verhelfen<br />
zu einem neuen Hörerlebnis. Konzerte aus<br />
der St. Lambertikirche werden in Echtzeit ins<br />
OLantis Huntebad übertragen. OLantis Huntebad?<br />
Echtzeit? Klar! Modernste Technik <strong>und</strong><br />
Wissenschaftler der Fachhochschule machen es<br />
möglich. Und die Wissenschaftler des Hörzentrums<br />
Oldenburg erklären, wie man unter Wasser<br />
hört. Vor Beginn des Konzerts können Besucher<br />
in eine Reise durch die Weltmeere eintauchen.<br />
Sie begegnen in einer Mischung aus Hörspiel<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlichen Erklärungen Meerestieren,<br />
Schiffen, Eisbergen <strong>und</strong> einem U-Boot.<br />
Lesen. Informieren. Schreiben.<br />
Lesen <strong>und</strong> Schreiben zählt zu den Schlüsselkompetenzen<br />
bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. Nach<br />
dem Aktionstag der Oldenburger Bibliotheken<br />
im Mai engagieren sich weitere Institutionen<br />
für bessere Lese- <strong>und</strong> Schreibkompetenzen bei<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. So veranstalteten<br />
die Oldenburger Schreibwerkstatt <strong>und</strong> das Institut<br />
für sprachliche Bildung drei Lese- <strong>und</strong><br />
Schreibnächte. Unter dem Thema „Oldenburg<br />
von Übermorgen“ dürfen sich Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
in zwei Altersgruppen schreibend auf<br />
eine Zeitreise in die Jahre 2050 oder sogar 2200<br />
begeben.<br />
Archimedes auf dem <strong>Spiel</strong>platz<br />
Schaukel + Wippe + alte Reifen = <strong>Spiel</strong>platz?<br />
Von wegen! In Osternburg ist der etwas andere<br />
<strong>Spiel</strong>platz zu bestaunen. Einer, der vor allem<br />
„übermorgentauglich“ ist. Die Stadt Oldenburg<br />
hat sich gemeinsam mit Studierenden der<br />
Fachhochschule Oldenburg <strong>und</strong> der Universität<br />
Gedanken um eine „übermorgentaugliche“<br />
Veränderung eines <strong>Spiel</strong>platzes in Osternburg<br />
gemacht. Auch die Kinder aus dem Stadtteil Osternburg<br />
haben sich an den Ideenfi ndungen beteiligt.<br />
Nach der Umgestaltung wird der Stadtteilspielplatz<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen die<br />
Möglichkeit bieten, spielerisch Bekanntschaft<br />
mit physikalisch-mathematischen Gesetzen<br />
zu machen. Die „Archimedische Spirale“ bleibt<br />
dauerhaft auf dem <strong>Spiel</strong>platz. Und vielleicht<br />
wird das eine oder andere zunächst temporäre<br />
<strong>Spiel</strong>gerät, später als dauerhaftes <strong>Spiel</strong>gerät<br />
realisiert.<br />
Ich zeige dir, wie Wissenschaft<br />
funktioniert<br />
Bei „Pub-Science - Die lange Nacht der Experimenten“<br />
experimentierten Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />
mit Gästen direkt am „Biertisch“, um<br />
Chemie für jedermann erlebbar <strong>und</strong> erfahrbar<br />
zu machen. Wie spannend Chemie sein kann,<br />
erfuhren die Oldenburger gemeinsam mit Jörg<br />
Pilawa bereits im Juni auf Deutschlands längster<br />
Experimentiermeile, als er den Versuchsmarathon<br />
an einem 120 Meter langen Experimentiertisch<br />
moderierte.<br />
Die Zukunft unserer Küsten -<br />
Das Wattenmeer<br />
Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Künstler, Studierende<br />
<strong>und</strong> Schüler engagieren sich gemeinsam<br />
für das einzigartige Ökosystem Wattenmeer,<br />
das kürzlich von der Unesco zum Welterbe der<br />
Menschheit erklärt. Das Institut für Chemie <strong>und</strong><br />
Biologie des Meeres der Universität Oldenburg<br />
(ICBM) hat einen Messpfahl nachgebaut, dessen<br />
Original im Wattenmeer südwestlich von<br />
Spiekeroog steht <strong>und</strong> meeresk<strong>und</strong>liche Daten<br />
erfasst. Der Nachbau dient als Ausstellungsraum<br />
für Themen wie etwa „Die Zukunft der<br />
Nordseeküste“ oder „Die Bedeutung der Nordsee<br />
im globalen Wandel“. Angaben aus der Station<br />
im Spiekerooger Watt werden in Echtzeit
dargestellt, Webcams liefern Livebilder von der<br />
Küste.<br />
Xplora!<br />
Albert Einsteins Kühlschrank? Ja, den gab es<br />
tatsächlich! Die Ausstellung „Xplora“ zeigt<br />
funktionstüchtige Nachbauten historischer Instrumente<br />
<strong>und</strong> Versuche zum Bestaunen <strong>und</strong><br />
Erleben. Dieses Projekt ermöglicht einen „Blick<br />
zurück nach vorn“. Die Ausstellung zeigt technische<br />
<strong>und</strong> wissenschaftliche Leistungen, die uns<br />
heute als selbstverständlich gelten. Einsteins<br />
„automatischer Beton-Volks-Kühlschrank“ ist<br />
wohl das spektakulärste Stück unter den r<strong>und</strong><br />
100 originalgetreu nachgebauten Geräten der<br />
Sammlung. Wir lernen, dass der Fortschritt der<br />
Wissenschaft meist darauf beruht, dass Theorie<br />
<strong>und</strong> Praxis, Fantasie <strong>und</strong> Experiment raffi niert<br />
zusammengebracht werden. Anfassen <strong>und</strong> Ausprobieren<br />
ist ausdrücklich erwünscht!<br />
Ex Oriente lux?<br />
Das Landesmuseum Natur <strong>und</strong> Mensch präsentiert<br />
die Sonderausstellung zur Geschichte<br />
der Naturwissenschaften. Gegenwart <strong>und</strong><br />
Zukunft unserer Gesellschaft sind wesentlich<br />
durch wissenschaftliche Erkenntnisse <strong>und</strong><br />
technische Innovationen geprägt. Doch das ist<br />
kein modernes Phänomen. Ebenso ist auch die<br />
Wissensvernetzung kein Kennzeichen unseres<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts. Die klassische Antike profi tierte<br />
stark von den ägyptischen <strong>und</strong> babylonischen<br />
Wissenschaften. Mit dem Zusammenbruch des<br />
weströmischen Reiches gingen in Europa viele<br />
dieser Kenntnisse verloren. Doch Byzanz <strong>und</strong><br />
die arabische Welt bewahrten dieses Wissen<br />
über Jahrh<strong>und</strong>erte. Über Sizilien, Spanien <strong>und</strong><br />
die Levante gelangten die Kenntnisse nach Europa.<br />
Ohne den Orient wäre die Geschichte der<br />
Naturwissenschaften <strong>und</strong>enkbar.<br />
Soirée mit Einstein <strong>und</strong> Co.<br />
Schauspieler verkörpern Figuren der Wissenschaftsgeschichte<br />
<strong>und</strong> geben Gastspiele in Unternehmen,<br />
Institutionen <strong>und</strong> Schulen. Einstein,<br />
Darwin, Marie Curie: Wer sich näher mit den<br />
großen Forschern <strong>und</strong> Wissenschaftlern der<br />
Vergangenheit beschäftigt, merkt schnell, dass<br />
sie häufi g Individualität, Heldentum, Abenteuer<br />
<strong>und</strong> Avantgarde verkörperten. Themen die<br />
theatralisch w<strong>und</strong>erbar aufgegriffen werden<br />
können. Unternehmen <strong>und</strong> Institutionen aus<br />
Oldenburg <strong>und</strong> der Region können Einstein,<br />
Darwin <strong>und</strong> Marie Curie für Feiern, Feste <strong>und</strong><br />
Empfänge buchen.<br />
Vor allem eines zeigen die Projekte immer wieder:<br />
dass Wissenschaft Spaß machen kann <strong>und</strong><br />
Lernen am besten auf die spielerische Art erfolgt.<br />
Deshalb sind überall auch Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
eingeb<strong>und</strong>en. Beispielsweise bei der<br />
Kinderuniversität, die sogar ein eigenes Vorlesungsverzeichnis<br />
hat. Und die Kids haben eine<br />
eigene Homepage, auf der die „Wonx“ das Programm<br />
der Wissenschaftsstadt darstellen.<br />
Oldenburg -<br />
Leuchtturm mit hoher Strahlkraft<br />
Die Stadt der Wissenschaft strahlt nicht nur in<br />
die Region aus. Alle Städte der Wissenschaft<br />
haben in den Medien b<strong>und</strong>esweit, zum Teil<br />
auch international für Aufsehen gesorgt <strong>und</strong><br />
ihren Bekanntheitsgrad als bedeutender Wissenschaftsstandort<br />
steigern können. B<strong>und</strong>esweit<br />
soll die Stadt der Wissenschaft in Zukunft<br />
noch sichtbarer werden. Sie ist Ausrichter des<br />
Wissenschaftssommers, der in Kooperation<br />
mit Wissenschaft im Dialog, der Initiative der<br />
deutschen Wissenschaft, durchgeführt wird.<br />
Und nicht zuletzt: die Stadt der Wissenschaft<br />
ist kein Strohfeuer, das nach einem Jahr abgebrannt<br />
ist. Mit Aktionen <strong>und</strong> weithin sichtbaren<br />
Glanzlichtern verstehen es alle bisherigen Titelträger,<br />
den Schwung des Jahres mitzunehmen<br />
<strong>und</strong> nachhaltig im Stadtleben zu verankern.<br />
Und schließlich bieten die Projekte der Stadt<br />
Oldenburg einen F<strong>und</strong>us an Ideen <strong>und</strong> Anregungen,<br />
aus dem andere Städte <strong>und</strong> Gemeinden<br />
schöpfen können. L.K.<br />
Top Thema | 33
Marktmonitor<br />
Stadtmobiliar & <strong>Spiel</strong>geräte<br />
Entscheidende Accessoires, die die Gesamterscheinung einer Innenstadt prägen, sind<br />
alle Arten von Stadtmöbeln <strong>und</strong> im weiteren Sinn auch <strong>Spiel</strong>geräte. Wie modern,<br />
individuell oder traditionell eine Stadt wirkt, lässt sich damit auf´s Schönste beeinfl<br />
ussen. Wir haben uns bei den Herstellern umgesehen <strong>und</strong> zeigen Ihnen hier <strong>und</strong><br />
auf den Folgeseiten Neuheiten oder besonders interessante Produkte.<br />
Bank Cado corpus<br />
Gleich zwei Bänke der Behindertenwerkstatt Westeifel Werke wurden mit dem ´Product Design <strong>2009</strong>´-Award prämiert. Nicht nur<br />
das Design spielte dabei eine Rolle, sondern auch der ökologische Aspekt durch die Verwendung von FSCFM-zertifi zierten Harthölzer<br />
bei beiden Produkten. Beide sind in Zusammenarbeit mit dem Designer Max Wehberg entstanden.<br />
Die Belattung der Bank Cado corpus ist an der Vorder- <strong>und</strong> Rückseite fortgeführt. Dieses Designelement verbindet sich mit einer<br />
Längendimension von 3 Metern zu einem sehr körperhaften <strong>und</strong> puristischen Stadtmöbel. Mit einem Gewicht von 240 Kilogramm<br />
meistert sie alle Anforderungen in stark frequentierten öffentlichen Freiräumen. Die Bank kann mittels Bodenanker ortsfest montiert<br />
werden.<br />
» www.westeifel-werke.de<br />
34 | Marktmonitor<br />
Bank Tecto<br />
Das puristische, elegante Design der Bank Tecto<br />
vereint Gegensätze. Die Bank wirkt leicht, ist mit<br />
den gewählten Materialstärken <strong>und</strong> 214 Kg Gewicht<br />
aber für die außergewöhnlich hohe Beanspruchung<br />
in öffentlichen Freiräumen prädestiniert.<br />
» www.westeifel-werke.de
Sitzbeton<br />
Der Beweis, dass ein Werkstoff neu interpretiert eine neue<br />
Generation der Stadtgestaltung defi nieren kann, wurde kürzlich<br />
von dem Experten für großformatige Betonlösungen Max<br />
Bögl auf dem Berliner Designbüro Aplex in Berlin erbracht: Das<br />
3,20 Meter breite Sitzobjekt besteht aus 15 einzelnen Teilen, die<br />
untereinander nicht verb<strong>und</strong>en sind. Jedes Teil wiegt ca. 300<br />
Kilogramm <strong>und</strong> besteht aus porenlosem massivem Sichtbeton.<br />
» www.aplex.de<br />
Wippschiff Navis<br />
Mit dem nagelneuen Wippschiff angeln sich die<br />
Designer von Stilum künftig weitere Fans für ihre<br />
typische puristisch-funktionale weiche Linienführung:<br />
Das formschöne Schiff hat eine Länge<br />
von fast 3 Metern <strong>und</strong> bietet mit seiner Gummigranulataufl<br />
age sicheren Halt für die kleinen<br />
Füßchen von Kindern ab 6 Jahren. Das Gerät ist<br />
ideal für <strong>Spiel</strong>umgebungen, die eine Gr<strong>und</strong>fl äche<br />
von 8,30 mal 3,40 Metern ermöglichen. Passende<br />
Wippendämpfer aus Recyclingkautschuk sind bei<br />
Stilum ebenfalls im Programm.<br />
» www.stilum.de<br />
Sitzmöbelserie La Superfi ne<br />
Diese schlicht-schöne Serie stammt von Miramondo aus<br />
Österreich: Hochwertige Materialien in unkonventioneller<br />
Anwendung lassen eine neue Typologie für Möbel im öffentlichen<br />
Außenraum entstehen. Ein 8 Millimeter dünnes, jedoch<br />
extrem stabiles Laminat macht den scheinbaren Widerspruch<br />
von maximaler Stabilität bei minimaler Materialstärke möglich.<br />
Zur Serie gehören Bänke, Stühle <strong>und</strong> Tische.<br />
» www.miramondo.com<br />
Marktmonitor | 35
Sitzquader aus<br />
Eichenstämmen<br />
Nicht neue, aber absolut besondere<br />
Hingucker sind die Sitzquader <strong>und</strong><br />
Landschaftsobjekte aus dem Atelier<br />
Thomas Rösler. Er ist mit speziellen,<br />
individuellen Objekten aus Eiche bekannt<br />
geworden, die immer mit der<br />
von Hand geführten Kettensäge aus<br />
dem vollen Stamm heraus gesägt<br />
werden. Diese eignen sich wie hier<br />
beim Beispiel der TU München für<br />
reizvolle Kontraste mit moderner<br />
Architektur.<br />
» www.thomas-roesler.com<br />
36 | Marktmonitor<br />
Komplay-<strong>Spiel</strong>platzgeräte<br />
Die neue Produktreihe ´Komplay` des <strong>Spiel</strong>platzgeräteherstellers Kompan bietet<br />
zahlreiche <strong>Spiel</strong>möglichkeiten <strong>und</strong> eine fl exible Materialauswahl auf einem attraktiven<br />
Preisniveau. Der Preis ist hier im Focus. Das Sortiment reicht von einzelnen<br />
Produkten wie Federwipptieren, Rutschen <strong>und</strong> Schaukeln bis hin zu <strong>Spiel</strong>anlagen<br />
<strong>und</strong> deckt dadurch nahezu alle klassischen <strong>Spiel</strong>platzaktivitäten im traditionellen<br />
oder im Dschungel-Design ab. Mit der neuen Serie wurde der Direktvertrieb im April<br />
<strong>2009</strong> eingeführt.<br />
» www.kompan.com<br />
Jugend- <strong>und</strong> Kinder-<br />
Sitzbogen Theatrum<br />
Der niedersächsische Familienbetrieb<br />
Runge hat kürzlich eine Neuheit auf<br />
den Markt gebracht: Das ´Theatrum´<br />
lässt sich sowohl an Jugendplätzen<br />
im Innenstadtbereich einsetzen, als<br />
auch im <strong>Spiel</strong>platzbereich für größere<br />
Kinder. Drei radial gebogene Rohre aus matt<br />
perlgestrahltem Edelstahl-R<strong>und</strong>rohr in 60 Millimeter<br />
bilden die drei Sitz-Etagen.<br />
» www.runge-bank.de
Produktfamilie Avenue<br />
Für ihre Produktlinie Avenue (Design: Staubach + Kuckertz,<br />
Berlin) erhielt die Berliner Wall AG das Siegel ´Universal Design<br />
Consumer Favorite 09´. Die Mikroarchitekturen, darunter eine<br />
Wartehalle für Bus oder Straßenbahn, eine barrierefreie City-<br />
Toilette, ein Kiosk <strong>und</strong> eine Stadtinformationsanlage, vereinen<br />
optische Präsenz <strong>und</strong> Zurückhaltung gleichermaßen. Die Pulverbeschichtung<br />
der Stahlteile macht zudem eine individuell<br />
auf das Stadtbild oder das Stadtlogo abgestimmte Farbgebung<br />
möglich.<br />
» www.wall.de<br />
Poller mit 3P-Technologie<br />
Nicht nur das Design ist ein Entscheidungskriterium bei Stadtmöbiliär,<br />
sondern auch die Kosten-, Montage- <strong>und</strong> Planungsvorteile. In allen drei<br />
Bereichen bewährt hat sich seit einigen Jahren die 3P-Technologie, die<br />
bei allen ABES-Absperrpfosten zum Einsatz kommt.<br />
Das Kernstück der 3P-Technologie ist das patentierte Verbindungsstück<br />
mit Sollbruchstelle. Fährt zum Beispiel ein Auto dagegen, gibt nur das<br />
Verbindungsstück nach – das F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> Pfosten bleiben unbeschädigt.<br />
Durch einfache Montage eines neuen Verbindungsstückes kann der<br />
Poller sofort wieder eingesetzt werden. Ein Video auf der Webseite des<br />
Herstellers zeigt, wie das funktioniert. Die 3P-Technologie hilft somit, den<br />
Instandhaltungsetat zu senken. Darüber hinaus ermöglicht sie ein hohes<br />
Maß an Planungsfreiraum, da die Poller systembedingt herausnehmbar<br />
sind, wenn eine Fläche beispielsweise für eine Großveranstaltung genutzt<br />
werden soll.<br />
» www.abes-online.de<br />
Abfallbehälter Fly XL<br />
Der erfolgreiche <strong>und</strong> mit dem ´iF Product<br />
Design Award´ ausgezeichnete Abfallbehälter<br />
mit integriertem Ascher ´Fly´ von Runge ist jetzt<br />
auch als Standversion ´Fly XL´ erhältlich. Die XL-<br />
Version zeichnet sich durch ein größeres Volumen<br />
aus. Wahlweise wird der XL-Behälter mit einem<br />
leichten PE-Innenbehälter ausgestattet oder mit<br />
Sackringen zur maximalen Volumenausschöpfung<br />
von 80L Fassungsvermögen.<br />
» www.runge-bank.de<br />
Marktmonitor | 37
Tischtennisplatte Ludo<br />
Formschön, robust <strong>und</strong> sicher: Durch die geschwungene<br />
Form der neuen Tischtennisplatte<br />
von Stilum gibt es deutlich weniger Gefahrenecken<br />
für die <strong>Spiel</strong>er. Und das Edelstahlnetz ist<br />
quasi unkaputtbar. Mit 2,5 Meter Länge x<br />
1,5 Meter Breite bei 0,75 Meter Höhe hat die<br />
Tischtennisplatte Ludo sozusagen Idealmaße<br />
für alle <strong>Spiel</strong>er ab ca. 8 Jahre. Und bezahlbar<br />
ist sie auch noch – denn mit hochwertigen Designprodukten, die dennoch für jeden<br />
<strong>Spiel</strong>platz-Entscheider erschwinglich sind, defi niert sich das Konzept des Herstellers<br />
aus Rheinland Pfalz. Stilum erweitert mit der Tischtennisplatte Ludo sein Sport- <strong>und</strong><br />
Geschicklichkeitsgeräteprogramm für Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene.<br />
» www.stilum.de<br />
<strong>Spiel</strong>turm Vulkan<br />
Proludic hat sich in Deutschland als Hersteller qualitativ hochwertiger<br />
einzelner <strong>Spiel</strong>geräte für öffentliche <strong>Spiel</strong>plätze, Kindergärten <strong>und</strong> Schulen<br />
einen Namen gemacht. Größere Anlagen wie z.B. ´Vulkan´ in Loughborough,<br />
Leicestershire, England sind hier bisher noch nicht so bekannt. Wir fi nden,<br />
das sollte sich ändern! Der 6 Meter hohe <strong>Spiel</strong>turm ´Vulkan´ bietet bis<br />
zu vier unterschiedlich hohe <strong>Spiel</strong>ebenen, mit verschiedenen Aufstiegsmöglichkeiten,<br />
Brücken, Röhren- oder Bockrutschen, also vielfältige<br />
<strong>Spiel</strong>funktionen, Kletter- <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>möglichkeiten. Die Gestaltung kann<br />
auf Wunsch mit dem K<strong>und</strong>en angepasst werden.<br />
» www.proludic.de<br />
38 | Marktmonitor<br />
Bike-Park<br />
Endlich ist ein Fahrradständer auf den Markt gekommen,<br />
der für sich selbst spricht <strong>und</strong> auch ohne Fahrräder eine gute<br />
Figur macht. Das Design passt sich hervorragend sowohl an<br />
modern-trendige als auch an gemütlich-rustikale Umgebungen<br />
an. An einem ´Bike-Park´ lassen problemlos unabhängig voneinander<br />
vier Fahrräder sichern. Der Sportgerätehersteller Product<br />
<strong>Spiel</strong>-Sport-<strong>Freizeit</strong> aus der Gegend um Trier bietet<br />
drei Ausführungen an: feuerverzinkt oder feuerverzinkt in<br />
RAL-Farbe sowie in Edelstahl elektropoliert.<br />
» www.productssf.de
WC Tronic 402<br />
Gerade in Hinblick auf die demografi sche Entwicklung werden Toilettenhäuschen immer wichtiger. Denn Mann <strong>und</strong> Frau jenseits der 50<br />
müssen einfach öfter <strong>und</strong> viel spontaner. Stöer, auch für Außenwerbung bekannt, revolutioniert mit dem selbstreinigenden WC Tronic 402<br />
die Innenstädte. In Dresden wurde ein solches vollautomatisches WC bereits installiert. Laut Hersteller wird es alle weltweit verfügbaren<br />
Toiletten-Konzepte verbessern. Und das durch 14 Innovationen - die wichtigsten seinen hier genannt: Komplettreinigung von Topf, Brille,<br />
Urinal, Boden <strong>und</strong> WC-Rückwand; Vakuumtechnik zur Reduktion des Wasservolumens in einem öffentlichen Automatik-WC; vollständige<br />
Fußbodenreinigung, automatische Toilette, die in einer Sonderausstattung ohne Zu- <strong>und</strong> Abwasser durch ein integriertes Klärwerk unter dem<br />
Häuschen auskommen kann, bargeldloses Bezahlen <strong>und</strong> integriertes Infotainment in Waschtischspiegelfl äche möglich ist.<br />
» www.stroeer.com<br />
Kletterstrukturen<br />
Mit den Kletterstrukturen wirkt<br />
Richter <strong>Spiel</strong>geräte wachsender<br />
Bewegungsarmut <strong>und</strong> reduzierter<br />
Sinneserfahrung entgegen.<br />
Sie werden durch Palisaden aus<br />
besonders haltbarem Robinienholz<br />
gebildet, das zugleich große taktile<br />
Reize hat. Richter hat zwölf unterschiedliche<br />
Varianten defi niert. Zu<br />
jeder der zwölf Kletterstrukturen<br />
gehört ein Netzelement aus sechslitzigem<br />
Corocord-Seil in Herkulesmachart.<br />
Der Flächenbedarf<br />
variiert je nach Modell (inklusive<br />
Sicherheitsabstand) zwischen<br />
15 <strong>und</strong> 32 Metern in der Länge<br />
sowie ca. 5,5 <strong>und</strong> 13 Metern in<br />
der Breite.<br />
» www.richter-spielgeraete.de<br />
Marktmonitor | 39
40 | Portrait<br />
Gummi <strong>und</strong> Stahl<br />
im Zusammenspiel<br />
Die Freiraum-Branche mit ihren vielfältigen Bereichen von<br />
<strong>Spiel</strong>plätzen, Stadtmöbiliar, Bodengestaltung, Beleuchtung<br />
bis zu Werbefl ächen <strong>und</strong> Verkehrssystemen ist nahezu<br />
unüberschaubar. Als Planer kennt man meist die großen<br />
Händler, nicht aber die Hersteller. Wir möchten in dieser<br />
<strong>und</strong> den kommenden Ausgaben jeweils einen Hersteller<br />
vorstellen. Den Anfang machen wir mit Conradi+Kaiser<br />
aus Rheinland-Pfalz.<br />
Kleinmaischeid – schon mal davon gehört?<br />
Der kleine 1.400-Seelen-Ort in der Nähe von<br />
Neuwied <strong>und</strong> Koblenz ist interessanter, als der<br />
Name vermuten lässt: Zum einen war das Dorf<br />
von 2004 bis zur neusten EU-Erweiterung in<br />
2006 offi zieller geografi scher Mittelpunkt von<br />
Europa. Und zum anderen werden im Gewerbegebiet<br />
auf 20.000 Quadratmetern Produktionsfl<br />
äche etliche Millionen Euro jährlich mit Freiraum-Produkten<br />
umgesetzt. Kleinmaischeid ist<br />
Produktionsstätte, Entwicklungszentrum <strong>und</strong><br />
Firmensitz der Conradi+Kaiser GmbH. Hier werden<br />
Granulat-Bodensysteme <strong>und</strong> Vollgummisysteme<br />
für kommunale Freiräume, aber auch<br />
für Reitanlagen, Golf- <strong>und</strong> Sportplätze hergestellt.<br />
Weitere Produktionsschwerpunkte sind<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong> -zubehör aus Gummi <strong>und</strong><br />
Stahl sowie Verkehrsleitsysteme aus Kautschuk<br />
wie das Berliner Kissen. Die Geschäftsbereiche<br />
Spritzguss, Werkzeug- <strong>und</strong> Formenbau sowie<br />
technische Produkte sind vor Ort integriert.<br />
Neben der Serienproduktion fertigt das Unternehmen<br />
auch k<strong>und</strong>enspezifi sche Lösungen, wie<br />
z. B. eine Golfabschlagplatte, die inzwischen<br />
weltweit im Einsatz ist.
Von Null auf über 100 Mitarbeiter<br />
in 22 Jahren<br />
Die Conradi+Kaiser GmbH hat seit ihrer Gründung<br />
ein beträchtliches Wachstum erlebt: In<br />
den 80er Jahren startete der Vater des heutigen<br />
Geschäftsführers als Einzelunternehmer mit<br />
der Produktion von Gummiteilen. 1987 erweiterte<br />
er das Unternehmen um den Geschäftspartner<br />
Conradi, die GmbH wurde gegründet.<br />
Als erster Mitarbeiter wurde Klaus Kaiser 1989<br />
eingestellt, der trotz seines Hintergr<strong>und</strong>es als<br />
Betriebswirtschaftler seine ersten Jahre in der<br />
Produktion verbrachte. Vermutlich ist es diese<br />
Kombination aus intensiver Praxiserfahrung<br />
<strong>und</strong> betriebswirtschaftlichem Hintergr<strong>und</strong>, die<br />
den Unternehmer so erfolgreich macht.<br />
In den letzten 20 Jahren hat Conradi+Kaiser<br />
zahlreiche Patente <strong>und</strong> Geschmacksmuster<br />
im Bereich Fallschutz, Boden- <strong>und</strong> Verkehrsleitsysteme<br />
<strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>platzgeräte angemeldet.<br />
Die Mitarbeiterzahl wuchs von 1 auf über 100<br />
<strong>und</strong> die Exportquote liegt inzwischen bei 80<br />
Prozent. Im Laufe der Jahre kamen mehrere<br />
Tochterfi rmen hinzu, so z. B. zuerst ein Vulkanisierungsbetrieb,<br />
später ein Werkzeug- <strong>und</strong><br />
Sondermaschinenbaubetrieb. Zudem wurde die<br />
Produktion mit Spritzgussmaschinen erweitert.<br />
In Zeiten des Outsourcens sourcte Conradi+<br />
Kaiser in <strong>und</strong> bietet heute Sonderanfertigungen<br />
<strong>und</strong> die serienreife Umsetzung an. „Wir sind als<br />
kleine Unternehmensgruppe in der Lage, für<br />
den kommunalen Bedarf im Außenbereich als<br />
Vollsortimenter aufzutreten <strong>und</strong> haben uns bei<br />
einer Tageskapazität von beispielsweise 4.800<br />
m² Elastikplatten die Flexibilität erhalten, auch<br />
auf individuelle Wünsche einzugehen“, erläutert<br />
Kaiser das Spektrum der Möglichkeiten.<br />
Nach dem frühen Tod des Vaters führt Klaus<br />
Kaiser das Unternehmen seit elf Jahren allein.<br />
Seine Erfolgsgeschichte wurde 2006 mit dem<br />
„Großen Preis des Mittelstandes“ der Oskar-<br />
Patzelt-Stiftung gekrönt. Und es ist kein Ende<br />
in Sicht: „Die Krise spüren wir nicht,“ erklärt der<br />
elegante Mittvierziger, „da wir sowohl geo- als<br />
auch marktstrategisch breit aufgestellt sind.<br />
Es gibt durchaus Märkte <strong>und</strong> Länder, die weiterhin<br />
erfreulich wachsen.“ So exportiert das<br />
Unternehmen vor allem Gummibodensysteme<br />
für <strong>Spiel</strong>plätze, Golf- oder Reitanlagen schwerpunktmäßig<br />
in europäische Länder sowie nach<br />
Russland <strong>und</strong> Vorderasien. Überdies werden<br />
ständig neue Märkte weltweit erschlossen.<br />
Trotzdem hat er nie überlegt, die Produktion ins<br />
Ausland zu verlegen, im Gegenteil: Für nächstes<br />
Jahr ist eine Investition in Höhe von 3 Millionen<br />
Euro in den Standort Kleinmaischeid geplant.<br />
Kurze Wege, ausreichend Lagerfl äche <strong>und</strong> eine attraktive Arbeitsatmosphäre bietet der<br />
Standort Kleinmaischeid.<br />
Portrait | 41
Stahlspielgeräte <strong>und</strong> Gummiformteile sowie -bodensysteme von Conradi+Kaiser<br />
42 | Portrait<br />
„Wir streben an, vor allem neue Produkte,<br />
neue Design elemente, mit dem einzigartigen<br />
Materialzusammenspiel Gummi <strong>und</strong> Stahl in<br />
den Markt zu bringen. Beide sind unendlich<br />
fl exibel in der Formgebung <strong>und</strong> machen in<br />
Bezug auf Langlebigkeit, Qualität, Haptik in<br />
allen Klimazonen Sinn.“<br />
Klaus Kaiser, geschäftsführender Gesellschafter von<br />
Conradi+Kaiser<br />
Qualitätsstrategie „Made in Germany“<br />
Conradi+Kaiser hat es sich zum Ziel gesetzt,<br />
seine Wiederverkäufer <strong>und</strong> Endabnehmer mit<br />
einer konsequenten Qualitätsstrategie zu überzeugen:<br />
So fi ndet die gesamte Produktion von<br />
der Entwicklung bis zur Auslieferung in Kleinmaischeid<br />
unter den Augen des Chefs statt.<br />
Auf Umwege in der Produktionskette über Billiglohnländer<br />
verzichtet der Hersteller bewusst<br />
zugunsten der lückenlosen Qualitätskontrolle.<br />
Zudem garantieren die eigene Konstruktionsabteilung<br />
<strong>und</strong> der eigene Formenbau eine schnelle<br />
Umsetzung von K<strong>und</strong>enwünschen <strong>und</strong> eigenen<br />
Innovationen. An seinem Anspruch lässt sich<br />
Kaiser messen: „Auf Wunsch liefern wir zusammen<br />
mit einer Lieferung – beispielsweise Fall-<br />
schutzplatten – aktuelle Prüfungsergebnisse<br />
dieser Charge mit, um die Fallschutzergebnisse<br />
<strong>und</strong> damit die Normkonformität für die Produkte<br />
aktuell nachzuweisen.“<br />
<strong>Spiel</strong>platz- <strong>und</strong> Public-Design: Stahl<br />
<strong>und</strong> Gummi im Zusammenspiel<br />
Als entscheidenden Faktor sieht der Unternehmer<br />
die Innovationskraft seines Hauses: So beschäftigt<br />
er in der Entwicklungsabteilung zwei<br />
Techniker <strong>und</strong> eine Produktdesignerin. Hier wird<br />
beständig an neuen Materialien, Verfahren <strong>und</strong><br />
Produkten gearbeitet, hier entstanden Innovationen<br />
wie erst kürzlich patentierte Rasengittersteine,<br />
außerdem Gummi-Beton-Gummi-<br />
Fliesen, Altstadtpfl aster aus Gummi sowie<br />
Kunststoffrastersysteme mit Kautschukbelag.<br />
Zudem ist hier das gesamte <strong>Spiel</strong>gräte- <strong>und</strong><br />
Public-Design-Programm der Marke stilum<br />
entstanden. In Zukunft will Conradi+Kaiser vor<br />
allem weitere neue Produkte mit in der Kombination<br />
von Gummi <strong>und</strong> Stahl in den Markt<br />
bringen. Zahlreiche im Markt etablierte <strong>Spiel</strong>platzgeräte<br />
<strong>und</strong> Public-Design-Objekte zeigen<br />
heute schon, dass er damit richtig liegt. Es ist<br />
schwer zu sagen, wie viele Freiraum-Produkte<br />
in Deutschlands Städten <strong>und</strong> Gemeinden aus<br />
der Produktion in Kleinmaischeid stammen –<br />
sicher ist aber, dass sich Conradi+Kaiser über<br />
seine Wiederverkäufer einen bedeutenden<br />
Marktanteil erobert hat. D.T.
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Portrait | 43
44 | Gesellschaft<br />
Foto: fotolia.com
Freifl äche Friedhof<br />
Wandel in der Bestattungskultur<br />
Mit der Veränderung der Gesellschaft geht eine Veränderung der Bestattungskultur<br />
einher. Dies erfordert neue Angebote auf allen Friedhöfen, unabhängig<br />
von der Trägerschaft durch Kirchen oder Kommunen. Kolumbarien, Baumbestattungen<br />
<strong>und</strong> andere Möglichkeiten sollten rechtzeitig eingeplant werden,<br />
um den Bedarf zeitgemäß zu decken. Wir haben schöne Beispiele gef<strong>und</strong>en.<br />
Die Feuerbestattung verdrängt immer mehr<br />
die klassische Erdbestattung – unsere Sepulkralkultur<br />
befi ndet sich im Wandel. Friedhofsbetreiber<br />
müssen sich rechtzeitig über Angebote,<br />
Flächenplanung <strong>und</strong> Kostendeckung<br />
Gedanken machen. Der Wandel ist durch vielfältige<br />
Faktoren bedingt: So kostet eine klassische<br />
Erdbestattung mit 25-jähriger Liegezeit<br />
<strong>und</strong> traditioneller Trauerfeier durchschnittlich<br />
zwischen 5.000 <strong>und</strong> 7.000 Euro – ohne Grabstein<br />
<strong>und</strong> ohne Grabpfl egekosten. Es ist leicht<br />
nachvollziehbar, dass sich das immer weniger<br />
Hinterbliebene leisten können <strong>und</strong> dass sich<br />
viele wünschen, ihre Hinterbliebenen nicht<br />
mit diesen Summen belasten zu müssen. Hinzu<br />
kommt, dass sich seit dem Wegfall des Sterbegeldes<br />
der Krankenkassen 2004 der Rahmen des<br />
zur Verfügung stehenden Geldes geändert hat.<br />
Wohl auch deshalb erfreuen sich seit einiger<br />
Zeit Billigbestattungen für unter Tausend Euro<br />
großer Nachfrage. Außerdem benötigen immer<br />
mehr Menschen eine Sozialbestattung durch<br />
die Kommunen. Zudem sind Tod <strong>und</strong> Trauer in<br />
der Leistungsgesellschaft ein tabuisierter Bereich,<br />
der eher verborgen durchlebt wird – so<br />
haben breit in der Gesellschaft verankerte Bestattungs-<br />
<strong>und</strong> Trauerrituale an Bedeutung verloren.<br />
Neue entstehen. Die Anbindung an religiöse<br />
Traditionen lässt einerseits stark nach <strong>und</strong><br />
erweitert sich andererseits um Religionen aus<br />
anderen Kulturkreisen.<br />
Man muss man sich heute auch fragen, ob lange<br />
Liegezeiten überhaupt noch Sinn machen,<br />
denn durch wechselnde Familienformen <strong>und</strong><br />
eine mobile Gesellschaft befi nden sich Angehörige<br />
oft gar nicht mehr in der Nähe des Gra-<br />
bes. Oder es gibt schlicht keine Angehörigen<br />
mehr. Kurzum: Die Gesellschaft braucht Bestattungsformen,<br />
bei denen die Kosten <strong>und</strong> der<br />
Grabpfl egeaufwand verringert sind. Professor<br />
Reiner Sörries, Direktor des Kasseler Museums<br />
für Sepulkralkultur, schrieb in Hinblick auf die<br />
Tendenzen der europäischen Friedhofskultur: „<br />
… Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis der<br />
Friedhofszwang wie in vielen anderen europäischen<br />
Ländern schwindet, oder etwa das deutsche<br />
Meisterprivileg für die Grabmalbranche<br />
fällt, <strong>und</strong> ausländische Anbieter noch aggressiver<br />
als bisher auf den Markt drängen <strong>und</strong> die<br />
Friedhofslandschaft verändern. Das <strong>Spiel</strong> der<br />
freien Kräfte wird immer turbulenter. Konzentrationen<br />
auf dem Bestattungsmarkt sind die<br />
ersten Vorboten dieser zwangsläufi g kommenden<br />
Entwicklung. Wir wissen noch nicht genau,<br />
was sie mit sich bringt, zweifellos liegen die<br />
Feuerbestattung <strong>und</strong> die Fragen der Ökonomie<br />
im europäischen Trend.“<br />
Im Trend:<br />
individuelle Bestattungsrituale<br />
Neben dem Kosten- <strong>und</strong> Grabpfl egefaktor lässt<br />
sich eine weitere Anforderung ausmachen: die<br />
Individualisierung. Einstige religiöse Rituale<br />
werden mit individuellen ersetzt. Ein Vorbote<br />
einer ganz neuen individuellen Sepulkralkultur<br />
ist das uns heute vielleicht noch als kurios<br />
erscheinende Beispiel des ersten europäischen<br />
Fußball-Friedhofes des HSV in Hamburg: Eine<br />
letzte Ruhestätte direkt am Stadion mit treppenförmig<br />
aufsteigend angeordnete Grabreihen<br />
als Miniaturstadion, Urnen in Blau-Weiß,<br />
mit der Vereinsraute verzierte Särge <strong>und</strong> die<br />
Gesellschaft | 45
Schlusspfi ff in allen Vereinsehren: Fußball-Friedhof für HSV-Fans in Hamburg.<br />
46 | Gesellschaft<br />
Stadionhymne am offenen Grab: All das bietet<br />
der HSV seinen Vereinsmitgliedern beim<br />
„Schlusspfi ff in allen Vereinsehren“. Der Platz<br />
in der Fankurve lässt sich so auch fürs Jenseits<br />
sichern.<br />
Würde - eine Frage des Preises?<br />
Wie so oft als Begleiterscheinung eines Wandels<br />
wehren sich einige Interessengruppen, die<br />
existenziell mit den alten Traditionen verb<strong>und</strong>en<br />
sind, gegen die Neuerungen <strong>und</strong> geben<br />
zu bedenken, dies alles sei ein Zeichen von<br />
Werteverfall <strong>und</strong> Würdelosigkeit. Aber warum<br />
sollte eine kostengünstige Bestattung würdelos<br />
sein? Wenn Würde <strong>und</strong> der Ausdruck von Liebe<br />
tatsächlich davon abhängen, ob man seine<br />
Angehörigen für 1.000 oder für 10.000 Euro<br />
zur letzten Ruhe bettet – ja: dann sollte man<br />
wirklich von Werteverfall sprechen. Leider wird<br />
Angehörigen häufi g suggeriert, der Preis mache<br />
die Würde.<br />
In Hinblick auf möglichen Verfall der Traditionen<br />
empfi ehlt Professor Reiner Sörries zukünftige<br />
Bestattungskultur rechtzeitig mitzugestalten,<br />
statt sich gegen Neues zu wehren: „Lösungen,<br />
die einerseits der Notwendigkeit einer zeitgemäßen<br />
Friedhofskultur <strong>und</strong> andererseits dem<br />
wünschenswerten Kulturauftrag gerecht werden<br />
sollen, müssen parallel zu den geschilderten<br />
Trends entwickelt werden <strong>und</strong> dürfen ihnen<br />
nicht widersprechen. Es wäre eine fatale Vorstellung,<br />
wollte man glauben, Friedhofskultur<br />
gegen die bestehenden Trends fortschreiben zu<br />
können.“ Die FreeLounge hat sich umgesehen<br />
<strong>und</strong> einige Beispiele für zukunftsfähige Alternativen<br />
zum teuren Reihenerdgrab zusammen<br />
gestellt.<br />
Königlich gebettet:<br />
Cheops-Urnenpyramide<br />
Im Saarland fi ndet man eine besonders schöne<br />
Form des Kolumbariums, die Urnenpyramide<br />
der Cheops Kolumbarien GmbH. Sie wirkt offener<br />
<strong>und</strong> lichter als eine Urnenwand. Bisher<br />
fi nden sich drei dieser Bauwerke auf dem Friedhof<br />
Riegelsberg <strong>und</strong> zwei auf dem Hauptfriedhof<br />
Saarbrücken. „Die Pyramiden kommen bei<br />
den Nutzern sehr gut an“ erklärt Rudolf Zarth,<br />
Hersteller <strong>und</strong> Betreiber der Anlage. „In Saarbrücken<br />
waren so viele Vorkäufe bei der Eröffnung<br />
der ersten vorhanden, dass wir sofort eine<br />
zweite bauen mussten.“<br />
Die Grabkammer in der Cheops-Urnenpyramide<br />
benötigt keinen Pfl egeaufwand seitens der Hinterbliebenen.<br />
Um den Verstorbenen zu ehren,<br />
können Kerzen <strong>und</strong> Blumenschmuck auf die<br />
Granitbalustrade vor die Kammertür gestellt<br />
werden – eine Möglichkeit, die viele klassische<br />
Urnenwände oft nicht bieten. Bis zu vier Urnen<br />
können in derselben Kammer beigesetzt werden.<br />
Rudolf Zarth, erläutert den Kostenaspekt:<br />
„Da die Tür der Urnenkammer mit allen Daten<br />
des Verstorbenen den meist teuren Grabstein<br />
ersetzt, ergibt sich schon hier ein erheblicher<br />
Kostenvorteil. Es entfällt das Ausheben <strong>und</strong><br />
Verfüllen eines Urnengrabes.“<br />
Foto: HSV
Foto: Cheops Kolumbarien GmbH<br />
In Anlehnung an eine der beeindruckensten Bestattungskulturen<br />
kommt die Pyramide im Saarland zu neuen Ehren.<br />
Zudem bietet die Anlage die größtmögliche Flexibilität:<br />
Wenn Hinterbliebene möchten, kann<br />
die Urne jederzeit dauerhaft in das Innere der<br />
Pyramide verbracht werden. Die Urnenkammer<br />
wird dann wieder frei, die Miete entfällt <strong>und</strong> die<br />
Urne hat einen würdigen Ruheplatz.<br />
Flexibel: Urnensysteme mit<br />
modularem Aufbau<br />
Die meisten Anbieter von Urnenkammern für<br />
den Außenbereich bieten modular aufgebaute<br />
Systeme an, mit denen bestimmte Bereiche des<br />
Friedhofs fl exibel auf die Urnenbestattung umgestellt<br />
werden können. Ob Stelen oder Wände:<br />
Gerade mit modularen Urnensystemen lässt<br />
sich das Angebot behutsam in die Friedhofsgestaltung<br />
integrieren <strong>und</strong> nach Bedarf erweitern.<br />
Ein schönes Beispiel fi ndet sich in Völkingen,<br />
wo Stelen der Firma Paul Wolff Steinschrank<br />
Manufaktur naturnah in den Waldfriedhof integriert<br />
wurden.<br />
Ein Beispiel für eine Lösung für eine große<br />
Menge an Urnenplätzen fi ndet sich unter anderem<br />
in Mülheim Dümpten: Hier wurden Urnenwände<br />
mit Urnenerdgräbern kombiniert.<br />
Die Elemente aus dem Urnenwandsystem wurden<br />
so gruppiert, dass drei offene Kolumbarien<br />
entstanden sind, die sich räumlich voneinander<br />
abgrenzen. Hierzu wurden Eckelemente so eingefügt,<br />
dass sie eine räumliche <strong>und</strong> optische<br />
Trennung bewirken. Die Urnenerdgräber befi nden<br />
sich jeweils in der Mitte. Durch die Kombination<br />
der beiden Bestattungsformen entsteht<br />
eine besondere Atmosphäre, die keine der beiden<br />
Grabanlagen alleine erreicht hätte.<br />
Innenraum-Kolumbarium<br />
Daneben gibt es auch leichtere Urnenkammersysteme,<br />
die schnell <strong>und</strong> fl exibel von Arbeitern<br />
ohne Gerät an Ort <strong>und</strong> Stelle in Innenräumen<br />
aufgestellt werden können – so wird aus einer<br />
ungenutzten Kirche, einer historischen Halle<br />
oder einem Stadthaus ein würdiges <strong>und</strong> vor<br />
allem wetterunabhängiges Kolumbarium. Auch<br />
so kann eine Gemeinde Immobilien um- oder<br />
zwischennutzen <strong>und</strong> dabei gleich den Bedarf<br />
an Alternativen zur Erdbestattung im Sarg decken.<br />
Ein Vorteil aller Kolumbarien liegt übrigens<br />
im Raumbedarf: Er ist naturgemäß im<br />
Vergleich zu Gräbern sehr gering. Die „Interessengemeinschft<br />
Alt-Katholische Kolumbarien<br />
<strong>und</strong> andere Friedhöfe“ hat in Düsseldorf zwei<br />
<strong>und</strong> in Duisburg eines solcher Kolumbarien in<br />
Stadthäusern errichtet: Sie stehen allen Menschen<br />
mit <strong>und</strong> ohne Konfession zur Verfügung<br />
<strong>und</strong> bieten einen angenehmen, wetterunabhängigen<br />
Raum zum Besuch der Verstorbenen.<br />
„Unser Angebot wurde seit der Eröffnung am<br />
31. Mai 2006 so gut angenommen, dass wir<br />
die Urnenkammern um 50 auf 120 erhöht haben.<br />
Das zweite Düsseldorfer Kolumbarium mit<br />
weiteren 260 Urnennischen soll noch in diesem<br />
Jahr im Bestattungshaus Frankenheim eröffnet<br />
werden. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass<br />
die Kolumbarien von allen Amtskirchen genutzt<br />
werden.“ So Claus Frankenheim, Geschäftsführer<br />
des gleichnamigen Bestattungshauses <strong>und</strong><br />
Betreiber der Anlage.<br />
Die Grabgemeinschaft in<br />
vielfältigen Formen<br />
Eine pfl egeleichte <strong>und</strong> kostengünstige Alternative<br />
zum Einzelgrab stellen Gemeinschaftsgräber<br />
dar, die allerorts mehr werden. Diese sind vielen<br />
Menschen bisher nur als anonyme Grabstellen<br />
bekannt. Dazu erklärt Dipl.-Ing. Klaus Güß,<br />
Landschaftsplaner des Kasseler Büros Planrat,<br />
dass sich auf die Planung <strong>und</strong> Realisierung von<br />
Friedhöfen spezialisiert hat: „Die große Verbreitung<br />
der anonymen Urnengräber rührt daher,<br />
Foto: Paul Wolff Steinschrank Manufaktur<br />
Urnenstelen im Einklang mit der Natur.<br />
Waldfriedhof Völkingen.<br />
Gesellschaft | 47
Foto: Paul Wolff Steinschrank Manufaktur<br />
Großes Open Air Kolumbarium in Mülheim Dümpten mit 240 Urnenplätzen.<br />
Foto: www.planrat.de<br />
Gemeinschaftsgrab in Geesthacht mit Namenstele.<br />
Foto: www.planrat.de<br />
Pfl egeleichte Reihengräber auf dem Waldfriedhof in Geesthacht.<br />
48 | Gesellschaft<br />
Foto: Bestattungshaus Frankenheim<br />
Innenraum-Kolumbarium in Düsseldorf.<br />
dass es lange Zeit das einzige für die Hinterbliebenen<br />
‚pfl egefreie’ Bestattungsangebot<br />
darstellte. Die Anonymität war dabei selten dezidiert<br />
gewünscht, sondern wird meist eher als<br />
Nebeneffekt ertragen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e gilt<br />
heute die Suche nach besseren Konzepten, die<br />
den Grabnutzern sowohl Pfl egefreiheit als auch<br />
eine würdige Gestaltung verb<strong>und</strong>en mit einer<br />
Namensinschrift bieten. Die denkbaren Lösungen<br />
dazu sind vielfältig: z. B. gemeinschaftliche<br />
Grabfelder mit Sitzangeboten <strong>und</strong> attraktiven,<br />
professionell-gepfl egten Zierpfl anzungen oder<br />
pfl egeleichte Rasengräber, bei denen die Hinterbliebenen<br />
noch einen kleinen Streifen an eigenem<br />
Pfl anzbeet selbst gestalten können.<br />
Die Friedhofsverwaltungen bieten damit Entlastung<br />
von der Bürde der Grabpfl ege <strong>und</strong><br />
Raum für eine zeitgemäße Trauerbewältigung.“<br />
Als Beispiel dafür realisierte Planrat ein Gemeinschaftsgrab<br />
in Geesthacht, das besonders<br />
durch die mittige Stele mit Namenstafeln auffällt:<br />
Diese werden jeweils um den Namen eines<br />
Verstorbenen erweitert.<br />
Der Wandel von der Erd- zur Feuerbestattung<br />
vollzieht sich langsam, aber stetig, in Großstädten<br />
lassen sich schon 50 bis 80 Prozent<br />
einäschern: Aber noch gibt es das klassische<br />
Reihenerdgrab für den Sarg. Eine hohe Nachfrage<br />
vermelden die Spezialisten von Planrat<br />
allerdings für die pfl egeleichte Variante des gemeinschaftlichen<br />
Reihengrabfeldes: Ein solches<br />
wurde beispielsweise ebenfalls auf dem Waldfriedhof<br />
Geesthacht realisiert. Hier ruht der<br />
Hauptteil des Grabes unter einer Rasenfl äche.<br />
Am den Kopfenden befi nden sich individuelle<br />
Grabsteine mit Minimalbepfl anzung <strong>und</strong> eine<br />
Reihe Apfelbäume.<br />
Sehr schön <strong>und</strong> sehr symbolisch wirkt ein Urnen-Gemeinschaftsgrab,<br />
wenn es um einen<br />
Baum angelegt ist: In einem separaten Fried-
Foto: www.ruhegemeinschaften.info<br />
Die Ruhegemeinschaft „Baumesruh“ wurde im April mit den ersten acht Urnenplätzen eröffnet.<br />
hofsareal des Nienburger Friedhofes wurde die<br />
Ruhegemeinschaft Baumesruh errichtet <strong>und</strong> im<br />
April eingeweiht. Diese hochwertige Grabanlage<br />
ist mit einer Granitsteinkante eingefasst.<br />
In den vier Ecken der Grabanlage steht jeweils<br />
eine kleine Granitsäule. Hierauf werden die Namen<br />
der<br />
Verstorbenen eingraviert. Im Zentrum der Grabstätte<br />
steht ein Ginkgo-<br />
Baum als Symbol für Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Zuneigung.<br />
In dieser Ruhegemeinschaft können<br />
insgesamt acht Urnen bestattet werden. Die<br />
Hinterbliebenen haben die Möglichkeit Blumensträuße<br />
niederzulegen <strong>und</strong> sind über die<br />
Laufzeit von 25 Jahren von der Grabpfl ege befreit.<br />
Kommunale Flächen für<br />
Waldbestattungen<br />
Seid die Unternehmen Friedwald <strong>und</strong> Ruheforst<br />
als Partner des kommunalen oder kirchlichen<br />
Trägers von Bestattungswäldern mit ihren Angeboten<br />
so erfolgreich sind, dass man allerorts<br />
„Friedwald“ oder „Ruheforst“ nicht für eine<br />
Marke, sondern für die Bestattungsart hält, ist<br />
klar, dass solche Waldstücke von jeder Kommune<br />
bei ihren Zukunftsplanungen berücksichtigt<br />
werden sollten. Bei der Baumbestattung wird<br />
die Asche in verrottbaren Urnen begraben <strong>und</strong><br />
geht später in den Kreislauf der Natur über. Ein<br />
Namensschild am Baum macht auf die Grabstätte<br />
aufmerksam. Die Bäume werden zum<br />
natürlichen Grabmal. Welche Rituale die Beisetzung<br />
begleiten, ist eine individuelle Frage:<br />
Christliche Beisetzungen sind ebenso üblich<br />
wie alternative Formen.<br />
„Nur standortgerechte Laubwälder, mit einem<br />
geringen waldbaulichen Risiko, kommen für die<br />
langfristige Anlage eines solchen Bestattungswaldes<br />
in Frage.“ erfährt man auf der Webseite<br />
der Ruheforst GmbH. Da ein Wald nur langsam<br />
wächst, planen vorausschauende Kommunen<br />
die Anlage oder Umnutzung vorhandener<br />
Waldfl ächen deshalb jetzt schon ein, auch<br />
wenn sich der Trend in ihrer Region erst langsam<br />
abzeichnet. Interessenten erfahren zum<br />
Beispiel auf der Webseite von Friedwald, wie<br />
die Zusammenarbeit organisiert ist: „Die Ausweisung<br />
<strong>und</strong> Genehmigung von Friedwäldern<br />
ist eine Gemeinschaftsleistung von Kommunen,<br />
Waldbesitzern, Forstverwaltungen <strong>und</strong> dem<br />
Unternehmen Friedwald. Die strengen Bestattungsgesetze<br />
in Deutschland erlauben die Realisierung<br />
von Friedwäldern nur in Kooperation<br />
mit einem kommunalen oder kirchlichen Träger.<br />
Diese Partnerschaft garantiert Sicherheit durch<br />
einen öffentlich-rechtlichen Träger, bietet zugleich<br />
die Flexibilität <strong>und</strong> die infrastrukturellen<br />
Möglichkeiten der privaten Partner <strong>und</strong> die<br />
Kompetenz jedes einzelnen Waldbesitzers.“<br />
Aschestreuwiesen als überirdische<br />
Alternative<br />
Wie bei der Baumbestattung liegt bei der Verstreuung<br />
der Asche der Gedanke zugr<strong>und</strong>e, den<br />
Verstorbenen in den Kreislauf der Natur zurück<br />
zu führen. Hier kommt noch die Symbolik der<br />
Freiheit der Asche hinzu, denn nicht jeder kann<br />
sich mit der Vorstellung arrangieren, in einem<br />
dunklen Gefäß – sei es Sarg oder Urne – zu<br />
enden. Je nach Anbieter ist diese Bestattungsart<br />
anonym oder kann auch mit Namentafeln<br />
gestaltet werden. Die erste Aschestreuwiese<br />
wurde 1985 in Rostock eröffnet, weitere fi nden<br />
sich vor allem in den östlichen B<strong>und</strong>esländern.<br />
Auch hier steigt die Nachfrage. Die strengen<br />
Bestimmungen lassen Aschestreuwiesen aber<br />
noch nicht in allen B<strong>und</strong>esländern zu.<br />
Foto: www.ruhegemeinschaften.info<br />
Gesellschaft | 49
Foto: FriedWald/Annette Schön<br />
Waldbestattungen sind im Trend.<br />
Foto: AFD, Museum für Sepulkralkultur Kassel<br />
Das Sepulkralmuseum in Kassel bietet interessante Einblicke in die internationale Bestattungskultur.<br />
Bild: Hahn, fi gürlicher Sarg aus Ghana, Paa Joe, um 1996<br />
Links<br />
www.cheops-kolumbarien.de<br />
www.paulwolff.de<br />
www.kolumbarium.org<br />
www.friedwald.de<br />
www.ruheforst.de<br />
www.gemeinschaftsgrab.de<br />
www.ruhegemeinschaften.info<br />
www.planrat.de<br />
www.sepulkralmuseum.de<br />
50 | Gesellschaft<br />
Wachsender Bedarf an muslimischen<br />
Grabstätten<br />
Noch lassen sich die meisten der in Deutschland<br />
lebenden Muslime nach ihrem Tod in ihrem<br />
Ursprungsland überführen. Künftig wird es<br />
aber immer mehr muslimische Verstorbene geben,<br />
die hier geboren sind <strong>und</strong> für immer bleiben<br />
möchten. „Für immer“ ist dabei wörtlich zu<br />
nehmen: Nach muslimischer Sitte müssen Verstorbene<br />
auf ewig gen Mekka gerichtet in Erde<br />
liegen, in denen noch kein Toter gelegen hat.<br />
Das Grab darf nicht, wie in Deutschland üblich,<br />
nach etwa 25 Jahren aufgelöst werden. Zudem<br />
gilt derzeit in Deutschland noch der Sargzwang<br />
für alle Verstorbenen unabhängig von der Bestattungsart.<br />
Muslime werden hingegen in Leinentücher<br />
gewickelt <strong>und</strong> so begraben. Auch die<br />
Foto: FriedWald/Corinna Brod<br />
Unter Bäumen kommen verrottbare Urnen zum<br />
Einsatz.<br />
Grabgestaltung ist nach ihren Traditionen nicht<br />
immer Friedhofssatzungs-konform. In Niedersachsen<br />
bemüht man sich schon lange um<br />
angemessen Angebote: So gibt es seit 1989 in<br />
Hannover ein muslimisches Grabfeld. Seit 2005<br />
hat Niedersachsen die rechtlichen Voraussetzungen<br />
für weitere geschaffen <strong>und</strong> im Januar<br />
dieses Jahres wurde die „Arbeitsgemeinschaft<br />
muslime Bestattungen für Friedhöfe in Hannover“<br />
gegründet, die als Ansprechpartner zwischen<br />
allen Interessengruppen vermitteln.<br />
Sepulkralmuseum in Kassel<br />
Diejenigen, die durch die Veränderungen in der<br />
Bestattungskultur gleich den Niedergang der<br />
Kultur schlechthin befürchten, kann diese Sorge<br />
durch den Blick auf die Geschichte genommen<br />
werden: Zu allen Zeiten hatten Menschen<br />
ihre eigene, zu ihren lokalen <strong>und</strong> klimatischen<br />
Bedingungen, ihren religiösen oder spirituellen<br />
Ideen <strong>und</strong> ihren Lebensumständen passende Bestattungskultur.<br />
Welche das im Einzelnen war,<br />
ist im Sepulkralmuseum in Kassel zu sehen. Es<br />
bietet durch Blicke in alle Kulturen <strong>und</strong> Zeiten<br />
interessante Inspirationen für den kommunalen<br />
Planer. Die jetzigen Veränderungen in der deutschen<br />
Bestattungskultur läuten eine neue Zeit<br />
ein mit erweiterten individuellen <strong>Spiel</strong>räumen<br />
für den Ausdruck von Liebe <strong>und</strong> Trauer jenseits<br />
starrer Vorschriften. So, wie es in unseren<br />
Nachbarländern - allen voran der Schweiz <strong>und</strong><br />
den Niederlanden - schon lange gang <strong>und</strong> gäbe<br />
ist. Vielleicht ist diese neue Bestattungskultur<br />
in ihrer individuellen Vielfalt ehrlicher <strong>und</strong><br />
herzlicher als das traditionell bekannte. Und<br />
fi nanziell realistischer. Ganz sicher aber nicht<br />
würdeloser. D.T.
<strong>Spiel</strong>platz als<br />
alkoholfreie Zone<br />
Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren. Nun ja, wenn es bei einem<br />
Gläschen bleibt <strong>und</strong> der jeweilige Konsument alt genug ist, richtig darüber zu<br />
entscheiden, ob er Alkohol zu sich nehmen will oder nicht. Aber Alkohol auf<br />
<strong>Spiel</strong>plätzen ist sehr problematisch.<br />
Oft sind die Konsumenten eigentlich dem Alter<br />
entwachsen, das für <strong>Spiel</strong>plätze vorgesehen ist.<br />
Und abgesehen von einer schlechten Vorbildfunktion<br />
kommt oft noch hinzu, dass <strong>Spiel</strong>fl ächen<br />
nach einem abendlichen Zechgelage mit<br />
leeren <strong>und</strong> sogar zerbrochenen Flaschen verunziert<br />
sind. Gleichzeitig werden die Kinder, die<br />
trinken immer jünger, Mehr <strong>und</strong> mehr sind es<br />
auch Mädchen. Den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit<br />
ganz zu verbieten ist eine zu große<br />
Keule. Wo bleiben das Stadtfeste, Weihnachtsmärkte<br />
<strong>und</strong> Rockkonzerte? Welcher Verein<br />
möchte schon gerne auf die Einnahmen eines<br />
Bierpilzes oder eine Glühweinbude verzichten?<br />
Pro <strong>und</strong> Kontra<br />
Derzeit wird ein Alkoholverbot auf <strong>Spiel</strong>plätzen<br />
jedenfalls eifrig diskutiert. In Kornwestheim will<br />
sich die Stadt zunächst auf <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Bolzplätze<br />
sowie Skateranlagen beschränken, da in Stellungnahmen<br />
vom Regierungspräsidium Stuttgart<br />
<strong>und</strong> vom Städtetag Baden-Württemberg<br />
ein generelles Alkoholverbot auf öffentlichen<br />
Plätzen aus rechtlichen Gründen nicht durchsetzbar<br />
ist. Stellen Sie einfach vor, Sie könnten<br />
in der Außengastronomie auch nicht ein Glas<br />
Wein trinken. Drinnen dürften Sie sich jedoch<br />
richtig zudröhnen. Ja, ja, der Chiantiwein…<br />
Ob die Polizeiverordnung der Stadt Freiburg mit<br />
dem geltenden Recht vereinbar ist, das prüft<br />
derzeit der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.<br />
Sollten die Richter zu der Erkenntnis<br />
kommen, dass Freiburg den Alkoholkonsum auf<br />
Straßen <strong>und</strong> Plätzen verbieten darf, will auch<br />
Kornwestheim noch einmal über eine Änderung<br />
der Polizeiverordnung nachdenken.<br />
Gute Erfolgsquote in Wuppertal<br />
Seit April 2008 ist es in Wuppertal nicht mehr<br />
erlaubt, auf <strong>Spiel</strong>fl ächen alkoholische Getränke<br />
bei sich zu führen oder zu konsumieren.<br />
Von Mai 2008 bis April <strong>2009</strong> kontrollierte der<br />
Ordnungsdienst auf den 84 <strong>Spiel</strong>plätzen <strong>und</strong><br />
28 Grünfl ächen etwa 15.000 Mal, ob die neue<br />
Regelung eingehalten wurde. 69 Verstöße sind<br />
registriert worden. Wer erwischt wurde, musste<br />
mit einer Anzeige rechnen. Die Bilanz dieses<br />
Jahres: Beschwerden über Alkohol konsumierende<br />
Personen auf <strong>Spiel</strong>plätzen ist rückläufi g.<br />
Der Ordnungsdienst kündigt an, weiterhin in<br />
dieser Dichte – auch außerhalb der Regelarbeitszeit<br />
– zu kontrollieren.<br />
In manchen Städten gehen einige Parteivertreter<br />
so weit zu sagen, dass man den Eltern<br />
nicht ein gemütliches Gläschen verbieten sollte,<br />
während sich ihre Kleinen an den <strong>Spiel</strong>geräten<br />
austoben. Da wäre es doch eine gute Überlegung,<br />
ob sich nicht die Betreuungskräfte in Kindergärte<br />
während der Dienstzeit ein Likörchen<br />
genehmigen. Oder dass der Lehrer auf seinem<br />
Pult einen Klaren stehen hat. Na ja, in den 50er<br />
<strong>und</strong> 60er Jahren gab es auch Kindergläser für<br />
Wein, oder Kleinen durften schon mal am Eierlikör<br />
probieren.<br />
Wie dpa mitteilte hat sich die Deutsche Polizeigewerkschaft<br />
für ein Alkoholverbot auf allen<br />
Berliner <strong>Spiel</strong>plätzen ausgesprochen. Es reiche<br />
nicht aus, dass nur ein Bezirk ein solches Verbot<br />
einführe. So darf in Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
auf <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Bolzplätzen kein Alkohol<br />
mehr getrunken werden. Ein Schild mit zwei rot<br />
durchgestrichenen Flaschen <strong>und</strong> der Aufschrift<br />
„Alkoholverbot“ weist darauf hin.<br />
Alkohol? Bitte nicht hier!<br />
Wir meinen jedenfalls, dass ein generelles Alkoholverbot<br />
auf <strong>Spiel</strong>plätzen durchaus akzeptabel<br />
<strong>und</strong> sinnvoll ist. Trinken kann man an so vielen<br />
Plätzen. Da müssen es nicht gerade <strong>Spiel</strong>plätze<br />
sein. L.K.<br />
Gesellschaft | 51
52 | Gesellschaft<br />
Shared Space<br />
Zukunftsmodell oder Nischenlösung?<br />
Die Idee klingt verlockend: Straßen als Raum für Alle. Es gibt keine Verkehrszeichen,<br />
keine Trennung von Fahrbahn, Radweg <strong>und</strong> Bürgersteig. Es gibt nur<br />
zwei Regeln: rechts fahren <strong>und</strong> recht vor links. Blickkontakt <strong>und</strong> Anstand<br />
regeln den Verkehr. Durch Verunsicherung <strong>und</strong> Rücksichtnahme entsteht Sicherheit.<br />
Es kommt soziales Leben auf die Straßen, die Emissionen werden<br />
verringert <strong>und</strong> die Lebensqualität allgemein gesteigert. Das sind doch gute<br />
Aussichten. Funktioniert diese Idee in der Praxis?<br />
Das Mischprinzip des Nebeneinanders von Fußgängern,<br />
Radfahrern <strong>und</strong> Autos ist im Gr<strong>und</strong>e<br />
nicht neu. Noch Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
teilten sich die unterschiedlichsten Akteure den<br />
Straßenraum. Dann wurden die ersten Straßen<br />
gepfl astert <strong>und</strong> später Bürgersteige angelegt,<br />
damit das Bürgertum nicht im Schmutz der<br />
Rinnsteine gehen musste. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
wurden erste Verkehrsregulierungen vorgenommen.<br />
Beispielsweise entstand die erste ampelgeregelte<br />
Fußgängerfurt. 1905 veröffentlichte<br />
Eugène Hénard „Vorschläge zur Verkehrsregulierung<br />
des Place de l’Opéra“ in Paris, die einen<br />
Kreisverkehr vorsahen, in dem Fußgänger durch<br />
Unterführungen von den Pferdefuhrwerken<br />
strikt getrennt waren.<br />
In den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren wuchs der motorisierte<br />
Verkehr stark an. Die Idee der autogerechten<br />
Stadt wurde verwirklicht. Ab 1970<br />
änderten sich die Planungen. Fußgängerzonen<br />
wurden eingerichtet. Verkehrsberuhigung wurde<br />
das Ziel von Tempo 30-Zonen. Heute ist<br />
Shared Space ein Modell, das von Politik, Verwaltung,<br />
Planung <strong>und</strong> verschiedenen Wissenschaftszweigen<br />
intensiv diskutiert wird.<br />
Die Vision von Hans Mondermann (†)<br />
Entwickelt wurde Shared Space vom niederländischen<br />
Verkehrsplaner Hans Mondermann aus<br />
der nordholländischen 50.000 Einwohnerstadt<br />
Drachten. In seiner Heimatstadt hat er sein<br />
Konzept erprobt. Mit dem Satz „Der Raum muss<br />
den Leuten sagen, wie sie sich verhalten sollen“<br />
erklärte Hans Mondermann seine Shared<br />
Space-Idee, <strong>und</strong> sagte: „Auf einem Eislaufplatz<br />
fahren alle Leute wie sie wollen, sie achten<br />
nur aufeinander. Wir zeichnen dort auch keine<br />
Bahnen für verschiedene Geschwindigkeiten<br />
<strong>und</strong> stellen keine Verkehrsschilder auf.“<br />
Der Vergleich erscheint ein wenig verzerrt. Der<br />
Realität näher käme eine Eislauffl äche, auf der<br />
gleichzeitig Hobbyeisläufer ihre R<strong>und</strong>en drehen,<br />
Eislaufsprinter trainieren <strong>und</strong> auch noch<br />
ein Eishockeyspiel stattfi ndet.<br />
Blickkontakt <strong>und</strong> Rücksichtnahme<br />
Gr<strong>und</strong>prinzip von „Shared Space“ ist es, alle<br />
Verkehrsschilder <strong>und</strong> Ampeln zu beseitigen, die<br />
strikte Trennung zwischen Fahrbahn <strong>und</strong> Bürgersteig<br />
aufzuheben <strong>und</strong> die Fläche allen Nutzern<br />
gleichberechtigt zu übergeben. Nur zwei<br />
Regeln bleiben erhalten: rechts fahren <strong>und</strong>
echts vor links. Die Verkehrsteilnehmer müssen<br />
aufmerksamer <strong>und</strong> rücksichtvoller sein. Der<br />
Blickkontakt zueinander regelt im Einzelfall jede<br />
Situation. Durch langsames aber stetiges Fahren<br />
werden Staus vermieden. Autofahrer kommen<br />
in der Summe sogar schneller voran als bei<br />
ständigem Stop an Go. Und das soll funktionieren?<br />
Ja, wenn sich alle Verkehrsteilnehmer an<br />
den § 1 der Straßenverkehrsordnung erinnern:<br />
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert<br />
ständige Vorsicht <strong>und</strong> gegenseitige Rücksicht.<br />
(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten,<br />
dass kein Anderer geschädigt, gefährdet<br />
oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar,<br />
behindert oder belästigt wird.<br />
Der Erfolg von Mondermanns Vision spricht für<br />
sich. Selbst an einer Kreuzung in Drachten, die<br />
von r<strong>und</strong> 22.000 Motorfahrzeugen, 5.000 Radlern<br />
<strong>und</strong> ungezählten Fußgängern überquert<br />
wird, haben sich seit der Umwandlung in einen<br />
Shared Space keine schweren Unfälle ereignet.<br />
Ob die Kreuzung früher ein Unfallschwerpunkt<br />
war, wird nicht erwähnt. Insgesamt ist die Unfallrate<br />
um 60 % zurückgegangen. Das Prinzip<br />
„Mehr Sicherheit durch mehr Gefahr“ scheint<br />
aufzugehen. Mondermann selbst pfl egte zur<br />
Demonstration gelegentlich - ohne auf den Verkehr<br />
zu achten – rückwärts in diese Kreuzung<br />
hinein zu gehen. Und nie wurde er beschimpft<br />
oder sogar verletzt.<br />
Er war nicht der einzige Verkehrsplaner, der den<br />
Einfall zu diesem Prinzip hatte. Ähnliche Konzepte<br />
werden auch anderswo in Europa erprobt.<br />
Kommunen in den britischen Countys Suffolk<br />
<strong>und</strong> Wiltshire ließen auf manchen Straßen den<br />
Mittelstreifen verschwinden <strong>und</strong> stellten fest,<br />
dass die Autofahrer seither vorsichtiger sind In<br />
der dänischen Stadt Christiansfeld wurden Ampeln<br />
<strong>und</strong> Schilder von einer Hauptverkehrskreuzung<br />
entfernt. Das Ergebnis: ein Rückgang von<br />
schweren <strong>und</strong> tödlichen Unfällen..<br />
Das EU-Projekt<br />
Mit seinem Expertenteam leitete der am 7.<br />
Januar 2008 verstorbene Verkehrs-Guru auch<br />
das europäische Projekt Shared Space, das<br />
im Zeitraum von 2004 - 2008 von 7 Partnern<br />
durchgeführt wurde: den Gemeinden Haren<br />
<strong>und</strong> Emmen, sowie die Provinz Fryslân in den<br />
Niederlanden, die Städte Oostende in Belgien,<br />
Bohmte in Deutschland, Ejby in Dänemark <strong>und</strong><br />
Ipswich in England. Das Projekt wurde vom europäischen<br />
Interreg IIIB North Sea Programme<br />
gefördert. Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.<br />
Überreglementiert <strong>und</strong> unübersichtlich wirkt mancher Schilderwald – Shared Space verzichtet<br />
ganz auf Verkehrsschilder.<br />
In Bohmte liegen erste Ergebnisse vor. Es ist die<br />
einzige deutsche Stadt, in der ein Stück Hauptverkehrsstraße<br />
zum Shared Space wurde. Wo<br />
früher Schilder <strong>und</strong> Ampeln die 13.000 Autos<br />
täglich regelten, baute die Gemeinde unweit<br />
von Osnabrück einen 450 langen Abschnitt der<br />
Durchgangsstraße zurück. R<strong>und</strong> zwei Millionen<br />
Euro haben die Maßnahmen gekostet. Immerhin<br />
die Hälfte hat die Gemeinde selbst aufgebracht.<br />
In dieser Summe sind jedoch auch Kosten für<br />
Kanalarbeiten, neue Versorgungsleitungen <strong>und</strong><br />
einen Radweg außerhalb der Shared Space-Zone<br />
enthalten. Derzeit ist eine Zufriedenheitsanalsye<br />
in Arbeit, die Aufschluss über die Akzeptanz<br />
durch die Bürger geben soll.<br />
Shared Space ist ein dynamischer<br />
Prozess<br />
Bürgermeister Goedejohann unterstreicht, dass<br />
Shared Space im Wesentlichen ein Prozess ist,<br />
der auf eine Veränderung des Verhaltens abzielt<br />
<strong>und</strong> so ein besseres Miteinander im öffentlichen<br />
Raum ermöglicht. Ein sehr aufwändiger<br />
Prozess, der Jahre in Anspruch nimmt.<br />
Begonnen hatte Shared Space im Jahre 2004<br />
mit einer Einwohnerversammlung. Hans Mondermann<br />
war damals der Referent. In offenen<br />
Workshops sind dann Ideen gesammelt worden,<br />
es folgte eine weitere Bürgerversammlung, bevor<br />
das Planverfahren begann <strong>und</strong> die Vorhaben<br />
2007 <strong>und</strong> 2008 realisiert worden sind. Sogar<br />
Gesellschaft | 53
Fotos: Stadt Bohmte<br />
Bohmte kurz nach der Fertigstellung des Projektes: Zufriedenheit bei allen Beteiligten.<br />
54 | Gesellschaft<br />
eine Informationsfahrt nach Drachten wurde<br />
unternommen, um Bürgern schon im Vorfeld<br />
einen Eindruck der Umgestaltung zu geben. Die<br />
Probleme von Blinden <strong>und</strong> Sehrbehinderten -<br />
beispielsweise mit den nicht mehr vorhandenen<br />
Bordsteinen - wurden mit dem Deutschen Blinden-<br />
<strong>und</strong> Sehbehindertenverband abgestimmt<br />
<strong>und</strong> mit einem Leitsystem weitgehend gelöst.<br />
Die Frage nach den Unfallzahlen im Shared<br />
Space-Bereich ist natürlich auch berechtigt.<br />
Wo in den Vorjahren ca. 30 - 40 Unfälle passiert<br />
sind, sind nach Angaben der Stadt Bohmte<br />
seit der Öffnung des Shared Space-Bereichs<br />
im Mai 2008 bisher „nur“ Bagatellunfälle (also<br />
keine Verkehrsunfälle mit Personenschaden)<br />
passiert, wobei keiner originär auf das Shared<br />
Space-Prinzip zurückzuführen ist.<br />
Nur eine Mogelpackung?<br />
Wo Shared Space drauf steht, muss nicht immer<br />
Shared Space drin sein. Betrachtet man<br />
die Beispiele aus Drachten, Haren <strong>und</strong> Kevelaer,<br />
fällt auf, dass an vielen Stellen die Separation<br />
der unterschiedlichen Verkehrsfl ächen gar nicht<br />
erfolgt ist. Baumreihen, Poller <strong>und</strong> andere Elemente<br />
trennen die Flächen wie vorher. Die Fahrbahnen<br />
sind asphaltiert <strong>und</strong> Zebrastreifen gibt<br />
es auch. Oder man fi ndet – beispielsweise in der<br />
Laweiplein in Drachten einen Kreisverkehr, der<br />
sich nicht von einem normalen Kreisverkehr unterscheidet.<br />
Lediglich die Schilder fehlen. Vielfach<br />
besteht Unkenntnis darüber, was Shared<br />
Space eigentlich ist. Und so bekommt alles was<br />
nicht bei drei auf dem Baum ist gerne das Prädikat<br />
Shared Space. Das Wichtigste: Es muss<br />
rot gepfl astert sein. Für die Befürworter wird<br />
Shared Space zum Allheilmittel <strong>und</strong> Kritiker sehen<br />
die Städte in Anarchie versinken.<br />
Die Grenzen von Shared Space<br />
Professor Dr. Ing Jürgen Gerlach von der Bergischen<br />
Universität Wuppertal zählt zu den Experten<br />
für die Philosophie Shared Space. Er<br />
steht dem Gedanken positiv gegenüber, aber<br />
auch kritisch. Und er sieht Grenzen des Prinzips.<br />
Beispielsweise dort, wo das Verkehrsaufkommen<br />
sehr hoch ist, wo die Sicht eingeschränkt<br />
ist, wo die Ausdehnung der „Gemeinschaftszone“<br />
zu groß ist, wo nicht alle von dem Prinzip<br />
profi tieren können.
In den Projekt-Kommunen hat es manche<br />
Nachbesserung geben müssen, weil bestimmte<br />
Nutzer der gemeinsamen Straße massive<br />
Probleme hatten. Vor allem Kinder <strong>und</strong> ältere<br />
Menschen waren stark verunsichert. Während<br />
sich Rollstuhlfahrer über die gewonnene Barrierefreiheit<br />
freuten, führte das Prinzip in seiner<br />
reinen Form bei Sehbehinderten <strong>und</strong> Blinden zu<br />
einem nahezu unüberwindlichen Hindernis. Wie<br />
sollen sie auch Blickkontakt aufnehmen, wie<br />
die Funktionsbereiche ohne Leitsysteme wie<br />
Bordsteine ertasten können? Zudem verweist<br />
Professor Gerlach auf bestehende Lösungen in<br />
Deutschland, die als verkehrsberuhigte Zonen<br />
ganz ähnliche Merkmale aufweisen wie Shared<br />
Space. Nebenbei bemerkt funktionieren selbst<br />
diese Lösungen nicht immer richtig.<br />
Bedenken von kompetenter Seite<br />
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat <strong>und</strong> die<br />
Deutsche Verkehrswacht kommen zu dem<br />
Schluss, dass die Sicherheit immer im Mittelpunkt<br />
stehen muss. Auch sind beide Institutionen<br />
der Auffassung, dass Shared Space eine<br />
Infrastruktur aus einem kurzen langsamen Netz<br />
<strong>und</strong> einem ausgedehnten schnellen Netz voraussetzt.<br />
Betont wird, dass Shared Space nur<br />
auf kleinen Abschnitten eines Straßenzuges<br />
funktionieren kann. Denn wer möchte schon<br />
mehrere Kilometer unter diesen Verkehrsbedingungen<br />
zurücklegen? Es darf auch nicht<br />
zu einem Gewöhnungseffekt kommen, der die<br />
Aufmerksamkeit beeinträchtigt. Wenn überall<br />
Shared Space ist, wird die Wirkung des Besonderen<br />
aufgehoben.<br />
Vor allem sollten interessierte Kommunen<br />
in den Fokus stellen, dass der Prozess Shared<br />
Space nur mit den Bürgern gemeinsam funktioniert.<br />
Es bedarf sorgfältiger Planung <strong>und</strong> transparenter<br />
Kommunikation. Eine Verunsicherung<br />
von schwächeren Verkehrsteilnehmern, wie<br />
Kinder, ältere Menschen, Sehbehinderte <strong>und</strong><br />
Blinde, muss von Anfang an vermieden werden.<br />
Und: Shared Space kostet viel Geld, wenn man<br />
es richtig machen will. Dann aber kann es gut<br />
funktionieren. Wie das Beispiel Bohmte zeigt.<br />
L.K.<br />
Wo früher Ampelanlagen für<br />
Stop&Go sorgten, fl ießt der Verkehr<br />
heute reibungslos.<br />
Gesellschaft | 55
Foto: Milla & Partner<br />
56 | Report
„Balancity“ in Shanghai<br />
Zukunftsweisende urbane Konzepte unter dem<br />
Motto „Better City, Better Life“ sind das Thema<br />
der kommenden Weltausstellung in Shanghai.<br />
Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland präsentiert sich<br />
2010 in einem ideenreichen Pavillon, der auch die<br />
Bedeutung des Freiraums in Städten akzentuiert.<br />
Ist es möglich, interessante Hintergr<strong>und</strong>informationen<br />
zu bieten <strong>und</strong> gleichzeitig ein<br />
Massenpublikum zu begeistern? Die Antwort<br />
darauf gibt das Konzept des Deutschen Pavillons<br />
auf der EXPO 2010 in Shanghai. Von der<br />
Architektur bis hin zum Ausstellungskonzept ist<br />
der deutsche Beitrag „Balancity“ so angelegt,<br />
dass täglich bis zu 46.000 Besucher auf urbane<br />
Entdeckungsreisen gehen können. Sie sollen die<br />
Lebensbereiche einer Stadt im Gleichgewicht<br />
erfahren, die gekonnt den Bogen zwischen<br />
Innovation <strong>und</strong> Tradition, Urbanität <strong>und</strong> Natur,<br />
Arbeit <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong> sowie Gemeinschaft <strong>und</strong><br />
Individuum spannt.<br />
Die Basis für dieses Erlebnis stellt die Architektur<br />
des Pavillons dar, die von dem Münchener<br />
Büro Schmidhuber + Kaindl entworfen wurde.<br />
Dass der Naturraum nicht zuletzt durch umgenutzte<br />
Industriebrachen die Städte grüner<br />
werden lässt, spiegelt der Entwurf durch seinen<br />
Charakter einer begehbaren dreidimensionalen<br />
Skulptur mit begrünter Terrassenlandschaft.<br />
Spannend aufbereitete Urbanität<br />
Im Inneren werden die Besucher bei einer<br />
Erlebnistour durch zwölf verschiedene Räume<br />
geführt, die unterschiedlichste Facetten von<br />
deutschen Städten zeigen. Das Konzept dazu<br />
wurde von der Stuttgarter Agentur Milla <strong>und</strong><br />
Partner erarbeitet, die von Beginn an Hand in<br />
Hand mit den Architekten gearbeitet haben.<br />
Das sogenannte Planbüro zeigt beispielsweise<br />
visualisiert durch große Pläne, Modelle, Skizzen<br />
<strong>und</strong> Stadtpläne Themen einer innovativen <strong>und</strong><br />
nachhaltigen Stadtentwicklung sowie die städtische<br />
Infrastruktur als lebendigen Prozess. Das<br />
führt inhaltlich zu neuen Formen des städtischen<br />
Zusammenlebens <strong>und</strong> Ideen, wie Menschen<br />
unterschiedlichen Alters, Status’ <strong>und</strong> verschiedener<br />
Nationalität zukünftig zusammen leben<br />
können. Spannend aufbereitet werden auch die<br />
Erholungsfl ächen in deutschen Städten durch<br />
privates <strong>und</strong> öffentliches Grün präsentiert.<br />
Selbstverständlich gehören Themenräume über<br />
urbane Kultur, aber auch das Panorama der<br />
Industrienation Deutschland zum Bild moderner<br />
deutscher Städte. Schließlich verfolgt die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland mit der Teilnahme<br />
an den großen Weltausstellungen das Ziel, ein<br />
modernes Bild von Deutschland zu transportieren<br />
<strong>und</strong> Impulse sowohl für die Wirtschaft, den<br />
Export als auch für den Tourismus zu geben. Die<br />
Beteiligung an der EXPO 2010 liegt in der Verantwortung<br />
des Messereferats im B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Wirtschaft <strong>und</strong> Technologie (BMWi)<br />
in Bonn. Als Durchführungsgesellschaft ist die<br />
Koelnmesse International GmbH beauftragt.<br />
Damit das breite Spektrum von Themen bei den<br />
Besuchern besondere Eindrücke hinterlässt,<br />
wird bei der Präsentation mit intensiv sinnlichen<br />
Erlebnissen gearbeitet. Wenn beispielsweise<br />
als eines der bedeutendsten städtebaulichen<br />
Projekte in Deutschland der Hamburger<br />
Hafen vorgestellt wird, dann durchqueren die<br />
Besucher zunächst eine effektvoll gestaltete<br />
virtuelle Unterwasserwelt, durchstoßen die<br />
Wasseroberfl äche <strong>und</strong> betreten ein beeindruckendes,<br />
zukunftsweisendes Stadtbild mit allen<br />
sinnlichen Eindrücken eines Hafengebiets. Die<br />
Erlebnistour endet in der sogenannten Energiezentrale<br />
der Stadt. Der Besucher betritt einen<br />
kegelförmigen Raum, der mit einer Lichtchoreografi<br />
e bespielt ist. Von einer Galerie blickt<br />
er auf das zentrale Element: eine Kugel mit<br />
einem Durchmesser von drei Metern, die Oberfl<br />
äche mit 400.000 LEDs besetzt, so dass darauf<br />
Bilder, Farben <strong>und</strong> Formen dargestellt werden<br />
können. Der besondere Effekt der Kugel besteht<br />
darin, dass sie durch Bewegungen <strong>und</strong> Stimmen<br />
in Schwingung versetzt werden kann. Die Interaktion<br />
<strong>und</strong> letztendlich die Energie von 600<br />
Besuchern in einem Raum bringt in „Balancity“<br />
buchstäblich etwas in Bewegung. Sowohl<br />
die technische Umsetzung als auch die Inszenierung<br />
sind anspruchsvoll <strong>und</strong> werden sicher<br />
ihren Beitrag dazu leisten, dass der Deutsche<br />
Pavillon wie auch bei den letzten Weltausstellungen<br />
für Furore sorgen wird.<br />
A.M.<br />
Report | 57
Stadtplanung in der Balance<br />
58 | Report<br />
Die Ausstellung im Deutschen Pavillon „Balancity“ wird interessante<br />
Blicke auf die Architektur, die Freiraumgestaltung <strong>und</strong> das urbane<br />
Leben bieten. Im Interview erläutert Peter Redlin von der Agentur<br />
Milla & Partner das Konzept.<br />
FreeLounge: Nach welchen Kriterien haben<br />
Sie die Projekte aus dem Bereich Stadtplanung<br />
ausgewählt? Können Sie ein paar der Beispiele<br />
nennen?<br />
Peter Redlin: Wir wollten zeigen, wie viele<br />
Aspekte bei der Gestaltung von Städten zusammenspielen.<br />
Neben der Arbeit von Architekten<br />
<strong>und</strong> Stadtplanern sind viele andere Beiträge<br />
notwendig, um einen Ort lebenswert zu<br />
machen – von der Infrastruktur <strong>und</strong> den Kommunikationsmöglichkeiten<br />
über Design, Kultur<br />
<strong>und</strong> Erholungsräumen bis hin zum persönlichen<br />
Engagement. Denn nicht zuletzt hat jeder<br />
einzelne Bewohner die Möglichkeit, seine Stadt<br />
zu einem besseren Ort zu machen. Wie im gesamten<br />
Pavillon „balancity“ geht es dabei um<br />
eine gute Balance: Ohne eine Ausgewogenheit<br />
all dieser Aspekte wird keine Stadtplanung<br />
erfolgreich sein.<br />
Deutlich wird diese Vielfalt zum Beispiel im<br />
Ausstellungsraum „Planungsbüro“. Hier zeigen<br />
wir das Spektrum <strong>und</strong> die Unterschiede der<br />
stadtplanerischen Ideen, die in Deutschland<br />
gerade realisiert werden <strong>und</strong> die Impulse für die<br />
aktuelle Entwicklung in China geben könnten.<br />
So wird zum Beispiel der Stadtumbau in<br />
Ostdeutschland thematisiert. Denn für viele Chinesen<br />
ist es nach unserer Erfahrung spannend,<br />
wie in Deutschland aus den ehemals trostlosen<br />
Plattenbausiedlungen innerstädtische Quartiere<br />
mit hoher Lebensqualität werden. Ein weiteres<br />
Thema, das in China immer wieder auf großes<br />
Interesse stößt, sind unsere städtischen Grünräume.<br />
Im Pavillon zeigen wir anhand des<br />
Kölner Grüngürtels nicht nur die Bedeutung von<br />
Grün in der Stadt, sondern vor allem auch, dass<br />
Stadtplanung ein historischer Prozess ist, über<br />
Generationen hinweg, in dem es eine Balance<br />
zwischen Erneuern <strong>und</strong> Bewahren zu fi nden<br />
gilt – gute Ideen werden beibehalten <strong>und</strong> in<br />
die Zukunft getragen. Andere wichtige Themen<br />
im Pla-nungsbüro sind etwa neue Lösungen<br />
aus den Bereichen Klima- <strong>und</strong> Umweltschutz,<br />
die zur Erhöhung der Lebensqualität in deutschen<br />
Städten beitragen oder wie das soziale<br />
Miteinander von Generationen <strong>und</strong> Kulturen im<br />
Mehrgenerationenhaus das Leben des Einzelnen<br />
bereichert.<br />
FreeLounge: Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht<br />
nach die Freiraumgestaltung bei dem EXPO-<br />
Thema „Better City, Better Life“?<br />
Peter Redlin: Freiräume sind für Städte, für die<br />
Lebensqualität der Menschen <strong>und</strong> für das soziale<br />
Miteinander sehr wichtig, weil dort die Bewohner<br />
selbstbestimmt agieren <strong>und</strong> interagieren können,<br />
sich erholen <strong>und</strong> kommunizieren. Eine spannende<br />
Frage ist, wie unterschiedlich private<br />
Freiräume wie Hausgärten oder öffentliche<br />
Freiräume wie Plätze <strong>und</strong> Parks in Deutschland<br />
<strong>und</strong> in China genutzt werden <strong>und</strong> wie wichtig<br />
sie für das Wohlbefi nden der Menschen sind. In<br />
China nutzen zum Beispiel sehr viele Menschen<br />
den öffentlichen Freiraum für private oder auch<br />
für berufl iche Alltagsaktivitäten. Auf Straßen<br />
<strong>und</strong> Plätzen wird gekocht, getanzt <strong>und</strong> rasiert.<br />
In Deutschland sind öffentliche Freiräume häufi<br />
ger Orte für Erholung, <strong>Freizeit</strong>gestaltung oder
Kulturschauspiele. Aber wie in China gibt es<br />
auch bei uns Marktplätze, auf denen gehandelt<br />
<strong>und</strong> kommuniziert wird.<br />
Den Besuchern von balancity, von denen die<br />
meisten ja aus China kommen werden, wollen<br />
wir einen Eindruck davon geben, wie Freiräume<br />
bei uns zu Hause in Deutschland aussehen, was<br />
die Menschen dort tun <strong>und</strong> erleben. Und wir<br />
wollen zeigen, wie sich die Qualität von Erholung,<br />
Kommunikation <strong>und</strong> städtischem Leben<br />
durch die Gestaltung <strong>und</strong> Ausstattung öffentlicher<br />
<strong>und</strong> privater Freiräume verbessert. Mit den<br />
beiden Themenbereichen „Garten“ <strong>und</strong> „Park“<br />
bietet balancity gleich zwei Räume, die unterstrei-chen,<br />
wie wichtig Grünfl ächen für das<br />
Leben des Einzelnen <strong>und</strong> der Gemeinschaft in<br />
unseren Städten sind. Hier können unsere Gäste<br />
auf der Weltausstellung Englische Gärten <strong>und</strong><br />
Kurparks kennen lernen, aber auch Schrebergartensiedlungen<br />
<strong>und</strong> Dachgär-ten, zum Beispiel in<br />
dem sie ihren Kopf in von oben herabhängende<br />
Blüten stecken, die ihnen Panoramaansichten<br />
eröffnen. Der Ausstellungsbereich „Stadtplatz“<br />
gibt einen Eindruck von der Atmosphäre großer,<br />
urbaner Plätze in Deutschland.<br />
FreeLounge: Die Besucher des Pavillons in<br />
Shanghai werden selbst auf unterschiedlichste<br />
Art <strong>und</strong> Weise die Stadt sehen, fühlen <strong>und</strong> hören.<br />
Wie haben Sie die Inszenierung urbaner Freiräume<br />
erlebbar gemacht, die ja aufgr<strong>und</strong><br />
der Architektur bereits als zentrales Thema<br />
erscheint?<br />
Peter Redlin: Wie urbane Freiräume gestaltbar<br />
<strong>und</strong> wie unterschiedlich sie nutzbar sind, wird<br />
für die Besucher erlebbar, indem sie selbst Teil<br />
der Inszenierung werden. Auf dem „Stadtplatz“<br />
bekommen sie beispielsweise das Gefühl, selbst<br />
über die Plätze deutscher Großstädte zu fl anieren.<br />
Sie können Leute vorbeischlendern sehen,<br />
die sich in ihrer Stadt wohlfühlen <strong>und</strong> Eindrücke<br />
von verschiedenen kulturellen Events sammeln.<br />
Sie umgebende fi lmische Straßenansichten<br />
<strong>und</strong> Panoramen zeigen das Zentrum deutscher<br />
Städte als Treffpunkt, als Ort für Gemeinschaft,<br />
Freude <strong>und</strong> Lebendigkeit.<br />
Das Thema Freiraum spielt für uns aber auch<br />
mit Blick auf das individuelle Erlebnis jedes<br />
Expo-Besuchers eine wichtige Rolle. Die Dichte<br />
verschiedener Eindrücke <strong>und</strong> Reize ist auf<br />
einer Weltausstellung extrem hoch. Um den<br />
Publikumsstrom zu lenken, müssen wir eine<br />
Art Hauptstraße durch den Pavillon schaffen.<br />
Der Besucher bewegt sich auf einem<br />
Der Pavillon ist so konzipiert, dass die Räume in der Form eines Mäanders hintereinander liegen<br />
<strong>und</strong> von bis zu 46.000 Besuchern pro Tag passiert werden können.<br />
Die schwingende Kugel in der sogenannten Energiezentrale wird durch die Besucher gesteuert.<br />
Foto: Milla & Partner Foto: Balancity.de<br />
Report | 59
Foto: Balancity.de<br />
Peter Redlin<br />
Peter Redlin (50) gründete<br />
1989 zusammen mit Johannes<br />
Milla die Stuttgarter Agentur<br />
Milla & Partner, die Themen<br />
<strong>und</strong> Marken im Raum inszeniert.<br />
Als Kreativdirektor<br />
gestaltet er Begegnungsräume<br />
<strong>und</strong> Ausstellungen – vom<br />
Firmenfoyer bis hin zum<br />
Science-Center. Bei der Expo<br />
2010 in Shanghai zeichnet er<br />
mit seinem Team für die Ausstellung<br />
im Deutschen Pavillon<br />
„balancity“ verantwortlich.<br />
60 | Report<br />
vorgegebenen Weg, teilweise auf Stegen, teilweise<br />
auf Rollsteigen <strong>und</strong> Rollbändern durch<br />
verschiedene Räume <strong>und</strong> Atmosphären. Wir eröffnen<br />
ihm aber auch immer wieder Freiräume,<br />
um am Rande dieses Hauptweges zu verweilen,<br />
bestimmte Themen tiefer zu ergründen – je<br />
nach seinem persönlichen Interesse <strong>und</strong> seinen<br />
Bedürfnissen.<br />
Durch starke Kontraste in den Atmosphären der<br />
aufeinander folgenden Räume wollen wir den<br />
Besucher immer wieder in Erstaunen versetzen<br />
wie bei einer Taxifahrt durch die verschiedenen<br />
Viertel einer unbekannten Großstadt. Wir wollen<br />
immer wieder seine Neugier wecken, damit<br />
er die Freiheit nutzt, auf eigene Faust mehr zu<br />
entdecken. Eben befi ndet er sich noch in der<br />
klaren, synthetischen Welt des Planungsbüros,<br />
da stolpert er schon in den bunten, fröhlichen<br />
Sommertag eines Gartens hinein <strong>und</strong> gleitet<br />
danach über eine Rutsche in die W<strong>und</strong>erkammer<br />
deutscher Designprodukte <strong>und</strong> Ingenieurskunst.<br />
FreeLounge: Beeindruckend ist das Konzept der<br />
Energiezentrale, in der die Besucher die interaktive<br />
Kugel in Bewegung bringen. Was war<br />
bei der Planung zuerst da? Die Idee oder das<br />
Wissen über die technischen Möglichkeiten?<br />
Peter Redlin: Die Idee war zuerst da. Die Idee,<br />
dass die Besucher durch ein beeindruckendes<br />
Gemeinschaftserlebnis erfahren, dass man<br />
zusammen etwas bewegen kann – im wahrsten<br />
Sinn des Wortes. Sie sollten selbst zu<br />
Akteuren werden, selbst Impulse auslösen, um<br />
so hautnah zu erleben, dass sie diejenigen sind,<br />
die ihre Stadt am Leben halten. Der Gedanke<br />
hat uns so fasziniert, dass wir entschlossen<br />
waren, die technischen Herausforderungen<br />
zu bewältigen. Umgehend machten wir uns<br />
auf den Weg zu den verschiedenen Instituten<br />
der Universität Stuttgart, um herauszufi nden,<br />
welche Lösungsmöglichkeiten es gibt, wie unsere<br />
Vision realisierbar ist. Die Aufgabe ist organisatorisch<br />
sehr komplex <strong>und</strong> technisch höchst<br />
anspruchsvoll. Viele Wissenschaftler, Techniker<br />
<strong>und</strong> Designer müssen hier Hand in Hand arbeiten.<br />
Die Energiezentrale fasst 600 Menschen. Die<br />
Kugel durchmisst drei Meter <strong>und</strong> schon der erste<br />
Prototyp muss funktionieren, <strong>und</strong> zwar in<br />
60 Shows täglich, 183 Tage lang.<br />
FreeLounge: Der deutsche Pavillon wird nach<br />
Ende der EXPO wieder abgebaut. Können Sie<br />
sich eine weitere Verwendung für die Kugel<br />
vorstellen?<br />
Peter Redlin: Die Kugel könnte in einer entsprechend<br />
großen <strong>Freizeit</strong>einrichtung weiterverwendet<br />
werden oder in einem technischen<br />
Museum. Allerdings haben wir die Energiezentrale<br />
sehr gezielt für die Expo in Shanghai<br />
entworfen, wie einen Maßanzug. Wir fi nden<br />
den Gedanken faszinierend, diese Interaktion<br />
in einer großen Gruppe gemeinsam mit den<br />
Chinesen <strong>und</strong> den ausländischen Gästen der<br />
Expo in Shanghai zu spielen. Auch wenn die<br />
Kugel der Energiezentrale dann später einmal<br />
an einem anderen Ort wieder aufgebaut wird<br />
– das Erlebnis auf der Expo in Shanghai wird<br />
einmalig sein.<br />
Das Interview führte Dr. Anke Münster
Abonnement<br />
freizeit&spiel Verlagsgesellschaft mbH<br />
Gewerbegebiet Larsheck<br />
56271 Kleinmaischeid<br />
FreeLounge<br />
Fachmagazin für kommunale Frei-Räume<br />
Hiermit bestelle ich ein Jahresabonnement des Fachmagazins FreeLounge zum Preis von 45 Euro pro Jahr. Ich beziehe<br />
im Rahmen dieses Abonnements vier Ausgaben FreeLounge für die Dauer eines Jahres. Das Abonnement verlängert<br />
sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht sechs Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.<br />
Tel.: 02689 9591-37<br />
Fax: 02689 9591-38<br />
E-Mail: info@free-lounge.de<br />
URL: www.free-lounge.de<br />
Report | 61
Foto: Tourist Info Odenthal<br />
Inszenierung<br />
der Landschaft<br />
Man stelle sich vor: Ein Pilgerort hat einen berühmten Dom <strong>und</strong> keiner<br />
sieht ihn. Vor dreieinhalb Jahren zeigte sich der Altenberger Dom<br />
dem Betrachter erst in voller Pracht, wenn man schon dabei war,<br />
auf den Parkplatz zu fahren. Eine Gruppe Ehrenamtler sorgte dafür,<br />
dass der Dom durch Sichtfenster im Baumbestand heute schon von<br />
weither zu sehen ist.<br />
62 | Report<br />
Foto: Tourist Info Odenthal<br />
Der Altenberger Dom liegt in einem Tal der<br />
Gemeinde Odenthal im Bergischen Land eingebettet<br />
zwischen satte, grüne Hügel. So grün,<br />
dass die üppige Natur den Blick auf die ehrwürdige<br />
Wallfahrtskirche irgendwann völlig<br />
verdeckte: Dicht wachsende <strong>und</strong> wuchernde<br />
Bäume versperrten die Sicht. Nun sind Bäume<br />
nicht weniger ehrwürdig als ein Dom <strong>und</strong> können<br />
unter Klimagesichtspunkten nicht einfach<br />
gefällt werden – aber beides sollte friedlich<br />
nebeneinander existieren, zum Wohlgefallen<br />
des Betrachters <strong>und</strong> zum Vorteil der Gemeinde.<br />
Schließlich ist der Altenberger Dom als berühmte<br />
Wallfahrtsstätte für das Bergische Land eine<br />
wichtige Touristenattraktion. Die hochgotische<br />
ehemalige Abteikirche des gleichnamigen Zisterzienserklosters<br />
ist weit über die Grenzen des<br />
Rheinlandes hinaus bekannt <strong>und</strong> feiert dieses<br />
Jahr ihr 750-jähriges Jubiläum.<br />
Architekturstudenten gaben den Impuls<br />
Es muss nicht immer eine Inszenierung mit großem<br />
Tamtam sein – auch kleine Eingriffe setzen<br />
Landschaft in Szene. Nach dem Besuch einer<br />
Gruppe von Landschaftsarchitekturstudenten<br />
im Rahmen der Regionale 2010 empfahlen<br />
diese, den Altenberger Dom durch Regulierung<br />
des Baumbestandes von Zufahrtstraßen wieder<br />
sichtbar zu machen. So begann Axel Päffgen,<br />
Unternehmer <strong>und</strong> engagierter Bürger, mit seinen<br />
„fl eißigen Ameisen“ mit der Umsetzung. Er<br />
ist Initiator <strong>und</strong> Organisator einer Gruppe von<br />
ca. 40 erfahrenen Ehrenamtlern, die sich um<br />
die landschaftliche Schönheit <strong>und</strong> touristische<br />
Sicherheit der Gegend verdient machen. So begehen<br />
sie regelmäßig die Wege <strong>und</strong> Wälder <strong>und</strong><br />
entfernen Gefahrenbäume nach Blitzeinschlag<br />
<strong>und</strong> Sturm oder sorgen mit Aufräumaktionen in<br />
Zusammenarbeit mit der Gemeinde <strong>und</strong> Kooperationspartnern<br />
für eine gepfl egte Landschaft.
Foto: privat<br />
Sichtfenster mit Domblick<br />
Nach eingehender Analyse des Zustandes der<br />
Bäume an entscheidenden Aussichtspunkten<br />
der Zufahrtstraßen durch Fachleute des Baum-<br />
<strong>und</strong> Vogelschutzes begannen die „fl eißigen<br />
Ameisen“ zunächst mit der Entfernung kranker<br />
<strong>und</strong> vom Umfallen bedrohter Gefahrenbäume<br />
an strategisch günstigen Stellen der Zufahrtstraßen,<br />
womit die Sicht schon erheblich gelichtet<br />
wurde. Dabei ging es nie um radikales<br />
Abholzen, sondern immer um eine integrative<br />
Gestaltung <strong>und</strong> Regulierung unter Berücksichtigung<br />
der Lebensrhythmen von Flora <strong>und</strong><br />
Fauna, wie man es in Wäldern <strong>und</strong> Parks auch<br />
macht. Der Veränderungsprozess ging über 3,5<br />
Jahre <strong>und</strong> hält noch an. „Behutsam vorgehen“ –<br />
nach dieser Maxime entstanden reizvolle Sichtfenster<br />
bei der Anfahrt zum Dom. Sven Lüürsen,<br />
Leiter der Tourist Information der Gemeinde<br />
Odenthal, freut sich über das Engagement der<br />
Bürger: „Wir erwarten in diesem Jahr zu den<br />
Jubiläumsfeierlichkeiten mehr als 300.000 Besucher<br />
in Altenberg. Daher freuen wir uns, den<br />
Dom jetzt von allen Zufahrtstraßen aus gut<br />
präsentieren zu können.“ D.T.<br />
„Glück ist Liebe, nichts anderes.<br />
Wer lieben kann, ist glücklich.”<br />
Hermann Hesse (1877-1962)<br />
Der<br />
Liebesbankweg<br />
im Harz<br />
Ganz besonders liebesvoll wird die Landschaft r<strong>und</strong> um<br />
den Ort Hahnenklee im Harz inszeniert: Der dortige Liebesbankweg<br />
bietet auf 7 Kilometern gleich 25 mal die<br />
Gelegenheit, auf einer einzigartigen Bank Platz nehmen,<br />
Händchen zu halten oder gemeinsam den Ausblick<br />
zu genießen. Jede Bank ist ein Einzelstück <strong>und</strong> steht<br />
stellvertretend für einen Abschnitt des Zusammenseins,<br />
so zum Beispiel die Rendevous-Bank, die<br />
Verlobungs-Bank, die Veilchenhochzeitsbank,<br />
die Silberhochzeitsbank – bis hin zur Bank<br />
für die fast unbekannte Kronjuwelenhochzeit,<br />
die man nach 75 Ehejahren<br />
feiern kann. Glücklich sind die Paare,<br />
die diesen Weg gemeinsam gehen<br />
können. Im Leben <strong>und</strong> im Harz.<br />
» www.liebesbankweg.de<br />
Report | 63<br />
Foto: liebesbankweg.de
Umbau statt Neubau<br />
Intelligente <strong>Spiel</strong>platzaufwertung<br />
spart Kosten<br />
Bei der Sanierung des Kasseler <strong>Spiel</strong>platzes ‚Bremelbachstraße’ wurde<br />
anstatt einer kompletten Neuplanung auf das Konzept einer baulichen<br />
<strong>und</strong> inhaltlichen Überarbeitung des <strong>Spiel</strong>platzes gesetzt. Unter<br />
dem Motto ‚Ronjas-Räuberburg’ erhielt der in die Jahre gekommene<br />
<strong>Spiel</strong>platz ein neues Gesicht <strong>und</strong> eine Neuausrichtung des Zuschnitts<br />
im <strong>Spiel</strong>konzept auf die verschiedene Altersgruppen. Mit einem vergleichsweise<br />
geringen Finanzmitteleinsatz konnte die Attraktivität<br />
umfassend verbessert werden. Der nur wenig genutzte <strong>Spiel</strong>platz erfreut<br />
sich heute wieder einer regen Nachfrage.<br />
64 | Report<br />
Fotos: PlanRat<br />
Der <strong>Spiel</strong>platz Bremelbachstraße liegt sehr<br />
günstig an einem Fuß- <strong>und</strong> Radweg in unmittelbarer<br />
Nähe zu einem Bachlauf im Westteil<br />
der Stadt Kassel. An sich ein idealer Ort für<br />
einen <strong>Spiel</strong>platz – eine Lichtung umgeben von<br />
altem Baumbestand – mitten in der Stadt.<br />
Allerdings zeigte der etwa 30 Jahre alte <strong>Spiel</strong>platz<br />
vor seiner Sanierung im Jahr 2005 erhebliche<br />
bauliche Mängel <strong>und</strong> eine auffallend kurze<br />
Verweildauer der <strong>Spiel</strong>platzbesucher. Örtliche<br />
Beobachtungen zum <strong>Spiel</strong>verhalten <strong>und</strong> zur<br />
Aufenthaltsdauer der verschiedenen Altergruppen<br />
sowie eine Bewertung aller <strong>Spiel</strong>elemente<br />
im Rahmen eines studentischen Projekts der<br />
Universität Kassel führten 2004 zum Ergebnis,<br />
dass der <strong>Spiel</strong>platz zwar von allen Altersgruppen<br />
besucht wurde, dabei die Aufenthaltsdauer von<br />
höchstens 30 Minuten auffallend kurz war.<br />
Der alten Anlage fehlte es an attraktiven <strong>Spiel</strong>möglichkeiten,<br />
die beweglichen Geräte wie<br />
Schaukel, Rutsche <strong>und</strong> Wipptiere waren überaltert<br />
<strong>und</strong> standen lieblos verteilt auf der Fläche.<br />
Ein <strong>Spiel</strong>konzept war nicht zu erkennen, <strong>und</strong> für<br />
den wichtigen Part des Bewegungs- <strong>und</strong> Gruppenspiels<br />
gab es zu wenig Angebote. Zudem<br />
führte die wahllose räumliche Durchmischung<br />
der <strong>Spiel</strong>angebote zu Konfl ikten zwischen den<br />
Altersgruppen.
Lümmelsitzgruppe Balancierbalken<br />
Neuausrichtung der <strong>Spiel</strong>konzeption<br />
Bei der Neukonzeption des <strong>Spiel</strong>platzes wurden<br />
die unterschiedlichen Bedürfnisse von<br />
Kleinkindern, Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen in<br />
den Mittelpunkt gestellt. Jeder Altersgruppe<br />
wurde ein Schwerpunktbereich zugeordnet,<br />
wobei die Erzählung „Ronja Räubertochter“ von<br />
Astrid Lindgren als verbindendes Leitthema<br />
diente <strong>und</strong> die Auswahl der <strong>Spiel</strong>geräte <strong>und</strong><br />
ihre Anordnung auf der Fläche inspirierte.<br />
Abgeleitet von den <strong>Spiel</strong>anforderungen der verschiedenen<br />
Altersgruppen teilt sich der <strong>Spiel</strong>platz<br />
in verschiedene Zonen auf: Naturerlebnis,<br />
Bewegungs- <strong>und</strong> Gruppenspiel, Kleinkinder,<br />
Abenteuer „Burg“, Abenteuer „Festung“ mit<br />
Rückzugsbereich. Die <strong>Spiel</strong>geräte <strong>und</strong> die baulichen<br />
Elemente stehen in einer engen Sinnverbindung<br />
miteinander <strong>und</strong> regen zum gemeinschaftlichen<br />
Rollen- <strong>und</strong> Erlebnisspiel an.<br />
Im eingangsnahen großzügigen Sandspielbereich<br />
spielen die kleineren Kinder, Wasser<br />
wird aus dem rauschenden Bach geschöpft, es<br />
werden Sandburgen mit Wassergräben gebaut.<br />
Eltern <strong>und</strong> Betreuer begleiten die Kleinen <strong>und</strong><br />
machen es sich auf Bänken <strong>und</strong> Einfassungen<br />
bequem, oder legen sich Decken auf der angrenzenden<br />
Rasenfl äche aus. Hier im Eingangsbereich<br />
des <strong>Spiel</strong>platzes entsteht nach Aussage<br />
einiger Besucher im Sommer eine Atmosphäre<br />
„Wie am Meer“.<br />
„Ronjas-Räuberburg“, bestehend aus einem<br />
Doppelspielturm (Richter <strong>Spiel</strong>geräte), bildet<br />
das optische Zentrum des <strong>Spiel</strong>platzes. Dieser<br />
steht im Mittelpunkt des Abenteuerbereiches<br />
für Kindergarten- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulkinder, die<br />
auf den Burgtürmen, der Hängebrücke oder den<br />
Mauerzinnen ihre Kletter- <strong>und</strong> Balancierkünste<br />
erproben können.<br />
Im hinteren <strong>Spiel</strong>platzbereich, verborgen im<br />
Wald, befi ndet sich die „Festung der Borka“.<br />
Hier treffen sich ältere Kinder ungestört von<br />
den neugierigen Blicken <strong>und</strong> störenden Zwischenrufen<br />
der Erwachsenen, um mit der Seilbahn<br />
zu fahren, auf den Balancierbalken zu turnen<br />
oder von den Beerensträuchern zu naschen.<br />
Später am Abend, wenn die Kleineren <strong>und</strong> die<br />
Erwachsenen fort sind, treffen sich hier die Kids<br />
<strong>und</strong> fl äzen sich auf den kommunikativ angeordneten<br />
Balken im hinteren Kletterwald, die sich<br />
gut als Lümmelsitzgruppe eignen.<br />
Heute wird der <strong>Spiel</strong>platz von Alt <strong>und</strong> Jung<br />
besucht, die Aufenthaltsdauer hat sich von<br />
höchstens 30 Minuten auf mehrere St<strong>und</strong>en<br />
erhöht. Auch Senioren machen gern eine Pause<br />
auf dem <strong>Spiel</strong>platz <strong>und</strong> beobachten die Kleinen<br />
im Sandkasten. Durch das auf die einzelnen Altergruppen<br />
abgestimmte, differenzierte Raumkonzept<br />
sind Nutzungskonfl ikte bislang nicht<br />
aufgetreten.<br />
Umbau statt Neubau<br />
Für die Sanierung des überalterten <strong>Spiel</strong>platzes<br />
wurden ca. 80.000 Euro brutto verbaut. Die<br />
notwendigen Mittel wurden aus dem Kasseler<br />
<strong>Spiel</strong>platzsanierungsprogramms zur Verfügung<br />
gestellt. Bei einer kompletten Neugestaltung<br />
des <strong>Spiel</strong>platzes wäre der Betrag um ca. 30 %<br />
höher ausgefallen.<br />
Durch ein konsequentes Recycling von Baustoffen<br />
vor Ort konnten die Transport-, Entsorgungs-<br />
<strong>und</strong> Materialbeschaffungskosten minimiert <strong>und</strong><br />
die zur Verfügung stehenden fi nanziellen Mittel<br />
Report | 65
„Ronjas Räuberburg“ als Abenteuerbereich für Klein- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulkinder<br />
Festung der Borka“ für ältere Kinder mit Seilbahn <strong>und</strong> Balancierbalken<br />
66 | Report<br />
überwiegend für die Realisierung von hochwertigen<br />
Akzenten in der <strong>Spiel</strong>landschaft eingesetzt<br />
werden. Teile der <strong>Spiel</strong>geräte wie z.B. die Seilbahn<br />
blieben erhalten <strong>und</strong> wurden ins Konzept<br />
integriert. Auch die bestehenden Betonmauern<br />
der Sandplatzeinfassung wurden erhalten, jedoch<br />
durch eine Umgestaltung zur ‚Burgmauer’<br />
thematisch in das neue <strong>Spiel</strong>platzkonzept eingeb<strong>und</strong>en.<br />
Dazu wurden auf die Krone der vorhandenen<br />
Betonmauer neue Burgzinnen aufgesetzt.<br />
Lediglich einige Teilabschnitte der Mauer<br />
wurden geöffnet, heraus gebrochen <strong>und</strong> durch<br />
Einfassungen aus starken Eichenbalken <strong>und</strong> Natursteinblöcken<br />
ersetzt. Das Erscheinungsbild<br />
konnte somit auf einfache Weise harmonisch<br />
in das neue Gestaltungskonzept eingegliedert<br />
werden <strong>und</strong> der <strong>Spiel</strong>anreiz hat sich dadurch<br />
wesentlich erhöht.<br />
Für die Stadt Kassel hat sich der Umbau des<br />
<strong>Spiel</strong>platzes also auch aus fi nanzieller Sicht<br />
gelohnt. Bei den Einwohnern (Eltern / Kindern)<br />
der benachbarten Stadtteile ist der <strong>Spiel</strong>platz<br />
schnell zu einem ‚Geheimtipp’ geworden. Eine<br />
sehr positive Rückmeldung zum <strong>Spiel</strong>platz wird<br />
auch vom Umwelt- <strong>und</strong> Gartenamt der Stadt<br />
Kassel bestätigt.<br />
Klaus Güß <strong>und</strong> Dagmar Hoffmann<br />
Die Autoren<br />
Landschaftsplaner Dipl.-Ing Klaus Güß &<br />
Dagmar Hoffmann<br />
Büro PlanRat, Kassel, www.planrat.de<br />
Der Arbeitsschwerpunkt des Büros PlanRat<br />
ist die Planung <strong>und</strong> Beratung zu allen<br />
Fragestellungen <strong>und</strong> Bauaufgaben im Außenraum.<br />
Friedhöfe sind neben Freifl ächen<br />
<strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>fl ächen das Spezialgebiet der<br />
drei drei Freiraumspezialisten Klaus Güß,<br />
Dagmar Hoffmann <strong>und</strong> Martin Venne. Ein<br />
besonderes Merkmal der PlanRat-Projekte<br />
ist es, die ‚Vergangenheit in die Zukunft<br />
einzubeziehen’. Der hier vorgestellte<br />
<strong>Spiel</strong>platz, der kostenbewusst aufgewertet<br />
wurde, um ein zukunftsfähiges <strong>Spiel</strong>angebot<br />
zu schaffen, ist ein Beispiel dieses<br />
Gr<strong>und</strong>gedankens.
Kinderwanderwege –<br />
<strong>Freizeit</strong>spaß ohne Gequengel<br />
„Meine Füße tun weh.“ „Mir ist schlecht.“ „Ich will nicht mehr<br />
weiter.“ „Ich habe Durst.“ „Ich muss mal groß.“ Über diese Aussagen<br />
ihrer Sprösslinge können viele Eltern berichten, wenn es um<br />
das Wandern mit Kindern geht. Manche Beschwerden sind durchaus<br />
berechtigt. Oft sind sie aber ein Anzeichen dafür, dass die Kinder<br />
einfach überfordert sind oder schlicht Langeweile haben. Es geht<br />
auch anders.<br />
Der Sinn einer Wanderung erschließt sich Kindern<br />
nicht, auch wenn am Ende eine Belohnung<br />
in Form eines tollen Ausblicks oder einer leckeren<br />
Mahlzeit steht. Während Erwachsene die<br />
Leistung des Wanderns an sich schätzen, sehen<br />
Kinder zunächst keinen Vorteil in dieser <strong>Freizeit</strong>tätigkeit.<br />
Dabei kann Wandern mit Kindern<br />
durchaus vergnüglich sein. Für beide Seiten.<br />
Ges<strong>und</strong>er Spaß in den Alpen:<br />
Familien wandern mit Knorrli<br />
Ein Beispiel ist der Knorrli Erlebnisweg. Erlebniskonzept<br />
<strong>und</strong> Umsetzung des Knorrli-Erlebniswegs<br />
stammen von der Full-Service-Agentur<br />
Ravensburger <strong>Freizeit</strong>- <strong>und</strong> Promotion-Service<br />
in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen<br />
Gesellschaft für Ernährung. Die Agentur gehört<br />
zum Ravensburger <strong>Spiel</strong>everlag, der den Namen<br />
Ravensburg <strong>und</strong> das <strong>Spiel</strong> seit 125 Jahren eng<br />
verknüpft. Auftraggeber war Knorr / Unilever<br />
Schweiz.<br />
Knorr bringt Familien in den Schweizer Alpen<br />
jetzt r<strong>und</strong> um den Trübsee in Engelberg-Titlis<br />
spielerisch auf Trab. Auf der spannenden Wanderung<br />
kann die ganze Familie auf spielerische<br />
Art <strong>und</strong> Weise alles erfahren <strong>und</strong> entdecken,<br />
was man über ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>und</strong> Bewegung<br />
wissen sollte. Nach der aufregenden Gondelfahrt<br />
verwandeln spannende Aktivitäten den<br />
w<strong>und</strong>erschönen Spaziergang in ein unvergessliches<br />
Familienerlebnis. Ein empfehlenswerter<br />
Tagesausfl ug mit <strong>Spiel</strong> <strong>und</strong> Spaß für die ganze<br />
Familie.<br />
Foto: Ravensburger AG<br />
Report | 67
Daten <strong>und</strong> Fakten zum<br />
Knorrli-Erlebnisweg<br />
Aktions- <strong>und</strong> Wanderstrecke:<br />
3,5 Kilometer<br />
Schweizer Alpen:<br />
Titlisbahnen / Trübsee, 1.800<br />
Meter Höhe<br />
Knorrli-Erlebnisweg Posten:<br />
Balance-<strong>Spiel</strong>, Hüpfplatten,<br />
Wasserspiel, Ratefi x, Wurfspiel,<br />
Gigampfi , Picknickplatz, Memo<br />
5 Themen der<br />
Ernährungsscheibe:<br />
· Wasser trinken<br />
· Früchte <strong>und</strong> Gemüse essen<br />
· Regelmäßig essen<br />
· Essen <strong>und</strong> Trinken schlau<br />
auswählen<br />
· Beim Essen Bildschirm aus<br />
· In Bewegung bleiben<br />
68 | Report<br />
„Es bärndütsches Wörterbüechli“<br />
Zmorge = Morgenessen, Frühstück<br />
Znüni = Imbiss (vormittags)<br />
Zmittag = Mittagessen<br />
Zvieri = Imbiss (nachmittags)<br />
Zaabe = Imbiss am Nachmittag<br />
Znacht = Abendessen<br />
zwäg = 1. wohl, ges<strong>und</strong>, fi t; 2. bereit<br />
Foto: Ravensburger AG<br />
Spannende Zwischenstationen verkürzen<br />
die Zeit<br />
Neun kindgerechte Aktionsposten führen durch<br />
eine malerische Alpenlandschaft <strong>und</strong> geben<br />
ganz nebenbei die wichtigsten Hinweise zum<br />
Thema Ernährung – vom „Gemüseraten“ bis<br />
zum „Wasserspiel“. Dass man mit „regelmäßig<br />
essen“ besser durch den Tag kommt, erfahren<br />
die Kinder auf Hüpfplatten: Der Abstand zwischen<br />
„Zmorge“ <strong>und</strong> „Zmittag“ ist besonders<br />
gut zu bewältigen mit einen Zwischenstopp bei<br />
„Znüni“. Der Inhalt der Posten basiert auf der<br />
im Frühjahr 2008 lancierten Ernährungsscheibe<br />
für Kinder der Schweizerischen Gesellschaft für<br />
Ernährung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung Schweiz.<br />
„Was so spielerisch erlebbar ist, prägt sich besonders<br />
nachhaltig ein. So nehmen die Familien<br />
auf dem Knorrli-Erlebnisweg die Botschaft mit<br />
nach Hause: Ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>und</strong> Bewegung<br />
sind wichtig für euch.“, sagt Projektleiterin<br />
Sandra Schäfer vom Ravensburger <strong>Freizeit</strong>- <strong>und</strong><br />
Promotion-Service. Durch die 1,5 Kilometer lange<br />
Wanderstrecke führt die sympathische Werbefi<br />
gur Knorrli. Der rote Suppenkasper feierte<br />
in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag mit dem<br />
Motto „Fit <strong>und</strong> zwäg“. Der Knorrli-Erlebnisweg<br />
ist in den Sommermonaten geöffnet. Nach der<br />
Wanderung auf dem Knorrli-Erlebnisweg erhalten<br />
die Kinder nach Abgabe der ausgefüllten<br />
<strong>Spiel</strong>karte ein Überraschungsgeschenk.<br />
Für alle Leser, die Schweizerdeutsch nicht perfekt<br />
beherrschen, gibt das Berndeutsche Wörterbuch<br />
Auskunft:<br />
Mehr Attraktivität durch<br />
Kinderwanderwege<br />
Unabhängig von diesem Erlebnisweg haben in<br />
den letzten Jahren immer mehr Gemeinden den<br />
Gedanken umgesetzt, spezielle Wanderwege für<br />
Kinder zu entwickeln <strong>und</strong> dadurch ihre Attraktivität<br />
für Besucher zu erhöhen. Nur eins von<br />
vielen Beispielen: Ein besonderes Vergnügen<br />
für den Nachwuchs bietet das österreichische<br />
Tannheimer Tal mit dem so genannte Neunererlebnis,<br />
das bei jedem Wetter begehbar ist. Insgesamt<br />
elf Stationen mit interaktiven <strong>Spiel</strong>en<br />
informieren hier über die Natur, die Bergwelt<br />
<strong>und</strong> das Tierreich. Zunächst geht es mit der 8er<br />
Gondelbahn hinauf bis zur Bergstation Neunerköpfl<br />
e. Von dort folgt der Spaziergang auf dem<br />
Neunererlebnis (Gehzeit etwa eine St<strong>und</strong>e).<br />
Auf dem Gipfel angekommen bietet sich ein<br />
w<strong>und</strong>erschöner Ausblick ins Tal. Darüber hinaus<br />
wartet das größte Gipfelbuch der Alpen auf<br />
einen Eintrag. Die Gegend bietet sogar Wanderwege,<br />
die für Kinderwagen geeignet sind.<br />
Der Weg ist das Ziel<br />
Auch abseits von Kinderwanderwegen können<br />
Eltern den Sprösslingen Geschmack auf den<br />
Ausfl ug machen. Vielleicht können Wildtiere<br />
am Wegesrand beobachtet werden, oder es ist<br />
eine Höhle zu erk<strong>und</strong>en. Man kann Tierspuren<br />
bestimmen. Oder den Versuch wagen, nach<br />
Kompass zu wandern, der natürlich von den<br />
Kleinen benutzt wird. Mit einer Lupe wird der<br />
Nachwuchs zum Forscher. Expeditionsführer ist<br />
auch eine tolle Rolle für Kinder. Eine Hütte, in<br />
der man grillen kann, wird zu einem Highlight.<br />
Kleine Bachläufe sind immer schöne Rastplätze,<br />
an denen man auch spielen kann. Lieder singen<br />
oder <strong>Spiel</strong>e wie „Ich sehe was, was du nicht<br />
siehst“ spielen“ funktioniert auch in gewissen<br />
Altersgruppen. Ein tolles Gefühl: barfuss über<br />
den Waldboden stapfen oder im Waldbach waten.<br />
Wenn sich zu einem kindergerechten <strong>und</strong> spannenden<br />
Wanderweg noch Voraussetzungen<br />
wie gute Vorbereitung, richtige Kleidung <strong>und</strong><br />
ausreichend Proviant gesellen, dürfte es beim<br />
nächsten Ausfl ug mit den Kleinen weit weniger<br />
zu dem üblichen Gezeter kommen. L.K.
Gewinnen Sie 2 Eintrittskarten<br />
für die Sonderausstellung im PHAENO<br />
Ein Fachmagazin für Kommunen kann<br />
nicht nur informieren, sondern auch<br />
Spaß machen – deshalb haben wir<br />
dieses Gewinnspiel für Sie organisiert.<br />
Im niedersächsischen Wolfsburg öffnet sich im phæno<br />
die faszinierende <strong>und</strong> spannende Welt der Naturwissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik. Mit einem spektakulären Bauwerk<br />
<strong>und</strong> vielen Herausforderungen zu eigenem Tun ist ein<br />
inspirierendes Sciencecenter geschaffen worden, an<br />
dem sich Wissenschaft <strong>und</strong> Technik mit Entdeckerlust<br />
<strong>und</strong> Faszination verbinden. Kern von phæno ist eine<br />
in Deutschland einzigartige „Experimentierlandschaft“<br />
von über 9.000 m², die mit 300 Experimentierstationen<br />
allen Bevölkerungsschichten einen interaktiven, sinnlich<br />
erfahrbaren Zugang zu einer Vielzahl von Phänomenen<br />
eröffnet. Hierbei werden unterschiedliche Themenbereiche<br />
aus der Physik, Chemie, Biologie, Geowissenschaften,<br />
Psychologie, Mathematik u.a. berührt.<br />
Sonderausstellung SpürSinn<br />
Die Sonderausstellung „SpürSinn“ bringt noch bis zum 30. September <strong>2009</strong> Besucher auf die<br />
„schiefe Bahn“: Fühlen, spüren, wahrnehmen – das sind die großen Themen der Ausstellung.<br />
Beispielweise im „verrückten Salon“: Von außen wirkt der Raum ganz normal. Innen ist er aber<br />
um 25 Grad gekippt <strong>und</strong> fordert die Sinne heraus. Weitere Experimente mit optischer Täuschung,<br />
Hitze- <strong>und</strong> Kälteempfi nden, Balanceakten <strong>und</strong> Drehbewegungen, Musik, Kontaktreize <strong>und</strong> ein<br />
Erlebnispfad sprechen alle Wahrnehmungskanäle an. Der menschliche Körper wird dabei bei über<br />
35 Exponaten selbst Teil des Experimentes. Neben den fünf bekannten Sinnen werden im phæno<br />
auch der Gleichgewichtssinn, die Temperaturwahrnehmung, die Schmerzempfi ndung <strong>und</strong> die<br />
Tiefenwahrnehmung angesprochen.<br />
www.phaeno.de<br />
Gewinnfrage: Welche 5 Sinne sind die Bekanntesten?<br />
Wir verlosen 2 x 2 Eintrittskarten!<br />
Mailen Sie uns Ihre Antwort bis zum 5. September <strong>2009</strong> an: info@free-lounge.de.<br />
Der Gewinner wird aus allen eingegangenen Einsendungen verlost.<br />
Mitarbeiter der Phaeno GmbH <strong>und</strong> der Free-Lounge-Redaktion sind von der Teilnahme ausgeschlossen.<br />
Gewinnen | 69
Foto: Milla & Partner<br />
70 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
Foto: R. E. Gilmore
Kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Stadtplanung<br />
Teil I: Element Wasser<br />
Für Kinder in der Stadt gelten die gleichen Voraussetzungen wie<br />
für Kinder auf dem Lande. Die Kindheit ist die Zeit, in der man<br />
seine Welt erk<strong>und</strong>en, probieren <strong>und</strong> ändern kann. Dabei erfährt<br />
man als Kind ein Stück von sich selbst, ein Stück von der Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> ein Stück vom Leben.<br />
Kinder lernen innerhalb eines Stadtgefüges<br />
spielerisch soziales Handeln, Respekt gegenüber<br />
anderen Menschen <strong>und</strong> deren Wünsche<br />
kennen. Wenn die Stadträume auch für Kinder<br />
geschaffen sind, können sie sich dort durch zwischenmenschliche<br />
Beziehungen das notwendige<br />
Werkzeug aneignen, um sich als vollwertige<br />
Bürger zu entwickeln.<br />
Bei kinderfre<strong>und</strong>lichen stadtplanerischen Projekten,<br />
an denen Kinder beteiligt waren, konnte<br />
man in den letzten vier Jahren erkennen, dass<br />
sich Kinder zwischen sieben <strong>und</strong> dreizehn Jahren<br />
auf Kinderspielplätzen zunehmend langweilen.<br />
Die Rutsche, der Sandkasten <strong>und</strong> die alte<br />
Wippe sind <strong>Spiel</strong>geräte aus dem letzten Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Diese <strong>Spiel</strong>geräte locken keine Kinder,<br />
die z.B. die Geschwindigkeit, den Nervenkitzel<br />
<strong>und</strong> die Abwechselung auf Volksfesten erlebt<br />
haben. Andere <strong>Spiel</strong>elemente sind erwünscht.<br />
Ein wichtiges Element davon ist Wasser.<br />
„Wasser! Wasser, du hast weder Geschmack<br />
noch Farbe, noch Aroma. Man kann dich nicht<br />
beschreiben. Man schmeckt dich, ohne dich<br />
zu kennen. Es ist nicht so, dass man dich zum<br />
Leben braucht: du selber bist das Leben! Du<br />
durchdringst uns als Labsal, dessen Köstlichkeit<br />
keiner unserer Sinne auszudrücken fähig ist.<br />
Durch dich kehren uns alle Kräfte zurück, die<br />
wir schon verloren gaben“, schrieb Antoine de<br />
Saint-Exupéry 1939 in seinem Buch „Terre des<br />
Hommes“ („Wind, Sand <strong>und</strong> Sterne“). „Wasser<br />
schenkt uns ein unbeschreiblich einfaches <strong>und</strong><br />
großes Glück.“<br />
Schmutzwasserkanäle in der Stadt, erfrischende<br />
Wasserspiele in Gärten, lebensnotwendige<br />
Waschbrunnen am Marktplatz <strong>und</strong> Wasserspiele<br />
als Temperaturregler <strong>und</strong> Luftreiniger sind<br />
einige geschichtliche <strong>und</strong> vielfältige Einsatzmöglichkeiten<br />
von Wasser. Eines der berühmtesten<br />
Beispiele von Wasserkunst in Gärten ist<br />
vermutlich der Garten der Villa d’Este in Italien.<br />
Neben Fischteichen, Eulen- <strong>und</strong> Drachenbrunnen,<br />
Wasserkanälen <strong>und</strong> Wasserfällen in den<br />
Handläufern der Treppen ist der Neptunbrunnen<br />
ein geeignetes Beispiel, wie man Wasser gezielt<br />
einsetzt, um Betrachter spielerisch zu unterhalten.<br />
Der Neptunbrunnen ist ein beeindruckender<br />
Wasserfall, dessen Geräuschkulisse die<br />
Aufgabe hatte, den Lärm aus der Stadt Tivoli zu<br />
übertönen <strong>und</strong> den Besucher im Garten von den<br />
Stadtgeräuschen zu isolieren. Dieses stattliche<br />
Wasserspiel wurde 1927 mit vertikalen Wasserventilen<br />
kombiniert, die unter Hochdruck standen.<br />
Hinzu kam eine musikalische Wasserorgel,<br />
die durch den Druck auf Klangbrettern zwei<br />
Trompetentöne produzierte.<br />
Ob Kinder bei der Planung der Wasserspiele im<br />
Garten der Villa d’Este gefragt worden sind, ist<br />
nicht überliefert. Der Garten aber ist überfüllt<br />
von Wasserspielen <strong>und</strong> hinterlistigen Wassertricks.<br />
Der Spaß an Wassertricks war damals<br />
wie heute nicht altersabhängig. Der „kniffl igste<br />
Wassertrick“ in der modernen Stadtplanung<br />
besteht darin, als Stadtplaner den Genuss von<br />
Wasser <strong>und</strong> Wasserspielen in den Städten zu<br />
ermöglichen. Ein Blick durch die deutschen<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 71
Auf dem Kardinal-Hengsbach-Platz in Essen gibt es vielfältige <strong>Spiel</strong>möglichkeiten mit Wasser.<br />
72 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
Städte zeigt, dass Stadtplaner, die mit Kindern,<br />
Künstlern <strong>und</strong> Landschaftsarchitekten Wasser<br />
in der Stadt als wichtiges Thema aufgreifen,<br />
dabei sind, ihre Auffassung von menschen- <strong>und</strong><br />
besonders kinderfre<strong>und</strong>licher Stadtplanung auf<br />
die Städte zu übertragen.<br />
Sprudelnd, gurgelnd, rauschend übertönen die<br />
Wasserkaskaden den Berliner Stadtverkehr <strong>und</strong><br />
funkelnde Wassergüsse bahnen sich ihren Weg<br />
nach unten in die Stadt. Zwischen den Steinen<br />
segeln Papierschiffe, <strong>und</strong> eine neue Flotte wird<br />
gerade von aufgeregten Kindern zu Wasser gelassen.<br />
Hinter den Kindern, auf dem höchsten<br />
natürlichen Berg Berlins, steht ein Kreuz, das<br />
gleichzeitig der Namensgeber des Viertels ist.<br />
Der Victoriapark in Kreuzberg ist eines der ältesten<br />
Beispiele für kinderfre<strong>und</strong>liche <strong>Spiel</strong>oasen<br />
in der Stadt. Gleichzeitig ist es das beste<br />
Beispiel dafür, dass kinderfre<strong>und</strong>liche Stadtplanung<br />
eine Symbiose von drei Gr<strong>und</strong>elementen<br />
ist. Diese drei werden oft die drei „B´s“ genannt,<br />
denn es handelt sich um Brunnen, Bänke <strong>und</strong><br />
Bäume.<br />
Sowohl Kinder in Naumburg als auch in Karlsruhe<br />
lieben die erfrischende Seite des Wassers<br />
in ihren Städten. Bei gemeinsamen Streifzügen<br />
durch Naumburg ist der alte Steinbrunnen auf<br />
dem Kirchenplatz das beliebteste Ziel. Da der<br />
Beckenrand sehr breit ist, recken sich die Entdecker,<br />
bis sie die Wasseroberfl äche berühren,<br />
um damit spielen zu können. Hier erkennt man,<br />
wie immens wichtig es ist, dass Brunnen <strong>und</strong><br />
Wasserplätze bespielbar werden, indem Entfernungen<br />
zwischen dem Wasser <strong>und</strong> dem Nutzer<br />
möglichst gering gehalten werden. So kann auch<br />
der kleinste Bürger seine Hände in das kühlende<br />
Nass tauchen. Ab einem Alter von ungefähr<br />
elf Jahren können Kinder leichter Entfernungen<br />
überbrücken, <strong>und</strong> hüpfen wie in Karlsruhe am<br />
Foto: R. E. Gilmore<br />
Auch behinderte Kinder wurden bei der Planung<br />
berücksichtigt.<br />
Foto: R. E. Gilmore<br />
Lidellplatz auf den Brunnenrand, um an einen<br />
Schluck erfrischendes Wasser zu gelangen. Von<br />
der Schule nach Hause werden die Brunnenbesuche<br />
als Abstecher auf dem Nachhauseweg<br />
von den Kindern eingefügt. Die Erlebnisse in der<br />
Schule werden an den Brunnen besprochen, die<br />
Schulprobleme fl ießen ab <strong>und</strong> das Plätschern<br />
beruhigt die aufgewühlten Gefühle.<br />
Die neue Wasserspieloase in Neuwied ist vor<br />
r<strong>und</strong> einem Monat eröffnet worden. Am Rande<br />
des Neuwieder Stadtteils Feldkirchen ist am<br />
Standort des alten Schwimmbads ein Wasserpark<br />
für Kinder entstanden. Hier stellt man fest,<br />
dass sich Kinder im Zeitalter von Computer-<br />
<strong>und</strong> Videospielen st<strong>und</strong>enlang im Wasserspiel<br />
vertiefen können <strong>und</strong> wollen.. Die Erwachsenen,<br />
die freien Eintritt haben, staunen mit den Kindern,<br />
welche Vielzahl von Möglichkeiten es gibt.<br />
Sowohl die Fließgeschwindigkeit, die Fließrichtung<br />
als auch der Standort <strong>und</strong> die Menge des<br />
Wassers lassen sich beeinfl ussen. Experimentierfreudig<br />
bauen die Kinder Staudämme, erfrischen<br />
sich unter spritzenden Düsen <strong>und</strong> pumpen<br />
Wasser in mosaikverzierte Wasserrinnen<br />
<strong>und</strong> Becken.<br />
Der Ursprung der Wasserspiele in Gummersbach<br />
beginnt vor der Kirche <strong>und</strong> unterstreicht damit<br />
den christlichen Glauben, dass Wasser <strong>und</strong> damit<br />
auch Leben von Gott kommt. Das Wasser<br />
fl ießt dann über behauene, glatte Steinrinnen<br />
quer über den Kirchplatz <strong>und</strong> verbreitert sich<br />
auf den offenen Platz, um dann vor der Sparkasse<br />
seinen Abschluss zu fi nden. Durch verschiebbare<br />
Metallelemente im Wasserbett<br />
können die Form, die Lichtrefl ektionen <strong>und</strong> die<br />
Fließrichtung beeinfl usst werden. Kleine Brücken<br />
schaffen Übergänge <strong>und</strong> schmale Mauern<br />
verwandeln sich in Sitzelemente. Parallel zum<br />
Wasserbett sind Sitzmöglichkeiten mit Grün-
ereichen abwechselnd über unterschiedliche<br />
Höhenniveaus verteilt.<br />
Die Stadtplaner in Essen sind neue Wege gegangen<br />
<strong>und</strong> haben vor der Kirche zwischen<br />
zwei alten Brunnen eine Wasseroase für Kinder<br />
mit Sand, <strong>Spiel</strong>geräten <strong>und</strong> Brücken entworfen.<br />
Während die Jugendlichen sich an den alten<br />
Brunnen auf dem Kennedyplatz aufhalten, tummeln<br />
sich die Kleinkinder <strong>und</strong> Kinder auf dem<br />
Kardinal-Hengsbach-Platz. Die neue Wasseroase<br />
dort ist seicht ,langsam fl ießend <strong>und</strong> bietet<br />
die Möglichkeit, in knöchelhohem Wasser zu<br />
stehen. Daneben lockt der lang ausgedehnte<br />
weiße Sandabschnitt mit Klettermöglichkeiten.<br />
Die alten Brunnen locken die Jugendlichen<br />
mit ihren regulierbaren Wasserdüsen, der<br />
Gischtentstehung <strong>und</strong> dem kraftvoll entströmenden<br />
Wasser. So sind die Wasserplätze für<br />
unterschiedlichste Alterstufen bespielbar <strong>und</strong><br />
die Jugendlichen unter sich. Unter den großen<br />
Bäumen an dem Brunnen bei der Kirche versammeln<br />
sich die älteren Menschen <strong>und</strong> vertiefen<br />
sich in Gespräche, während sie das Treiben<br />
beobachten.<br />
Wasserspiele für behinderte Kinder sind rar <strong>und</strong><br />
die Freude von Kindern ist doppelt groß, wenn<br />
sie entdecken, dass Stadtplaner auch an sie gedacht<br />
haben. Hinter dem Mövenpick Hotel am<br />
Bahnhof in Essen ist ein Wasserspiel für Kinder<br />
in Rollstühlen. Im Boden sind Metallknöpfe<br />
versenkt, womit die Kinder beim wiederholten<br />
Drücken emporschießende Wasserstrahlen<br />
auslösen können. Es ist leichter, die Wasserstrahlen<br />
mit den Füßen zu aktivieren, aber<br />
mit den Rädern von Kinderrollstühlen ist dies<br />
auch möglich.. Animiert von dem ausgelösten<br />
Wasserstrahl <strong>und</strong> der begleitenden Erfrischung<br />
verbringen behinderte Kinder an heißen Tagen<br />
gemeinsam mit nicht behinderten Kindern gerne<br />
ihre Zeit am Wasserspiel.<br />
Kindgerechte Planung bedeutet die Planung<br />
eines Stadtteils mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten<br />
für alle Generationen. Eine Stadt für<br />
Kinder ist gleichzeitig eine Stadt für alle Menschen.<br />
Kinderfre<strong>und</strong>lichkeit in der Stadtplanung<br />
heißt, durch gezielte Eingriffe ein bestehendes<br />
städtisches Gefüge so zu verändern, dass die<br />
Stadt für Kinder reizvoller, im Alltag sicherer<br />
<strong>und</strong> lebendiger wird, <strong>und</strong> dass bei der Umweltgestaltung<br />
auf kindergerechte Rahmenbedingungen<br />
geachtet wird. Also ist Kinderfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
in der Stadtplanung jeder Prozess, jedes<br />
Konzept oder jede Planung, die dazu beiträgt,<br />
dass Kinder ihre Städte gefahrlos <strong>und</strong> abwechselungsreich<br />
alleine, im Familien- oder Freun-<br />
Im ehemaligen Freibad Feldkirchen in Neuwied wurde <strong>2009</strong> eine Wasser- <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>elandschaft<br />
eröffnet.<br />
deskreis erleben <strong>und</strong> erobern können. Dabei<br />
wird ihre eigenständige Mobilität, Selbständigkeit,<br />
Orientierung <strong>und</strong> Kreativität unterstützt<br />
<strong>und</strong> gefordert. Später als Erwachsene können<br />
die Kinder diese Erfahrungen <strong>und</strong> Charaktereigenschaften<br />
nutzen, um ihren Beitrag zur Gesellschaft<br />
beizusteuern.<br />
Kinderfre<strong>und</strong>lichkeit beschränkt sich nicht nur<br />
auf Kindergeld, mehr Kindergartenplätze oder<br />
neue Gesetze zum Kinderschutz Vielmehr spiegelt<br />
sie sich in der alltäglichen Erlebniswelt für<br />
Kinder in der Stadt. Die Brunnen <strong>und</strong> Wasserspiele<br />
ermöglichen Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong><br />
Erwachsenen spannende <strong>und</strong> ruhige St<strong>und</strong>en.<br />
Etliche Stadtplaner <strong>und</strong> Investoren haben die<br />
Vorzüge von Wasser in der Stadt erkannt. Die<br />
angrenzenden Geschäfte, Restaurants <strong>und</strong> Eiscafés<br />
profi tieren von dem erhöhten Reiz bespielbarer<br />
Brunnen für Kinder. Eltern können<br />
die Zeit genießen, in der die Kinder sich gut <strong>und</strong><br />
sicher beschäftigen können Sie halten sich gerne<br />
dort auf <strong>und</strong> kehren immer wieder zu diesem<br />
Ort zurück.<br />
Dipl.-Ing. Ruth Esther Gilmore<br />
Teil II: Element Bäume<br />
Teil III: Element Kinderbeteiligung<br />
Teil IV: Element Mobilität<br />
Ruth Ester Gilmore<br />
Die Autorin verfasst zurzeit bei<br />
Frau Prof. Dr. Barbara Zibell<br />
an der Fakultät Architektur<br />
<strong>und</strong> Landschaft an der Leibniz<br />
Universität Hannover <strong>und</strong> bei<br />
Prof. Dr. Jens Dangschat an der<br />
TU Wien ihre Dissertation über<br />
Innovative Wege einer kinderfre<strong>und</strong>lichen<br />
Stadtplanung in<br />
deutschen Städten.<br />
Foto: M. Söltl<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 73
Foto: Eleazar Castillo<br />
Parkour –<br />
Überwindung der Schwerkraft<br />
Als der heute 36-Jährige<br />
David Belle von seinem Vater<br />
in den Wädern Nordfrankreichs<br />
die Méthode Naturelle<br />
lernte, ahnte er noch<br />
nicht, dass er zum Begründer<br />
einer „Trendsportart“<br />
werden sollte: Parkour. Bei<br />
Parkour scheint die Schwerkraft<br />
aufgehoben <strong>und</strong> ein<br />
verpasster Bus ist mitunter<br />
eine Chance, ohne Transportmittel<br />
noch schneller<br />
an´s Ziel zu kommen.<br />
74 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
Die Méthode Naturelle ihrerseits geht auf den<br />
1875 geborenen französischen Marine-Offi zier<br />
Georges Hébert zurück. Die Flucht vor einem<br />
Vulkanausbruch 1902 auf Martinique überzeugte<br />
ihn, dass es sehr wichtig ist, athletische<br />
Fähigkeiten mit Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit<br />
<strong>und</strong> Tapferkeit zu vereinbaren. Er entwickelte<br />
daraus eine Methode, wie man durch<br />
eine Landschaft mit ihren natürlichen Hindernissen<br />
ohne Hilfsmittel am effi zientesten von A<br />
nach B kommt – ideal für Soldaten in unwegsamem<br />
Gelände.<br />
Vom Wald in die Stadt<br />
David Belle übertrug nach einem Umzug in die<br />
Stadt in den 80er Jahren die Bewegungsabläufe<br />
<strong>und</strong> Techniken auf die urbanen Verhältnisse des<br />
Pariser Vorortes Lisses – auf eine Landschaft<br />
aus Beton <strong>und</strong> Stahl. Aus den spielerischen Verfolgungsjagden<br />
der Kinder über Treppen, Tischtennisplatten,<br />
Papierkörbe <strong>und</strong> kleinere Bäche<br />
entwickelten die Fre<strong>und</strong>e als Jugendliche durch<br />
Einbeziehung immer schwierigerer Hindernisse<br />
wie Mauern, Zäune, Baugerüste – später auch<br />
Gebäudefassaden <strong>und</strong> Hochhäuser – Le Parkour.<br />
David Belle ist studierter Schauspieler <strong>und</strong><br />
spielte bei etlichen Film- <strong>und</strong> Fernsehproduktionen<br />
teilweise Hauptrollen. Er gilt bis heute als<br />
der beste Traceur, wie sich die Sportler nennen.<br />
Naheliegend, dass er seine Fähigkeiten auch als<br />
Stuntman <strong>und</strong> in Werbespots einsetzt.<br />
Laut Eigendefi nition ist Parkour eine Disziplin,<br />
die Bewegungskunst, Sport <strong>und</strong> Technik verbindet<br />
<strong>und</strong> der einige philosophische Elemente<br />
zugr<strong>und</strong>e liegen. Anders als Akrobatik ist die<br />
Bewegungskunst des Parkour in diesem Sinn<br />
nicht auf Showeffekte beim Publikum gerichtet,<br />
sondern auf „elegante, effi ziente, geschmeidige,<br />
fl üssige Bewegungen“.<br />
Alles wird Parkour<br />
Le Parkour kann prinzipiell überall, sowohl in<br />
natürlichem wie in urbanem Umfeld praktiziert<br />
werden. Der Traceur überwindet dabei alles,<br />
was ihm an Hindernissen in den Weg kommt.<br />
In einer urbanen Umgebung werden Pfützen,<br />
Papierkörbe, Bänke, Blumenbeete <strong>und</strong> Mülltonnen<br />
ebenso wie Bauzäune, Mauern, Litfasssäulen,<br />
Garagen <strong>und</strong> unter Umständen Hochhäuser<br />
<strong>und</strong> Hochhausschluchten übersprungen<br />
<strong>und</strong> überklettert. Die Hindernisse selbst dürfen<br />
jedoch nicht verändert werden, weil es darum<br />
geht, mit dem vorhandenen Umfeld zurecht zu<br />
kommen.<br />
In der Tat ist es verblüffend, wenn sich Traceure<br />
mit Leichtigkeit über hohe Mauern schwingen,<br />
nach einem Sprung punktgenau auf einer nur 10<br />
cm schmalen Kante landen oder sich aus dem<br />
zweiten Stockwerk stürzen, um unten mit einer<br />
eleganten Rolle zu landen. Natürlich unverletzt.<br />
Spektakulär <strong>und</strong> gleichzeitig unheimlich cool.<br />
Wer glaubt, mit ein paar Tricks <strong>und</strong> Wagemut<br />
sei es getan, liegt völlig daneben. Körper <strong>und</strong><br />
Geist sind gefragt. Und eben mal schnell geht<br />
das Lernen bei Parkour schon gar nicht.<br />
Eisernes Training ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzung. Es<br />
geht um körperliche, geistige <strong>und</strong> mentale Fitness.<br />
Mittlerweile haben an dem Sport Interessierte<br />
viele Möglichkeiten unter Anleitung von<br />
Könnern, Parkour zu lernen. Dazu gehört eine<br />
Reihe von Gr<strong>und</strong>elementen, die später je nach<br />
Hindernis miteinander kombiniert werden.<br />
Überfl üssige Showeinlagen lehnen Traceure ab.<br />
Salti <strong>und</strong> andere akrobatische Einlagen gehören<br />
nicht zur Kunst der Bewegung. Die Bezeichnung<br />
als Trendsportart lehnen übrigens viele<br />
Anhänger ab, weil ein extrem hoher Trainingsaufwand<br />
erforderlich ist, was eher in Richtung<br />
Extremsport weist. Außerdem ist Parkour im<br />
Gegensatz zu den eigentlichen Sportarten nicht
Foto: Privat<br />
Ein Traceur führt einen Équilibre durch- Balancieren bzw. Gehen auf Mauern <strong>und</strong> Stangen.<br />
wettbewerbsorientiert. Mittlerweile gibt es mit<br />
Freerunning <strong>und</strong> Tricking zwei Abkömmlinge,<br />
die Show-Elemente mehr oder weniger stark<br />
in den Vordergr<strong>und</strong> stellen <strong>und</strong> Anleihen bei<br />
Breakdance oder Kampfsportarten nehmen.<br />
Wie gefährlich ist Parkour?<br />
Eine objektive Beurteilung des Gefährdungspotentials<br />
ist schwierig. Die Antwort erfahrener<br />
Traceure: „Parkour ist nur so gefährlich, wie<br />
man es sich selbst macht.“ Schwere Verletzungen<br />
bis hin zur Querschnittslähmung <strong>und</strong> zum<br />
Tod sind möglich, wenn bestimmte Gr<strong>und</strong>regeln<br />
missachtet werden. Das intensive Aufwärmen<br />
vorher ist absolute Pfl icht. Und Disziplin eine<br />
wirksame Versicherung. Zu den Basics gehört<br />
es, den eigenen Körper genau zu beobachten<br />
<strong>und</strong> seine Signale ernst zu nehmen. Auch der<br />
Respekt vor dem Hindernis muss stets gewahrt<br />
bleiben. Der Traceur muss sich sicher sein, dass<br />
er das Hindernis überwinden kann, andernfalls<br />
sollte er sich vorerst ein leichteres suchen. Man<br />
wagt nur Sprünge, bei denen man sich sicher<br />
ist, dass man diese auch schafft.<br />
Selbstüberschätzung <strong>und</strong> Angeberei sind völlig<br />
fehl am Platz. Wer mit Parkour ernsthaft<br />
beginnt, wird bald eine Veränderung an sich<br />
feststellen: in der Denkweise <strong>und</strong> im Körperbewusstsein.<br />
Der Schwierigkeitsgrad wird in sehr<br />
kleinen Schritten gesteigert. Selbst wenn man<br />
ein Hindernis mehrmals überw<strong>und</strong>en hat, wird<br />
man es noch nicht beherrschen.<br />
Nichts muss, Vieles kann<br />
Eine besonders angenehme Seite der Bewegungskunst<br />
ist die Tatsache, dass kein Sportfeld<br />
erforderlich ist. Und auch die Ausrüstung<br />
ist minimal. Auch wenn manche Traceure sogar<br />
auf Schuhe verzichten, sollten Sportschuhe<br />
mit hervorragenden Dämpfungseigenschaften<br />
<strong>und</strong> griffi gen Sohlen getragen werden. Und<br />
vielleicht Handschuhe, da auch die Hände sehr<br />
stark beansprucht werden. Typische Kleidung<br />
gibt es nicht <strong>und</strong> selbst die Musik, die Parkour<br />
oft begleitet, ist unspezifi sch. Es kann Hip-Hop<br />
sein, R&B, Techno oder Rock. Dass die Industrie<br />
sich mehr <strong>und</strong> mehr für diese Art der Jugendbewegung<br />
interessiert liegt daran, dass sie<br />
bestens geeignet ist, ein angestaubtes Firmenimage<br />
aufzupeppen, oder für Energieversorger,<br />
junge Mode, Banken <strong>und</strong> Radiosender zu werben<br />
- eben alles, was dynamisch <strong>und</strong> jugendlich<br />
wirken will.<br />
Da Parkour im öffentlichen Raum ausgeübt<br />
wird, stellt sich die Frage nach Beschädigungen<br />
durch Traceure. Die sind nicht ganz ausgeschlossen,<br />
wenn auch minimal <strong>und</strong> sehr<br />
selten. Denn auch die Rücksichtnahme auf das<br />
Eigentum anderer gehört zum Kodex der Bewegungskunst.<br />
Zerschmetterte Bierfl aschen zählen<br />
jedenfalls nicht zu den Hinterlassenschaften,<br />
da die Jugendlichen ja einen klaren Kopf behalten<br />
wollen. Vandalismusschäden sind nicht<br />
zu befürchten Und Rücksichtnahme auf andere<br />
Passanten sollte auch selbstverständlich sein.<br />
Wenn also künftig immer häufi ger junge Leute<br />
durch eine ungewöhnliche Fortbewegungsweise<br />
auffallen, besteht zunächst kein Gr<strong>und</strong>, an<br />
den Untergang des Abendlandes zu denken. An<br />
Rollerblader <strong>und</strong> Skateboarder haben wir uns<br />
auch gewöhnt. L.K.<br />
Die Bewegungsabläufe bei<br />
Parkour richten sich nach dem<br />
Hindernis <strong>und</strong> setzen sich aus<br />
verschiedenen Gr<strong>und</strong>techniken<br />
zusammen, beispielsweise:<br />
Passe muraille<br />
Der Traceur überwindet eine<br />
Mauer, indem er darauf zuläuft<br />
<strong>und</strong> die Vorwärtsbewegung<br />
durch Abstoßen an der Mauer<br />
in eine senkrechte Bewegung<br />
umwandelt.<br />
Planche<br />
Aus einer hängenden Position<br />
geht der Traceur in eine Stützposition<br />
über – beispielsweise,<br />
um eine Mauerüberwindung zu<br />
komplettieren.<br />
Franchissement<br />
Der Begriff bezeichnet einen<br />
Durchbruch durch eine Lücke.<br />
Typisch ist das Hindurchschwingen<br />
zwischen waagrechten<br />
Stangen. Manche<br />
schaffen es auch, mit den<br />
Füßen voran so durch ein<br />
geöffnetes Autofenster zu<br />
springen, dass sie passgenau<br />
auf dem Sitz landen.<br />
Demitour<br />
Mit einer halben Drehung ist<br />
es möglich, kontrolliert hinter<br />
einem Hindernis landen zu<br />
können.<br />
Réverse<br />
Bei einer Drehung um 360 °<br />
lässt sich zusätzlich zu einer<br />
kontrollierten Landung aus der<br />
Fliehkraft Geschwindigkeit für<br />
weitere Bewegungen gewinnen.<br />
Saut de précision<br />
Mit einem Präzisionssprung<br />
landet der Traceur auf einen<br />
vorher defi nierten Punkt <strong>und</strong><br />
kann darauf stehen bleiben.<br />
Foto: Privat<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 75
76 | Stadt & Kunst<br />
Foto: Gerhard Wö rnhö rer
Eine Lobby für das Hören<br />
„Hörstadt“ ist ein ehrgeiziges Projekt, das Linz als europäische Kulturhauptstadt<br />
noch weit über <strong>2009</strong> beschäftigen wird. Das Ziel: den<br />
akustischen Raum der Stadt zu entwickeln, gestalten <strong>und</strong> pfl egen.<br />
Werbebeschallung im Supermarkt, eine Hitparade<br />
unterschiedlichster Klingeltöne in der<br />
Straßenbahn oder der Verkehrslärm in der<br />
Rushhour: Manche der Geräusche nimmt der<br />
Mensch in dem breiten Klangteppich der Stadt<br />
gar nicht mehr wahr, denn das Gehirn kann sie<br />
ausblenden. Andere stören extrem. Gut tut der<br />
gesamte Lärm dem Körper sicher nicht. Wer<br />
von nächtlichem Fluglärm betroffen ist, leidet<br />
unter einem erhöhten Risiko an Bluthochdruck<br />
zu erkranken. Neben dem Rauchen ist Lärm ein<br />
zentraler Risikofaktor, der Herzinfarkte auslöst.<br />
Liest man die vielen möglichen Auswirkungen<br />
von Lärm auf die Ges<strong>und</strong>heit, so müsste eigentlich<br />
an vielen Orten in der Stadt ein Beipackzettel<br />
angebracht sein, der vor den Risiken warnt.<br />
Eine Art Anwaltschaft für das Hören hat die<br />
Stadt Linz seit <strong>2009</strong> als europäische Kulturhauptstadt<br />
übernommen. Florian Sedmak <strong>und</strong><br />
Peter Androsch lenken als Verantwortliche für<br />
das Projekt „Hörstadt“ die Aufmerksamkeit<br />
durch unterschiedlichste Aktionen auf die vielen<br />
Facetten dieses stark vernachlässigten Bereichs<br />
bei der Inszenierung von Städten. Die Linzer<br />
Idee: Das Thema in das politische Bewusstsein<br />
zu bringen <strong>und</strong> den Weg zu einer neuen Kultur<br />
des Hörens zu ebnen, bei der zum Beispiel auch<br />
in der Stadtentwicklung vernetzt geplant <strong>und</strong><br />
gehandelt wird.<br />
Aktion „Beschallungsfrei“<br />
Da die Ohren sich nicht verschließen lassen,<br />
sind die Menschen zum Hören verurteilt – <strong>und</strong><br />
müssen an vielen Orten Musik hören, die nicht<br />
gefällt. Dem Trend zu immer mehr Musik oder<br />
Einkaufradios mit Werbung stellt „Hörstadt“<br />
die Aktion „Beschallungsfrei“ entgegen. Die<br />
Liste der Organisationen <strong>und</strong> Unternehmen, die<br />
mitmachen, ist beeindruckend lang. Die große<br />
Supermarktkette „Spar“ beteiligt sich in Linz<br />
sowie einige Banken sogar im ganzen Land.<br />
Ruhepole<br />
In diesem Jahr können Besucher der Kulturhauptstadt<br />
in zwei eindrucksvollen Gebäuden<br />
die Stille inmitten der Stadt genießen: Das leerstehende<br />
Centralkino an einer Hauptschlagader<br />
der Stadt wurde Ende 2008 als Ruhepol gestaltet.<br />
Im Frühjahr ist die bisher gesperrte Rudigierhalle<br />
im Turm des Linzer Mariendoms als<br />
zweiter öffentlicher Ruheraum hinzukommen.<br />
Hörstadtführungen<br />
Der Schweizer Komponist, Musiker <strong>und</strong> Klangarchitekt<br />
Andreas Bosshard hat eine Reihe von<br />
Hörstellen im Linzer Stadtraum eingerichtet,<br />
die als „Hörenswürdigkeiten“ erwandert <strong>und</strong><br />
auf teils vom Künstler selbst geführten Hörstadtführungen<br />
unter fachk<strong>und</strong>iger Anleitung<br />
Stadt & Kunst | 77
Foto: hoerstadt.at<br />
Ruhepol Centralkino Innenbereich Ruhemöbel aus großen Kabelspulen in dem Ruhepol<br />
Linzer Dom<br />
Silent City<br />
Die Europäische Akademie für städtische Umwelt hat im Rahmen<br />
des Projekts „Silent City“ ein Handbuch zur Lärmaktionsplanung erstellt.<br />
Dieses Handbuch hilft Kommunen, die Umgebungslärmrichtlinie<br />
effektiv umzusetzen <strong>und</strong> kann als Download über das Internet<br />
bezogen werden. http://www.umweltb<strong>und</strong>esamt.de/laermprobleme<br />
78 | Stadt & Kunst<br />
sinnlich erfahren werden können. Außerdem<br />
wird er für Hörstadt im August <strong>und</strong> September<br />
<strong>2009</strong> an einem hoffnungslos verlärmten Ort in<br />
der Linzer Innenstadt eine Klangbaustelle einrichten,<br />
die prototypisch vor Ohr führen soll,<br />
wie mit einer klugen Gestaltung von Klangumgebungen<br />
plötzlich ein ganz anderer Umgang<br />
mit Lärm möglich wird.<br />
Akustikon<br />
Als neue Kultureinrichtung im Zentrum von Linz<br />
ist das Akustikon geplant. Es soll als Plattform<br />
dienen, an der alle Aktivitäten von „Hörstadt“<br />
zusammenlaufen. Bisher steht die Finanzierung<br />
des Projektes bis zum 31. März 2010. Unter<br />
Hochdruck wird derzeit nach Möglichkeiten gesucht,<br />
wie die Zukunft des Akustikons danach<br />
gesichert werden kann. In einer Erlebniswelt<br />
können die Besucher in das Reich des Hörens<br />
<strong>und</strong> der Akustik eintauchen <strong>und</strong> Hörabenteuer<br />
erleben. Beispielsweise wird der schleichende<br />
Hörverlust durch das zu laute Abspielen<br />
von Musik durch Kopfhörer simuliert. An einer<br />
anderen Station wird die Schallrefl exion unterschiedlicher<br />
Materialien sichtbar gemacht.<br />
Darüber hinaus soll ein Kompetenzzentrum für<br />
Akustik aufgebaut werden: Theoretische Arbeit,<br />
Diskussion <strong>und</strong> Interaktion sowie nicht zuletzt<br />
auch akustische Beratung gehören dazu. Spezielle<br />
Angebote für Schulklassen sind ebenfalls in<br />
Vorbereitung.<br />
Die Linzer Charta<br />
Die Linzer Charta ist das Ergebnis der Entwicklungsarbeit<br />
eines von Hörstadt initiierten Kreises<br />
von Akustikern, Künstlern, Hörexperten <strong>und</strong><br />
Klangarchitekten. Zudem verdankt sie sich der<br />
Offenheit von Politik <strong>und</strong> Verwaltung in der<br />
Stadt Linz. Am 22. Januar <strong>2009</strong> hat der Gemeinderat<br />
der Stadt Linz in seiner ersten Sitzung im<br />
Kulturhauptstadtjahr die vom Stadtsenat eingebrachte<br />
<strong>und</strong> von Bürgermeister Franz Dobusch<br />
vorgestellte Linzer Charta zur Stadtentwicklung<br />
<strong>und</strong> Stadtgestaltung in akustischem Sinne einstimmig<br />
beschlossen. Damit ist Linz nun die<br />
weltweit wohl erste Stadt mit Leitlinien für ihre<br />
akustische Entwicklung. Die Linzer Charta soll<br />
Kompass auf dem Weg zur vorerst utopischen<br />
akustischen Musterstadt Europas sein. In ihr<br />
sind verbindlich Ziele <strong>und</strong> Werte für die akustische<br />
Gestaltung <strong>und</strong> Weiterentwicklung von<br />
Linz festgeschrieben. Andere Städte sind eingeladen,<br />
sich der Linzer Charta anzuschießen.<br />
In Lüttich werden derzeit schon die Weichen in<br />
diese Richtung gestellt. A.M.<br />
www.hoerstadt.at
Die Linzer Charta<br />
Foto: Gerhard Wö rnhö rer<br />
Foto: hoerstadt.at<br />
Bis Ende <strong>2009</strong> verzichtet das Unternehmen Spar in Linz auf die gewohnte<br />
akustische Berieselung.<br />
Der akustische Raum ist alles, was wir hören. In ihm konkretisieren sich unsere Lebensbedingungen ebenso unmittelbar wie – da wir<br />
das Gehör nicht abschalten können – unausweichlich. Der akustische Raum ist formbar. Er kann gestaltet, gepfl egt <strong>und</strong> entwickelt<br />
werden.<br />
Wir anerkennen den akustischen Raum als elementaren Bestandteil unseres Lebensraumes <strong>und</strong> verpfl ichten uns, bei seiner Gestaltung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung folgende Werte zu beachten:<br />
Der akustische Raum ist Gemeingut. Er gehört allen.<br />
Die Gestaltung des akustischen Raums ist Recht <strong>und</strong> Sache aller Menschen. Die Mitwirkung daran bedarf der Chancengleichheit.<br />
Die Teilhabe am akustischen Raum erfordert das Recht auf akustische Selbstbestimmung <strong>und</strong> die Entwicklung eines akustischen<br />
Verantwortungsgefühls.<br />
Städte sind Orte akustischer Vielfalt <strong>und</strong> akustischen Reichtums, der allen barrierefrei offen stehen soll.<br />
Auch im akustischen Raum besteht das uneingeschränkte Recht auf persönliche körperliche Souveränität ebenso wie das Recht auf<br />
persönliche Ges<strong>und</strong>heit.<br />
Auf diesen Werten aufbauend orientieren wir uns an folgenden Zielen:<br />
Wir wollen akustische Vielfalt <strong>und</strong> Klangreichtum ermöglichen <strong>und</strong> fördern.<br />
Wir begreifen Bau-, Verkehrs- <strong>und</strong> Raumentwicklungsprozesse in unserer Stadt auch als akustische Prozesse.<br />
Wir wollen alle Räume im öffentlichen Eigentum einschließlich aller öffentlichen Verkehrsmittel frei von dauerhafter Beschallung<br />
halten.<br />
Wir streben zum Schutz von ArbeitnehmerInnen <strong>und</strong> KonsumentInnen eine Verringerung der Beschallung der öffentlichen Sphäre<br />
an.<br />
Wir wollen die volle gesellschaftliche Teilhabe aller Hörbeeinträchtigten gewährleisten.<br />
Wir rufen die Bildungseinrichtungen - insbesondere Kindergärten - auf, den Erwerb von Hörkompetenz in den Fokus ihrer Arbeit zu<br />
rücken.<br />
Wir wollen verantwortungsvolles, innovatives <strong>und</strong> gesellschaftlich engagiertes akustisches Verhalten fördern sowie neue Wege der<br />
Lärmbekämpfung gehen.<br />
Mit der „Linzer Charta“ machen wir das Hören zu einem der Kernbereiche unserer Politik <strong>und</strong> laden andere Kommunen ein, sich der<br />
„Linzer Charta“ anzuschließen. Wir appellieren an die GesetzgeberInnen, den akustischen Raum als zentralen Lebensbereich zu berücksichtigen.<br />
Wir tun dies im Wissen <strong>und</strong> in der Überzeugung, dass Menschen von dem, was sie hören, in ihrem Innersten beeinfl usst<br />
<strong>und</strong> berührt werden. Akustisch bewusstes Handeln schafft Lebensqualität <strong>und</strong> begünstigt die individuelle Teilhabe an der gesellschaftlichen<br />
Kommunikation.<br />
Alle Städte <strong>und</strong> Kommunen, die sich mit den in der Linzer Charta formulierten Werten <strong>und</strong> Zielen identifi zieren können, sind herzlich<br />
eingeladen, der Charta beizutreten <strong>und</strong> diese für sich zu ratifi zieren.<br />
Klaus Luger, Planungsstadtrat der Stadt Linz, klaus.luger@mag.linz.at<br />
Stadt & Kunst | 79
Interview mit dem Komponisten<br />
Peter Androsch,<br />
Initiator des Projekts<br />
„Hörstadt“<br />
Luftverschmutzung war<br />
auch lange kein Thema<br />
80 | Stadt & Kunst<br />
FreeLounge: Sie bieten mit der „Hörstadt“ etwas<br />
ganz anderes, als die Veranstaltungen, die<br />
man im Rahmen einer Kulturhauptstadt erwartet.<br />
Warum, Herr Androsch?<br />
P. Androsch: Zunächst muss man zwischen<br />
einer Kunst- <strong>und</strong> einer Kulturhauptstadt unterscheiden.<br />
Linz liegt zwischen Salzburg <strong>und</strong><br />
Wien, also zwischen zwei Welthauptstädten<br />
der Musik. Da kommen wir nicht heran. Aber<br />
wir können den Großraum Linz zu einem Kompetenzzentrum<br />
für Akustik entwickeln. Und wir<br />
können durch unsere Projekte <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
Lösungen bieten, die für die Mehrheit aller<br />
Europäer nutzbar sind. Denn im Durchschnitt<br />
leben die meisten Menschen in Europa in Ballungszentren<br />
zwischen 100.000 <strong>und</strong> 500.000<br />
Einwohnern, wie in unserer Region.<br />
FreeLounge: Was konkret meinen Sie mit Kompetenzzentrum<br />
für Akustik?<br />
P. Androsch: Linz ist die erste Stadt, die<br />
Leitlinien für ihre akustische Entwicklung beschlossen<br />
hat. Die „Linzer Charta“ wurde im<br />
Stadtparlament übrigens einstimmig angenommen.<br />
Wir stehen jetzt mit der Umsetzung vor<br />
Aufgaben, die es so noch nie gegeben hat. Das<br />
Projekt Hörstadt macht durch die Maßnahme<br />
„Beschallungsfrei“, die Ruhepole in der Stadt<br />
<strong>und</strong> die akustischen Stadtführungen auf den<br />
Handlungsbedarf aufmerksam. So wie auch in<br />
Foto: P. Androsch<br />
den 70er Jahren zunächst einmal das Bewusstsein<br />
für die Luftverschmutzung in den Städten<br />
geweckt werden musste. Eine wichtige Rolle<br />
auf dem Weg zum Kompetenzzentrum wird<br />
das Akustikon spielen, das am 28. Juni eröffnet<br />
wird. Das Akustikon soll zu einer europäischen<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Vermittlungsstelle zur nachhaltigen<br />
Entwicklung des akustischen Raums<br />
werden. Es wird dort eine Erlebniswelt zum Hören<br />
geben, bei der alle drei im Ohr angesiedelten<br />
Sinne berücksichtigt werden, nämlich der<br />
Gleichgewichts-, Orientierungs- <strong>und</strong> Hörsinn.<br />
Wichtig ist uns darüber hinaus der Bereich der<br />
Forschung <strong>und</strong> Lehre, der interdisziplinär betrieben<br />
werden wird. Nehmen wir ein Beispiel.<br />
Gutes Sprachverständnis ist in Räumen mit<br />
parallelen Wänden schwierig. Deshalb werden<br />
Theater oder Auditorien auch nie als Schuhschachteln<br />
geplant. Anders die Schulen. Seit<br />
Generationen gibt es nur Klassenräume, die<br />
ohne Berücksichtigung der Gesetze der Akustik<br />
gebaut wurden. Es geht also zum Beispiel<br />
darum, dieses Basiswissen auch an die entsprechenden<br />
Planungsstellen zu vermitteln. Auch<br />
das gute Wissen der Arbeitsmediziner zum Thema<br />
Hören kommt nicht bei Architekten oder gar<br />
Stadtplanern an. Hier muss an der Vernetzung<br />
gearbeitet werden. Natürlich gilt es auch, über<br />
die Rahmenbedingungen der Akustik zu sprechen.
FreeLounge: Welche Rahmenbedingungen<br />
meinen Sie?<br />
P. Androsch: Nehmen wir als Metapher die<br />
Situation im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, als sich durch<br />
die Entwicklung verschiedener Verkehrsmittel<br />
ein „Verkehrsraum“ gebildet hat. Ganz selbstverständlich<br />
wurde dieser neue Raum durch<br />
Regeln gestaltet. Das war ein normaler gesellschaftlicher<br />
Prozess, weil ansonsten auf den<br />
Straßen bald das Faustrecht geherrscht hätte.<br />
Nun ist der akustische Raum nicht neu, aber<br />
die Bedingungen haben sich radikal verändert.<br />
Es gibt heute zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte<br />
die technischen Möglichkeiten,<br />
überall zu beschallen <strong>und</strong> – das ist ebenfalls<br />
neu – den akustischen Raum ökonomisch zu<br />
nutzen. Durch die unterschiedlichen Formen<br />
von Werbung wird der akustische Raum, der<br />
großteils ein öffentlicher ist, privatisiert <strong>und</strong> zu<br />
Geld gemacht. Deshalb ist es wichtig, auch ein<br />
akustisches Recht zu entwickeln. Juristisch gesehen<br />
gibt es den akustischen Raum bis heute<br />
noch gar nicht. Es gibt nur Lärm als einen negativen<br />
Ausschnitt, der sich nicht einmal genau<br />
defi nieren lässt. Denn vom Flugzeuglärm in der<br />
Einfl ugschneise bis hin zum tropfenden Wasserhahn<br />
in der Nacht empfi nden Menschen die<br />
unterschiedlichsten Geräusche als störenden<br />
Lärm. Und ganz wichtig ist zudem der gesellschaftspolitische<br />
Aspekt: Wer arm ist lebt weltweit<br />
im Lärm.<br />
FreeLounge: Eine letzte Frage: Wie kommt die<br />
Hörstadt bei den Linzern an? Wie stehen Jugendliche<br />
dazu?<br />
P. Androsch: Die Resonanz ist sehr gut. Immer<br />
mehr Organisationen <strong>und</strong> Geschäfte beteiligen<br />
sich an der Aktion „Beschallungsfrei“. Der Ruhepol<br />
in dem ehemaligen Centralkino wurde<br />
bislang von circa 13.000 Besuchern genutzt,<br />
davon waren sicher 50 Prozent Jugendliche. Das<br />
sind mehr als sechs Prozent der Stadtbevölkerung.<br />
Beim Thema Kopfhörer sind viele Jugendliche<br />
natürlich anderer Meinung als wir, aber<br />
man kann kein Gesetz erlassen, nur weil etwas<br />
dem eigenen Körper schadet. Und schließlich<br />
sind wir auch keine Taliban des Hörens.<br />
FreeLounge: Herr Androsch, wir danken Ihnen<br />
für das Gespräch.<br />
Das Interview führte Dr. Anke Münster<br />
Fotos: hoerstadt.at<br />
Stadt & Kunst | 81
82 | Stadt & Kunst<br />
städtischen Umfeld erstreckt sich meistens<br />
in der Ebene. Weltweit gibt es jedoch eine Reihe ganz<br />
außergewöhnlicher Beispiele für Pfl anzenfassaden <strong>und</strong><br />
vertikale Gärten, die ein neu erschienenes Buch jetzt<br />
erstmals in umfangreicher Form vorstellt.<br />
Wer Paris kennt, weiß, wie positiv vertikale<br />
Gärten <strong>und</strong> Dachgärten die Atmosphäre in der<br />
Innenstadt verändern. Seit 2006 gibt es dort<br />
sogar spezielle Richtlinien, die das Anlegen solcher<br />
grüner Oasen vereinfachen. So w<strong>und</strong>ert es<br />
nicht, dass Paris mit den meisten Beispielen in<br />
dem Buch von Anna Lambertini vertreten ist.<br />
Danach folgt Tokio. Insgesamt zeigen ausgewählte<br />
Projekte von drei Kontinenten, wie unterschiedlich<br />
Künstler, Botaniker, Architekten<br />
<strong>und</strong> Landschaftsarchitekten mit der Chance<br />
umgehen, das Grün gen Himmel wachsen zu<br />
lassen. Die bekannten, spektakulären Beispiele<br />
sind in dem Buch ebenso vertreten wie etwas<br />
weniger auffällige, aber inspirierende Lösungen.<br />
So arbeitet das Künstlerpaar Heather Ackroyd<br />
<strong>und</strong> Dan Harvey im künstlerisch-experimentellen<br />
Bereich seit den 90er Jahren damit, Bauwerke<br />
temporär mit einem Grasmantel zu umhüllen.<br />
Ein kleiner klassizistischer Tempel auf<br />
dem monumentalen Friedhof von Riga leuchtete<br />
für einige Tage in beinahe künstlich wirkendem<br />
Grün. Eine der zentralen Motivationen<br />
beim Anlegen vertikaler Gärten besteht jedoch<br />
darin, die teils triste Wirkung urbaner Architektur<br />
durch Pfl anzen zu beleben. So entfalten<br />
die bewachsenen Säulen im Parkhaus „Parking<br />
des Ternes“ in Paris eine surreale Wirkung, die<br />
durch ein besonderes Lichtkonzept noch verstärkt<br />
wird. Der 17 Meter hohe Lüftungsturm<br />
einer Tiefgarage ist in den Sommermonaten<br />
eine nachdrückliche grüne Antwort auf die hohen<br />
Bürogebäude der Umgebung. Beide Projek-<br />
VERTIKALE GÄRTENNatur im<br />
te wurden in Zusammenarbeit von Patrick Blanc<br />
<strong>und</strong> Edourad François realisiert. Aber es ist nicht<br />
immer nur Beton, der in den Innenstädten durch<br />
Pfl anzen aufgewertet werden kann. Ein gelungenes<br />
Beispiel für eine kostengünstige Lösung<br />
in einem historischen, unter Denkmalschutz<br />
stehenden Gebäude durch Agnès Daval fand<br />
die Autorin im Palais du Rhin in Straßburg. Von<br />
dem Kindermärchen der Zauberbohne inspiriert,<br />
wachsen dort in einem schmucklosen, dunklen<br />
Innenhof aus einer Fläche von Bodendeckern<br />
Kletterpfl anzen an Stahlseilen in die Höhe. Umfangreiche<br />
Beispiele hat die Autorin auch zum<br />
Thema der Metamorphose zusammengetragen.<br />
Gemeint sind Gebäude, deren Architektur<br />
so geplant ist, dass sie durch das Wachstum<br />
der Pfl anzen ihren Charakter komplett verändern.<br />
Es ist etwas schade, dass die Autorin<br />
ihre Einteilung in unterschiedliche Kategorien<br />
wie eben „Metamorphose“, „Verkleidung“ oder<br />
„Ergänzung“ nicht erklärt hat, denn nicht immer<br />
erschließt sich diese Differenzierung. Doch<br />
handelt es um eine sehr lesenswerte Anthologie<br />
der vertikalen Gärten, die durch die Fotos von<br />
Mario Ciampi anschaulich illustriert ist. A. M.<br />
Anna Lambertini – Vertikale Gärten<br />
Mit Vorwort von Jacques Leenhardt <strong>und</strong><br />
Fotos von Mario Ciampi<br />
München: Deutsche Verlags-Anstalt, <strong>2009</strong><br />
59,95 Euro
Buchtipp Street Art<br />
Über Street Art wurde in den letzten Jahren viel geschrieben, sowohl von der Perspektive außerhalb<br />
als auch innerhalb der Szene. „Street Art. Legenden zur Straße“ versucht durch eine Kooperation<br />
zwischen aktiven Street Artists <strong>und</strong> beobachtenden Wissenschaftlern <strong>und</strong> Wissenschaftlerinnen,<br />
erstmals beide Sichtweisen miteinander zu verschränken. Während die Street Artists ihre Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> Geschichten von der Straße in Form von literarischen <strong>und</strong> grafi schen Beiträgen verarbeiten,<br />
machen Autoren aus verschiedenen Disziplinen in Form von Essays dieses popkulturelle Phänomen<br />
vor seinem gesellschaftlichen, politischen, historischen <strong>und</strong> kulturellen Kontext für Außenstehende<br />
verständlich. Die Publikation bietet damit „Legenden zur Straße“ im doppelten Sinne: zum einen<br />
als erzählerische „Legenden“ vom Arbeiten der Street Artists auf der Straße <strong>und</strong> zum anderen als<br />
erklärende „Legenden“ zum besseren Verständnis dieser illegalen Eingriffe in die urbane Ästhetik.<br />
A. M.<br />
Eine weitere Publikation zum Thema Vertikale Gärten ist ebenfalls aktuell erschienen. Sie<br />
stammt von Patrick Blanc, dem bekannten Pariser Botaniker, der mit seinen „mur végétal“<br />
seit 15 Jahren für Furore sorgt. Er hat es geschafft, ein einfaches, jedoch effektives System<br />
zu entwickeln, senkrechte Wände zu bepfl anzen <strong>und</strong> in grüne Oasen zu verwandeln. Seine<br />
faszinierenden <strong>und</strong> erstaunlichen Werke sind in diesem Buch ausführlich beschrieben <strong>und</strong> mit<br />
beeindruckenden Abbildungen dokumentiert.<br />
Patrick Blanc – Vertikale Gärten. Die Natur in der Stadt.<br />
Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, <strong>2009</strong>. 59,90 Euro<br />
Stadt & Kunst | 83
84 | Stadt & Kunst<br />
Oper am Unort<br />
Das Projekt der Eichbaumoper hat über fast zwei Jahre eine wirklich<br />
unfre<strong>und</strong>liche, von vielen Menschen als bedrohlich empf<strong>und</strong>ene U-Bahn-<br />
Haltestelle in Mühlheim an der Ruhr in eine lebendige Kulturwerkstatt<br />
verwandelt <strong>und</strong> den Ort verändert. Schon von den Vorbereitungen an<br />
nahmen Anwohner aktiv an dem Projekt teil. Wie geht es nun weiter,<br />
nachdem die acht Aufführungen stattgef<strong>und</strong>en haben?<br />
Foto: Matthias Rick<br />
Die Architekten Matthias Rick <strong>und</strong> Jan Liesegang<br />
von Raumlaborberlin waren bei ihrem Projekt<br />
U(topie)18 im Ruhrgebiet 2007 auf die Station<br />
Eichbaum der Linie 18 aufmerksam geworden.<br />
Direkt an der Autobahn A40 gelegen war diese<br />
Station mit viel Beton <strong>und</strong> wenig städtebaulichem<br />
Gefühl in den 70er Jahren gebaut worden.<br />
Sie ist abgeschnitten von den umliegenden<br />
Wohngebieten <strong>und</strong> zu groß für die tatsächliche<br />
Nutzung, so das schon tagsüber das Gefühl von<br />
Einsamkeit vermittelt wird. In der Dunkelheit<br />
wird die Station dann zu einem Ort der Angst.<br />
Matthias Rick <strong>und</strong> Jan Liesegang hatten die<br />
Idee, diesen unwirtlichen Ort in einen Zusammenhang<br />
zu stellen, den niemand hier erwartet.<br />
Sie wollten zeigen, dass sich Räume nicht nur<br />
durch Beton, sondern auch durch Menschen<br />
<strong>und</strong> den Klang von Instrumenten verändern lassen.<br />
Bewusst entschieden sie sich nicht für Theater<br />
oder Musical, um den Kontrast zwischen<br />
dem kulturellen Genre <strong>und</strong> dem Ort besonders<br />
deutlich werden zu lassen. Für die künstlerische<br />
Realisation dieser Oper konnten sie das Musiktheater<br />
im Revier Gelsenkirchen (MiR), Ringlokschuppen<br />
Mülheim <strong>und</strong> das Schauspiel Essen<br />
begeistern. Die acht Aufführungen im Juni <strong>und</strong><br />
Juli sind vorbei, doch anders als sonst bleibt<br />
bei der Eichbaumoper nicht nur die Erinnerung
an einige St<strong>und</strong>en Kunstgenuss. Dadurch dass<br />
die Oper von Beginn an den Elfenbeinturm der<br />
Hochkultur verlassen hat <strong>und</strong> die Anwohner in<br />
der Art eines Stadtteilprojektes ganz bewusst<br />
langfristig einbezogen wurden, ist die Idee von<br />
Matthias Rick <strong>und</strong> Jan Liesegang aufgegangen.<br />
Der Eichbaum wurde <strong>und</strong> wird in einem ganz<br />
neuen Zusammenhang wahrgenommen.<br />
Die Opernbauhütte<br />
Eine wichtige Funktion in der Phase der Entstehung<br />
hatte die sogenannte Opernbauhütte,<br />
die im November 2008 aus Containern errichtet<br />
wurde. Sie ist in der Tradition der mittelalterlichen<br />
Dombauhütten zu sehen, in denen die Gewerke<br />
organisiert wurden, die mit dem Bau des<br />
Domes beauftragt waren. Die Opernbauhütte<br />
war dann auch der Raum, in dem die Gewerke<br />
<strong>und</strong> Künstler der Eichbaumoper gearbeitet haben.<br />
Die Präsenz der Künstler hat die U-Bahn-<br />
Station verändert. Interviews, Gespräche <strong>und</strong><br />
Begegnungen mit den Menschen <strong>und</strong> dem Ort<br />
„Eichbaum“ bildeten den wesentlichen Impuls<br />
der künstlerischen Arbeit. Außerdem fanden<br />
eine Vielzahl von Veranstaltungen statt, die<br />
Künstler <strong>und</strong> Anwohner ins Gespräch brachten:<br />
Einmal pro Monat wurde die Opernbauhütte zur<br />
Bar, <strong>und</strong> es wurden regelmäßig Stammtische<br />
mit den Beteiligten angeboten. Kinder konnten<br />
einen Outdoor-Western mit Lucky Luke <strong>und</strong> Billy<br />
The Kid erleben. Es gab Workshops, die auf<br />
unterschiedlichste Zielgruppen ausgerichtet<br />
waren: vom Chorsingen bis hin zum Sprayen.<br />
Bei der Ansprache der Jugendlichen arbeitete<br />
das Team eng mit dem Jugendzentrum vor Ort<br />
zusammen. Außerdem achteten die Organisatoren<br />
darauf, Berührungsängste durch niederschwellige<br />
Angebote wie zwangloses Grillen<br />
abzubauen. So gelang es dann auch im Laufe<br />
der Zeit, mit jugendlichen Randgruppen ins<br />
Gespräch zu kommen, für die der Eichbaum<br />
ein Treffpunkt ist. Sie hatten zunächst heftige<br />
Zweifel an dem Projekt <strong>und</strong> konnten sich nicht<br />
vorstellen, dass der Eichbaum überhaupt zur<br />
Bühne einer Oper werden könnte. Bei nächtlichen<br />
Proben <strong>und</strong> auch bei den Aufführungen<br />
waren diese Jugendlichen dann aber oft dabei,<br />
das anfängliche Problem von Vandalismus gab<br />
es dann nicht mehr.<br />
Wer Interesse hatte, konnte im MiR an einer<br />
öffentlichen Kompositionswerkstatt teilnehmen,<br />
bei der das „Making of“ ganz authentisch<br />
in einer frühen Phase öffentlich gemacht wurde.<br />
Diese Transparenz im künstlerischen Prozess<br />
gehörte ebenfalls zur Projektidee. Später haben<br />
die Passanten dann natürlich die Proben miterlebt,<br />
denn immer - auch bei den Aufführungen<br />
- ging der Personennahverkehr seinen gewohnten<br />
Gang. Die Straßenbahn <strong>und</strong> der Lärm der<br />
nahen Autobahn hatten ihre eigene, tragende<br />
Rolle in dieser Oper.<br />
Foto: Matthias Rick<br />
Stadt & Kunst | 85<br />
Bild: raumlaborberlin
86 | Stadt & Kunst<br />
Zeichnung: raumlaborberlin<br />
Foto: Rainer Schlautmann<br />
Anwohner wurden zu Akteuren<br />
Die Künstler lernten die Anwohner aus der nahe<br />
liegenden Siedlung „Heimaterde“ kennen, die<br />
Rentner <strong>und</strong> die Spaziergänger, die Mütter, die<br />
ihren Kindern Einsteigen am Eichbaum verbieten,<br />
die Pendler, die dort ein- <strong>und</strong> aussteigen,<br />
die Menschen, die seit Jahren auf eine Veränderung<br />
warten. So hörten sie eine Vielzahl<br />
von Geschichten <strong>und</strong> Biographien, die sich an<br />
diesem einen Ort überschneiden. Aus diesem<br />
Panorama „Eichbaum“ wählte jeder Künstler<br />
seine Geschichte <strong>und</strong> seine Perspektive, die er<br />
zum Fokus seiner Arbeit machte. Die Autoren<br />
verarbeiteten Geschichten zu Libretti, die Komponisten<br />
übersetzten Klänge, Emotionen <strong>und</strong><br />
Erlebnisse in Musik. So entstanden drei autonome<br />
Teile, die von „Eichbaum“ erzählen <strong>und</strong><br />
gemeinsam zur „Eichbaumoper“ wurden. Für<br />
die Inhalte eines Teils waren die Songworkshops<br />
von Bernadette La Hengst wichtig. Die<br />
mittlerweile in verschiedensten Medien tätige<br />
Künstlerin, deren Wurzeln im Indie-Rock liegen,<br />
hat zuletzt mehrfach mit musikalischen Laien<br />
zusammengearbeitet <strong>und</strong> daraus kulturell <strong>und</strong><br />
sozial berührende Projekte realisiert. So hat sie<br />
mit Bewohnern eines Altenheims <strong>und</strong> Anfang<br />
des Jahres mit Obdachlosen Songs entwickelt,<br />
einstudiert <strong>und</strong> bei Theaterprojekten in Freiburg<br />
aufgeführt. Am Eichbaum hat sie für ihr<br />
Libretto Anregungen aus den Workshops gezogen<br />
<strong>und</strong> auch Teile der entstandenen Texte<br />
übernommen. Kreative Prozesse wie diese
waren es, die das Projekt Eichbaumoper besonders<br />
auszeichnen. Es galt nicht nur einen<br />
besonders „schrägen“ Ort zu bespielen, sondern<br />
eine Inszenierung zu schaffen, die nur an<br />
diesem einen Ort auf der Welt funktioniert. Die<br />
Oper fand großen Anklang <strong>und</strong> ein durchweg<br />
positives Medienecho.<br />
Viele Ideen – wenig Mittel<br />
Die Eichbaumoper wurde durch verschiedene<br />
öffentliche <strong>und</strong> private Kunststiftungen sowie<br />
durch die Unterstützung von Unternehmen<br />
fi nanziert. Nach Ende des Projektes ist nun<br />
natürlich auch die Förderung beendet. Doch<br />
zeichnet sich ab, dass niemand die entstandenen<br />
Strukturen <strong>und</strong> Vernetzungen einfach im<br />
Sand verlaufen lassen möchte. Eine wichtige<br />
Entscheidung war zunächst, dass die Opernbauhütte<br />
stehen bleibt <strong>und</strong> das Verkaufsangebot<br />
an einen Kulturträger in Paris abgelehnt<br />
worden ist. Provisorisch werden beim Ringlokschuppen<br />
die verschiedenen Fäden zusammenlaufen,<br />
die jetzt gesponnen werden. Matthias<br />
Rick <strong>und</strong> Jan Liesegang vom Raumlabor Berlin<br />
setzen sich dafür ein, dass an den Eichbaum<br />
ein Jugendprojekt angesiedelt wird. Sie könnten<br />
sich ein Jugendradio vorstellen, dass seinen<br />
Aktionsradius nicht auf Mühlheim beschränkt,<br />
sondern das ganze Ruhrgebiet bespielt. Es besteht<br />
kurzfristig die Chance ein Projekt mit<br />
Jugendlichen im Bereich der Stadtplanung in<br />
der ehemaligen Opernbauhütte einzurichten.<br />
Das wäre inhaltlich eine glückliche Fügung,<br />
denn damit könnten vielleicht erste Impulse für<br />
einen Umbau der Station gesetzt werden. Eine<br />
wichtige Perspektive für die Region entpuppt<br />
sich im Moment als eines der gravierendsten<br />
Hemmnisse bei der Zukunftsplanung der kulturellen<br />
Möglichkeiten am Eichbaum. Durch das<br />
anstehende Jahr als Kulturhauptstadt gibt es<br />
keine kurzfristigen Etats für Projekte, die nicht<br />
eingeb<strong>und</strong>en sind. „Ich vermute, wir müssen<br />
nur das Jahr 2010 durchstehen <strong>und</strong> können danach<br />
weiterarbeiten“, beschreibt Jan Liesegang<br />
die aktuelle Situation „Vielleicht gelingt es uns<br />
dann, eine Stiftung für die Förderung zu gewinnen.“<br />
Dass es weitergeht, wünschen sich auch<br />
die Anwohner. Der Eichbaum ist schließlich<br />
nicht mehr, was er vor einem Jahr noch war.<br />
A. M.<br />
Foto: Matthias Rick<br />
Foto: Matthias Rick<br />
Foto: Rainer Schlautmann<br />
Stadt & Kunst | 87
Foto: koelnmesse.de<br />
88 | Messe
<strong>FSB</strong> <strong>2009</strong> zeigt die Sport-<br />
<strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>welten der Zukunft<br />
Freiraum, Sport- <strong>und</strong> Bäderanlagen – drei Themenbereiche, eine erfolgreiche<br />
Plattform. Die Organisatoren arbeiten mit Hochdruck an der nächsten Ausbaustufe<br />
der <strong>FSB</strong> Cologne, die vom 28. bis 30. Oktober <strong>2009</strong> in den Hallen 3<br />
<strong>und</strong> 11 der Koelnmesse stattfi ndet. Sie zeigt nach Aussage von Koelnmesse-<br />
Geschäftsführer Oliver P. Kuhrt die Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>welten der Zukunft:<br />
„In allen drei Themenbereichen zeichnen sich schon heute visionäre Konzepte<br />
ab, die wir unseren Besuchern präsentieren wollen. Neben den Produkt- <strong>und</strong><br />
Konzeptneuheiten setzen der IAKS-Kongress <strong>und</strong> die Awardverleihung auch<br />
<strong>2009</strong> die internationalen Maßstäbe!“<br />
In Kooperation mit der STADT <strong>und</strong> RAUM Messe<br />
<strong>und</strong> Medien GmbH zeigt die <strong>FSB</strong> <strong>2009</strong> Erlebnis-,<br />
Erholungs- <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>bereiche für Jung <strong>und</strong><br />
Alt. Freiräume für die <strong>Freizeit</strong>gestaltung sind<br />
die spannenden Zukunftsaufgaben, die sich den<br />
Architekten <strong>und</strong> Planern in den kommenden<br />
Jahren stellen. Auf der <strong>FSB</strong> treffen Entscheider<br />
aus Kommunen <strong>und</strong> Privatwirtschaft auf innovative<br />
Unternehmen, für die höchste <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong><br />
Freiraumqualität Kerngeschäft ist. Darunter<br />
Aussteller aus den Segmenten <strong>Spiel</strong>platzausstattung<br />
<strong>und</strong> -geräte, Urbanes Design, Freiraumgestaltung,<br />
Stadtmöblierung, Parkmöbel,<br />
Weg- <strong>und</strong> Platzgestaltung. Auch <strong>2009</strong> werden<br />
die herausragenden Arbeiten im Themenfeld<br />
Freiraum mit dem „Deutschen <strong>Spiel</strong>raum-Preis“<br />
ausgezeichnet. Die mediale Aufmerksamkeit ist<br />
schon heute garantiert.<br />
<strong>FSB</strong> – größte Kunstrasenmesse der Welt<br />
- Buntes Rahmenprogramm<br />
Dem stetig steigenden Interesse am Kunstrasen<br />
widmet sich <strong>2009</strong> erstmals ein eigenes<br />
Forum mit Aspekten wie Produktionstechnologien,<br />
Qualitätsanforderungen, Marktpotenziale,<br />
Bau- <strong>und</strong> Betriebskosten. Die <strong>FSB</strong> als größte<br />
Kunstrasenmesse der Welt bietet der Branche<br />
im kommenden Jahr eine noch umfangreichere<br />
Plattform <strong>und</strong> einen eigenständigen Auftritt.<br />
Wer die Kölner Messehallen zur <strong>FSB</strong> <strong>2009</strong> besucht,<br />
der erlebt neben dem fachlichen Programm<br />
vor allem eins: Action <strong>und</strong> Event von<br />
morgens bis abends. Im FIBA-Village gehen<br />
Groß <strong>und</strong> Klein auf Korbjagd, während auf<br />
Kleinfeldern die Fußballer das r<strong>und</strong>e Leder jagen.<br />
Auf der Eisfl äche geht es keineswegs kühl<br />
zu, dort wird beim Eishockey <strong>und</strong> Kunstlaufen<br />
eingeheizt.<br />
Die vollständige nationale <strong>und</strong><br />
internationale Schwimmbadlandschaft<br />
Schwimm- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>oasen der Zukunft sind<br />
gekennzeichnet durch Wellness-, Fitness- <strong>und</strong><br />
Lifestylekomponenten. Im Bäderbereich muss<br />
daher das Angebot den unterschiedlichen Wünschen<br />
des Konsumenten entsprechen. Umso<br />
vielfältiger ist der Bedarf von Architekten <strong>und</strong><br />
Betreibern an Lösungen, diese modernen Bäderwelten<br />
attraktiv <strong>und</strong> kostengünstig zu realisieren.<br />
Auf der <strong>FSB</strong> <strong>2009</strong> kommen die Kreativen<br />
zusammen <strong>und</strong> fi nden die passenden Produkt-<br />
<strong>und</strong> Networkinglösungen. Futuristische Bäderoasen<br />
zeigt im Weiteren der Studentenwettbewerb<br />
der European Waterpark Association<br />
(EWA), dessen Modelle bereits in der Vergangenheit<br />
internationale Beachtung fanden.<br />
Die <strong>FSB</strong> <strong>und</strong> die nahezu parallel stattfi ndende<br />
aquanale (28. bis 31.10.<strong>2009</strong>) zeigen die<br />
vollständige nationale <strong>und</strong> internationale<br />
Schwimmbadlandschaft. So haben die Messebesucher<br />
aus dem Bereich der öffentlichen<br />
Schwimm- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>bäder ausreichend Gelegenheit,<br />
das spannende <strong>und</strong> innovative Angebot<br />
aus Schwimmbecken, Wasseraufbereitung,<br />
Schwimmbadtechnik <strong>und</strong> Sauna in den benachbarten<br />
aquanale-Hallen 10.1 <strong>und</strong> 4.1 in Augeschein<br />
zu nehmen.<br />
Messe | 89
Foto: koelnmesse.de<br />
Foto: koelnmesse.de<br />
90 | Messe<br />
Als Höhepunkt des fachlichen Rahmenprogramms<br />
aus <strong>FSB</strong>, aquanale <strong>und</strong> SOLARIA lädt<br />
das international anerkannte Kölner Schwimmbad-<br />
<strong>und</strong> Wellnessforum zum dritten Mal zum<br />
Informations-, Kontakt- <strong>und</strong> Businessaustausch<br />
ein. Die ideellen Träger des Forums, der bsw<br />
(B<strong>und</strong>esverband Schwimmbad <strong>und</strong> Wellness<br />
e.V.), die IAKS <strong>und</strong> der BSB (B<strong>und</strong>esfachverband<br />
Saunabau <strong>und</strong> Dampfbad e. V.) erarbeiten auch<br />
für <strong>2009</strong> ein informatives <strong>und</strong> spannendes Themenspektrum<br />
von Entscheidern für Endscheider.<br />
Hochkarätiges Programm beim<br />
21. IAKS-Kongress<br />
Mittelpunkt des Themenbereiches Sportanlagen<br />
sind die Sportwelten der Zukunft, mit denen<br />
sich auch der 21. IAKS-Kongress befasst.<br />
Der Expertentreff ist einer der Höhepunkt der<br />
<strong>FSB</strong>, die dank innovativer Aussteller, spannender<br />
Sonderschauen <strong>und</strong> eines hochkarätigen<br />
Kongressprogramms führendes Trend-, Kontakt-<br />
<strong>und</strong> Businessforum bei Sportanlagen,<br />
Schwimmbad, Freiraum <strong>und</strong> urbanem Design<br />
ist. Der IAKS-Kongress bietet Vorträge, Seminare<br />
<strong>und</strong> Diskussionen zur Planung <strong>und</strong> Modernisierung<br />
sowie zum Bau <strong>und</strong> Management von<br />
Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen. Der Themenplan für<br />
<strong>2009</strong> sieht unter anderem folgende Schwerpunkte<br />
vor:<br />
Barrierefreie Sportstätten<br />
Integration von Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen<br />
in die Stadtentwicklung<br />
Sport- <strong>und</strong> Bewegungsräume für alle<br />
Bevölkerungsgruppen<br />
Finanzierungsmöglichkeiten von Sport- <strong>und</strong><br />
<strong>Freizeit</strong>anlagen<br />
Energiesparende Technologien<br />
Zukunftsmarkt Kunststoffrasen<br />
Brasilien 2014:<br />
Sportinfrastruktur für die FIFA WM<br />
Einer der Höhepunkte des Kongresses ist die<br />
Verleihung des IOC-/IAKS-Awards inklusive<br />
IPC-/IAKS-Sonderpreis in Zusammenarbeit mit<br />
dem Internationalen Olympischen <strong>und</strong> Internationalen<br />
Paralympischen Komitee. Er ist der<br />
weltweit einzige Architekturpreis für bereits im<br />
Betrieb stehende Sportanlagen <strong>und</strong> behindertengerechte<br />
Anlagen.
Foto: koelnmesse.de<br />
Milliarden-Aufträge locken<br />
Insgesamt über 17 Milliarden Euro für zusätzliche<br />
kommunale Investitionen in den kommenden<br />
zwei Jahren stellt die öffentliche Hand in<br />
Deutschland zur Verfügung. Dies verkündete<br />
B<strong>und</strong>eskanzlerin Angela Merkel Mitte Januar<br />
als eines der Ergebnisse der Sitzung des Koalitionsausschusses<br />
zum zweiten Konjunkturpaket.<br />
Schwerpunkt ist die Bildung: „Der B<strong>und</strong> wird Investitionen<br />
in Kindergärten, Schulinfrastruktur,<br />
Hochschulen sowie Forschung fördern“, heißt es<br />
in einem Papier des Finanzministeriums. Dazu<br />
gehören auch Sportstätten. Schon im Dezember<br />
2008 hatte B<strong>und</strong>esminister Wolfgang Tiefensee<br />
darüber hinaus eine Reihe von Fördermöglichkeiten<br />
für Sportstätten vorgestellt: neben dem<br />
Investitionspakt die Städtebauförderung, den<br />
„Kommunalkredit“ <strong>und</strong> die Investitionsoffensive<br />
Infrastruktur. Diese „nicht nur aus Deutschland<br />
zu hörenden Signale bringen Schwung in<br />
die betreffenden Wirtschaftszweige“, betont<br />
Klaus Meinel, Geschäftsführer der Internationalen<br />
Vereinigung Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>einrichtungen<br />
e.V. (IAKS). Als „ideale Plattform für<br />
Unternehmen, um von dem zu erwartenden<br />
Auftragsvolumen zu profi tieren“, bezeichnete<br />
Koelnmesse-Geschäftsführer Oliver P. Kuhrt die<br />
vom 28. bis 30. Oktober <strong>2009</strong> in Köln stattfi ndende<br />
Internationale Fachmesse für Freiraum,<br />
Sport- <strong>und</strong> Bäderanlagen, <strong>FSB</strong> Cologne.<br />
Bereits Anfang des Jahres <strong>2009</strong> waren schon<br />
über 70 Prozent der 50.000 Brutto-Quadratmeter<br />
umfassenden <strong>FSB</strong>-Fläche belegt. Neben<br />
der Quantität stimmt auch die Qualität: „Schon<br />
jetzt ist ein guter Teil des `who is who` in allen<br />
drei Angebotssegmenten vertreten“, beschreibt<br />
Oliver P. Kuhrt, Geschäftsführer der Koelnmesse.<br />
Als Gründe für den hervorragenden Anmeldestand<br />
nennt Kuhrt beispielhaft die geplanten<br />
kommunalen Investitionen im Zusammenhang<br />
mit den Konjunkturpaketen der B<strong>und</strong>esregierung<br />
bzw. Fördermaßnahmen in anderen Ländern,<br />
das erstklassige Renommee der <strong>FSB</strong> in<br />
der internationalen Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>welt <strong>und</strong><br />
den Zusatznutzen für die Fachbesucher durch<br />
die nahezu parallel stattfi ndende aquanale.<br />
Für kommunale Entscheider, für Architekten,<br />
Planer <strong>und</strong> Wirtschaftsförderer dürften die<br />
Messe <strong>FSB</strong> <strong>und</strong> der IAKS-Kongress ergiebige<br />
F<strong>und</strong>gruben an Ideen <strong>und</strong> Visionen für die Gestaltung<br />
von Freiräumen sein. L.K.<br />
Messe | 91
Kommunen als<br />
Konjunktur-Motor<br />
92 | Messe<br />
Tief recherchierte Themen, hochkarätige Sprecher <strong>und</strong> innovative Best-<br />
Practice Beispiele – das sind die Merkmale, die die WirtschaftsWoche-<br />
Jahrestagung einzigartig machen. Auch die diesjährige Veranstaltung<br />
am 25. <strong>und</strong> 26. Februar <strong>2009</strong>, im Pullmann Berlin Schweizerhof wurde<br />
diesem hohen Anspruch gerecht.<br />
Entscheider unter sich<br />
Unter dem Motto „Zukunft gestalten statt Bestand<br />
verwalten“ trafen sich über 150 kommunale<br />
Führungskräfte zum Erfahrungsaustausch:<br />
Vertreter von Städten, Gemeinden <strong>und</strong> Kreisen,<br />
insbesondere Oberbürgermeister <strong>und</strong> Bürgermeister,<br />
Landräte, Stadtdirektoren, Kämmerer,<br />
Dezernenten <strong>und</strong> Amtsleiter, Vorstände,<br />
Geschäftsführer <strong>und</strong> leitende Mitarbeiter aus<br />
kommunalen Unternehmen, die mit Kommunen<br />
kooperieren bzw. kooperieren möchten sowie<br />
Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer<br />
<strong>und</strong> Unternehmensberater mit dem Fokus<br />
„Öffentlicher Sektor“.<br />
Milliardenpotenzial<br />
Immerhin galt es, ein Investitionsprogramm<br />
in zweistelliger Milliardenhöhe in öffentliche<br />
Infrastrukturen wie Schulen, Verkehr <strong>und</strong><br />
Krankenhaus zu diskutieren, das die B<strong>und</strong>esregierung<br />
Anfang <strong>2009</strong> als zweites Konjunktur-<br />
Programm auf den Weg gebracht hatte. Die<br />
Kommunen können nach Auffassung des Städte-<br />
<strong>und</strong> Gemeindeb<strong>und</strong>es sowie des Deutschen<br />
Städtetages die Investitionen schnell umsetzen<br />
<strong>und</strong> dazu beitragen, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen.<br />
Bis 2020 besteht laut einer Studie des<br />
Institutes für Urbanistik ein Bedarf an kommunalen<br />
Investitionen in Höhe von 700 Milliarden<br />
Euro. Trotz der positiven Einnahmenentwicklung<br />
vieler Kommunen durch die Unternehmensteuer-<br />
<strong>und</strong> die Gewerbesteuerreform besteht<br />
in Städten <strong>und</strong> Gemeinden zurzeit ein Investitionsstau<br />
von 75 Milliarden Euro.<br />
Rückbesinnung auf das Lokale<br />
Auf der 5. WirtschaftsWoche Jahrestagung<br />
„Neustart Kommune“ ging Hauptgeschäftsführer<br />
des Deutschen Städte- <strong>und</strong> Gemeindeb<strong>und</strong>es,<br />
Dr. Gerd Landsberg, auf die Auswirkungen<br />
der Finanzkrise auf die Kommunen ein <strong>und</strong> zeigte<br />
wie durch die Rückbesinnung auf das Lokale<br />
<strong>und</strong> das Sparkassen-Prinzip die Krise überw<strong>und</strong>en<br />
werden kann. Die Kommunen könnten nach
Prof. Dr. Gerhard Lange (Universität zu Köln) Dr. Christian Ramthun (WirtschaftsWoche), Dr. Gerd Landsberg (Deutscher Städte-<br />
<strong>und</strong> Gemeindeb<strong>und</strong>), Franz-Reinhard Habbel Deutscher Städte- <strong>und</strong> Gemeindeb<strong>und</strong>),<br />
Dr. Stephan Articus (Deutscher Städtetag)<br />
eigenen Angaben auch kurzfristig Milliardensummen<br />
investieren, um die Wirtschaftskrise zu<br />
bekämpfen, allerdings sei dazu fi nanzielle Unterstützung<br />
von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern nötig, sagte<br />
Landsberg bereits am 16.12. 2008 gegenüber<br />
Reuters. Beschleunigt werden könnten Investitionen<br />
auch durch eine befristete Änderung bei<br />
der Vergabe von Aufträgen. Ein kommunales<br />
Investitionsprogramm fördere zudem den Klimaschutz,<br />
da durch energetische Sanierungen<br />
nachhaltige Einsparpotenziale realisiert werden<br />
können. Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer<br />
des Deutschen Städtetages, ging auf die<br />
veränderten Rahmenbedingungen für Kommunen<br />
durch europäische Vorgaben ein <strong>und</strong> erläuterte<br />
das Spannungsfeld zwischen Föderalismus<br />
<strong>und</strong> Reformbedarf.<br />
Vom großen Ganzen bis zum Detail<br />
Als Vertreter des B<strong>und</strong>esministeriums für Verkehr,<br />
Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung sprach Staatssekretär<br />
Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup über<br />
das Ziel der „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“<br />
<strong>und</strong> wie Stadtplanung <strong>und</strong> Städteförderung<br />
gesichert werden können. Neben dem Thema<br />
Stadtentwicklung wurden auf der diesjährigen<br />
WirtschaftsWoche Jahrestagung in fünf Expertenr<strong>und</strong>en<br />
die Themen Finanzsteuerung, lokaler<br />
Klimaschutz, Kooperationsmodelle sowie<br />
die Verwaltungsmodernisierung diskutiert. Dr.<br />
Siegfried Balleis, Oberbürgermeister der Stadt<br />
Erlangen, zeigte am Beispiel der Europäischen<br />
Metropolregion Nürnberg, wie Kommunen <strong>und</strong><br />
Gemeinden erfolgreich Entwicklungsleitbilder<br />
entwickeln <strong>und</strong> umsetzen können. Erfolgsfaktoren<br />
für eine interkommunale Kooperation<br />
im Finanzbereich stellte Dr. Jörg Hopfe (NRW<br />
Bank) vor.<br />
Hochrangige Vertreter aus Dresden, Köln,<br />
Duisburg, Lörrach, Erlangen, Mühldorf am Inn,<br />
Hückeswagen, Wesel <strong>und</strong> Kiel berichteten am<br />
Beispiel ihrer Kommunen praxisnah über Lösungsansätze<br />
für die unterschiedlichen Herausforderungen<br />
der Gemeinden.<br />
6. WirtschaftsWoche-Tagung<br />
Neustart Kommune 2010<br />
Auch die Veranstaltung im konnenden Jahr bietet<br />
ein einzigartiges Forum für über 150 kommunale<br />
Führungskräfte. Hochkarätige Referenten<br />
aus Politik, Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis bringen<br />
durch interessante Vorträge neue Ansätze <strong>und</strong><br />
Sichtweisen für die kommunale Praxis. Die Tagung<br />
ist eine gute Gelegenheit, sich in angenehmer<br />
Atmosphäre über aktuelle kommunale<br />
Themen zu informieren. In den Pausen <strong>und</strong> bei<br />
der exklusiven Abendveranstaltung ist ausreichend<br />
Zeit, mit Kollegen <strong>und</strong> Referenten Kontakte<br />
zu knüpfen <strong>und</strong> vertiefende Gespräche zu<br />
führen. Durch best-practice-Beispiele eröffnet<br />
sich die Gelegenheit, von den positiven <strong>und</strong><br />
negativen Erfahrungen anderer zu lernen. Am<br />
besten den neuen Termin schon jetzt vormerken:<br />
27. <strong>und</strong> 28. Januar 2010, Berlin. L.K.<br />
Die Themen <strong>2009</strong>:<br />
Erfolgreiche<br />
Stadtentwicklung<br />
Wie gewinne ich Investoren,<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Bürger?<br />
Konzern Kommune<br />
Mit ziel- <strong>und</strong> wirkungsorientierter<br />
Steuerung die Kassen<br />
nachhaltig füllen?<br />
Lokaler Klimaschutz<br />
Mit innovativen Lösungen den<br />
Haushalt entlasten?<br />
Kooperationsmodelle<br />
Wettbewerb oder Zusammenarbeit,<br />
was macht stark?<br />
Verwaltungsmodernisierung<br />
Aufbruch oder Reformstau?<br />
Fotos: EUROFORUM/Gust.<br />
Messe | 93
Ökologie <strong>und</strong> Ökonomie<br />
im Einklang<br />
94 | Messe<br />
„Stadt-Land-Umwelt 2010 Metropolregion“ – Umwelttechnik <strong>und</strong><br />
Energieeffi zienz für Kommunen, Unternehmen <strong>und</strong> Gemeinwesen Auf<br />
der Fachmesse „Stadt–Land–Umwelt“ treffen im Januar nächsten Jahres<br />
Kommunen, Wohnungswirtschaft, Gewerbe, Architekten, Planer,<br />
Ingenieure, gemeinnützige Organisationen, Vereine <strong>und</strong> Klimaschutz-<br />
Netzwerke auf Anbieter innovativer Umwelt- <strong>und</strong> Energietechnik.<br />
Die zweitägige Messe wird am 21. Januar 2010<br />
um 11.00 Uhr eröffnet von: Oberbürgermeisterin<br />
Frau Dr. Eva Lohse, <strong>und</strong> von Herrn Dr. Meinzer,<br />
Geschäftsführer der EnergieEffi zienzAgentur<br />
Rhein-Neckar gGmbH <strong>und</strong> Vorstandsmitglied<br />
der TWL Veranstaltungsort ist der Pfalzbau Ludwigshafen<br />
Berliner Str. 30.<br />
In einem Grußwort schreibt der Parlamentarische<br />
Staatssekretärs im B<strong>und</strong>esministerium für<br />
Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />
Michael Müller: „Allein die öffentliche Hand investiert<br />
pro Jahr r<strong>und</strong> 51 Milliarden Euro in umweltrelevante<br />
Zukunftsmärkte. Die größten Einzelposten<br />
sind Verkehrswege, Gebäudeneubau<br />
<strong>und</strong> -renovierung sowie Energiebeschaffung.<br />
Wenn diese Mittel konsequent für umweltfre<strong>und</strong>liche<br />
<strong>und</strong> ressourcensparende Produkte,<br />
Dienstleistungen <strong>und</strong> Nutzungskonzepte verwendet<br />
werden, können Gemeinden <strong>und</strong> Kommunen<br />
nicht nur mittel- bis langfristig Kosten<br />
in beträchtlichem Umfang sparen. Gleichzeitig<br />
würden vor allem die klimaschädlichen <strong>und</strong> andere<br />
Emissionen dauerhaft reduziert.“<br />
Im Pfalzbau werden Gemeinden <strong>und</strong> Städte,<br />
Unternehmen der Wohnungswirtschaft, Industrie<br />
<strong>und</strong> Gewerbe zusammen. Architekten <strong>und</strong><br />
Planern, Ingenieuren, gemeinnützigen Organisationen,<br />
Vereinen, Klimaschutz-Netzwerken<br />
können mit Anbietern innovativer Umwelt- <strong>und</strong><br />
Energietechnik diskutieren, Erfahrungen austauschen,<br />
neue Informationen gewinnen. Die<br />
Leitthemen der „Stadt – Land – Umwelt“ betreffen<br />
den gemeinnützigen, den kommunalen<br />
<strong>und</strong> den gewerblichen Bereich gleichermaßen.<br />
Somit haben die Aussteller der Messe eine große,<br />
lukrative Besucher- <strong>und</strong> Zielgruppenbasis.<br />
Spezialthemen richten sich nach den besonderen<br />
Wünschen einer Zielgruppe oder nach spezifi<br />
schen regionalen Gegebenheiten.<br />
Vorbild <strong>und</strong> Impulsgeber sein!<br />
Zum Beispiel: Werkstatt Architektur im Bestand.<br />
Brennpunkt Geothermische Energie<br />
- Vision oder wirtschaftliche Lösung für die<br />
Zukunft? Wärmespeicherung für erneuerbare<br />
Energien – Speichertechnik im Nieder- <strong>und</strong><br />
Hochtemperaturbereich. Solares Kühlen. Beim<br />
Thema Klimaschutz haben Städte <strong>und</strong> Gemeinden<br />
nicht nur Handlungsbedarf. Sie haben auch<br />
was zu bieten. Vielleicht ein 3-Liter-Rathaus,<br />
das den Stadtsäckel schont <strong>und</strong> als Vorbild allen<br />
demonstriert, wie energetische Sanierung<br />
Heizungs- <strong>und</strong> Stromkosten senkt. Oder es gibt<br />
eine engagierte Wirtschaftsförderung, die Klimaschutz<br />
<strong>und</strong> Umwelt zum Thema macht.<br />
Entsprechend ermöglicht die „Stadt-Land-Umwelt“<br />
Städten <strong>und</strong> Gemeinden einen vielfältigen<br />
Auftritt als Aussteller, Wirtschaftsförderer,<br />
interessierter Messebesucher <strong>und</strong> als Mitgestalter<br />
von Workshops <strong>und</strong> Börsen.<br />
Steigende Energiekosten sind für Kommunen<br />
ein großer Kostenfaktor. Schulgebäude,<br />
Sportstätten, Rathäuser, Fuhrpark, Straßenbeleuchtung,<br />
Klärwerke <strong>und</strong> Schwimmbäder<br />
sind in der Regel Energiefresser. Vor allem in<br />
der energetischen Sanierung kommunaler Lie-
genschaften <strong>und</strong> den großen Wohnungsbeständen<br />
liegt ein großes Einsparpotenzial. Im<br />
Rahmen der Stadt-Land-Umwelt engagieren<br />
sich Wirtschaftsförder¬ungen idealerweise aktiv<br />
für<br />
das Zusammenführen öffentlicher <strong>und</strong><br />
privater Auftraggeber mit Unternehmen der<br />
Umwelt- <strong>und</strong> Energietechnik<br />
Initiierung <strong>und</strong> Förderung lokaler Netzwerke<br />
<strong>und</strong> Standortgemeinschaften<br />
Umweltpartnerschaften zwischen Kommune,<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Institutionen<br />
den Anschub regionaler Potenziale durch<br />
Kommunikationsplattformen<br />
die regionale Verankerung des Leitbildes<br />
„umweltfre<strong>und</strong>liche Kommune“<br />
eine Leistungsschau innovativer Umwelt-<br />
<strong>und</strong> Energietechnik in der Heimatregion<br />
Nachhaltigkeit stärken!<br />
Gerade bei Vereinen <strong>und</strong> gemeinwohlorientierten<br />
Einrichtungen gibt es vielfältige Ansatzpunkte,<br />
mit Umwelttechnologie Etats zu entlasten<br />
<strong>und</strong> Kosten zu sparen. Hier lohnt es sich<br />
auch das Leitbild einer „nachhaltigen Kommune“<br />
zu verwirklichen: Vereine sind Meinungsmultiplikatoren<br />
<strong>und</strong> die Betreiber <strong>und</strong> Beschäftigten<br />
von gemeinwesenorientierten Einrichtungen<br />
zeichnen sich durch ein großes Verantwortungsbewusstsein<br />
aus. Clubheime, Sportplätze,<br />
Tennishallen, Hallen- <strong>und</strong> Freibäder, Reithallen<br />
oder einfache Turn- <strong>und</strong> Mehrzweckhallen verbrauchen<br />
große Mengen an Energie für Raumwärme,<br />
Warmwasser <strong>und</strong> Beleuchtung.<br />
Zeit ist Geld. Oft bindet das Alltagsgeschäft alle<br />
Kräfte. Auf der Messe können sich gewerbliche<br />
Entscheidungsträger schnell <strong>und</strong> effi zient<br />
informieren. In 80% der Fälle beansprucht die<br />
Energieberatung für Unternehmen weniger als<br />
10 St<strong>und</strong>en. Ein geringer Aufwand, wenn sich<br />
damit 20 bis 30% der Energiekosten einsparen<br />
lassen! (Quelle: Energieinstitut Vorarlberg<br />
2007). Fuhrpark-, Wasser- <strong>und</strong> Abfallmanagement<br />
sind weitere Ansatzpunkte mit effi zienten<br />
Ressourceneinsatz Kosten zu senken.<br />
Energieeffi zienz wird immer wichtiger<br />
Auch Gewerbe, Handel, Immobilien <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
profi tieren vom Angebot der<br />
Messe. Mehr als 80 % der mittelständischen<br />
Unternehmungen halten heute Energieeffi zienz<br />
für wichtig. In bestimmten Handwerksbranchen<br />
machen die Energiepreise einen Hauptteil der<br />
Kosten aus. Hohe Einsparpotenziale sind beispielsweise<br />
bei den Branchen Bäcker/Konditor,<br />
Fleischer, Textilreiniger <strong>und</strong> Fahrzeuglackierer<br />
zu erzielen. Auf der Messe werden aber auch<br />
gangbare <strong>und</strong> fi nanzierbare Lösungen für das<br />
produzierende Gewerbe präsentiert. Ansatzpunkte<br />
hierfür sind insbesondere Antriebe <strong>und</strong><br />
Pumpen, Kälte <strong>und</strong> Kühlung, Prozesswärme <strong>und</strong><br />
Wärmerückgewinnung.<br />
In Bürogebäuden <strong>und</strong> Dienstleistungsbetrieben<br />
liegen die Potenziale zur nachhaltigen Senkung<br />
der Betriebskosten vor allem in der Optimierung<br />
von Beleuchtung <strong>und</strong> Klimatisierung sowie beim<br />
Einsatz energieeffi zienter Informations- <strong>und</strong><br />
Kommunikationstechnik. In einem typischen<br />
Bürogebäude ist das wirtschaftliche Energieeinsparpotential<br />
durch moderne Beleuchtungstechnik<br />
mit bis zu 75% der Stromkosten enorm.<br />
(„Deutsche Energieagentur“ 2008). Besonders<br />
im Hotel- <strong>und</strong> Gastgewerbe lassen sich schon<br />
mit einfachen Maßnahmen bis zu 10% der Betriebskosten<br />
einsparen.<br />
Ökologische Sanierung wird zur zentralen Herausforderung<br />
für Eigentümer, Investoren, Vermieter<br />
<strong>und</strong> Betreiber von Immobilien <strong>und</strong> Liegenschaften.<br />
Gesetzliche Vorgaben zwingen sie<br />
künftig verstärkt dazu, die Energieeffi zienz zu<br />
verbessern. Diese wird auch zunehmend zum<br />
strategischen Instrument, um Immobilien erfolgreicher<br />
am Markt zu platzieren. Denn Mieter<br />
setzten sich heute stärker denn je kritisch<br />
mit Energieverbrauch- <strong>und</strong> kosten auseinander.<br />
Insgesamt bietet die „Stadt – Land – Umwelt<br />
ein ideales Forum zum Thema Energieeffi zienz<br />
<strong>und</strong> zukunftsorientiertes Handeln. L.K.<br />
Foto: fotolia.com<br />
Messe | 95
96 | Recht<br />
Foto: fotolia.com
Produktsicherheit <strong>und</strong><br />
Rechtssicherheit<br />
Keine unvereinbaren Anforderungen,<br />
sondern anspruchsvolle Herausforderung<br />
Sicherheit steht bei der Gestaltung von <strong>Freizeit</strong>anlagen an erster Stelle.<br />
Die Anlagen müssen nicht nur ansprechend gestaltet, sondern auch<br />
technisch sicher geplant <strong>und</strong> fortlaufend sicher unterhalten werden.<br />
Wer <strong>Freizeit</strong>anlagen plant, errichtet, unterhält oder sonst wie dafür<br />
verantwortlich ist, wird deshalb alles in seiner Macht stehende unternehmen,<br />
um die Anlagen möglichst sicher zu halten.<br />
Wie aber steht es mit einer anderen Form von<br />
Sicherheit – der Rechtssicherheit? Die Risiken,<br />
die mit <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen verb<strong>und</strong>en<br />
sind, stellen sich für die öffentlichen <strong>und</strong> privaten<br />
Auftraggeber ebenso wie für die Hersteller<br />
<strong>und</strong> Fachbetriebe auch in rechtlicher <strong>und</strong><br />
wirtschaftlicher Hinsicht. Eine Verletzung stellt<br />
stets nicht nur einen im Einzelfall tragischen<br />
Unfall dar, sondern zieht auch für die jeweils<br />
Verantwortlichen rechtliche Fragen nach sich.<br />
Wegen der wirtschaftlichen <strong>und</strong> rechtlichen<br />
Risiken, die wegen der strafrechtlichen Absicherung<br />
stets auch höchstpersönliche Implikationen<br />
haben können, ist Rechtssicherheit ein<br />
weiteres hohes Gut, auf das es zu achten gilt. In<br />
dem Maße, in dem die Rechtssicherheit für die<br />
Verantwortlichen zurücktritt <strong>und</strong> Risiken nicht<br />
vermieden <strong>und</strong> klar abgeschätzt werden können,<br />
wird die Freiheit im Umgang mit <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Freizeit</strong>fl ächen eingeschränkt: Anspruchsvolle<br />
Gestaltungen unterbleiben, Projekte werden<br />
verschoben, wirtschaftliche Investitionen zurückgestellt.<br />
Rechtssicherheit herzustellen, ist in unserem<br />
modernen Staat mit seiner offenen Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> diversifi zierten Arbeitsteilung, nicht zuletzt<br />
auch wegen der Einbindung in den Europäischen<br />
Binnenmarkt <strong>und</strong> die zunehmende Globalisie-<br />
rung, eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Alle<br />
Akteure sind gefordert. Rechtssicherheit herzustellen<br />
ist zuvörderst eine Aufgabe des Gesetzgebers.<br />
Im Bereich der technischen Sicherheit<br />
sind weiter die Normungsorganisationen gefordert,<br />
in Deutschland also das DIN, in Europa<br />
das Centre for European Norming (CEN). In dem<br />
letzten Kolumnenbeitrag „Technische Sicherheit<br />
<strong>und</strong> Recht – Gestaltung, Sicherheitsanforderungen<br />
<strong>und</strong> Haftung“ (FreeLounge 1/<strong>2009</strong>, S.<br />
72) haben wir untersucht, wie rechtliche Regelungen<br />
<strong>und</strong> technische Normen allgemein ineinandergreifen,<br />
aber auch dargestellt, dass viele<br />
existentielle Fragen sich aus den Regelwerken<br />
selbst nicht beantworten. Bei dem Vorhaben,<br />
Rechtssicherheit herzustellen, kommt den wirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Akteuren<br />
weiterhin eine hohe Verantwortung zu.<br />
Diese Verantwortung sollten Hersteller <strong>und</strong><br />
Fachbetriebe, Kommunen <strong>und</strong> Auftraggeber<br />
gemeinsam im Dialog wahrnehmen. Welche<br />
Fragen lassen Recht <strong>und</strong> technische Normen<br />
noch offen, <strong>und</strong> welche Rolle können die einzelnen<br />
Beteiligten dabei einnehmen, um sie zu<br />
klären? Immerhin sind doch die technischen<br />
Normen für <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen, die DIN<br />
EN 1176/1177 erst jüngst novelliert worden<br />
<strong>und</strong> damit – so sollte man meinen – Klarheit<br />
Recht | 97
98 | Recht<br />
geschaffen worden? Doch stellen sich weiter<br />
eine Reihe fachlicher <strong>und</strong> kommunikativer Probleme.<br />
Das betrifft zum einen den Inhalt der Norm<br />
selbst. Dieser kann nur im Dialog zwischen den<br />
Fachleuten <strong>und</strong> Nachfragern sinnvoll vermittelt<br />
werden. Dies gilt für die eindeutigen, umso<br />
mehr aber noch für die auslegungsbedürftigen<br />
Normteile. Hier sind neben den Zertifi zierern<br />
<strong>und</strong> Sachverständigen auch die Hersteller <strong>und</strong><br />
Fachbetriebe gefragt, ihr Fachwissen <strong>und</strong> ihre<br />
Interessen bei der Auslegung der Norm einzubringen.<br />
Und es gilt insbesondere für Fragen,<br />
die in der technischen Norm selbst nicht unmittelbar<br />
geregelt sind – wie insbesondere regelmäßig<br />
die besonders vitale Frage, ob auf bereits<br />
errichtete <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen die neue<br />
Norm anzuwenden ist oder es Bestandsschutz<br />
für bereits errichtete Anlagen gibt, die Verantwortlichen<br />
also ihren Pfl ichten gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
dadurch genügt haben, dass sie zum Zeitpunkt<br />
der Errichtung die seinerzeit geltenden Anforderungen<br />
beachtet haben.<br />
Aufgekommen ist diese Frage bereits bei Normänderungen<br />
in der Vergangenheit, <strong>und</strong> beantwortet<br />
worden ist sie dabei im Dialog zwischen<br />
den Zertifi zierern <strong>und</strong> der Branche: Bestehende<br />
Anlagen genießen Vertrauensschutz. Aber auch<br />
das Recht hat zu dieser Frage einen Beitrag zu<br />
leisten. In anderen Bereichen wird diese Frage<br />
für so wichtig erachtet, dass Gesetzgeber <strong>und</strong><br />
Behörden ausdrückliche Regelungen dazu treffen.<br />
So werden auf europäischer Ebene harmonisierte<br />
technische Normen für Bauprodukte<br />
nicht nur von der Normungsorga-nisation CEN<br />
ausgearbeitet. Vielmehr wird zunächst durch<br />
die Europäische Kommission ein sogenanntes<br />
„Mandat“ erteilt, in dem die wesentlichen Sicherheitsanforderungen<br />
vorgegeben werden.<br />
Wird dieses überarbeitet <strong>und</strong> werden, darauf<br />
aufbauend, die Normen novelliert, so regelt die<br />
Kommission in „Leitpapieren“ (guidance papers)<br />
unter anderem die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt<br />
Bauprodukte, die der früheren Normfassung<br />
entsprechen, noch hergestellt, erstmals in<br />
den Verkehr gebracht, abverkauft <strong>und</strong> eingebaut<br />
werden dürfen. Für die Betroffenen führt dies<br />
zu größtmöglicher Rechtssicherheit – allerdings<br />
um den Preis einer größeren Schwerfälligkeit<br />
der Normungsarbeiten, die immer auch von der<br />
Beweglichkeit der Kommission abhängen <strong>und</strong><br />
so nicht immer mit den neuesten technischen<br />
Entwicklungen Schritt halten können.<br />
Für die DIN EN 1176/1177 gibt es derartige Regelungen<br />
nicht explizit. Allerdings fi nden sich<br />
allgemeine Regelungen im Geräte- <strong>und</strong> Produktsicherheitsgesetz<br />
(GPSG). Das GPSG regelt<br />
Anforderungen u.a. für sogenannte Verbraucherprodukte.<br />
Das sind Gebrauchsgegenstände<br />
<strong>und</strong> sonstige Produkte, die „für Verbraucher<br />
bestimmt sind oder unter vernünftigerweise<br />
vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern<br />
benutzt werden können“ (§ 2 Abs. 3). Das ist bei<br />
den auf <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen verwendeten<br />
Geräten der Fall; in der Benutzung durch<br />
Verbraucher liegt ihr eigentlicher Zweck. Für<br />
bestimmte Verbraucherprodukte gibt es sogenannte<br />
„harmonisierte Normen“, die – wie bei<br />
Bauprodukten – auf der Gr<strong>und</strong>la-e eines Mandats<br />
der Europäischen Kommission erarbeitet<br />
werden. Solche „harmonisierten Normen“ werden<br />
im Amtsblatt der EU bekannt gemacht <strong>und</strong><br />
haben eine stärkere Bindungswirkung. Es gibt<br />
sie etwa für <strong>Spiel</strong>zeug, allerdings gelten „Geräte,<br />
die gemeinschaftlich auf <strong>Spiel</strong>plätzen verwendet<br />
werden“, nicht als <strong>Spiel</strong>zeug (Anhang I<br />
der EG-<strong>Spiel</strong>zeugrichtlinie 88/378/EWG).<br />
Für <strong>Spiel</strong>geräte gelten daher die allgemeinen<br />
Anforderungen des GPSG. Danach darf ein Produkt<br />
nur in Verkehr gebracht werden, wenn<br />
es so beschaffen ist, dass bei bestimmungsgemäßer<br />
Verwendung oder vorhersehbarer<br />
Fehlanwendung Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit von<br />
Verwendern oder Dritten nicht gefährdet werden<br />
(§ 4 Abs. 2 Satz 1). Für die Beurteilung der<br />
Sicherheit des Produkts sind dabei Normen <strong>und</strong><br />
andere technische Spezifi kationen zugr<strong>und</strong>e zu<br />
legen (§ 4 Abs. 2 Satz 3). Und in diesem Zusammenhang<br />
hat der Gesetzgeber auch eine Regelung<br />
getroffen, auf welchen Zeitpunkt für diese<br />
Beurteilung abzustellen ist: Beim Inverkehrbringen<br />
eines Verbraucherprodukts ist, soweit<br />
es (wie <strong>Spiel</strong>geräte) keiner besonderen Rechtsverordnung<br />
unterfällt, die Rechtslage zum Zeitpunkt<br />
seines Inverkehrbringens maßgeblich<br />
(§ 4 Abs. 3 Satz 4 GPSG). Das ist bei <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Freizeit</strong>geräten der Zeitpunkt, zu dem sie in die<br />
jeweilige Anlage eingebaut werden.<br />
Freilich sind damit immer noch nicht alle Fragen<br />
r<strong>und</strong> um die Verantwortung für <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong>
Foto: shutterstock.com<br />
<strong>Freizeit</strong>fl ächen beantwortet. Die Verantwortlichen<br />
trifft auch bei Beachtung der technischen<br />
Normen eine fortlaufende Beobachtungs- <strong>und</strong><br />
Verkehrssicherheitspfl icht. So müssen Sicherheitsmängel<br />
selbstverständlich auch dann abgestellt<br />
werden, wenn sie auf nachträglichen<br />
Erkenntnissen beruhen. Zu diesem Zweck sieht<br />
die technische Norm DIN EN 1176/1177 für<br />
<strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>anlagen regelmäßige Überprüfungen<br />
durch Sachverständige vor. Aber<br />
der diskursive Prozess, der zur Herstellung von<br />
Rechtssicherheit zum Nutzen aller Beteiligten<br />
hilfreich <strong>und</strong> notwendig ist, geht darüber noch<br />
hinaus. Nicht nur für die Vermittlung der Inhalte<br />
<strong>und</strong> die Erörterung der auslegungsbedürftigen<br />
Teile der Norm sind die Beteiligten gefordert.<br />
Auch die fortlaufende gegenseitige Information<br />
<strong>und</strong> Erörterung der r<strong>und</strong> um die Norm bestehenden<br />
Herausforderungen gelingt umso besser,<br />
je intensiver Kommunen <strong>und</strong> andere Nachfrager,<br />
Hersteller <strong>und</strong> Fachbetriebe, Zertifi zierer<br />
<strong>und</strong> Juristen ihr Fachwissen <strong>und</strong> ihre Interessen<br />
einzubringen <strong>und</strong> auf diese Weise an der<br />
Rechtssicherheit aktiv mitarbeiten.<br />
Dr. Michael Winkelmüller, 37<br />
Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei<br />
Redeker Sellner Dahs & Widmaier in Bonn.<br />
Einen seiner Schwerpunkte bildet das technische Sicherheitsrecht <strong>und</strong><br />
damit verb<strong>und</strong>ene Fragen der Produktzulassung, technischen Normung,<br />
Zertifi zierung <strong>und</strong> Haftung.<br />
Foto: shutterstock.com<br />
Recht | 99
100 | Verband<br />
Gründungsmitglieder Dr. Michael Winkelmüller,<br />
Klaus Kaiser <strong>und</strong> Benno Schäfer (v.l.)<br />
Der neue B<strong>und</strong>esverband für<br />
Freiraumgestaltung<br />
Anfang August hat der BFG seine Arbeit offi ziell aufgenommen.<br />
Öffentliche Planer <strong>und</strong> Gestalter erhalten eine neue Plattform<br />
zur Information, Weiterbildung <strong>und</strong> zum Austausch.<br />
Die Gründung des Verbands erfolgte vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong>, dass viele Akteure im Bereich der<br />
Freiraumplanung tätig sind, ihre Interessen jedoch<br />
an keiner Stelle zentral vertreten werden.<br />
Wenn es um die Beschaffung wichtiger Informationen<br />
geht, beispielsweise im rechtlichen<br />
Bereich, ist ein zuverlässiger Ansprechpartner<br />
nur schwer zu fi nden. Der Verband will hier Abhilfe<br />
schaffen <strong>und</strong> ganz pragmatisch ein Netzwerk<br />
mit Kompetenzpartnern aus öffentlichen<br />
Institutionen, Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft ins<br />
Leben rufen, die an den Stellen kompetente<br />
Unterstützung leisten, an denen die Reibungsverluste<br />
für Planer besonders stark zu spüren<br />
sind. Derzeit hat der Verband damit begonnen,<br />
Informationsangebote im Internet vorzubereiten,<br />
die schon bald abrufbar sein werden.<br />
Beispiel: <strong>Spiel</strong>platzplanung<br />
Seit dem 1. August 2008 gilt die neue europäische<br />
Normenreihe für <strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong><br />
<strong>Spiel</strong>platzböden (EN 1176). Im Alltag stellt sich<br />
den Entscheidern in den Kommunen an vielen<br />
Stellen die Frage, welche Änderungen tatsächlich<br />
den Betreiber betreffen, wenn es um die<br />
Neuanlage oder den Umbau eines <strong>Spiel</strong>platzes<br />
geht. Welche rechtlichen Konsequenzen aus<br />
der Normenänderung resultieren, ist ebenfalls<br />
schwer einschätzbar.<br />
Erstes Seminar im September<br />
Um dieses Informationsdefi zit anzugehen,<br />
lädt der BFG zu seinem ersten öffentlichen<br />
Seminar ein, das diesen Themenkomplex genauer<br />
beleuchtet. Während der <strong>FSB</strong> referieren<br />
Dr. Michael Winkelmüller, Fachanwalt für<br />
Verwaltungsrecht sowie weitere Referenten*<br />
Fragen zur neuen europäischen Normenreihe<br />
<strong>und</strong> beantworten alle Fragen aus der täglichen<br />
Praxis. Im zweiten Teil wird Dr. Anke Münster,<br />
Redakteurin der FreeLounge, unterschiedliche<br />
Modelle der Freiraumplanung bezogen auf die<br />
Herausforderungen des demografi schen Wandels<br />
vorstellen. Dabei wird es auch um die Frage<br />
gehen, wie Städte <strong>und</strong> Gemeinden durch eine<br />
nachhaltig angelegte Planung schon heute die<br />
Weichen für eine künftig gute Lebensqualität<br />
stellen können.<br />
Sie interessieren sich für den Verband oder<br />
möchten gerne nähere Informationen zu<br />
der Veranstaltung im September erhalten?<br />
Dann melden Sie sich bitte unter bfg@freelounge.de<br />
* bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt
Haftungsbeschränkung<br />
durch AGB<br />
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ein fester Bestandteil des<br />
Geschäftsverkehrs. Sie sollen hauptsächlich dazu dienen, die Vertragsbedingungen,<br />
die bei allen Verträgen eines Unternehmens mit<br />
seinen Geschäftspartnern gelten sollen, zu vereinbaren <strong>und</strong> so den<br />
rechtlichen rahmen der Geschäftsverbindung abzusichern. Oftmals<br />
enthalten AGBs daher neben Liefer- <strong>und</strong> Zahlungsbedingungen auch<br />
ausführliche Regelungen zu Haftungsbeschränkungen <strong>und</strong> sogar<br />
Haftungsausschlüssen. Inwieweit solche Regelungen in Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen überhaupt wirksam sind <strong>und</strong> was bei deren<br />
Formulierung <strong>und</strong> Anwendung zu beachten ist, zeigt der folgende<br />
Beitrag.<br />
Wichtig bei der Frage nach Haftungsbeschränkungen<br />
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
ist die Unterscheidung zwischen Verbraucherverträgen<br />
<strong>und</strong> Unternehmerverkehr. Ein<br />
Unternehmer kann in Verträgen, an denen<br />
ein Verbraucher beteiligt ist, so gut wie keine<br />
Haftungsbeschränkung für die Folgen von<br />
Pfl ichtverletzungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
vereinbaren. Hintergr<strong>und</strong> ist die<br />
europäische Verbraucherschutzrichtlinie (RL<br />
93/13/EWG, ABl. Nr. L 95 v. 21.4.1993, 29 ff.),<br />
die den Verbraucher als schwächeren Vertragspartner<br />
vor unangemessenen <strong>und</strong> missbräuchlichen<br />
Vertragsgestaltungen schützen soll. Im<br />
unternehmerischen Geschäftsverkehr gelten<br />
zwar gr<strong>und</strong>sätzlich auch die Vorschriften der<br />
§§ 305 ff. BGB, die die Wirksamkeit von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen reglementieren,<br />
jedoch mit gewissen Einschränkungen, so dass<br />
für den unternehmerischen Verkehr gewisse<br />
gestalterische Vertragsfreiheiten gewahrt sind.<br />
Einem Unternehmer in diesem Sinne gleichgestellt<br />
sind juristische Personen des öffentlichen<br />
Rechts, dazu zählen Gebietskörperschaften,<br />
also Gemeinden, Gemeindeverbände sowie der<br />
B<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Länder. Soweit die vertragliche<br />
Beziehung zur öffentlichen Hand dem Verdingungsordnung<br />
für Leistungen (VOL) unterliegt,<br />
handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
der öffentlichen Hand, bei denen es<br />
idR keine Abänderungen geben wird. Die Einfl<br />
ussnahme auf den Inhalt dieser AGB durch<br />
den Unternehmer ist daher sehr gering. Bei<br />
der Gestaltung eigener AGBs dagegen sollten<br />
Unternehmer bei den Haftungsklauseln einige<br />
Feinheiten beachten.<br />
Zu unterscheiden sind zunächst der Haftungsausschluss<br />
<strong>und</strong> die Haftungsbeschränkung. Bei<br />
Haftungsausschluss will der Verwendung die<br />
Entstehung eines Anspruches bereits vom Ansatz<br />
her vereiden. Bei der Haftungsbeschränkung<br />
soll der Anspruch zwar dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />
bestehen, aber eingeschränkt werden, z.B. auf<br />
bestimmte Fälle oder der Höhe bzw. dem Umfang<br />
nach. Als Faustformel gilt, dass eine Haftungsbeschränkung<br />
stets in den Fällen möglich<br />
ist, in denen eine vollständige Freizeichnung<br />
von der Haftung erlaubt gewesen wäre. Weiterhin<br />
ist bei Haftungsklauseln zu unterscheiden,<br />
welche Arten von Ansprüche beschränkt oder<br />
ausgeschlossen werden sollen. So müssen aufgr<strong>und</strong><br />
der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen<br />
vertragliche Ansprüche von deliktischen<br />
Ansprüchen getrennt werden.<br />
Recht der Mängelhaftung<br />
Der Hersteller bzw. Verkäufer haftet dafür, dass<br />
das von ihm verkaufte Produkt frei von Mängeln<br />
ist. Maßgeblich dafür, ob ein Mangel des<br />
Produktes vorliegt, ist, was die Parteien als<br />
Petra Korts, Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für Steuerrecht, MBA,<br />
Steuerstrafverteidiger*,<br />
Partner der Korts<br />
Rechtsanwalts gesellschaft mbH, Köln<br />
* zertifi ziert durch die Universität Hagen<br />
Recht | 101
102 | Recht<br />
mangelfrei vereinbart haben oder wozu die<br />
Sache vertraglich verwendet wird (oder üblicherweise<br />
verwendet wird). Gegenstand der<br />
verschuldensunabhängigen Mängelhaftung des<br />
Verkäufers ist die Lieferung einer mangelfreien<br />
Sache (oder die Reparatur der gelieferten mangelhaften<br />
Sache). Hinzu kann ein Anspruch des<br />
Käufers auf Schadensersatz treten, wenn dem<br />
Käufer ein Schaden aufgr<strong>und</strong> der Mangelhaftigkeit<br />
der Sache entstanden ist <strong>und</strong> der Verkäufer<br />
den Mangel zu vertreten hat (verschuldet?).<br />
Ein Abbedingen von Haftung oder deren<br />
Einschränkung ist im Bereich der Mängelhaftung<br />
dann nicht wirksam möglich, wenn der<br />
Verkäufer eine Garantie übernommen hat oder<br />
hinsichtlich des Mangels arglistig ist.<br />
Produkthaftung („Produzentenhaftung“)<br />
In Abgrenzung zur Mängelhaftung ist die Produkthaftung,<br />
also das Einstehen für die vom<br />
Produkt verursachten Schäden außerhalb der<br />
Mängelhaftung, vom Gesetzgeber zwingend<br />
vorgeschrieben (Produkthaftungsgesetz). Es<br />
handelt sich um eine Gefährdungshaftung, die<br />
unabhängig vom Verschulden eingreift <strong>und</strong><br />
den Hersteller auch für Schäden haften lässt,<br />
die auf nicht vermeidbaren Fehlern des hergestellten<br />
Produktes resultieren. Gegenstand der<br />
Haftung sind Verletzungen von Leib <strong>und</strong> Leben<br />
sowie von Sachen, die gewöhnlich für den privaten<br />
Ge- oder Verbrauch bestimmt sind. Die<br />
Ersatzpfl icht des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz<br />
kann nicht im voraus ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Die Verpfl ichtung zum Schadensersatz bei Verletzung<br />
von Leib <strong>und</strong> Leben eines Menschen<br />
kann gr<strong>und</strong>sätzlich nicht per AGB ausgeschlossen<br />
oder eingeschränkt werden, gleiches gilt für<br />
Schäden, wenn grobes Verschulden des AGB-<br />
Verwenders schadensverursachend war.<br />
Allerdings ist im unternehmerischen Geschäftsverkehr<br />
für den Fall grober Fahrlässigkeit eine<br />
Begrenzung des Schadens auf den „typischen,<br />
vorhersehbaren Umfang“ möglich. Bei der summenmäßigen<br />
Beschränkung der Haftung muss<br />
darauf geachtet werden, dass die Summen im<br />
Verhältnis zum vertragstypischen Schadensrisiko<br />
stehen müssen. Liegen die Summen darunter,<br />
wäre im Schadensfall der typische vorhersehbare<br />
Schaden nicht abgedeckt <strong>und</strong> die<br />
Klausel damit unwirksam.<br />
Den Ausschluss der Haftung bei gleichzeitigem<br />
Bestehen einer Haftpfl icht- bzw. Produkthaftpfl<br />
ichtversicherung auf Seiten des AGB-Verwenders<br />
wird man als unzulässig qualifi zieren<br />
müssen.<br />
Wird die Haftung in AGBs ohne Differenzierung<br />
zwischen ausschließbarer bzw. einschränkbarer<br />
Haftung <strong>und</strong> zwingender Haftung abbedungen,<br />
so ist nicht nur der Teil unwirksam, der<br />
die nicht abdingbare Haftung betrifft. Vielmehr<br />
ist die gesamt Klausel mit der Unwirksamkeit<br />
infi ziert, so dass auch die ansonsten mögliche<br />
Haftungsbeschränkung unwirksam ist. Dies ist<br />
die Auswirkung des sogenannten Verbotes der<br />
geltungserhaltenden Reduktion: eine unwirksame<br />
AGB-Klausel kann nicht auf ein (gerade<br />
noch) erlaubtes Maß reduziert werden, sondern<br />
ist in vollem Umfang unwirksam.<br />
Abschließend ein Hinweis auf eine versteckte<br />
Haftungserleichterung: oftmals enthalten AGB<br />
Formulierungen, nach denen dem Wortlaut<br />
nach die Haftung gr<strong>und</strong>sätzlich ausgeschlossen<br />
wird, um sodann Ausnahmen von dem<br />
Haftungsausschluss zu statuieren (z. B.: „Der<br />
Hersteller haftet nicht für Schäden, es sei denn<br />
er hat vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt“).<br />
Mit solchen Formulierungen führt der<br />
AGB-Verwender eine Beweislastumkehr herbei<br />
<strong>und</strong> erleichtert sich selbst die Abwehr von Haftungsansprüchen.<br />
Denn der Nachweis, dass ein<br />
Verschulden nicht vorliegt, liegt in aller Regel<br />
beim Hersteller, dies darf nicht durch geschickte<br />
Formulierungen auf den K<strong>und</strong>en abgewälzt<br />
werden. Es ist daher zu empfehlen, ausdrücklich<br />
die Fälle zu beschreiben, in denen der AGB-Verwender<br />
haften soll, nicht jedoch diejenigen, in<br />
denen keine Haftung gegeben sein soll.
Kommunen im neuen Licht<br />
„20 Millionen-Jackpot“ des BMBF<br />
Das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />
(BMBF) hat am 26. Mai <strong>2009</strong> den Wettbewerb<br />
„Kommunen im neuen Licht“ zur Einführung<br />
der LED-Technik gestartet. Für insgesamt<br />
10 Projekte stellt das BMBF 20 Mio. Euro bereit.<br />
Damit können 10 Einzelprojekte mit einem<br />
Wert von je 2 Mio. Euro gefördert werden. Für<br />
die Gewinner bedeutet das nicht nur eine kräftige<br />
fi nanzielle Unterstützung, sondern auch<br />
besseres Licht, Prestigegewinn <strong>und</strong> ein langfristiges<br />
Sparpotenzial. Noch bis zum 31.12.<strong>2009</strong><br />
haben Kommunen Gelegenheit ihre Unterlagen<br />
für den Wettbewerb einzureichen.<br />
Der Wettbewerb richtet sich auf zwei Einsatzfelder<br />
der Allgemeinbeleuchtung: Innenbeleuchtung<br />
von Gebäuden mit LED (sowohl<br />
Neubau als auch Sanierung) <strong>und</strong> Außenbeleuchtung<br />
mittels LED, beispielsweise Straßen-<br />
oder Tunnelbeleuchtung. . Auch Kombinationen<br />
mit herkömmlichen Beleuchtungssystemen sind<br />
zulässig, prämiert wird jedoch nur der auf die<br />
LED-Beleuchtung entfallende Anteil. Wichtige<br />
Kriterien sind u.a. Energieeffi zienz, Kosteneffi -<br />
zienz bei Einrichtung <strong>und</strong> Betrieb, organisatorische<br />
Innovationen, wie Contracting-Modelle,<br />
Ausstrahlung sowie prinzipielle Übertragbarkeit<br />
auf andere Objekte.<br />
Antragsberechtigt sind Kommunen <strong>und</strong> Landkreise<br />
sowie kreisfreie Städte. Darüber hinaus<br />
sind andere Institutionen (z.B. Hochschulen,<br />
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie<br />
Unternehmen <strong>und</strong> andere Konsortien) antragsberechtigt,<br />
sofern die Kommunen in dem<br />
als Verb<strong>und</strong>projekt auftretenden Konsortium<br />
die Federführung innehalten.<br />
Der Wettbewerb gliedert sich in<br />
zwei Phasen:<br />
Die Planungsphase: Erarbeitung von Unterlagen<br />
im Umfang von ca. 20 Seiten mit Darlegung<br />
des Demonstrationsobjektes <strong>und</strong> einem<br />
relevanten Umsetzungskonzept.<br />
Die Umsetzungsphase: Bis zu 10 Demonstrationsobjekte<br />
in den zwei oben genannten Einsatzfeldern<br />
werden mit einer Fördersumme von<br />
jeweils bis zu 2 Mio. Euro gefördert (nur bis zur<br />
Höhe der tatsächlich entstehenden Ausgaben);<br />
diese werden nach Abschluss der Planungsphase<br />
auf Basis der eingereichten Unterlagen<br />
ausgewählt. Weiterhin werden für die erfolgreichen<br />
Demonstrationsobjekte Plaketten <strong>und</strong><br />
Urk<strong>und</strong>en vergeben.<br />
Termin<br />
Abgabe der Wettbewerbsbeiträge:<br />
31. Dezember <strong>2009</strong><br />
Foto: optischetechnologien.de<br />
Wettbewerb | 103
SICHERHEIT<br />
104 | Tivoli<br />
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Tivoli | 105
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106 | Tivoli<br />
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Innovative <strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong> Public Design-Produkte<br />
aus Stahl <strong>und</strong> Edelstahl<br />
– eigenständiges <strong>und</strong> durchgängiges Design<br />
– hochwertig verarbeitet<br />
– wartungsarm <strong>und</strong> langlebig<br />
– kostengünstig in Preis <strong>und</strong> Unterhalt<br />
Fallschutzsysteme nach EN 1177<br />
Drehbare KLettertürme, Kletternetze, Kletterpyramiden,<br />
Nestschaukeln, Seilbrücken, Sonderanfertigungen,<br />
aus USACORD Long-life unzerschneidbar<br />
- Spezialist für individuelle Planung von <strong>Spiel</strong>anlagen<br />
- kompetente Beratung<br />
- Herstellung in eigener Werkstatt<br />
- Montage durch eigenes Fachpersonal<br />
- Geprüfte Sicherheit nach EN 1176/77<br />
Tivoli | 107
ZULIEFERER<br />
VERBÄNDE<br />
SONSTIGE<br />
108 | Tivoli<br />
EkoBoard ® HD & EkoGrip Fce ® Ekon BV<br />
PO Box 92<br />
6120 AB Born<br />
The Netherlands<br />
Ein breites Sortiment von Kunststoffplatten<br />
sales@ekon.nl<br />
A subsidiary of the royal Lankhorst Euronete Group<br />
www.ekon.nl<br />
Tel. +31 (0) 46 489.1111<br />
Fax +31 (0) 46 485.5544<br />
Seilerei Prutz GmbH<br />
Seilspielgeräte für Kinderspielplätze<br />
Netze für Industrie, Sport <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong><br />
Drahtseile, Seilerwaren<br />
Verband Deutscher Hallenspielplätze<br />
Fachliche, wirtschaftliche & politische<br />
Interessenvertretung für Betreiber,<br />
Gerätehersteller <strong>und</strong> Dienstleister der Branche<br />
Korts<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />
Fachanwälte für Steuerrecht<br />
Rechts- <strong>und</strong> Steuerberatung<br />
johnen-druck GmbH & Co. KG<br />
Wittenberger Straße 89<br />
D-06905 Bad Schmiedeberg<br />
info@seilerei-prutz.de<br />
www.seilerei-prutz.de<br />
Tel. +49 (0) 34925 70392<br />
Fax +49 (0) 34925 70155<br />
Sandtorkai 74<br />
D-20457 Hamburg<br />
kontakt@my-vdh.de<br />
Tel. +49 (0) 40 822232-33<br />
Fax +49 (0) 40 822232-39<br />
Geschäftsführer: Ubbo Voss<br />
Mobil: +49 (0) 160 94712821<br />
Hültzstraße 26<br />
D-50933 Köln<br />
s.korts@korts.de<br />
www.korts.de<br />
Tel. +49 (0) 221 94021-00<br />
Fax +49 (0) 221 94021-01<br />
Bornwiese<br />
D-54470 Bernkastel-Kues<br />
info@johnen-gruppe.de<br />
www.johnen-gruppe.de<br />
Tel. +49 (0) 6531 509-0<br />
Fax. +49 (0) 6531 509-49<br />
Ein breites Sortiment von Kunststoffplatten (+ Anti-Rutsch möglich).<br />
Auf Basis von Neuware <strong>und</strong>/oder Regranulat. Tauglich für<br />
Play Gro<strong>und</strong> Equipment konform EN 71-3.<br />
Haltbar, robust, wartungsfrei <strong>und</strong> hohe Verschleißfestigkeit.<br />
Seilspielgeräte:<br />
Netze, Brücken, Schaukelkörbe, Hängematten, Klettertaue,<br />
Sonderanfertigungen <strong>und</strong> Seilerwaren nach K<strong>und</strong>enwunsch<br />
Der VDH versteht sich als Serviceunternehmen für seine Mitglieder,<br />
vertritt ihre Interessen, schafft ihnen Wettbewerbsvorteile <strong>und</strong><br />
macht sich stark für deren wirtschaftlichen Erfolg.<br />
Hierzu gehören im Einzelnen:<br />
– Information & Erfahrungsaustausch durch regelmäßige Treffen,<br />
Newsletter, Homepage, Workshops, Tagungen, Messen<br />
– Einkaufsvorteile durch Rahmenverträge mit Herstellern,<br />
Lieferanten, Dienstleistern, Versicherern, u.v.m<br />
– Beratung, Schulung, Marktanalysen<br />
– Interessenvertretung bei Politik, Berufsgenossenschaften, GEMA,<br />
TÜV, GEZ, u.v.m. – Medien- & Öffentlichkeitsarbeit<br />
– Qualitätssiegel & Klassifi zierung – u.v.m.<br />
– Sebastian Korts, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,<br />
MBA –Master of Business Administration,<br />
M.I.Tax – Master of International Taxation<br />
– Petra Korts, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, MBA<br />
– Silke Busch, Rechtsanwalt,<br />
Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
– Wahed T. Barekzai, Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für Steuerrecht, L.L.M. – Mater of Laws<br />
Bogenoffsetdruckerei mit Vorstufe, Veredelungstechniken,<br />
Weiterverarbeitung <strong>und</strong> Lettershop.<br />
Herstellung <strong>und</strong> Distribution von Drucksachen wie Flyern,<br />
Broschüren, Katalogen, Magazinen, Zeitschriften, Postern, etc.
Termine TÜV Rheinland Akademie GmbH<br />
13. bis 15. 10. <strong>2009</strong> in Berlin<br />
23. bis 25. 11. <strong>2009</strong> in Dortm<strong>und</strong><br />
08. bis 10. 09. <strong>2009</strong> in Hamburg<br />
25. bis 27. 08. <strong>2009</strong> in Kaiserslautern<br />
01. bis 03. 12. <strong>2009</strong> in Köln<br />
Seminar: „Fachkraft für<br />
Kinderspielplätze“ (Nr. 10024)<br />
16. 10. <strong>2009</strong> in Berlin<br />
26. 10. <strong>2009</strong> in Dortm<strong>und</strong><br />
11. 09. <strong>2009</strong> in Hamburg<br />
29. 09. <strong>2009</strong> in Kaiserslautern<br />
04. 12. <strong>2009</strong> in Köln<br />
04. 12. <strong>2009</strong> in Nürnberg<br />
21. 08. <strong>2009</strong> in Stuttgart<br />
Seminar: „Fachkraft für<br />
Kinderspielplätze“ (Auffrischung, Nr. 10034)<br />
01. 12. <strong>2009</strong> in Kaiserslautern<br />
28. 06. 2010 in Köln<br />
21. 09. <strong>2009</strong> in Leipzig<br />
Seminar:<br />
„Sicherer Kinderspielplatz“ (Nr. 10058)<br />
Infos: TÜV Rheinland Akademie GmbH<br />
Am Grauen Stein, 51105 Köln<br />
Uwe Wendler, Tel.: 0221 8063113<br />
UweWendler@de.tuv.com<br />
Messetermine <strong>2009</strong><br />
8. bis 10. September <strong>2009</strong><br />
IOG Saltex<br />
Windsor Racecourse – The Racecourse<br />
Maidenhead Road · Windsor<br />
Berkshire<br />
SL4 5JJ<br />
England<br />
Tel.: +44 (0) 1962 736989<br />
CJohnson@cmpi.biz<br />
www.iogsaltex.co.uk<br />
24. bis 27. Oktober <strong>2009</strong><br />
Entsorga-Enteco<br />
Stuttgart<br />
www.interbad.de<br />
28. bis 30. Oktober <strong>2009</strong><br />
<strong>FSB</strong><br />
Internationale Fachmesse für Freiraum-,<br />
Sport- <strong>und</strong> Bäderanlagen<br />
Köln (Messegelände),<br />
Kontakt: Messe Köln,<br />
Frau Frias (Produktmanagerin)<br />
Tel.: 0221 821-2268<br />
b.frias@koelnmesse.de<br />
www.fsb-cologne.de<br />
www.koelnmesse.de<br />
Gartenschauen <strong>2009</strong><br />
29. Mai bis 20. September <strong>2009</strong><br />
Gartenschau Rechberghausen<br />
Kontakt: Gemeinde Rechberghausen<br />
Amtsgasse 4 · 73098 Rechberghausen<br />
Tel.: +49 (0) 7161 501-0<br />
info@gemeinde.rechberghausen.de<br />
www.gartenschau-rechberghausen.de<br />
25. April bis 18. Oktober <strong>2009</strong><br />
Landesgartenschau Oranienburg<br />
Kontakt: Landesgartenschau Oranienburg<br />
<strong>2009</strong> GmbH<br />
Breite Straße 1 · 16515 Oranienburg<br />
Tel.: +49 (0) 3301 600-830<br />
info@laga-oranienburg<strong>2009</strong>.de<br />
www.laga-oranienburg<strong>2009</strong>.de<br />
1. Mai bis 18. Oktober <strong>2009</strong><br />
Landesgartenschau<br />
Reichenbach Vogtland<br />
Kontakt: Landesgartenschau Reichenbach<br />
im Vogtland <strong>2009</strong> gGmbH<br />
Wiesenstraße 62 · 08468 Reichenbach<br />
Tel.: +49 (0) 3765 38696-0<br />
info@lgs-reichenbach.de<br />
www.gartenschau-reichenbach.de<br />
29. Mai bis 23. August <strong>2009</strong><br />
Landesgartenschau<br />
„Natur in Rain“<br />
Kontakt: Natur in Rain <strong>2009</strong> GmbH<br />
Hauptstraße 60 · 86641 Rain<br />
Tel.: +49 (0) 9090 703 700<br />
gartenschau@rain.de<br />
www.natur-in-rain.de<br />
23. April bis 11. Oktober <strong>2009</strong><br />
B<strong>und</strong>esgartenschau Schwerin<br />
Kontakt: B<strong>und</strong>esgartenschau Schwerin<br />
<strong>2009</strong> GmbH<br />
Eckdrift 43–45 · 19061 Schwerin<br />
Tel.: +49 (0) 385 <strong>2009</strong>-0<br />
info@buga-<strong>2009</strong>.de<br />
www.buga-<strong>2009</strong>.de<br />
VORSCHAU<br />
Top Thema:<br />
<strong>Spiel</strong>räume von Anbeginn bis in die Zukunft<br />
Warum spielt der Mensch, seit wann gibt es urbane <strong>Spiel</strong>plätze?<br />
Was unterscheidet <strong>Spiel</strong>plätze im internationalen Vergleich?<br />
Wir stellen vor: <strong>Spiel</strong>platzeinrichter, <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Sportgeräte, Fallschutz,<br />
Seniorenspiel, Erwachsenenspiel, barrierefreie <strong>Spiel</strong>geräte, Public Design<br />
t e r m i n e<br />
Editorial | 109
Entdeckt!<br />
Auf dem „Duz-Platz“ in Westerstede sagen alle „Du“ zueinander,<br />
auch wenn man sich nicht kennt. Am Brunnen am Alter<br />
Markt steht ein Schild „Am Brunnen <strong>und</strong> umzu – auf Du <strong>und</strong><br />
Du“ mitten auf dem Platz, damit klar ist, dass das förmliche<br />
„Sie“ hier nichts zu suchen hat.<br />
Die Idee entstand aus einer Marketing-Aktion der Rhododendronstadt<br />
im niedersächsischen Landkreis Ammerland, bei der<br />
öffentlich nach Ideen für die Belebung der Innenstadt gesucht<br />
wurde. Inzwischen bietet Westerstede die DUZ-Tour sogar als<br />
Tagesprogramm für Busgruppen ab 25 Personen an.<br />
Info: Touristinformation im Rathaus, Alter Markt (Duz-Platz),<br />
Westerstede Tel. 04488-19433. www.westerstede.de<br />
110 | Vermischtes<br />
Gabionen mit bunten Glaskugeln sind eine neue Skulpturenreihe von Tim<br />
Schnitzer aus Altenstadt bei Frankfurt. Die normalerweise in der Landschaftsarchitektur<br />
eingesetzten Körbe mit Steinen standen Pate für eine sehr<br />
wirkungsvolle Designidee. Schnitzer fertigt ein Gefl echt von R<strong>und</strong>stahl, das<br />
die Kugeln wie ein Korsett umgibt. Im Inneren der Gabionen verbirgt sich<br />
eine elektrische Lichtquelle, die die 542 bunte Glaskugeln in der Dunkelheit<br />
zu einer Kathedrale des Lichtes werden lässt. Die Gabionen haben einen<br />
Durchmesser von 1,35 Meter <strong>und</strong> wiegen circa 740 Kilogramm.<br />
www.baustahl-objekte.com<br />
Ein organisches Netz aus korrodiertem Stahl ersetzt bei der neuen Fußgängerbrücke über die Große Vils<br />
südlich von München die typischen Gitter an den Seiten. Für dieses kraftvolle Design, das sich harmonisch in<br />
die Landschaft fügt, erhielten die Ingenieure Neuner + Graf aus Garmisch-Partenkirchen <strong>und</strong> die Münchner<br />
Planungsgemeinschaft Zwischenräume im Juni den Stahl-Innovationspreis <strong>2009</strong>. Der eingesetzte wetterfeste<br />
Baustahl entwickelt durch Witterungseinfl üsse nach kurzer Zeit eine ausdrucksstarke rotbraune Patina, die<br />
fest haftet. Das Material benötigt keinen Schutzanstrich, schützt vielmehr sich selbst <strong>und</strong> damit die Brückenkonstruktion<br />
für viele Jahrzehnte. www.stahl-info.de/stahlinnovationspreis
Ihr Tagungshotel in der<br />
Mitte Deutschlands<br />
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• professionelle Präsentations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />
• angenehme Arbeitsatmosphäre mit persönlicher Betreuung<br />
• individuell eingerichtete Zimmer mit ganz besonderem Charme<br />
• Übernachtungen ab 60,00 Euro pro Person<br />
Hotel<br />
<strong>2009</strong> werden erneut Vorträge zum<br />
Thema Normung <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>platzsicherheit<br />
im tannenhof stattfinden!<br />
Stebacher Straße 64<br />
56276 Großmaischeid<br />
Telefon 02689 92710-0<br />
Fax 02689 92710-199<br />
info@hotel-tannenhof.info<br />
www.hotel-tannenhof.info
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<strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong> Stadtmobiliar für alle Altersgruppen<br />
stilum GmbH<br />
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Tel. 02689 92790-0 · Fax 02689 92790-29<br />
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