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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
„Hochschullehre neu denken – Vielfalt als Chance nutzen“<br />
vom 2. bis 3. Dezember 2010 an der Technischen Universität Ilmenau<br />
Berichte aus den <strong>Workshop</strong>s<br />
<strong>Workshop</strong> 1<br />
„Gender-Toolbox für MINT-Studiengänge“<br />
<strong>Workshop</strong>leiter/-innen:<br />
Anne Grökel (Technische Universität Ilmenau)<br />
Andreas John (Fachhochschule Erfurt)<br />
Kristin Probstmeyer (Technische Universität Ilmenau)<br />
Anliegen des <strong>Workshop</strong>s<br />
Die Intention dieses <strong>Workshop</strong>s bestand zum einen darin, den Teilnehmer/innen auf<br />
Grundlage der Gender-Toolbox praktische Anregungen für die eigene Hochschullehre<br />
zu vermitteln und sie zum anderen zur Reflexion eigener Lehrerfahrungen zu<br />
motivieren. Darüber hinaus bot die exklusive Zusammensetzung der Teilnehmer/innen,<br />
nicht nur die Gelegenheit zu einem intensiven Erfahrungsaustausch,<br />
sondern auch zur Generierung neuer und interdisziplinärer Ideen und Lösungsansätze.<br />
Anliegen des<br />
<strong>Workshop</strong>s<br />
Teilnehmer/innen<br />
Der <strong>Workshop</strong> wurde mit insgesamt 15 Teilnehmer/innen und drei <strong>Workshop</strong>leiter/innen<br />
realisiert. Bei den Beteiligten handelte es sich um Professorinnen,<br />
wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, Gleichstellungsbeauftragte, Studierende sowie<br />
um Expertinnen der Studien- und Berufsorientierung. Sie kamen von Fachhochschulen,<br />
Universitäten als auch hochschulnahen Institutionen des Bundesgebietes<br />
zusammen und brachten darüber hinaus unterschiedliche Zugänge zur Hochschullehre<br />
im Allgemeinen und Genderthematik im Speziellen mit ein. So befanden sich<br />
unter den Teilnehmer/innen zum einen Expert/innen, die sich bereits intensiv mit der<br />
Geschlechter- und Genderforschung im Hochschulbereich auseinandersetzen und<br />
zum anderen Teilnehmer/innen, die sich bisher noch nicht mit dieser Thematik<br />
befasst hatten.<br />
Eine weitere interessante Konstellation zeigte sich in den jeweiligen Fachdisziplinen<br />
der Teilnehmer/innen, da sich unter den Teilnehmer/innen sowohl Vertreterinnen des<br />
MINT-Bereiches als auch Vertreter/innen der Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
befanden.<br />
Teilnehmer/<br />
innen des<br />
<strong>Workshop</strong>s<br />
Aufbau des <strong>Workshop</strong>s<br />
Der <strong>Workshop</strong> zur Gender-Toolbox des Projektes <strong>GeniaL</strong> folgte der klassischen<br />
Dreischritt-Methode. Nach einer kurzen Kennenlernrunde, in der unter anderem<br />
Herkunft der Teilnehmer/innen und ihre Erwartungen an den <strong>Workshop</strong> erfragt<br />
wurden, folgte ein kurzes Impuslreferat durch die <strong>Workshop</strong>leiter/innen. Hierbei<br />
wurde die Einordnung der Gender-Toolbox ins methodische Gesamtkonzept des<br />
Projektes <strong>GeniaL</strong>, der Aufbau der Gender-Toolbox sowie der geschlechts- und<br />
genderspezifische Ansatz anhand zweier exemplarischer Studien kurz skizziert. Den<br />
Schwerpunkt des <strong>Workshop</strong>s bildete die anschließende Gruppenarbeit. Hierzu<br />
Aufbau des<br />
<strong>Workshop</strong>s<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
wurden die Teilnemer/innen per Losverfahren drei Gruppen zugeordnet. Ebenfalls<br />
per Losverfahren erfolgte die Zuteilung der zu bearbeitenden „Toolbox-Fächer“<br />
anhand einer vorgegebenen Aufgabenstellung. Die Ergebnisse wurden von den<br />
Teilnehmer/innen verschriftlicht. Abschließend wurden die jeweiligen Ergebnisse den<br />
anderen <strong>Workshop</strong>gruppen präsentiert und die Arbeitsblätter in eine „reale“ Gender-<br />
Toolbox einsortiert.<br />
Impulsreferat<br />
1. Aufbau der Gender-Toolbox<br />
Bei der Entwicklung der Gender-Toolbox des Projektes <strong>GeniaL</strong> wurden Publikationen<br />
aus dem deutschsprachigen Raum herangezogen. Hierbei handelt es sich vor allem<br />
um Erfahrungs- und Praxisberichte der Hochschul-, Geschlechter- und<br />
Genderforschung (z.B. Becker u.a. 2006) Veranschaulicht am Bild eines<br />
Werkzeugkastens, aus dem Lehrende das entsprechende „Werkzeug“ für ihre<br />
Hochschullehre verwenden können, fächert sich die Gender-Toolbox in folgende<br />
Bereiche. Dabei ist zu beachten, dass die jeweiligen Bereiche oftmals in<br />
Kombination miteinander vertreten sind und daher nur in der theoretischen<br />
Darstellung trennscharf voneinander betrachtet werden können:<br />
Impulsreferat<br />
Aufbau der<br />
Gender-<br />
Toolbox<br />
Fachstereotype<br />
gemeint sich hier vor allem Geschlechterstereotype.<br />
(vgl. Eckes 2008)<br />
a) traditionelle Annahmen darüber, wie Frauen und Männer sind, welche<br />
Eigenschaften sie haben und wie sie sich verhalten (z.B. Frauen sind<br />
verständnisvoll und emotional / Männer sind dominant und zielstrebig<br />
b) traditionelle Annahmen darüber, wie Frauen und Männern sein sollen oder<br />
wie sich verhalten sollen (z.B. Frauen sollen verständnisvoll sein / Männer<br />
sollen dominieren)<br />
Fach Vorbilder<br />
Beispielhafte „reale“ oder „fiktive“ Personen, die direkt oder indirekt motivierend auf<br />
die Studien- und Berufswahl und damit auf die eigene Lebensplanung der<br />
Studierenden einwirken. (z.B. historische Vorbilder, bedeutende Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler, Mentoring-Patenschaften etc.)<br />
Fach Sprache<br />
In seiner sozialisierenden Funktion schafft Sprache Wirklichkeiten und eröffnet<br />
Sichtweisen (vgl. Spieß 2008). Im Verständnis der Gender-Toolbox des Projektes<br />
<strong>GeniaL</strong> umfasst Sprache sowohl die verbale und nonverbale Kommunikation<br />
zwischen Lehrenden und Studierenden als auch sprachliche und bildhafte<br />
Darstellungen in Lehr- und Lernmaterialien (z.B. sprachliche Vielfalt, meint eine<br />
gleichberechtigte Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen; neutrale<br />
Sprachformen; Geschlechterstereotype in Bildern und in Beispielen etc.).<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Fach Interaktion<br />
Sämtliche Kommunikationsprozesses des Miteinanders von Lehrenden und<br />
Studierenden, aber auch zwischen Studierenden im Rahmen einer Lehrveranstaltung<br />
(z.B. Körpersprache, Distanzregeln, Rückfragen etc.).<br />
Fach Praxis<br />
Veranschaulichungen von theoretisch vermittelten Inhalten anhand von Beispielen<br />
aus der Alltags- und Erfahrungswelt der Studierenden sowie Querverbindungen zu<br />
anderen Fachbereichen oder Themen z.B. interdisziplinäre Bezüge, gesellschaftliche<br />
Bedeutung, Risiko- und Folgeabschätzung, Beispiele, die Alltags- -und Erfahrungswelt<br />
beider Geschlechter berücksichtigen etc.).<br />
Fach (…)<br />
freies, unbeschriftetes Fach steht hier symbolisch für die stetige Erweiterung und<br />
Weiterentwicklung der Gender-Toolbox<br />
2. Was ist Gender an der Gender-Toolbox?<br />
Betrachtet man die einzelnen Toolbox-Fächer, wird augenscheinlich klar, dass es<br />
sich bei diesen Maßnahmen hauptsächlich um Maßnahmen der Umsetzung von<br />
guter Lehre handelt, während Genderaspekte nicht in jedem Fall sofort erkennbar<br />
sind. Deshalb wurden im <strong>Workshop</strong> zwei Studien angeführt, die verdeutlichen, dass<br />
Genderaspekte oft eine große Rolle spielen, auch wenn sie nicht offensichtlich<br />
erkennbar sind. Die Studien nehmen vor allem Bezug auf die Toolbox-Fächer<br />
„Praxis“ und „Sprache“.<br />
Was ist<br />
Gender an<br />
der Gender-<br />
Toolbox?<br />
INDECS-Studie<br />
Die INDECS-Studie wurde an verschiedenen Einrichtungen, darunter Hochschulen,<br />
Betriebe und Ingenieurverbände, in 8 Ländern Europas durchgeführt. Anliegen war<br />
es, herauszufinden, welches Potential interdisziplinäre Studiengänge in den<br />
Ingenieur-, Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie in der Informationsund<br />
Telekommunikationstechnologie in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels<br />
haben. Befragt wurden an Hochschulen die Studiengangsleiter/innen, Dekan/innen<br />
und Student/innen.<br />
Es herrschte überwiegend Einigkeit in folgenden Ergebnissen:<br />
Studiengänge mit interdisziplinären Anteilen sind zielführender zur Erhöhung<br />
des Frauenanteils und sollten forciert werden<br />
Studiengänge mit interdisziplinären Anteilen sprechen auch mehr Männer an<br />
Die schlussfolgernden Empfehlungen aus der Studie heraus waren, dass verstärkt<br />
interdisziplinäre Studiengänge bzw. Studiengänge mit interdisziplinärem Anteil,<br />
angeboten werden sollen. Interdisziplinäre Bezüge sollten hierbei möglichst<br />
frühzeitig im Studienplan aufgegriffen werden.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Stahlberg & Sczesny (2001)<br />
Stahlberg und Sczesny führten 4 Experimente zu „Effekte(n) des generischen<br />
Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von<br />
Frauen“ durch und erhielten folgende Ergebnisse:<br />
Frauen sind beim Deutschen Generischen Maskulinum nicht mit gemeint, es<br />
wird vorwiegend an Männer gedacht<br />
Neutrale Formulierungen und Beid-Nennungen bewirken, dass an beide<br />
Geschlechter gedacht wird<br />
Beim Binnen – I wird sogar vermehrt an Frauen gedacht<br />
Alle Effekte sind geschlechtsunabhängig, d.h. Frauen und Männer denken<br />
beim Generischen Maskulinum weniger an Frauen als bei anderen<br />
Formulierungen<br />
Aufgabenstellung<br />
1. Entwickeln Sie für die von Ihnen gezogenen Toolbox-Fächer entsprechende<br />
„Werkzeuge“ (Materialien), die in einer Lehrveranstaltung Ihrer Wahl aus dem<br />
MINT-Bereich umgesetzt werden können!<br />
Aufgabenstellung<br />
für<br />
die Arbeitsgruppen<br />
2. Kennzeichnen Sie dabei für welches Studienfach und für welche Lehrform<br />
Sie sich entschieden haben!<br />
3. Bitte beachten Sie, dass bei der Ergebnis-Präsentation die „Werkzeuge“ den<br />
einzelnen Toolbox-Fächern zugeordnet werden!<br />
Hinweis:<br />
mitunter kann ein „Werkzeug“ auch mehreren Toolbox-Fächern zugeordnet<br />
werden!<br />
Ergebnisse der Gruppenarbeit<br />
Die einzelnen Gruppen nahmen umgehend ihre Arbeit auf. In einer ersten Orientierungsphase<br />
stellten die Teilnehmer/innen ihre jeweiligen Kompetenzen heraus.<br />
Dabei standen u.a. auch Reflexion und Austausch über eigene Studien- und<br />
Lehrerfahrungen und Überlegungen im Vordergrund. Die <strong>Workshop</strong>leiter/innen<br />
begleiteten den Prozess und gaben mitunter Impulse zur Gruppenarbeit. Im weiteren<br />
Verlauf erfolgte die Eingrenzung des zu bearbeitenden Themenfeldes. Nach einer<br />
kurzen Pause bereiteten die Gruppen ihre Ergebnisse auf und präsentierten sie den<br />
anderen <strong>Workshop</strong>teilnehmer/innen.<br />
Ergebnisse<br />
der Gruppenarbeit<br />
Die jeweiligen Ergebnisse wurden als Arbeitsblätter aufbereitet und befinden sich in<br />
der Anlage A1 bis A7.<br />
Fazit<br />
Die sehr regen und fruchtbaren Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppen haben<br />
gezeigt, dass es nach wie vor sehr wichtig ist die einzelnen Aktivitäten im<br />
deutschsprachigen Raum zu bündeln, um bereits vorhandenes Erfahrungspotential<br />
zu nutzen und eine entsprechende Nachhaltigkeit zu sichern. In der praktischen<br />
Umsetzung gilt es hierbei vor allem auch den Erfahrungsaustausch zwischen den<br />
verschiedenen Institutionen und Hochschulgremien zu fördern und insbesondere<br />
Wissenschaft und Gleichstellungsarbeit an den Hochschulen stärker mit einander zu<br />
verzahnen. Darüber hinaus bestätigte sich der Ansatz geschlechtersensible Lehre<br />
Fazit<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
als ein Qualitätsmerkmal guter Lehre zu betrachten. Vor diesem Hintergrund gilt es<br />
Lehrende stärker individuell zu beraten und konkreten Unterstützungsbedarf bei der<br />
Konzeption geschlechtersensibler Lehr- und Lernmaterialien anzubieten.<br />
Literatur<br />
Literatur<br />
Auferkorte-Michaelis/Stahr, Ingeborg/Schönborn, Anette/Fitzek, Ingrid (Hrsg.): Gender als<br />
Indikator für gute Lehre. Erkenntnisse, Konzepte und Ideen für die Hochschule. Opladen &<br />
Farmington Hills: Budrich UniPress Ltd, S. 65-85.<br />
Becker, Ruth u.a. (Hrsg.)(2006): Gender-Aspekte bei der Einführung und Akkreditierung<br />
gestufter Studiengänge - eine Handreichung. Studien Netzwerk Frauenforschung, NRW<br />
Nr. 7.<br />
Béraud, André (2003): A European Research on Women and Engineering Education (2001 –<br />
2002): Potenials of Interdisciplinary Degree Courses in Engineering, Information Technology,<br />
Natural and Socio-Economic Sciences in a Changing Society, in: European Journal of<br />
Engineering Education 28 (4), S. 435 – 451<br />
Bogner, Alexander (2009): Experteninterviews: Theorien, Methoden, Anwendungsfelder. 2.<br />
grundlegend überarb. Aufl., Wiesbaden 2009, VS-Verlag.<br />
Curdes, Beate/Marx, Sabine/Schleier, Ulrike/Wiesner, Heike (Hrsg.): Gender lehre-Gender<br />
lernen in der Hochschule. Konzepte und Praxisberichte. Oldenburger Beiträge zur<br />
Geschlechterforschung, Bd. 6 Oldenburg: BIS Verlag, S.83-98.<br />
Eckes, Thomas (2008): Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In:<br />
Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung.<br />
Theorie, Methoden, Empirie. 2. erw. und aktualisierte Auflage, Wiesbaden: Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, S. 178-189.<br />
Frank, Elisabeth/Jung, Brigitte (1997): Schulversuch Physik. Mädchen im Physikunterricht.<br />
Materialien Physik Ph21. Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart.<br />
Glaser, Barney/ Strauss, Anselm (2010): Grounded Theory: Strategien qualitativer Forschung.<br />
3., unveränd. Aufl, Bern 2010, Huber.<br />
Hartmann, Corina/ Sanner, Ute (Hrsg.)(1997): Ingenieurinnen: ein unverzichtbares Potential<br />
für die Gesellschaft. Wissenschaftlerinnen-Forum; Bd. 3.<br />
Kamphans, Marion/Auerkorte-Michaelis (Hrsg.)(2007): Gender Mainstreaming - Konsequenzen<br />
für Forschung, Studium und Lehre. Studien Netzwerk Frauenforschung NRW, Nr. 8<br />
Münst, Agnes Senganata (2002): Wissensvermittlung und Geschlechterkonstruktionen in der<br />
Hochschullehre : ein ethnographischer Blick auf natur- und ingenieurwissenschaftliche<br />
Studienfächer. Weinheim 2002: Dt. Studien-Verl.<br />
Rindermann, Heiner (2005): HILVE-II in einer computerisierten Form mit Normen. Berlin<br />
2005, Blubbsoft.<br />
Spieß, Gesine: Geschlechtersensibel lehren - Ideensammlung für eine verbesserte Praxis.<br />
In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg.3/Nr.2 (Juni 2008), S.48-60.<br />
Stahlberg, Dagmar/ Sczesny, Sabine (2001): Effekte des generischen Maskulinums und<br />
alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. In: Psychologische<br />
Rundschau 52 (3) S. 131 - 140, Hofgrede-Verlag Göttingen.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A - Ergebnisse aus dem <strong>Workshop</strong> 1<br />
Die hier dargestellten Arbeitsblätter sind beispielhaft und lassen sich mitunter auch auf andere<br />
Fachbereiche übertragen.<br />
Anlage A1<br />
Gender-Toolbox => Fach Stereotype<br />
Studienfach:<br />
Beispiel „Softwareengineering“<br />
Veranstaltungsform: Eröffnungsvorlesung mit kommunikativen Elementen gestalten<br />
Lehrinhalt:<br />
Eingangsfragen an die Studierenden:<br />
Wer hat Informatik studiert, weil er gern mit Menschen zu tun hat?<br />
Welche Kompetenzen ordnen Sie sich selber zu?<br />
Welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fallen Ihnen ein?<br />
Welche Vorbilder haben Sie in Ihrem Umfeld?<br />
Bandbreite des Studienfaches<br />
neben Vermittlung reiner technischer Inhalte werden zunächst die<br />
verschiedenen Methoden des Faches erläutert und damit die<br />
wissenschaftliche Anbindung hervorgehoben<br />
um die systematische Planung auch in den technischen<br />
Studiengängen zu verdeutlichen bietet sich der Vergleich mit der<br />
Planung einer Semesterparty oder einem Hausbau an<br />
Zielsetzung: Frontalunterricht wird durch interaktive Komponenten aufgebrochen<br />
Studierende werden mit (eigenen) Stereotypen konfrontiert und zu<br />
einer Auseinandersetzung mit ihnen angeregt<br />
Förderung des reflexiven Denkens<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Hierzu ist es wichtig, dass sich Lehrende ihrer eigenen (Geschlechter-)<br />
stereotypisierung bewusst sind bzw. werden.<br />
Die Reaktionen der Studierende bei Fragestellung und auch bei<br />
Anwortgebung sind genau zu beobachten, um durch Hinterfragen<br />
Diskussionsprozesse anzuregen.<br />
Erfahrungsgemäß spielen Fachstereotype eine große Rolle, die sich in der<br />
Vorstellung und der Erwartungshaltung der Studierenden vom jeweiligen<br />
Studienfach wiederspiegeln. So stehen dem Prinzip des „Daniel<br />
Düsentriebs“ (sofortiges und schnelles wilddrauflos programmieren)<br />
systematische Vorüberlegung und Planungsprozesse sowie die damit<br />
verbundene Kommunikationsprozesse einer starken Kundenorientierung<br />
entgegen.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A2<br />
Gender-Toolbox => Fach Stereotype<br />
Studienfach:<br />
Beispiel „Softwareengineering“<br />
Veranstaltungsform:<br />
Für alle Lehrveranstaltungsformen geeignet<br />
Lehrinhalt: Zuteilung der Aufgaben per Losverfahren nach dem Zufallsprinzip<br />
Zielsetzung: Klassisch tradierte Rollenzuschreibungen sollen vermieden<br />
werden<br />
hierbei ist es wichtig, auf die persönlichen Interessen und<br />
Fertigkeiten der Studierenden einzugehen und unabhängig vom<br />
Geschlecht zu erkennen und zu fördern<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Beispiel für praktizierte Geschlechterstereotype in der Lehre:<br />
a) Männer sollen aufgrund ihres ausgeprägteren Technikverständnisses<br />
programmieren<br />
b) Frauen sollen aufgrund ihrer besseren ausgeprägteren kommunikativen<br />
Fähigkeiten Ergebnis präsentieren<br />
Hierbei handelt es sich um automatisierte geschlechtsspezifische<br />
Kompetenzzuschreibungen, die aufgrund der Pauschalbeurteilung den<br />
einzelnen Studierenden nicht gerecht werden. Denn mitunter haben auch<br />
weibliche Studierende ein starkes Technikinteresse und -verständnis,<br />
dass sie beim Programmieren zeigen können. Männliche Studierende<br />
hingegen würden gern ihre kommunikativen Fähigkeiten bei der Ergebnispräsentation<br />
demonstrieren.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A3<br />
Gender-Toolbox => Fach Vorbilder<br />
Studienfach: Softwareengineering<br />
Veranstaltungsform: Für alle Lehrveranstaltungsformen geeignet<br />
Lehrinhalt: Vorbild „du und ich“, meint hier, dass (Mit-)Studierende und<br />
Lehrende in erster Linie selbst die wichtigsten Vorbilder sind<br />
Studierende dazu auffordern ihre Vorbilder in der unmittelbaren<br />
Umgebung zu sehen (z.B. Familie, Freund, Bekannte etc.) und das<br />
Gespräch zu ihnen und ihrer Berufsbiographie zu suchen<br />
Beispiele von historischen und aktuellen Erfinder/innen im Rahmen<br />
des Lehrinhaltes aufzeigen<br />
berufstätige Frauen und Männer in die Lehrveranstaltung einladen,<br />
die über ihre Arbeit berichten<br />
Kontakt zu ehemaligen Studierenden halten (Alumni-Netzwerke<br />
auf- und ausbauen), an die sich die Studierenden auch außerhalb<br />
der Lehrveranstaltung wenden können<br />
Studierende höherer Semester mit einladen, die über ihre<br />
Erfahrung der ersten 100 Tage an der Hochschule berichten<br />
(alternativ Berufstätige, die über ihren Arbeitseinstieg berichten)<br />
Zielsetzung: Menschen hinter den Forschungs- und Arbeitsprozessen sichtbar<br />
machen<br />
Identifikationsmöglichkeiten für Studierende bieten<br />
Verantwortungsbewusstsein der Studierenden für eigene<br />
Vorbildfunktion wecken und stärken<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Vorbilder sollten nicht erzwungener Maßen, sondern bewusst ausgewählt<br />
werden, da sonst die Gefahr besteht die vergleichsweise wenigen<br />
Vorbildfrauen in der Geschichte den Technik- und Naturwissenschaften zu<br />
„verheizen“.<br />
Hier bietet sich unter anderem an, gemeinsam mit den Studierenden zu<br />
thematisieren, warum es so wenige Frauen im Fachbereich gibt<br />
Beispiele von Wissenschaftler/innen sollten über die formale Ebene (z.B.<br />
Name, Jahreszahl, Erfindung) hinaus auch kurze Hinweise und da wo es<br />
sich anbietet auch Anekdoten zur Person aufzeigen (z.B. Hintergrund der<br />
Erfindung, Kontext der Erfindung, gesellschaftliche Bedeutung). So sollten<br />
bezüglich des Kontextes der Erfindung zum Beispiel Hinweise darauf<br />
gegeben werden, ob eine kommunikative Situation, Arbeitsauftrag etc.<br />
vorlag.<br />
Eingeladene Expert/innen und Studierende sollten sehr reflektiert sein und<br />
ein Selbstverständnis vermitteln, dass die jeweilige Aufgabe nicht vom<br />
Geschlecht, sondern der individuellen Persönlichkeit abhängt. Studierende<br />
können zum Beispiel durch die Einbindung bei<br />
Öffentlichkeitsveranstaltungen (z.B. Tage der offenen Tür, Girls' Day etc.)<br />
in ihrer Verantwortung als Vorbild motiviert und gestärkt werden.<br />
Vorbilder sollen durchaus nicht idealisiert sondern menschlich, mit „Ecken<br />
und Kanten“, gezeigt werden<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A4<br />
Gender-Toolbox => Fach Praxis / Fach Rollenvorbild<br />
Studienfach: Beispiel Wirtschaftsinformatik<br />
Veranstaltungsform: Vorlesung; Projekte, Seminare, <strong>Workshop</strong>s<br />
Lehrinhalt: Aufzeigen von Berufsbildern und der Bedeutung des Lehrinhaltes<br />
für die spätere Praxis durch Querverbindungen von Theorie und<br />
Praxis im Rahmen der Lehrveranstaltung<br />
Einladung von externen Referent/innen (z.B: Alumni) aus<br />
Wirtschaft und Industrie, die das Berufsbild thematisieren und über<br />
ihren beruflichen Werdegang referieren<br />
Studierenden die Möglichkeit geben an Projektarbeiten mit<br />
Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen mitzuwirken<br />
Gestaltung einer eigenen Vorlesungsreihe zu Berufsbildern und<br />
zum Praxisbezug<br />
Zielsetzung: Aufzeigen von berufspraktischen Perspektiven der<br />
Wirtschaftsinformatik<br />
Interdisziplinäre Bezüge von Wirtschaft und Informatik bereits im<br />
frühen Studium<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Der Bezug des Lehrinhaltes für die spätere berufliche Tätigkeit sowie<br />
praktische Bezüge sollten nicht erst zum Studienende, sondern bereits in<br />
einer sehr frühen Phase des Studiums erfolgen.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A5<br />
Gender-Toolbox => Fach Interaktion<br />
Studienfach: Beispiel Mathematik, Informatik, Physik<br />
Veranstaltungsform: Vorlesung; Übung<br />
Lehrform Sofern die sich Möglichkeit bietet, sollten alternativ monoedukative<br />
Lehrformen angeboten werden<br />
Lehrinhalt: Zur Auflockerung empfiehlt es sich gelegentlich fachspezifische<br />
Witze oder Comics mit einzubauen<br />
Gruppenarbeit – Zuordnung zu den jeweiligen Gruppen erfolgt per<br />
Losprinzip<br />
Ergebnisse der Gruppe sollen Anderen präsentiert werden<br />
in Lehrmaterialien werden nur Ergebnisse (nicht Lösungswege)<br />
dargestellt, so dass sich die Studierenden den Weg zu Lösung<br />
selbst erarbeiten müssen<br />
Studierenden die Möglichkeit geben Fragen zu stellen<br />
Computertools kommunikationsfreudiger gestalten (z.B. durch<br />
Gruppenarbeit, bei dem mehrere Studierende einen Rechner<br />
benutzen; versenkbare Monitore; versetztes Stellen der Rechner<br />
etc.)<br />
Rollenspiele (Studierende erhalten per Losverfahren eine Rolle,<br />
die zu einem für sie unbestimmten Zeitraum eingesetzt wird)<br />
Vorstellungsrunden in Eingangsvorlesungen<br />
Zielsetzung: Eine angenehme Lehr- und Lernatmosphäre zu schaffen<br />
Studierenden zu motivieren selbst aktiv zu werden<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Bei der Auswahl der Witze und Comics ist darauf zu achten, dass sie nicht<br />
bestehende Geschlechterstereotype festschreiben (ggf. gemeinsam mit<br />
Studierenden thematisieren).<br />
Eine Aufforderung an die Studierenden eigene Witze oder Comics an die<br />
Lehrkraft zu schicken, kann mitunter die Scheu vor Lehrenden nehmen<br />
und die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden fördern.<br />
Ein ausgewogener Blickkontakt zu den Studierenden ist sehr wichtig und<br />
soll sie zur Teilnahme motivieren. Das Prinzip der besonderen Aufforderung<br />
zur Mitarbeit hat sich gerade bei weiblichen Studierenden bewährt.<br />
Jedoch sollte hierbei berücksichtigt werden, dass sich Studentinnen in den<br />
MINT-Fächern in einer Minderheitensituation befinden, die Ihnen per sè<br />
einen Sonderstatus zuschreibt. Eine Hervorhebung oder Überbetonung<br />
ihrer Person ist daher unbedingt zu vermeiden.<br />
Nach Fragestellung den Studierenden die Möglichkeit geben zu antworten<br />
und nicht sofort zum nächsten Thema übergehen.<br />
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<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A6<br />
Gender-Toolbox => Fach Vorbilder / Fach Praxisbezüge<br />
Studienfach: Naturwissenschaften<br />
Veranstaltungsform: Für alle Lehrveranstaltungen geeignet<br />
Lehrinhalt: Geschichtliche Bezüge der Mathematik und ihre Bedeutung für<br />
wichtige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermitteln<br />
gesellschaftliche Konsequenzen von Erfindungen, sowohl positive<br />
als auch negative, aufzeigen<br />
Zielsetzung: Verantwortungsbewusstsein der Studierenden für ihre (zukünftige)<br />
Arbeit entwickeln<br />
interdisziplinäres Denken der Studierenden fördern<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Neben einer Auseinandersetzung mit technischen und wirtschaftlichen<br />
Studieninhalten, sollen Studierenden ihr Handeln unter ethischen<br />
Aspekten im Hinblick auf ihren Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft<br />
reflektieren.<br />
Seite 11
<strong>GeniaL</strong><br />
Gender in der akademischen Lehre an Thüringer Hochschulen<br />
Anlage A7<br />
Gender-Toolbox => Fach Sprache<br />
Studienfach: MINT<br />
Veranstaltungsform: Für alle Lehrveranstaltungen geeignet<br />
Lehrinhalt: „neutrale“ Bezeichnungen wählen und/oder beide Geschlechter<br />
ansprechen<br />
Studierenden Handreichungen zur geschlechtergerechten Sprache<br />
zur Verfügung stellen<br />
Anregung für Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden<br />
=> Text mit Selbstverständnis komplett von männliche in weibliche<br />
Form transferieren<br />
Zielsetzung: Bewusstsein bei den Studierenden dafür schaffen, dass Sprache<br />
Wirklichkeit erzeugt und eine gleichberechtigte Verwendung beider<br />
Sprachformen zum modernen Alltagsverständnis gehört<br />
Hinweis für<br />
Lehrende<br />
Aufgrund einer derzeitigen starken öffentlichen Kontroverse ist bei diesem<br />
Thema viel Fingerspitzengefühl gefragt. Eine steife und erzwungene<br />
Forderung und ständige Maßregelung verkehrt sich ins Gegenteil. Umso<br />
wichtiger ist es, vor allem im Schriftlichen (z.B. Lehr- und Lernmaterialien)<br />
die Hinweise zur gendersensiblen Sprache konsistent umzusetzen.<br />
Anstelle von Standpunktdiskussionen, sollte ein Selbstverständnis für die<br />
sprachliche Vielfalt transportiert werden.<br />
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