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Mein Tagebuch -Lotte-

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<strong>Mein</strong> <strong>Tagebuch</strong><br />

-<strong>Lotte</strong>-


15. Juni 1771<br />

Liebes <strong>Tagebuch</strong>,<br />

ich habe einen jungen Herrn kennengelernt. Es war auf dem Ball, auf dem ich vor einigen Tagen<br />

war. Es war ein seltsames Ereignis! Alles fing damit an, dass mich der junge Mann zu Hause<br />

abholte, denn mein Tanzpartner konnte mich leider nicht mitnehmen und so hatte Katharinas<br />

Tanzpartner, der sie und ihre Base mit der Kutsche zum Ball bringen sollte, sich angeboten mich<br />

mitzunehmen. So hat es Katharina mir zumindest erzählt. Sicherlich hat sie es ihm aufgedrängt. Auf<br />

jeden Fall kamen sie, und ich war viel zu spät dran und hatte den Kindern noch nicht ihr Abendbrot<br />

gegeben, als er ankam. Ich weiß nicht, er muss mich wohl beobachtet haben. Er war so nett zu meinen<br />

Brüdern und ließ sie, bis wir zum Waldrand kamen, hinten auf der Kutsche mitfahren.<br />

Es war das erste Mal seit langem, dass ich nicht mehr an Albert dachte, die ganze Zeit, die wir in der<br />

Kutsche verbrachten, und auch auf dem Ball beherrschte er allein meine Gedanken. In der Kutsche<br />

habe ich so über dies und das geplaudert und er hat mir die gesamte Zeit über in die Augen gesehen, mir<br />

zugehört und sich ganz dem gewidmet, was ich zu sagen hatte. Ich erzählte ihm von meiner früheren<br />

Zuneigung und momentanen relativen Abneigung zu Romanen und er lauschte mir, als wolle ich ihm<br />

die Welt erklären. Immer wieder musste ich mich daran erinnern, dass Katharina und ihre Base<br />

auch noch da waren und er ja schließlich nicht mit mir, sondern mit ihr da war, aber war so oder so ganz<br />

auf mich konzentriert. Als wir schließlich am Ballhaus angekommen waren und ausstiegen, war er wie<br />

in Trance.<br />

Naja, ich musste dann ja zu meinem Tanzpartner, aber meine Augen blieben nie all zu lang bei<br />

Norbert Neuhaus hängen, sondern wanderten schnell wieder zu Werther zurück. Wie er da tanzte, er<br />

war so ganz anders als Albert. Er war freier und leidenschaftlicher beim Tanzen, er war nicht so auf<br />

den Schein konzentriert, sondern ließ sich von seinem inneren Rhythmus treiben, nicht so wie die steifen<br />

Herren, die immer nur stolz gucken, während sie tanzen, dabei hätten sie gar nicht so viel, worauf sie stolz<br />

seien könnten. Nicht dass Albert einer von diesen wäre, aber doch ist er so anders als Werther.<br />

Schließlich fasste er sich ein Herz und bat mich um den nächsten Tanz, aber Norbert Neuhaus ist und<br />

bleibt nun einmal ein schrecklicher Walzertänzer und so bat ich ihn um diesen, auch wenn es gegen den<br />

Brauch war. Er willigte ein und so ging ich zu Katharina um sie zu bitten mir jenen Tanz mit<br />

Wilhelm zu gestatten. Natürlich erlaubte sie es mir und ich glaube sie war insgeheim froh, dass ich ihr den<br />

Deutschen ersparte.<br />

Und tanzten wir nicht nur jenen Tanz, sondern noch viele weitere und immer wieder gingen wir<br />

dazwischen einige Runden spazieren. Wir redeten und lachten so viel, bis schließlich Alberts<br />

Großcousine zu uns kam und mehr als zwei Mal und auch lauter als nötig Alberts Namen erwähne.<br />

Aber was sag ich da eigentlich, es war recht, dass sie es tat, denn er hatte den Namen gehört und hakte<br />

gleich nach. Also sagte ich ihm, dass ich schon fast mit Albert verlobt bin, was ihn den ersten Moment<br />

gar nicht zu überraschen schien. Aber mit zwei, drei Sekunden Verspätung schien er dann zu begreifen,


dass ich also schon vergeben war. Es tat mir so leid und ich war verärgert. Aber eigentlich weiß ich<br />

genau, dass es ja so doch besser war, denn nun weiß er zumindest, woran er bei mir ist. Ganz egal, ob<br />

mein Herz bei seinem freien und wilden Lächeln zehnmal so schnell zu schlagen scheint wie sonst. Er tat<br />

mir so leid, ich hatte ihn mit dieser Aussage so aus der Bahn geworfen, dass er dann wortwörtlich aus<br />

der Bahn fiel und ich ihn mit meiner gesamten Kraft wieder in die Abfolge ziehen musste.<br />

Wir wurden aber aus dieser Situation befreit, denn plötzlich setzte das Gewitter ein, das sich schon am<br />

frühen Abend zusammengezogen hatte. Blitze ließen den Saal hell aufleuchten und Donner ließ die<br />

Wände beben. Ich bekam es mit der Angst zu tun, aber das Letzte, was ich nach der ebigen<br />

Begebenheit wollte, war aus Angst Schutz an seiner Seite zu suchen und damit ihm, als auch mir,<br />

falsch Hoffnungen zu machen. Also nutzte ich die Gelegenheit, denn die Wirtin hatte uns in einen<br />

Raum geführt, der Vorhänge hatte, um uns so vor dem Anblick des Gewitters zu schützen. Dort<br />

begann ich nun also einen Stuhlkreis zu stellen und machte das Zählspiel mit ihnen. Der gute Werther<br />

schien besonders engagiert bei der Sache zu sein, so ließ ich seine Ohrfeigen auch immer ein wenig deftiger<br />

ausfallen als die der anderen. Es war ein unglaublicher Spaß!<br />

Ich weiß auch nicht genau, warum er so anziehend auf mich wirkt, aber irgendwie kann ich es kaum<br />

gehen lassen. Nachdem sich alles wieder etwas beruhigt hatte, stand ich mit Werther gemeinsam am<br />

Fenster und wir betrachteten, wie das Gewitter langsam fortzog und nur noch ein gemütlicher Regen<br />

zurückblieb. Ich kann es gar nicht beschreiben, aber ich spürte genau, wie uns in diesem Moment etwas<br />

Besonderes verband. Es war weitaus mehr als nur die Begebenheiten um uns herum, es war vielmehr<br />

etwas aus der Seele. Ich kannte so etwas zuvor noch nicht. Es ist nicht das gleiche wie bei Albert, es ist<br />

eine ganz andere Ebene. Ich weiß noch nicht, ob mich das freuen, oder eher beängstigen soll. Aber<br />

eines weis ich, ich freu mich unglaublich darauf ihn wiederzusehen!<br />

Gute Nacht , <strong>Lotte</strong><br />

29. Juni 1771<br />

Liebes <strong>Tagebuch</strong>,<br />

es ist unglaublich, seit dem Ball sehe ich Werther nahezu jeden Tag, manchmal sogar öfter. Ich genieße<br />

es so sehr, wenn er bei uns ist, er ist uns allen so lieb wie ein Familienmitglied. Es ist einfach unglaublich,<br />

wie er mit den Kindern umgeht. Er spielt und tollt mit ihnen, wie ich Albert es noch nie tun gesehen<br />

habe. Er ist ein Freigeist, der lebt, so wie man leben sollte. Die Konvention bedeutet ihm nicht so viel<br />

wie die pure Liebe am Leben. Wenn er mit den Kindern im Garten spielt, dann ist ihm egal, was<br />

andere über ihn sagen. Heute erst war der Arzt bei uns zu Besuch und hat Werther ganz schräg<br />

angeguckt, wie dieser da im Garten mit den Kindern tollte. Ich bewundere so, wie er meine Kinder<br />

behandelt. Wenn er mit ihnen spricht, dann stehen sie mit ihm auf der gleichen Ebene. Er regiert nicht<br />

über sie, nein, er sieht sie als Geschenk, als Segen, sogar als Weise und vor allem liebt er sie schon jetzt<br />

aus ganzem Herzen. Das kann man einfach sehen, schon darin, wie er sie ansieht und mit ihnen spielt.


Es berührt mein Herz zutiefst, dass er meine Lieblinge so schätzt. Er ist schon etwas ganz<br />

Besonderes.<br />

Gute Nacht, <strong>Lotte</strong><br />

1. Juli 1771<br />

Liebes <strong>Tagebuch</strong>,<br />

heute habe ich mit Werther meinen alten Freund Pfarrer Walther besucht. Als wir ankamen, saß er<br />

da auf seiner alten Bank und ist gleich aufgesprungen, als er mich gesehen hat. Aber er ist jetzt nun mal<br />

auch nicht mehr der Jüngste. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, sieht er schlechter aus, auch wenn er versucht<br />

vor mir zu verheimlichen, wie schlecht es ihm geht, sehe ich es doch tief in seinen Augen. Ich habe ihm<br />

vom Karlsbad erzählt. Inzwischen muss ich ja regelrecht schreien, dass er mich versteht. Aber er hat mir<br />

versprochen, dass auch er das Karlsbad besuchen gehen will. Es ist wirklich wichtig für ihn, dass er noch<br />

Ziele hat, an die er sich klammern kann. Wir saßen da nun also und tranken Kaffee mit Walther und<br />

Constanze, als Werther Walther auf seine Nussbäume ansprach. Ach, ich war ihm so dankbar, dass<br />

er Walther diese Geschichte erzählen ließ ohne auch nur 1 Sekunde gelangweilt drein zu schauen. Er<br />

hat so ein unglaublich gutes Gespür dafür, was ein Mensch braucht. Ich bewundere, wie aufmerksam er<br />

die Natur studiert und wie er sich an den kleinsten Dingen erfreut. Wenn er sich so ganz in der Natur<br />

verliert, wünschte ich, er könnte mich einmal mit sich nehmen, so dass ich all das, was er als so unglaublich<br />

schön und bewundernswert empfindet, einmal genau so, wie er es tut, sehen und empfinden könnte.<br />

Nun ja, Frederike kam kurz darauf zu uns. Wie die sich verändert hat! Ich habe sie schon viel zu lange<br />

nicht mehr gesehen, sie ist eine wirklich hübsche Frau geworden und muss diesem Herrn Schmidt wohl<br />

wirklich den Kopf verdreht haben. Wie er sich so brüskierte, als Werther ein kurzes Stück mit ihr ging,<br />

ich meine, er hätte sich ja auch mal mit mir unterhalten können. Anstatt dessen lief er dunkel an und ich<br />

zog Werther am Ärmel zu mir zurück. Aber dennoch muss ich zugeben, dass es mir nicht allzu unrecht<br />

war, ihn wieder neben mir zu spüren. Wenn er mich anlächelt, dann sehe ich nur noch sein Strahlen.<br />

Ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben, aber wenn ich meine Zeit mit ihm verbringe, dann ist das,<br />

wie wenn ich plötzlich wirklich ich selbst sein kann. Ist das ein Gefühl der wahren und tiefen<br />

Freundschaft, oder vielleicht doch das, was ich befürchte? Nein, ich meine, das kann ich mir auch einfach<br />

nicht erlauben so etwas zu tun. Ich kann mich nicht in einen Mann verlieben, ich weiß doch genau, ich<br />

habe in Albert verliebt zu sein. Ich weiß, ich muss wissen, dass Gefühle wie die, die ich für Werther hege,<br />

nur in einer tiefen Freundschaft vorkommen können, in einer so tiefen, wie ich sie bisher einfach noch nicht<br />

erlebt habe.<br />

Schließlich kehrten wir dann gegen Abend wieder zum Pfarrhaus zurück, wo wir dann Abendbrot<br />

hatten. Ich hatte schon früher bemerkt, dass die Launen des Herrn Schmidt Werther beschäftigten und<br />

als das Gespräch bei Tisch dann in die Richtung der Freuden und Leiden der Welt ging, fing<br />

Werther an über die schlecht Laune der Menschen zu sprechen. Ich weiß nicht, ob Herr Schmidt den<br />

Wink mit dem Zaunpfahl verstand, Frederike hingegen fühlte sich gleich angegriffen, weil Werther


ihren Liebsten kritisierte. Ich verstand, dass sie das tat, denn wenn ich die Leute im Örtchen über<br />

Werther schlecht reden höre, verspüre ich immerzu den Drang aufzuspringen und zu ihnen zu gehen um<br />

ihn zu verteidigen. Dabei muss ich mir dann aber immer wieder sagen, dass das nicht geht. Was sollten<br />

die Leute denn von Albert beziehungsweise von der Freundschaft zwischen mir und Werther denken,<br />

wenn ich so tat. Ich weiß, dass mein Platz der neben Albert ist, und ich will nicht, dass die Leute so<br />

etwas sagen. Es wäre außerdem grausam gegenüber Werther. Wenn er die Gerüchte hören würde,<br />

dass wir ein Liebespaar seien, dann würde er vielleicht Albert vergessen. Ich will auf gar keinen Fall so<br />

etwas wie auf dem Ball noch einmal erleben. Er hat so entgeistert geguckt, als ich ihm mitteilte, dass<br />

Albert und ich praktisch verlobt sind. Ich will ihn auf gar keinen Fall noch einmal so verletzen, wie ich es<br />

an jenem Tag getan habe. Das wäre einfach nicht mehr zu verzeihen.<br />

Was ich aber eigentlich sagen wollte, war, dass er mich dazu bringt ganz private Dinge zu erzählen,<br />

wenn er in der Nähe ist. Ich habe erzählt, dass ich bei schlechter Laune im Garten Contretänze tanze<br />

und dazu singe. Wie albern und kindisch das klingt, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Aber Werther<br />

hat mich noch nicht einmal schräg angeguckt. Er hat dieses Verhalten gelobt. Kann man das fassen,<br />

ich kann ihm einfach alles erzählen, ohne dass ich mich für irgendetwas vor ihm schämen müsste. Er<br />

nahm mir sogar die Scham vor Pfarrer Walther und seiner Familie. Er erzählte uns noch mehr,<br />

aber ich war ganz in meine Gedanken versunken und beobachtete ihn, wie er gestikulierte, ich lauschte, wie<br />

seine Stimme sich hob und senkte, ich hätte stundenlang nur so dasitzen können. Er ging ganz in dem<br />

auf, was er sagte, und als er schließlich über Freundschaften sprach und ihm, aber nicht nur ihm, die<br />

Tränen kamen, war auch ich zutiefst gerührt. Er verlor sich schließlich ganz und ich brauchte doch einige<br />

Worte um ihn aus seinen Gedanken zu holen. Wenn er sich so in den Gedanken verliert, dann wirkt er<br />

so kindlich auf mich. Es ist, als würde er das pure Leben in sich tragen und er teilt es mit jedem. Aber<br />

manchmal denke ich, dass er zwar gerne aus diesem Topf ausgibt, aber nicht überblicken kann, dass sich<br />

dieser Topf immer mehr lehrt. Auf der Heimfahrt redete ich also mit ihm, sagte ihm, dass ich mir<br />

Sorgen um ihn mache, und dass er nicht immerzu so emotional werden sollte, dass er daran zu Grunde<br />

gehen würde, wenn er so weitermacht. Aber hat gar nicht recht reagiert, er hat einfach nur gerührt drein<br />

geblickt. Er war ganz ergriffen von meinen Worten, aber weniger wegen dem Inhalt, sondern<br />

vielmehr wegen meiner Sorge an sich. Wenn ich Albert meine Sorgen mitteile, dann lächelt er mich<br />

an und meint, ich solle meine Gedanken nicht mit so etwas belasten, er habe schon alles im Griff, anstatt<br />

sich darüber zu freuen, dass er mich beschäftigt. Ich weiß einfach nicht so recht, wie ich mich fühle oder was<br />

ich für wen empfinde und was das bedeutet. Ich fühle mich wie zerrissen, wenn ich über die Beiden<br />

nachdenke. Ich weiß einfach nicht so recht, wie das jetzt weitergehen soll. Vielleicht regelt sich alles von<br />

alleine, wenn Albert erst einmal zurück ist, vielleicht bin ich auch einfach nur einsam. Jetzt kann ich die<br />

Lösung aber auch nicht mehr finden.<br />

Gute Nacht, <strong>Lotte</strong>


6. Juli 1771<br />

Liebes <strong>Tagebuch</strong>,<br />

heute war ich mit dem kleinen Malchen und mit Marianne spazieren, da trafen wir Werther. Ich weiß<br />

nicht sicher, aber ich glaube, dass er mich abgefangen hat, denn ich habe ihn schon einige Tage nicht mehr<br />

gesehen, weil ich bei Brunhilde am Sterbebett war. Er stieß jedenfalls zu uns und wir spazierten so<br />

eineinhalb Stunden durch den Wald, er erzählte so dies und das, aber ich genoss einfach schon nur ihm<br />

zuzuhören. Schließlich kamen wir zu einem Brunnen und ich setzte mich auf die Mauer, die den<br />

Brunnen umzäumte. Er stand so vor mir und schaute mich an und ich konnte in seinen Augen<br />

sehen, dass er glücklich war. Wir verweilten so eine Weile dort, während die kleine Malchen am<br />

Brunnenrand mit Wasser und einem Glas spielte. Schließlich stieg sie mit dem gefüllten Glas wieder<br />

die Treppe empor und die Marianne wollte ihr das Glas abnehmen, aber sie wollte, dass ich zuerst daraus<br />

trinke. Es ist wirklich goldig gewesen, wie sie darauf bestand. Auch Werther war sehr gerührt, sogar so<br />

sehr, dass er ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange drückte. Die Kleine fand das aber so gar nicht<br />

lustig, und so kam es, dass sie schrecklich zu weinen begann. Es rührt mich einfach immer wieder, wenn<br />

ich sehe, wie sehr ihm meine Kinder naheliegen. Ein Mann, der die Kinder anderer so liebt, muss<br />

sicher auch ein guter Vater sein.<br />

Da ja nun das Malchen so weinte, stieg ich mit ihr zum Brunnen hinab um ihre Wange zu waschen.<br />

Werther schaute mir hinterher und beobachte mich und mein Schätzchen, als würden wir ein heiliges<br />

Ritual vollführen. Er hat Augen voller Liebe und bei ihm fühl ich mich so viel mehr wert als die meiste<br />

Zeit. Es ist einfach so, als würde ein innerer Knoten in mir platzen, wenn er bei mir ist, und auf einmal<br />

kann ich frei atmen und mehr sehen. Es ist so unglaublich, wie viel Interesse er für die Kleinigkeiten<br />

aufbringt, die für mich die Welt bedeuten, aber eigentlich doch nichts sind. Ich sehe die Liebe für meine<br />

Kinder nie aus seinen Augen weichen und fühle mich geachtet und geliebt. Nicht so, wie ich die Liebe<br />

von Albert spüre, es ist überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Es sind wie zwei andere Welten, also<br />

muss es wohl doch so sein, dass das eine tiefe Freundschaft und das andere wahre Liebe ist. Die einzige<br />

Frage, die bleibt, ist die, was denn nun was ist. Ach, ich weiß nicht, was zu tun ist. Wäre Werther mir<br />

doch nie begegnet, dann wäre ich nicht in dieser Situation. Aber ich hätte mich auch nie so gefühlt und<br />

die Welt mit den Augen von ihm gesehen, und das ist es wert. Ich werde schon noch sehen.<br />

Gute Nacht, <strong>Lotte</strong>

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