Mit Weitsicht Krisen meistern Mit Weitsicht Krisen meistern - wortschatz
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36_TITEL _________________________________________________________<br />
¦ Foto: imago ¦<br />
Profi-Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Expertentipp. . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
IHK-Quick-Check . . . . . . . . . . . . . 41<br />
Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
Schorch im Portrait. . . . . . . . . . . . 44<br />
EGM im Portrait . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
TAG im Portrait. . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
<strong>Mit</strong> <strong>Weitsicht</strong><br />
<strong>Krisen</strong> <strong>meistern</strong><br />
ihk magazin 08.07<br />
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de
__________________________________________________________TITEL_37<br />
Eine Krise im Unternehmen ist ein bisschen<br />
so wie eine Krankheit beim Menschen:<br />
Manchmal hat man eine Erkältung, ein<br />
anderes Mal einen Ermüdungsbruch und im<br />
schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Infektion.<br />
Dabei übersieht man meistens die ersten<br />
Symptome – hätte man hier schon reagiert,<br />
wäre die Krankheit mit all ihren schmerzhaften<br />
Nebenerscheinungen vielleicht verhindert worden.<br />
Neben schneller Reaktion ist Prophylaxe die<br />
beste Strategie für eine gute Gesundheit –<br />
sowohl für den Menschen als auch für Unternehmen.<br />
Die „Gesundheitsexperten“ für Unternehmen<br />
sind Martin van Treeck und Ralf Wißfeld.<br />
Sie führen bei der IHK <strong>Mit</strong>tlerer Niederrhein die<br />
<strong>Krisen</strong>beratung durch (s. Kasten rechts). Bei<br />
nunmehr 80 vertraulichen Gesprächen haben<br />
sie als „Krankheitsbilder“ Zahlungsunfähigkeit,<br />
Absatzschwierigkeiten oder Personalprobleme<br />
diagnostiziert, als Auslöser zu schnelles<br />
Wachstum, Kommunikationsprobleme oder<br />
eine schlechte Marktanalyse. „Nicht immer sind<br />
das Management-Fehler“, weiß Martin van<br />
Treeck. „Wir hatten auch einen Unternehmer in<br />
der Beratung, dessen Geschäftspartner ganz<br />
plötzlich starb.“ So brachen unvermittelt Wissen,<br />
Kontakte und Beziehungen weg – Umstände,<br />
die den Betrieb in die Krise katapultierten.<br />
In den persönlichen Gesprächen zeigen<br />
IHK-Jurist Martin van Treeck und Coacher Ralf<br />
Wißfeld auf, dass eine Krise nicht zwangsläufig<br />
das Ende des Unternehmens bedeuten muss. Ihr<br />
kostenloser und individueller Rat ist für die<br />
Betriebe häufig der entscheidende Tipp, wie sie<br />
ihre Krise <strong>meistern</strong> können. Über ihren Alltag<br />
und (anonymisierte und der Vertraulichkeit halber<br />
teils verfremdete) Beispiele sprach das IHK-<br />
Magazin mit den beiden <strong>Krisen</strong>beratern. Herausgekommen<br />
sind zehn Strategien, um <strong>Krisen</strong><br />
vorzubeugen bzw. zu <strong>meistern</strong>.<br />
Strategie 1:<br />
Intensive Vorbereitung<br />
Der häufigste Fehler, so analysiert es Martin<br />
van Treeck von der IHK, sei die fehlende Vorbereitung<br />
vor der Existenzgründung. „Wenn der<br />
Unternehmer noch nicht einmal die wesentlichen<br />
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen<br />
kennt und versteht, hat die Firma von Beginn an<br />
keine solide Grundlage.“ Aus seiner Beratungspraxis<br />
kennt er unzählige Beispiele, wo „ins<br />
Blaue“ hinein gegründet wurde – ohne Marktanalyse,<br />
Branchenkenntnisse oder Fachwissen.<br />
Und das ende früher oder später in einer Krise.<br />
Extrembeispiel sei ein Designer für Teppiche,<br />
der bei seiner Gründung fest auf eine mündliche<br />
Kooperationsabsprache mit einem Einrichtungshaus<br />
gesetzt habe. Als die platzte, stand<br />
der Künstler ohne Kontakte und Marktwissen<br />
da. „Dennoch hielt er jahrelang an der Idee fest,<br />
seine Teppiche seien das Non-Plus-Ultra – eine<br />
folgenschwere Fehlinterpretation der Realität.“<br />
Van Treeck hatte keine Beratungs-Alternative:<br />
Er holte den Existenzgründer wortwörtlich „auf<br />
den Teppich“ zurück und empfahl ihm die<br />
schnellst mögliche Abmeldung des Gewerbes<br />
sowie die Aufgabe der Geschäftsräume. „So<br />
blauäugig sollte keiner in die Existenzgründung<br />
gehen“, rät der IHK-Experte. Neben IHK bieten<br />
auch Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Verbände<br />
und Vereine kostenlose Beratungen und<br />
Einstiegsseminare für potenzielle Jungunternehmer<br />
an, „absolut notwendig vor jeder Gründung“,<br />
rät van Treeck.<br />
Strategie 2:<br />
Langfristige Planung<br />
„So aussichtslos verloren und unvorbereitet<br />
sind die wenigsten Unternehmen, die zur <strong>Krisen</strong>beratung<br />
kommen“, räumt Ralf Wißfeld aus<br />
Mönchengladbach ein. Vielen fehle es einfach<br />
an einer realistischen Planung für die nächsten<br />
zwei bis drei Jahre. Wißfeld berichtet von einem<br />
Ehepaar, das eine traditionelle Schankwirtschaft<br />
betreibt. „Nun wunderten sie sich, dass<br />
die Umsätze einbrachen und ihnen die Kundschaft<br />
wortwörtlich wegstarb.“ Sie führten ihr<br />
Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher<br />
Unkenntnis heraus von einem Tag auf den<br />
anderen, erarbeiteten keine mittel- bis langfristige<br />
Strategie mit entsprechenden Planzahlen<br />
oder einer Gewinn- und Verlustrechnung.<br />
„Damit findet praktisch keine Unternehmenssteuerung<br />
statt.“ Er riet den Eheleuten, das<br />
Konzept zu überarbeiten: <strong>Mit</strong> einem günstigen<br />
<strong>Mit</strong>tagstisch, Cocktails und Themenabenden<br />
lockt man neue, jüngere Gäste an – ein Ausweg<br />
IHK-KRISENBERATUNG<br />
Vertraulich, kostenfrei,<br />
unverbindlich und<br />
individuell – so gestalten<br />
sich seit anderthalb<br />
Jahren die Gespräche<br />
im Rahmen<br />
der IHK-<strong>Krisen</strong>beratung.<br />
80 <strong>Mit</strong>gliedsunternehmen<br />
wandten sich bereits an den<br />
IHK-Experten Martin van Treeck. Der ausgebildete<br />
Jurist, Kreditanalyst und Mediator ist<br />
Referent im IHK-Geschäftsbereich Starthilfe<br />
und Unternehmensförderung. Die problematischen<br />
Situationen, die ihm die Unternehmer<br />
schildern, drehen sich um<br />
Buchhaltung, Controlling, mangelnde<br />
Kenntnisse in BWL, drohende Insolvenz,<br />
Probleme in der <strong>Mit</strong>arbeiterführung, Streitigkeiten<br />
in der Geschäftsleitung oder fehlendes<br />
Know-how für das Kreditgespräch.<br />
Für ein Erstgespräch benötigt van Treeck die<br />
Bilanzen der vergangenen drei Jahre und<br />
aktuelle BWAs. Aufgrund der Analyse gibt er<br />
Empfehlungen zur Weiterbildung, bereitet<br />
auf schwierige Gespräche mit der Hausbank<br />
vor oder verweist an externe Berater, die das<br />
von der IHK erarbeitete Lösungskonzept<br />
umsetzen. „Früherkennung rettet zwar<br />
nicht Leben, aber Unternehmen“, ist das<br />
Resümee von Martin van Treeck nach den<br />
ersten intensiven Gesprächen.<br />
KONTAKT<br />
Martin van Treeck<br />
02161 241-137<br />
treeck@moenchengladbach.ihk.de<br />
aus der Überalterung der Kundschaft. „Jedes<br />
Unternehmen sollte sich fragen: Ist mein Produkt<br />
in fünf Jahren noch aktuell“, rät van<br />
Treeck. Als Beispiel nennt der IHK-Experte den<br />
Schreibmaschinenhersteller, der sich schon in<br />
den 80er-Jahren hätte fragen müssen, wie stark<br />
sein Produkt bei der wachsenden Zahl von<br />
Computern noch gefragt sein wird. „Das gilt<br />
nicht nur für Produkte, sondern auch für<br />
Arbeitsweisen“, ergänzt van Treeck. Denn:<br />
Trends wie Outsourcing und mobile Arbeitsplätze<br />
dürften nicht verschlafen werden.<br />
ihk magazin 08.07<br />
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de
38_TITEL _________________________________________________________<br />
DAS GLOSSAR DER PROFIS<br />
Die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)<br />
Ralf Wißfeld, Unternehmensberater, Mönchengladbach: „Eine Unternehmenssteuerung<br />
ohne korrekte BWA gleicht einem Blindflug ohne Instrumente: Nicht<br />
erst seit Basel II und Rating der Kreditwirtschaft muss jedes Unternehmen aktuell<br />
und mehrmals im Jahr auf Informationen zugreifen können, die die laufende<br />
und dynamische Situation des Unternehmens widerspiegeln. Daher sollte der<br />
monatliche Report als Auswertung der Buchführung regelmäßig vom Steuerberater<br />
angefordert und diskutiert werden.“<br />
Der Management-Buy-Out (MBO)<br />
Bernhard Kugel, S-UBG-Gruppe, Mönchengladbach: „Unter MBO versteht man<br />
eine im <strong>Mit</strong>telstand wenig bekannte und genutzte Variante der Unternehmensnachfolge,<br />
bei der das Management der Gesellschaft das Unternehmen zumeist<br />
gemeinsam mit einer Beteiligungsgesellschaft kauft. Technisch erfolgt der Kauf<br />
dabei über eine Erwerbergesellschaft (NewCo), in der der Kaufpreis unter der<br />
Verwendung von Eigen- und Fremdkapital bereitgestellt wird. So gelingt es dem<br />
Management, unter Einsatz eines darstellbaren Eigenmittelinvestments eine einflussbegründende<br />
Anteilsquote am gekauften Unternehmen zu erwerben.“<br />
Das Risikomanagement<br />
Die Unternehmensnachfolge<br />
Prof. Dr. Helmut Rödl, Verband der Vereine Creditreform e.V., Neuss: „Der Rückgang<br />
der Unternehmensinsolvenzen zeigt, dass modernes Risikomanagement<br />
auch für KMU keine Zauberei mehr ist. Aufgabe des Risikomanagements ist die<br />
Identifikation, Analyse und Bewertung von Risiken in den Bereichen Marketing-, Kredit-<br />
und Forderungsmanagement sowie die Steuerung von Restrisiken. Dazu nutzen<br />
Unternehmen Risikomanagement-Tools oder Systemlösungen, die den Kundenkontaktprozess<br />
von der bonitätsbasierten Akquise bis zum Inkasso abdecken.“<br />
Dr. Dieter Gobbers, Anwalt, Krefeld: „Wenn der Unternehmer sein Lebenswerk zu<br />
optimalen Bedingungen verkaufen will, müssen Gesellschafter und Unternehmen<br />
möglichst frühzeitig und systematisch auf die Anforderungen professioneller<br />
Investoren vorbereitet werden. Vendor’s Due Diligence, SWOT-Analyse,<br />
Bilanzpolitik, Business-Plan und Wertermittlung müssen mit erfahrenen Beratern<br />
entwickelt werden, um Transaktionen zur Vermeidung oder Beseitigung von<br />
<strong>Krisen</strong> des Unternehmens oder unter den Eignern erfolgreich zu bewältigen.“<br />
Die Bank als Partner<br />
Lothar Erbers, Volksbank Mönchengladbach eG: „Verantwortung, Erfolg und Krise<br />
– das ist das Spannungsfeld, in dem sich Unternehmer traditionell bewegen und<br />
bewegen müssen. Umso wichtiger ist ein gewissenhafter und solventer Berater<br />
und Finanzier. Deshalb sollten Unternehmen ihre Bank als Partner auf ihrem Weg<br />
durch die Fährnisse ihres Marktes ansehen. Eine gute Bank versteht sich als Wegweiser,<br />
Finanzexperten arbeiten auf Augenhöhe mit den Unternehmern. Denn: Das<br />
Vertrauen der Unternehmen ist die Basis der Arbeit der Finanzinstitute.“<br />
Strategie 3: „Beratung“<br />
wörtlich nehmen<br />
Apropos Planzahlen: Viele Unternehmen verlassen<br />
sich beim „Papierkram“ auf ihren Steuerberater,<br />
der auch gleich die Planung der kommenden<br />
Umsätze, z. B. als Grundlage für ein Kreditgespräch<br />
bei der Bank, mit erledigt. „Nur<br />
wenige Unternehmer kommunizieren ausreichend<br />
mit ihrem Steuerberater“, musste van<br />
Treeck feststellen. Viele sähen den Steuerberater<br />
lediglich als Bilanzersteller, nicht als Berater<br />
im wörtlichen Sinne. So erging es auch<br />
einem EDV-Entwickler, der seit sieben Jahren<br />
technische Systeme vertreibt und wartet. Da der<br />
Betrieb keine guten Gewinne abwarf, wollte er<br />
seine Umsätze diversifizieren, indem er sich ein<br />
branchenfremdes, zweites Standbein aufbaute:<br />
Der Unternehmer eröffnete einen Party-Service<br />
speziell für Firmen. Wie auch beim Computergeschäft<br />
erledigte der Steuerberater die Buchhaltung.<br />
Aus den Unterlagen war für den Unternehmer<br />
nicht ersichtlich, welcher der beiden<br />
Betriebe nun Geld abwarf oder Miese machte.<br />
„Wir analysierten seine Bilanzen der letzten drei<br />
Jahre und stellten fest: Der Steuerberater wies<br />
die beiden Unternehmenssparten nicht getrennt<br />
in der BWA aus.“ Demnach war es weder<br />
dem Unternehmer noch den IHK-Experten<br />
möglich, Umsätze bzw. Kostenblöcke zuzuordnen.<br />
Die Empfehlung: Der Steuerberater muss<br />
die unterschiedlichen Firmensparten in der Verbuchung<br />
trennen, damit über Soll-/Ist-Vergleich<br />
und Kennzahlenberechnung ermittelt<br />
werden kann, welche Sparte wie optimiert werden<br />
kann. <strong>Mit</strong> dem transparenten Zahlenwerk,<br />
so die Rückmeldung einige Monate nach der<br />
IHK-Beratung, kann der Unternehmer seine<br />
Geschäfte jetzt viel besser am Markt steuern.<br />
Strategie 4:<br />
Bank als Partner<br />
Ebenfalls auf Kommunikationsdefizite sind Probleme<br />
mit der Hausbank zurückzuführen. „Häufig<br />
gibt es kein nachhaltiges Vertrauensverhältnis<br />
zwischen Bank und Unternehmer, weil nur<br />
unvollständige bzw. erklärungsbedürftige Unterlagen<br />
eingereicht werden“, erläutert van<br />
Treeck. Nicht selten müssten Banken sogar hin-<br />
ihk magazin 08.07<br />
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de
__________________________________________________________TITEL_39<br />
ter wichtigen und für sie gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Informationen herlaufen. „Diese<br />
zurückhaltende Informationspolitik führt dazu,<br />
dass die Bank nur zögerlich weitere <strong>Mit</strong>tel zur<br />
Verfügung stellt.“ Ebenso kann aber auch „zu<br />
viel des Guten“ schädlich sein. So stand der<br />
extrem komplizierte Businessplan eines Jungunternehmers<br />
außer Verhältnis zur Kreditsumme.<br />
Dabei hatte der potenzielle Existenzgründer<br />
mit seinem Wellness-Drink ein an sich gutes und<br />
neues Produkt erfunden, nur erklärte er es<br />
höchst technisch und langatmig. Auch für diesen<br />
Fall gab es Hilfe bei der IHK: Sie bereitete<br />
den Existenzgründer auf das Bankgespräch vor,<br />
stellte Kontakte zu möglichen, externen Kapitalgebern<br />
her und veröffentlichte die Suche nach<br />
Vertriebspartnern in der bundesweiten IHK-<br />
Unternehmensbörse. Zudem, so die Empfehlung<br />
von Wißfeld und van Treeck, gibt es regelmäßige<br />
Existenzgründertage in der Region, auf<br />
denen sich der Jungunternehmer mit seiner<br />
Idee präsentieren kann. (Der nächste Existenzgründertag<br />
findet übrigens Ende Oktober im<br />
Neusser Zeughaus statt.)<br />
Strategie 5:<br />
Fit in BWL<br />
Ein ausgereizter Kontokorrentkredit von 10.000<br />
Euro – auch aufgrund ausstehender Rechnungen<br />
seiner Kunden – war für einen Handelsunternehmer<br />
im Bereich Kunststoffplanen der<br />
Anlass für eine <strong>Krisen</strong>beratung bei der IHK. Er<br />
bekäme das Geld fürs laufende Geschäft nicht<br />
mehr bei seiner Bank, so der Unternehmer.<br />
„Während des Gesprächs stellte sich heraus,<br />
dass das Problem nicht die Bank war“, erzählt<br />
Wißfeld: „Der Unternehmer konnte selbst einfachste<br />
Fragen zu den vorgelegten Zahlen nicht<br />
beantworten“; betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse:<br />
Fehlanzeige. Zwar seien Unternehmer,<br />
so die Feststellung der beiden Berater von<br />
der IHK, für ihr Kerngeschäft meist sehr gut<br />
aufgestellt – als Techniker, Ingenieure oder Top-<br />
Verkäufer. „Nur eben von BWL sowie Planung<br />
und Steuerung eines Unternehmens haben sie<br />
häufig nur rudimentäre Kenntnisse.“ In einem<br />
solchen Fall empfiehlt Wißfeld eine Weiterbildung,<br />
etwa zum Thema „Wie liest man eine<br />
Bilanz“, oder die Einschaltung eines externen<br />
¦ Foto: imago ¦<br />
Dienstleisters. „Aber auch das befreit nicht von<br />
generellem BWL-Wissen: Wer die aufbereiteten,<br />
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen nicht<br />
interpretieren kann, ist auf verlorenem Posten.“<br />
Und das auch im Hinblick auf ein professionelles<br />
Forderungsmanagement. Der Unternehmer<br />
mit den Kunststoffplanen hatte ja vor allem<br />
deswegen seinen Kontokorrentkredit ausgeschöpft,<br />
weil seine Kunden nicht zahlten, erläutert<br />
Wißfeld. „Unsere Analyse ergab, dass Einzelwertberichtigungen<br />
in beachtlicher Höhe zu<br />
einer finanziellen Schieflage des Unternehmens<br />
geführt haben.“ Sein Tipp: Hier hätte die Wertberichtigung<br />
vermieden werden können, wenn<br />
die Aktiva über ein systematisches Forderungsmanagement<br />
zeitnah und nachhaltig betreut<br />
worden wären.<br />
Strategie 6:<br />
Richtige Kalkulation<br />
Nicht selten liegt eine Krise auch in einer falsch<br />
bemessenen Preiskalkulation begründet. Als<br />
wesentlichen Fehler hat van Treeck festgestellt,<br />
dass die Unternehmen ihr Angebot allein nach<br />
den Preisvorstellungen der <strong>Mit</strong>bewerber kalkulieren.<br />
Ohne Rücksicht auf eigene Kosten wird<br />
in der Hauptsache der Preis des Konkurrenten<br />
unterboten. „Umsatz ist aber nicht alles“, weiß<br />
van Treeck, wenn insgesamt Verluste eingefahren<br />
werden. Eine sinnvolle Preiskalkulation<br />
müsse sich nach dem eigenen Aufwand richten,<br />
nur so ist die Kostenstruktur im Marktvergleich<br />
wettbewerbsfähig.<br />
Strategie 7: Optimaler<br />
Personaleinsatz<br />
Wenn jahrelang schleichend (und vom Unternehmer<br />
nicht selten unbemerkt) die Umsätze<br />
zurückgehen, muss richtig reagiert, sprich: die<br />
Personalkapazität überprüft werden. „Sich bei<br />
rückläufigen Umsätzen über Jahre einen gleichbleibenden<br />
Kostenblock beim Personal zu leisten,<br />
führt für die meisten Unternehmen mittelfristig<br />
zu einer Liquiditätskrise“, analysiert van<br />
Treeck. Dass es vor allem an einer realistischen<br />
Personal-Kalkulation mangelte, machte der<br />
IHK-Experte bei einem Ehepaar als Ursache der<br />
Krise aus. In dem Einzelhandel für Bastelartikel,<br />
den die Frau betrieb, war der Ehemann mit<br />
einem marktüblichen Gehalt als Arbeitnehmer<br />
beschäftigt. „Diese hohen monatlichen Kosten<br />
konnten nach den betriebswirtschaftlichen und<br />
steuertechnischen Zahlen eindeutig nicht<br />
getragen werden“, fand van Treeck heraus. Um<br />
die Existenz zu sichern, musste die Unternehmerin<br />
wieder Vollzeit arbeiten, während ihr Mann<br />
nur noch in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis<br />
angestellt ist.<br />
ihk magazin 08.07<br />
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40_TITEL _________________________________________________________<br />
EXPERTENTIPP<br />
Wolfgang Koger (54)<br />
IHK-Referent<br />
Starthilfe und Unternehmensförderung<br />
Das Thema Nachfolge wird von vielen<br />
Unternehmern auf die lange Bank<br />
geschoben. So kann selbst ein erfolgreiches<br />
Unternehmen in die Krise geraten.<br />
Eine verspätete oder nicht vorhandene Planung<br />
der Nachfolge kann ernsthafte Folgen<br />
haben: Gesundheitliche Risiken können mit<br />
höherer Wahrscheinlichkeit zu einem Totalausfall<br />
führen, geringere Anpassungsfähigkeiten<br />
in dynamischen Märkten bedrohen<br />
die Umsatz- und Ertragslage. Finanzierungskonditionen<br />
können sich bei fehlender<br />
Nachfolgeregelung verschlechtern. Unter<br />
diesen Bedingungen einen guten und zahlungsbereiten<br />
Nachfolger zu finden, wird<br />
immer schwieriger.<br />
Daher sollten Unternehmen schon frühzeitig<br />
vorsorgen, gerechnet werden muss<br />
mit mindestens fünf Jahren Vorlaufzeit.<br />
Schon mit 55 Jahren sollten sich Unternehmer<br />
also schon erste Gedanken über ihre<br />
Nachfolge machen. Empfehlenswert ist,<br />
einen „Notfallkoffer“ zu hinterlegen, der bei<br />
einem Unfall oder gar Todesfall des Chefs die<br />
wichtigsten Unterlagen zum Unternehmen<br />
enthält: von der Nachfolgeregelung bis hin<br />
zu Passwörtern für geschützte Dokumente.<br />
Nähere Informationen zur Unternehmensnachfolge<br />
gibt es auch bei einer IHK-<br />
Veranstaltung am 10. Oktober in der IHK in<br />
Krefeld. Thema: Der Unternehmensverkauf.<br />
KONTAKT<br />
02161 241-120<br />
koger@moenchengladbach.ihk.de<br />
Strategie 8: Angemessenes<br />
Privatbudget<br />
Kardinalfehler ist und bleibt ein zu hohes Privatbudget.<br />
Wißfeld und van Treeck überraschten<br />
nicht wenige Unternehmer mit der frohen<br />
Botschaft, dass ihr Geschäft keineswegs in der<br />
Krise ist, sondern wie am Schnürchen läuft.<br />
„Nur die Privatausgaben sind viel zu hoch“,<br />
lautete das Urteil der Profis. Häufig seien die<br />
Entnahmen für private Belange derart groß,<br />
dass diese selbst ein Unternehmen, das ordentliche<br />
Gewinne abwerfe, nicht tragen könne.<br />
Sinnvoll ist es dann, die privaten Ausgaben neu<br />
zu strukturieren und zurückzufahren, außerdem<br />
auch für alle privaten Kostengruppen eine<br />
Liquiditätsplanung einzuführen.<br />
Strategie 9:<br />
Rücklage für Steuern<br />
Viele Unternehmer, insbesondere Existenzgründer<br />
und junge Chefs, versäumen in ihren<br />
ersten Jahren eine entsprechende Rücklage für<br />
die Steuernachzahlungen. Werden diese fällig,<br />
müssen kurzfristig Fremdmittel mit schlechten<br />
Zinssätzen beschafft werden. Auch hier empfiehlt<br />
van Treeck die intensive Kommunikation<br />
mit dem Steuerberater bzw. die Kenntnis der<br />
eigenen Bilanz-Kennzahlen: „Wer höhere<br />
Steuerzahlungen kommen sieht, kann frühzeitig<br />
eine entsprechende Vorsorge treffen.“<br />
Strategie 10:<br />
Alternativen prüfen<br />
Zwei Wege aus der Krise können auch die<br />
Unternehmensnachfolge (s. nebenstehenden<br />
Expertentipp) oder die <strong>Mit</strong>arbeiterbeteiligung<br />
sein. Nach dem Motto „Drum prüfe, wer sich<br />
ewig bindet“ gilt es bei der Unternehmensnachfolge,<br />
alles sorgfältig vorzubereiten. Die<br />
(zuweilen jungen) Käufer sollten die Bilanzen<br />
der letzten Jahre fachgerecht prüfen und<br />
Unternehmenskennzahlen, Umsatzentwicklung,<br />
Warenbestand und Personalkostenstruktur<br />
analysieren. Leichtsinnig, aber aus Erfahrung<br />
von van Treeck gar nicht so selten, ist es,<br />
das Unternehmen allein aufgrund einer Begehung<br />
oder der freundschaftlichen Beziehung<br />
mit dem bisherigen Eigentümer zu kaufen.<br />
Vielmehr lässt sich nur durch eine intensive Einarbeitung<br />
in das Unternehmen ein angemessener<br />
Kaufpreis ermitteln.<br />
Zweite Alternative ist die <strong>Mit</strong>arbeiterbeteiligung,<br />
die kürzlich bundesweit diskutiert wurde.<br />
Überbetriebliches Vermögen – die SPD<br />
schlug einen „Deutschlandfonds“ vor – ist der<br />
falsche Ansatz, meint der DIHK. „Geeignete<br />
Beteiligungsmodelle sollten immer auf Ebene<br />
des einzelnen Betriebs entwickelt werden“,<br />
erklärt Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer<br />
des Dachverbands aller deutschen<br />
IHKs. Nur so bleibe auch der Bezug zum<br />
eigenen wirtschaftlichen Erfolg bestehen. Wie<br />
gut das funktionieren kann, zeigt der Mönchengladbacher<br />
Luftpolsterfolien-Hersteller<br />
Sansetsu (s. Seite 80). Einen Tag vor dem Insolvenzantrag<br />
rettete ein Darlehen über 100.000<br />
Euro, das die <strong>Mit</strong>arbeiter ihrem Arbeitgeber zur<br />
Verfügung stellten und dafür teilweise ihre<br />
Eigenheime belasteten, das Unternehmen. <strong>Mit</strong><br />
Erfolg: Nach einem Verlust von 429.700 Euro im<br />
Jahr 2005 verbuchte Sansetsu 2006 bei einem<br />
Umsatz von 9.879.900 Euro einen Gewinn von<br />
236.500. Im laufenden Jahr plant Sansetsu<br />
eine Umsatzsteigerung um 20 und eine<br />
Ertragssteigerung um 50 Prozent, etwa 15 Prozent<br />
des Gewinns sollen als Gewinnbeteiligung<br />
an die <strong>Mit</strong>arbeiter ausgezahlt werden.<br />
Bei allen Strategien ist eins unerlässlich:<br />
Frühzeitig reagieren. „Egal welche Fehler zur<br />
Unternehmenskrise geführt haben: Wer rechtzeitig<br />
reagiert, kann die Krise fast immer noch<br />
abwenden“, weiß van Treeck. Doch je weiter das<br />
Verhängnis seinen Lauf nimmt, desto weniger<br />
Handlungsmöglichkeiten hat das Unternehmen.<br />
„Sobald etwa die Bank eine Deadline<br />
setzt, wann das Firmenkonto ausgeglichen zu<br />
sein hat, kann die Geschäftsführung unter diesem<br />
Kosten- und Zeitdruck nur noch schwerlich<br />
agieren“, führt der Berater von der IHK<br />
<strong>Mit</strong>tlerer Niederrhein aus. Wenn hingegen früh<br />
mit einem frischen Marketingkonzept, neuen<br />
Produkten oder einer angepassten Finanz- und<br />
Personalstruktur auf Probleme reagiert wird,<br />
bleibt das Unternehmen – statt von der Krise<br />
gelähmt – gesund und munter. Na denn: Halsund<br />
Beinbruch…<br />
Jennifer Beenen<br />
ihk magazin 08.07<br />
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de
IHK-QUICK-CHECK __________________________________________TITEL_41<br />
Steuere ich mein<br />
Unternehmen richtig?<br />
Dieser Quick-Check soll in einer ersten,<br />
schnellen Übersicht klären, ob Sie die<br />
gängigen betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente<br />
nutzen und gut mit Ihrer<br />
Hausbank zusammen arbeiten, oder ob in diesen<br />
Bereichen Beratungs- und Optimierungsbedarf<br />
besteht. Kreuzen Sie zunächst Ihre fünf Antworten<br />
an und übertragen Sie diese dann in die<br />
Tabelle auf Seite 43. Dort finden Sie auch die<br />
Auswertung Ihrer Antworten.<br />
Frage 1: Wie nutzen Sie Ihre Betriebswirtschaftliche<br />
Auswertung (BWA)?<br />
! a) BWAs erhalten wir unregelmäßig bzw. gar<br />
nicht. Diese werden entweder nicht vom<br />
Steuerberater erstellt oder aber von uns<br />
nicht angefordert.<br />
! b) Die monatlich von meinem Steuerberater<br />
erstellte BWA wird im Unternehmen zeitnah<br />
besprochen und ausgewertet. Dabei<br />
werden entscheidende Kennzahlen ermittelt<br />
und sowohl mit den Planzahlen als<br />
auch mit den Vorjahreswerten verglichen.<br />
! c) Eine BWA erhalten wir regelmäßig. Diese<br />
wird zur Kenntnis genommen und anschließend<br />
archiviert.<br />
¦ Foto: Bilderbox ¦<br />
Frage 2: Wie gut ist Ihr Kontakt zur Hausbank?<br />
! a) Zum Kundenberater unserer Hausbank<br />
haben wir einen regelmäßigen Kontakt, bei<br />
dem Informationen und Neuerungen des<br />
Unternehmens übermittelt und besprochen<br />
werden. Die Hausbank erhält regelmäßig,<br />
d. h. auch unterjährig, sowohl<br />
aktuelle BWAs und Planzahlen als auch in<br />
jedem Jahr zeitnah den entsprechenden<br />
Jahresabschluss.<br />
! b) Unser Kreditinstitut erhält regelmäßig<br />
BWAs und einmal im Jahr übersenden wir<br />
den Jahresabschluss.<br />
! c) Einmal im Jahr wird unserem Kreditinstitut<br />
der Jahresabschluss in der Regel auf Anforderung<br />
übersandt. Dies geschieht nicht<br />
immer zeitnah und mitunter auch erst<br />
zwei Jahre nach Ende des entsprechenden<br />
dokumentierten Wirtschaftsjahres.<br />
Frage 3: Wie gestaltet sich Ihre Kontoführung?<br />
! a) Die Führung des Kontokorrentkontos läuft<br />
stets einwandfrei und ohne Beanstandungen.<br />
Die Kreditbeanspruchung liegt immer<br />
im vereinbarten Rahmen, wobei zeitweilig<br />
ein Haben-Saldo vorliegt.<br />
! b) Die Kontoführung wurde bereits mehrfach<br />
von dem Kreditinstitut beanstandet. Es<br />
gab bereits einige ungenehmigte Überziehungen<br />
und Rückführungszusagen wurden<br />
nicht eingehalten. Die vereinbarte<br />
Kreditlinie wird seit geraumer Zeit in vollem<br />
Umfang beansprucht, wobei es nur<br />
wenige Haben-Umsätze gibt.<br />
! c) Die Kreditlinie ist meistens nahezu ausgeschöpft,<br />
wobei es auch gelegentlich zu<br />
abgesprochenen Überziehungen kommt.<br />
Die Kontoumsätze sind branchenunterdurchschnittlich.<br />
Unternehmenskrise im Anmarsch?<br />
Testen Sie, wie gut Sie Ihren Betrieb steuern.<br />
Frage 4: Wie sieht es mit Produkt, Qualität und<br />
Geschäftskonzept aus?<br />
! a) Über Neuerungen auf den für uns maßgeblichen<br />
Märkten informieren wir uns. Gegebenenfalls<br />
werden Innovationen eingeführt<br />
und Produkte angepasst. Umsatzzahlen<br />
mehrerer Jahre werden mit aktuellen<br />
Werten verglichen.<br />
! b) Eine Abschätzung der Branchensituation<br />
und der Zukunftsfähigkeit unserer Produkte<br />
erfolgt lediglich durch die aktuelle Kontrolle<br />
der Umsatzzahlen im laufenden<br />
Geschäftsjahr.<br />
! c) Das Geschäftskonzept und die Produktpalette<br />
werden laufend auf ihre Zukunftsfähigkeit<br />
überprüft. Gegebenenfalls werden Produktpalette<br />
und Konzept zeitnah angepasst,<br />
um langfristig erfolgreich zu bleiben. Kontrolliert<br />
wird dieses Verfahren durch Erstellung<br />
und Überwachung von Planzahlen.<br />
Frage 5: Wie ist die Qualität der Unternehmensführung?<br />
! a) Die fachlichen Voraussetzungen (z. B. Kenntnisse<br />
der Produkttechnik, Branchenkenntnisse)<br />
liegen vor. Betriebswirtschaftliche<br />
Kenntnisse werden kaum vorgehalten und<br />
obliegen nahezu allein dem Steuerberater.<br />
! b) Unsere Geschäftsführung besitzt das fachliche<br />
Wissen, um die Marktsituation unserer<br />
Produkte und die Bedürfnisse unserer<br />
Kunden richtig einschätzen zu können.<br />
Außerdem haben wir die betriebswirtschaftlichen<br />
Kenntnisse, um anhand von<br />
Kennzahlen und Planungen das Unternehmen<br />
sicher zu steuern.<br />
! c) Fachliche Kenntnisse werden durch Learning<br />
by Doing im laufenden Geschäft<br />
erworben und sind noch im Aufbau.<br />
Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind<br />
nicht vorhanden. Die Überwachung und<br />
Steuerung des Unternehmens in betriebswirtschaftlicher<br />
Hinsicht obliegt allein<br />
dem Steuerberater.<br />
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42_TITEL________________________________________________INTERVIEW<br />
¦ Foto: Jochmann ¦<br />
Basel II ist auch eine Chance!<br />
DIHK-UMFRAGE<br />
Zum Jahresbeginn 2007 ist Basel II in Kraft<br />
getreten. Kreditinstitute sind nun gesetzlich<br />
angehalten, Kredite risikogerechter zu bepreisen.<br />
Damit müssen sich Unternehmen<br />
auf veränderte Spielregeln bei der Kreditvergabe<br />
einstellen – die Eigenkapitalquote des<br />
Unternehmens rückt in den Fokus der Risikobewertung.<br />
Der DIHK befragte 1.100 Unternehmen.<br />
Die Ergebnisse:<br />
" Für 53 Prozent der kleinen Unternehmen<br />
ist Basel II ein Risiko bei der Unternehmensfinanzierung.<br />
" 39 Prozent der Handelsunternehmen sagen,<br />
dass sich die neuen Eigenkapitalvorschriften<br />
für Kreditinstitute negativ auf deren<br />
Kreditvergabe an Unternehmen auswirken.<br />
" 19 Prozent der Betriebe sehen vor allem im<br />
schwierigeren Zugang zu Krediten das<br />
größte Problem von Basel II.<br />
Ludger Gooßens (Foto links) ist stellvertretender<br />
Vorsitzender des Vorstandes der<br />
Sparkasse Krefeld. Das Institut betreut<br />
Kredite im Wert von 4,6 Mrd. Euro, davon ist die<br />
Hälfte an Firmenkunden vergeben. Seit Basel II<br />
muss jede Bank umso mehr Eigenkapital vorweisen,<br />
je schlechter die Bonität ihrer Kunden<br />
ist. So liegt die Eigenkapital-Unterlegung nicht<br />
wie früher generell bei acht Prozent, sondern<br />
variiert je nach Rating-Note von 1,6 bis 12<br />
Prozent. Die Rating-Noten handhabt jede Bank<br />
individuell, möglich sind etwa Schulnoten, Stufen<br />
von A bis E oder – wie bei der Sparkasse Krefeld<br />
– von 1 bis 15.<br />
Herr Gooßens, auf dem Foto sehen wir Sie im<br />
Kundengespräch. Nur gestellt? Oder arbeiten<br />
Sie tatsächlich noch „an der Front“?<br />
Das Kundengeschäft ist für mich das Salz<br />
in der Suppe. Ich komme ursprünglich aus der<br />
Beratung und gehe bis heute regelmäßig in die<br />
Betriebe unserer Kunden – und das nicht in der<br />
<strong>Mit</strong>tagspause, sondern wenn es dort „brummt“.<br />
Wie würden Sie „Basel II“ in wenigen Sätzen<br />
und für Jedermann erklären?<br />
Basel II zwingt die Banken, mit der wertvollen<br />
und knappen Ressource Eigenkapital ökonomisch<br />
umzugehen. Für die Unternehmen<br />
bedeutet Basel II, dass ihre Bilanz nicht mehr<br />
ein „Steuervermeidungsinstrument“, sondern<br />
die Visitenkarte des Betriebes ist.<br />
Und Rating?<br />
Rating ist wie eine Kasko-Versicherung<br />
beim Auto, die sich ja nach der Wahrscheinlichkeit<br />
eines Unfalls berechnet: Rating misst in<br />
einer Art Risikostatistik, wie viele Betriebe mit<br />
welchen Kennzahlen in einem Jahr in Insolvenz<br />
gehen.<br />
Was erwartet eine Bank von Unternehmen, um<br />
leichter, schneller und positiv über Kredite zu<br />
entscheiden?<br />
Unsere Bestandskunden reichen ihre Unterlagen<br />
automatisch ein, also die Betriebswirtschaftlichen<br />
Auswertungen und den Jah-<br />
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__________________________________________________________TITEL_43<br />
resabschluss. Von Neukunden erwarte ich<br />
natürlich auch den Businessplan. Wer mir diesen<br />
als „positiv“ verkauft, den kann ich nur fragen:<br />
Meinen Sie denn, ich hätte schon mal<br />
einen negativen Businessplan gesehen? Ein<br />
Existenzgründer muss von seiner Idee brennen,<br />
mich von seinem Produkt überzeugen. Wer<br />
stöhnt und sagt „mal gucken, wie es läuft“, den<br />
muss ich leider nach Hause schicken.<br />
Gibt es noch mehr K.O.-Kriterien?<br />
Wenn der Existenzgründer auf seiner Einkaufsliste<br />
an Nummer 1 einen dicken Dienstwagen<br />
auflistet… Das Geld dafür muss er sich<br />
erst einmal verdienen! Eine Absage gibt es<br />
auch, wenn die Unternehmensstrategie „wenig<br />
Aufwand, viel verdienen“ lautet. Ein bisschen<br />
mehr Substanz hätten wir schon ganz gerne.<br />
Und wenn ein Existenzgründer für die betriebswirtschaftlichen<br />
Fragen an seinen Steuerberater<br />
verweist, werden wir auch vorsichtig. Ich<br />
will damit nicht sagen, dass jeder alles wissen<br />
muss. Mir ist dann lieber, der Unternehmer<br />
bringt seinen kaufmännischen Leiter mit und<br />
bleibt selbst offen, ehrlich und authentisch.<br />
Welche Faktoren sind für das Rating ausschlaggebend?<br />
Das sind natürlich die harten Faktoren wie<br />
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Aber<br />
auch die weichen Faktoren sind von großer<br />
Bedeutung: Strategie, Qualifikation der <strong>Mit</strong>arbeiter,<br />
Planung und Controlling, Informationsverhalten<br />
gegenüber der Bank, Zukunft des<br />
Marktes, Entwicklungsarbeit, Marketing, Lagerhaltung<br />
und etwa die Nachfolgeregelung.<br />
Warum ist letztere so wichtig für eine Bank?<br />
Tja, wenn der Junior 60 wird, ist es eh zu<br />
spät… Nein, mal im Ernst: Gerade bei diesem<br />
Punkt bleiben wir am Ball. Denn es ist die<br />
Pflicht eines Unternehmers, über die Zukunft<br />
des Betriebes und seiner <strong>Mit</strong>arbeiter nachzudenken.<br />
Schließlich kann er im Betrieb ja auch<br />
mal plötzlich ausfallen. Wir beraten hier intensiv<br />
über die Möglichkeiten der Nachfolgeregelung<br />
wie Übergabe, Schenkung, Verpachtung,<br />
Kapitalgesellschaft, Unternehmens-Verkauf,<br />
Management-Buy-Out bzw. -Buy-In. Wege<br />
gibt es viele, man muss sie aber auch beschreiten<br />
wollen.<br />
Wie individuell können Sie in Ihrer Beratung auf<br />
die Bedürfnisse des einzelnen Unternehmens<br />
eingehen?<br />
Wir haben ja nicht die speziellen Branchenkenntnisse<br />
wie unser Kunde, aber wir<br />
haben ein gutes Benchmark-Instrument: Alle<br />
450 Sparkassen in Deutschland pflegen die<br />
Ergebnisse der Bilanzanalyse anonym in eine<br />
zentrale Datenbank ein. So haben wir eine gute<br />
Vergleichsmöglichkeit quer durch alle Branchen.<br />
Deshalb heißt ein schlechter Wert in der<br />
Bilanz nicht zwangsläufig „Kredit abgelehnt“,<br />
er liegt ja vielleicht trotzdem über Branchendurchschnitt.<br />
Also ist Basel II auch eine Chance für Unternehmen?<br />
Ja natürlich, und das gleich in zweierlei<br />
Hinsicht: Durch unseren Blick von außen und<br />
den Branchenvergleich erhält der Unternehmer<br />
direktes Feedback auf sein Wirken. Ein<br />
Bilanzgespräch an sich ist ja immer recht statisch,<br />
weil es sich auf zurückliegende Ergebnisse<br />
bezieht. Außerdem profitieren Kreditnehmer<br />
mit guter Bonität von Basel II. <strong>Mit</strong> der<br />
Rating-Note 1 bekommt man seinen Kredit um<br />
einiges günstiger als das Unternehmen mit der<br />
Note 15. Diese „risikoadäquate Bepreisung“ ist<br />
auch eine Chance für Unternehmen.<br />
Müssen Unternehmer trotzdem Angst vor dem<br />
Bankgespräch haben?<br />
Nein. Wir versuchen zu vermitteln: Sie sind<br />
kein Bittsteller und wir kein Kreditverweigerer!<br />
In erster Linie sind wir Kreditgeber und bezahlen<br />
unsere <strong>Mit</strong>arbeiter davon. Letztendlich<br />
bedeutet Kredit doch vor allem eines: Vertrauen.<br />
Denn die Bank vertraut ja darauf, dass der<br />
Kunde das geliehene Geld zurückzahlt.<br />
Wie tritt der perfekte Kreditnehmer bei Ihnen<br />
auf?<br />
Den perfekten Kreditnehmer gibt es meiner<br />
Ansicht nach nicht bzw. er wäre dann ein Blender.<br />
Ich schätze Menschen, die überzeugend<br />
und kundig sind und die Dinge auf den Punkt<br />
bringen. Mein Tipp: Begeistern Sie die Bank<br />
von sich und Ihren Plänen, dann ist das Papier<br />
geduldig!<br />
Jennifer Beenen<br />
AUSWERTUNG<br />
Frage Antwort Punkte Meine Punkte<br />
1 a 3<br />
b 1<br />
c 2<br />
2 a 1<br />
b 2<br />
c 3<br />
3 a 1<br />
b 3<br />
c 2<br />
4 a 2<br />
b 3<br />
c 1<br />
5 a 2<br />
b 1<br />
c 3<br />
Summe:<br />
Auswertung zum Quick-Check<br />
3 bis 5 Punkte: Sie sind über den aktuellen<br />
betriebswirtschaftlichen Status Ihres Unternehmens<br />
informiert, kommunizieren dies<br />
mit den richtigen Partnern und wissen die<br />
wesentlichen Steuerungsinstrumente zu<br />
nutzen.<br />
6 bis 10 Punkte: Sie haben grundsätzliche<br />
Problembereiche erkannt. Es sind gute Ansätze<br />
vorhanden, die aber optimierungsfähig<br />
sind.<br />
11 bis 15 Punkte: Das betriebswirtschaftliche<br />
Know-how ist weitest gehend ungenutzt.<br />
Eventuelle Risiken und Problemfelder<br />
werden nicht oder zu spät erkannt. Es besteht<br />
dringender Beratungsbedarf.<br />
Diese Bewertungen sind nur eine erste Einschätzung<br />
Ihrer Unternehmenssteuerung.<br />
Wenn Sie weiteren Beratungsbedarf haben,<br />
wenden Sie sich gerne an die IHK. Ihr Anliegen<br />
wird selbstverständlich vertraulich behandelt.<br />
KONTAKT<br />
Martin van Treeck<br />
02161 241-137<br />
treeck@moenchengladbach.ihk.de<br />
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