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Schätze der Tiefsee

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<strong>Schätze</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Tiefsee</strong><br />

Die unbekannte Welt <strong>der</strong> Seeberge


_ 0m<br />

________ 10m<br />

Lebensraum von Seepferdchen<br />

________ 20m<br />

Tauchtiefe <strong>der</strong> Meerechsen<br />

von Galapagos<br />

_ 30m<br />

empfohlene maximale Tiefe<br />

für Sporttaucher<br />

________ 60m<br />

Tauchtiefe eines<br />

Papageitauchers<br />

________ 75m<br />

Weltrekord im Freitauchen<br />

(ohne Luft), ohne Gewicht<br />

_ 100 m<br />

________ 150m<br />

Tauchtiefe eines Seehundes<br />

________ 170m<br />

Weltrekord im Freitauchen<br />

(ohne Luft), mit Gewicht<br />

________ 233m<br />

größte Tauchtiefe einer<br />

Karettschildkröte<br />

_ 300m<br />

________ 400m<br />

maximale Eindringtiefe des<br />

Sonnenlichts<br />

________ 600m<br />

maximale Tauchtiefe<br />

mo<strong>der</strong>ner Militär-U-Boote<br />

_ 1000m<br />

________ 1467m<br />

größte Meerestiefe, in<br />

<strong>der</strong> nach Öl gebohrt wird<br />

(Golf von Mexiko)<br />

________ 1500m<br />

Reichweite mo<strong>der</strong>ner Grundschleppnetze<br />

________ 2250m<br />

größte gemessene<br />

Tauchtiefe eines Pottwals<br />

_ 3000m<br />

________ 3300m<br />

durchschnittliche Tiefe<br />

des Atlantiks<br />

________ 3657m<br />

Wrack <strong>der</strong> Titanic<br />

________ 3794m<br />

durchschnittliche<br />

Tiefe aller Ozeane<br />

________ 3900m<br />

durchschnittliche Tiefe<br />

des Indischen Ozeans<br />

________ 4200m<br />

durchschnittliche Tiefe<br />

des Pazifiks<br />

_ 10.000m<br />

________ 10.916m<br />

Tiefenrekord von Jaques<br />

Piccard und Don Walsh mit dem<br />

Tauchboot „Trieste“, 1960<br />

________ 11.034m<br />

tiefster Punkt des Weltmeeres<br />

im Marianengraben<br />

Bedrohte<br />

Korallengärten<br />

Grundschleppnetze verwüsten<br />

die unerforschten Paradiese <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />

D<br />

er Unterwasserroboter schwebt über dem Meeresboden, eine Videokamera<br />

surrt in <strong>der</strong> Finsternis. Im Scheinwerferlicht taucht ein Riff<br />

auf, ein Dickicht fein verästelter Korallen; hier und dort lugt ein Fisch<br />

hervor. Über Kabel ist das ferngesteuerte Mini-U-Boot mit seiner Basis verbunden.<br />

Die Bil<strong>der</strong> aus 150 Metern Tiefe flimmern über einen Bildschirm auf<br />

<strong>der</strong> Brücke des Greenpeace-Schiffs „Esperanza“, das nicht etwa in den Tropen<br />

ankert, wie die bunte Meeresfauna vermuten lässt. Es liegt vor Mingulay,<br />

einer Hebriden-Insel vor <strong>der</strong> Küste Schottlands. Denn dort wachsen Kaltwasserkorallen<br />

<strong>der</strong> Gattung Lophelia.<br />

„Die Riffe bedecken mehrere Quadratkilometer“, erklärt Murray Roberts,<br />

Biologe <strong>der</strong> „Schottischen Gesellschaft für Meereswissenschaften“. „Sie bilden<br />

Hügel von bis zu fünf Metern Höhe und 30 Metern Breite und bieten<br />

hun<strong>der</strong>ten Tierarten einen Lebensraum.“ Die gemeinsame Expedition von<br />

schottischen Forschern und Greenpeace im Mai 2005 hatte das Ziel, das Riff,<br />

dessen Ausmaße durch Sonarmessungen grob bekannt waren, genauer unter<br />

die Lupe zu nehmen. „Wir wollen verstehen, wie es zu <strong>der</strong> großen biologischen<br />

Vielfalt dieser Gebiete kommt“, so Roberts.<br />

Kaltwasser-Korallenriffe zählen zu den artenreichsten Ökosystemen <strong>der</strong><br />

Erde, doch erst in den letzen Jahrzehnten entdeckten Wissenschaftler ihre<br />

enorme Größe, Verbreitung und Bedeutung. Erst seit kurzem weiß man, wie<br />

12<br />

17<br />

20<br />

2<br />

9<br />

3<br />

18<br />

Tiere in <strong>der</strong> Tiefe<br />

21<br />

1 Schnepfenfisch (Macroramphosus scolopax)<br />

bis 20 Zentimeter; 25 bis 600 Meter Tiefe<br />

Kommt auf manchen Seeberg-Gipfeln in Massen vor.<br />

Saugt Planktontierchen mit seiner spitzen Schnauze an, die seine<br />

nächsten Verwandten verrät: die Seepferdchen.<br />

2 Seekatze (Chimaera phantasma)<br />

bis 100 Zentimeter; 90 bis 540 Meter Tiefe<br />

Die seltsamen Chimären, Verwandte <strong>der</strong> Haie und Rochen, knacken mit<br />

ihren massiven Zahnreihen Muscheln und Seeigel.<br />

3 Rundnasengrenadier (Coryphaenoides rupestris)<br />

bis 100 Zentimeter; 160 bis 2000 Meter Tiefe<br />

Grenadierfische zählen zu den häufigsten Bewohnern <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />

Fischer fangen gern ganze Schwärme ein, die sich zum Laichen<br />

zusammenfinden – das Gegenteil von nachhaltiger Fischerei.<br />

4 Granatbarsch (Hoplostethus atlanticus)<br />

bis 70 Zentimeter; 200 bis 1700 Meter Tiefe<br />

Wird bis zu 130 Jahre alt und zählt damit zu den langlebigsten<br />

Fischen. Viele Seeberge mit großen Granatbarsch-Vorkommen wurden<br />

in kurzer Zeit leergefangen.<br />

5 Einhornkrake (Scaeurgus unicirrhus)<br />

bis 35 Zentimeter; um 200 Meter Tiefe<br />

Bewohnt Felshöhlen und macht von dort aus Jagd auf Kleintiere.<br />

6 Kaltwasserkoralle (Lophelia pertusa)<br />

Polypen 12 Millimeter, Kolonien bis zehn Meter Durchmesser;<br />

40 bis 6000 Meter Tiefe<br />

Die Steinkoralle Lophelia bildet an den Kontinentalhängen und<br />

auf Seebergen riesige, oft tausende Jahre alte Riffe. Die artenreichen<br />

Lebensräume werden durch Grundschleppnetze in Schutthalden<br />

verwandelt.<br />

7 Violette Octokoralle (Anthotela grandiflora)<br />

Polypen 1 Zentimeter, Kolonien bis 10 Zentimeter Durchmesser,<br />

bis 280 Meter Tiefe<br />

Viele an<strong>der</strong>e Tiere siedeln auf Kaltwasserriffen, etwa farbenprächtige<br />

Octokorallen.<br />

8 Bubblegum-Koralle (Paragorgia arborea)<br />

30 bis 1300 Meter Tiefe<br />

Die Art wird mehrere Meter hoch und erzeugt dicke Stämme. Neben<br />

Lophelia ist sie <strong>der</strong> wichtigste Riffbildner <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />

9 <strong>Tiefsee</strong>dorsch (Mora moro)<br />

bis 80 Zentimeter; 450 bis 2500 Meter Tiefe<br />

Seine großen Augen verraten, dass dieser Kabeljau-Verwandte in<br />

dunklen Tiefen lebt.<br />

19<br />

4<br />

11<br />

1<br />

22<br />

13<br />

5<br />

15<br />

10<br />

6<br />

7<br />

23<br />

8<br />

14<br />

16<br />

viele Fischarten darin Schutz vor Strömung und Räubern suchen und die<br />

Korallengärten als Laichgebiete und Kin<strong>der</strong>stube nutzen. Mehr als 700 Arten<br />

von <strong>Tiefsee</strong>korallen sind bekannt, 20 von ihnen bilden Riffe. Sie leben<br />

meist in Tiefen zwischen 200 und 1000 Metern an den Kontinentalhängen<br />

Europas, Nordamerikas und Neuseelands; auch bei den Galapagos-Inseln,<br />

vor Brasilien, Indonesien und Angola wurden <strong>Tiefsee</strong>riffe entdeckt.<br />

Doch auch fernab <strong>der</strong> Küsten kommen sie vor – auf Seebergen mitten in<br />

den Ozeanen. Zehntausende dieser unterseeischen Gipfel werden in den<br />

Weltmeeren vermutet. Und obwohl die Forschung erst am Anfang steht, wird<br />

bereits die herausragende ökologische Bedeutung <strong>der</strong> Seeberge klar. Wie Oasen<br />

ragen sie aus <strong>der</strong> lebensfeindlichen <strong>Tiefsee</strong> und bieten auf felsigen Oberflächen<br />

Halt für üppige Lebensgemeinschaften. Oft sind sie isoliert wie Inseln<br />

und von nährstoffreichen Ringströmungen umflossen, so dass sich eine<br />

eigenständige Tierwelt entwickeln konnte. Viele Seeberge beherbergen Arten,<br />

die es nirgends sonst gibt.<br />

Bevor die meisten Menschen auch nur von ihrer Existenz gehört haben,<br />

sind diese unvergleichlichen Lebensräume in akuter Gefahr. Fischtrawler mit<br />

immer stärkeren Motoren und besserer Ortungstechnik dringen auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach neuen Ressourcen in immer entlegenere Gebiete vor. Wenn ihre<br />

schweren Grundschleppnetze über den Meeresboden poltern, rasieren sie<br />

ganze Ökosysteme mit Kaltwasserkorallen und <strong>Tiefsee</strong>schwämmen einfach<br />

ab. Unterwasseraufnahmen aus den letzten Jahren offenbaren demolierte<br />

Riffe in bis zu 1350 Metern Tiefe und kilometerlange Schneisen durch die<br />

Korallengärten. In norwegischen Gewässern ist bereits ein Drittel bis die Hälfte<br />

<strong>der</strong> Riffe geschädigt o<strong>der</strong> zerstört. Viele Vorkommen sind nur bekannt,<br />

weil Trawler Bruchstücke an Bord hievten.<br />

Niemand weiß, wie lange Kaltwasserkorallen brauchen, um sich zu erholen.<br />

Denn sie wachsen äußerst zögerlich – zehnmal langsamer als ihre tropischen<br />

Verwandten. Auch die Fische <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong> leben im Zeitlupentempo:<br />

Sie bewegen sich gemächlich, produzieren meist wenige Nachkommen und<br />

10 Lumb (Brosme brosme)<br />

bis 100 Zentimeter; 70 bis 1000 Meter Tiefe<br />

Einer <strong>der</strong> begehrtesten Speisefische <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>, ist aber in vielen<br />

Gebieten stark überfischt. Dieses Schicksal teilt er mit ähnlichen<br />

Arten wie Leng und Blauleng.<br />

11 Schnabeldornhai (Deania calcea)<br />

bis 120 Zentimeter; 60 bis 1500 Meter Tiefe<br />

Gebärt wie die meisten Haie lebende Junge (sechs bis zwölf pro Wurf,<br />

30 Zentimeter groß). Eine Population braucht mindestens 14 Jahre,<br />

um sich zu verdoppeln.<br />

12 Schokoladenhai (Dalatias licha)<br />

bis 180 Zentimeter; 40 bis 1800 Meter Tiefe<br />

An denen Hängen von Seebergen jagen verschiedenste Haie nach<br />

Fischen, Krebsen und Kalmaren. Bei den Azoren dezimierten Fischer<br />

Bestände <strong>der</strong> Schokoladenhais in so kurzer Zeit, dass die Art sogar<br />

auf die Rote Liste gefährdeter Arten gesetzt wurde.<br />

13 Schwarzer Degenfisch (Aphanopus carbo)<br />

bis 110 Zentimeter; 200 bis 1700 Meter Tiefe<br />

Frisst Krebse, Kalmare und Fische. Bei Madeira, wo man Degenfische<br />

mit Langleinen in 1000 Metern Tiefe fängt, gelten sie als Delikatesse<br />

(„Espada“). Im Nordatlantik landen sie als Beifang in Schleppnetzen.<br />

14 Gorgonenhaupt (Gorogonocephalus caputmedusae)<br />

bis 70 Zentimeter lange Arme, bis 900 Meter Tiefe<br />

Dieser Schlangenstern, verwandt mit Seesternen und -igeln, fängt mit<br />

seinen verzweigten Armen Planktontierchen.<br />

15 Haarstern (Hathrometra sarsi)<br />

10 Zentimeter, bis 250 Meter Tiefe<br />

Haarsterne, ebenfalls Seestern-Verwandte, klammern sich am Boden<br />

fest und fressen Plankton, das in ihrer Fe<strong>der</strong>krone hängen bleibt.<br />

16 Lanzenseeigel (Cidaris cidaris)<br />

10 Zentimeter, 30 bis mehr als 700 Meter Tiefe<br />

Dieser Seeigel hat nur wenige, dafür aber kräftige Stacheln.<br />

17 Leuchtkrake (Staurotheutis syrtensis)<br />

20 Zentimeter; 500 bis 4000 Meter Tiefe<br />

Die fließenden Bewegungen des zwischen den Armen gespannten<br />

Schirmes, die leuchtenden Saugnäpfe und die „Elefantenohren“<br />

machen die Leuchtkrake zu einem <strong>der</strong> spektakulärsten <strong>Tiefsee</strong>wesen.<br />

18 <strong>Tiefsee</strong>kalmar (Promachotheutis sp. nov.)<br />

etwa 30 Zentimeter; 200 bis mindestens 1500 Meter Tiefe<br />

Dieser erst kürzlich am Mittelatlantischen Rücken entdeckte<br />

Kalmar hat noch keinen offiziellen Namen. Im weltumspannenden<br />

Forschungsprojekt „Census of Marine Life“ sind Neuentdeckungen<br />

an <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />

19 Rote Schwebgarnele (Gnathophausia spec.)<br />

etwa 10 Zentimeter<br />

Viele Krebse und an<strong>der</strong>e <strong>Tiefsee</strong>tiere sind kräftig rot, obwohl die<br />

Farbe in <strong>der</strong> lichtlosen Tiefe gar nicht zu erkennen ist – für Forscher<br />

ein Rätsel. Eine verwandte Art dieser Schwebgarnele spritzt bei Gefahr<br />

eine leuchtende Flüssigkeit ins Wasser, um Angreifer zu blenden.<br />

20 Beilfisch (Argyropelecus spec.)<br />

bis 8 Zentimeter; 100 bis 600 Meter Tiefe<br />

Trägt dichte Reihen von Leuchtorganen am Bauch, frisst<br />

Kleinkrebse und Fischlarven. Beilfische leben im freien Wasser <strong>der</strong><br />

<strong>Tiefsee</strong>, an den steilen Seeberghängen aber auch in Bodennähe.<br />

21 Schnepfenaal (Avocettina infans)<br />

bis 75 Zentimeter; 50 bis 4600 Meter Tiefe<br />

Frisst Planktonkrebse, die sich mit ihren langen Anhängseln im<br />

seltsamen, bezahnten Schnabel verfangen. Bei einem Schnepfenaal<br />

wurden 670 Wirbel gezählt – Weltrekord.<br />

22 Fangzahn (Anoplogaster cornuta)<br />

15 Zentimeter; 500 bis 5000 Meter Tiefe<br />

Die stacheligen Fangzahn-Jungen gleichen ihren Eltern so wenig,<br />

dass man lange dachte, es handle sich um zwei Arten.<br />

23 <strong>Tiefsee</strong>angler (Melanocetus johnsonii)<br />

18 Zentimeter; bis in 2000 Meter Tiefe<br />

Die Weibchen schweben träge im Wasser und lassen die leuchtende<br />

„Angel“ treiben. Wer zu nahe kommt, wird verschlungen – auch wenn<br />

er viel größer ist. Die deutlich kleineren Männchen „docken“ an die<br />

Weibchen an und verschmelzen mit <strong>der</strong>en Blutkreislauf. Ihre einzige<br />

Aufgabe: die Begattung.<br />

sind deshalb sehr schnell überfischt. Bei Neuseeland haben Trawler den Granatbarsch<br />

an mehreren Seebergen binnen weniger Jahre nahezu ausgerottet.<br />

Unkontrollierte Fischerei droht jedoch nicht nur einzelne Tierarten, son<strong>der</strong>n<br />

ganze Lebensräume zu vernichten: Die <strong>Tiefsee</strong>form <strong>der</strong> Koralle Oculina varicosa<br />

bildet nur vor Florida Riffe. Bis auf ein acht Hektar großes Restvorkommen<br />

sind die raren Ökosysteme bereits durch Schleppnetze zerstört.<br />

Zwar ist das letzte Oculina-Riff inzwischen Tabuzone für Fischer, und<br />

auch Norwegen, Schottland und Irland haben in ihren Gewässern Riffe unter<br />

Schutz gestellt. Doch viele Kaltwasserriffe und die meisten Seeberge<br />

liegen in internationalen Gewässern und lassen sich daher nur schwer schützen.<br />

Deshalb for<strong>der</strong>t Greenpeace in <strong>der</strong> „Deep Sea Conservation Coalition“<br />

gemeinsam mit an<strong>der</strong>en Umweltorganisationen ein Moratorium für den Einsatz<br />

von Grundschleppnetzen auf Hoher See.<br />

Nur die UN-Vollversammlung könnte ein solches Moratorium beschließen,<br />

das Zeit bringen würde, um die unbekannten Lebensräume genauer zu<br />

erkunden. Zugleich ließen sich rechtliche Grundlagen dafür schaffen, dass<br />

auch in internationalen Gewässern Schutzgebiete ausgewiesen werden können.<br />

Doch ausgerechnet aus Europa kommt heftiger Wi<strong>der</strong>stand gegen diesen<br />

Vorschlag. Denn zu den elf <strong>Tiefsee</strong>fischerei-Nationen zählen Spanien<br />

und Portugal sowie Lettland, Frankreich, Irland und Finnland.<br />

Führende Meeresforscher werben hingegen eindringlich für eine Fangpause.<br />

„Das Leben <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong> ist zu großen Teilen unerforscht, doch seine<br />

Zerstörung schreitet wahrscheinlich noch schneller voran als die <strong>der</strong> Regenwäl<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Erde“, warnt <strong>der</strong> Kieler Meeresbiologe Rainer Froese. „Wir sollten<br />

das <strong>Tiefsee</strong>leben nicht zerstören, bevor wir die Chance hatten, es uns<br />

genau anzusehen. Wir pflügen ja auch nicht den Mars um, bevor wir darauf<br />

landen.“ WOLFGANG HASSENSTEIN<br />

Informationen im Web:<br />

www.savethehighseas.org, www.ices.dk/marineworld/seamounts.asp,<br />

www.rrz.uni-hamburg.de/OASIS, www.cool-corals.de<br />

Vorstoß ins Wun<strong>der</strong>land<br />

Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten regt die <strong>Tiefsee</strong> die Fantasie von<br />

Entdeckern und Schriftstellern an, doch erst in den letzten<br />

Jahrzehnten erlaubt die mo<strong>der</strong>ne Technik genauere<br />

Einblicke in die Weiten unter Wasser. Kaum erforscht, droht<br />

dem Lebensraum bereits Gefahr. Eine Chronik:<br />

1521<br />

Der Seefahrer Magellan versucht, den Meeresboden des<br />

Pazifik zu ergründen. Er lässt ein Seil zu Wasser, an dessen<br />

Ende eine Kanonenkugel hängt. Es ist mehr als 700 Meter<br />

lang – doch erreicht den Ozeanboden nicht. Daraufhin<br />

erklärt Magellan das Meer für unendlich tief.<br />

1818<br />

Der britische Polarforscher Sir John Ross för<strong>der</strong>t im Nordatlantik<br />

von seinem Schiff mit einen „<strong>Tiefsee</strong>-Greifer“<br />

aus 1800 Metern Würmer und ein Medusenhaupt zutage.<br />

Die <strong>Tiefsee</strong> lebt!<br />

1872<br />

Die Meeresexpedition <strong>der</strong> britischen „Challenger“ för<strong>der</strong>t<br />

fast 5000 unbekannte Arten zutage, zum Teil aus mehr als<br />

5000 Metern Tiefe.<br />

1898<br />

Die „Valdivia“ sticht zur ersten deutschen <strong>Tiefsee</strong>expedition<br />

in See. Der umgebaute Liniendampfer verfügt<br />

über ein Netz, das in festgelegten Tiefen geöffnet und<br />

geschlossen werden kann. „Das Leben passt sich je<strong>der</strong><br />

Meerestiefe an!“, notiert <strong>der</strong> Zoologe August Brauer.<br />

1934<br />

Der Amerikaner William Beebe wird in einer Stahlkugel,<br />

<strong>der</strong> „Bathysphere“, 925 Meter tief in den Ozean hinabgelassen<br />

und beobachtet als erster Mensch <strong>Tiefsee</strong>bewohner<br />

in ihrer natürlichen Umgebung. 17 Jahre später setzt<br />

er mit 1300 Metern Tauchtiefe eine neue Rekordmarke.<br />

1947<br />

Wie kaum ein zweiter ist <strong>der</strong> Name Jacques Cousteau<br />

mit <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> Meereswelt verbunden. Ab Mitte<br />

<strong>der</strong> 40er Jahre verleihen seine Filme dem Ozean ungeahnte<br />

Popularität.<br />

1960<br />

Der Franzose Jacques Piccard und sein US-Kollege Don<br />

Walsh setzen im Challengertief des Marianengrabens<br />

vor den Philippinen das Tauchboot „Trieste“ auf Grund. Der<br />

Tiefenmesser zeigt 10.916 Meter unter Normalnull — ein<br />

bis heute nicht wie<strong>der</strong> erreichter Rekord.<br />

1979<br />

Mit dem Tauchboot „Alvin“ entdecken US-Forscher in<br />

2000 Metern Tiefe „schwarze Raucher“, meterhohe<br />

Schlote, aus denen heißes Wasser strömt. Diese Quellen<br />

ernähren eine vom Sonnenlicht unabhängige Lebensgemeinschaft<br />

aus Bakterien, Würmern und Krebsen — eine<br />

wissenschaftliche Sensation.<br />

1982<br />

Die Entdeckung neuer Meeresressourcen schürt wirtschaftliche<br />

Interessen. Um ungeregeltem Rohstoffabbau<br />

zuvorzukommen, verabschieden die UN die Seerechtskonvention.<br />

Sie tritt 1994 in Kraft und erklärt die Mineralien<br />

des Ozeans zum Erbe <strong>der</strong> Menschheit.<br />

1985<br />

Mit Tauchrobotern spürt eine französisch-amerikanische<br />

Expedition 450 Meilen vor <strong>der</strong> Küste Neufundlands das<br />

Wrack <strong>der</strong> „Titanic“ auf.<br />

1990er<br />

Mo<strong>der</strong>ne Kameras und Messsysteme offenbaren, dass<br />

Kaltwasserkorallen, wie sie vor Norwegen schon lange<br />

bekannt waren, in allen Meeren vorkommen. Zugleich<br />

entdeckt man verheerende Schäden durch Schleppnetze.<br />

2000er<br />

Mit Aktionen vor Australien, Schottland und den<br />

Azoren protestiert Greenpeace gegen den Raubbau an<br />

artenreichen Seebergen.<br />

2004<br />

Im Februar for<strong>der</strong>n 1136 Meereswissenschaftler aus 63<br />

Län<strong>der</strong>n Schutzmaßnahmen gegen die Grundschleppnetzfischerei<br />

in <strong>Tiefsee</strong>-Ökosystemen. Im September überreicht<br />

Greenpeace dem UN-Generalsekretär Kofi Annan<br />

mehr als 100.000 Protestpostkarten.<br />

2005<br />

Um <strong>Tiefsee</strong>korallen und an<strong>der</strong>e Unterwasser-Lebensräume<br />

zu schützen, verbieten die USA die Grundschleppnetzfischerei<br />

vor Alaska auf 960.000 Quadratkilometern.<br />

Eine Produktion des Greenpeace Magazins. Zu bestellen mit dem Son<strong>der</strong>heft „Unser Meer“ unter: Hotline 040/808 12 80-80, Fax 040/808 12 80-99 E-Mail gpm@greenpeace-magazin.de<br />

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