Schätze der Tiefsee
Schätze der Tiefsee
Schätze der Tiefsee
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Schätze</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Tiefsee</strong><br />
Die unbekannte Welt <strong>der</strong> Seeberge
_ 0m<br />
________ 10m<br />
Lebensraum von Seepferdchen<br />
________ 20m<br />
Tauchtiefe <strong>der</strong> Meerechsen<br />
von Galapagos<br />
_ 30m<br />
empfohlene maximale Tiefe<br />
für Sporttaucher<br />
________ 60m<br />
Tauchtiefe eines<br />
Papageitauchers<br />
________ 75m<br />
Weltrekord im Freitauchen<br />
(ohne Luft), ohne Gewicht<br />
_ 100 m<br />
________ 150m<br />
Tauchtiefe eines Seehundes<br />
________ 170m<br />
Weltrekord im Freitauchen<br />
(ohne Luft), mit Gewicht<br />
________ 233m<br />
größte Tauchtiefe einer<br />
Karettschildkröte<br />
_ 300m<br />
________ 400m<br />
maximale Eindringtiefe des<br />
Sonnenlichts<br />
________ 600m<br />
maximale Tauchtiefe<br />
mo<strong>der</strong>ner Militär-U-Boote<br />
_ 1000m<br />
________ 1467m<br />
größte Meerestiefe, in<br />
<strong>der</strong> nach Öl gebohrt wird<br />
(Golf von Mexiko)<br />
________ 1500m<br />
Reichweite mo<strong>der</strong>ner Grundschleppnetze<br />
________ 2250m<br />
größte gemessene<br />
Tauchtiefe eines Pottwals<br />
_ 3000m<br />
________ 3300m<br />
durchschnittliche Tiefe<br />
des Atlantiks<br />
________ 3657m<br />
Wrack <strong>der</strong> Titanic<br />
________ 3794m<br />
durchschnittliche<br />
Tiefe aller Ozeane<br />
________ 3900m<br />
durchschnittliche Tiefe<br />
des Indischen Ozeans<br />
________ 4200m<br />
durchschnittliche Tiefe<br />
des Pazifiks<br />
_ 10.000m<br />
________ 10.916m<br />
Tiefenrekord von Jaques<br />
Piccard und Don Walsh mit dem<br />
Tauchboot „Trieste“, 1960<br />
________ 11.034m<br />
tiefster Punkt des Weltmeeres<br />
im Marianengraben<br />
Bedrohte<br />
Korallengärten<br />
Grundschleppnetze verwüsten<br />
die unerforschten Paradiese <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />
D<br />
er Unterwasserroboter schwebt über dem Meeresboden, eine Videokamera<br />
surrt in <strong>der</strong> Finsternis. Im Scheinwerferlicht taucht ein Riff<br />
auf, ein Dickicht fein verästelter Korallen; hier und dort lugt ein Fisch<br />
hervor. Über Kabel ist das ferngesteuerte Mini-U-Boot mit seiner Basis verbunden.<br />
Die Bil<strong>der</strong> aus 150 Metern Tiefe flimmern über einen Bildschirm auf<br />
<strong>der</strong> Brücke des Greenpeace-Schiffs „Esperanza“, das nicht etwa in den Tropen<br />
ankert, wie die bunte Meeresfauna vermuten lässt. Es liegt vor Mingulay,<br />
einer Hebriden-Insel vor <strong>der</strong> Küste Schottlands. Denn dort wachsen Kaltwasserkorallen<br />
<strong>der</strong> Gattung Lophelia.<br />
„Die Riffe bedecken mehrere Quadratkilometer“, erklärt Murray Roberts,<br />
Biologe <strong>der</strong> „Schottischen Gesellschaft für Meereswissenschaften“. „Sie bilden<br />
Hügel von bis zu fünf Metern Höhe und 30 Metern Breite und bieten<br />
hun<strong>der</strong>ten Tierarten einen Lebensraum.“ Die gemeinsame Expedition von<br />
schottischen Forschern und Greenpeace im Mai 2005 hatte das Ziel, das Riff,<br />
dessen Ausmaße durch Sonarmessungen grob bekannt waren, genauer unter<br />
die Lupe zu nehmen. „Wir wollen verstehen, wie es zu <strong>der</strong> großen biologischen<br />
Vielfalt dieser Gebiete kommt“, so Roberts.<br />
Kaltwasser-Korallenriffe zählen zu den artenreichsten Ökosystemen <strong>der</strong><br />
Erde, doch erst in den letzen Jahrzehnten entdeckten Wissenschaftler ihre<br />
enorme Größe, Verbreitung und Bedeutung. Erst seit kurzem weiß man, wie<br />
12<br />
17<br />
20<br />
2<br />
9<br />
3<br />
18<br />
Tiere in <strong>der</strong> Tiefe<br />
21<br />
1 Schnepfenfisch (Macroramphosus scolopax)<br />
bis 20 Zentimeter; 25 bis 600 Meter Tiefe<br />
Kommt auf manchen Seeberg-Gipfeln in Massen vor.<br />
Saugt Planktontierchen mit seiner spitzen Schnauze an, die seine<br />
nächsten Verwandten verrät: die Seepferdchen.<br />
2 Seekatze (Chimaera phantasma)<br />
bis 100 Zentimeter; 90 bis 540 Meter Tiefe<br />
Die seltsamen Chimären, Verwandte <strong>der</strong> Haie und Rochen, knacken mit<br />
ihren massiven Zahnreihen Muscheln und Seeigel.<br />
3 Rundnasengrenadier (Coryphaenoides rupestris)<br />
bis 100 Zentimeter; 160 bis 2000 Meter Tiefe<br />
Grenadierfische zählen zu den häufigsten Bewohnern <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />
Fischer fangen gern ganze Schwärme ein, die sich zum Laichen<br />
zusammenfinden – das Gegenteil von nachhaltiger Fischerei.<br />
4 Granatbarsch (Hoplostethus atlanticus)<br />
bis 70 Zentimeter; 200 bis 1700 Meter Tiefe<br />
Wird bis zu 130 Jahre alt und zählt damit zu den langlebigsten<br />
Fischen. Viele Seeberge mit großen Granatbarsch-Vorkommen wurden<br />
in kurzer Zeit leergefangen.<br />
5 Einhornkrake (Scaeurgus unicirrhus)<br />
bis 35 Zentimeter; um 200 Meter Tiefe<br />
Bewohnt Felshöhlen und macht von dort aus Jagd auf Kleintiere.<br />
6 Kaltwasserkoralle (Lophelia pertusa)<br />
Polypen 12 Millimeter, Kolonien bis zehn Meter Durchmesser;<br />
40 bis 6000 Meter Tiefe<br />
Die Steinkoralle Lophelia bildet an den Kontinentalhängen und<br />
auf Seebergen riesige, oft tausende Jahre alte Riffe. Die artenreichen<br />
Lebensräume werden durch Grundschleppnetze in Schutthalden<br />
verwandelt.<br />
7 Violette Octokoralle (Anthotela grandiflora)<br />
Polypen 1 Zentimeter, Kolonien bis 10 Zentimeter Durchmesser,<br />
bis 280 Meter Tiefe<br />
Viele an<strong>der</strong>e Tiere siedeln auf Kaltwasserriffen, etwa farbenprächtige<br />
Octokorallen.<br />
8 Bubblegum-Koralle (Paragorgia arborea)<br />
30 bis 1300 Meter Tiefe<br />
Die Art wird mehrere Meter hoch und erzeugt dicke Stämme. Neben<br />
Lophelia ist sie <strong>der</strong> wichtigste Riffbildner <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>.<br />
9 <strong>Tiefsee</strong>dorsch (Mora moro)<br />
bis 80 Zentimeter; 450 bis 2500 Meter Tiefe<br />
Seine großen Augen verraten, dass dieser Kabeljau-Verwandte in<br />
dunklen Tiefen lebt.<br />
19<br />
4<br />
11<br />
1<br />
22<br />
13<br />
5<br />
15<br />
10<br />
6<br />
7<br />
23<br />
8<br />
14<br />
16<br />
viele Fischarten darin Schutz vor Strömung und Räubern suchen und die<br />
Korallengärten als Laichgebiete und Kin<strong>der</strong>stube nutzen. Mehr als 700 Arten<br />
von <strong>Tiefsee</strong>korallen sind bekannt, 20 von ihnen bilden Riffe. Sie leben<br />
meist in Tiefen zwischen 200 und 1000 Metern an den Kontinentalhängen<br />
Europas, Nordamerikas und Neuseelands; auch bei den Galapagos-Inseln,<br />
vor Brasilien, Indonesien und Angola wurden <strong>Tiefsee</strong>riffe entdeckt.<br />
Doch auch fernab <strong>der</strong> Küsten kommen sie vor – auf Seebergen mitten in<br />
den Ozeanen. Zehntausende dieser unterseeischen Gipfel werden in den<br />
Weltmeeren vermutet. Und obwohl die Forschung erst am Anfang steht, wird<br />
bereits die herausragende ökologische Bedeutung <strong>der</strong> Seeberge klar. Wie Oasen<br />
ragen sie aus <strong>der</strong> lebensfeindlichen <strong>Tiefsee</strong> und bieten auf felsigen Oberflächen<br />
Halt für üppige Lebensgemeinschaften. Oft sind sie isoliert wie Inseln<br />
und von nährstoffreichen Ringströmungen umflossen, so dass sich eine<br />
eigenständige Tierwelt entwickeln konnte. Viele Seeberge beherbergen Arten,<br />
die es nirgends sonst gibt.<br />
Bevor die meisten Menschen auch nur von ihrer Existenz gehört haben,<br />
sind diese unvergleichlichen Lebensräume in akuter Gefahr. Fischtrawler mit<br />
immer stärkeren Motoren und besserer Ortungstechnik dringen auf <strong>der</strong> Suche<br />
nach neuen Ressourcen in immer entlegenere Gebiete vor. Wenn ihre<br />
schweren Grundschleppnetze über den Meeresboden poltern, rasieren sie<br />
ganze Ökosysteme mit Kaltwasserkorallen und <strong>Tiefsee</strong>schwämmen einfach<br />
ab. Unterwasseraufnahmen aus den letzten Jahren offenbaren demolierte<br />
Riffe in bis zu 1350 Metern Tiefe und kilometerlange Schneisen durch die<br />
Korallengärten. In norwegischen Gewässern ist bereits ein Drittel bis die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Riffe geschädigt o<strong>der</strong> zerstört. Viele Vorkommen sind nur bekannt,<br />
weil Trawler Bruchstücke an Bord hievten.<br />
Niemand weiß, wie lange Kaltwasserkorallen brauchen, um sich zu erholen.<br />
Denn sie wachsen äußerst zögerlich – zehnmal langsamer als ihre tropischen<br />
Verwandten. Auch die Fische <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong> leben im Zeitlupentempo:<br />
Sie bewegen sich gemächlich, produzieren meist wenige Nachkommen und<br />
10 Lumb (Brosme brosme)<br />
bis 100 Zentimeter; 70 bis 1000 Meter Tiefe<br />
Einer <strong>der</strong> begehrtesten Speisefische <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong>, ist aber in vielen<br />
Gebieten stark überfischt. Dieses Schicksal teilt er mit ähnlichen<br />
Arten wie Leng und Blauleng.<br />
11 Schnabeldornhai (Deania calcea)<br />
bis 120 Zentimeter; 60 bis 1500 Meter Tiefe<br />
Gebärt wie die meisten Haie lebende Junge (sechs bis zwölf pro Wurf,<br />
30 Zentimeter groß). Eine Population braucht mindestens 14 Jahre,<br />
um sich zu verdoppeln.<br />
12 Schokoladenhai (Dalatias licha)<br />
bis 180 Zentimeter; 40 bis 1800 Meter Tiefe<br />
An denen Hängen von Seebergen jagen verschiedenste Haie nach<br />
Fischen, Krebsen und Kalmaren. Bei den Azoren dezimierten Fischer<br />
Bestände <strong>der</strong> Schokoladenhais in so kurzer Zeit, dass die Art sogar<br />
auf die Rote Liste gefährdeter Arten gesetzt wurde.<br />
13 Schwarzer Degenfisch (Aphanopus carbo)<br />
bis 110 Zentimeter; 200 bis 1700 Meter Tiefe<br />
Frisst Krebse, Kalmare und Fische. Bei Madeira, wo man Degenfische<br />
mit Langleinen in 1000 Metern Tiefe fängt, gelten sie als Delikatesse<br />
(„Espada“). Im Nordatlantik landen sie als Beifang in Schleppnetzen.<br />
14 Gorgonenhaupt (Gorogonocephalus caputmedusae)<br />
bis 70 Zentimeter lange Arme, bis 900 Meter Tiefe<br />
Dieser Schlangenstern, verwandt mit Seesternen und -igeln, fängt mit<br />
seinen verzweigten Armen Planktontierchen.<br />
15 Haarstern (Hathrometra sarsi)<br />
10 Zentimeter, bis 250 Meter Tiefe<br />
Haarsterne, ebenfalls Seestern-Verwandte, klammern sich am Boden<br />
fest und fressen Plankton, das in ihrer Fe<strong>der</strong>krone hängen bleibt.<br />
16 Lanzenseeigel (Cidaris cidaris)<br />
10 Zentimeter, 30 bis mehr als 700 Meter Tiefe<br />
Dieser Seeigel hat nur wenige, dafür aber kräftige Stacheln.<br />
17 Leuchtkrake (Staurotheutis syrtensis)<br />
20 Zentimeter; 500 bis 4000 Meter Tiefe<br />
Die fließenden Bewegungen des zwischen den Armen gespannten<br />
Schirmes, die leuchtenden Saugnäpfe und die „Elefantenohren“<br />
machen die Leuchtkrake zu einem <strong>der</strong> spektakulärsten <strong>Tiefsee</strong>wesen.<br />
18 <strong>Tiefsee</strong>kalmar (Promachotheutis sp. nov.)<br />
etwa 30 Zentimeter; 200 bis mindestens 1500 Meter Tiefe<br />
Dieser erst kürzlich am Mittelatlantischen Rücken entdeckte<br />
Kalmar hat noch keinen offiziellen Namen. Im weltumspannenden<br />
Forschungsprojekt „Census of Marine Life“ sind Neuentdeckungen<br />
an <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />
19 Rote Schwebgarnele (Gnathophausia spec.)<br />
etwa 10 Zentimeter<br />
Viele Krebse und an<strong>der</strong>e <strong>Tiefsee</strong>tiere sind kräftig rot, obwohl die<br />
Farbe in <strong>der</strong> lichtlosen Tiefe gar nicht zu erkennen ist – für Forscher<br />
ein Rätsel. Eine verwandte Art dieser Schwebgarnele spritzt bei Gefahr<br />
eine leuchtende Flüssigkeit ins Wasser, um Angreifer zu blenden.<br />
20 Beilfisch (Argyropelecus spec.)<br />
bis 8 Zentimeter; 100 bis 600 Meter Tiefe<br />
Trägt dichte Reihen von Leuchtorganen am Bauch, frisst<br />
Kleinkrebse und Fischlarven. Beilfische leben im freien Wasser <strong>der</strong><br />
<strong>Tiefsee</strong>, an den steilen Seeberghängen aber auch in Bodennähe.<br />
21 Schnepfenaal (Avocettina infans)<br />
bis 75 Zentimeter; 50 bis 4600 Meter Tiefe<br />
Frisst Planktonkrebse, die sich mit ihren langen Anhängseln im<br />
seltsamen, bezahnten Schnabel verfangen. Bei einem Schnepfenaal<br />
wurden 670 Wirbel gezählt – Weltrekord.<br />
22 Fangzahn (Anoplogaster cornuta)<br />
15 Zentimeter; 500 bis 5000 Meter Tiefe<br />
Die stacheligen Fangzahn-Jungen gleichen ihren Eltern so wenig,<br />
dass man lange dachte, es handle sich um zwei Arten.<br />
23 <strong>Tiefsee</strong>angler (Melanocetus johnsonii)<br />
18 Zentimeter; bis in 2000 Meter Tiefe<br />
Die Weibchen schweben träge im Wasser und lassen die leuchtende<br />
„Angel“ treiben. Wer zu nahe kommt, wird verschlungen – auch wenn<br />
er viel größer ist. Die deutlich kleineren Männchen „docken“ an die<br />
Weibchen an und verschmelzen mit <strong>der</strong>en Blutkreislauf. Ihre einzige<br />
Aufgabe: die Begattung.<br />
sind deshalb sehr schnell überfischt. Bei Neuseeland haben Trawler den Granatbarsch<br />
an mehreren Seebergen binnen weniger Jahre nahezu ausgerottet.<br />
Unkontrollierte Fischerei droht jedoch nicht nur einzelne Tierarten, son<strong>der</strong>n<br />
ganze Lebensräume zu vernichten: Die <strong>Tiefsee</strong>form <strong>der</strong> Koralle Oculina varicosa<br />
bildet nur vor Florida Riffe. Bis auf ein acht Hektar großes Restvorkommen<br />
sind die raren Ökosysteme bereits durch Schleppnetze zerstört.<br />
Zwar ist das letzte Oculina-Riff inzwischen Tabuzone für Fischer, und<br />
auch Norwegen, Schottland und Irland haben in ihren Gewässern Riffe unter<br />
Schutz gestellt. Doch viele Kaltwasserriffe und die meisten Seeberge<br />
liegen in internationalen Gewässern und lassen sich daher nur schwer schützen.<br />
Deshalb for<strong>der</strong>t Greenpeace in <strong>der</strong> „Deep Sea Conservation Coalition“<br />
gemeinsam mit an<strong>der</strong>en Umweltorganisationen ein Moratorium für den Einsatz<br />
von Grundschleppnetzen auf Hoher See.<br />
Nur die UN-Vollversammlung könnte ein solches Moratorium beschließen,<br />
das Zeit bringen würde, um die unbekannten Lebensräume genauer zu<br />
erkunden. Zugleich ließen sich rechtliche Grundlagen dafür schaffen, dass<br />
auch in internationalen Gewässern Schutzgebiete ausgewiesen werden können.<br />
Doch ausgerechnet aus Europa kommt heftiger Wi<strong>der</strong>stand gegen diesen<br />
Vorschlag. Denn zu den elf <strong>Tiefsee</strong>fischerei-Nationen zählen Spanien<br />
und Portugal sowie Lettland, Frankreich, Irland und Finnland.<br />
Führende Meeresforscher werben hingegen eindringlich für eine Fangpause.<br />
„Das Leben <strong>der</strong> <strong>Tiefsee</strong> ist zu großen Teilen unerforscht, doch seine<br />
Zerstörung schreitet wahrscheinlich noch schneller voran als die <strong>der</strong> Regenwäl<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Erde“, warnt <strong>der</strong> Kieler Meeresbiologe Rainer Froese. „Wir sollten<br />
das <strong>Tiefsee</strong>leben nicht zerstören, bevor wir die Chance hatten, es uns<br />
genau anzusehen. Wir pflügen ja auch nicht den Mars um, bevor wir darauf<br />
landen.“ WOLFGANG HASSENSTEIN<br />
Informationen im Web:<br />
www.savethehighseas.org, www.ices.dk/marineworld/seamounts.asp,<br />
www.rrz.uni-hamburg.de/OASIS, www.cool-corals.de<br />
Vorstoß ins Wun<strong>der</strong>land<br />
Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten regt die <strong>Tiefsee</strong> die Fantasie von<br />
Entdeckern und Schriftstellern an, doch erst in den letzten<br />
Jahrzehnten erlaubt die mo<strong>der</strong>ne Technik genauere<br />
Einblicke in die Weiten unter Wasser. Kaum erforscht, droht<br />
dem Lebensraum bereits Gefahr. Eine Chronik:<br />
1521<br />
Der Seefahrer Magellan versucht, den Meeresboden des<br />
Pazifik zu ergründen. Er lässt ein Seil zu Wasser, an dessen<br />
Ende eine Kanonenkugel hängt. Es ist mehr als 700 Meter<br />
lang – doch erreicht den Ozeanboden nicht. Daraufhin<br />
erklärt Magellan das Meer für unendlich tief.<br />
1818<br />
Der britische Polarforscher Sir John Ross för<strong>der</strong>t im Nordatlantik<br />
von seinem Schiff mit einen „<strong>Tiefsee</strong>-Greifer“<br />
aus 1800 Metern Würmer und ein Medusenhaupt zutage.<br />
Die <strong>Tiefsee</strong> lebt!<br />
1872<br />
Die Meeresexpedition <strong>der</strong> britischen „Challenger“ för<strong>der</strong>t<br />
fast 5000 unbekannte Arten zutage, zum Teil aus mehr als<br />
5000 Metern Tiefe.<br />
1898<br />
Die „Valdivia“ sticht zur ersten deutschen <strong>Tiefsee</strong>expedition<br />
in See. Der umgebaute Liniendampfer verfügt<br />
über ein Netz, das in festgelegten Tiefen geöffnet und<br />
geschlossen werden kann. „Das Leben passt sich je<strong>der</strong><br />
Meerestiefe an!“, notiert <strong>der</strong> Zoologe August Brauer.<br />
1934<br />
Der Amerikaner William Beebe wird in einer Stahlkugel,<br />
<strong>der</strong> „Bathysphere“, 925 Meter tief in den Ozean hinabgelassen<br />
und beobachtet als erster Mensch <strong>Tiefsee</strong>bewohner<br />
in ihrer natürlichen Umgebung. 17 Jahre später setzt<br />
er mit 1300 Metern Tauchtiefe eine neue Rekordmarke.<br />
1947<br />
Wie kaum ein zweiter ist <strong>der</strong> Name Jacques Cousteau<br />
mit <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> Meereswelt verbunden. Ab Mitte<br />
<strong>der</strong> 40er Jahre verleihen seine Filme dem Ozean ungeahnte<br />
Popularität.<br />
1960<br />
Der Franzose Jacques Piccard und sein US-Kollege Don<br />
Walsh setzen im Challengertief des Marianengrabens<br />
vor den Philippinen das Tauchboot „Trieste“ auf Grund. Der<br />
Tiefenmesser zeigt 10.916 Meter unter Normalnull — ein<br />
bis heute nicht wie<strong>der</strong> erreichter Rekord.<br />
1979<br />
Mit dem Tauchboot „Alvin“ entdecken US-Forscher in<br />
2000 Metern Tiefe „schwarze Raucher“, meterhohe<br />
Schlote, aus denen heißes Wasser strömt. Diese Quellen<br />
ernähren eine vom Sonnenlicht unabhängige Lebensgemeinschaft<br />
aus Bakterien, Würmern und Krebsen — eine<br />
wissenschaftliche Sensation.<br />
1982<br />
Die Entdeckung neuer Meeresressourcen schürt wirtschaftliche<br />
Interessen. Um ungeregeltem Rohstoffabbau<br />
zuvorzukommen, verabschieden die UN die Seerechtskonvention.<br />
Sie tritt 1994 in Kraft und erklärt die Mineralien<br />
des Ozeans zum Erbe <strong>der</strong> Menschheit.<br />
1985<br />
Mit Tauchrobotern spürt eine französisch-amerikanische<br />
Expedition 450 Meilen vor <strong>der</strong> Küste Neufundlands das<br />
Wrack <strong>der</strong> „Titanic“ auf.<br />
1990er<br />
Mo<strong>der</strong>ne Kameras und Messsysteme offenbaren, dass<br />
Kaltwasserkorallen, wie sie vor Norwegen schon lange<br />
bekannt waren, in allen Meeren vorkommen. Zugleich<br />
entdeckt man verheerende Schäden durch Schleppnetze.<br />
2000er<br />
Mit Aktionen vor Australien, Schottland und den<br />
Azoren protestiert Greenpeace gegen den Raubbau an<br />
artenreichen Seebergen.<br />
2004<br />
Im Februar for<strong>der</strong>n 1136 Meereswissenschaftler aus 63<br />
Län<strong>der</strong>n Schutzmaßnahmen gegen die Grundschleppnetzfischerei<br />
in <strong>Tiefsee</strong>-Ökosystemen. Im September überreicht<br />
Greenpeace dem UN-Generalsekretär Kofi Annan<br />
mehr als 100.000 Protestpostkarten.<br />
2005<br />
Um <strong>Tiefsee</strong>korallen und an<strong>der</strong>e Unterwasser-Lebensräume<br />
zu schützen, verbieten die USA die Grundschleppnetzfischerei<br />
vor Alaska auf 960.000 Quadratkilometern.<br />
Eine Produktion des Greenpeace Magazins. Zu bestellen mit dem Son<strong>der</strong>heft „Unser Meer“ unter: Hotline 040/808 12 80-80, Fax 040/808 12 80-99 E-Mail gpm@greenpeace-magazin.de<br />
Adresse Greenpeace Media GmbH, Große Elbstr. 147d, 22767 Hamburg V.i.S.d.P.: Jochen Schildt Redaktion Wolfgang Hassenstein, Alexandra Rigos Illustration Gisbert Lange<br />
Bildredaktion Kerstin Leesch Gestaltung Sandra Klostermeyer/Büro Hamburg Litho w&co MediaServices Druck Johler Druck, Gadelan<strong>der</strong> Str. 77, 24539 Neumünster; 100% Recyclingpapier<br />
KAROLINE SCHACHT